Strawberry Fields von abgemeldet (Another Nightmare/Gazette-Soap made by MAC) ================================================================================ Kapitel 6: Inner Demons And Outer Angels ---------------------------------------- Musik: Jack Off Jill – Angels Fuck, Devils Kiss Irgendwann, das schwöre ich euch, bringe ich 'nen Soundtrack raus. 'Strawberry Fields O.S.T.' LOL Und sorry an all diejenigen, die ich so lange warten hab lassen. Ich kann euch versichern, der nächste Teil kommt schneller. XD (8 monate sind ja wohl kaum zu toppen... naja... *an Erste Lektion: Liebe denk* lalala. *mal auch dort wieder update machen geht*) ~~~~ Die Sonnenstrahlen, die sich durch die halbzugezogenen Vorhänge stahlen, kitzelten Sakito furchtbar an der Nase. Er fragte sich sogleich wie spät und welcher Tag es überhaupt war. Ihm kam es so vor als wäre heute Sonntag, einen Tag bevor erneut eine Schulwoche begann. Irritiert versuchte er seine Augen zu öffnen und als das nicht auf Anhieb klappte, ließ er sie geschlossen und genoss die Wärme, die ihm sein Bett und die Sonne boten. Außerdem fühlte er sich nicht wirklich so weit, aufzustehen und Hausaufgaben zu machen. Hatte er sie gestern überhaupt gemacht? Er wusste es nicht mehr. Irgendwie war der gestrige Tag total verschwommen in seiner Erinnerung. Er war nach Hause gekommen und hatte den kompletten Nachmittag damit verbracht nicht an den Abend zu denken. Warum eigentlich? Ach ja... diese bescheuerte Party, auf die Uruha unbedingt wollte. War er überhaupt dort gewesen? Ja, stimmt. Er war dort. Zusammen mit Uruha. Vorher hatte ihn dieser noch so richtig schön rausgeputzt, das, was er eigentlich vermeiden wollte. Und dann? Dann sind sie auf dieses Fest gegangen. Hatte er sich betrunken? Er erinnerte sich vage an den ersten Tequila und noch verschwommener an so einen lustigen lilafarbenen Cocktail. Er kicherte. Stimmt, den hatte er selbst zusammengebraut. Schlecht hat er auch nicht geschmeckt. Zu schade, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte, was er alles reingemixt hatte. Was war dann passiert? Ach ja... dann hatte er getanzt. Wie peinlich. Zuerst hatte er alleine getanzt. Und dann mit einem Typen. Wer war das gleich noch mal gewesen? Stimmt... es war Ni~ya. Igitt. Obwohl es eigentlich ganz okay war. Er kicherte wieder. Er hatte Ni~ya so scharf gemacht. Das war schon ziemlich lustig gewesen. Was war dann passiert? Ni~ya hatte ihm versucht zu helfen und er hatte diese Hilfe abgelehnt. Richtig so. Dann hatte er doch getan, was Ni~ya ihm geraten hatte. Verdammt. Er hätte nichts trinken dürfen. Und dann? Dann hatte er noch mehr getrunken. Irgendwann hatte er sogar eine Flasche Bier auf Ex gekippt. Er konnte sich nur ums Verrecken nicht mehr dran erinnern, wann und wie es dazu gekommen war. Was war danach eigentlich passiert? Und wie war er überhaupt nach Hause gekommen? Bestimmt hatte Uruha ihn gefunden und ihn in sein Bett bugsiert. Warum konnte er sich nicht mehr daran erinnern, Uruha an diesem Abend, außer zu Beginn, überhaupt gesehen zu haben? Vielleicht weil er schon so an ihn gewöhnt war, dass er automatisch annahm, dass Uruha überall dort war, wo er auch war. Komisch. Aber so musste es gewesen sein. Sakito versuchte sich im Bett zu drehen, was ihm nur spärlich gelang. Irgendwie schien sein Nervensystem leichte Koordinationsschwierigkeiten zu haben. Seine Gliedmaßen reagierten kaum auf die Befehle seines Gehirns. Und