Auch Eis kann brennen, wenn es auf Feuer trifft von abgemeldet (...und kann lernen sich daran zu wärmen) ================================================================================ Kapitel 37: Rache ist bekanntlich süß ------------------------------------- Ich warf einen prüfenden Blick in den Spiegel der oberhalb des Waschbeckens angebracht war und fuhr mit der Zunge über die soeben frisch geputzten Zähne. Sie fühlten sich glatt an und das Mundwasser hinterließ immer noch einen eindringlichen Geschmack von Minze. Meine Augen fuhren die Gesichtzüge meines Spiegelbildes ab und musterten die einzelnen Partien. Dann trat ich einen kleinen Schritt von den Waschtresen zurück um einen besseren Blick auf meine Kleidung werfen zu können. Weiße Bluse, ein schwarzes Jackett und der dazupassende Rock. Ein gewohntes Bild einer Geschäftsfrau im Buissneslook, so wie es in fast jeder größeren Firma, in fast jedem Büro Gang und Gebe war. Nur die spielkartengroße ID-Karte mit dem Motiv einer Duell-Monsterrückseite, die bereits wie selbstverständlich an einem dünnen Lederband um meinen Hals hing und sich sanft an den Stoff der Bluse anschmiegte, gab meiner Erscheinung einen individuellen touch. Ein kurzes bestätigendes Nicken zu mir selbst war die Folge meiner Musterung. Doch, so konnte ich mich durchaus an die große Abschlusspräsentation des heutigen Montags wagen. Unser Auftrag bei der Firma, die wir die letzen zwei Wochen über betreut hatten war zu Ende, beziehungsweise er würde es genau gesagt demnächst sein, und zwar mit dem Enden der Präsentation die in nur drei Stunden beginnen würde. Hoffentlich wieder einen Kunden zufriedenstellend mit einem neuen Werbeimage versorgt, hoffentlich wieder einen Teil des Marktes für sich erobert und hoffentlich wieder eine Firma dazu gebracht uns weiterzuempfehlen. Aber das würde sich bald herausstellen, dann nämlich wenn ich den Vorständen des Unternehmens unsere für sie entwickelte Werbekompanie vorstellen würde. Ich drückte uns wirklich beide Daumen, dass alles gut gehen würde. Zwar mochte ich geübt sein im Präsentieren und auch eine gewisse Wortgewandtheit in solchen Situationen an den Tag legen, aber jedes Mal war es eben doch so, dass ich mehr Selbstbewusstsein ausstrahlte als ich tatsächlich besaß. Im Grunde verbarg ich nur meine Nervosität. Doch was hatte ich schon zu befürchten? Wir hatten alle miteinander gute Arbeit geleistet, sehr gute sogar, hatten unser Bestes gegeben und am Ende eine erfolgversprechende Werbekampagne erstellt, die wie maßgeschneidert zu der auftraggebenden Firma passte. Kein Grund zur Sorge also, nur wollte sich mein Magen diese einleuchtende Erklärung einfach nicht zu Herzen nehmen. Er machte sich stattdessen immer noch mit einem leichten Kribbeln bemerkbar. Ein leises Seufzen entkam meiner Kehle während ich den Blick von meinem Spiegelbild löste und wieder an das Waschbecken herantrat. Mit mittlerweile routiniertem Handgriff öffnete ich die rechte obere Schublade des Badschränkchens, indem das Waschbecken eingelassen war. Es war schon erstaunlich wie schnell ich mich in Setos Badezimmer zurecht fand obwohl ich es dort erst seit kurzem mit ihm teilte. Ich zog die Schublade zurück und suchte den Inhalt mit meinen Augen ab. Doch mit jeder Sekunde die mein Blick ratlos die Ecken des Schubfaches durchsuchte, desto mehr zogen sich meine Augenbrauen verwundert zusammen. Und auch als ich mit der rechten Hand zur Hilfe kam und einen Kamm und ein Deo zur Seite schob wurde ich immer noch nicht fündig. Irritiert schloss ich die Schublade wieder und versuchte es mit der darunter liegenden. Doch auch hier bot sich mir das gleiche Bild, oder besser gesagt, eher nicht. Denn das Gesuchte war auch hier nirgends zu entdecken. - Wo habe ich denn….ich hab sie doch in die obere Schublade gelegt! Oder habe ich sie etwa doch wo anders liegen lassen? - Mir selbst nicht mehr ganz sicher öffnete ich abermals das obere Schubfach und ging wieder dazu über, den Inhalt mit Augen und Händen zu durchforsten, so als habe ich es beim ersten Mal nur übersehen. Doch auch meine zweite Durchsuchung brachte nicht den gewünschten Erfolg. So langsam mehr als nur verwundert richtete ich mich wieder auf und schloss zum zweiten Mal die Schublade. Prüfend glitt mein Blick nun über die Waschbeckenablage. Doch auch hier fand ich keinerlei Anhaltspunkte. Mittlerweile versuchte ich mich angestrengt zu erinnern wann und vor allem wo ich sie das letzte mal gesehen und in Händen gehalten hatte. Vermutlich musste es Freitag gewesen sein, denn am Wochenende hatte ich sie nicht benutzt. Die steile Falte zischen meinen Augenbrauen wurde immer tiefer, da ich mich immer wieder nur daran zu erinnern vermochte, sie in die obere rechte Schublade des Badezimmerschrankes gelegt zu haben. Eine tief in Gedanken versunkene Sarah sah mir vom Spiegel aus entgegen, aber sie schien auch zu keiner Lösung zu kommen. Ich war schon versucht die Schublade zum dritten Mal zu durchsuchen um auch wirklich sicher zu gehen, dass ich sie nicht nur übersehen hatte, als mich Setos tiefe Stimme von diesem Vorhaben ablenkte. „Suchst du etwas?“ Ich sah nach Links zu ihm hinüber, wie er beinahe schon lässig im Türrahmen zwischen Bad und Schlafzimmer stand und mich musterte. Seine Kleidung war die Selbe wie immer, dunkle Hose und Rollkragenshirt sowie sein weißer Mantel, doch sein Gesichtsausdruck spiegelte ein gewisses Maß an Belustigung wieder. „Ja, hast du vielleicht zufällig meine Haargummis gesehen? Ich war mir sicher ich hätte sie dort in diese Schublade gelegt…“ Ich warf einen kurzen Blick zu dem Schubfach hinüber, doch sah ihn dann immer noch ratlos an. „…aber jetzt ist kein einziger mehr da. Nicht mal ein Haarband oder ein Spange.“ „Deine Haargummis?“ Seine Worte kamen abgelenkt über seine Lippen, als würde er nur unbewusst meine eigenen wiederholen ohne zu wissen wovon er überhaupt sprach, denn viel zu eindringlich hatte er sowohl seinen Blick als auch seine Aufmerksamkeit auf meine Haare gerichtet, die lang und offen über meine Schulter hinweg meinen Rücken hinunter fielen. Doch natürlich trug ich sie zumindest jetzt noch offen, schließlich hatte ich noch nicht das passende Zubehör auffinden können um meine Haare zusammenzubinden. Aber so langsam machte mich Setos fast schon besessener Blick misstrauisch und aus diesem Grund bildete sich nun auch wieder die bekannte Falte zwischen meinen Augen. Irgendetwas hatte dieser Gesichtsausdruck zu bedeuten und ich war mir nicht sicher ob wirklich wissen wollte was. Überraschend löste er seinen Blick von meinen Haaren, die er mit seinen Augen zu liebkost haben schien und sah mir erneut ins Gesicht. „Ich ziehe es vor wenn du deine Haare offen trägst…das gefällt mir wesentlich besser als wenn du sie immer streng zurückbindest.“ Ich hatte wohl einiges erwartet aber derartige Worte aus seinem Mund zu hören war dann doch überraschend. Es war ungewöhnlich für ihn sich auf diese Weise, mit Worten oder eher schon Komplimenten mir gegenüber zu offenbaren. Selten sprach Seto davon was er mochte oder was er gerne hatte, vielmehr ließ er meistens Taten dafür sprechen…oder behielt es ganz für sich. Kurz zeigte sich ein liebevolles Lächeln auf meinen Lippen. Etwas ähnliches hatte ich mir ohnehin schon gedacht, denn viel zu oft nutze Seto die Gelegenheit mit den Händen durch meine Haare zu gleiten oder sie einfach spielerisch um seine Finger zu wickeln wenn wir uns nahe waren, als dass ich nicht hätte ahnen können, dass es ihm gefiel die langen Strähnen zu fühlen. Das war wohl auch der Hauptgrund gewesen, warum ich sie am Wochenende fast die ganze Zeit über offen getragen hatte, nämlich ihm zuliebe. „Ich weiß, dass du das magst. Aber ich muss in die Arbeit und da binde ich mir die Haare doch immer zusammen. Also, hast du meine Haargummis zufällig gesehen?“ Immer noch lächelte ich ihm zu, selbst wenn er beinahe drei Meter von mir entfernt stand. „Nun, wenn du mich so direkt fragst…ja ich habe sie gesehen.“ „Oh schön! Und wo sind sie?“ Erwartungsvoll sah ich zu ihm hinüber. Ein kaum merkliches Schütteln seines Kopfes dämpfte allerdings meine Freude über seine Worte. „Ich hätte mir ja die ganze Arbeit, sie zu beschlagnahmen und aus deiner Reichweite zu bringen, umsonst gemacht, wenn ich dir nun sagen würde wo sie sind.“ Mein Mund öffnete sich meinem perplexen Gefühl nachgebend. Aber im Grunde hätte ich es mir doch denken können, schließlich war ich doch bereits auf seinen Blick aufmerksam geworden, welcher immer wieder der Vorbote für etwas war, das er ausgeheckt hatte. „Du hast meine ganzen Haargummis…und meine Haarspangen? Alle? Warum?“ Seto zuckte leicht mit den Schultern. „Ich habe dir doch gerade gesagt, dass ich dich lieber mit offenen Haaren vorziehe. Du siehst damit sehr attraktiv aus.“ Abermals entkam mir ein kleines Seufzen. Typisch Seto. So war er eben. Und natürlich schmeichelten mir seine Worte, sowie mir seine rigorose aber dennoch auch äußerst einfallsreiche Art seine Vorlieben durchsetzen zu wollen ein Lächeln abrang. Er war und blieb einfach ein wunderbarer Mann. Und, auch wenn ich ihm das niemals laut sagen würde, unglaublich niedlich. „Seto, das ist nett dass du das sagst und ich freue mich auch, dass ich dir mit offenen Haaren gefallen, aber ich muss sie für die Arbeit zusammenbinden. Also bitte gib mir meine Gummis zurück, ja?“ Ich warf ihm einen bittenden Blick zu, denn er jedoch mit einem abermals kaum zu erkennen Kopfschütteln abschmetterte. „Tut mir Leid, das kann ich nicht. Sie sind konfisziert und ungeachtet welche Bitten oder auch Taten du anwenden wirst, ich werde sie dir nicht zurückgeben.“ Spielen schön und gut, doch irgendwann musste es auch wieder gut sein. Er hatte seinen Spaß gehabt. Das Lächeln war nun von meinem Gesicht verschwunden und der Ernst war aus meiner Stimme zu erkennen. „Komm schon Seto, ich brauche sie. Ich kann nicht mit offenen Haaren in der Arbeit erscheinen und schon gar nicht zu der Präsentation heute. Ich muss sie zusammenbinden.“ Nun war es an ihm eine steile Falten zwischen seinen Augenbrauen zu bilden. „Warum?“ Beinahe war ich überrascht von dieser Frage, doch anderseits…wie hätte er den Grund wissen können, so als Mann? „Nun das ist ganz einfach. Ich muss mir die Haare zusammenbinden damit ich als ernsthafte Werbedesignerin anerkannt werde.“ „Das musst du mir nun schon genauer erklären.“ Ich lehnte mich nun zu ihm gewandt mit meiner rechten Seite an dem Waschbecken an während ich mit gestikulierenden Händen versuchte zu erklären. „Das ist doch eigentlich offensichtlich. Eine Frau wird nur dann als qualifizierte Arbeitskraft akzeptiert wenn sie nicht zu weiblich aussieht. Es mag ein Vorurteil sein oder etwas ähnliches, aber es ist tatsächlich so dass man davon ausgeht, dass schöne Frauen nicht wirklich intelligent oder qualifiziert sind. Und wenn ich als Frau gerade in der männlich dominierten Geschäftswelt ernst genommen werden will, dann muss ich darauf achten nicht zu feminin auszusehen. Ich habe selbst auch schon die Erfahrung gemacht, dass ich mich besser bei den Vorständen durchsetzen kann, wenn ich die Haare zusammenbinde. Es scheint so, als würde sie mir dann mehr zutrauen.“ „Schöne Frauen gelten also als dumm und burschikoses Auftreten bringt dir den Respekt von den Geschäftmännern?“ Ich bestätigte mit einem knappen Nicken. „Leider ja, so ist es. Ich habe es wirklich schwerer mich zu behaupten oder besser gesagt meine Ideen und Einfälle als so profitabel zu verkaufen wie sie sind, wenn ich zu weiblich auftrete.“ Er warf kurz die Stirn in Falten. „Kennst du das etwa nicht? Bei deinen Geschäften müsstest du doch auch ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Zum Beispiel mit einer schönen Frau ihm Vorstand, hast du sie im ersten Moment nicht doch nur für die Sekretärin einer der Chefs gehalten anstatt davon auszugehen, dass sie selbst zu der Geschäftsführung gehört? Und umso attraktiver diese Frau dann war desto weniger hat man ihr zugetraut und für weniger intelligent hat man sie gehalten. Schöne Frauen haben nichts im Kopf, so denkt nun einmal die Allgemeinheit, egal was wirklich dahinter steckt und es auch nur ein Vorurteil ist.“ Einen langen Moment schien er nachzudenken ehe ihm ein 'hm' über die Lippen kam. „Das mag sein…aber du bekommst deine Haargummis dennoch nicht zurück.“ Sein Tonfall war entschieden, als gäbe es nichts mehr an seiner Entscheidung zu rütteln. „Aber…aber ich habe heute doch die Abschlusspräsentation! Seto bitte, ich brauche sie wirklich. Für mich ist es ohnehin schon schwer genug weil ich im Vergleich zu den anderen noch so jung bin aber dann auch noch als Frau…da muss ich mich doppelt beweisen. Ich brauche meine Haargummis, das ist wichtig für mich.“ „Du bist hochqualifiziert, du bist auf derartige Hilfsmitteln nicht angewiesen.“ Er vollführte eine wegwerfende Handbewegung. Obwohl er mir gerade ein äußerst eindrucksvolles Lob hatte zukommen lassen war ich dennoch nicht besänftigt. „Seto bitte.” „Nein, ich bedaure. Wie ich schon sagte, es gibt nichts das du tun oder sagen kannst um mich umzustimmen.“ „Aber…“ Er schüttelte bereits den Kopf und erstickte mit dieser kleinen Geste meinen weitern Widerstand. Ich musste es mal wieder einsehen, Seto würde nicht nachgeben. Resigniert ließ ich den Kopf einige Sekunden hängen um mich damit abzufinden. Er hatte wirklich eine seltsame Art mir zu sagen, dass ich ihm gefiel und dass er mich für überhaus fähig in meinem Job hielt. Als ich den Kopf wieder anhob drehte sich Seto bereits mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen von mir weg um wohl das Schlafzimmer zu verlassen und in die Küche zu gehen um zu Frühstücken. Aber er hatte ja auch gut lachen, schließlich war er wieder einmal siegreich gewesen. Mit einem erneuten Seufzen folgte ich meinem Freund. Und obwohl mich immer noch der Unmut über den Ausgang dieser Diskussion erfüllte, so hallten mir immer noch seine Worte von vorhin durch den Kopf…und ließen mich geschmeichelt aber vor ihm verborgen lächeln. 