Abandoned von Lyessa ================================================================================ Kapitel 3: Carnivore -------------------- Nur ein kaum hörbares Rascheln verursachend landete Varis auf dem Rasen des Klostergartens und hielt einen Moment lauschend inne. Als seine Ohren nur das Rauschen des leichten Windes vernahmen, schlich er bedächtig von der Mauer weg auf die Umrisse des Gebäudes zu, die sich finster aufragend an dem von einem fast vollen Mond erhellten Nachthimmel abzeichneten. Ein leises Knirschen erklang, als Varis einen Fuß auf den im Schatten einiger Bäume liegenden, quer durch den Garten verlaufenden Kiesweg setzte, den er in der Dunkelheit übersehen hatte. Wieder hielt er inne und horchte, doch nichts rührte sich. Erleichtert überquerte er den schmalen Kiesstreifen und setzte seinen Weg auf dem Rasen fort, während seine rechte Hand in eine kaum sichtbare Tasche an der Seite seiner Hose fuhr und nach dem dort verborgenen schmalen Messer tastete. Die Kleidung hatte er gewechselt und die meisten seiner Habseligkeiten auf der anderen Seite der Mauer versteckt, um ungestört vorankommen zu können. Nun in schlichtes Schwarz gekleidet war er nur noch als dunkler Schemen auszumachen. Den Blick fest auf die vor ihm aufragenden Mauern des Klosters gerichtet, steuerte er direkt darauf zu, die Gedanken nur noch um seinen Auftrag kreisend. Entschlossen einen Fuß vor den anderen setzend änderte Varis die Richtung und ging um das Gebäude herum. Der heisere Schrei einer Krähe hallte durch die Nacht und ließ ihn kurz innehalten. Ein leichtes Lächeln stahl sich über seine Miene, während seine Finger über den Griff des Messers strichen. Er konnte beinahe schon spüren, wie die scharfe Klinge durch warmes Fleisch schnitt und das Blut seine Hand hinab rann. Hier huschte er nun, wie schon so viele Male zuvor, lautlos durch die Nacht - als ein Schatten von vielen, alle Sinne fixiert auf ein einziges Ziel: töten. Auf der Rückseite des Gebäudes fand er die verschlossene Hintertür vor. Er bückte sich kurz und zog einen geschwärzten Draht aus dem Saum seiner Hose hervor, dann trat er näher an die Pforte heran. Einen Augenblick später war ein leises Klicken zu hören und die Tür schwang wenige Zentimeter nach innen auf. Den Draht wieder an seinem Platz verstauend drückte Varis sie weiter auf und huschte hinein. Sorgsam und jedes überflüssige Geräusch vermeidend schloss er die Tür wieder hinter sich und hielt dann lauschend inne. Nichts regte sich, das ganze Kloster lag in nächtlicher Stille. Langsam bahnte er sich seinen Weg durch die im Dunkeln liegenden Gänge und näherte sich zielstrebig der breiten Steintreppe, die durch einige Fenster in schwaches Mondlicht getaucht war. Als er einige Stufen weit gekommen war, ließ ihn das Schlagen einer Tür innehalten. Sofort wich Varis aus dem Mondlicht zurück, presste sich an die Mauer in den Schatten und lauschte. Schritte hallten durch die Gänge und näherten sich. Schließlich tauchte eine Gestalt am unteren Ende der Treppe auf und blieb dort stehen. Minuten verstrichen, in denen Varis aus seinem notdürftigen Versteck heraus den unten Stehenden fixierte. Schließlich erklangen abermals Schritte und eine weitere Person näherte sich, stellte sich stumm neben den Vorgänger und wartete ebenfalls. Varis Hand fuhr abermals in seine Tasche und die in eine dünne Schicht aus Leder eingehüllte Fingerkuppe strich angespannt über die Klinge des Messers, während sich am Fuß der Treppe weitere Gestalten sammelten. Soweit Varis bei diesen kargen Lichtverhältnissen erkennen konnte, handelte es sich inzwischen um zehn Männer. Das bedeutete, es musste