Magenta I von Maginisha (Willkommen in der World of Warcraft) ================================================================================ Kapitel 12: Geister, Götter und Dämonen --------------------------------------- „Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist rot.“, verkündete Pizkol vergnügt. "Hghngn!", antwortete Magenta. "Falsch!", frohlockte der Wichtel. "Rate noch mal!" Magentas Blick gab daraufhin deutlich zu verstehen, wohin sich der Wichtel seine Frage stecken konnte. Und, so fuhr der Blick fort, es könnte sogar sein, dass die junge Hexenmeisterin ihm dabei zur Hand gehen würde, sobald sie nicht mehr an diesem lebensbedrohlichen Abgrund herumhing. Der Wichtel bedachte den Blick mit arroganter Nichtachtung. Vorsichtig blickte die Hexenmeisterin an ihrer Schulter vorbei nach unten. Dort türmten sich…nun ja zumindest einigermaßen spitze Felsformationen auf. Vielleicht auch nicht wirklich spitz, aber auf jeden Fall hart, wenn man aus dieser schwindelerrengenden Höhe darauf hinunter fiel. Zwei Meter in etwa. Wie mochten ihre Chancen sein, dort unten unbeschadet anzukommen? Vermutlich höher als die, dass sie es schaffen würde, sich wieder an dem Felsvorsprung empor zu ziehen, von dem sie so eben abgeglitten war. Entschlossen holte Magenta tief Luft und ließ los. Auf dem Weg nach unten wurde ihr klar, dass es eigentlich alles nur Pizkols Schuld war. Seit sie im Hafen von Auberdine auf die ersten Nachtelfen gestoßen waren, hatte er nicht aufgehört über Magentas Naivität und ihre Unselbstständigkeit zu lästern. Das hatte dazu geführt, dass sie sich allem Spott zum Trotz ganz allein durch die dunklen, nebelverhangenen Wälder von Darkshore und die leuchtend bunten Flora von Ashenvale geschlagen hatte. Immer auf der Suche nach einem Weg ins Brachland, das, wie ihr ein Mitreisender verraten hatte, südöstlich von Auberdine liegen musste. Magenta war keine Leuchte, was Geographie anging, aber sie konnte ungefähr sagen, in welche Richtung sie gehen musste. Nur dass in genau diese Richtung dummerweise nie irgendwelche Wege führte. Bis sie an diesen Torbogen gekommen war… Mitten im Wald hatten große, violette Säulen vor ihr aufgeragt. Unverkennbar war es ein Bauwerk elfischer Herkunft gewesen. Kurz zuvor war sie an einer Stadt der Nachtelfen vorbeigekommen, deren Häuser ebenso gebaut gewesen waren. Sie hatte sich allerdings nicht getraut näher heran zu gehen, sondern war lediglich am Stadtrand herumgeschlichen und schließlich geflohen, als ein paar Schildwachen sie entdeckt hatten. Doch jetzt eröffnete sich hinter diesem Tor ein Weg durch die dreimal verwünschten Berge, an deren Abhängen Magenta schon die ganze Zeit nach einem Pass gesucht hatte. Laternen hatten das Innere des Tunnels mit mildem, silbernem Licht erfüllt und mit Staunen hatte Magenta die fein aus dem Gestein herausgearbeiteten Erzadern betrachtet, die in jedem Zwergentunnel das Erste gewesen wären, was die Tunnelbauer daraus entfernt hätten. Was sie auf der anderen Seite fand, war jedoch alles andere als berauschend: Unter einem roten Himmel, von dem eine blasse Sonne herniederbrannte, breitete sich eine steinige, mit krüppeligen Nadelbäumen bewachsene Berglandschaft aus. Nicht genug damit, dass die Landschaft alles andere als ansprechend war, sie hielt auch noch Fallgruben oder besser gesagt Fallklippen für in der Kletterei ungeübte Hexenmeisterinnen bereit. „Uff.“, machte Magenta, als sie auf dem knochenharten Boden aufkam. Ein scharfer Schmerz zuckte durch ihre Beine bis zur Hüfte, verflog aber ebenso schnell wieder, wie er gekommen war. „Glück gehabt.