'Du gefällst mir so besser.' 'Ich mag dich mit offenen Haaren' 'Du bist qualifiziert.' Mit einem müden Seufzen ließ ich mich in meinem Bürostuhl fallen. Irgendwie hatte dieser Tag so gar nicht begonnen wie ich es geplant hatte. Jetzt saß ich hier, knapp eine halbe Stunde von der großen Präsentation entfernt, und spürte sowohl die aufkeimende Nervosität als auch die fehlende Sicherheit, die mit meinen offenen Haaren einhergingen. Es mochte vielleicht übertrieben sein, aber für mich war es eine Art Rückenstärkung, ein Schutzwall hinter dem ich mich verstecken konnte wenn ich meine Haare zurückband. Wie eine Art Maske die ich überstreifte um eine andere Rolle einzunehmen. Die Rolle einer sehr selbstbewussten und erfolgreichen jungen Frau, die nichts einzuschüchtern vermochte und vor Selbstsicherheit nur so strotzte. Und genau das fehlte mir nun dank Setos Durchsetzungsvermögen. Nur weil er mich mit meiner jetzigen Frisur lieber mochte und dabei konnte er mich ja nicht einmal sehen wenn ich arbeitete. Wenigstens dafür hätte er mir meine Haargummis lassen können. Mein Blick fiel auf die in dunkles Leder gebundene Mappe, die vor mir auf dem Schreibtisch lag. Präsentationsmaterial. Aber eigentlich war ich darauf gar nicht angewiesen, denn das was ich sagen wollte würde ich ohnehin mehr improvisieren als dass ich einem Script folgen würde. Viel bedeutender war hingegen mein Laptop mit dem gespeicherten Präsentationsdatei und die Vorführungstechnik im Breefingraum. Das war auch einer der Gründe gewesen, warum wir den Vortrag hier in unseren eigenen Büroräumen abhalten würden und nicht in denen der auftraggebenden Firma. Wir benötigten einfach unsere ganze Ausrüstung und es wäre zu kompliziert gewesen diese dorthin zu transportieren. Also fand die Vorführung hier statt, in gewisser Maßen ein Heimvorteil. Und dieser Gesichtspunkt half mir dann doch deutlich dabei meine Aufregung abzumindern. Vertraute Räume, vertraute Personen…das alles gab mir Sicherheit die ich gerade jetzt so nötig hatte. Ich strich mir die Haare hinters Ohr und betrachtete weiterhin die Mappe vor mir. Alles war vorbereitet und es würde bald losgehen. „Was ist los mit dir Sarah? Du bist irgendwie abgelenkt.“ Ich hob den Kopf und sah in Hirokos strahlende Augen, wie sie sich zu meiner Linken an den Schreibtisch anlehnte. Natürlich, wer sonst außer meiner besten Freundin würde die kleinste Veränderung an mir auffallen? „Es ist nichts weiter.“ Mit einer Handbewegung versuchte ich die Bedenken fortzuwischen. Stattdessen öffnete ich die rechte Schublade meines Schreibtisches und begab mich auf die Suche, wobei ich Hiroko etwas an Aufmerksamkeit vorenthalten musste. „Wegen der Präsentation nicht wahr? Du bist mal wieder nervös.“ „Ja das stimmt. Aber es hält sich eigentlich in Grenzen.“ Ich beugte mich mehr nach vorne und tastete mich mit der rechten Hand voran. Da hatte ich doch etwas entdeckt. „Und trotzdem bist du irgendwie anders heute. Hast du womöglich zu wenig Schlaf bekommen heute Nacht?“ Ich sah kurz, von ihrem Tonfall aufmerksam geworden, zu ihr hinüber und entdeckte ein leicht anzügliches Lächeln. Woran sie immer gleich wieder denken musste! Und dennoch spürte ich wie sich meine Wangen leicht erhitzten, dabei stimmte es doch nicht einmal. „Nein, das ist es nicht. Ich habe sehr gut geschlafen und auch sehr…Ah!“ Ich förderte meinen Fund zu Tage und betrachtete freudestrahlend den schwarzen Haargummi den ich in meiner Schreibtischschublade gefunden hatte. Wie gut, dass ich doch kein so schrecklich ordentlicher Mensch war, sondern Dinge auch hin und wieder einmal einfach irgendwo gedankenverloren ablegte, wie zum Beispiel in meinem Schreibtisch. Welch Glück für mich. Auch wenn der Haargummi etwas ausgeleiert war, er würde dennoch seinen Zweck erfüllen. Vorerst zumindest. „Ein Haargummi?“ Ohne Umschweife machte ich mich daran meine Haare zurückzubinden und sie in einem festen Pferdeschwanz zu bändigen. Tja, damit hatte Seto wohl nicht gerechnet. Aber ihm konnte es doch wirklich egal sein was ich während der Arbeit mit meinen Haaren tat. Bei ihm würde ich sie dann schon wieder offen tragen, aber hier, beruflich, konnte ich immer noch damit tun was ich wollte. „Ja.“ „Warum freust du dich denn so über einen Haargummi?“ „Weil Seto zu Hause alle eingezogen und konfisziert hat.“ „Er hat…was?“ Ich musste angesichts ihres verdutzten Ausdrucks einfach grinsen während ich mir ein letztes Mal die Haare glatt strich um zu überprüfen ob sie auch wirklich straff am Kopf anlagen. Langsam ließ ich meine Hände sinken und neigte den Kopf leicht nach Links. „Na ja, er meinte ich gefalle ihm besser mit offenen Haaren und damit ich sie nicht mehr zusammenbinden kann hat er mir kurzerhand alle Haargummis und Spangen weggenommen.“ „Aber das ist…“ Immer noch war Hiroko sprachlos. Und überraschender Weise empfand ich das als amüsant, denn ich hatte wohl zu Beginn meiner Beziehung mit Seto hin und wieder ähnlich überrascht reagiert wie sie nun, angesichts seiner ganzen so selbstverständlichen Art die persönlichen Rechte meinerseits einzuschränken. Doch mittlerweile hatte ich mich schon daran gewöhnt, oder vielmehr wusste ich nun, dass Seto auf diese Weise Zuneigung ausdrückte es aber kaum anders sagen konnte. Und noch dazu war er es schlicht weg nicht gewöhnt auf andere Menschen zu jeder Zeit und bei jeder Gelegenheit Rücksicht zu nehmen…noch nicht. Doch bei mir schien er hart an sich zu arbeiten. Auf den ersten Blick mochte seine Handlung respektlos und herrschsüchtig wirken, aber in Wirklichkeit hatte er mir damit sagen wollen, dass ich ihm gefiel und dass er mich so mochte wie ich war, ohne jegliche Hilfsmittelchen. Wenn das also kein Grund war ein Auge zuzudrücken und ihn machen zu lassen. „Es ist schon in Ordnung Hiroko. Er meint das nicht böse und es ist auch nicht so, dass deswegen keinen Respekt vor mir hat. Er ist nur einfach so.“ „So? Du meinst rücksichtslos?“ „Nein, das sieht nur so aus, aber er hat es nett gemeint. Nämlich dass er mich attraktiv findet und ich mich natürlich geben soll, weil er der Meinung ist, dass ich solche Utensilien nicht nötig habe. Er mag mich schlicht weg so wie ich bin. Das ist doch wirklich lieb von ihm, oder?“ „Nun, wenn man es von der Seite betrachtet…dann ist es aber immer noch nicht richtig.“ Abermals huschte ein Grinsen über meine Lippen. Ihr beinahe trotziger Tonfall war rührend, während sie wie eine Mutter um meine Menschenrechte kämpfte und diese verteidigte. „Er bemüht sich, das musst du im Hinterkopf behalten. Für ihn ist das nicht so leicht und ich finde er macht sich anbetracht dieser Tatsache wirklich hervorragend.“ „Wenn du es sagst. Aber lassen wir das Thema. Ich weiß nämlich etwas viel Besseres.“ „Ach ja?“ Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück zu sah zu ihr auf. „Was denn?“ „Das neueste Gerücht natürlich. Hast du schon davon gehört?“ Wollte man Neuigkeiten wissen dann war Hiroko immer die erste Anlaufstelle. „Nein noch nicht. Was wird denn schon wieder gemunkelt?“ Sie beugte sich vertraulich zu mir hin um die Stimmung von Geheimnis und Verschwörung zu verstärken. „Es heißt, dass sich ein weiterer Vorstand für die Präsentation heute früh beim Chef angekündigt hat.“ Noch bevor ich die Frage 'na und' stellen konnte, da dies nun wirklich nichts Ungewöhnliches war, fuhr Hiroko auch schon fort. „Aber es ist nicht irgendein Vorstand. Er soll ein ziemlich hohes Tier der Firma sein, oder besser gesagt so eine Art stiller Teilhaber. Von ihm kommt ein Großteil der Zuschüsse für das Unternehmen. Und es scheint so, dass er sich jetzt auch für die Werbung der Firma die er sponsert interessiert.“ „Aha, ist er sehr reich?“ „Genaues weiß man nicht. Außerdem scheint es ja auch noch gar nicht sicher zu sein ob er wirklich kommt. Anscheinend hat er eine Menge zu tun und hat sich auch deswegen so kurzfristig beim Chef gemeldet und gemeint, dass er eventuell kurz vorbei sehen wird, es aber noch nicht mit Gewissheit sagen kann. Scheint einen ziemlich vollen Terminkalender zu haben und ich persönlich glaube das trifft auch auf ein gehöriges Vermögen zu.“ „Tja, dann wird das heute ja eine interessante Präsentation. Zum Glück muss ich sie nicht alleine halten sondern mit dir zusammen.“ „Ach was, das würdest du genauso gut auch alleine schaffen. Und es wäre auch nicht das erste Mal“ „Na ich weiß nicht, wenn so ein reicher Teilhaber mit von der Partie ist. Das ist schon ein etwas anderes Kaliber und wenn das dann nicht ein Grund ist nervös zu werden? Denn von ihm wissen wir ja genau genommen gar nichts. Was ist wenn ihm die Werbung nicht gefällt? Wir haben ja nur mit den anderen Vorständen gesprochen und die Planung mit ihnen abgestimmt. Was wenn dieser ominöse Inhaber aber ganz andere Vorstellungen hat? Angesichts seiner Beteiligung hat er wahrscheinlich auch enormen Einfluss auch Entscheidungen und wenn ihm unser Konzept nicht gefällt…“ „Sarah, du siehst das wieder einmal alles viel zu pessimistisch. Es wird schon alles gut gehen und noch ist es gar nicht sicher ob er überhaupt kommt. Also atme bitte einmal tief durch und beruhige dich! Panik ist das Letzte was wir jetzt gebrauchen können.“ Ich kam ihren Rat nach und ließ die Luft wieder langsam meine Lungen entweichen, dann lächelte ich sie an. „Okay?“ Ihre rechte Augenbraue war fragend erhoben. „Okay!“ Ich nickte meiner Freundin zu. „Na dann ist es ja gut…und nun komm. Wir müssen noch den Konferenzraum fertig vorbereiten. Takashi ist schon dabei den Computer hoch zu fahren und die ganze Technik anzuschließen. Ich denke wir sollten ihm dabei helfen und ihn nicht die ganze Arbeit alleine überlassen.“ Mit einem leichten Klaps auf die Schulter animierte sie mich zum Aufstehen und schmunzelnd folgte ich ihr um die letzten Vorbereitungen für die Präsentation zu treffen. Immer mit dem festern Vorsatz mich auch von einem unbekannten stillen Teilhaber nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Sein Gesicht reflektierte sich in der Fensterscheibe seines Büros, vor der er stand und hinausblickte. Doch es wirkte verzehrt und er sah dadurch bleicher und irgendwie nicht wirklich so aus wie er selbst. Nachdenklich fuhr er sich durch sein Haar um es sich aus dem Gesicht zu streichen. Wenn er ehrlich war, dann war ihm langweilig. Oder genauer gesagt, Sarah fehlte ihm. Er hatte sich mittlerweile einfach zu sehr an ihre Nähe gewöhnt, gerade nach so einem Wochenende geprägt von überaus intensiven Kontakt. Beinahe 48 Stunden ununterbrochen mit ihr zusammen zu sein, das hatte selbstverständlich seine Auswirkung auf ihn. Es mochte zwar zu Beginn neu und ungewohnt gewesen sein, doch nun hatte es sich für ihn bereits zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt fast seine ganze Zeit mir ihr zu verbringen. Es war normal für ihn geworden Sarah um sich zu wissen, ihr nahe sein zu können wann er wollte, mit ihr zu reden und dabei seine Gedanken mit ihr zu teilen genauso wie ihren Ausführungen zu folgen. Dieser ständige Kontakt hatte erstaunlich schnell zu einer Gewöhnung geführt, welche nun allerdings zur Folge hatte, dass er ihre Anwesenheit missen musste. Sarah fehlte ihm. Ihm war klar, dass er sich auf seine Arbeit konzentrieren und sich nicht so von ihr, oder vielmehr den Gedanken an sie ablenken lassen sollte, aber es schien zwecklos. Seine Firma forderte Aufmerksamkeit und dennoch konnte er ihr diese schlicht weg nicht geben. Selten war er bisher so eingenommen, beinahe schon besessen von einer Sache gewesen, dass er deswegen sogar ihm ansonsten bedeutende Dinge vernachlässigte. Die Kaiba Corporation war ohne Frage sehr wichtig für ihn und seine momentane Desinteresse an ihr ließ sich im Grunde nur noch mit dem früheren Umstand vergleichen, als er eine ausgeprägte Begeisterung für Duell-Monsters an den Tag gelegt hatte. Damals. Er war wie verrückt danach gewesen. Wenn es darum gegangen war wieder ein neues Turnier zu bestreiten, wenn er wieder einmal die Möglichkeit gesehen hatte endlich Yugi Muto den Titel des Weltmeisters abstreitig zu machen und seinem wahren Eigentümer zukommen zu lassen, dann hatte er seine Firma ebenfalls vergessen. Nichts anderes schien mehr von Bedeutung in seinem Leben gewesen zu sein. Doch das war lange her, Jahre um genau zu sein. Turniere übte er keine mehr aus und er beschränkte sich darauf die Technik für das Spiel zu entwickeln und herzustellen als selbst noch aktiv daran teilzunehmen. Nun jedoch hatte sein Leben eine neue Besessenheit hinzugewonnen. Früher ein Spiel, heute eine Frau. Und wieder musste sein Unternehmen darunter leiden. Seine Gedanken drehten sich seit einem geraumen Zeitraum nicht mehr um Produktionszahlen oder Vorstandsitzungen, sondern beschäftigen sich hauptsächlich mit Sarah. Es war wirklich mehr als ärgerlich, dass sie diese ganzen Stunden während ihrer beider Arbeit voneinander getrennt waren und er sie nicht zu Gesicht bekam. Er genoss ihre Anwesenheit, die ihn entspannte und dennoch zeitgleich anregte, auf vielerlei Arten. Doch sie war nicht hier, sie war bei ihrer Arbeitstelle und er hatte in seiner eigenen Firma zu tun. Seine Aufgabenliste für heute war lang und dennoch wusste er jetzt schon, dass er diese bis zum Abend nicht abgearbeitet haben würde. Nicht weil er es grundsätzlich der Menge wegen nicht schaffen würde, das sicherlich nicht. Er müsste sich lediglich nur etwas mehr Konzentration und konsequente Ausdauer abverlangen, was er ohne Frage ausreichend aufzuweisen hatte und er könnte das gewaltige Pensum dennoch