Auch Eis kann brennen, wenn es auf Feuer trifft von abgemeldet (...und kann lernen sich daran zu wärmen) ================================================================================ Kapitel 21: Ein Schritt mehr, den ich mich von dir entferne. ------------------------------------------------------------- „Was…?“ Mit immer noch mit Erstaunen erfülltem Blick sah ich zu den beiden Brüdern hinauf. Keine sehr höfliche oder gar geistreiche Art sich auszudrücken, aber ich war einfach überrumpelt. Was zum Teufel hatte sich Mokuba dabei schon wieder gedacht…oder gar beabsichtigt? Konnte es vielleicht doch noch wegen der Auseinandersetzung zwischen Seto und mir von heute morgen sein? Hatte Mokuba das alles so genau mitbekommen? Kunststück. Wie hätte er auch nicht? Laut genug hatten wir uns ja angegiftet. Kein Wunder also, dass er nun dieses 'Versöhnungsessen', anders konnte man die Bemühungen des Kleinen wohl wirklich nicht mehr deuten, arrangiert hatte. Warum sonst hätte er uns einzeln hier her locken sollen, ohne uns mitzuteilen, dass der andere ebenfalls anwesend sein würde? Aber im Grunde dennoch eine wirklich rührende Geste. „Ich bin ebenfalls hoch erfreut dich wiederzusehen.“ Mit einem für seine Verhältnisse normalen Grad an Sarkasmus in der Stimme begrüßte Seto mich auf seine ganz eigene Art und Weise, natürlich das leicht gehässige Grinsen auf den Lippen nicht vergessend. „Ach lass das doch großer Bruder…Komm setzen wir uns lieber. Wir wollen doch nicht ewig hier herumstehen.“ Mokuba fackelte gar nicht lange, sondern nahm am Kopfende, zu meiner Linken den noch freien Stuhl in Beschlag. Erstaunlich nur, dass er somit mit dem Rücken zu der Fensterfront saß. Aber vermutlich kannte er dieses Ausblick nur zu gut, hatte ihn womöglich schon hundert Mal gesehen. Doch nachdem Mokuba diesen Platz gewählt hatte, aus wohl sehr strategischen Gründen wie mir schlagartig klar wurde, blieb Seto nun nichts anderes übrig als auf dem letzen noch freien Stuhl platz zu nehmen…und das mir genau gegenüber, zu Mokubas linken Seite. Das stets leicht überhebliche Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, als er diese Tatsache realisierte, sich wohl selbst darüber ärgernd nicht schneller reagiert zu haben um Mokubas Platzwahl zuvor zukommen. Doch mit einem etwas widerwilligen Ausdruck fügte er sich gegebener maßen und nahm mir gegenüber seinen Platz ein. Würden wir uns nun also die ganze Zeit ansehen können…oder müssen? Was hatte Mokuba da nur wieder vor? Ich sah Seto nachdenklich dabei zu wie er sich setzte, mit fliesenden Bewegungen. Doch um ihn nicht die ganze Zeit anzustarren blicke ich wieder zu Mokuba hinüber. Fast hatte ich nichts anderes erwartet. Er grinste vor sich hin, auch wenn er wohl versuchte seine offenensichtliche Freude über seinen gelungenen Plan nicht so offen zur Schau zu stellen. In dieser Hinsicht war er dann eben doch zu einfach zu durchschauen. „Also?“ Seto war der Erste, der das Wort ergriff und sich dabei seinem Bruder zugewandt hatte. „Was soll das Ganze nun?“ Er war also ebenfalls zu dem selben Schluss gekommen wie ich. Aber schließlich kannte er seinen Bruder schon von Geburt an, kannte ihn somit ohne Frage in und auswendig…und vermochte ihn besser zu verstehen als jeder andere. Selbstverständlich war er zu der selben Auffassung der Situation gekommen wie ich…vermutlich schon wesentlich eher, noch lange bevor ich mir darüber Gedanken hatte machen können. „Nun…“ Mokuba dehnte das Wort ungewöhnlich. Fast so, als wolle er etwas Zeit schinden um noch die richtigen Worte zu finden. Allerdings war ich mir doch recht sicher, dass er mit so einer Reaktion gerechnet hatte und sich dementsprechend auch darauf vorbereitet und sich die richtigen Argumente und Erklärungen zurechtgelegt hatte. Wie zum Zeichen der Bestätigung meiner Überlegungen begann Mokuba nun zu lächeln…oder vielmehr zu grinsen? Oh ja, er hatte mit dieser Frage gerechnet. Aber wie würde seine Antwort ausfallen? „Ich habe mir eben einfach gedacht, wir sollten ein schönes ruhiges Mittagessen miteinander verbringen…“ Eine kurze Pause, eher er etwas ernster hinzufügte. „Und ihr euch wieder vertragen.“ Ich senkte kurz den Blick. Also doch. Ich hatte also richtig getippt. Mokuba hatte das ganze arrangiert, um Seto und mich wieder zu versöhnen. Er konnte es wohl wirklich nicht leiden wenn sein großer Bruder und ich uns stritten. „Das ist nicht nötig Mokuba.“ Erneut hob ich den Kopf und sah zu dem Jungen hinüber, doch dabei mied ich es Setos Augen zu begegnen. Die ganze Sache war mir ohnehin schon unangenehm genug, da musste ich nicht auch noch seinen kritischen Blick sehen. „Dein Bruder und ich haben uns bereits heute Morgen ausgesprochen.“ Die fliederfarbenen Augen verengten sich leicht. Teils überrascht, teils misstrauisch. „Ach…tatsächlich?“ „Ja Mokuba, das haben wir. Noch bevor ich zur Arbeit gegangen bin. Ich habe mich bei Seto entschuldigt und damit ist die ganze Sache vergessen. Also keine Sorge, ja? Kein Grund uns versöhnen zu wollen.“ „Ah, du hast dich also entschuldigt.“ Er dreht den Kopf zu Seto hinüber und sah diesen an, begegnete dessen festem Blick. „Und du hast sie angenommen.“ Seine Stimme ging langsam und nachdenklich. Irgendetwas schien ihn an dieser Sache zu stören, aber was? Sein Bruder und ich hatten uns versöhnt, was wollte er denn mehr? „Ja.“ Knapp und deutlich. So wie es eben Setos Art war. „Und…dann ist jetzt alles wieder in Ordnung zwischen euch?“ Immer noch diese Art die Worte übertrieben zu betonen, als wäre er immer noch unzufrieden. Ich nickte stumm als Antwort, doch Mokuba sah immer noch zu seinem Bruder hinüber. „Ja.“ Abermals Setos kurz angebundene Art, aber es genügte dennoch vollkommen. Warum noch mehr dazu sagen? Alles was wichtig war, war bereits ausgesprochen worden. Seto und ich hatten zumindest diese Sache aus dem Weg geräumt. Und das sollte ausreichend sein. „Nun dann…ist also alles gut?“ „Ja Mokuba, das ist es.“ Er sah mir kurz prüfend in die Augen, wie gerne hätte ich ihm zugelächelt um meine Worte zu bestätigen, aber meine Gesichtsmuskeln weigerten sich beharrlich meinem Wunsch nachzugeben. Auch das entlockte mir kein Lächeln mehr. Würde mir denn nie wieder zum lachen zumute sein? Nur weil ich meine tiefsten Begehren hatte aufgeben müssen? Ich würde Seto niemals bekommen, also warum kam ich nicht darüber hinweg? „Wenn das so ist…“ Von einer Sekunde zur anderen wechselte sein ernster Gesichtsaudruck zu einem freudigen Lächeln. „Dann lasst uns endlich was zum essen bestellen. Ich habe nämlich unglaublichen Hunger.“ Mit welcher Inbrunst er über das Essen sprach, die wirklich nur ihm zu eigen sein konnte. Aber das machte ihn nur noch umso liebenswürdiger. „Ja das ist eine gute Idee. Ich habe auch Hunger.“ Ich nickte abermals um meine Worte zu bekräftigen und fing mir für meine Aussage einen durchdringenden Blick von Seto ein. Warum musste er mich schon wieder so fest ansehen, zwar nicht arrogant oder abweisend, aber so…so…steinern. So undurchschaubar. Was mochte er nun schon wieder denken? Das versprach ja wirklich ein lustiges Mittagessen zu werden, wenn ich Setos ständigem Blick ausgeliefert war. Wirklich nett was Mokuba sich da hatte einfallen lassen. Und das allen in der kurzen Zeit der Planung die ihm seit dem morgendlichen Streit und der tatsächlichen Ausführung seines Planes geblieben war. „Wie ihr meint.