And I would gladly hit the road... von Schreiberliene (An unlucky australian Lovestory?) ================================================================================ Kapitel 4: Living life gets hard to do -------------------------------------- Er küsste ihn. Nein, er wurde geküsst! Die ersten Sekunden stand er fassungslos still und spürte das ungewohnte Gefühl auf den Lippen und in seinem Magen, dann stieß Jack den Finnen heftig zurück. "Was zum Teufel soll das?!" Außer sich blitzte er Esa an und fuhr sich schnell über den Mund, als könne er damit den Kuss fortwischen. Wie konnte dieser kleine Vollidiot nur so etwas machen? Einfach so, ohne nachzufragen! Und auch wenn er gefragt hätte, hätte er selbstverständlich eine negative Antwort bekommen, also was dachte der sich dabei? Wenn das ein Scherz gewesen war, war er mehr als einfach nur schlecht, aber wenn es keiner sein sollte... "Verdammt, antworte mir gefälligst!" Sein Gast blickte hochinteressiert auf den hellen Teppich und ignorierte seinen gereizten Ton. Das machte Jack schier rasend und er schüttelte ungläubig den Kopf. "Du...das ist krank! Wirklich krank! Und wenn das deine Art ist, Scherze zu machen, dann ist sie hier nicht erwünscht, okay? Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen, so sehr hast du mich erschreckt! Lass das in Zukunft bitte..." Die dünnen Finger des Finnen zitterten leicht, die hellroten Lippen bebten, und mit einem Mal tat es Jack leid, dass er sich so über die Sache aufgeregt hatte. Es war doch nur ein Scherz, ein Scherz wie tausend andere, nur seltsamer finnischer Humor... "Na komm, ich finde so etwas eben nicht lustig..." Kurz erwog er die Möglichkeit, Esa eine Hand auf die Schulter zu legen, doch bevor er den Gedanken in die Tat umsetzen konnte, blickte der junge Mann auf und warf ihm aus den hellgrünen Augen einen Blick zu, der nichts Gutes zu bedeuten hatte. "Das war kein Scherz." Seine Stimme war ungewöhnlich hoch, und klang doch fest entschlossen, sodass Jack nicht genau wusste, was er sagen wollte. "Und...Und was sollte das Ganze?" Esa grinste ihn schief an, doch es war ganz anders als sonst. Falsch. "Kannst du dir das nicht denken? Ich habe geglaubt, du wärst schon groß..." Eine unangenehme Stille trat zwischen die Beiden, dehnte sich in dem großen, lichtdurchfluteten Zimmer aus und nahm den hellen Holzmöbeln einiges von ihrer Gemütlichkeit. Selbst die dünnen Vorhänge wirkten niedergeschlagen und kraftlos in der merkwürdigen Fremdheit, die Einzug gehalten hatte. Schließlich durchbrach Jack das Schweigen. "Das ist krank. Du weißt, das ist nicht normal..." Seine Stimme zitterte, und er wusste nicht, was er mit der Situation anfangen sollte - das ging doch nicht! So etwas war verboten, der Pfarrer predigte jeden zweiten Sonntag von der Annormalie dieser Menschen. Und Esa gehört also zu ihnen? Der zierliche Junge schaute ihn wieder direkt an und schien ihn mit seinem funkelden Blick erdolchen zu wollen - anscheinend hatte er einen wunden Punkt getroffen. "Warum? Weil irgendein verschrumpelter Alter, der in der Kirche das Sagen hat, das behauptet? Weil es nicht üblich ist? Weil es...unnatürlich ist?" Seine Stimme klang immer wütender und er kam einen Schritt auf den Australier zu. "Liebe ist nicht berechenbar, du kannst keine Norm für sie aufstellen!" "Genau, weil es unnatürlich ist! Und dieser verschrumpelte Alte ist Gott selbst, eine Beziehung zwischen Gleichgeschlechtlichen ist abartig! Und außerdem ohne jeden Nutzen!" "Ach ja?? Liebe ist also nur erlaubt, wenn sie zur Züchtung von Menschen dient? Verdammt, wir leben doch nicht im Mittelalter! Außerdem finde ich es eher abartig, wie du über Dinge redest, die du gar nicht kennst! Ich wette, du bist selbst schwul und willst es bloß nicht wahrhaben, wie all diese vernagelten Machos!!" Jack wich ein paar Schritte zurück, während seine Gedanken wild durcheinander wirbelten. "Du bist krank. Ehrlich. Und hör´ endlich auf durch die Gegend zu fluchen." Und mit diesen Worten dreht er sich um, verließ das Zimmer und stürzte in die Küche, wo er zur Beruhigung erst einmal eine riesige Schüssel Vanillepudding verschlang. And you may not know That may be all I need In darkness she is all I see Come and rest your bones with me Driving slow? Angestrengt versucht Esa, sich auf die Musik zu konzentrieren, doch sein Atem ging zu schnell und die ganze aufgestaute Wut drängte mit aller Macht darauf, heraus gelassen zu werden. Oh nein, er würde sich garantiert nicht entschuldigen gehen, nicht behaupten, dass es nur ein Scherz gewesen wäre - erstens war es nun zu spät und zweiten schämte er sich nicht für das, was er war. Natürlich hatte er die Beherrschung verloren, als der wirklich attraktive junge Mann sich über ihn gebeugt hatte, als der angenehme Duft ihm in die Nase gestiegen war und er für einen Moment geglaubt hatte, etwas Vertrautes, etwas Verbindendes in den Augen des Anderen zu sehen - trotzdem, diese Reaktion war nicht berechtig. Kein bisschen. Schließlich lebten sie nicht mehr im