spielend erledigen. Doch vielmehr würde er Grund für seine unerledigte Aufgaben darin liegen, dass er sich viel zu früh dazu hinreisen lassen würde seine Arbeit einfach liegen zu lassen und Feierabend zu machen…damit er wieder mit Sarah zusammen sein konnte. Es würde nicht das erste Mal sein und sicherlich auch nicht das letzte Mal. Sarah hatte ihn eingesponnen in einem Netz aus Sehnsucht und Bedürfnisse. Er war abhängig von ihrer Nähe geworden und suchte sie deswegen so oft wie möglich auf. Wie ein liebestrunkener Volltrottel. Anders vermochte er sein eigenes Verhalten bei Zeiten nicht zu benennen. Er hatte in der Tat niemals gedacht, dass es so sein würde. Dass er sich jemals in der Beziehung mit einer Frau wiederfinden würde, noch dazu mit derartig ernsten Absichten. Nie hatte er geglaubt jemals so etwas zu empfinden und nie hatte er erwartete einen Menschen, eine Frau, so zu brauchen wie nun Sarah. Wie hatte er auch ahnen können, dass sie ihm in seinem Leben gefehlt hatte wenn er bis dato nicht einmal gewusst hatte, dass er sie die ganze Zeit über gesucht hatte? Doch nun war es so und…es war verdammt hart. Dieser liebestrunkene Volltrottel sehnte sich nach der Frau in seinem Leben und vergaß darüber alles andere, wie zum Beispiel seine Firma. Stattdessen schmiedete er bereits wieder Pläne die es ihm ermöglichten mit ihr zusammensein zu können und ihr zu zeigen welche Bedeutung sie mittlerweile für ihn hatte. Dieser Mann war wirklich ein Idiot, der unsinnige Dinge tat und bereits schon wieder dabei war die nächste verhängnisvolle Tat zu begehen, die er schon auf die Beine gestellt hatte. Er hatte vergeblich versucht ihm das mit seiner rational logischen Denkweise auszureden, da er sich nur zu gut vorstellen konnte wie Sarah auf diese erneute Überraschung reagieren würde. Doch er hatte sich nicht gegen diesen emotionalen Dummkopf behaupten können, so sehr er es auch versucht hatte. Ein idiotischer Volltrottel! Und er sah diesem Mann gerade eben direkt in sein leicht verzehrtes Spiegelbild in der Fensterscheibe vor ihm. „Damit möchte ich wieder an meine Kollegin übergeben.“ Hiroko deutete mit einer ruhigen Geste auf mich und während sie sich zu meiner Linken nieder ließ, erhob ich mich im Gegenzug aus dem bequemen Konferenzstuhl. Ich warf einen Blick in den Raum und streifte dabei über die Gesichter der acht anwesenden Vorstände, die um den ovalen Tisch herum saßen, an dessen Kopfende ich nun stand. Alles Männer mittleren Alters, aber das war zu erwarten gewesen. Seit gut einer halben Stunde präsentierten wir ihnen die Früchte unser zwei Wochen langer Arbeit und so wie es bisher den Anschein hatte waren sie mit dem Werbeprogramm doch allgemein recht zufrieden. Doch der Hauptteil würde erst noch kommen und danach würden sie hoffentlich nichts mehr außer Begeisterung übrig haben, schließlich hatten wir auch lange genug an der Präsentation gearbeitet. Und mit großer Erleichterung hatte ich feststellen können, dass dieser ominöse stille Teilhaber anscheinend doch nicht die Zeit gefunden hatte diesem Vortrag beizuwohnen, denn er war nicht mehr vor Beginn der Präsentation aufgetaucht. Doch mein Bedauern über seine fehlende Anwesenheit hielt sich verständlicherweise in Grenzen. Ich war sogar sehr froh darüber, dass er es nicht hatte einrichten können. Ein Grund weniger nervös zu sein, eine Tatsache die ich auch jetzt immer noch anerkennen musste. Denn obwohl sich meine Aufregung mittlerweile zum größten Teil gegeben hatte, da ich mich immerhin auch schon einige male mit Hiroko abgewechselt und das Reden übernommen hatte, ganz verschwunden war meine Nervosität deswegen doch noch nicht.. Gerade deswegen wusste ich es auch zu schätzen, dass meine Freundin den Part der Zahlen und Fakten übernommen hatte. Langweilige Statistiken auszuwerten und zu präsentieren, nein das war nicht wirklich mein Fall. Ich hielt mich da lieber an die Ausarbeitung der Werbung und diesen Aspekt unserer Arbeit diesen Vorständen, also unseren Kunden verständlich zu erklären. Kurz sortierte ich meine Gedanken und brachte Ordnung in die gedanklichen Notizen, während Takashi bereits das nächste Schaubild mit Hilfe des Beamers an die Wand projizierte. - Auf in die nächste Runde! - „Dann werde ich nun ohne große Umschweife zu dem neuen Layout kommen. Wie sie sehen können…“ Ich deutete mit einer ausladenden Handbewegung auf das Diagramm hinter mir, wobei sich fast alle Blicke der anwesenden Gäste augenblicklich dort hin richteten. Doch vergaß ich nicht aufgrund meines erlernten Wissen aus intensiven Schulungen meinen Körper nicht von meinen Zuhörern wegzudrehen oder gar nach hinten zu der Wand zu sprechen. Schließlich sollten sie mich sowohl ansehen als auch verstehen können. „…haben wir einige gravierende Veränderungen von der ursprünglichen Werbeserie vorgenommen die sie bisher geführt haben, jedoch ohne die eigentliche Aussage und den Wiedererkennungsfaktor beim Kunden auszuschließen. Das heißt, wir haben den Grundcharakter beibehalten, mit dem die kaufende Bevölkerung ihre Firma oder vielmehr ihre Produkte verbindet, haben aber die Anpassungen vorgenommen, bezogen auf die neuesten Marktumfragen, welche meine Kollegin Miss Yamauchi ihnen gerade aufgeschlüsselt hat. Wir haben uns demnach an das alte Grundkonzept gehalten, haben allerdings das Layout und das Rahmenprogramm an die veränderten Kundenwünsche angepasst. Man könnte sagen die Werbung ist von der Aussage die Gleiche geblieben…nur ist sie nun etwas hipper.“ Leises Lachen war die Antwort der meisten anwesenden Vorstände, welches ich mit einem gekonnt einstudierten Geschäftslächeln erwiderte. Es galt eben nicht nur die Werbung an die Wünsche der in diesem Fall jungen Zielgruppe anzupassen, die eben einfach etwas moderneres im Sinn hatte, sondern auch die Werbung bei den Vorständen richtig an den Mann zu bringen. Unter normalen Umständen hätte ich wohl kaum ein Wort wie 'hipp' in den Mund genommen, aber für diese Männer, alle über vierzig, war es genau die richtige Wortwahl gewesen, welche ihre Wirkung nicht verfehlt hatte. Sie waren begeistert und zugleich erheitert. Beste Vorrausetzungen also für den Abschluss dieser Präsentation. Takashi klickte auf ein für ungeübte Augen unsichtbares Zeichen meinerseits das nächste Schaubild her und somit richtete sich die Aufmerksamkeit der Geschäftführung wieder auf die Wand hinter mir, da sie mich aufgrund meines kleines belustigenden Einwurfes angeblickt hatten. Ich kannte die Präsentation natürlich in und auswendig und ich musste keinen Blick hinter mich werfen um zu überprüfen an welcher Stelle des Vortrages wir uns gerade befanden. Es wäre wohl mehr als unvorteilhaft gewesen, wäre gegenteiliges der Fall gewesen. Genau gesagt hätte man es als unprofessionell bezeichnen können, denn es gehörte zu meinen Job meine Präsentationen, jede einzelne Folie und Tabelle im Kopf zu haben. „Hier sehen sie die Ausarbeitung der von uns ermittelten Kundenwünsche. Dabei haben wir uns hauptsächlich auf die Zielgruppe zwischen 20 und 30 orientiert, die ja bei der Meinungsumfrage eindeutig die aussagekräftigsten Ergebnisse gebracht hat. Wie sie sehen haben wir kräftigere Farben und geschwungenere Schriften verwendet als sie es bisher bei ihrer Werbung üblicherweise getan haben.“ Ein leise gemurmelter Zuspruch war von einigen zu hören, während sie kurz zustimmend nickten. „Unsere Testpersonen, auch der Großteil in der besagten Zielgruppe zwischen 20 und 30 Jahren haben sehr positiv auf das veränderte Logo und Werbeaufmachung reagiert. Im Grunde beurteilten es ausnahmslos alle Probanten als ansprechend und genauso au…“ Ich hielt überrascht in meiner Ausführung inne. Irritiert warf sich meine Stirn in Falten und mein Blick richtete sich auf die sich soeben öffnende Tür. Das war ungewöhnlich. Äußerst ungewöhnlich um genau zu sein. Es war eigentlich ein eisernes Gesetz bei uns in der Firma, dass eine laufende Präsentation nicht unterbrochen werden durfte, von niemanden. Und soweit ich wusste hatte es das auch noch nie gegeben. Egal was auch wichtiges passiert sein mochte, es hatte einfach zu warten bis der Vortrag zu Ende und der Kunde zufrieden war. Eine Ausnahme hätte wohl nur dargestellt, wenn das Haus gerade dabei wäre abzubrennen, aber das wäre wirklich die einzige Möglichkeit für solch ein 'Vergehen' gewesen. Was also war los, dass irgendjemand dieses ungeschriebene Tatsache ignorierte und die Präsentation unterbrach? Instinktiv schnupperte ich leicht, doch ich vermochte keinen Rauchgeruch ausfindig zu machen. Also kein Brand, und jeder einzelne Mitarbeiter wusste von dem Vortrag, also konnte man ein versehentliches Öffnen der Tür ebenso ausschließen. Ein kurzer Seitenblick zu Hiroko bestätigte mir, dass sie genauso irritiert war wie ich. Auch sie schien sich zu fragen was das zu bedeuten hatte. Die Vorstände hatten sich, durch mein abruptes Abbrechen aufmerksam geworden, ebenfalls neugierig umgedreht und versuchten den Grund der Unterbrechung ausfindig zu machen. Mit wachsamen Blick erkannte ich Saburo, unseren Lehrling im ersten Ausbildungsjahr wie er mit unsicheren Schritten in den Raum trat. Konnte es womöglich sein, dass er unsere Regel vergessen hatte? Ausgerechnet? Doch das hätte doch unser Chef bemerken müssen, schließlich hielt er dort draußen von seinem Büro aus ein wachsames Auge auf alle seine Mitarbeiter und das schloss Saburo besonders mit ein. Schließlich musste er eingelernt werden und mein Chef hatte uns, Hiroko, Takashi und mir die Präsentation alleine überlassen, das hieß, er musste diese Aufgabe entweder selbst für die wenigen Stunden übernommen haben oder sie zumindest einem der anderen zugeteilt haben. Wer zum Teufel hatte da nur wieder Mist gebaut und nicht auf den Kleinen aufgepasst? Das durfte doch nicht wahr sein! Mein Mund öffnete sich bereits um Saburo vor den anwesenden Gästen zwar dezent aber nichts desto trotz auch so schnell wie möglich wieder aus dem Raum zu komplimentieren. Der Schaden musste jetzt einfach unter allen Umständen so gering wie möglich gehalten werden um bei den Männern auch nicht nur den geringsten Zweifel an unsere Kompetenz aufkommen zu lassen. „Saburo könntest du bitte…“ Mein Satz erstarb, schon zum zweiten Mal innerhalb nur kurzer Zeit. Abermals musste ich vollkommen überrumpelt innehalten und meine Augen wollten dem Bild gar nicht trauen, das sie zu sehen bekamen. „Bitte hier entlang.“ Hörte ich Saburos noch recht jugendliche Stimme, während er weiter mit unübersehbar unsicheren Schritten in das Zimmer eintrat. Man sah ihm seine Nervosität darüber an mitten im Aufmerksamkeitszentrum von so vielen wichtigen Personen zu stehen. Er war eben noch jung und ich konnte mich noch gut erinnern, dass es mir in meiner Anfangszeit genauso ergangen war und ich mich in so einer Situation genauso überfordert gefühlt hätte. Doch es war nicht der Anblick des Lehrlings der mich hatte erschrocken meinen Satz abbrechen lassen. Es war vielmehr die Person, die nun erst in den Türrahmen getreten war und somit mit ihrer hochgewachsenen Gestalt und unverkennbar einnehmenden Ausstrahlung alle Blicke auf sich zog. Diejenige Person, die Saburo hier in das Büro hineinführte. Ein junger Mann, groß von Statur, gutaussehend ohne Frage und vor allem…mir sehr, sehr vertraut. Seto Kaiba, wer auch sonst! Seine Selbstsicherheit strahlte geradezu und verstärkte dadurch nur noch die schüchternen Gesten Saburos. Er betrat im Gegensatz zu seinem jungen Führer voller Selbstverständnis und mit einem ausgeprägten Ego den Konferenzraum als wäre es ihm vollkommen egal, im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen und von allen angestarrt zu werden, besonders von den Vorständen einer sehr großen Firma Japans. Aber vermutlich war es sogar so. Es war ihm schlicht weg egal, dass er mitten in die Präsentation geplatzt und diese unterbrochen hatte. „Seto.“ Kaum es gehaucht über meine Lippen doch zum Glück zu leise, als dass es jemand gehört hätte. Meine Überraschung machte nun augenblicklich rastloser Aufregung platz. Meine wenigen Gesten, die ich mir abringen konnte waren hektisch und irrwitziger Weise kam es mir so vor, als wäre ich für diese Störung verantwortlich, als würde ich selbst gerade höchstpersönlich dort durch die Türe treten und alle Anwesenden unterbrechen. Aber im gewissen Sinne war es ja sogar so. Denn wäre ich nicht hier gewesen, dann wäre Seto wohl auch nicht einfach so aufgetaucht, schließlich war er mein Freund. Jetzt musste ich schnell reagieren um anstatt Saburo nun Seto so zügig und unauffällig wie möglich aus dem Raum zu bekommen. Wobei ich mir ziemlich sicher war, dass es mir mit Seto wesentlich schwerer fallen würde als mit dem Jungen. Bei ihm würde ich wohl nicht besonders weit kommen mit einem 'könntest du bitte draußen warten'. Seto ließ sich nicht einfach so etwas von mir sagen, nicht wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Ob womöglich etwas geschehen war? Warum um alles in der Welt war er bloß hier, ausgerechnet hier in meiner Firma, in dieser Präsentation? War am Ende etwas mit Mokuba passiert? War er verletzt, krank, oder irgendetwas anderes schlimmes? Ich hatte schon einen eiligen Schritt auf den so selbstsicher eintretenden Seto zugemacht um ihn irgendwie hier wegzubekommen und wenn ich ihn dazu am Arm hätte hinauszerren müssen. Doch es war immer noch so, dass ich mich immer noch mitten in einem wichtigen Vortrag befand, das wusste Seto auch nur zu gut und er würde mir eben rasch im Gang im Telegrammstil den Grund für sein Erscheinen berichten müssen, für mehr blieb einfach keine Zeit. Allerdings kam ich nicht weit mit meinem Vorhaben die Unterbrechung aus der Welt zu schaffen, denn Saburo hatte das mir gegenüberliegende Kopfende des Tisches erreicht und mit einer ausladenden Geste schob er den dort noch unbesetzten Konferenzstuhl zurück und bot diesen mit einer Handbewegung meinem Freund an. „Bitte, setzen Sie sich Kaiba-sama.