“, murmele sie, drehte sich um und erstarrte. Vor ihr hockte ein riesiges, haariges, grünes Untier. Lidlose Augen starrten sie gierig an, vor Gift tropfende Kieferscheren klappten bei ihrem Anblick mehrmals auf und zu, als überlegten ihre Besitzerin, wo sie am besten zubeißen könnte, und definitiv mehr Beine, als Magenta für gut befand, krabbelten langsam auf sie zu. „Eine Spi…eine Spi…eine Spinne.“, hauchte Magenta entsetzt. Sie füllte sich plötzlich nach Duskwood zurück versetzt. Allerdings waren die Exemplare der arachniden Gattung dort so nett gewesen, sich angemessen in Bäumen und Büschen zu tarnen. Dieses Spinnentier machte jedoch mit seiner giftgrünen Farbe überhaupt keinen Hehl aus seiner Anwesenheit und streckte seine oderarmdicken Vorderbeine nach der jungen Hexenmeisterin aus. Wobei Magenta unsinnigerweise die Frage in den Kopf schoss, wie viele Vorder beine eine Spinne nun eigentlich hatte. Vier? Oder zwei vorne, zwei hinten und zwei Paar Mitte lbeine. Spinnen waren einfach unübersichtlich, entschied sie schließlich. Und unappetitlich. „Ksch, mach dass du wegkommst.“, rief Magenta in der einfältigen Hoffnung, die Spinne würde vielleicht einfach von ihr ablassen. „Pizkol, tu doch was!“ Der Wichtel sah von seinem sicheren Felsvorsprung herab. „Wer von uns ist denn die mächtige Hexenmeisterin? Du oder ich?“ „Feigling.“, fauchte Magenta. Sie musterte die Spinne, die immer noch die Vorderbeine erhoben, sie aber noch nicht angegriffen hatte. Irgendwie erschien Magenta das merkwürdig. So schwer es ihr fiel, riss die Hexenmeisterin ihren Blick von dem Untier los und begann die Umgebung abzusuchen, bis sie schließlich etwas Interessantes entdeckte: Am Fuß eines nahen Baumes klebten mehrere, weiße Kokons. Die etwa kniehohen Gebilde zuckten und wanden sich und man konnte die Spinnenjungen unter der seidenen Oberfläche zappeln sehen. Die Spinne ließ ein warnendes Zischen hören und machte einen halben Schritt auf Magenta zu. Instinktiv wich die Hexenmeisterin in gleichem Maße zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Felswand. “Also schön.“, knurrte sie. „Ich schlage vor, du krabbelst da hinten zu deinen Jungen zurück und ich verzichte darauf, dir ein Loch in den Bauch zu brennen. Hört sich das nach einem fairen Geschäft an?“ Die Spinne starrte Magenta aus kleinen, schwarzen Augen an. Es war nicht erkennbar, ob sie die Hexenmeisterin verstanden hatte. Dann jedoch begann sie ganz langsam zurückzuweichen. Haariges Beim um haariges Bein stelzte sie rückwärts zu den weißen Kokons und gab schließlich den Weg frei. Vorsichtig schob Magenta sich an der Felswand entlang, ihren Blick immer in Richtung der grünen Gefahr. Erst als sie mehrere Meter zwischen sich und das Untier gebracht hatte, erlaubte sie sich wieder zu atmen. „Hey, was ist mit mir?“, hörte sie Pizkol schreien. Er saß immer noch auf dem Felsvorsprung und fand die gegenwärtige Entwicklung gar nicht komisch. „Das haben wir gleich.“, grinste Magenta und griff in ihren Rucksack. Sehr witzig, grummelte der Wichtel. Ich denke, du hast mal eine Pause verdient, gab Magenta kühl zurück. Mit Jhazdok an meiner Seite fühle ich mich hier einfach sicherer. Der Wichtel antwortete ihr nicht mehr. Offensichtlich hatte er beschlossen, den Beleidigten zu mimen. Nun gut, das sollte ihr Recht sein. Der große, blaue Leerwandler versprach sowieso ein besserer Gefährte in dieser einsamen Gegend zu sein, zumal rechts und links des Weges noch mehr dieser riesigen, grünen Spinnen lauerten. Trotzdem ergaben die Spinnen kein schlüssiges Bild. Magenta konnte sich gut vorstellen, wie diese Tiere die Wälder von Ashenvale bevölkerten. In der üppigen, grünen Vegetation wären sie