auch jetzt erst bemerkte er, dass sein Schädel, in dem sich besagtes Gehirn befand, höllisch dröhnte. Er musste gestern Abend mehr getrunken haben, als er vorerst angenommen hatte. Jedoch sprach alles dafür; der Verlust gewisser Ereignisse nach dem tollen Auftritt gemeinsam mit Ni~ya, als auch die monströsen Kopfschmerzen. Er überlegte einen Moment, ob er sich jetzt etwas dagegen holen sollte oder noch eine Weile liegen blieb und die Suche nach Aspirin auf später verschob. Er entschied sich dafür, dass er die warme Höhle seines Bettes kurz verlassen und die so stark herbeigesehnten Kopfschmerzmittel holen könnte, nur um dann mit – hoffentlich – weniger Kopfschmerzen zurück unter die Bettdecke hüpfen zu können. Also öffnete er seine Augen wieder, diesmal klappte es sogar ganz gut. Das Aufsitzen bereitete ihm dann doch ein wenig mehr Probleme – sein Kopf und der Rest seines Körpers schienen plötzlich so enorm schwer zu sein. Müde blinzelte er ein paar Mal mit den Augen, um sie an die Helligkeit zu gewöhnen und auch um herauszufinden, wie viel mentalen Aufwand er betreiben müsste, um seine Lider nicht gleich wieder zufallen zu lassen. Dabei bemerkte Sakito, dass sein Fuß außergewöhnlich weit weg von seinem Körper zu sein schien und in einem abnormalen Winkel zu seiner Sitzposition noch dazu. Hatte er sich während des Schlafens so verdreht, dass sein Fuß jetzt auf der anderen Seite des Fußende des Bettes heraushing; mit den Zehen zum Boden zeigend. Er wackelte zur Kontrolle mit seinen Füßen, nur um festzustellen, dass sich beide am richtigen Platz befanden und dieser Fuß, der da über der Kante in der Luft hing, gar nicht seiner war, denn der hatte nicht reagiert. Sakito schickte einen weiteren überprüfenden Blick über sein Bett und musste erfahren, dass sich die Decke auf der anderen Seite als der, unter der er geschlafen hatte, extrem nach oben wölbte und nicht flach und faltig wie sie sonst immer auflag, wenn er alleine schlief. Sofort beschlich ihn ein mulmiges Gefühl, noch keine Panik, aber kurz davor. Noch standen die Chancen gut, dass es Uruha sein könnte, der – zu faul im Suff nach Hause zu gehen – sich dazu entschlossen hatte, bei ihm zu übernachten. Vorsichtig hob er die Decke über dem ominösen Körper ein wenig an und musste mit Entsetzen herausfinden, dass der Kopf – im Gegensatz zu Uruhas – schwarze Haare hatte, die um ein vielfaches kürzer waren als Uruhas. Vielleicht hatte Uruha sich die Haare gestern auf der Party spontan schneiden und dann auch noch gleich färben lassen? Eine radikale Entscheidung, aber Uruha wäre sie zuzutrauen. Sakito schluckte einmal schwer. Nein, seine Haare waren Uruhas Heiligtum. Er ging seit Jahren zu einem Frisör seines Vertrauens, so etwas wie sie schwarz zu färben und dann auch noch so ratzekurz zu schneiden, würde ihm nicht im Traum einfallen. Das würde er noch nicht einmal für die Liebe seines Lebens tun, hatte er ihm einmal gestanden. Okay. Jetzt war aus diesem flauen Gefühl eine leichte Panik geworden. Nur weil da ein fremder Körper barfüssig neben ihm in seinem Bett lag, hatte das noch lange nichts zu bedeuten. Es könnte ja ein guter Freund, der ihn gestern Abend nach Hause gebracht hatte, sein. Er lachte innerlich einmal laut. Wen wollte er hier eigentlich verarschen? Außer Uruha hatte er kaum so gute Freunde, die er bei sich schlafen lassen würde. Aber im Vollrausch war er zu allen Entscheidung fähig, musste er sich reuevoll