“ Ohne seine unverbindliche aber dennoch auch abweisend wirkende Mimik auch nur eine Sekunde zu verändern ließ er sich auch tatsächlich in den ihm angewiesenen Stuhl zu, als wäre es das Normalste auf der Welt. Diese unverfrorene Selbstverständlichkeit! Ich warf einen empörten Blick in die Runde um Bestätigung für meinen Unwillen zu bekommen. Es konnte doch nicht wahr sein, dass Seto sogar hier den unbeeindruckten Chef heraushängen ließ und meine ganze Präsentation sprengte…und ich nicht einmal den Grund dafür kannte. Doch augenblicklich erstarrte ich ein weiteres Mal. Denn während Seto sich bequem in den Stuhl zurücklehnte entdeckte ich auf den Gesichtern der Anwesenden keinerlei Spuren von Verwirrung oder Entrüstung. Sie schienen überhaupt nicht verärgert über die Störung zu sein Im Gegenteil. Einige von den Vorständen nickten Seto sogar zu, beinahe…ehrfurchtsvoll? Mein Blick kehrte sekundenschnell zu Seto zurück und ich sah ihn direkt an, betrachtete seine selbstgefällige Haltung und seine starre Mimik. Meine Gedanken arbeitete auf Hochtouren und dann machte es auf einmal Klick. Die ehrfürchtigen Gesichter, diese Selbstverständlichkeit. Keiner schien überhaupt über sein Auftauchen verwundert zu sein oder fragte nach, was er denn wolle und warum er sich einfach zu ihnen an den Tisch gesetzt hatte. Er! ER! Gott verdammt, er war es! Kein geringere als Seto Kaiba, mein Lebenspartner, war eben jener ominöse stille Teilhaber dieser Firma, deren Auftrag wir übernommen hatten und in deren Präsentation wir uns gerade befanden. Der Stille Teilhaber der sich für diesen Vortrag angekündigt hatte wenn es ihm seine Zeit ermöglichen würde. Ausgerechnet er! Wie hatte er mich nur so hereinlegen können? Dieser gottverdammte Mistkerl! Meine Augenbrauen zogen sich zusammen und die Wut nahm langsam überhand. Er hatte mich hinters Licht geführt und mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt, dass er an der Firma beteiligt war, für die ich momentan arbeitete, selbst wenn es eher eine passive und vor allem stille Beteiligung sein mochte. Dabei hatte er nur zu gut gewusst für welches Unternehmen ich zur Zeit arbeitete, schließlich hatte ich ihm genug davon erzählt und dabei sicherlich nicht den Namen verschwiegen. Er hatte das alles also geplant. Das würde er mir noch büßen. Und als ob dieses Verschweigen nicht ausreichend genug gewesen wäre musste er auch noch in meine Präsentation platzen und mich vollkommen überrempeln. „Miss Danzigten?“ Die Stimme drang wie von weit entfernt in mein Bewusstsein und aus meinen Gedanken gerissen hob ich den Kopf. „Wie?“ Die Stimme hatte geklungen, als hätte sie mich schon mindestens einmal angesprochen ohne eine Antwort zu erhalten, vielleicht auch schon mehrmals. Hiroko verpasste mir beinahe ihm selben Moment einen für die anderen nicht erkennbaren aber dafür nicht weniger unsanften Knuff in die linke Wade um mich wieder zur Besinnung zu bringen. Nur schwer konnte ich einen Schmerzenschrei unterdrücken. „Sie scheinen etwas verwirrt zu sein über unseren verspäteten Gast?“ „Ähm…“ Der Ältere Mann, der zwei Sitze rechts von Seto saß lächelte milde. „Sie haben natürlich Recht, es gehört sich eigentlich sich vorzustellen. Also das hier ist Seto Kaiba.“ Er deutete kurz auf den mir so vertrauten brünetten Mann, der ihm im Gegenzug nur einen desinteressierten Blick zuwarf. „Er ist Teilhaber unserer Firma und hat den Wunsch geäußert an der Präsentation teilnehmen zu können. Er interessiert sich für die von ihnen entworfene Werbekompanie.“ Wieder lächelte der Mann, vermutlich aufgrund meines verdutzten Gesichtsaudruckes und es schien seine Neugierde geweckt zu haben. „Oder…hatten sie etwa schon das Vergnügen miteinander?“ Sein Blick wanderte nun interessiert zwischen uns beiden hin und her. Mein Mund öffnete sich bereits um ein erneutes so unvergleichlich geistreiches 'ähm' von mir zu geben. „Nein.“ Setos Stimme ließ mich ihn überrascht ansehen. Meinte er das ernst? Doch sein Gesichtsausdruck war deutlich genug. Abweisend, überheblich genauso wie seine vor der Brust verschränkten Arme, nur seine Augen waren anders. Sie sahen mich eindringlich an und schienen mich bearbeiten zu wollen jetzt nur nichts Gegenteiliges zu behaupten. Aber warum dieses Spiel? Warum diese ganze Geheimnistuerei? Natürlich mussten wir diesen Männern nicht gleich auf die Nase binden, dass wir ein Paar waren, es war schließlich auch mein eigener Wunsch gewesen unsere Beziehung nicht öffentlich zu machen, aber zumindest dass wir uns kannten konnten wir doch zugeben. Bekannte waren wir schließlich in jedem Fall, schon allein aufgrund der Tatsache, dass ich auch schon vor dem Beginn unserer intimen Beziehung einige Wochen bei den Kaibas gewohnt hatte. Doch Seto schien andere Pläne zu haben. Ob das womöglich mit seinem Status als Teilhaber zusammenhing? Wollte er sich keine Blöße oder Angriffsfläche geben? Was auch immer seine Beweggründe sein mochten, er bat mich gerade mit seinem intensiven Blick darum mitzuspielen. Die Wut von vorhin machte sich allerdings wieder bemerkbar. Warum zu Teufel sollte ich ihm so einen Gefallen tun nachdem er mich derartig hereingelegt hatte? Aber andererseits…Gott verdammt ich liebte diesen Mann einfach. Ich konnte nicht anders als mitzuspielen. Ich war ihm verfallen und das wusste nur zu gut. - Also gut, ich mache mit. Aber nur ausnahmsweise und du kannst dich darauf verlassen Seto Kaiba, das gibt Rache. - Also setzte ich ein zuckersüßes Lächeln auf, doch meine Augen warfen einen Blick in Setos Richtung, der ihm hoffentlich schon einmal als Vorbote diente und ihm ankündigte was er noch von mir als Revanche für diese Sache zu erwarten hatte. „Nein, Mister Kaiba und ich hatten bisher noch nicht das Vergnügen.“ Der Vorstand schien mit dieser Erklärung zufriedengestellt. „Ah gut…also wenn Sie möchten, dann können Sie nun mit der Präsentation fortfahren. Wir wären soweit.“ „Natürlich.“ Ich nickte ihm zu und zwang mich erneut zu einem Lächeln. Abermals warf ich einen kurzen Blick zu Hiroko hinüber. Ihr Gesichtsausdruck wirkte leicht irritiert angesichts des ganzen Geschehens, doch das konnte ich ihr nur zu gut nachempfinden. Schließlich kannte ich genauso wenig wie sie Setos Motivation für das alles hier, auch für mich war sein Verhalten einfach nur rätselhaft. Doch sie war besonnen genug um sich ihre Verwunderung nicht wirklich anmerken zu lassen. Für all diese Vorstände wirkte sie gelassen und ruhig, doch ich als ihre beste Freundin wusste um ihren tatsächlichen Gemütszustand. Vermutlich würde ich mir später einem Verhör ihrerseits stellen müssen, indem sie mich mit Fragen nur so bombardieren würde. Fragen auf die ich selbst doch auch die Antwort suchte. Saburos unsichere Bewegungen im Augenwinkel löste ich den Blick von dem feinen Gesichtszügen Hirokos und konnte gerade noch mit ansehen, wie der Junge sich so leise wie möglich aus dem Raum zu schleichen versuchte. Er hatte ja seine Aufgabe erfüllt, Seto Kaiba hierher zu führen, vermutlich sogar auf Anweisung unseres Chefs und darum war Saburos Anwesenheit nicht länger von Nöten. Ich sah ihm noch den kurzen Moment hinterher, bis er die Tür wieder geschlossen und den Konferenzraum verlassen hatte. Nun waren wir also wieder unter uns, mit einem neuen Gast in unseren Reihen, der aus welchem Grund auch immer meinem Vortrag lauschen wollte. Mein Blick streifte Takashi, der unweit von meiner Rechten saß. Er schien meinen Blick zu spüren, denn er sah mich direkt an und mit einem kaum merklichen Schulterzucken und verziehen seines Gesichtes, zeigte er mir auf aufmunternde Art und Weise, dass er auch nicht wüsste was hier los sei. Ein kleines Zwinkern folgte welches mich auflächeln ließ. Takashi hatten eben seine eigene Art mich aufzumuntern und Rückhalt zu geben. Und er hatte Recht, ich konnte die Vorstände…und Seto…nicht mehr länger warten lassen. Mit einem letzten finsteren Blick zu meinem Freund hinüber, dem ich das wohl nicht so schnell vergeben würde, sammelte ich meine Gedanken und versuchte wieder in die Präsentation zurückzufinden. Ich war immer noch ein Profi, der wusste wie er sich in seinem Job zu verhalten hatte. „Also fahren wir fort mit der Präsentation. Was ich vor der kurzen Unterbrechung sagen wollte war, dass unsere Probanten auf die ihnen gezeigte veränderte Werbekampagne sehr positiv reagiert haben. Diese Zielgruppe scheint…“ Er lehnte sich mit einem süffisanten aber kaum erkennbaren Lächeln auf den Lippen in den bequemen Lederstuhl zurück und folgte ihren Ausführungen aufmerksam, so wie seine Augen jede ihrer Bewegungen und jede noch so kleine Geste in sich aufsaugten. Sie wirkte verändert wie sie dort stand und den Vortrag hielt. Ihr Gebaren wirkte tatsächlich mehr wie das einer abgebrühten, aber dennoch sehr professionellen Geschäftsfrau. Diese Sarah kannte er noch nicht, obwohl er bereits viele Aspekte ihrer Persönlichkeit zu Gesicht bekommen hatte. Das war wohl auch einer der Gründe gewesen dieser Präsentation beiwohnen zu wollen. Weil er hatte wissen wollen wie Sarah noch sein konnte und welches Verhalten sie ihm bisher vorborgen hatte. Natürlich hatte der liebestrunkene Volltrottel auch einen nicht gerade unbeträchtlichen Anteil an dieser Entscheidung gehabt, die ihm sicherlich noch einiges an Ärger mit Sarah einbringen würde. Sie schien wenig erfreut über sein plötzliches Auftauchen gewesen zu sein, doch das hatte er sich bereits im Vorfeld schon gedacht. Dennoch hatte er der Versuchung nicht wiederstehen können sie auf diese Weise erleben zu können. Wenn sie so ganz anders war, so ausdruckstark. In ihrem Beruf schien sie ganz anders als die zu Weilen scheue fast schon ängstliche Sarah die er kannte aber genauso auch ganz anders als die leidenschaftliche Frau, die oft das Bett mit ihm teilte. Er versuchte seinen Gefallen an dieser ganzen Sache mit dem Argument zu entkräften, dass er damit ja immer noch ein weitaus zweckrationaleres Ziel verfolgte als lediglich seiner Neugier und auch seinem Bedürfnis nach ihrer Nähe nachzukommen. Er war nur zum Teil erfolgreich damit. Denn auch wenn mehr hinter all dem steckte als es auf den ersten Blick den Anschein hatte, so konnte er nicht bestreiten, dass seine Gefühle für Sarah einen nicht unerheblichen Einfluss auf seinen Beschluss gehabt hatte…und es vermutlich auch in Zukunft haben würden. Ihre Gesten waren gezielt und es war faszinierend sie dabei zu beobachten, wie sie ihre Körpersprache gekonnt einsetzte um ihre Worte zu unterstreichen. Genau an den richtigen Stellen vollführte sie eine Handbewegung, mal ließ sie ein Lächeln seine Wirkung zeigen. Er hatte richtig vermutet, sie verstand wirklich eine Menge von ihrem Job. Genau das war er sich gedacht und genauso auch erhofft hatte. Sie war die Richtige! Seine Augen hafteten an ihrer schlanken Gestalt und ihn reizte der Gedanke, dass all die Anwesenden in diesem Raum, abgesehen von ihrer Freundin, dieser Hiroko und dem anderen Mitarbeiter dessen Namen er nicht kannte, nicht wussten wie genau er diese Frau doch kannte. Dass er der einzige war, der ihr nahe kommen durfte, der ihren Körper berühren konnte und dem sie diesen intimen Aspekt ihres Lebens zugestand. Ein verführerisches Geheimnis, welches all diesen alten Männern verborgen blieb. Geheim und verlockend. Und diese Vorständen ahnten nicht einmal etwas davon. Abermals traf ihn ein kurzer aber durchaus finsterer Blick Sarahs, als sie über die Gesichter der Zuhörer streifte um sie in ihrem Vortrag mit einzubinden indem sie ihnen direkt in die Augen sah. Mit einem nicht belanglosen Maß an Erheiterung stellte er fest, dass Sarah immer noch wütend war. Eigentlich hätte er sich wohl Sorgen deswegen machen sollen, doch er tat es nicht. Obwohl er ahnte, dass dieser Blick Unheilvolles ankündigen sollte amüsierte ihn Sarahs Verhalten. Denn viel zu sehr gefiel ihm der Anblick einer immer noch innerlich kochenden Sarah, als das er sich dem hätte entziehen können. Bei ihr diese tief verborgene Leidenschaft und die hitzigen Emotionen zu bewirken war erregend, denn in ihren intimen Stunden zu zweit zeigte sie stets vergleichbares Temperament. Vielversprechend also. Und er genoss es jedes Mal wieder wenn er es geschafft hatte sie zu reizen, oder besser gesagt zu necken. Sollte er eigentlich nicht ihre Rache für seinen Hinterhalt fürchten? Vermutlich ja angesichts ihres strafenden Blickes. Aber er tat es dennoch nicht, denn dafür kannte er seine Sarah einfach zu gut. Sie konnte ihm nicht lange böse sein und war auch genauso wenig nachtragend. Dafür war sie einfach zu weich und ihr Charakter zu sanftmütig. Genau genommen freute er sich also schon auf ihre 'Rache', die vermutlich sogar sehr angenehm für ihn ausfallen würde. Sein Blick kehrte einen kurzen Moment zu dem kleinen Detail an ihr zurück, das ihm bereits beim Betreten des Raumes sofort aufgefallen war. Sie hatte ihre Haare zurückgebunden, mit einem Haargummi! Ein Anflug von Annerkennung durchströmte ihn. Er hatte Sarah unterschätzt, doch das würde ihm nicht noch einmal passieren. Sie war zäher und eigensinniger als er angenommen hatte und sie wollte seine Entscheidung nicht einfach hinnehmen. Sie war also bereit zu kämpfen, doch er wusste diese neue selbstbewusste Eigenschaft an ihr zu schätzen. Aber es interessierte ihn durchaus wo sie diesen Haargummi so schnell hatte organisieren können. Später, bei passender Gelegenheit, würde er sie danach fragen…um diese Bezugsquelle ebenfalls für sie unzugänglich werden zu lassen. Das ganze entwickelte sich in eine ungeahnt spannende Richtung und würde sicherlich noch interessant werden. Ein hartnäckiger Wettkampf zwischen ihnen beiden…wer würde wohl als Sieger daraus hervorgehen? Abermals sein süffisantes Lächeln verstärkend lehnte er den Kopf entspannt weiter zurück und ließ Sarah während ihres Vortrages keine Sekunde aus den Augen. „Ich denke, es wäre ratsam an dieser Stelle eine kurze Pause einzulegen.