wahrscheinlich kaum aufgefallen. Hier jedoch, zwischen kahlen, teilweise umgestürzten und abgeholzten Bäumen, wirkten sie merkwürdig fehl am Platz. Abgeholzt? Magenta stutze und blieb an einem Baumstumpf stehen. Harz sickerte aus den frischen Schnittsstellen und füllte die schon fast unangenehm warme Luft mit würzigem Waldduft. Dies war unverkennbar das Werk einer scharfen Axt. Und der nicht mehr existente Baum war nicht allein. Um ihn herum reihten sich Stumpf an Stumpf seine gefallenen Kameraden. Zu Magentas Füßen breitete sich ein kahler Hang aus an dessen Ende ein Fluss in der Sonne glitzerte und dahinter… „Ein Holzfällerlager?“, sagte Magenta erstaunt. Sie hatte nicht erwartet, hier auf eine solch große Geschäftigkeit zu treffen. Geblendet hielt sie die Hand über die Augen um besser sehen zu können. Zwischen den Überresten des einstmals großen Waldes lief eine große Anzahl kleiner, grüner Wesen herum, von denen Magenta vermutete, dass es sich um Goblins handelte. Es waren allerdings auch Gnolle darunter und einige wenige Menschen. Alle waren eilig damit beschäftigt, die Rodung des Waldes noch weiter voranzutreiben. Magenta konnte den Widerhall von Äxten hören, das Krachen, mit dem die uralten Bäume zu Boden fielen, und über dem Tal lag der Geruch von Rauch, der von den großen Maschinen herrühren musste, die mit erbarmungslos wirbelnden Sägeblättern die gefällten Bäume in handliche Stücke schnitten. Der Wind heulte über den kahlen Boden und trug die fruchtbare Erde davon und wenn man genau hinsah, konnte man die Öllachen erkennen, die auf dem Fluss vorbei trieben. Magenta war nicht besonders naturverbunden. Sie mochte es, wenn die Straßen eine ordentliche Wegbegrenzung hatten und das Dach über ihrem Kopf nachts aus mehr als Sternenhimmel bestand. Auch Insekten und Brennnesseln konnten ihr getrost gestohlen bleiben, aber eine derart systematische Zerstörung des natürlichen Lebensraums war selbst ihr zuwider. Auch bezweifelte sie, dass diese Goblins eine Genehmigung für ihr Tun hatten oder dass sie besonders begeistert über Besucher sein würden. Nach all diesen Überlegungen entschloss Magenta sich, einen großen Bogen um das Lager zu machen. Am Ausgang des Tals entdeckte sie schließlich ein Schild, auf dem sich bestätigte, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war. „Ende der Ländereien der Venture Co.“, stand darauf. „GEFAHR! ZUTRITT VERBOTEN!“ Vielleicht sollten die an der anderen Seite auch mal so ein Schild aufstellen, dachte Magenta ärgerlich, es kam jedoch keine Antwort aus der Zwischenwelt des schmollendes Wichtels. Achselzuckend wandte sie sich dann einer weiteren, für sie sehr viel nützlicheren Holzkonstruktion zu: einem Wegweiser. „Steinkrallengipfel…Desolace…Sonnenfels.“, las sie. „Das schon mal nicht. Hochwipfeltal? Was für ein dämlicher Name. Scherwindklippe…da komm ich gerade her. Und da ist es ja: Brachland. Siehst du, Jhazdok, ich hab´s gefunden.“ Der Leerwandler sah Magenta aus unbeteiligt glühenden Augen an. Als sie ihn weiterhin streng ansah, warf er schließlich in verachtender Begeisterung die rauchigen Arme in die Luft. „Na bitte, es geht doch.