“ Mit einer beinahe gleichgültigen Handbewegung winkte Seto kurz für mich ziellos durch die Luft. Was sollte denn dieses Herumwedeln? Mir blieb gerade noch Zeit die Stirn in Falten zu werfen, denn schon im nächsten Moment nahm ich aus den Augenwinkeln etwas Schwarzes, sich bewegendes war. Erschrocken über das plötzliches Auftreten von diesem 'Etwas' drehte ich meinen Kopf rasch nach Rechts und betrachtete die sich mir nun offenbarende Person etwas genauer. Eine Frau, mit kurzen schwarzen Haaren, in schwarz-weißer Kellneruniform, zu meiner Überraschung als Anzug und nicht mit Rock. Sie wirkte jung, dennoch strahlte sie mit ihrem zwar geschäftsmäßigen Lächeln so etwas wie Weltoffenheit aus. Sie schien zu wissen wie es im Leben zu ging. Seltsam, wie viel ich glaubte aus diesem ersten Eindruck von ihr deuten zu können. Die enggeschnittene Kleidung betonte ihre dünne, dennoch ausgeprägt weibliche Figur. Vor ihrer Brust hielt sie mehrere lederne Mappen. Erst auf den zweiten Blick hin wurde mir klar, dass es sich hierbei wohl um Speisekarten handeln musste. Penibelst manikürte Fingernägel hoben sich von dem schwarzen Einband ab. „Guten Tag, meine Name ist Rei Yuyama, ich werde heute ihre persönliche Kellnerin sein.“ Sie verbeugte sich, wobei ihr ihre Haare leicht ins Gesicht fielen und diese das Licht der hereinstrahlenden Sonne reflektieren. Sie glänzten erstaunlich schön. „Wenn ich ihnen die Speisekarten reichen darf?“ Ein fragender Blick in die Runde woraufhin Seto mit einem gnädig kurzen Nicken sein Einverständnis kundtat. Sofort fand das strahlende Lächeln den Weg auf ihr Gesicht wieder. Erstaunlich, dass es noch nicht allzu künstlich wirkte, obwohl sie es wohl täglich aufsetzen musste. Eben um dem Ruf des Restaurants gerecht zu werden. Sie trat um den Tisch herum an Setos linke Seite und reichte ihm die erste Speisekarte. „Hier bitte Mister Kaiba.“ Sie kannte seinen Namen! Natürlich, warum wunderte ich mich darüber? Oder lag es doch an der Art, wie sie sich zu ihm hingebeugt hatte um ihm die Karte zu reichen? So nahe, nun vermutlich nicht wirklich, aber mir kam es einfach viel zu nahe vor, obwohl doch bestimmt noch ein guter halber Meter Abstand zwischen ihnen bestanden hatte. Oder aber doch auch daran, wie sie seinen Namen betont hatte? Fast…mit einem erotischen Unterton, als hätte sie ihm gerade etwas furchtbar Unanständiges und vor allem Sexuelles ins Ohr geflüstert. Verdammt, sah sie denn nicht, dass immer noch ein Kind hier am Tisch saß? Musste sie denn dermaßen zu verstehen geben, dass sie von Seto begeistert war? Und was war mit ihm? Musste er denn überall wo er auftauchte gleich sämtlichen Frauen den Kopf verdrehen? Konnte man denn nicht einfach mit ihm weggehen ohne gleich seinem überwiegend weiblichen Fanclub zu begegnen? Ich wand kurz meinen Blick ab. Natürlich wurde mir der Zorn in meinem Inneren bewusst, fühlte die Wut…und war mir mehr als im klaren darüber, dass sich hier wieder einmal die Eifersucht Gehör verschaffen wollte. Hatte ich dieses Stadium also immer noch nicht überwunden. „Und hier für den jungen Kaiba.“ Mit einem nun eher 'kindgerechteren' Lächeln reichte sie Mokuba die zweite Karte, welcher sie ebenso wie Seto gerade eben entgegen nahm. Fast misstrauisch sah ich zu Seto hinüber. Folgte sein Blick etwa dieser Frau? Hatte er gerade auf ihren Po geblickt oder doch ihre Brüste gemustert? Sein Blick war weiterhin ausdruckslos. Langsam kam ich mir etwas paranoid vor. Und vor allem…ich hatte kein Recht eifersüchtig zu sein. Egal was ich empfinden mochte, ich hatte kein Recht dazu… Und dennoch fühlte ich so. Nun vollende unsere Kellnerin die Runde und zu meiner Rechten stehend reichte sie mir nun die letzte verbleibende Speisekarte. Was war eigentlich aus dem 'Ladys first' geworden? Sie schien anscheinend nicht viel davon zu halten. Nun ja… Ich blickte zu ihr hinauf, in ihr geschminktes Gesicht, doch dessen Teint dennoch ebenmäßig natürlich wirkte. Dumm dass ich saß und sie somit so groß über mir stand. Irrte ich mich oder wurde ihr lächeln um eine Spur kälter? „Und hier für sie Miss…“ Auch ihre Stimme war weniger freundlich als zu den Kaibabrüdern, vor allem zu Seto. Oder bildete ich mir das alles nur ein? Empfand ich diese Frau mir gegenüber abweisend, weil ich sie einfach nicht leiden wollte? Konkurrenz. War das der Grund, oder verhielt sie sich wirklich anders mir gegenüber? Nun, zumindest schien sie meinen Namen nicht wie der Concierge bereits zu wissen. Und das überrascht mich dann doch sehr. Ich nahm die mir angebotene Karte entgegen, unsicher ob ich nun wütend vor Eifersucht oder doch verwundert über das Verhalten dieser Rei sein sollte. Um nicht länger darüber nachzugrübeln zu müssen öffnete ich lieber die Speisekarte. Ich fühlte das unglaublich weiche Leder unter meinen Fingern. Fast andächtig schlug ich sie auf und zwei mit geschwungener Schrift geschriebenen Blätter, eingelassen in den beiden Innenseiten der Karte, gaben nun den Blick frei auf die angebotenen Speisen. Eine erstaunliche Auswahl an Essen. Was mich allerdings doch verdutzte waren die fehlenden Preisangaben am Rand, was wohl darauf schließen lies, dass es diese so hoch waren, dass hier nur Kunden aßen bei denen Geld ohnehin schlicht weg keine Rolle spielte. Aber was mich noch mehr irritierte, war die Tatsache, dass mir die Namen der verschiedenen Speise teilweise so überhaupt nichts sagten. Ich konnte mir keine Vorstellung darüber machen, welches Gericht genau dort nun beschrieben wurde. Ich konnte lediglich eindeutig sagen, dass es kein Japanisch und auch kein Englisch war, denn beides vermochte ich zu lesen, aber um welche Sprach handelte es wohl dann? Ich war schon am rätseln, ob es sich dabei womöglich um französische Wörter handeln könnte und ob ich vielleicht Mokuba um Hilfe bitten sollte, auch wenn mir das vor Seto mehr als peinlich gewesen wäre, aber immer noch besser als am Ende Froschschenkel oder dergleichen auf dem Teller vor mir liegen zu haben, als sich die Kellnerin immer noch zu meiner Rechten zu Wort meldete. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie nicht gegangen war, nachdem sie die Karten verteilt hatte. „Darf ich ihnen vielleicht die Empfehlungen des Tage nahe legen?“ Oh, das war ja sehr gut. Warum eine Karte zu entziffern versuchen, wenn es gar nicht nötig war sie zu verstehen? Für was waren wir in so einem Luxusrestaurant, indem man die halbe Speisekarte aufgezählt bekam? Doch leicht unsicher sah ich zu Seto hinüber. Ich konnte wohl kaum laut herausrufen, dass das eine wirklich gute Idee war. Nicht wenn Seto nichts von den Empfehlungen des Tages hören wollte! „Ich finde das klingt sehr gut, oder?“ Mokuba kam mir zuvor, zum Glück. Ich sah rasch zu ihm hinüber, während dieser seinen fragenden Blick zwischen Seto und mir hin und her schweifen lies. „Ja, ich finde da hast du Recht.“ Wieder ein besorgter Blick zu Seto hinüber, doch er quittierte meine Worte lediglich mit einem ausdruckslosen Gesicht. „Na dann lassen Sie doch einmal hören.“ Mokuba grinste unsere Kellnerin an, mit seinem einnehmenden Lächeln, welches ich so sehr an ihm mochte. „Selbstverständlich…“ Wirkte sie ein wenig enttäuscht. Hatte sie vielleicht gehofft Seto selbst würde sie auffordern weiterzusprechen? Meine Güte, langsam wurde ich wirklich paranoid, ohne Frage. „Die Empfehlungen des Küchenchefs sind heute…“ Sie begann mit routinierter, aber dennoch nicht geleierten Stimme die einzelnen Gerichte auswendig aufzusagen und bis ins kleinste köstliche Detail zu beschreiben. Während ich ihrer Stimme lauschte fragte ich mich, wie sie es schaffte jeden Tag neue Menüs auswendig zu lernen und nichts dabei durcheinander zu bringen. Aber vermutlich brachte der Job dabei eine gewisse Übung und eben auch Routine mit sich. Sie endete mit den einfach nur verführerisch klingenden Beschreibung der Nachspeisen und ihre Stimme verklang. „Gut.