“ Mein Blick streifte nacheinander über die Gesichter unserer Kunden…dabei allerdings meinen 'speziellen Freund' nicht vergessend. „Das gibt ihnen die Zeit sich erst einmal von dem bisherigen Vortrag zu erholen. Das waren auch relativ viele Informationen auf einmal, die sie sicherlich noch untereinander besprechen möchten. Und nach der Pause wird es ihnen sicherlich leichter fallen sich wieder zu konzentrieren. Und uns…“ Ich deutete mit meinem typischen geschäftlichen Lächeln auf Hiroko zu meiner Linken und Takashi einige Plätze Rechts von mir. „…verschafft es die Gelegenheit die Gerätschaft für den Hauptteil der Präsentation vorzubereiten und aufzubauen.“ Leises Murmeln erfüllte den Raum, aus dem ich allerdings deutlich die Zustimmung heraushören konnte. Die Vorstände schienen durchaus mit meinem Vorschlag einverstanden zu sein. „Wenn ich sie dann in den Nebenraum bitten dürfte? Dort können sie sich ein wenig die Beine vertreten und sich ungestört unterhalten. Ich würde sagen…“ Ein kurzer Blick auf die Uhr. „…in einer halben Stunde fahren wir dann fort.“ Mehr oder weniger einstimmiges Nicken setzte ein, gepaart mit einigen Worten des Zuspruches mancher Zuhörer. „Schön, Takashi wird sie dann nach Nebenan führen.“ Ich lächelte zu unserem Werbetexter hinüber, der sich zeitgleich mit der Nennung seines Namens erhoben hatte. Die Augenpaare der Anwesenden richteten sich nun auf die hochgewachsene Gestalt meines Kollegen und insgeheim war ich froh, endlich nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. „Meine Herren, wenn sie mir bitte folgen möchten?“ Takashi zeigte eine einladende Geste die andeutete, dass die Männer es ihm gleich tun sollte sollten, während er ihnen voran ging um sie in den Nebenraum zu führen. Stühle wurden verrückt und leise gemurmelte Gespräche setzten ein während sich die Vorstände erhoben und sich daran machten der Einladung Folge zu leisten. Seto erhob sich ebenfalls und machte Anstalten sich den Männern anzuschließen, die den Raum verließen. Mein finsterer Blick verfolgte jeder seiner Schritte unablässig, wie er gelassen und selbstsicher wie eh und je den Konferenzraum durchschritt, als wäre es das Normalste auf der Welt hier in meiner Firma herumzustolzieren. An der Tür drehte er sich dann jedoch noch einmal wie beiläufig zu mir um und bedachte mich mit einem intensiven Blick, den zu deuten ich nicht in der Lage war. Das einzige was ich daraus zu verstehen glaubte war, dass er sich meiner Anwesenheit sehr deutlich bewusst war. Allerdings schien ihn mein düsterer Gesichtsausdruck nicht im Geringsten zu stören, denn seelenruhig ließ er seine Augen über meinen Körper huschen, doch eine Sekunde später schon wandte er sich wieder von mir ab und folgte den Vorständen unter Takashis Führung. Fort war er, und ich war einer Erklärung immer noch keinen Deut näher gekommen. Aber dennoch hatte er Recht gehabt mit seinem Verhalten. Lediglich ein kurzer Blick aber nicht mehr und auch kein klärendes Gespräch an dieser Stelle. Alles andere hätte ungewöhnlich und auf jeden Fall auffällig für die Anwesenden gewirkt. Schließlich kannten wir uns offiziell vor diesen Firmenvorständen nicht, warum also hätten wir ein vertraulich wirkendes Gespräch miteinander führen sollen? Viel zu verdächtig. Somit hatte Seto richtig gehandelt um unsere Tarnung aufrecht zu erhalten, auch wenn er selbst derjenige gewesen war, der diesen verheimlichenden Weg eingeschlagen hatte. Aber ich hatte dem schließlich auch zugestimmt, mochte es auch stumm gewesenes ein, und nun musste ich mich eben daran halten. Auch wenn das nun bedeutete, dass ich auf meine Antworten noch warten musste. Unsere Kunden verschwanden im Nebenzimmer und kaum das sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte sank ich mit einem leicht verzweifelten Seufzen in meinem Stuhl nieder. Es tat so gut endlich wieder zu sitzen nach dem langen Herumstehen und Präsentieren. Mein Hals fühlte sich rau und kratzig an und sehnte sich nach einem kühlen Schluck Wasser. Die weichen Polster waren eine Wohltat für meinen Körper und die Augen schließend lehnte ich mich ganz zurück um etwas Entspannung und Ruhe zu finden. Doch mein Frieden währte nur wenige Sekunden, denn ich hatte eine kleine, aber dafür sehr eindringliche Tatsache außer Acht gelassen. Takashi mochte mit den Auftraggebern im Nebenraum sein um ihnen noch einige Erklärungen zukommen zu lassen ehe er sich rücksichtsvoll zurückziehen und sie sich selbst überlassen würde, aber Hiroko war immer noch da. Direkt neben mir und sie schien keinerlei Ruhe nötig zu haben. „Sarah, was um alles in der Welt hat das zu bedeuten? Was macht Seto Kaiba hier?“ Ich öffnete resigniert meine Augen, so zu tun als würde ich sie nicht hören und ihre Stimme einfach auszublenden wäre ohne Frage zwecklos gewesen. So war Hiroko eben nun einmal. „Wieso ist er hier, ausgerechnet bei der Präsentation und was hat er mit dieser Firma zu tun? Sarah, jetzt antworte mir doch endlich!“ Ich hatte sie mit müden Blick angesehen und sie mich mit ihren Fragen bestürmen lassen, auf die ich genauso wenig wie sie eine Antwort wusste. „Ich weiß es nicht Hiroko.“ „Was…wie bitte? Was soll denn das heißen? Wie kannst du das nicht wissen, er ist doch dein Freund. Du musst doch wissen was…“ Mitten im Satz brach sie ab und blickte von der Störung überrascht nach Links. Die Tür des Konferenzraumes öffnete sich und Takashi kaum mit aufgeregten Schritten auf uns zu. Eilig durchquerte er den Raum um sich neben mich zu setzen. Die Aufregung war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Sarah was hat das zu bedeuten? Wieso ist dein Freund Kaiba hier und benimmt sich so als wäre er der oberster Boss von dem ganzen Unternehmen? Gehört ihm etwa die Firma? Warum hast du nicht gesagt, dass er kommen würde?“ Abermals entwich mir ein tiefes Seufzen. „Ich weiß es doch auch nicht Takashi, ehrlich nicht. Ich wollte es gerade Hiroko erklären. Ich habe absolut keine Ahnung was er hier zu suchen hat und warum er hier ist. Er hat mir kein Sterbenswörtchen gesagt und ich wusste weder, dass er an der Präsentation teilnehmen würde, noch dass er dieser stille Teilhaber der Firma zu sein scheint.“ „Aber…“ Hirokos Mund öffnete sich ungläubig. „Ich wusste es wirklich nicht. Tut mir Leid, ich kann nichts dazu sagen, denn ich bin genauso ratlos und überrascht wie ihr.“ Takashi beugte sich zu mir vor. „Du meinst er hat dir das tatsächlich verschwiegen? Und er taucht einfach so mitten in deinem Vortrag auf, ohne dass du davon gewusst hast?“ Ein müdes Nicken war meine Antwort. „Wow, das nenne ich einmal ein starkes Stück.“ Seine Gesichtszüge ließen etwas wie Respekt erkennen. „Das muss man ihm lassen, der Kerl traut sich wirklich etwas und scheint eine Menge Zivilcourage zu haben.“ „Macht es das etwa besser?“ Hiroko warf einen beinahe noch düsteren Blick zu Takashi hinüber, als jener den ich Seto geschenkt hatte. Ihre Stimme zeugte von der Kränkung, als hätte Seto sie ihr selbst zugefügt…und nicht mir. Der Werbetexter hob angesichts der ihn in ihrer ganzen Ausmaß treffenden weiblichen Entrüstung nur abwehrend die Hände und vermied es instinktiv richtig auf diese Frage zu antworten. Gut für ihn, wer konnte sagen was Hiroko sonst mit ihm getan hätte. „Der Kerl ist unverschämt! Sagt Sarah nichts und taucht dann einfach so aus heiterem Himmel auf. Noch dazu hat er verschwiegen, dass er an der Firma beteiligt ist für die wir schon ein paar Wochen arbeiten. Das muss er doch gewusst haben, hätte er sonst diesen Auftritt hier inszeniert?“ Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen bei den sich ereifernden Worten meiner Freundin. Auf sie war Verlass, sie würde sich wohl immer für mich einsetzen und mich vor jeder drohenden Gefahr zu retten versuchen. Meine Freundin, meine Beschützerin. „Ich denke…“ Beide richteten augenblicklich ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu und lauschten beinahe andächtig meinen Worten. „…also ich glaube, er hat seine Gründe, auch wenn ich sie nicht kenne. Noch nicht.“ Augenblicklich schien ich Hiroko neue Nahrung für ihre Wut gegeben zu haben. „Du wirst das doch nicht einfach so mit dir machen lassen? Wehe Sarah, du kannst dir nicht alles von diesem Mann diktieren lassen und dich ständig unterordnen nur weil er so ein gewaltiges Ego hat! Was soll das den bitteschön für eine Beziehung sein wenn er dich ununterbrochen…“ Mit einer ruhigen abwinkenden Handbewegung brachte ich sie zum Schweigen. Oder war es doch eher mein diabolische Lächeln, welches sie hatte innehalten lassen? „Glaub mir Hiroko, ich werde das ganz sicher nicht einfach so hinnehmen. Seto Kaiba wird sich noch wundern.“ Mein Grinsen verstärkte sich und nahm vermutlich heimtückische Züge an, welche sowohl meine Freundin aber genauso auch Takashi die Augenbraue überrascht heben ließ. „Was…hast du vor?“ Mein Arbeitskollege aber genauso auch Vertrauter sah mich prüfend an, als wäre er nicht ganz sicher ob ich es auch wirklich ernst meinte. Hiroko hingegen beugte sich näher an mich heran und auf ihrem Lippen zeigte sich nun ein ähnlich hinterlistiges Lächeln wie auf meinen. Somit war es klar, ich hatte auf jeden Fall schon einmal eine Komplizin gefunden. „Ich erklär´s euch gleich, aber vorher brauche ich Saburo. Kann ihn einer von euch bitte schnell holen?“ Takashi nickte. „Klar, aber wozu…“ „Ich erkläre es gleich. Aber erst wenn Saburo da ist, dann muss ich nicht alles zweimal sagen.“ „Okay, aber…“ Immer noch zeigte sich der ratlose Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht. Hiroko vollführte eine ungeldige Geste. „Nun mach schon endlich Takashi! Sonst dauert es ja noch ewig bis wir erfahren was sie vor hat. Also los, geh schon!“ Sich geschlagen gebend erhob er sich und machte sich auf den Weg unseren Lehrling zu holen. Ein Blick nach Links in die boshaft glitzernden Augen meiner Freundin ließen mich abermals lächeln. Oh ja, Seto Kaiba würde sich ohne Zweifel noch ganz schön umsehen und sein Überfall würde nicht ungerächt bleiben. Die Arme hatte er abweisend vor der Brust verschränkt und seine Körpersprache zeugte nur zu deutlich davon, dass er sich abzugrenzen versuchte. Doch er fühlte sich seltsam unwohl unter diesen Männern, die beinahe alle mindestens sein doppeltes Alter aufzuweisen hatten. Dabei war er derartige Gesellschaft eigentlich angesichts seines Berufes gewohnt. Es war unumgänglich mit den Inhabern anderer Firmen intensiven Kontakt zu pflegen wollte man geschäftliche Beziehungen aufbauen und aufrechterhalten. Und es gab nun einmal nur wenige, die einen größeren Erfolg in der Geschäftwelt aufzuweisen hatten dabei aber die magische Altersgrenze 40 noch nicht überschritten hatten. Im Grunde konnte man es mit einfachen Worten sagen, es gab nur wenig talentierte und hochbegabte junge Menschen, die noch dazu große finanzielle Möglichkeiten hatten nutzen können um sich Profit und Erfolg zu erarbeiten. Tanaka bildete da zusammen mit ihm selbst eine der wenigen Ausnahmen. Allerdings vermutete er, dass sein momentaner unzufriedener Zustand weniger mit der Gesellschaft der alternden Männern um ihn herum zu tun hatte, als eher mit der speziellen Situation an sich zusammenhing. Sarah war nur eine dünne Wand von ihm entfernt im Nebenraum. Und vermutlich zermaterte sie sich den Kopf was um alles in der Welt er sich bei dieser ganzen Sache gedacht hatte. Sie so vollkommen unvorbereitet zu überraschen und in gewisser Weise sogar bloßzustellen. Im Grunde fragte er sich selbst genauso was ihn dazu getrieben hatte das zu tun. Es war in der Tat eine übertriebene Aktion gewesen, denn er hätte seine Neugier betreffende Informationen und Fragen ohne Zweifel auch anderweitig befriedigen können…ohne Sarah gleich derartig zu überfallen. Doch genauso konnte er nicht leugnen, dass es ihm Zufriedenheit bereitete zu wissen, dass sie nebenan war und wegen ihm vor Wut kochte. Aus welchem Grund auch immer, aber er genoss es sie somit aus der Reserve zu locken und somit aus diesem Schneckenhaus, in welches sie sich viel zu oft zurückzog und dabei scheu und verängstigt wirkte. Wütend war sie ihm dann schon um einiges lieber. Feurig und temperamentvoll. Er warf einen desinteressierten Blick zu den umherstehenden Vorständen, an deren Firma er mit einem nicht unbeträchtlichen Vermögen Anteil hatte. Das war allerdings auch schon vor Sarahs Zeiten und vor ihrem Auftrag für diese Firma der Fall gewesen. Er hatte sich somit also weder in das Unternehmen eingekauft als er erfahren hatte, dass Sarahs Firma den PR Auftrag von ihnen zugeteilt worden war, noch hatte er dafür gesorgt, dass sie diesen Werbeauftrag überhaupt erst bekommen hatten. Er war bisher in der Tat ein stiller Teilhaber gewesen und hatte sich nie in die Geschäfte eingemischt und er hatte es jetzt genauso wenig vor, ungeachtet der Tatsache, dass Sarah für diese Firma einen Auftrag übernommen hatte. Er hatte lediglich die Chance nutzen wollen um einige seiner Rechte als Teilhaber wahrzunehmen, welche ihm ermöglichten das in Erfahrung zu bringen, was er herauszufinden versuchte. Für sein neues Vorhaben. Die Männer unterhielten sich angeregt über die Präsentation. Dabei gestikulierten manche mit ausgeprägter Gestik um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, während andere einfach nur ruhig aber zustimmend nickten. Aber allesamt hatten sie dennoch eines gemeinsam, sie standen alle im Raum verteilt und keiner suchte eine der Sitzmöglichkeiten hier im Raum auf. Sarah hatte also Recht behalten, es war also in der Tat eine Pause um sich die Beine zu vertreten. „Sehr eindrucksvoll, dass muss man schon zugeben.