“, murmelte Magenta zufrieden und machte sich auf den Weg. Als es dunkel wurde, erreichte sie ein weiteres Tal. Müde stolperte sie den abgetretenen Weg hinab. Die Landschaft um sie herum hatte sich in den letzten Stunden wenig gewandelt. An den kargen Hängen der Felsmassive spross hartes Gras und dazwischen wuchsen von Wind und Wetter gezeichnete Nadelbäume in einen wolkenlosen Himmel. Umso überraschter war Magenta, als sich plötzliche vor ihr eine Siedlung aus der Dämmerung erhob. Das Aussehen der Gebäude jedoch ließ ihre Schritte langsamer werden. Spitz zulaufende Holzgestelle waren mit dünnen Lederplanen bespannt worden und zwischen ihnen ragte ein mehrere Meter hoher Holzpfahl in die Höhe, der mit Farbe und Schnitzereien verziert worden war. Im Dämmerlicht konnte Magenta schaurige, vogelartige Gesichter ausmachen, deren aufgemalte Augen furchterregend auf sie herabstarrten. Allerdings brannte nirgendwo ein Feuer und der Nachtwind pfiff durch die durchlöcherten Wände der kreisförmig angeordneten Behausungen. Wer auch immer hier gewohnt hatte: Er war schon lange Zeit fort. Unsicher stolperte die Hexenmeisterin zwischen den verlassenen Zelten herum. Ein Vogel schrie in der Nacht und etwas knackte in ihrer Nähe. Magenta hielt den Atem an und lauschte. Doch das Geräusch, das sie gerade noch gehört hatte, war verstummt. Langsam schlich sie weiter, und das Geräusch kehrte zurück. Blitzschnell duckte Magenta sich zwischen die Überreste einer der verwüsteten Behausungen und lauschte. Doch wieder war das Geräusch verschwunden. Hatten ihre Sinne ihr einen Streich gespielt? War das, was sie gehört hatte, nur das Echo ihrer eigenen, unsicheren Schritte auf dem von Trümmern gespickten Sandboden gewesen? Magenta wusste es nicht, aber sie beschloss, dass, wer auch immer sie vielleicht verfolgte, zu ihr herein kommen musste, um es mit ihr aufzunehmen. Sie rutschte noch ein wenig näher an Jhazdok heran, der ihr wie ein nachtblauer Schatten gefolgt war und dessen Augen die einzige Lichtquelle in der Nähe zu sein schienen. Und so wartete sie. Es raschelte und knackte im Gebüsch. Unwillkürlich fasste Risingsun ihren Kriegshammer fester. Die junge Frau saß mutterseelenallein auf einem bemoosten Baumstumpf inmitten eines grünen Chaos aus Vegetation und lauschte den Geräuschen, die sich, wenn auch nicht gezielt, auf sie zu bewegten. Sie wusste was dort kam; zumindest ahnte sie es. Immerhin hatte sie sich selbst in ihre gegenwärtige Situation gebracht und hegte nicht ohne Grund, gewisse Erwartungen daran, was gleich geschehen würde. Sie hatte die Gruppe verlassen - zum Wohle der Gruppe. Diese auf den ersten Blick unverständlich aussehende Entscheidung war von ihr gut durchdacht worden. Sie hatte es getan, weil es richtig war, es zu tun. Und Risingsun hatte Erfahrung darin, das Richtige zu tun. Sie hatte feste Überzeugungen, für die sie einstand, egal was für Konsequenzen sich daraus ergaben. Wieder raschelte es hinter der Blätterwand. Mehrere Wesenheiten befanden sich unbezweifelbar auf dem Weg zu ihr. Es konnte nur noch wenige Augenblicke dauern, bis sie die letzte, schützende Bastion durchbrachen und vor der einsamen Paladina standen. Ein wenig unruhig rutschte Risingsun auf ihrem Sitzplatz hin und her. Ihr Eid verpflichtete dazu, das menschliche Leben zu schützen, mit allen Mitteln die ihr zur Verfügung standen. Wenn es zum Beispiel galt, einer mordlustigen, gottlosen Kreatur den Schädel einzuschlagen, so musste auch das getan werden. Aber, so lautete ihre feste Überzeugung, wenn man sich entschied, fragwürdige Mittel einzusetzen, so oblag es jemandem mit festen moralischen Prinzipien diese Entscheidungen zu überwachen und sie zu prüfen. Man durfte nicht nachlässig werden, die Richtigkeit seines Tuns abzuwägen, sonst erlag man schließlich den Versuchungen der Macht. Welchem Paladin fiel nicht das berühmteste aller Beispiele dazu ein? Der Zweck durfte für einen Paladin niemals die Mittel heiligen. Wispernde Stimmen waren nun zu hören; die Ankömmlinge waren somit offensichtlich humanoider Natur. Es war nicht zu verstehen, worüber sie redeten, aber anscheinend waren sie auf der Suche nach etwas