“ Seto klappte die Speisekarte fast augenblicklich zu. Er hatte wie wir ihren Ausführungen gelauscht, schien sich allerdings bereits entschlossen zu haben. „Für mich einen Kaffee, kolumbianische Röstung, und das Menü zwei.“ „Sehr gerne Mister Kaiba. Sie haben eine ausgezeichnete Wahl getroffen.“ Schon wieder diese süßliche Art die Worte zu betonen. Machte diese Frau das wirklich mit Absicht? Noch dazu beugte sie sich abermals nahe an ihn heran, als sie ihm die Speisekarte wieder abnahm. Doch Seto zuckte nicht einmal mit einer Wimper. Erstaunlich. Nun wandte sich Rei Yuyama uns, also Mokuba und mir zu. „Haben sie auch bereits gewählt?“ Mokuba schloss nun ebenfalls die Speisekarte. „Ja, eine Cola und auch das Menü zwei bitte.“ „Selbstverständlich.“ Beinahe hätte ich mich verschluckt, als ich Mokuba eine Cola bestellen hörte. In so einem Restaurant…das bestellte doch man keine Cola! Doch anscheinend war das nichts Ungewöhnliches, denn weder Seto noch die junge Frau zeigten irgendein Anzeichen von Überraschung. Hier war der Kunde eben König, was er verlange, das bekam er auch. Und nichts anderes erwartete Seto wohl auch. Er war es schlicht weg schon gewohnt so behandelt zu werden. Nun richtete sich der Blick der Kellnerin auf mich, der letzten Person, die ihre Bestellung noch nicht aufgegeben hatte. Kurz blickte ich ratsuchend in die Speisekarte, überflog die doch so fremden Wörter und schloss schließlich ohne neue Erkenntnisse die in Leder gebundene Karte. Ich hob den Kopf und begegnete entschlossen den braunen Augen dieser Rei, die mir nun abermals eine wesentlich desinteressiertes Mimik als für die Kaibas offenbarte. Vielleicht lag es doch an meiner Kleidung, an meinem Stil? Vermutlich sah sie mir an, dass ich nicht wirklich zu der obersten Schicht Dominos gehörte, dass ich nicht reich war, sondern lediglich ein Gast der beiden Brüder. „Dann nehme ich ein Wasser und…“ Ich zögerte kurz und dachte nach, versuchte mir ihre Beschreibungen der Empfehlungen des Tages wieder ins Gedächtnis zu rufen. „…und Menü Nummer eins.“ Sie nickte kurz. „Bevorzugen Sie ein bestimmtes Wasser?“ Nun zog sich mein Inneres zusammen. Warum fragte sie das nun? Wollte sie mich in Verlegenheit bringen, weil sie genau ahnte, dass ich mich mit den einzelnen Marken nicht auskannte, weil ich eben nicht zu dieser Klasse Kunde hier gehörte? Wie sollte ich mich nur aus dieser Situation retten, ohne mir so eine peinliche Blöße der Unwissenheit zu geben? „Oh nun…welches Wasser hätten sie denn anzubieten?“ - Sehr gut Sarah, das hast du geschickt gemacht. Jetzt zählt sie dir alles auf und du nimmst dann einfach irgendeines, das dir bekannt vorkommt. - Doch die Freude über meinen gefunden Ausweg währte nur kurz. „Die Üblichen natürlich Miss.“ - Miststück! - Sie schien das wirklich mit Absicht zu machen. Sie wollte mich wohl unbedingt bloßstellen…vor Seto? Aber nicht mit mir! Ich gab einen übertrieben und vor allem über so viel Inkompetenz genervtes Stöhnen von mir. Vermutlich hätte sich Seto damit alle Ehre machen können, wenn es denn meine Art gewesen wäre. Doch ich spielte nur…aber diese Frau hatte es ja herausgefordert. „Und welche wären das nun bitte schön?“ Ich konnte nur hoffen, das mein entnervter Ton nicht zu übertrieben gewählt war. Aber schließlich wollte ich auch die 'Attacken' dieser Rei abwehren. Obwohl sich ihr Gesicht einen Moment versteifte gab sie sich wohl dennoch nicht geschlagen. Ich hatte sie zwar kalt erwischt, aber das schien ihr noch nicht zu reichen. „Evion, san pellegrino….“ Ihre Stimme klang dieses Mal deutlich geleiert, als müsse sie ein verhasstes Gedicht zum x-ten Mal aufsagen, obwohl es doch so selbstverständlich war dieses zu wissen. Als wäre es eine Zumutung meinerseits von ihr zu verlagen die verschiedenen Wassersorten aufzuzählen. Warum musste es aber auch so viele verschiedene Produkte geben? Wasser bleib doch immer noch Wasser, egal wie es hieß. „Evion bitte.“ „Sehr gerne.“ Wieder eine kurze Verbeugung, ehe sie Mokuba und mir die Speisekarten abnahm. Dann konnte ich leicht erstaunt beobachten, wie sie zuerst mein Wasserglas umdrehte, dann das gleiche mit Mokubas wiederholte und letztendlich alle Weingläser und zusätzlich Setos Wasserglas am Stil halten anhob, diese mit sich nahm und sich mit zügigen Schritten vom Tisch entfernte. Wohl um unsere Bestellung an die Küche weiterzugeben. Warum um alles stellte man Gläser verkehrt herum, mit der Öffnung nach unten, auf den Tisch, wenn man diejenigen dann doch entfernte, welche nicht gebraucht wurden? Das war wirklich ein seltsamer Brauch. Ich hatte ihr noch kurz hinterher gesehen doch drehte den Kopf nun wieder meinen Begleitern zu. Kurz musste ich meine Augenbraue wölben als ich erkannte, dass beide mich ansahen, mich direkt musternd anblickten? Was war denn los? Hing mir irgendetwas im Gesicht? „Was ist denn?“ Ich sah prüfend von einem zum anderen, doch keiner schien mir sagen zu wollen, was sie gerade dazu veranlasst hatte, mich anzusehen. Obwohl es bestimmt nicht abgesprochen gewesen war. „Nichts, gar nichts.“ Mokubas unbekümmerte Art Dinge beiseite zu schieben. „Na dann…“ Etwas unsicher sah ich dem Jungen ins Gesicht. Es war keine wirkliche Erklärung, aber vermutlich war wirklich nichts weiter. Vielleicht sollte ich einfach das Thema wechseln, versuchen ein Gespräch in Gang zu bringen? „Warum hast du eigentlich keine Schule? Hättest du normalerweise jetzt nicht Unterricht?“ „Ähm…“ Oh, da schien ich in doch etwas kalt erwischt zu haben. Denn meinen Blick ausweichend sah es fast so aus, als würde Mokuba händeringend nach einer passenden Antwort, oder doch besser Ausrede suchen. Das war nicht meine Absicht gewesen, ich hatte ihn nicht in Verlegenheit bringen wollen. „Ach weißt du…“ Ein kurzer Blick zu seinem Bruder hinüber. „wir hatten eine Freistunde…und da dachte ich mir…nun ja, die Mittagspause etwas auszudehnen…“ Ein verlegenes und dennoch mitreisendes Lächeln. „Um es genau zu sagen, du schwänzt.“ Ich sah überrascht zu Seto hinüber, der diese Tatsache erstaunlich gelassen feststellte. Oder aber er wusste schon davon? Vielleicht hatte er es sich auch bereits gedacht, schließlich musste Mokuba ja wohl ohne Vorwarnung bei ihm in der Kaiba Corporation aufgetaucht sein und ihn dazu genötigt haben mit ihm essen zu gehen. Ja, vermutlich hatte er sich schon so etwas gedacht. Aber dass er das so einfach durchgehen ließ, ohne Mokuba irgendwie zurechtzuweisen? „Ist das denn so gut Mokuba? Verpasst du nicht zu viel Unterricht?“ Ich wollte es nicht vorwurfsvoll klingen lassen, sondern eher besorgt, wie ich war. Schließlich hatte er schon so viel Stoff in der Genesungszeit nach dem Überfall verpasst, wenn er jetzt schon wieder Unterricht versäumte…Und das nur, weil er glaubte die mehr als bizarre Beziehung zwischen seinem Bruder und mir kitten zu müssen. „Ich denke, solange er die Nachteile seines Handelns und dessen Folgen abwägen kann, ist es ihm selbst überlassen zu entscheiden, ob es ihm schadet dem Unterricht fern zu bleiben.“ Mit langsamer Bewegungen faltete Seto die Serviette auseinander und legte sie neben seinen Teller, während er diese Einschätzung der Lage kundtat. Nun gut, das erklärte warum Seto nicht eingriff. Allerdings hatte er somit Mokuba auch die Antwort auf meine Frage abgenommen. Wollte er nun diese Unterhaltung beenden, seinen Bruder davor schützen sich vor mir erklären zu müssen oder wollte er mir doch nur mitteilen, dass ich mich aus Erziehungsfragen herauszuhalten hatte? Seto war ihm Grunde alles zuzutrauen. Ich sah kurz zu dem Mann hinüber, der erst jetzt den Blick von seiner Serviette löste und mich direkt ansah, abwartend, vielleicht sogar herausfordernd. Diese blauen Augen. Ich konnte nicht anders als den Kopf zu senken und bedächtig als Antwort zu nicken. „Ja, da hast du wohl Recht.