“ „Nun, ich bin noch nicht ganz überzeugt. Mir erscheint das Ganze doch etwas zu modern zu sein. Ich kann einfach nichts mehr mit dem Geschmack der heutigen Jugend anfangen. Sie wollen immer alles so grell gestaltet haben und es muss sofort ins Auge springen.“ Ein Dritter Mann beteiligte sich an dem Gespräch. „Da muss ich Ihnen recht geben. Zu unseren Zeiten war Werbung noch dezent.“ Der erste meldete sich wieder zu Wort. „Aber wir müssen eben mit der Zeit gehen. Sie haben schließlich selbst gehört, dass die jungen Leute die kaufkräftigste Kundschaft ist und wir müssen uns dem anpassen, wenn wir gute Absätze erzielen wollen.“ Daran war sehr viel Wahres. Er hielt im Grunde auch nicht besonders viel von diesen Marketingprodukten die teilweise sehr ins Extreme gingen, aber er kam genauso wenig darum herum wie alle anderen Firmen. Es war lächerlich was die Souvenirshops in Kaibaland teilweise für Produkte im Namen der Kaiba Corporation anboten, aber dadurch machte man nun einmal Gewinn und der war unerlässlich für den Erfolg eines Unternehmen, allein um die Fixkosten decken zu können. Selbst wenn dafür sein blue eyes white dragon als Plüschtier herhalten musste. Doch alles im Namen des Profites, unabhängig seiner eigenen Meinung. Man musste sich nun einmal den Wünschen der Kunden anpassen. Er richtete seine Aufmerksamkeit nach Rechts als ihm ein vertrauter Name von dort zu Ohren kam und sein suchender Blick entdeckte ebenfalls ein Grüppchen von Männern die sich unterhielten. „…finde diese Miss Danzigten hat ihre Sache ganz gut gemacht.“ „Sie ist aber dennoch noch ziemlich jung.“ „Wenn Sie genau darauf achten, dann werden Sie feststellen, dass fast alle Mitarbeiter hier recht jung sind. Aber vermutlich ist das sogar von Vorteil um besonders flexibel zu sein und sich somit auf die unterschiedlichen Firmen einstellen zu können.“ „Ich bin mir aber immer noch nicht sicher ob sie mir nicht doch zu jung ist und deswegen zu wenig Erfahrung hat. Ihre Arbeit spricht zwar für sich, aber dass sie in ihrem Alter schon so gut sein soll? Noch dazu scheint sie ja den Großteil der Ausarbeitung der Werbekampagne selbst übernommen zu haben.“ „Das kann sein. Wie alt war sie gleich noch mal? Gerade 18 oder?“ /19, sie ist 19!/ Auf für ihn ungewohnte Weise kränkte es ihn, dass diese Männer dieses entscheidende Detail nicht wussten. Für ihn war es sehr wohl von großer Bedeutung, genauso wie jede andere Einzelheit an Sarah doch sie schienen es als unwichtig abzutun. Und das missfiel ihm. Nichts an Sarah war unbedeutend und schon gar nicht unwichtig, aber selbstverständlich konnte er das sicherlich nicht mit einer objektiven Herangehensweise beurteilen. „Aber die Werbung ist gut, das kann man nicht leugnen. Mir gefällt sie und ich glaube wir werden damit große Erfolge erzielen. Die Investition hat sich ohne Frage gelohnt.“ Der Mittlere von ihnen verzog abwägend die Gesichtszüge. „Hm, ich bin mir noch nicht ganz sicher. Es ist schon ein ziemlicher Imagewechsel den sie uns da vorschlagen.“ Veränderung war aber von Zeit zu Zeit sehr gut und ebenso notwendig. Und das nicht nur in der Geschäftswelt. Sein eigenes Leben hatte sich auch erst vor kurzem komplett auf den Kopf gestellt und dennoch hatte er zuvor kaum derartige Zufriedenheit verspürt wie jetzt. „Mister Kaiba, was halten Sie eigentlich davon?“ Von seinen Gedanken abgelenkt gewesen hob er den Kopf und suchte denjenigen, der ihn angesprochen hatte. Dummerweise hatten bei diesen Worten alle Anwesenden ihre Gespräche eingestellt und sahen ihn erwartungsvoll an. Als wäre seine Bewertung bedeutender als die Meinungen aller Vorstände hier zusammengenommen. „Ich meine, wie finden Sie das neue Werbekonzept bisher, das uns präsentiert wurde? Schließlich wollten sie deswegen doch an dem Vortrag teilnehmen, nicht wahr?“ /Nein, nicht wirklich. Es gab durchaus noch andere Beweggründe die mein Handeln erklären würden./ Aber das waren Dinge die diese Männer nichts angingen. Das war seine Privatsache und hatte nichts mit seiner Beteiligung an dieser Firma zu tun. Vielmehr mit seinem eigenen Unternehmen. Er erkannte nun endlich den Mann der ihn angesprochen hatte als Yoshiko Kira, den eigentlichen Chef der Firma. Natürlich, wer sonst würde sich trauen ihn anzusprechen wenn nicht der Inhaber? „Nun…“ Angespannte Stille füllte den Raum während sie mit angehaltenen Atem auf seine Antwort zu warten schienen. „Wie sie wissen bin ich lediglich ein stiller Teilhaber, habe demnach keinen Einfluss auf grundlegende Entscheidungen…und ich würde unser Verhältnis gerne dabei belassen. Deswegen ziehe ich es vor, mich nicht dazu zu äußern.“ Yoshiko Kira zog die Stirn kraus. „Ja aber warum wollten Sie denn dann unbedingt die neue Werbeserie sehen wenn Sie nichts dazu sagen möchten?“ „Ich war lediglich interessiert, aber die endgültige Entscheidung überlasse ich voll und ganz ihnen, ganz unserem geschäftlichen Verhältnis entsprechend.“ Außerdem würde er sich hüten eine Wertung über Sarah und ihre Arbeit vor diesen Männern abzugeben. Dazu war er einfach zu sehr mit der ganzen Sache involviert als sich ein Urteil erlauben zu können. Zumindest für diese Vorstände. Was ihn und die Kaiba Corporation anbelangte so war das etwas ganz anderes. Und bisher war er diesbezüglich anhand der heute gewonnenen Informationen äußerst zufrieden. „Da haben Sie vermutlich Recht.“ Der Vorstandvorsitzende nickte kurz in seine Richtung. Und mit diesen Worten setzten die Gespräche um ihn herum wieder ein. Sie hatten akzeptiert, dass er sich zu diesem Thema nicht äußern würde und wandten sich nun wieder ihren Unterhaltungen zu. Gut so, genau das hatte er angestrebt. Er war und blieb eben ein stiller Teilhaber und auch seine ausgeprägte Sympathie für Sarah würde ihn nicht dazu bringen davon abzuweichen. Denn hätte er etwas über sie sagen sollen hätte er vermutlich angefangen mehr von ihren Vorzügen zu sprechen als eine sachliche Bewertung ihrer Arbeit anbieten zu können. Nicht vor diesen Männern. Dafür empfand er einfach zu viel für Sarah. Takashi schien uns unbedingt sein Talent für Mulit-tasking beweisen zu wollen, denn obwohl er im Grunde voll auf damit beschäftigt war die Geräte für den nächsten Teil der Präsentation aufzubauen und anzuschließen, ließ er es sich dennoch nicht nehmen unserem Gespräch zu folgen und ebenso selbst einige Einwürfe anzubringen. Ich nippte an dem Glas Wasser, welches Hiroko mir Aufmerksamerweise eingeschenkt hatte und genoss es zu spüren, wie das kühle Nass meine raue Kehle benetzte. Es war anstrengend so viel und beinahe ununterbrochen zu reden und zu präsentieren. Nochmals nahm ich einen Schluck ehe ich das Glas zurück auf den Tisch stellte. Uns blieb nicht viel Zeit und eigentlich hätte ich diese Pause auch eher dazu nutzen sollen um mich vorzubereiten anstatt hinterhältige Pläne zu schmieden, die das Motto 'wie bestrafe ich Seto Kaiba am Besten' trugen. Doch angestachelt von Hirokos feurigen Blick konnte ich der Versuchung nicht wiederstehen Seto mit kleinen gezielten Sticheleien zu zeigen, dass ich nicht bereit war alles kampflos von ihm hinzunehmen. „Also pass auf Saburo…“ Der Junge beugte sich in seinem Stuhl etwas weiter nach vorne, doch konnte seine Nervosität dennoch nicht verbergen. Er war noch so jung. War ich in seinem Alter zu Beginn der Ausbildung auch derartig schüchtern gewesen? Hatte ich auch ständig gefürchtet etwas falsch zu machen und deswegen mit einer Abmahnung gerechnet? Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Aber wenn das der Fall gewesen war, dann hatten die anderen, allen voran Hiroko, Hiro und Takashi, hervorragende Arbeit geleistet um mir diese Unsicherheit zu nehmen. Ich versuchte es mit einem beruhigenden Lächeln um ihm die Anspannung zu nehmen. Er hatte doch nichts zu befürchten, es sollte Spaß machen und nicht dazu führen, dass er aus Panik heraus mit einem Herzinfarkt umkippte. „Wenn die Pause vorbei ist, dann wirst du doch die Vorstände wie heute morgen bei Beginn der Präsentation ein zweites Mal mit Getränken versorgen, nicht wahr?“ Saburo nickte zaghaft. „Ja.“ „Gut.“ Abermals schenkte ich ihm ein aufmunterndes Lächeln wobei ich mich vertraulich zu ihm vorbeugte. Er hatte den Stuhl zu meiner Rechten eingenommen, während Hiroko immer noch Links von mir saß und Takashi sich an den vielen Kabeln zu schaffen machte, die es mit den Vorführungsgeräten zu verbinden galt. „Also pass auf, du nimmst von allen die Bestellungen auf ganz normal wie immer. Okay?“ Abermals ein kurzes Nicken. „Und den Vorständen bringst du selbstverständlich genau das was sie gerne möchten…aber das gilt nicht für Seto Kaiba.“ Ich sah Hiroko neben mir triumphierend Grinsen, doch versuchte es zu ignorieren. Meine Freundin entwickelte langsam wirklich beängstigende Züge von krankhaften Rachegelüsten. Es machte ihr eindeutig zu viel Spaß das alles hier als Denkzettel vorzubereiten. „Was hast du denn vor Sarah?“ Takashi sah von seinem Kabelhaufen hoch und warf von der Mitte des Konferenztisches, an dem er sich zu schaffen machte einen fragenden Blick herüber. „Gleich Takashi, ich erkläre es doch gerade.“ Ich sah wieder zu dem schüchternen Saburo hinüber. „Also, so wie ich Seto kenne wird er sicherlich Kaffee ordern, schwarz ohne alles und du wirst es auch aufschreiben, so dass er annimmt, dass er auch das bekommt, was er bestellt hat…aber bringen wirst du ihm etwas ganz anderes.“ „Ach ja? Und was?“ Abermals sah ich zu dem Werbetexter hinüber, der es einfach nicht lassen konnte sich an unserem Gespräch zu beteiligen. „Etwas ganz Bestimmtes.“ Ein hämisches Grinsen zeigte sich auf meinen Lippen, welches ich einfach nicht mehr hatte unterdrücken können. Aber allein die Vorstellung von Setos Gesicht, welches er dabei machen würde, war einfach unbezahlbar. „Etwas, das sicherlich nichts mit schwarzem Kaffee gemein hat.“ „Aber…“ Saburo hob unsicher die bis dahin gesenkten Augenlieder. „Ich kann doch nicht einfach etwas anderes…ich meine, er ist doch der Seto Kaiba.“ „Keine Sorge darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Er ist schließlich nicht nur der einflussreiche Geschäftsmann sondern vor allem auch mein Freund. Er wird wissen, dass diese kleine Aktion bei mir ihren Ursprung hat. Er wird dir deswegen auch sicherlich keinerlei Vorwürfe machen oder dich deswegen angehen...weil er weiß, dass es von mir kommt. Glaube mir, ich kenne ihn. Dir nimmt er das auf keinen Fall übel.“ „Bist du sicher?“ Hiroko warf sich in ihre üppige Brust. „Na darauf kannst du dich verlassen. Sarah hat eine gute Menschenkenntnis und wie erwähnt ist er ihr Freund…der eindeutig eine Strafe verdient hat!“ Diesen Zusatz hatte sie sich wohl einfach nicht verkneifen können. „Und nun schau nicht so ängstlich Saburo, es soll doch ein Spaß sein und nichts Verbotenes. Du sollst ihn ja nicht vergiften oder so etwas….öhm, oder Sarah?“ Ich musste kurz auflachen aufgrund dieser doch etwas unsicher gestellten Frage. Anscheinend traute sie mir sogar das zu. „Nein, ganz sicherlich nicht. Vergiften auf keinen Fall, schließlich möchte ich noch länger etwas von ihm haben.“ „Außerdem…“ Takashi gab ein Stöhnen von sich als er sich aufrichtete. „…erbt sie ja noch nicht einmal wenn sie ihn jetzt um die Ecke bringt. Sie hätte also gar keinen Nutzen davon ihn zu vergiften.“ Ein feixendes Lächeln zeigte sich auf meinen Lippen. „Genau. Also bitte Saburo mach mit, ja? Ich verspreche dir er wird dir nichts nachtragen oder dich anschreien oder so. Dafür werde ich im Notfall höchst persönlich sorgen.“ „Es ist also nur ein Scherz, nichts Ernstes?“ Unser Lehrling neige den Kopf abwägend zur Seite und sah mich fragend an. Beruhigend legte ich ihm meine Hand auf den Unterarm. „Ja Saburo, nur ein Scherz und es tut keinem weh. Aber ein bisschen ärgern muss ich ihn schon dafür, dass er vollkommen unangemeldet hier aufgetaucht ist und mir verschwiegen hat, dass er sogar Teilhaber der Firma ist.“ Kurz schloss er seine Augen ehe sich überraschend ein breites Grinsen auf seinen Lippen zeigte. „Okay, ich mach´s.“ „Super! Jetzt lernt Kaiba uns mal richtig kennen. Er hätte sich eben nicht mit uns anlegen sollen.“ Hiroko triumphierte wieder einmal vor Begeisterung. Allein der Gedanke Seto zu ärgern schien sie ihn Freudentaumel verfallen zu lassen. Wirklich bedenklich, wenn man es genauer betrachtete. War sie nun einfach sadistisch veranlagt oder hegte sie doch noch einen gewissen Groll auf meinen Freund, weil er früher nicht im unerheblichen Maße abweisend und demütigend mir gegenüber gewesen war? Aber dieses Mal zumindest konnte ich ihre Euphorie gut nachempfinden. „Danke Saburo.“ Ich lächelte ihm freundlich zu und konnte dennoch auch das aufsteigende Gefühl von Vorfreude nicht unterdrücken. - Seto Kaiba, du wirst dich noch umsehen. Man überrumpelt mich nicht ungestraft…nicht in meiner Firma. - Hier hatte ich Verbündete und hier war Seto auf fremden Terrain. Und er würde nun bald zu spüren bekommen, dass das ein taktischer Fehler gewesen war. So saßen wir also ihm Konferenzraum zusammen und hielten Kriegsrat, alle mit einem feixenden Lächeln auf dem Gesicht, welches nichts gutes für Seto Kaiba erahnen ließ. „Bitte, nehmen sie doch wieder Platz.