eingestehen. Mit unbändiger Neugier hob er die Decke ein Stück weiter an, so dass er die Schultern und einen Teil des Rückens des Fremden erkennen konnte. Seine Panik wuchs wieder ein großes Stück, denn der Oberkörper war nackt. Auch das hatte noch lange nichts zu bedeuten, redete er sich ein. Es war schließlich mitten im Mai und die Temperaturen waren in den letzten Tagen stetig gestiegen. Vielleicht war es aber auch nur eine Angewohnheit dieses Typs – er hoffte, es war ein Typ - oben ohne zu schlafen, egal ob Sommer oder Winter. Was aber, wenn es ein Mädchen war, das jetzt – Oberkörper entblößt – neben ihm schlief? Hatte er wohl am gestrigen Abend tatsächlich so eine Dummheit begangen und mit ihr geschlafen? Im Eifer des Gefechts wahrscheinlich auch noch ohne Kondom? Typen konnten wenigstens nicht schwanger werden, Mädchen jedoch schon. Würde sie zu einer Furie werden, wenn er ihr sagte, dass er schwul war, dies ein ziemlich großer Irrtum seinerseits gewesen sein musste und sie ohne ein weiteres Wort rausschmiss? Wahrscheinlich schon. Er hob die Decke, die er vorher vor Schreck wieder fallen hat lassen, erneut an, besah sich die breiten Schultern - zu breit, um die eines Mädchens zu sein – und seufzte erleichtert auf. Wenigstens keine Schwangerschaftsklage. Das war das Gute daran, schwul zu sein. Er musste sich um so was keine Sorgen zu machen. Die armen Säue, die ständig irgendwelchen Mädchen hinterher jagten und so tierisch darauf aufpassen mussten, sie nicht zu schwängern. Dabei kam ihm Ni~ya in den Sinn. Der hatte bestimmt dauernd irgendwelche Klagen am Hals. Er grinste hämisch, die Panik vergessen. Jedem, wie er es verdient. Ein weiteres Mal hob er die Decke an, diesmal, um auch den Rest des Geheimnisses zu lüften. Je höher er sie hob, desto schlechter wurde es ihm. Bitte nicht, flehte er gen Himmel. Bitte lass ihn nicht ganz nackt sein. So hatte er wenigstens noch die Möglichkeit sich einzureden es wäre nichts passiert und der Typ hätte wirklich nur diese Angewohnheit oben ohne zu schlafen. Schnell ließ er die Decke wieder fallen, die Augen vor Schreck geweitet. Dann hob er sie über sich an, als wolle er aufstehen, und blickte dort in seinen bloßen Schoß. Er war nackt. Splitterfasernackt. Genauso wie der Typ da neben ihm. Nein. Das war bestimmt nur eine Sinnestäuschung. Seine Augen funktionierten bestimmt noch nicht richtig. Schließlich war er gerade eben erst aus einem majestätischen Vollrausch aufgewacht, da konnte man sich auch noch am Morgen danach in einigen Dingen täuschen. Er hob die Decke noch einmal an, ließ sie fallen. Das Ganze wiederholte er sieben Mal und als sich auch nach dem x-ten Mal nichts an der Situation geändert hatte, gab er es auf und wollte schon anfangen jämmerlich zu weinen. Zu seinem Unglück hätte nur noch gefehlt, dass sich der Andere jetzt umdrehte und ihn verheißungsvoll anlächelte. Als hätte der Fremde seine Gedanken gehört und wollte Sakito in sein tiefstes Leid stürzen, begann er sich zu regen. Sakitos Herz raste ungeheuer schnell in seinem Brustkorb, er war sich sicher, er hätte die 180 schon überschritten. Bitte wach jetzt nicht auf, flehte der Brünette. Noch hatte er Zeit zu verschwinden, den Fremden in seinem Zimmer alleine aufwachen zu lassen. Verdammt! Warum war er in seinem Zimmer? Jetzt wusste der ominöse Kerl wo er wohnte, konnte ihn also jederzeit wieder heimsuchen. Was machte er jetzt? Ruhe und kühlen Kopf bewahren, war sein