Bestimmten. Vibrierende Anspannung erfasste die Paladina und ihre Fingerknöchel traten weiß über dem polierten Griff ihres Hammers hervor. Jeden Moment mussten die Gestalten Risingsun erreichen und dann würde sich erweisen, ob ihre Entscheidung richtig gewesen war. Nicht, dass sie daran gezweifelt hätte, doch ein kleiner Rest Unsicherheit blieb. Die vergangenen Fehlschläge waren auch an ihr nicht spurlos vorbeigegangen und sie wusste jetzt, dass auch sie Fehler machen konnte. Wenn dies ebenfalls ein Fehler gewesen war, so war es vermutlich ihr letzter. Die sie umgebenden Geräusches des Urwaldes, der Vogellärm, das Rauschen der unzähligen Blätter und das Tosen des nahes Flusses, minimierten sich in Risingsuns Wahrnehmung zu einem undeutlichen Hintergrundmurmeln. Ihre Sinne fokussierten sich ganz allein auf die näher kommenden Bewegungen, die hastigen Schritte auf dem von Lianen überwucherten Boden und das eindeutige Klirren einer Kettenrüstung. Ein gewaltiger Schlag ließ einen jungen Baum zur Seite kippen und dann stand der erste der Ankömmlinge nur wenige Schritte von Risingsun entfernt auf der Lichtung. Blitzartig schnellte die Paladina empor. Sie überwand binnen Sekundenbruchteilen die Distanz zwischen sich und dem verblüfften Mann, erhob die waffenlose Hand und bohrte dem Krieger ihren Zeigefinger in die Brust. „Ha, ich hab´s euch doch gesagt.“, rief sie ein wenig lauter als gewollt aber mit Triumph in der Stimme. „Ihr seid im Kreis gelaufen.“ Betroffen sahen ihr die vier restlichen Mitglieder der Truppe entgegen. Bladewarrior schielte unsicher nach dem Zeigefinger, der immer noch seine Haut malträtiert hätte, wenn er nicht durch das Kettenhemd geschützt gewesen wäre, Schakal gab sich unbeteiligt und versuchte auszusehen, als wäre er gar nicht da, und Abumoaham machte ein fassungloses Gesicht. „Also schön, du hattest Recht.“, gab Emanuelle als Erste zu. „Wir sind im Kreis gelaufen und haben keine Ahnung, wo wir lang müssen.“ „Ich das nicht verstehen.“, murmelte Abumoaham. „Ich sicher, dies sein richtiger Weg.“ Der Magier ließ sich auf dem Baumstumpf sinken, von dem sich Risingsun so eben erhoben hatte. Mit geschlossenen Augen, den Kopf leicht schräg gelegt saß er eine Weile lang da und tat gar nichts. Man hätte meinen können, er sei eingeschlafen. Die anderen wechselten stumme Blicke, konnten sich diese Schauspiel jedoch nicht erklären. Schließlich fasste sich Bladewarrior ein Herz und ging auf ihn zu. „Was…“, begann der junge Krieger, doch seine Frage wurde von einer energischen Handbewegung Abumoahams unterbrochen. „Psst.“, flüsterte der. „Ich hören etwas.“ Angestrengt lauschten nun auch seine Begleiter auf ein verräterisches Geräusch. Das war allerdings zwischen dem ganzen Vogelgesang, dem Zwitschern und Pfeifen und dem ständig vorhandenen Bätterrascheln nicht leicht auszumachen. Wenn man allerdings genau hinhörte, konnte man eine gewisse, sich immer wieder wiederholende Folge von dumpfen Lauten erkennen, die ein fachkundiges Ohr als Trommelschläge identifiziert hätte. „Dort Trolle.“, flüsterte Abumoaham. „Na prima.“, jubelte Emmanuelle und wollte schon durch die Büsche hüpfen, als Abumoaham sie gerade noch am Kragen erwischte und mit eiserner Hand festhielt. “Das nicht die Trolle, die suchen wir.“, erklärte er leise. „Ich erkennen Trommelgesang. Das sein Skullsplitter-Trommeln.“ „Oh nein.“, entfuhr es Emanuelle. „Heißt das, sie werden uns unsere Schädel spalten, die Gehirne herauslöffeln und dann Suppe davon kochen? Werden sie uns mit stumpfen Messern ausweiden und unser Glieder über dem Feuer rösten, bis das Fleisch herunterfällt? Werden sie…“ „Nein.