“ Warum war ich immer nur so nachgiebig? Warum konnte ich schon gar nicht mehr anders als vor Seto zu kuschen? Allerdings, wenn man bedachte, was geschah, wenn ich mich einmal nicht unterordnete…Der Vorfall heute morgen war mir dafür einfach noch zu lebhaft in Erinnerung. Kurz herrschte leicht angespannte Stille am Tisch. Im Grunde hatte Seto mir ja irgendwie den Mund verboten, zumindest was dieses Thema anging, also warum riskieren noch etwas zu sagen? „Na ja, ich denke, ich verpasse nichts allzu Wichtiges. Nichts, was ich nicht schnell wieder aufgeholt habe.“ Mokuba grinste sein unbekümmertes Lächeln in die Runde und abermals nickte ich zur Antwort. „Gut.“ Seto quittierte die Worte seines kleinen Bruders ebenfalls mit einem Nicken, doch aus seiner Stimmlage konnte man eindeutig heraushören, dass für ihn dieses Thema nun wirklich endgültig beendet war. Warum um alles in der Welt hatte ich nicht meine Klappe halten können und gar nicht erst mit diesem ganzen Schulthema angefangen? „Wie lief es bisher in der Arbeit Sarah? Alle noch recht müde?“ Mokuba grinste mir schelmisch zu, während er mir kurz zuzwinkerte. Er wollte also das Gespräch am laufen halten. „Ach es ging. Wir haben heute ohnehin nicht viel zu tun, da fällt es nicht so auf, dass mehr oder weniger die ganze Belegschaft hundemüde ist.“ Der Junge Links neben mir lachte auf. „Kann ich mir denken.“ Wieder eine Bewegung zu meiner Rechten ließ mich den Kopf drehen. Rei Yuyama war soeben neben unserem Tisch zum stehen gekommen, elegant balancierte sie ein Tablett, auf dem sie unsere bestellten Getränke befanden. Sie lächelte in die Runde. „Die Getränke meine Herrschaften.“ Ein kurzes bestätigendes Nicken von Seto in ihre Richtung und sofort begann die Kellnerin mit dem Verteilen der Getränke. „Das Wasser war für sie Miss?“ „Oh…ja, das Wasser ist für mich.“ Wie genau es dazu kam…es ist mir unklar. Vermutlich war ich noch zu nervös aufgrund der ganzen so befremdlichen Umgebung, wusste nicht wie ich mich verhalten sollte, noch dazu die ständige Befürchtung Setos prüfenden Blick ausgeliefert zu sein, einfach eine insgesamt sehr ausgeprägte Unsicherheit. Es war wohl so gekommen, dass Rei mir gerade das Wasser auf meinen Platz stellen wollte sich dazu leicht vorn überbeugte und ich gleichzeitig, instinktiv aber im Nachhinein unglaublich tollpatschig, nach der kleinen Wasserflasche griff. Irgendwie im Handgemenge fühlte ich wie meine Hand nach der Flasche griff, sie gleichzeitig aber wieder loslassen wollte, da ich erst jetzt bemerkte, dass die Kellnerin mir selbst einschenken wollte und Rei in dem Moment wohl das selbe Tat. Ich höre noch ein fernes 'Achtung' doch schon im nächsten Moment fühlte ich auf einmal erschreckende Kälte an meinem Oberkörper. Gerade noch konnte ich ein lautes Aufschreien und Aufspringen unterdrücken, sondern lediglich ein erstauntes Keuchen verließ meine Kehle. An sich war es nicht wirklich kalt, nur der Schreck des Unerwarteten verstärkte das Gefühl. Ich sah an mir hinunter und betrachtete den sich schnell ausbreitenden nassen Fleck auf meiner Bluse. Wundervoll. Das halbe Wasser hatte sich über mich ausgeschüttet. Wenigstens nur auf meiner Bluse und nicht auch noch über meinen Kopf. Ein hektisch aufgeregtes Murmeln und gleichzeitiges Herumtupfen setzte ein. „Es tut mir Leid.“ Die Kellnerin entschuldigte sich aufgeregt, versuchte gleichzeitig mit der Serviette alle Spuren zu beseitigen. Ich hingegen, unangenehm berührt durch den Körperkontakt einer vollkommen fremden Frau, versuchte mit sanften aber doch energischen Gesten und Handbewegungen ihre Bemühungen zu unterbinden. „Schon gut, es war meine Schuld. Ich habe nicht aufgepasst.“ Endlich gab Rei es auf mich trocken tupfen zu wollen. Doch bevor ich überhaupt die Gelegenheit hatte zu Atem zu kommen tauchte auf einmal ein Mann, ebenfalls in schwarz-weißer Kellneruniform, neben der Kellnerin auf. „Ist etwas passiert? Miss, sind Sie in Ordnung?“ Hilfesuchend sah ich zu den beiden Brüdern hinüber. Mokuba betrachtete mit großen Augen genauso überrumpelt wie ich mich fühlte die Szene und Seto…sah genauso unverbindlich aus wie immer. Keine Hilfe zu erwarten also. „Nein, nein, es ist alles Bestens.“ Ich sah zu dem Mann hinauf und zuckte ratlos mit den Schultern. Was sollte ich denn nun dazu sagen? „Selbstverständlich werden wir die Reinigung Ihrer Kleidung übernehmen.“ Er deutete mir einer kleinen Kopfbewegung auf meinen Oberkörper. Ah, so langsam wurde mir einiges verständlicher. Das hier schien der Restaurantinhaber zu sein, oder zumindest der Oberkellner. Er war gekommen um für den 'Fehler' seiner Angestellten gerade zu stehen. Doch mir war das ganze einfach nur mehr als unangenehm. So viel Aufsehen um uns…um mich. Jetzt hatte ich es Seto wohl eindeutig bewiesen, mit mir konnte man sich nirgends blicken lassen, schon gar nicht in einem noblen Restaurant. Ich gehörte einfach nicht in diese reiche Gesellschaft und hatte hier, nicht einmal als Gast, etwas zu suchen. Das war wohl spätestens jetzt allen klar. „Nein, das ist wirklich nicht nötig.“ Mit schnellen Handbewegungen winkte ich rasch ab. „Es ist doch nur Wasser. Wirklich nicht nötig.“ Ich schob den Stuhl zurück und erhob mich, die Serviette immer noch auf den gut handgroßen Fleck gedrückt. „Ich werde schnell auf die Toilette gehen und den Fleck trocknen. Wirklich kein Grund sich Umstände zu machen. Es ist doch lediglich Wasser.“ Mein Güte ich kam mir vor, als wären Scheinwerfer auf mich gerichtet. Bestimmt jeder einzelne Gast in diesem Restaurant musste mich wohl ansehen und sich über meine Schusseligkeit amüsieren. Warum musste so etwas auch immer mir passieren? „Aber Miss, selbstverständlich kümmern wir uns darum.“ Wieder bemühte ich mich dem Oberkellner zu versichern, dass es nicht nötig sein. Rei stand immer noch etwas schockiert neben dem Mann, rührte sich nicht, hielt allerdings die halb entleerte Flasche immer noch in der rechten Hand und das Tablett mit den restlichen Getränken in der anderen. Sie sah ein wenig eingeschüchtert aus. Vermutlich befürchtete sie einen Anpfiff von ihrem Vorgesetzten, womöglich noch einen Rausschmiss? Das war nun wirklich das letzte, was ich wollte. „Nein, das müssen sie wirklich nicht. Ich werde das nur schnell auf der Toilette erledigen. Außerdem war es ohnehin meine Schuld. Ich hätte nicht nach der Flasche greifen sollen. Ich war einfach zu ungeschickt. Sie trifft also wirklich keine Schuld.“ Ich sah kurz von dem Gesicht des Mannes zu Rei hinüber und nickte zur Bestätigung kurz. „Wenn Sie sich sicher sind Miss.“ „Ja, kein Problem. Ich werde dann mal lieber…“ Ich drehte mich etwas hilflos halb um die eigenen Achse und suchte den Raum nach einem Hinweisschild zu den Toiletten ab. „Hinter Ihnen…Dort.“ Ich folgte dem ausgestreckten Arm und drehte mich in die angewiesene Richtung und entdeckte den schmalen Gang, der wohl zu den Waschräumen führte. „Ah…danke.