stilles Mantra, das er immer und immer in seinem vor Panik und Paranoia brodelnden Kopf wiederholte. Der Körper bewegte sich wieder. Wie sollte er da noch Ruhe bewahren? Er wollte kotzen, so schlecht war ihm vor Verzweiflung. Jetzt drehte sich der Fremde, immer noch auf dem Bauch liegend, mit dem Kopf zu ihm. Er schlug die Hände über dem Mund zusammen und blickte starr auf das Gesicht, des jetzt nicht mehr ganz so Fremden. Das durfte nicht war sein! Jemand spielte ihm einen schlechten Streich. Und wenn nicht, dann mussten ihn alle Götter dieser Welt so furchtbar hassen, dass sie nichts als ihn in einer Misere sehen wollten. Gepackt von Verzweiflung, Ekel und Scham stürmte er in seinem unbekleideten Zustand aus seinem Zimmer Richtung Toilette, um sich dort zu übergeben. Mit Tränen in den Augen würgte er seinen kompletten Mageninhalt in die Schüssel, bis nur noch Gallenflüssigkeit kam. Schluchzend brach er vor der Toilette zusammen und schlang die Arme um seine dünne Form, als er lautlos zu weinen begann. Das durfte nicht wahr sein. Das war bestimmt nur ein Trugbild seiner morgendlichen Wahrnehmung. Er befand sich bestimmt noch in seinem Alptraum aus dem er jeden Moment aufwachen würde und dann Gott dafür danken würde, dass er nur geträumt hatte. Warum fühlte sich dann alles so echt an? Seine Kopfschmerzen, der bittere Geschmack von Galle und der saure von Magenflüssigkeit in seinem Mund, die kalten Fließen auf denen er kniete? Warum fühlte er das alles, wenn es doch nur ein Traum war? Er hatte die ganze Scheiße doch schon mal durchlebt, warum musste er es noch mal durchleiden? Gab es keinen Gott, der ihn vor solchen Dummheiten schützen konnte? Warum ging er denn regelmäßig in den Tempel und bat um sein Glück, wenn es doch sowieso nicht erhört wurde? „Hey, ist alles okay da drin?“, kam eine – seine – Stimme von draußen. Er musste durch die Geräusche von Sakito wach geworden sein. Sakito war nach drastischen, Lebens beendenden Maßnahmen zumute. Warum musste es er sein? Warum hatte er sich nicht einen anderen, unbedeutenden Typen von der Party nehmen könne, mit dem er dann die Nacht verbracht hatte? Warum musste er so dumm sein denselben Fehler ein zweites Mal zu begehen? Sakito sagte nichts. Vielleicht würde er dann von alleine verschwinden und ihn in seiner Torheit suhlen lassen? Die Tür öffnete sich einen Spalt breit und Ni~yas Kopf lugte vorsichtig durch die schmale Öffnung. Bevor er seine Sorge um Sakito mit einem „Alles in Ordnung mit dir?“ kundtun konnte, schnappte sich jener den nächst besten greifbaren Gegenstand und warf ihn mit akkurater Präzision an die Stelle, an der Ni~yas Kopf gewesen wäre, hätte der nicht so schnell reagiert und ihn aus dem Spalt gezogen. „Scheinbar nicht.“, murmelte Ni~ya, nachdem das Gerät – er meinte es wäre ein Rasierapparat gewesen – zweimal dumpf aufprallte. „Sakito?“, versuchte es Ni~ya mit neuem Elan erneut, diesem näher zu treten. „Verschwinde!“, schrie Sakito mit heiserer Stimme und diesmal wurde es mit einem klirrenden Knall an der Tür begleitet. Wie lange war er da schon drin? Es konnte noch nicht lange sein, denn als er aufgewacht war, war Sakitos Platz noch warm gewesen und wäre es länger her, wäre Sakito wahrscheinlich nicht mehr so aufgebracht. Er war ein wenig überrascht ob der Tatsache, dass Sakito nun so erzürnt darüber war, dass sie eine Nacht zusammen verbracht hatten. Er hatte gewusst, der Jüngere würde einen Wutanfall schieben und ihn mit fiesen Beleidigungen beschimpfen, die ihm bis an sein Lebensende genügen würden, wie es keine betrogene Hausfrau besser machen könnte, jedoch war Sakitos jetzige Reaktion etwas, was er nicht erwartet hatte. Er hatte ihn doch weinen sehen, oder täuschte er sich da etwa? „Hey, wir –“, wollte er erneut ansetzen zu dem Anderen durchzudringen, jedoch wurde sein Versuch mit einem weiteren Knall gegen die Tür und einem „Bist du taub, oder was? Ich hab gesagt, du sollst verschwinden!