sich um die Reiter von vorhin handeln. Schweigend standen sie da, manche an das Geländer der Treppe gelehnt, und warteten. Innerlich fluchend ging Varis seine Möglichkeiten durch. Er konnte weiterhin abwarten, bis die Männer sich entfernten und dann seinen Weg fortsetzen - allerdings erweckten die Gestalten unten nicht den Eindruck, als würden sie bald aufbrechen. Oder er versuchte, sich unbemerkt die Treppe emporzuarbeiten. Diese machte wenige Meter weiter einen Bogen und führte dann in die entgegengesetzte Richtung empor. Wenn er es also bis dort schaffte, war er von unten nicht mehr zu sehen, musste dafür jedoch ein ganzes Stück im von draußen einfallenden Licht zurücklegen. Behutsam arbeitete er sich so weit es der Schatten erlaubte nach oben und hielt dann wieder inne. Ein Schritt weiter und er wäre für die Männer gut erkennbar. Sein Blick wanderte nach unten und fixierte die Gruppe. Die meisten standen zwar mit dem Rücken zu ihm, doch drei hatten ihren Kopf direkt in seine Richtung gedreht und schienen ihren Blick auf die Fenster gerichtet zu haben. Eine weitere Möglichkeit, die er bisher beiseite geschoben hatte, drängte sich ihm immer mehr auf. Ein schneller Sprint und schon war er wieder außer Sichtweite. Ehe diese Männer die Situation begriffen und - wenn überhaupt - die Verfolgung aufgenommen hatten, war er bereits an seinem Ziel. Varis wusste genau, welchen Weg er nehmen musste, immerhin hatte er sich im voraus den Lageplan des Klosters eingeprägt. Allerdings musste er dann wirklich schnell sein, wenn er das Kloster ohne Konfrontation wieder verlassen wollte. Zudem würden seine Verfolger nicht so sehr auf ihre Lautstärke achten und weckten dann womöglich weitere unliebsame Zeugen - oder am Ende noch das Opfer. Ein weiterer großer Minuspunkt war, dass sie ihn vielleicht lange genug sahen, um ihn später identifizieren zu können. Wieder fuhr Varis Fingerkuppe über die Klinge seines Messers. Um wirklich kein Risiko einzugehen müsste er sie alle töten, doch das würde im Nachhinein zu viel Aufsehen erregen. Also musste er sich auf seine eigene Schnelligkeit und die Unachtsamkeit dieser Männer verlassen. Aber er konnte und wollte nicht noch mehr Zeit hier verschwenden und so wollte er gerade zum Sprint ansetzen, als ihn eine bekannte Stimme erstarren ließ. "Sind alle da?" Nur halblaut geflüstert, aber dennoch gut zu verstehen. Varis Kopf flog herum und sein Blick fiel auf den neu hinzugekommenen Mann, den er selbst bei diesen Lichtverhältnissen erkannte. Missmutig blies er sich eine verirrte Haarsträhne aus dem linken Auge, während sein Blick auf die breitschultrige Gestalt geheftet blieb. Ich werde mir dein Gesicht merken. Verdammt. Es war der unfähige Feldwebel und sein Gefolge, mit denen Varis bereits zwei Tage zuvor das Vergnügen gehabt hatte. Sie kannten nicht nur sein Gesicht, sondern auch seinen Namen. Wenn er jetzt loslief und nur einer ihn lange und deutlich genug sah, hätte er bald einen ganzen Haufen Schwierigkeiten am Hals. Nun verfluchte er seine Sorglosigkeit über diesen Auftrag, durch die er keinerlei Anstalten unternommen hatte, auch nur sein Gesicht zu verdecken. Ein Kloster voller schlafender Nonnen - das wäre ja auch zu einfach gewesen. Doch was suchten diese Leute überhaupt hier? Dass sie nicht einfach ein Quartier für die Nacht wollten, war inzwischen offensichtlich: warum sonst diese Versammlung mitten in der Nacht? Aber gut, es konnte Varis eigentlich egal sein, solange sie ihm nicht in die Quere kamen - so wie jetzt. Nur schwer konnte Varis sich zurückhalten, nicht einfach vorübergehend den Feldwebel zu seinem Ziel zu machen, denn die