“ Ich sah noch einmal kurz zu dem Oberkellner hinüber und versuchte dann so unauffällig wie möglich den Raum zu durchqueren, auch weiterhin meine Serviette auf den Fleck drückend. Aber insgesamt, obwohl es ein mehr als peinlicher Auftritt gewesen war, hätte es immer noch schlimmer kommen können. Denn es hätte statt des Wassers auch Mokubas Cola sein können, die sich über mich ergoss oder noch schlimmer, Setos Kaffee. Da hätte ich neben einem schön auffälligen dunklen Fleck auch noch eine anständige Verbrühung davongetragen. So gesehen, war es also gar nicht so schlimm. Nun gut, wem versuchte ich etwas vorzumachen? Selbstverständlich war es schlimm. Sehr sogar! Himmel…ich würde Seto wohl nie wieder unter die Augen treten können. Warum war ich nur so ein Tollpatsch? Ich hatte nicht nur mich, sondern auch ihn und seinen Ruf in aller Öffentlichkeit blamiert. Das würde er mir wohl nie verzeihen. Ich verschwand in dem Gang zu den Toiletten, nur der eine oder andere Gast hatte kurz einen Blick in meine Richtung geworfen, der Rest hatte mich gar nicht wahrgenommen. Und ich war mehr als froh darüber. Ich suchte die Damentoiletten und kaum gefunden trat ich sofort ein. „Entschuldigen Sie bitte nochmals das Missgeschick Mister Kaiba.“ Der Kellner verbeugte sich tief. „Schon gut.“ Mit einem kurzen Kopfnicken entließ er den Mann. Dieser nickte ebenfalls und wies die Kellnerin zu seiner Linken nun seinerseits mit einer kurzen Kopfbewegung an, die restlichen Getränke auszuschenken…und vermutlich ein neues Wasser zu holen, ehe er sich mit raschen Schritten davon ging. Ohne große Umschweife begann die junge Frau den Kaffe abzusetzen und die Cola in das Glas einzuschenken, ehe sie sich mit einer tiefen Verbeugung und einem 'Verzeihen Sie bitte' wieder vom Tisch entfernte. Die Kellnerin hatte die halb volle Colaflasche vor ihm abgestellt und den Rest in sein Glas gefüllt. Sie hatte sich zwar für das Unglück gerade eben entschuldigt, aber ihm war nicht das durchaus als gehässig zu bezeichnendes Lächeln entgangen, welches sie versucht hatte zu verbergen. Anscheinend hatte sie es als sehr amüsant empfunden was Sarah passiert war. Sein Blick war unverwandt auf das Gesicht seines großen Bruders gerichtet. Er starrte ihn an, wartete auf eine Reaktion, doch diese schien nicht kommen zu wollen. Er blickte lediglich im Restaurant umher, streifte hin und wieder die Richtung in die Sarah verschwunden war. Kurz und ohne die erhoffte Reaktion. Unvermittelt brach er dann die Stille am Tisch und sprach seinen Bruder an. „Geh ihr hinterher!“ Die Selbstverständlichkeit der Worte seines kleinen Bruders ließ ihn mehr erstaunen als deren Inhalt. „Bitte?“ „Na du sollst ihr hinterher gehen.“ Er sah seinen kleinen Bruder überrascht an. „Warum sollte ich? Sie ist wohl durchaus alleine dazu im Stande sich um den Fleck zu kümmern.“ Doch Mokuba lächelte nur milde und mit bestimmter Geste winkte er in Richtung Toiletten. „Frag sie ob alles in Ordnung ist, ob sie zurrecht kommt.“ Er verstand immer weniger worauf sein Bruder hinaus wollte. Oder besser, er verstand durchaus was er von ihm verlange, kannte aber dessen Motivation dafür nicht. Und auch nicht, welchen Sinn das haben sollte. „Warum sollte ich das? Sie ist ja wohl erwachsen und kann allein mit…“ „Jetzt diskutiere nicht mit mir herum, sondern geh ihr nach!“ Der Nachdruck in den Worten seines kleinen Bruders ließen ihn perplex innehalten. Seit wann legte er eine solche Rigorosität an den Tag…vor allem ihm gegenüber? Sonst sprach er nie so mit ihm, warum also jetzt? Und warum wegen einer solchen Lappalie wie verschüttetes Wasser? „Mokuba dein Ton gefällt mir ganz und gar nicht.“ „Von mir aus, solange du ihr endlich nachgehst…also los jetzt.“ Wieder eine strenge Handbewegung die ihm andeuten sollte sich endlich zu erheben und der jungen Frau nachzugehen. Vermutlich war er von Mokubas Verhalten zu sehr überrumpelt, aber folgsam erhob er sich und schob den Stuhl zurück. „Mein Kaffee wird kalt werden…und ich hasse kalten Kaffee.“ Sein kleiner Bruder überhörte freundlicher Weise seinen leisen gemurmelten Einwand sondern blickte stattdessen nach Rechts, dorthin wo Sarah vor kurzem verschwundne war. Er folgte dessen Blick und sah zu dem Gang hinüber, der zu den Toiletten führte. Was sollte er denn bitte dort tun? In die Damentoilette hineingehen und Sarah hilfreich Einmalhandtücher anbieten? Womöglich noch an ihr herumrubbeln um den Wasserfleck zu beseitigen? Was um alles in der Welt erwartete Mokuba von ihm, was er tun sollte? Ein letzter unzufriedener Blick auf seinen Bruder hinab, dann straffte er seinen Mantel und ging um den Tisch herum. Doch hielt er zögernd inne und überlegte abermals, was genau Mokuba wohl unter 'nachfragen ob alles in Ordnung sei' verstand. „Na los…geh ihr hinterher!“ Erneut die anspornenden Worte hinter seinem Rücken, die eindeutig von seinem Bruder stammten. Eindringlich, aber auch ungeduldig. Er wandte seinen Blick kurz in dessen Richtung. „Schon gut.“ Was konnte er auch anderes tun? Also ergab er sich der Situation und ging Sarah hinterher, sich immer noch nicht im Klaren darüber, was genau er tun sollte. Mokuba blieb alleine am Tisch sitzend zurück. Mit zufrieden feixenden Lächeln lehnte er sich in seinem bequemen Stuhl zurück. Wenn das nicht mal eine sehr gute Idee gewesen war. Jetzt konnte ja nichts mehr schief gehen. Zufrieden mit sich und der Welt nahm er einen großzügigen Schluck seiner herrlich kalten Cola. Nun würde alles wieder in Ordnung kommen und endlich Frieden einkehren. Dieser ganze Tag war doch einfach nur ein einziger Alptraum. Warum war ich überhaut aufgestanden? Zuerst die Sache beim Frühstück und nun das hier. Ich betrachtete den Schaden in dem großen Spiegel über den in dunklen Marmor eingelassenen weißen Waschbecken mit goldenen Armaturen. Wundervoll. Einfach nur wundervoll. Durch meine weise Bluse konnte man an der nassen Stelle hindurchsehen und entblößte meinen zum Glück weißen BH. Also neben der ganzen peinlichen Aktion auch noch ein wet-T-shirt-contest! Wie schlimm konnte es eigentlich noch werden? Ich war nur froh, dass ich hier alleine in dem Waschraum war und mich somit keinen neugierigen Blicken preisgeben musste. Tief seufzend griff ich nach einem der bereitgelegten Handtücher und versuchte mit stetigen Tupfen und Reiben die Spuren meines Zusammenstoßes mit dem ach so teuren Evion Wasser zu beseitigen. Was würde Seto wohl zu mir sagen wenn ich an den Tisch zurückkam? Würde er einen spöttischen Kommentar über meine Tollpatschigkeit loswerden, mich mit einem gehässigen Lächeln empfangen oder würde er mich doch zurechtweisen, da ich ihn dermaßen bloßgestellt hatte? Vermutlich alles zusammen. Warum hatte Mokuba auch nur gedacht jemand wie ich würde in so eine Umgebung hineinpassen? Es war zwar eine wirklich liebe Idee von ihm gewesen, doch das hier alles war eine derartig andere Welt für mich…hier würde ich mich nie zurechtfinden können oder korrekt zu benehmen wissen. Ich gehörte einfach nicht hier hin. Denn wenn ich mich schon alleine in der Toilette umsah…die ganze Einrichtung war mehr wert, als ich wohl jemals in meinem Leben verdienen würde! So viel Luxus, Marmor, Gold und edelstes Porzellan. Das alles kostete mehr als eine Eigentumswohnung mitten im Zentrum Tokios. Unvorstellbar für meine Verhältnisse, aber die Kaibas zuckten bei solchen Summen nicht einmal mit der Wimper. Abermals seufzend ließ ich das Handtuch sinken und betrachtete mein Werk. Nun ja, es war annehmbar. Der Wasserfleck war beinahe getrocknet, meine Bluse hatte fast ihre normale Blickdichte wiedergewonnen, es müsste also gehen. Ich stützte die Hände am Rand eines der vier Waschbecken ab und senkte den Kopf. Warum musste alles dermaßen schief laufen? Was hatte ich bitte Schlimmes verbrochen, um derartig bestraft zu werden? Die Welt war wirklich mehr als ungerecht zu mir. Ich hob den Kopf wieder und sah mir direkt ins Gesicht. Ich sah blass aus, aber war es ein Wunder nach all dem? Ich war müde, kraftlos und immer noch geschockt über meinen Auftritt… Mit einer resignierten Handbewegung strich ich mir durch