“ unterbrochen. Mehr als Ni~ya, hasste Sakito sich gerade selbst am meisten. Er schrie und schmiss mit Gegenständen um sich wie ein altes Waschweib und heulte Rotz und Wasser wie ein kleines Gör! Wie sehr konnte er sich selbst noch erniedrigen? Und das zum zweiten Mal, wegen ein und desselben Kerls! Wo war seine kalte Fassade, wenn er sie am dringendsten brauchte? Ni~ya befand es am intelligentesten, wenn er jetzt einen Rückzug – keinen totalen jedoch – antrat. Er ging zurück in Sakitos Zimmer und würde diesen erst einmal im Bad austoben lassen. Seine Haut war ihm definitiv zu schade, als dass er sie sich von Sakito und umherschwirrenden, und wahrscheinlich auch noch spitzen, Dingen schänden ließe. Zurück in Sakitos Zimmer tat er das, wozu er gestern Abend keine Zeit gehabt hatte. Er besah sich Lebensumstände des Objekts seiner Wette und musste, kein wenig erstaunt, feststellen, dass er das Kind wohlhabender Elter war. Vielleicht sogar ein Einzelkind. Ni~ya wusste so wenig über Sakito, dass es fast erschreckend war. Er wusste, dass der Braunhaarige jünger war als er, aber auch nur, weil so gut wie alle - außer Ruka - an der Schule jünger waren als er. Er war zusammen mit Ruka und Yomi einer von den wenigen Wiederholern an der Schule, die es, Dank mangelndem Interesse, geschafft haben die Prüfungen nicht zu bestehen. Gut, dass er durch sein unreifes Verhalten, das er mit einer Schlägerei beweisen musste, kurz vor den Prüfungen von der Schule suspendiert wurde und somit gar nicht erst zu diesen antreten durfte, tat das Seinige am Nichtbestehen dazu. Er tat seine Gedanken beiseite und ließ seinen Blick weiter über die Gegebenheiten des Zimmers schweifen. Sakito hatte ein ziemlich großes Bett, was sehr unüblich für japanische Verhältnisse war, in der Mitte des recht großen Zimmers stehen. Auch war alles penibel ordentlich an seinem Platz, nicht ein Stift oder Buch lag nicht dort, wo es nicht hingehörte. Nachdem er sich beiläufig angezogen hatte, ging Ni~ya hinüber zum Schreibtisch, strich er mit einer Hand über das dunkle Holz. Der Tisch war so sauber, dass es schon fast lächerlich war. Sein eigener Schreibtisch, wenn man es noch als solchen bezeichnen konnte, war alt und schäbig und diente eigentlich nur noch als zusätzliche Ablage für seine Klamotten, Spiele und Manga. Daran merkte man, wer wohl mehr Zeit an diesem Einrichtungsgegenstand verbrachte. Wahrscheinlich war Sakito auch der Typ Schüler, der nach dem Unterricht und in den Ferien noch in eine Paukschule ging, um den Wünschen der Eltern auch gerecht zu werden. Für Ni~ya war der ganz normale Schulunterricht schon zu viel, sodass er ihn ab und zu schwänzte. Hatte Sakito das schon einmal gemacht? Er glaubte ja eher nicht. Sogleich hatte er Mitleid mit ihm. Die arme Sau, dachte er sich. So viel Zeit mit lernen zu verbringen, dass er dabei ganz vergaß zu leben. Aber zum Glück hatte sich Ni~ya seiner angetan und dieser, das schwor er