“ Hiroko versuchte mit ihrer ureigenen Art die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zu ziehen und ihnen ihr Anliegen zu vermitteln. Die Hände vor der Brust gefaltet und mit einem einnehmenden Lächeln auf den roten Lippen lenkte sie die Blicke der Vorstände gezielt auf ihre Vorzüge, die sie vor sich hertrug. Aber welcher Mann mittleren Alters würde wohl einen derartigen Wunsch einer gut proportionierten Frau abschlagen können…oder wollen? Noch dazu, wenn sie ihre Aufforderung in eine so charmante Bitte eingebettet hatte? Doch so war meine Freundin eben. Während ich verzweifelt versuchte mit burschikoser Tarnung als ernsthafte und talentierte Werbedesignerin anerkannt zu werden, und dabei meine Weiblichkeit zum Teil verbarg um zu beweisen, dass ich weder zu jung noch zu niedlich war um hervorragende Arbeit leisten zu können, setzte Hiroko gerade diese Vorteile ein. Sie nutzte ihre Ausstrahlung und feminine Seite um die Kunden einzuspannen, ohne jemals verfänglich zu wirken. Dumpfes Gemurmel setzte ein, während die Vorstände sich auf ihren Plätzen niederließen. Dabei konnten einige wenige von ihnen ihr geschmeicheltes Lächeln kaum verbergen. Ihnen schien es zu gefallen, dass eine ansehnliche Frau wie Hiroko mit ihnen zu flirten schien, ohne es wirklich zu tun. Aber das war nun einmal ihre Stärke, und schließlich hatte sie Lebenserfahrung und Alter genug um diese weiblichen Waffen zu ihrem Nutzen einsetzen zu können. Die Männer, die nun alle wieder auf den Stühlen saßen, welche sie vor der Pause eingenommen hatten, blickten erwartungsvoll zu uns drei herüber, wie wir aufgereiht vor ihnen standen. Hiroko in der Mitte, Takashi zu ihrer Rechten und ich auf der linken Seite. Kurz sah ich zu meinen Kollegen hinüber, die mit beruflich angewohnter Ruhe abwarteten, dass allgemeine Stille einkehrte und die einzelnen noch leise geführten Gespräche ausklagen. Dann jedoch ließ ich meinen Blick über die Gesichter der anwesenden Zuhörer gleiten und versuchte aus ihrer Mimik lesen zu können zu welchem Ergebnis sie während der Pause, in der sie sich hatten besprechen können, gekommen waren. Und bis zuletzt aufgespart betrachtete ich nun ausgiebig meinen Freund, der mir gegenüber am Tisch saß und einen interessierten aber dennoch gleichzeitig auch unverbindlichen Gesichtsausdruck aufzuwarten hatte. Als wäre er die Unschuld in Person. Ha! Welch Possenspiel. Er wusste wohl am Besten von uns allen, dass er durchaus ein überragendes Talent dafür besaß, einen mit seinen selbstüberzeugten Aktionen aus der Fassung zu bringen. Ahnte er womöglich bereits was ihn erwartete? Konnte er es am Ende aus dem Ausdruck meiner Augen herauslesen, dass ich etwas für ihn geplant hatte, als ausgleichende Gerechtigkeit? Nun zumindest als Anfang davon, denn bis Seto diesen Auftritt hier bei mir wieder gut gemacht haben würde, würde er noch einiges mehr einstecken müssen. Und nicht alles davon würde so harmlos sein wie jenes, das ich gerade für ihn vorbereitet hatte. Zügig wandte ich meinen Blick von ihm ab um ihn nicht misstrauisch werden zu lassen. Denn wenn er bereits etwas ahnte, sei es nun weil er es sich denken konnte oder er mich inzwischen gut genug kannte, dann wollte ich ihm nicht noch mit meinem auffälligen Benehmen Sicherheit darüber geben. Noch dazu sollten die Vorstände ja ebenso nicht wissen in welcher intimem Beziehung wir wirklich zueinander standen. Also fiel langes Anstarren eindeutig aus. „Ich hoffe sie haben die Pause genossen und fühlen sich bereit für den Hauptteil der Präsentation?“ Es war vielmehr eine rhetorische Frage Hirokos, aber das spielte keine Rolle. Der Eindruck zählte, und der vermittelte Höflichkeit und zuvorkommende Aufmerksamkeit. „Bevor wir aber beginnen wird Saburo sie eben nochmals mit Getränken versorgen.“ Mein Blick glitt zu der schlachsigen Jungen hinüber der bis dahin beinahe unsichtbar wie ein Schatten an der Wand gestanden hatte um auf seinen Einsatz zu warten. Doch nun war er in den Raum getreten und beugte sich gerade mit einem kleinen Notizblock und Stift bewaffnet zu einem der Vorstände hinunter und sprach ihn leise an. Vermutlich etwas ähnliches wie 'was möchten Sie trinken'. In gewisser Weise erinnerte mich in der Tat mehr an einen Kellner als an einen angehenden Werbedesigner, doch so war es nun einmal als Lehrling. Man musste alle anfallenden Arbeiten erledigen, selbst wenn sie mit dem eigentlichen Beruf auf den ersten Blick nichts gemein hatte. Das Mädchen für alles, aber das hatten wir alle durchmachen müssen als wir angefangen und uns langsam hochgearbeitet hatten, Hiroko und Takashi genauso eingeschlossen wie mich selbst. Er notierte sich die Bestellung um auch sicherlich nichts zu vergessen und schon ging er zum nächsten Vorstand hinüber und beugte sich wie eben zuvor zu diesem hin und fragte ihn nach seinem Wunsch. Mein Blick klebte nahezu an Saburo, aber ich war einfach nicht fähig wegzublicken. Nur noch drei Männer und er würde Seto erreicht haben, nur noch drei Männer und Seto würde in meine Falle tappen und seiner Strafe einen Schritt näher kommen. War es zu auffällig? Verriet ich damit mein Vorhaben? Seto war ein verflucht guter Beobachter und so würde er mein Starren vermutlich sehr schnell bemerken. Also zwang ich mich mit viel Überwindung meinen Blick zu Hiroko zu richten und sie anzusehen. Doch bereits fünf Sekunden später musste ich mich selbst dabei ertappen, wie ich wieder zu dem Jungen hinüberschielte. Anspannung machte sich bei mir bemerkbar, aber schließlich stand ich so kurz vor der Erfüllung meines Vorhabens. Süße Rache, wundervolle Vorfreude! Hoffentlich würde alles gut gehen. Wieder zwang ich mich lieber den ovalen Konferenztisch anzustarren anstatt jeden Schritt Saburos zu verfolgen. Doch vermutlich war der ständige Versuch wegzublicken ebenso auffällig wie ihn ununterbrochen zu beobachten. Die Unruhe übertrug sich auf meinen Körper und ließ mich somit nervös auf den Füßen wippen. Es musste einfach klappen, Seto hatte einen kleinen Denkzettel verdient. „Wir warten nur noch schnell bis alle ihre Bestellung aufgegeben haben und dann fahren wir fort.“ Wieder das geschäftliche Lächeln auf den vollen Lippen meiner Freundin, mit dem sie ihre Zuhörer einzuwickeln vermochte. Ich betrachtete interessiert ihr Profil während sie die Anwesenden anlächelte. Ich hatte schon oft diese oder zumindest ähnliche Worte aus ihrem Mund gehört, denn sie pflegte sich gerne auf diese Weise bei Präsentationen auszudrücken. Und mir gefiel die Selbstsicherheit die sie zusammen mit ihrem Charme ausstrahlte. Das bewunderte ich an ihr, dieses gekonnte Auftreten das keinerlei Unsicherheiten oder gar Selbstzweifel erkennen ließ. So ganz anders als bei mir. Ihr Kopf drehte sich in meine Richtung und kurz zwinkerte sie mir vertraut zu. Hatte sie meine Aufregung bemerkt? Aber andererseits war es mir wohl nur zu deutlich anzusehen, an meinen Gesten und meinen Bewegungen, dass ich dem besonderen Ereignis entgegenfieberte, welches bald eintreffen würde. Ich lächelte meine beste Freundin an und fühlte mich aufgrund ihrer vertauten Geste sicherer. Ich wusste ich hatte einen Komplizen, der genauso darauf brannte es Seto zumindest ein wenig heimzuzahlen. Doch nun sah ich wieder zügig zu Saburo hinüber und hatte genau den richtigen Moment abgepasst. Denn dieser beugte sich gerade zu Seto hinunter und flüsterte diesem seine Frage ins rechte Ohr. Kurz huschte der Blick der blauen Augen zu mir hinüber und ihm gleichen Moment war es als würde mich ein heiß glühender Blitz durchfahren. Wusste er es? Hatte er meine Gedanken erraten? War ich zu unvorsichtig gewesen? Doch der eindringliche Blick ruhte nur kurze Sekunden auf mir, die mir wie Ewigkeiten vorkamen, ehe er seinen Kopf nach Rechts neigte und unserem Lehrling seine Antwort zukommen ließ. Ich beobachtete wie seine so weichen Lippen die Worte formten und spitzte gleichzeitig angestrengt die Ohren um hören zu können was er sagte. „Kaffe, schwarz.“ Sein Bass war unverkennbar und ich liebte diese Stimme einfach, selbst wenn der überhebliche Unteron nicht annähernd mit dem rauen Klang zu vergleichen war, mit dem er mir Worte in der Dunkelheit unseres Schlafzimmer ins Ohr raunte. Nur schwerlich konnte ich mir das siegreiche Grinsen verkneifen. Meine Mundwinkel zuckten gefährlich und ich drohte die Kontrolle über meine Mimik zu verlieren. Ich hatte es gewusst! Ich kannte Seto eben. Und er war tatsächlich direkt in meine Falle getappt ohne es zu ahnen. Ich hatte ihn, den unvergleichlichen Seto Kaiba, kalt erwischt. Wenn das nicht nach einem hämischen Grinsen verlangte? Doch mit viel Mühe unterdrückte ich dieses verräterische Zeichen, schließlich war das erst der erste Schritt in meinem Plan gewesen und ich wollte nicht riskieren, dass er ihn am Ende doch noch durchschaute. Saburo hob kurz den Kopf und warf uns einen Blick zu, der nur zu deutlich das ausdrückte, was wohl jeder von uns dreien hier vorne am Kopf des Konferenztisches empfand. Siegesfreude. Doch noch war das Spiel nicht gewonnen, noch musste die Fassade gewahrt bleiben. Darum hielt er sich auch nicht länger bei meinem Freund auf, sondern trat bereits zum nächsten Vorstand um dessen Bestellung entgegenzunehmen. Bald! Ein Blick nach Rechts verdeutlichte mir, dass auch meine Kollegen und Komplizen das Gleiche zu denken schienen wie ich. Schnell beendete Saburo seine Runde, indem er die Wünsche der verbleibenden drei Vorstände aufnahm und mit einem vielsagenden Blick in unsere Richtung, den er uns hinter den Rücken der Männer zuwarf, verließ er dann den Konferenzraum um in der Küche die Getränke vorzubereiten. „Wir haben ja bereits im ersten Teil der Präsentation besprochen welche Statistik und Umfrageauswertung wir als Grundlage für unser Konzept verwendet haben und haben ihnen erläutert welche Richtung wir deswegen eingeschlagen haben…“ Nun er musste zugeben, dieser Takashi, so war wohl sein Name gewesen soweit er sich erinnerte, war ebenfalls nicht ungeübt und ebenso wenig untalentiert. Er hatte eine zielsicherer Art sich auszudrücken und seine Erklärungen waren sowohl simple als auch informativ. Er verstand es sich verständlich auszudrücken und seinen Zuhörern das Wissen in verständlicher Form zu präsentieren und dabei ununterbrochen einen nachvollziehbaren roten Faden beizubehalten. Und dennoch, auch wenn ihr Arbeitskollege und nicht zuletzt auch ihre Freundin Hiroko viel von ihrem Job verstanden und sie ihm mit ihrer Präsentation genau das geliefert hatten was er sich nicht nur von Sarah sondern von der ganzen Firma 'Promotions-Mark' erhofft hatte, so musste er dennoch feststellen, dass er deren Ausführungen nur mit geringerem Enthusiasmus folgen konnte als es bei Sarah der Fall gewesen war. Seine Aufmerksamkeit hatte merklich nachgelassen sobald einer der beiden das Wort ergriff und innerlich hoffte er, dass ihr Teil des Vortages möglichst rasch vorbei gehen möchte, so dass Sarah wieder übernehmen musste. Er mochte es ihr zuzuhören, ihr dabei zuzusehen wie sie sich gänzlich veränderte und eine Selbstsicherheit ausstrahlte, die er kaum von ihr kannte. Er mochte ihre Stimme, ihre Gesten und wie sie sich bewegte wenn sie etwas erklärte. Ihr zuzuhören war wesentlich spannender als den Erklärungen ihrer Kollegen zu lauschen, die zwar gut aber keinesfalls derartig fesselnd für ihn waren, wie nur sie es vermochte. Außerdem erwies es sich als Vorteil wenn sie wieder an der Reihe war durch einen Abschnitt der Präsentation zu führen. Schließlich ermöglichte ihm das Sarah zu beobachten und jede ihrer Bewegungen aufzusaugen zu können ohne dabei aufzufallen oder sich gar zu verraten. Denn wenn sie der Redner war, dann war es doch vollkommen selbstverständlich sie anzusehen während sie sprach. Dass er sich dabei natürlich gänzlich andere, vor allen wenig züchtige Gedanken machte während er sie begutachtete, das war ein ganz anderes Thema, eines das keiner der anwesenden Vorstände wohl zu ahnen wagte. Und das war gut so. Leises Klirren von Porzellan weckte seine Aufmerksamkeit und ließ ihn seinen Blick nach Links richten. Dieser Junge von vorhin hatte erneut den Raum betreten, dieses Mal jedoch mit einem mit Tassen und Gläsern gefüllten Tablett. Er hatte eine erstaunliche Begabung sich beinahe unsichtbar zu bewegen, denn er hatte den Jungen erst bemerkt, nachdem er die erste Tasse, mit dem dafür wenn auch sehr leisen aber typischen Geräusch von Porzellan und klirrenden, dagegen stoßenden Löffel, vor dem ersten Vorstand auf den Tisch abgestellt hatte. So wie es sich für einen Angestellten gehörte der die Getränke servierte. Unauffällig und fast lautlos. Er machte die Runde mit leisen Schritten, allerdings dabei kaum sprechend um den Vortrag dieses Takashis nicht zu unterbrechen, denn dieser fuhr ungerührt fort seine Zuhörer mit dieser erstaunlich lockeren aber so selbstsichereren Art in seinen Bann zu ziehen. Der Junge beugte sich nun zu seiner Rechten zu ihm hinunter und griff zielsicher nach einer weißen Tasse mit darin dampfender Flüssigkeit. Kaffee, endlich. Er hatte schon seit heute Morgen keinen mehr getrunken und er sehnte sich nach dem angenehm heißen und bitteren Geschmack, der seine Lebenssinne anzuregen vermochte. „Für Sie Kaiba-sama.“ Sein Blick war unverwandt auf seine Tasse samt Unterteller gerichtet, die der junge Mann gerade vor ihm abstellte, so dass er ihn auch aufgrund seiner ihm leise zugeflüsterten Worte nicht ansah. Doch das interessierte ihn nicht, er wollte lediglich seinen Kaffe. Er lehnte sich leicht nach vorne und griff nach dem heißen Porzellan der schlichten Tasse und führte sie, sich wieder in seinem Stuhl zurücklehnend, ungeduldig zu seinem Mund. Doch auf halbem Weg hielt er inne. Seine Stirn warf sich in Falten und argwöhnisch betrachtete er die leicht trübe Flüssigkeit die in der Tasse einen dünnen Dampfschleier empor steigen ließ. Sie war nicht schwarz wie er erwartet hatte, sondern stattdessen irgendwie…ungesund grünlich. Noch dazu stieg ihm nun auch ein intensiver Geruch in die Nase, der ihn überhaupt nicht an geröstete Bohnen erinnerte. Er hielt seine Nase über den aufsteigenden Dampf und zog das seltsame Aroma in sich auf. Angewidert zog sich seine Nase kraus. Zügig drehte er sich nach Rechts und griff nach dem Handgelenk des Jungen neben ihn, der sich gerade von ihm hatte wegdrehen wollen um dem nächsten Vorstand sein Getränk zu bringen. Überrascht von der Berührung hielt er inne und beugte sich erneut zu ihm hinunter und augenblicklich ließ er dessen schmales Handgelenk wieder los. Er hatte seine Aufmerksamkeit bekommen ohne mit einem lauten Wort die Präsentation unterbrechen zu müssen, und das genügte ihm. „Das ist kein Kaffee.