Gelegenheit, diesen unangenehmen Zeitgenossen loszuwerden war einfach zu gut. Seine Hand war bereits in eine schmale, längliche Tasche knapp überhalb des Knies gefahren und schloss sich um das dort ruhende kleine Blasrohr. Warum eigentlich nicht? Er könnte die entstehende Verwirrung nutzen und die Treppe hinter sich bringen, noch bevor überhaupt jemand festgestellt hatte, was überhaupt geschehen war. Wie von selbst zog seine Hand das schmale Röhrchen hervor, während er mit der anderen Hand aus einer weiteren Tasche vorsichtig eine kleine, sicher verpackte Nadel, deren Spitze sorgfältig mit Gift getränkt war, fischte und diese von ihrer Hülle befreite. Ein kurzer Handgriff ließ sie in der dafür vorgesehenen Öffnung verschwinden und im nächsten Moment setzte Varis das Blasrohr auch schon an die Lippen, den Blick starr auf den Feldwebel gerichtet. In seinem Nacken begann das kaum wahrnehmbare Kribbeln, das in Sekundenbruchteilen durch seinen ganzen Körper schoss und seinen Geist auf einer euphoriegleichen Welle mit sich riss. Gleichzeitig schien sich sein Blickfeld zu schärfen, die durch die karge Beleuchtung erkennbaren Konturen wurden klarer, die Umrisse der Männer deutlicher, während das Rascheln ihrer teuren Kleidung und das Knirschen der wie neuen Ledersohlen auf dem harten Steinboden ohne den Umweg über die Ohren direkt in sein Gehirn zu kriechen schien. Völlig fixiert auf das Ziel setzte der eigene Atem für einen Augenblick aus - für jenen Augenblick, kurz bevor er die kleine Nadel auf ihre tödliche Reise schickte. Einen Moment verharrte Varis so, dann ließ er das Rohr langsam sinken. Das Kribbeln in seinen Gliedern zog sich zurück und löste sich schließlich auf, nur ein schwaches Echo zurücklassend. Varis blinzelte und sein Blick wanderte von dem Feldwebel zu dem kleinen Röhrchen in seiner Hand. Er durfte sich nicht zu so einer Dummheit hinreißen lassen, egal wie gut ihm die Idee jetzt noch erschien. Im Nachhinein zog eine einzelne tote Nonne lange nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich, wie ein zusätzlicher toter Soldat. Ein letztes Blinzeln löste Varis aus seiner Starre und er steckte das Blasrohr wieder ein, die Augen dabei wieder auf den Feldwebel geheftet. Immer noch brannte in ihm der Wunsch, diesen Menschen ins Jenseits zu befördern, doch Varis schob ihn entschlossen beiseite und konzentrierte sich wieder auf seinen eigentlichen Auftrag. Gerade rechtzeitig, denn die Ankunft des Feldwebels, die ihn so von seinem Vorhaben abgelenkt hatte, hatte die Aufmerksamkeit der Versammelten auf sich gezogen. Leise sprach er zu ihnen, doch seine Worte erreichten Varis nur noch als unzusammenhängendes Gemurmel. Alle lauschten konzentriert den Ausführungen, niemand achtete mehr auf die Treppe - perfekt. Ohne weiter darüber nachzudenken eilte Varis die Stufen empor, darauf bedacht, keine Geräusche zu verursachen und brachte den im Mondlicht liegenden Teil der Treppe hinter sich. Kaum war er um die Biegung und wieder im Schatten hielt er inne und warf vorsichtig einen Blick nach unten. Unverändert stand die Gruppe da, nur mit sich selbst beschäftigt und ohne eine Ahnung über den ungebetenen Gast. In diesem Moment setzten sich die Männer in Bewegung und stiegen, dem Feldwebel folgend, die ersten Stufen empor. Ohne sich noch weiter aufzuhalten huschte Varis den Rest der Treppe hinauf und wandte sich zielstrebig nach links, betrat den langen Gang, von dem aus zu beiden Seiten lauter Türen zu den Schlafzimmern der Nonnen führten, wie er aus dem Lageplan wusste. Er folgte dem Gang bis zu dessen Ende und tastete sich dann vorsichtig an der rechten Wand entlang zur letzten