Ill von abgemeldet (Patient Nr. 3566) ================================================================================ Kapitel 1: -Patient Nr. 3566- ----------------------------- Die Welt war still. Totenstill. Langsam, ganz langsam mischten sie dumpfe Stimmen in seinem Ohr sich zu klaren Lauten zusammen. Er öffnete vorsichtig die Augen, ließ das Licht durch seinen Lider fließen, erst schwarz, dann rot... Er sah sich um. Menschen. Viele Menschen, alle in weiß, alle in ihren eigenen Symptomen versunken und er schloss die Augen wieder. Suchend. Sie war weg. Er hielt sich die Ohren zu, presste die dünnen Hände fest auf die Ohrmuscheln, das Murmeln wurde leise, er hörte sein Blut durch die Adern rauschen, er lebte, alles äußere Geräusche... Was er suchte, war weg. Verzweifelt kniff er die Augen zusammen, verkrampfte sich in seiner zusammen gekauerten Haltung, schrie, lauschte dem schrillen Klang seiner verzerrten Stimme, die in dem kalten, weißen Korridor wiederhalte. Weg. Er spürte Hände auf seiner Schulter, zwei auf jeder Seite, erst sanft, dann hart. Sein ausgemergelter Körper zitterte unter den Armen, die ihn aus dem Raum trugen. Schluchzend fand er sich auf seinem Bett wieder; festgezurrt, die Arme schlaff vom angerosteten Eisenbett baumelnd, über ihm weiße Decke, weißes Licht, alles leer, alles steril, alles friedlich. Er wollte nach seinen Narben schauen, doch er konnte sich nicht bewegen. Es war wieder totenstill. Der letzte Versuch. Erneut sehnsüchtiges Lauschen. Nichts. Kein Lachen. Es war weg. Lautlos weinte er in die schweren Laken. Er wollte sie sehen, wollte wissen, ob sie noch da waren, den letzten Beweis finden, dass es sie jemals gegeben hatte, rot und tief, zu dunklen Löchern vernarbt, hässlich, und dennoch... Die Gurte des Bettes drückten auf seinen Körper, schwerer noch als damals, da kein Entkommen möglich war. Kein Entrinnen. Keine Strafe. Kein Blut... Er lachte. Zuerst war es mehr ein schweres Atmen, dann ein durch Husten zersetztes Keuchen, das sich langsam zu einem hysterischen Kichern verzog. Es war er, der so lachte. So fremd... Er hatte sich noch nie so lachen hören, obgleich es seine Stimmbänder waren, die sich bewegt hatten, es hatte nicht ihm gehört. Es war für ihn. Die Tür ging auf, kühle Luft wehte über sein Gesicht und zerrte an den von Tränen benässten Wangen. "Beruhigen Sie sich, Bakura, alles wird wieder gut...", der Rest ging in einem weitern Anfall von Lachen, Keuchen, nach Luft ringen und weinen unter, bis auf die ein paar Satzfetzen. "Einmal Beruhigungsmittel auf Absonderungszelle 5!" "Wo ist der 2. Gurt?" "Holt doch mal wer den Stationsarzt!" Ein kurzer Schmerz.. Im Oberarm. Der Linke. Und er verstummte. Da war sie. Er blinzelte auf seinen Arm. Sie war noch da, bräunlich rot, umrandet von verzogener weißer Haut. Er war nicht verrückt und war es nie gewesen. Seine Hand griff nach dem hellgrünen Ärmel und leise flüsterte er dem Gesicht zu: "Er war da... wirklich!" Tadelndes Tätscheln auf den Kopf, "Ja, ja, natürlich. Machen Sie sich keine Sorgen, Bakura, es ist bald vorbei." Ja..., sagte er sich selbst, vielleicht. Es ist vorbei. Schon lange. Er stieß ein tiefes Seufzen aus seiner Lunge, dann fielen ihm die Augen zu, müde, erschöpft. Er hörte seinen eigenen Atem. Kein Fluchen. Kein verachten. Kein Schmerz. Still und leer. Und er fasste sich an die Brust, suchte die Narbe unter den Fingerspitzen. Seine Finger fanden sie, gruben sich in die leichten Eindellungen und verweilten friedlich darauf. "Du bist noch da, oder? Wenn ich die rufe, dann bist du da, oder? Du willst mich nur ärgern... du willst mich nur wieder zeigen, dass ich ohne die nicht sein kann und mich bestrafen... das willst du doch, oder?" Doch unter seinen Tränen verstand er nicht, dass der Geist auf ewig tot war... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)