“ Er näherte seine linke Hand mit der Tasse des zu ihm zugewandten Gesichts des Jungen, um seinen geflüsterten Worte zu ergänzen. Anscheinend hatte der Kerl da etwas mit seinen Bestellungen durcheinander gebracht. „Natürlich nicht Kaiba-sama.“ Verdutzt sah er nun in die dunkelbraunen Augen des noch sehr jungen Mannes, der ihn mit schelmischen Gesichtsaudruck anblickte. Was hieß hier natürlich nicht? Wenn er wusste, dass es kein Kaffee war, warum hatte er ihm dann diese Tasse gegeben? Der Junge schien seine Verwunderung zu bemerken, denn er fuhr gelassen fort. „Anordnung von Sarah.“ Der Kopf des Teenagers zeigte ohne hinzusehen kaum merklich nach Rechts, dorthin wo Sarah am Kopfende des Tisches saß und auf ihren erneuten Einsatz wartete. „Sie meinte Kräutertee wäre wesentlich gesünder für Sie, Kaiba-sama, als ständig schwarzen Kaffee.“ Abermals dieses verschmitzte Lächeln, ehe er sich wieder aufrichtete und dieses Mal ungehindert von ihm zum nächsten Vorstand trat. Er betrachtete die grünliche Flüssigkeit in der Tasse, die er in der linken Hand hielt, genauer. Kräutertee? Zumindest erklärte es dieses eigenartigen fast schon beißenden Geruch. Er hob den Blick und suchte Sarahs Gesicht. Kräutertee! Auf ihre Anordnung hin. Als sich ihre Blicke trafen erkannte er ihren neugierigen Ausdruck, wie sie voller Unruhe und Anspannung zu ihm hinüberblickte und seine Reaktionen beobachte. Doch kaum dass sie bemerkt hatte, dass er ebenfalls zu ihr hinübersah wich sie zügig seinem Blick aus und sah rasch zur Seite. Sie tat so, als würde sie sich die Haare glatt streichen und drehte dabei den Kopf nach Links, als wäre es lediglich Zufall, dass sie nun ihre Augen abwandte. Abermals richtete er seinen Blick auf den dampfenden Tee in seiner Hand. Das war es also…das hatte sie sich überlegt. Nur mühevoll konnte er verhindern, dass sich ein amüsiertes Lächeln auf seine Lippen stahl. Seine Sarah. Er hatte mit einer Standpauke gerechnet, auch mit Buße, dass sie ihm in irgendeiner Form Schadensersatz leisten lassen würde. Insgeheim hatte er gehofft sie würde das auf seine Leistungen im Schlafzimmer beziehen, wenngleich das dann wohl weniger als Strafe für ihn auszulegen gewesen wäre. Aber er hatte erwartet, dass sie ihn etwas tun lassen würde als Ausgleich für sein unangemeldetes Erscheinen während der Präsentation. Und nun das hier. Es war amüsant, es war unerwartet und…er genoss es. Es mochte eher einem kleinen Streich ähneln als wirklich einer Bestrafung entsprechen, dass sie ihm seinen Kaffee verweigerte und ihm stattdessen Tee anzudrehen versuchte, den er wie sie wusste verabscheute. Dennoch empfand er einen Anflug von Annerkennung für ihre Tat. Es war der erste Schritt gewesen, sie war aktiv geworden und hatte ihre oft so passive Art hinter sich gelassen, und das gefiel ihm. Endlich kam sie mehr aus sich heraus und traute sich zu etwas zu riskieren. Sie war nicht länger die stets zurückhaltende junge Frau, die er kannte, denn langsam gewann sie an Selbstsicherheit, was er sehr begrüßte. Selbst wenn das bedeutete, dass er deswegen ohne Kaffee auskommen musste. Außerdem, selbst wenn sie dazu übergegangen ihn mit Taten einem Denkzettel zu verpassen, so hieß das noch lange nicht, dass sie nicht vielleicht doch noch aufgrund seines überrumpelndes Erscheinen hier auf seine 'Dienste' zurückgreifen würde. Heute Nacht. Abermals musste er sich viel Willenskraft abringen um das aufsteigende süffisante Grinsen zu unterdrücken. Er hob die Tasse an und richtete gleichzeitig seinen Blick abermals zum Kopfende des Tisches, besser gesagt zu Sarah hinüber. Und er erkannte, dass sie ihn abermals beobachtete und seine Bewegungen genau verfolgte. Er setzte sich das heiße Porzellan an die Lippen, allerdings nicht ohne seine Augen weiterhin ununterbrochen auf Sarah gerichtet zu halten. Und dieses Mal blickte sie nicht weg, sie hielt seinem Blick stand und sah zu ihm hinüber. Er wollte sie dabei ansehen wenn er den ersten Schluck nahm, er wollte ihre Reaktion sehen während er trank. Wollte wissen wie sie reagierte wenn sie sah, dass ihr Vorhaben gelungen war. Selbstverständlich hätte er sich weigern können, niemand zwang ihn dazu dieses Zeug zu trinken. Er hätte ohne weiteres die Tasse zurückgehen lassen und sich erneut Kaffee ordern können, aber er tat es nicht. Ihretwegen. Und er war sich im Klaren darüber, dass sie das wusste. Warum sonst sollte er dennoch diesen verhassten Tee trinken, wenn nicht für sie? Sie hatte das alles geplant, sie wollte ihm zeigen, dass sie nicht mehr zurückhaltend war und sich ebenso traute ihm die Stirn zu bieten. Er hatte sie mit seinem Auftritt überrascht und er wusste, dass er nun alles Folgende, das sie ihm auferlegte, widerstandslos hinnehmen musste. Weil er es ihr schuldig war. Ihre Augen weiteten sich leicht vor Anspannung und er glaubte sehen zu können wie sie aufgeregt den Atem anhielt während sie darauf wartete, dass er endlich den ersten Schluck nahm. Alles um sie herum verschwand in einem Nebel aus Unbedeutsamkeit. Die Stimme dieses Takashis drang nur noch unterbewusst zu ihm vor und stattdessen waren seine Sinne nur auf die Frau vor ihm gerichtet, mit er der scheinbar ganz alleine im Raum zu sein schien. Nur noch sie beide, wie sie sich ansahen. Er fühlte das heiße Porzellan wie es seine Unterlippe berührte, spürte den heißen Dampf des Tees wie er über sein Gesicht stich und dennoch sah er nur Sarah vor sich, die ihn voller Spannung beobachtete. Er trank den ersten heißen Schluck. Seine Geschmacknerven nahmen den Reiz auf und beinahe zeitgleich verkrampften sich seine Gesichtszüge und verzerrten seine Mimik. Widerlich! Er verzog angewidert sein Gesicht. Er konnte einen Laut der Abscheu nicht unterdrücken, der nur zu deutlich ausdrückte wie wenig ihm dieses Getränk schmeckte. Ein nicht ganz so leises 'wäh' verließ seine Kehle als der Tee seinen Hals hinunterrann. Kräutertee, er hatte wohl noch nie etwas abstoßenderes gekostet. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte er, dass sich die beiden Vorstände Links und Rechts von ihm kurz verwundert zu ihm hingewandt hatten als er dieses Geräusch von sich gegeben hatte. Für die anderen jedoch war es eindeutig zu leise gewesen, so dass es von ihnen ungehört geblieben war. Sein eigener Blick allerdings haftete immer noch an Sarah, das hatte selbst der widerliche Geschmack nicht ändern können, der ihm nun immer noch auf der Zunge lag. Eine unangenehme Mischung von den verschiedensten Kräutern, die rein von seinem Geschmacksinn her niemals hätten zusammengemischt werden dürfen. Sie lachte! Ein leicht heimtückischer Zug lag dabei um ihren Mundwinkel. Es war ihr deutlich anzusehen, welche Freude sie dabei empfand, dass ihre Planung aufgegangen war. Und allein dieser Gedanke stimmte ihn bereits wieder für den üblen Geschmack versöhnlich. Erstaunlich, er hätte niemals gedacht, dass er jemals bereit sein würde sich für eine Frau derartig zu erniedrigen und nachzugeben. Die Zeiten hatten sich in der Tat geändert. Ihr siegreiches Lächeln währte jedoch nicht lange, denn schon nach wenigen Sekunden, in denen sie vermutlich das Gefühl von Genugtuung ganz ausgekostet hatte, fand wieder ein für sie so typischer mitfühlender Ausdruck den Weg in ihre Mimik. Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und lächelte ihm mit einem dieser sanften Lächeln zu, welche ihn oftmals zu entwaffnen vermochten. Mitgefühl und auch so etwas wie um Verzeihung bittend glaubte er darin lesen zu können. Fast so als wolle sie ihm sagen 'Tut mir wirklich Leid, aber das hast du dir nun einmal selbst zuzuschreiben'. Sie hatte Recht damit und gleichzeitig wurde ihm wieder bewusst wie sanftmütig Sarah doch war. Sie war einfach kein Mensch für Rachsucht und konnte sich nicht lange daran erfreuen jemanden hereingelegt zu haben ohne bald Mitgefühl für denjenigen zu empfinden. Sie konnte nicht nachtragend sein, hätte sie ihm sonst sein demütigendes Verhalten von damals nach dem Überfall so schnell verziehen und keinerlei Vorwürfe deswegen gemacht? Selbst wenn sie versuchte ihn für sein unangemeldetes Auftauchen in ihrer Firma zu bestrafen war sie dabei sanft und konnte nicht wirklich etwas bösartiges für ihre Pläne ersinnen. Sie war zu gut dafür. Deswegen war es leicht ihr zu vertrauen, deswegen hatte er Gefühle für sie entwickeln und deswegen konnte er sich eine Zukunft mir ihr vorstellen. Sie war anders als alle Frauen, sie war besonders, und er hatte es zum Glück noch rechtzeitig erkannt…ehe es zu spät und sie für ihn verloren gewesen wäre. Sie hatte ihm tatsächlich gezeigt, dass es zumindest noch einen Menschen gab, dem er vertrauen konnte, der ihn nicht wie jeder andere in seinem Leben hintergehen würde und der ihn nie etwas vormachte. Er hatte in der Tat diese besondere Person gefunden, die der von Hinterhältigkeit durchdrungenen Gesellschaft trotzte und noch warmherzig war, in einer ansonsten grausamen Welt die es eigentlich nie gut gemeint hatte mit ihm. Sie war tatsächlich diejenige, die ihn mit ihrer Güte einhüllte und ihm Wärme spendete in einer eisigen Welt. Es war ein langer Weg gewesen, aber sie hatte es mit ihrer aufrichtigen und so einfühlsam ruhigen Art geschafft sein Vertrauen zu erlangen, und das völlig zurrecht! Er setzte die Tasse wieder auf den Unterteller auf dem Konferenztisch ab und warf abermals einen kurzen Blick zu Sarah hinüber. Der Raum mit den anwesenden Vorständen war wieder da und die Stimme Takashis drang ihm wieder eindringlich ins Ohr. Sarah und er waren nicht länger mehr alleine und somit versuchte er wieder die Fassade zu wahren. Offiziell kannten sie sich nicht. Dennoch durchströmte ihn ein angenehmes Gefühl. Sarah hatte ihre geplante 'Vergeltung' bekommen und das stimmte ihn überraschender Weise zufrieden. Ich konnte es mal wieder nicht lassen. Seto musste schon wieder Sarah überraschen und zwar mit etwas Ungewöhnlichen. Nun ja, es zeichnet sich anscheinend langsam ein Muster bei mir ab, kann das sein? Ich bin wohl in der Tat ein wenig einfallslos. *seufz* Verzeihung dafür, aber diesmal kann ich die Ausrede anbringen, dass Seto das alles ja nicht nur aus Lust und Laune getan hat, sondern weil er noch etwas Größeres vorhat. Was genau? Nun ja, vielleicht haben es einige von euch schon ungefähr erraten, denn wie immer konnte ich mir die Andeutungen zwischen den Zeilen nicht verkneifen, aber für alle anderen, es wird bald gelüftet, um genau zu sein in drei Kapiteln. So, jetzt zu der ganzen Aktion an sich. War es vorhersehbar, dass Seto der ominöse Teilhaber sein würde? Ich hoffe nicht zu deutlich. Aber irgendwie musste ich ja die Kurve in meiner geplanten Handlung bekommen und wie sonst hätte er so einfach in Sarahs Firma auftauchen und sich die Präsentation ansehen können, ohne dass es zum einen Probleme aber auch viele Fragen gegeben hätte? Deswegen also dieser Weg. Sarahs Art sich dann zu „rächen“, nun ich denke die passt sehr gut zu ihrem Charakter. Das einzige zu dem sie in Stande ist, ist eine Art Streich spielen, für mehr ist sie einfach zu weich und gutmütig. Und natürlich ist sie weder sonderlich nachtragend noch von heimtückischer Natur. Darum „bestraft“ sie Seto also einzig und allein mit Kräutertee, denn für sie ist das vollkommend ausreichende Rache. Das Seto so einfach mitspielt ohne sich zu wehren? Nun, er weiß eben sehr wohl, dass er jetzt etwas bei ihr gutzumachen hat und fügt sich deswegen. Noch dazu weil er weiß, dass Sarah ihm nichts schlimmes „antun“ würde, weil es einfach nicht in ihrer Art liegt. Er entwickelt sich noch zum richtig braven Freund, nicht wahr? *evil grins* Ach und ich habe mir erlaubt wieder einmal einen neuen Charakter einzuführen. Nein, genauer gesagt sogar zwei. Beide werden zwar keine besonders große Rolle spielen, aber es bringt eben mal wieder frischen Wind in die Sache. Also da wäre zum einen der junge Azubi in Sarahs Firma und dann noch der Firmenvorstand des auftraggebenden Unternehmens. Also wie gesagt, nur kleine Nebenrollen mit einem Kurzauftritt, aber ich hoffe dennoch dass sie euch (bisher) gefallen haben. Oh und wem Mokuba in letzter Zeit zu kurz gekommen ist, also der Gute wird im übernächsten Kapitel wieder auftauchen, nur damit ihr schon einmal bescheid wisst. Am Rande sei noch schnell erwähnt, dass ich dieses und die nächsten beiden Kapitel wieder einmal hatte trennen müssen, da ich nach rund 26000 Wörtern gemerkt habe, dass dies für ein Kapitel dann doch einfach zu lang wird. Deswegen habe ich es aufgeteilt als ich ungefähr die Hälfte des jetzigen 38 Kapitel beisammen hatte. Also muss ich gestehen, dass ich aus einem Kapitel am Ende dann 3 gemacht habe *mega drop* aber mir ist dann eben noch ein Geistesblitz gekommen, den ich im 38 Kapitel ausführen werde. So ein ganz spontaner Einfall, der eben aus 1 gleich 3 gemacht hat ^.^ (das ist allerdings sogar für mich ein neuer Rekord!!) Aber ich denke damit können wir leben, auch wenn der Inhalt jetzt etwas auseinandergerissen worden ist. Doch es ging nicht anders, es wäre einfach zu lang geworden. Und ihr kennt mich ja mittlerweile gut genug, dass heißt wenn ICH sogar schon sage es war zu lang, dann könnt ihr euch ja ungefähr vorstellen was ich meine ^.^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)