die Haare. Sich hier auf der Toilette zu verstecken brachte mich auch nicht weiter. Früher oder später würde ich mich Seto stellen müssen. Zu meinem Spiegelbild hin schüttelte ich langsam den Kopf. Ich sah, wie mein gespiegeltes Selbst es mir gleich tat. Nein, verstecken war keine Lösung. Wie viel tiefer konnte ich auch schon noch in dem Ansehen des Mannes sinken, den ich glaubte zu lieben? Noch mehr verachten konnte er mich wohl ohnehin nicht mehr, also war es im Grunde auch schon egal. Entschlossen, bereit mich dem zu stellen, stieß ich mich vom kalten aber sehr glatten Marmor ab und machte mich ohne Umweg auf den Weg zur Tür. Einen letzten Blick umher werfend, die hellen Luxusfließen bewundernd und die Tür zum Nebenraum passierend, in denen sich die eigentlichen Toiletten befanden, erreichte ich endlich die Eingangstür. Die Klinke in der Hand holte ich noch einmal tief Luft und lies sie langsam wieder entweichen. - Los jetzt! - Ich öffnete die Tür und tat den letzten Schritt, der mich von der erneuten Missachtung Setos trennte. Ich wollte hinaus in den Gang treten, doch prallte zurück. Wie angewurzelt, die Tür immer noch in der Hand stand ich dort und starrte geradeaus. - Warum? Warum nur? Warum ausgerechnet er…und warum ausgerechnet hier? - Ich spürte, wie mir heiße Tränen in die Augen stiegen doch mit einem krampfhaften Schlucken unterdrückte ich sie. Mein Gehirn versuchte die Information zu verarbeiten, während sich mein Herz auflehnte und mich zu zerbersten drohte. Dort stand Seto, gerade mal drei Meter von mir entfernt mit dem Rücken an die Wand gelehnt und hatte einen leicht süffisanten Ausdruck auf dem Gesicht. Lässig stand er da, eine Haarsträhne in die Stirn hängend. Er sah gut aus, so wie immer. Doch er war nicht allein. Oh Herzensschmerz, wäre er es doch nur gewesen. Doch eine junge Frau stand vor ihm…nein so konnte man das nicht nennen. Diese junge Frau mit kurzen glänzend schwarzen Haaren hatte sich gegen seine Brust gelehnt, so dicht, dass sich ihr Oberkörper beinahe gegen ihn presste und blickte zu ihm auf. Rei! Rei Yuyama. Unsere Kellnerin. Sie lächelte, lachte und flüstere ihm Worte zu, die ich nicht verstand, aber deren Tonfall mir mehr als deutlich vermittelte, worum es ging. Mit der rechten Hand spielten ihre Finger mit dem Aufschlag von Setos Mantel, fuhren ihn andächtig hinauf und wieder hinab, als würden sie den Mann selbst berühren der ihn trug und ihn damit verführen wollen. Die linke Hand verschwand irgendwo an seiner Taille, vermutlich hatte sie ihn um ihn geschlungen. Seto sah zu ihr hinab. Zwar hingen seine Arme an ihm herab, machte keine Anstallten sie zu umarmen, allerdings schob er sie auch nicht von sich. Mit für mich interessiertem Gesichtsausdruck hörte er ihr zu, lauschte ihren Ausführung. Vermutlich flüsterte sie ihm gerade zu wie sie sich vorstellte von ihm genommen zu werden oder welche Freude es ihr bereiten würde ihn zu berühren und befriedigen zu können. Wieder lachte sie auf, eindeutig. Sie flirteten nicht mehr, das war bereits das Vorspiel. Und Seto beteiligte sich mehr als bereitwillig daran. Auch wenn er nur zuhörte, selbst nichts sagte oder lachte, sein passives Verhalten kam einer Zustimmung gleich. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie sich jeden Augenblick voneinander gelöst hätten um auf den Toiletten zu verschwinden. Ich biss mir auf die Unterlippe und trat rasch einen Schritt zurück, zurück in die Toilette. Keiner der beiden hatte meine Anwesenheit bemerkt, wie denn auch? Sie waren ja viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Rasch trat ich zurück und schloss so schnell und dennoch so leise wie möglich die Tür. Endlich war sie zu und abermals trat ich ein paar Schritte zurück und lehnte mich erst einmal gegen die Wand. Ich fühlte mich auf ein neues erschöpft, ausgelaugt und kraftlos. Ich war es leid, ich war es alles so leid. Warum kämpfen, wenn man ohnehin nie siegen konnte? Warum gab ich nicht einfach nach und ließ mich hier auf dem Boden sinken und hörte endlich auf gegen die Welt zu kämpfen? Ich konnte doch sowieso nie gewinnen. Egal was ich anfing, es endete nie gut für mich. Warum nicht aufgeben, sich niederzwingen zu lassen und nie wieder aufstehen? Sich nie wieder diesem sinnlosen Kampf wegen jeder Kleinigkeit in meinem Leben stellen. Wie viel leichter würde dann das Leben endlich sein? Sich einfach seinem Schicksal ergeben, nie wieder anderes erwarten oder erhoffen? War dies denn keine vielversprechende Perspektive? Abermals strich ich mir mit einer resignierten Handbewegung durch die Haare. Nein, ich würde nicht aufgeben, auch wenn es momentan noch so verlockend klang. Nicht wegen ihm. Gut, ich mochte niemals den Platz in seinem Herzen gewinnen können, oder gar irgendeine Art von Anerkennung von ihm, aber das hieß nicht, dass ich vom Rest meines Lebens nichts mehr zu erwarten brauchte. Ich war weit gekommen, auch ohne einen Seto Kaiba. Und ich würde noch weiter kommen auch ohne ihn. Es hatte ein 'vor ihm' gegeben und es würde auch ein 'nach ihm' geben. Dafür würde ich schon sorgen. Ich durfte es nicht zulassen, dass er zu meinem einzigen Lebensinhalt wurde. Vor allem, weil ich niemals eine Chance bei ihm haben würde. Stattdessen machte er lieber mit dieser Rei rum. Ich seufzte tief auf. So war es nun einmal, dem musste ich mich stellen. Ich stieß mich wieder von der Wand ab, warf einen kurzen Blick nach Rechts in den Spiegel, vor dem ich vor kurzem noch gestanden hatte. Nein, ich sah immer noch nicht besser aus, aber entschlossener. Tränen zu vergießen würde mir nicht dabei behilflich sein hier wieder raus zu kommen, das einzige was half war… Ich hatte mir geschworen es nie wieder zu tun, es abzulegen und mich nicht mehr derartig zu verschließen, aber was blieb mir in so einer Situation anderes übrig? Wollte ich denn deswegen zugrunde gehen? Ich würde mich in mich selbst zurückziehen. Nur dieses eine Mal und nur solange bis ich an Seto vorbei war, ihn nicht mehr sehen musste, wie ich ihn an die Arme einer anderen verlor. Es musste getan werden. - Nur dieses eine Mal, ich verspreche es! - Ich würde meine Gefühle ausschalten, sie verdrängen und mich kalt gegenüber der Außenwelt machen. Nicht fühlen, nicht empfinden, nicht verletzt werden. Früher hatte ich das oft getan, um andere Menschen von mir fern zu halten, aber seit ich meine Therapie hinter mir hatte war es nicht mehr nötig gewesen. Ich kam so in der Welt zurrecht und fand diesen Weg der Offenheit einen guten Weg. Aber dieses eine Mal ging es nicht anders. Ich musste noch einmal zurück in die Vergangenheit gleiten. Sonst würde ich niemals die Kraft aufbringen an Seto vorbeizugehen…ohne dabei mich selbst im Schmerz zu verlieren. Vielleicht, wenn ich sehr viel Glück hatte waren sie schon nicht mehr dort draußen sondern irgendwohin anders verschwunden. Oder was das dann doch eher mein Unglück? Gleichgültig. Ich holte tief Luft, schloss die Augen und konzentrierte mich. Holte die Erinnerungen an meine Vergangenheit zurück, meine Eltern, die vielen Male, die ich zu ihnen gegangen war um lediglich ein klein wenig Aufmerksamkeit zu erbetteln. Ein selbstgemaltes Bild herzuzeigen, um zu bitten ein Spiel mit mir zu spielen, eine Umarmung…und so oft ein 'nein' als Antwort zu bekommen. Wie ich angefangen hatte schon nicht mehr zu hoffen, wenn ich sie um etwas bat, bereits um die Ablehnung vor der Frage wusste, wie ich angefangen hatte meine Gefühle zu verbergen oder ganz abzustellen um den Schmerz der Trauer nicht mehr fühlen zu müssen. Ich fühlte wie sich meine Gesichtszüge versteiften, wie der letzte Rest Ruhe und