Tür auf dieser Seite. Seine Hand schloss sich um die Klinke und drückte sie langsam nach unten. Behutsam öffnete er die Tür gerade so weit, dass er durch den Spalt ins Zimmer gelangen konnte. Dann schloss er sie sorgsam wieder hinter sich und ließ seinen Blick durch den kleinen Raum schweifen. Das Fenster war geöffnet und die zugezogenen Vorhänge bewegten sich leicht in der von draußen hereinstreichenden Brise. Sie ließen nur sehr wenig von dem ohnehin spärlichen Mondlicht ein, doch es genügte, um die Umrisse eines Schrankes, eines kleinen Tisches und eines Bettes zumindest erahnen zu können. Genaueres war nicht zu erkennen, doch Varis spürte klar die Präsenz einer weiteren Person - seines Opfers. Bedächtig näherte er sich dem Bett und konnte nun gleichmäßige Atemzüge vernehmen. Parallel dazu raschelte die Decke durch das Heben und Senken des Brustkorbs der Schlafenden. Mit jedem Schritt, den er der Zielperson näher kam, fühlte Varis sich sicherer, wohler. Seine Gedanken waren klar und scharf, konzentrierten sich nur noch auf eines: seinen Auftrag. Hier war er in seinem Element, konnte sich einfach von der immer lauter werden inneren Stimme antreiben lassen, während alle seine Sinne die Umgebung abzutasten schienen, auf der Suche nach störenden Elementen. Schließlich strich seine rechte Hand über diverse Taschen und verharrte über dem immer noch geladenen Blasrohr. Ein kurzer Stich und einen Augenblick später war alles vorbei. Wenn er die Nadel wieder entfernte, war die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass überhaupt der Verdacht eines unnatürlichen Todes aufkommen würde. Das Gift, das Varis verwendete, war selbst in geringer Dosis sehr wirkungsvoll und nach wenigen Stunden im Körper nicht mehr nachweisbar. Bis die Tote gefunden wurde, würde also auch die letzte Spur beseitigt sein. Mit einem letzten Schritt trat Varis neben die Schlafende und zog mit der Rechten das schmale Blasrohr hervor, während er sich vorbeugte und die Linke nach der Bettdecke ausstreckte, die die Nonne bis über die Augen gezogen hatte. Doch er hielt mitten in der Bewegung inne, zog seine Hand zurück und richtete sich abrupt auf. Nun erst nahm er bewusst wahr, was ihm seine Ohren längst vermittelten: Schritte klangen gedämpft aus dem Gang in das Zimmer. Schritte, die näher kamen. Schritte, die von vielen Füßen verursacht wurden. Schritte, die sich Mühe gaben, nicht gehört zu werden. Schritte, die ihr Ziel kannten. Schritte, die schließlich verklangen. Dann eine Stimme, die direkt von der anderen Seite der Tür erklang, die Varis kannte und die ihm in diesem Moment verhasster denn je war "Hier ist es." ~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~ *_____* es ist vollbracht... es hat länger gedauert als beabsichtigt und es tut mir leid, um alle, die auf das nächste Kapitel gewartet haben (okay, eigentlich nur Jerra, oder? XDD~) *auf Knie fall und um Vergebung bitt* An der Stelle möcht ich kurz Werbung in eigener Sache machen ^^ und zwar gibt's noch eine weitere Geschichte mit Varis *lach* die hab ich für Jerra und Temel zu Weihnachten geschrieben und mich nun endlich dazu durchgerungen, sie hochzuladen ^^" ist nämlich ein Crossover von Zwischen zwei Feuern (ein Comic von Temel), Sight of Sea (ein Manga von Jerra) und eben Abandoned ^^ hier zu finden: http://animexx.4players.de/fanfic/?doc_modus=startseite&ff=104790 besonderer Dank gilt Jerra, der ollen Sklaventreiberin XD ohne sie wär ich wohl immer noch nicht fertig *lach* und danke für die bisherigen Kommis ^^ ich hoffe, ihr habt Abandoned noch nicht aufgegeben ^^"" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)