“, unterbrach Abumoaham die eifrige Gnomin. „Das nur heißen, wir gelaufen falsche Richtung. Wenn wir seien leise, wir können vielleicht umgehen Ruinen von Zul`Manwe.“ „Ich würde sagen, das ist die beste Idee seit Stunden.“, verkündete Risingsun und deutete in die dem Trommelklang entgegengesetzte Richtung„Also los, wir gehen jetzt hier lang.“ Die Paladina schulterte ihren Kriegshammer, bog entschlossen um einen Busch und stand vor einem Troll. Das Wesen war riesig: Sein Körper war mindestens doppelt so breit wie ein normaler Mann, die enormen Stoßzähne waren fast so lang wie Risingsuns gesamte Arme und er überragte sie um mehr als zwei Köpfe. Tätowierungen waren überall auf seiner grauen Haut zu sehen und seine fahlen Augen lagen in tiefen Höhlen. Entsetzt stolperte Risingsun rückwärts, ihre Füße verfingen sich in einer Wurzel und ehe sie sich versah, lag sie rücklings auf dem Boden und starrte zu dem Monster empor. Hinter sich hörte sie ein entsetztes, gnomisches Luftholen, das Anheben einer großen Keule und das Geräusch, das ein Dolch machte, den man möglichst leise und unauffällig aus seinem Gürtel zog. Der monströse Troll schnaubte abfällig, holte mit seiner Hand aus und griff zu. „H-Hilfe?“, krächzte Risingsun, doch da hatte der Troll sich schon zu ihr heruntergebeugt und sie kurzerhand wieder auf die Füße gestellt. „Du solltest aufpassen, wo du hintrittst, kleine Lady.“, grollte er dumpf und musterte Risingsun aufmerksam. „Ah, einer von der Sorte.“ „Jin´rokh!“, rief Abumoaham erleichtert. „Ich nicht gedacht, dich zu sehen hier.“ Der Troll grinste Abumoaham zu. „Ich bin auch nicht freiwillig hier. Ana'thek hat wieder einmal seine Leute zu den Bloddscalp auf Raubzug geschickt. Nun wollte Exhal sicherstellen, dass das das letzte Mal war.“ „Du sein hier, um Ana'thek zu töten.“, staunte Abumoaham. „Ich immer denken, Exhal sich nicht einmischen in andere Trollstammmsachen.“ „Ja, das dachte ich auch.“, brummte der große Troll. „Wir haben genug Ärger mit den Gurubashi und Hakkari. Sie sammeln Anhänger unter den Dschungeltrollen, wo sie nur können. Aber sag deinen Freunden, sie können ihre Waffe wieder sinken lassen. Ich würde mich doch nicht an euch vergreifen, auch wenn ich zugeben muss, dass mich die Reise hierher hungrig gemacht hat. Das Fleisch der Heiden soll ja besonders saftig sein.“ Ein spitzbübisches Lächeln zog das grobe Gesicht in die Breite. Abumoaham erwiderte sein Grinsen. „Du nicht spielen mit Vorurteilen über Trolle. Wir uns verirrt. Wir gesucht Weg nach Yojamba.“ „Wieso wundert ich das nur nicht.“, gluckste der Troll. „Du hast immer noch einen Orientierungssinn wie ein Kakadu, der zu viel Kraut hatte. Also los, folgt mir!“ Zielstrebig deutete der riesige Troll in eine Richtung und begann auch sogleich damit, die kleineren Bäume auf ihrem Weg mit bloßen Händen auszureißen. Davon in seinem Ehrgeiz gepackt schloss Bladewarrior sich ihm an und zusammen erschufen sie etwas wie einen schmalen Trampelpfad für kleine bis mittelgroße Riesen. „Also schön, folgen wir dem Troll.“, seufzte Risingsun und wandte sich etwas leiser an Abumoaham. „Sag mal, wen hat er eigentlich mit Heiden gemeint?“ „Na dich.“, erwiderte der fröhlich und folgte Jin´rokh mit weiten Schritten. Der Troll führte sie auf verschlungenen Wegen durch den Dschungel, an Wasserfällen und Lichtungen vorbei, bis sie schließlich ans Meer kamen. „Ah, ich vermisst die See.“, rief Abumoaham glücklich und breitete überschwänglich die Arme aus. „Mog´awa immer sagen, ich besserer Seefahrer als Zauberer. Zu dumm, er nie gelernt schwimmen.“ Jin´rokh nickte ernst. „Er hätte dir das Boote bauen überlassen sollen. Liegt jetzt schon ne ganze Weile da unten im Meer.