sich, würde ihm ein bisschen seiner mit lernen vergeudeten Zeit rauben. Bis jetzt lief ja alles noch nach Plan. Er überlegte ob er die Schublade am Tisch öffnen sollte und zog an dem Holzgriff der Lade noch bevor er sich überhaupt dazu entschlossen hatte. Ein verächtliches Lächeln umspielte seine Lippen, als er sah, dass auch hier alles fein säuberlich geordnet war. Wie viel Zeit musste dieser Mensch damit verbringen alles so präzise in Reih und Glied zu bewahren? Auf einem Stapel von Blättern, aus denen keines aus der Reihe tanzte, lag ein schlichtes schwarzes Buch auf dessen Cover das Wort ‚Notes’ in goldenen Lettern geprägt war, das seine Neugier weckte. Was machte sich Sakito wohl für Notizen?, fragte er sich hämisch grinsend. Stand da drin, wann er die nächste Paukstunde hatte, oder seine schulischen Leistungen? Er würde es nicht herausfinden, wenn er nicht hineinschaute, grinste er dämonisch. Zielsicher griff er in die Schublade und hob das schwarze Buch hoch. Neugierig schlug er die erste Seite auf und musste überrascht feststellen, dass dieses Notizbuch wohl so eine Art Tagebuch war, denn gleich auf der zweiten Seite fand er einen langen Eintrag, der von vor über zwei Jahren datiert war. Wie auf glühenden Kohlen begann er zu lesen: 18. Februar XXXX Endlich! Nur noch wenige Tage, dann stehen die Prüfungen bevor. Ich kann es kaum erwarten, bis ich diese beschissene Mittelschule verlassen darf und auf die Oberschule gehen kann! Von dort aus sind es nur noch mehr drei Jahre von Schule und noch mehr Schule. Aber was sind schon drei Jahre im Vergleich zu 15? Dann heißt es Uni und nichts wie raus aus diesem Haus! Endlich frei sein und das tun, was ich schon immer wollte. Vater wird sicher sehr enttäuscht sein, wenn er erfährt, dass ich keine Wirtschaft studieren werde... Ni~ya nickte mit dem Kopf, seine Vermutungen Sakito sei ein Streber, hatte sich soeben bestätigt. Er blätterte einige Seiten weiter, überflog das meiste grob, was er zu langweilig befand und blieb bei einem Eintrag von Anfang März stehen. 5. März XXXX Oh, Gott! Ich fühle mich so schäbig! Na, das begann doch schon viel interessanter. Er las weiter. Ich weiß nicht wie das passieren konnte. Ich musste zu viel getrunken haben. Ich bin entsetzt und enttäuscht von mir zugleich. Wie konnte ich nur so dumm sein, dort mit jemandem zu schlafen? Zum Glück waren Vater und Mutter am morgigen Tag nicht da, sonst hätten sie mich, verkatert und verheult wie ich war, gesehen und ausgeschimpft. Wie konnte ich mich nur der Verlockung dieser betörenden braunen; ja, fast schwarzen Augen, nur so leicht hingeben? Aber als er mir beim Tanzen die Hände um die Schultern gelegt hatte, da entglitt mein Wille – der von vornherein schon gebrochen war – stark zu sein, gänzlich. Ich konnte – und kann es auch jetzt noch nicht – mich nicht an diese Nacht erinnern, aber alles sprach dafür. Ich schmerzte und brannte fürchterlich, gar so als wäre ich zerrissen worden. Mir blieb nichts, als aus diesem fremden Zimmer, diesem Fremden Haus und diesem Fremden wegzulaufen. Das schlimmste daran jedoch ist, diese tiefen braunen Opale, sie jagen mich Tage danach noch. Ich kann sie nicht vergessen. Ich fühle mich so beschämt. (und mit einem romanischen Buchstaben signiert,) S. Ni~ya wäre verwundert gewesen, wäre eine Untertreibung. Ni~ya war im Moment mehr als sprachlos. Wow. Er hatte eine Seite an Sakito kennen gelernt, von der er wusste, dass sie fast