Mittelalter, heutzutage wusste doch jeder, dass Homosexualität nichts Abartiges war - viele Menschen waren so, sehr viele! Und keiner hatte den "Normalen" jemals das Recht gegeben, sie so zu behandeln. In seinem Innern tobte es nocht eine ganze Weile, doch als der Zorn verflogen war, kam das, was Esa am meisten verabscheute und fürchtete: die Traurigkeit. Es war schon schlimm genug, auf der Straße seltsam angeschaut zu werden, die Bemerkungen zu hören, doch nun wusste er, wie schmerzhaft es war, wenn man sich in einem Menschen täuschte. Doch in jenem Augenblick hatte er wirklich gedacht, einen Gesinnungsgenossen zu erkennen... Gewaltsam hielt Esa die Tränen zurück - selbst wenn Jack eventuell so war wie er, seine Erziehung war ja wohl mehr als eindeutig in diesem Punkt. Der Finne seufzte laut auf. Hoffnungslos. Trotzdem ertappte er sich dabei, auf den Flur zu horchen, ob Jack vielleicht zur Vernunft gekommen war und sich entschuldigen wollte - aber es blieb still. Plötzlich musste Esa daran denken, was jetzt wohl mit ihm passieren würde. Ganz sicher musste er aus diesem Zimmer hier raus, wenn es ganz schlimm wurde, sogar die Familie wechseln... Erstaunlich, wie schnell alles gegangen war. Ein Fehler, und schon schien alles vorbei zu sein - einfach so, weil er schwul war und Jack Homosexuelle für krank hielt. Wieder musste der zierliche, junge Mann feststellen, dass es viel mehr schmerzte, als er gedacht hatte. Den Kloß in seinem Hals herunterschluckend setzte er sich mit einem Mal auf. Auch das würde vorbeigehen, sicher, aber wer wusste, wie Jack´s Eltern reagieren würden? Einerseits waren sie ja ganz nett, aber wenn er daran dachte, wie ernst sie die Bibel teilweise nahmen... Die Flüche, die er hier gehört hatte, konnte man an einer Hand abzählen. Seufzend schaute Esa sich um, ließ den Blick über die massive, hellbraune Holztür schweifen und betrachtete den gleichfarbigen, riesigen Schrank, der gleich daneben stand. Dann wanderte er weiter über das erste der beiden Betten, hin zu dem hellen Schreibtisch mit der großen Arbeitsfläche und dem Eckregal, dessen Bretter sich unter der gewaltigen Last der Bücher leicht durchbogen und beendete seinen Rundblick schließlich auf dem zweiten Bett, auf dem er gerade saß. Und plötzlich wurde ihm klar, dass er hier auf gar keinen Fall weg wollte - lieber, viel lieber würde er die Zeit zurückdrehen und die ganze Sache ungeschehen machen. Umsonst... Esa schloss die Augen und zog sich die Kopfhörer über - irgendetwas musste er doch machen, bis seine Gasteltern zurück kamen. Unruhig lief Jack hin und her, strich sich fahrig durch das dunkle Haar und versuchte verzweifelt, eine Antwort zu finden. Wie konnte es sein, dass Esa schwul war? Er hatte eigentlich ganz normal gewirkt, abgesehen von dem Singen und Kochen natürlich, machte Karate und war überhaupt nicht weiblich! Ganz im Gegenteil, er war zwar zierlich, aber eindeutig als Mann identifizierbar, wenn man ihn zu Gesicht bekam. Wieso hatte er nichts gemerkt? Und was würden seine Eltern sagen? Schließlich war das nicht normal, und sie konnten ihn unter keinen Umständen mit ihm alleine in dem selben Zimmer schlafen lassen... Der stämmige Australier stützte sich auf der Komode ab und schaute prüfend in den Spiegel. Je länger ihn seine dunklen Augen fixierten, umso klarer wurde ihm, was er nicht hatte wissen wollen: Die Frage, die ihn am meisten beschäftigte, das Problem, das einfach nicht verschwinden wollte, war die Unsicherheit, die Esa bei ihm zurückgelassen hatte. Hatte sein Gast recht? War er wirklich schwul? So...annormal? Krank? Plötzlich tat es ihm Leid, dass er Esa derart beleidigt hatte - bestimmt war es auch für ihn nicht berauschend gewesen. Außerdem hatte Jack in diesem Moment das Band zerrissen, das sie vorher so eng umschlungen hatte. Aber verdammt, der Kerl hätte ihm das früher sagen müssen! Es hätte in seiner Akte stehen müssen, dann wäre er nie in ihr Haus gekommen... Wieder musterte Jack sein Ebenbild. War er etwa genauso? Er strengte sich an und rief die Erinnerungen zurück. Das breite Grinsen, das nette Lächeln, die ungewöhnlich klaren Augen, die geradezu selbstmörderisch weiße Haut, die schon nach wenigen Minuten leicht rötlich anlief, die weichen Lippen, die sich auf seine pressten... Er hatte dabei nichts außer Freundschaft gespürt - ein bisschen intensiver als bei seinen Kumpels, vielleicht war es ein wenig aufregender, ein wenig schöner gewesen, seine Zeit mit Esa zu verbringen, aber... War das schon Liebe? Sollte es bedeuten, dass dieses leichte Kribbeln, das er gespürt hatte, das Herzklopfen aus ihm einen Schwulen machten? Wenn ja, dann fand er es ziemlich unfair - wie zum Teufel sollte man sich denn dann dagegen wehren? Doch nach kurzem Nachdenken schüttelte er den Kopf. Nein, er war nicht schwul und würde es niemals sein, das wusste er ganz genau, und jetzt musste er nur noch in sein Zimmer gehen, sich bei seinem Gast entschuldigen und dafür sorgen, dass dieser das auch mitbekam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)