“ „Al´tabim immer noch übernommen seinen Platz?“, wollte Abumoaham wissen und hielt den Katzentransportkorb in die Höhe. „Ich mitgebracht kleines, magisches Problem.“ „Das wird ihn freuen. Maywiki hat nämlich gesagt, er hätte nicht mehr im Kopf als Hundeflöhe. Er betet jeden Tag zu Lokou und Ogoun gleichermaßen, dass sie ihm endlich Gelegenheit schenken, ihr das Gegenteil zu beweisen.“ „Das gut sein.“, strahlte der Magier. „Wir besser bringen schnell letzte Strecke hinter uns, bevor Abend wird.“ „Ich hab auch gleich Flöhe im Kopf von all diesen Namen.“, fluchte Risingsun leise, während sie zusammen mit Schakal, Bladewarrior und Emanuelle hinter den beiden Erinnerungen austauschenden Freunden herlief. „Und was bildet sich dieser Troll eigentlich ein, mich einen Heiden zu nennen. Mich, die ich für das Heilige Licht kämpfe.“ „Wahrscheinlich liegt das daran, dass die Trolle nun mal nicht daran glauben.“, vermutete Schakal das Offensichtliche. „Die beten zu irgendwelchen alten Göttern. Vermutlich mit Schlangen- und Tigerköpfen oder so.“ „Und wer sind diese Razakas und Gulschkikis und wie sie alle hießen?“, fragte Emanuelle. Schakal zuckte mit den Schultern. „Trollstämme nehme ich an. Ich glaube, da hat sich eh dauernd einer mit den anderen in den Haaren.“ „Genau wie die Zwerge.“, giftete Risingsun, die immer noch auf das Höchste beleidigt war. „Vorsicht, Mädchen“, sagte Schakal mit leicht drohendem Unterton. „Immerhin essen wir die Unterlegenen nicht auf. Und wir haben gepflegtere Frisuren.“ „Ich sollte mich vielleicht auch tätowieren lassen.“, überlegte Bladewarrior unterdessen. „Meint ihr, das steht mir?“ Risingsun schoss einen vernichtenden Blick auf ihn ab. „Es soll ja viele, primitive Volksstämme geben, die diese lästerliche Sitte pflegen. Ich bin mir sicher, so etwas würde gut zu dir passen.“ Damit beschleunigte sie ihre Schritte und ließ den jungen Krieger weit hinter sich. „Da ist aber jemandem eine Laus über die Leber gelaufen.“, brummte Schakal. „Ich fürchte eher, es war ein Troll.“, antwortete Emmanuelle. „War das jetzt ein ´Ja` oder ein ´Nein`?“, grübelte Bladewarrior. Nachdem er eine Weile überlegt hatte, begann er aus Langeweile, kleine Steine und Muscheln mit seiner Keule ins Meer zu befördern. Interessiert sah im Emanuelle dabei zu. „Hey, meint ihr, es gäbe Leute, die dafür Geld bezahlen würden?“, sagte sie nachdenklich. „Man könnte kleine Hütten an den Strand bauen und eine Gebühr für die Keulen und die Steine verlangen.“ „Wer kommt denn auf solche Ideen.“, prustete Schakal und schüttelte den Kopf. „Ich glaube, das kannst du getrost vergessen.“ „Schade.“, murmelte Emanuelle mit einem letzten sehnsüchtigen Blick und beeilte sich den anderen über den weißen Sandstrand zu folgen. „Das sieht nicht besonders einladend aus.“ Ceredrians Blick wanderte über die trostlose Landschaft, die sich zu ihren Füßen ausbreitete. Hinter ihnen lag eine lange, ermüdende Wanderung durch ein staubiges Ödland, in dem es außer ein paar wilden Tieren - vorzugsweise magere Kojoten und wohlgenährte Geier- zerklüfteten Felsformationen, ein paar Kakteen und gelegentlich vorbeitreibenden Windhosen nichts zu geben schien. Doch das war nichts im Vergleich zu dem, was vor ihnen lag. Grauer Boden bar jeder Vegetation so weit das Auge reichte. Kegelförmige Auswüchse hatten sich aus dem Boden geschoben und bliesen ihnen beißenden, orangefarbenden Rauch entgegen. Die Luft war aufgeheizt von den rotglühenden Lavasträngen, die überall aus dem Erdreich zu Tage traten, um dann immer zähflüssiger die aschebedeckten Hügel hinab zu fließen. Eine lebensbedrohliche Landschaft, die den Namen „Sengende Schlucht“ zu Recht trug, da sich in ihrer Mitte ein schier bodenloser Abgrund auftat. Mitleidig blickte Abbefaria auf das schwelende Skelett eines einzelnen Baumes, der am Rand der Schlucht der sengenden Hitze erlegen war. „Ich frage mich, ob diese Landschaft natürlich entstanden ist oder ob etwas anderes sie erst dazu gemacht haben. Alles hier ist tot.