keiner, wenn überhaupt jemand, kannte. Sakito hatte in seinem Eintrag angedeutet schon im zarten jugendlichen Alter – Wie alt musste er damals gewesen sein? 14 oder 15? – mit einem anderen Jungen geschlafen zu haben. Nicht nur das überraschte ihn, sondern auch die Reue und Verletzlichkeit mit der er geschrieben hatte, nicht zuletzt auch der altmodische Stil, in dem der Eintrag verfasst war. Sakito war ein kleiner verletzter Romantiker, und so gar nicht mehr Jungfrau. Schade, dachte er bei sich. Er wäre nicht mehr der Erste. Wissbegierig blätterte er das ganze Tagebuch durch, überflog auch diesmal die Einträge, die unregelmäßig von Zeit zu Zeit verfasst worden waren, wobei im Zeitraum von einem halben Jahr nach diesem besonderen Ereignis die Einträge seltener wurden und er enttäuscht und überrascht zugleich feststellen musste, dass fast alle Notizen von diesem Jungen handelten, aber mit keinem Mal sein Name auftauchte. Er schlug die letzte beschriebene Seite auf, die das gestrige Datum trug und las den kurzen, aussagekräftigen Vermerk. 13. Mai XXXX Ich hasse ihn. Ich hasse ihn so sehr. S. Hastig schlug Ni~ya das Buch wieder zu und legte es vorsichtig auf seinen Platz in der Schublade, schloss diese so leise, wie es ihm möglich war, als er hörte wie am anderen Ende des Flurs die Tür zum Bad aufging und er Sakito in sein Zimmer kommen hörte, bevor er auch nur die Zeit dazu hatte, darüber nachzudenken, wer dieser Typ sein könnte, den Sakito mit voller Inbrunst hasste. Sein erster Gedankengang führte zu ihm selbst, diesen verwarf er lachhaft schnell wieder, da er sich um jeden Preis daran erinnern würde, hätte er Sakito in der Vergangenheit schon einmal beglückt. „Was tust du da?“, stürmte dieser, mittlerweile bekleidet mit einer Jeans und einem T-Shirt, das er sich aus dem Wäschekorb im Bad genommen haben musste, auf ihn zu und schubste ihn unsacht vom Schreibtisch weg, so als ahnte er, welches Geheimnis Ni~ya entdeckt haben könnte. „Hab ich nicht gesagt, du sollst verschwinden?“, schnaubte Sakito wütend und ballte die Hände zu Fäusten. „Schon, aber –“, setzte Ni~ya an. Er kam nicht drum herum in diesem wütenden Sakito den zwei Jahre jüngeren Sakito, mit all seiner Scham und Verzweiflung, zu sehen. Er hatte Sakito damals nicht gekannt und wurde auch erst vor einem Jahr auf ihn aufmerksam, als das Gerücht aufkam Sakito wäre eine kleine Schwuchtel und er das als Aufforderung gesehen hatte, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Soeben musste er erfahren, dass sich dieses Gerücht bewahrheitet hatte. Er fühlte einen Schwall ehrlich gemeintes Mitleid in ihm aufwallen, das eben so schnell verschwand wie es gekommen war, als Sakito erneut mit einer vor Zorn zitternden Stimme zu sprechen begann. „Was? Du wolltest noch solange warten, bis ich zurück bin, damit du mich auslachen kannst? Bist du zu aufgeregt, um nicht bis Montag warten zu können, bis du es an der ganzen Schule bekannt gemacht hast, was gestern hier passiert ist, und du und deine behinderten Freunde euch das Maul über mich zerreißen könnt, wie ihr es sowieso schon immer tut?“ Sakitos Fingernägel gruben sich in die weiche Haut seiner Handflächen, als er seine Fäuste vor Groll weiter anspannte. „Was? Nein.“, bemerkte Ni~ya ruhig. Das war ganz und gar nicht sein Plan gewesen. Würde er das tun, hätte er ein Gewinnen der Wette zu Nichte gemacht, was er um jeden Preis verhindern wollte. Mit leisen Schritten trat er auf Sakito zu, der ihn mit einem hasserfüllten Blick fixierte, und auch nicht von der Stelle wich, als Ni~ya wenige Zentimeter vor ihm stehen blieb. „Nicht, wenn du meinen Vorschlag annimmst.