Frieden aus mir wich. Lediglich Gleichgültigkeit blieb zurück. Würde ich nun in den Spiegel sehen, würde mir eine fremde Frau entgegenblicken, die ich nie wieder hatte sein wollen. Eine Frau, deren Mimik der mit Setos zu vergleichen war. Gleichgültig, desinteressiert und unverbindlich. Kein Gefühl, kein Lächeln und kein Schmerz. Ich öffnete meine Augen und hielt mit aller Macht das Gefühl der inneren Leere in mir fest. Lange würde ich nicht so bleiben können, vermutlich würde ich allerspätestens bei Mokubas neugierigen Blick mein Gesicht verlieren und mein altes Selbst wiederfinden. Aber das hier war nötig zu tun…um nicht im Schmerz unterzugehen. Ein Nervenzusammenbruch dank Seto Kaiba genügte mir und da hatte ich ihn nur gehört, jetzt musste ich ihm dabei zusehen. Ich warf den Kopf leicht in den Nacken und spürte immer noch den kalten Ausdruck, den ich widerspiegelte und es gab mir Sicherheit. Ich wusste ich würde es schaffen. Mit aufeinander gepressten Lippen und der Leere in mir verlies ich die Toilette um mich meinem Schmerz zu stellen, den ich nun nicht mehr zu fühlen in der Lage war. Seto Kaiba. Es war erstaunlich wie sich alles zusammengefunden hatte. Genau zur rechten Zeit am rechten Ort. Wie die einzelnen Ereignisse sich zusammenfügten und ineinander übergriffen. Und dabei derartig günstig für ihn. Er war zu seinem Glück, dass ihn Rei hier vor den Toiletten abgepasst hatte. Es war erstaunlich gewesen wie sich ihre Freude darüber in ihrem sich verstärkenden Lächeln wiedergab, als er sie die Erkenntnis gewann, dass Sarah nicht wie von ihr befürchtet seine Lebenspartnerin oder Freundin war, sondern lediglich ein Gast der Familie Kaiba. Wie sich augenblicklich ihr noch einigermaßen zurückhaltendes Benehmen geändert hatte, als ihr durch diese neue Information bewusst wurde, sich Chancen bei ihm ausrechnen zu können. Und das musste man ihr lassen, sie wusste mit ihrem Sexappeal umzugehen. Wie sie ihren Körper gezielt einsetzte, jede Geste, jede Berührung nutzte um ihn die Eindeutigkeit ihrer Absichten zu verdeutlichen. Sie machte das wirklich geschickt, ihre Reize dabei unaufhörlich ins Spiel bringend. Zum Glück kannte er diese Art von Verhalten nur zu gut. Fast immer kam es so zu seinen intimen Abenteuern. Er selbst hatte so gut wie noch nie irgendwelche Bemühungen anstreben müssen um sein Ziel zu erreichen. Dafür sorgten schon die meist so entschlossenen Frauen wie eben diese Rei. Sie kamen zu ihm und machten es ihm mehr als einfach. Und wie gut es sich einfach alles ergeben hatte. Sogar Sarahs wirklich amüsante Aktion mit dem Wasser. Er hatte sich ein Lachen verkneifen müssen, aber auch dies fügte sich nahtlos in die Kette der Ereignisse ein. Mokuba hatte ihn hierher geschickt. Rei hatte ihn genau richtig abgepasst, oder ihm auch aufgelauert und Sarah…nun sie würde wohl bald aus den Toiletten kommen und dann… Es war einfach unglaublich wie gut alles zusammenpasste, ohne viel dazu tun zu müssen. Er sah zu der jungen Frau hinab, deren an ihn gedrückte Brüste er bereits durch sein Shirt fühlen konnte. Sie schien wirklich äußerst entschlossen. Das Gesicht war ebenmäßig, die Lippen voll und der erotische Ton ihn ihrer Stimme dominant, während sie leise mit ihm sprach. Sie war nicht übel, wirklich nicht. Sie wusste was sie wollte, war bereit so ziemlich alles einzusetzen um ihr Ziel zu erreichen und auch ihr Selbstbewusstsein in dieser Situation war beeindruckend. Nein, Rei hatte durchaus ihr Vorzüge und Reize. Eine Bewegung lies ihn den Kopf heben. Da Rei nicht allzu groß war, sie reichte ihm nicht einmal bis zum Kinn, konnte er bequem über ihren Kopf hinweg sehen. Sarah kam soeben aus den Damentoiletten herausgetreten, hob soeben den Blick und sah zu ihnen hinüber. Beinahe angespannt hielt er den Atem an. Was würde sie nun tun? Gerade noch konnte er sich verkneifen die Stirn in Falten zu werfen, sie hatte sie beide entdeckt, doch er hatte irgendwie eine andere Reaktion von ihr erwartet. Von Erstaunen oder Überraschung war nicht die geringste Spur in ihrem Gesicht zu finden. Rei schien nicht bemerkt zu haben, dass Sarah gerade an ihnen vorbeizugehen im Begriff war und er selbst dieser Frau mehr Aufmerksamkeit schenkte, als jener direkt vor sich, an seinem Körper. Doch Rei hatte nur Augen für ihn…und Hände. Von Sarah oder ihrer Umgebung bekam sie überhaupt nichts mit. Sarah kam soeben auf gleicher Höhe mit ihm, drehte den Kopf in seine Richtung…immer noch hielt er den Atem an, versuchte aber seinen Blick gleichgültig wirken zu lassen. War es womöglich zu auffällig, dass er sie die ganze Zeit ansah, obwohl er mit Rei an seiner Brust an der Wand gelehnt dastand? Endlich, eine Reaktion von ihr. Ein kurzes und knappes Nicken in seine Richtung, über Reis Kopf hinweg. „Seto.“ Ihn mit diesem Gruß bedenkend, drehte sie den Kopf wieder nach vorne und ging weiter, vermutlich zurück zum Tisch. Das war es? Das war alles was sie an Reaktion aufzubringen vermochte? Ein rasches Nicken im Vorbeigehen und ein einfaches 'Seto', welches vollkommen tonlos, ungerührt von ihren Lippen gekommen war? Nicht einmal die Zeit zum Anhalten hatte sie sich genommen. Ein kurzer Blick in seine Richtung ansonsten keine Gefühlsregung, keine Anzeichen der Erschütterung. /Seto/ Ihre Stimme hallte ihn seinen Ohren. Das einzige was sie dazu zu sagen hatte, war sein Name? Und das so gänzlich unbeeindruckt. /SETO/ Das so gleichgültig ausgesprochene Wort dröhnte mit ihrer Stimme durch seinen Kopf. Das war noch schlimmer als das 'Kaiba' von heute morgen. Das hatte ihn zwar schon genügt, da sie ihm seinen Namen derartig verächtlich und aufgebracht entgegengespieen hatte, als wäre es ein Schimpfwort. Doch wie er nun erkennen musste, war das nichts im Vergleich zu dem hier gewesen. Jetzt hatte sie zwar endlich wieder seinen Vornamen benutzt, aber in dieser Situation…Heute morgen hatte sie wenigstens noch Emotionen gezeigt, offenbart, dass er etwas in ihr auslöste, doch nun schien ihr sein Handeln, ja sein ganze Person vollkommen uninteressant zu sein. Ihn in so einer Situation zu sehen hätte doch irgendeine Art von Reaktion entlocken müssen. Irgendetwas. Er hatte erhofft sie würde…. Doch stattdessen…war es ihr vollkommen egal. Er sah zu der Frau hinab, die sich bei Sarah kurzen aber deutlich zu vernehmenden Gruß in ihre Richtung gedreht hatte. Sarahs Rücken schickte sie nun ein kurzes Siegerlächeln hinterher. Sie war erfolgreich aus diesem 'Wettkampf' hervorgegangen, zumindest sah sie es so. Nun drehte sie sich wieder, immer noch ihren Oberköper eng an ihm, zu ihm herum und blickte ihn abermals mit diesem verheißungsvollem Lächeln an. Da war sie also nun…Rei, die sich willig an ihn drängte. Doch ihm war gerade jede Lust vergangen. Was sollte er mit dieser Frau nun noch tun? Jetzt, nachdem Sarah… Ich ließ mich mit einem erschöpften Seufzen in den bequemen Stuhl niedersinken. Mir war nach schlafen zumute. Einfach die Augen schließen und nichts mehr sehen oder hören müssen. Ich war so müde…war so erschöpft. Mokuba sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an und schien mich zu mustern. Doch zu meiner Überraschung nicht meine Bluse um zu sehen ob er Fleck nun beseitigt war, sondern direkt in mein Geicht. Was sah er mich denn so forschend an? Ich hob eine Augenbraue und stellte somit eine stumme Frage. „Wo ist denn mein Bruder?“ Jetzt war ich überrascht. Warum fragte er das ausgerechnet mich? „Seto kommt gleich.“ Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen wurde mir die bittere Ironie der Zweideutigkeit bewusst. Oh ja, Seto würde gleich kommen, auf die eine oder andere Art. Ich konnte nicht anders als ein leises aber durchweg verbittertes 'Ha' von mir zu geben. Mokuba würde es nicht verstehen und er brauchte es auch gar nicht. Ich wand meinen Blick von Mokuba ab um seinen misstrauischen Augen zu entgehen, die mir jedes versteckte Geheimnis herauszukitzeln versuchten. Mein Blick viel auf ein halbgefülltes Wasser und einer danebenstehenden Evion Flasche. Man hatte mir also ein neues Wasser gebracht. „Das Essen dürfte jeden Moment kommen. Man hat uns auch einen neuen Kellner zugeteilt…vorsichtshalber nehme ich einfach mal an.“ Ein kurzes Kopfnicken auf meinen Oberkörper. „Masao oder Masaru oder so ähnlich. Keine Ahnung, ich habe es vergessen.“ „Ah, Rei bedient uns also nicht mehr?“ Meine Stimme klang weit entfernt, während mein Blick weiter ins Leere gerichtet war. „Nein, man wollte wohl einen zweiten Unfall vermeiden.“ Mokuba grinste schelmisch. Nun, das erklärte dann auch, warum Rei die Zeit gefunden hatte sich an Seto heranzumachen und vor allem die Möglichkeit. Nun arbeitete sich nicht für ihn, riskierte also nicht rauszufliegen, weil sie etwas mit einem ihrer Gäste angefangen hatte. Natürlich, jetzt wurde einiges klarer…nur nicht besser. „Ah.“ War das einzige was ich noch zu sagen vermochte. Mein Blick wurde verschwommen unscharf, aber ich war zu erschöpft um mich zu konzentrieren um ihn wieder scharf zu stellen. Ich wollte einfach nur noch meine Ruhe haben. Mich in mein Bett legen und unter der Decke verkriechen. Ich sah auf, als Seto sich mir gegenüber auf seinen Stuhl niederließ. Fast automatisch wanderte mein Blick an ihm hinunter, als erwarte ich einen offnen Reißverschluss oder ein verrutschtes Shirt, einfach irgendein verräterisches Zeichen. Doch ich fand keines und die Zeit wäre dafür wohl auch einfach zu kurz gewesen. Es hätte vermutlich nicht einmal für eine schnelle Nummer auf dem Klo gereicht. Sollte ich nun froh darüber sein, dass er Rei abgewiesen hatte? Aber vielleicht hatte er sich auch für später mit ihr irgendwo verabredet? Wer konnte das schon sagen? Zumindest hatte mir die ganze Sache wieder einmal offenbart, wie verletzlich ich bei diesem Mann doch war…und in welcher unmöglichen Reichweite er sich von mir befand. Setos Mine war erstaunlich unzufrieden. Ich hatte beinahe ein selbstzufriedenes und kaltes Lächeln erwartet, schließlich war er soeben wieder einmal erfolgreich bei einer Frau gewesen, doch er wirkte nicht erfreut, eher ganz im Gegenteil! Ich warf die Stirn kurz in Falten, darüber grübelnd, was ihn nun schon wieder nicht passte, doch wurde von seiner ebenso schlecht gelaunten Stimme unterbrochen. „Das Essen kommt.“ Ich drehte meinen Kopf herum und sah einen jungen Mann auf uns zukommen, der das bestellte und wohl unglaublich gut schmeckende Essen brachte. Mir war nicht nach essen und hatte schon gar keinen Appetit mehr, aber ich wollte Mokuba nicht enttäuschen, der schon wieder seinen Blick zwischen Seto und mir hin und her wechseln ließ. Was hatte er heute nur damit? Der Kellner stellte das Essen vor uns ab, erklärte jedem noch einmal ausführlich was wir gerade serviert bekommen hatten und verschwand auch schon wieder. „Lasst uns essen.“ War abermals Setos kurzer Kommentar. Es herrschte eine seltsame Stimmung am Tisch. Ich wusste warum ich mich niedergeschlagen fühlte, aber warum war Seto so schlechter Laune? Und Mokuba…der arme Kerl konnte nun wirklich nichts dafür. Er hatte es doch nur gut gemeint und nun saßen wir hier und schwiegen uns an. Aber mir war nicht nach reden zumute und Seto offenbar auch nicht. Er nahm einen kleinen Schluck von seinem Kaffee, verzog allerdings sofort angewidert das Gesicht und stellte die Tasse wieder ab. „Kalt! Ich hab es doch gesagt!“ Ein kurzer fast vorwurfsvoller Blick zu Mokuba hinüber, doch der Grund dafür wollte mir einfach nicht klar werden. Und das galt auch weiterhin, als der Junge mit einem kurzen Schulterzucken und unschuldigem Lächeln seinem Bruder Antwort gab. Was die beiden nun schon wieder hatten? Beinahe vollkommen schweigend nahmen wir unser dennoch vorzügliches Essen ein. Das Restaurant war ohne Frage zurecht als eines der Besten bekannt. Zumindest was das Essen anbelangte…bei dem Personal…besonders bei den Kellnern gelangte ich da nicht zu dieser Auffassung. - Verbitterte Eifersucht, du hast mich fest mit deinen kalten Armen umschlossen. - Also…vielleicht wundert sich der eine oder andere, dass es diesmal etwas „kurz“ geworden ist…nun ja, im Vergleich zu sonst meine ich, aber dazu muss ich sagen, eigentlich war dieser ganze Teil noch für das 20 Kapitel geplant gewesen, doch da dies ohnehin schon so lang geworden ist, hab ich es eben aufgeteilt. Gut, nun zum Kapitel selbst. Tja, was hat den guten Seto wohl nur geritten? Hm, ich wollte es in seinen Gedanken nicht offen sagen, habe auch gerade die entscheidenden Wörter weggelassen, was er sich nun genau von Sarah erhofft oder was er erwartet hat. Aber sagen wir es so, der aufmerksame Leser findet schon den einen oder anderen Hinweis in seinen Gedanken. Was das ganze nun sollte und ob es wirklich nur ein Zufall war, was ihn dazu verleitet hat sich auf Rei einzulassen…XD (gebe ich gerade schon wieder mal die Lösung vor? Ach ja, ich kann´s eben nicht lassen.) Zu Rei Yuyama an sich nun. Tja, ich Gute hat mir wirklich Mühe gemacht. Vor allem weil ich als ich angefangen habe das 21. Kapitel zu schreiben immer noch nicht wusste, wie genau ihre Charakter nun eigentlich sein sollte. Ich habe einfach darauf vertraut, dass sich das beim Schreiben dann ergeben würde…und ja, im Grunde hat es funktioniert. Also es ist mir wichtig zu sagen, dass Rei an sich keine miese Schlampe ist, die nur darauf aus ist meinem OC zu quälen und zu demütigen. Also nicht die typische OC-Gegenspielerin. Viel mehr wollte ich ausdrücken, dass sie an Seto interessiert ist, aber glaubt, Sarah wäre eventuell seine Freundin. Deswegen ist sie unfreundlicher zu ihr, lächelt sie nicht so nett an, aber sie will ihr deswegen nicht schaden. Sie sieht einfach nur die Konkurrenz in Sarah. Das mit dem Wasser war also wirklich nur ein Missgeschick, Rei hat das nicht mit Absicht getan, aber ist deswegen nicht wirklich traurig, eben weil sie Sarah nicht mag. Doch keine Absicht okay? Dafür liebt Rei ihren Job zu sehr und ist auch zu gut darin. Sie will schließlich nicht rausfliegen. Außerdem wäre das wirklich schlecht für den Ruf des Restaurants, wenn jede Kellnerin gleich die weiblichen Gäste attackiert, nur weil sie auf deren Männer scharf sind! Also die haben bei der Einstellung schon genau geprüft, wie die Persönlichkeit der Angestellten zu den Anforderungen des Restaurants passen ^.- Also Rei nicht als miese Schlampe beschimpfen, ja?…Außerdem…ja sie hat sich an Seto rangemacht, aber dazu gehören immer noch zwei und er ist ja schließlich auch drauf eingegangen…vor den Toiletten *vielsagend lächel* Gut, insgesamt mal wieder ein echt grausames Kapitel…arme Sarah, aber so muss es eben sein. ^.^ Denn genau dafür ist es mein absolutes Lieblingskapitel. Weil es eben so herrlich gemein ist…und das zu im Grunde zu jedem einzelnen der Charaktere. *evil grins* Doch dafür war Mokuba natürlich um so lieber,. Tja er versucht es eben immer wieder und ist echt hartnäckig. Er sieht es eben als Ziel Seto und Sarah dazu bekommen Freunde zu werden…das sein ganzer Plan dann derartig nach hinten losgeht…und er das nicht einmal mitbekommt (!), na ja, dafür kann er ja nun wirklich nichts. Er hat es lediglich gut gemeint. Es war eben einfach Pech, dass es so gekommen ist. (oder aber auch nur die Bösartigkeit des Autors…XD) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)