“, fügte er noch hinzu und lächelte dabei süffisant. „Welchen Vorschlag?“, fragte Sakito schroff. Ni~ya machte wieder einige kleine Schritte, wie eine Raubkatze, das ihr wehrlos ausgeliefertes Opfer umkreiste, ehe er an Sakitos Seite zu stehen kam und ihm sein Angebot unterbreitete. „Es erfährt keiner von unserer kleinen Liaison, wenn du...“ Er strich ihm eine Strähne hinters Ohr und flüsterte sodann den Rest seiner Worte sanft hinein. „... auf ein Date mit mir gehst.“ „Das ist Erpressung.“, grollte Sakito. „Ich nenne das ein faires Übereinkommen.“, grinste Ni~ya böse. Natürlich war es Erpressung aber im Spiel und in der Liebe waren alle Mittel erlaubt, führten sie nur ans Ziel, sagte er sich. Sakito schnaubte verächtlich. Was hatte er anderes von Ni~ya erwartet? Dass dieser ihm für ein freundliches ‚Bitte, sag es niemandem!’ versprach, dicht zu halten? Gewiss nicht. „Ich setze sogar noch eins drauf! Wenn du mit mir auf ein Date gehst, sage ich keiner Menschenseele, was gestern hier passiert ist und ich sage in der Schule nie wieder ein Wort zu dir und deinen Freunden. Na, wie klingt das?“, sagte Ni~ya. Er hielt den Trumpf in der Hand und war sich dessen mehr als nur bewusst. Sakito würde diesen Vorschlag eingehen, er konnte gar nicht anders. Allein schon der Gedanke daran, dass Ni~ya ihn nie wieder vor anderen beleidigte, musste eine große Verlockung für ihn sein. Außer Sakito war ein geheimer Masochist, dem die ganzen Streitereien, die sie in der Öffentlichkeit ihrer Schule auslebten, gefielen und diese nicht missen wollte. Sakito haderte mit sich selbst. Ein Date mit ihm und keiner würde von gestern erfahren. Nur ein paar Stunden mit Ni~ya und die ewigen Hasstiraden hätten ein Ende. Warum tat Ni~ya das? Bestimmt nicht, um ihm einen Gefallen zu erweisen. Und was brächte ihm ein Date, wenn er ihm versprach, danach nie wieder ein Wort mit ihm zu wechseln? Lag der Sinn eines solchen Treffens nicht genau darin, den Anderen besser kennen zu lernen? Warum also sich erst diese Mühe machen, wenn man danach ohnehin getrennte Wege ging? Er verstand einen Moment gar nichts mehr, er hörte immer nur die drei Silben ‚nie wieder’ in seinem Inneren hallen. Alles hätte ein Ende, er musste es nur noch annehmen. „Nie wieder?“, fragte Sakito mit unsicherer, müder Stimme. „Nie wieder.“, bestätigte ihm Ni~ya selbstgefällig lächelnd. Sakitos Frage kam einer Zustimmung gleich, auf etwas Deutlicheres brauchte er nicht mehr warten. Die Maus hatte den Käse gerochen und war in die Falle getappt. „Morgen, 11 Uhr. Ich hol dich ab. Sei pünktlich.“ Er ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Sakito sah auf die Uhr auf seinem Nachttisch. Die LED-Anzeige sagte 12:02. Es waren weniger als 24 Stunden, bis er ihn wieder sehen würde. Seine Kopfschmerzen, die Dank einer Aspirin, die er vorher im Bad gefunden hatte, gelindert wurden, kamen plötzlich heftig zurück. ~~~ Zu kurzer Teil für's lange Warten und auch kein ReiXUru Teil... kommt im nächsten. Me hopes. Und ein bisschen mehr Äktschn im nächsten. Wer konstruktive Vorschläge für den Ort des Dates hat oder sich zufällig in Tokyo auskennt, kann sich ja mal per ENS bei mir melden. Hoff es hat jedem gefallen. ^^~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)