“ „Ein Zwerg würde dir wahrscheinlich antworten, dass auch die Steine leben.“, sagte Easygoing mit unergründlichem Gesichtsausdruck. Das war eine Abwechslung zu der schlechten Laune, die er in den letzten Stunden an den Tag gelegt hatte, weil Ceredrian den traditionellen Druidenkilt, der er jetzt trug, scherzhaft als „Rock“ bezeichnet hatte. „Wenn ich mir so ansehe, welche Kraft das flüssige Gestein hier entfaltet hat, bin ich fast bereit, ihnen Glauben zu schenken.“, fuhr Easygoing fort. Er wies mit einer Hand auf monströse, stählerne Konstrukte, die sich über die Wände der Schlucht zogen. „Allerdings würde sich die Natur vielleicht wieder erholen, wenn man die Wunden der Erde nicht künstlich offen halten würde um in ihren Eingeweiden nach Reichtum zu suchen.“ Vorsichtig wanderten die drei Nachtelfen weiter. In der Ferne waren Explosionen zu hören und das Grollen des künstlich hervorgerufenen Donners rollte wie eine dunkle Prophezeiung über das Tal hinweg. Manchmal mischten sich auch raue Rufe und das vereinzelte Klirren von Metall auf Metall in den Wind. In dieser Landschaft aus Stein und Feuer schien es in der Tat mehr Leben zu geben, als man auf den ersten Blick vermutete. Immer wieder mussten sich die Nachtelfen in den Schatten der aufgetürmten Schlackeberge verbergen, wenn eine Gruppe zweifelhafter Gestalten in ihrer Nähe auftauchte. Meist handelte es sich dabei um dieselbe Art Zwerge, die sie schon in der großen Höhle so unfreundlich empfangen hatten. Zwischen den Zwergen wankten massige, fast vier Meter hohe Gestalten schwerfällig auf und ab. „Scheint so eine Art Wachposten zu sein.“, flüsterte Ceredrian, während die drei Nachtelfen dicht an den heißen Boden gepresst auf dem Gipfel eines kleinen Hügels in Deckung lagen. „Ich frage mich nur, was das für Wesen sind.“ „Keine, denen ich begegnen möchte.“, bemerkte Easygoing pragmatisch. „Also los, machen wir, dass wir hier wegkommen.“ Noch während sie weiter schlichen, überkam Abbefaria mit einem Mal ein seltsames Gefühl. Es war, als bewegten sie sich auf etwas zu, dass eine fremdartige Energie in Wellen auszusenden schien. Ein Blick auf den zweiten Druiden verriet ihm, dass dieser es ebenfalls spürte. „Was ist das?“, fragte er, ohne eine weitere Erklärung zu geben. „Ich weiß es nicht.“, antwortete Easygoing. „In dieser Landschaft ist so vieles fremd, doch das da ist…“, er machte eine hilflose Geste, „…groß.“ Ein schauriges Brüllen folgte dieser Feststellung, ein riesiger Schatten fegte über die Nachtelfen hinweg und der ihm folgende Luftzug wirbelte sie von den Füßen. Abbefaria hörte das Schlagen gewaltiger, ledriger Schwingen und als er sich rasch aufrichtete, erhaschte er noch einen Blick auf einen Drachen, dessen schwarze Schuppen das Feuer reflektierten, dass er unter sich gegen die Aufbauten der dunklen Zwerge spie. Er brüllte noch einmal, riss den Rachen mit den messerscharfen Zähnen auf und stürzte hinab in die Schlucht. „Was zum…“, begann Ceredrian, unterbrach sich jedoch, als noch eine Gestalt hinter dem Drachen her stürzte. Diese war zwar um einiges kleiner als der schwarze Leviathan, stand ihm in seiner Schrecklichkeit aber um nichts nach. Es war die groteske Karikatur eines Kriegers, der direkt aus der Hölle zu kommen schien, mit stahlgrauer Haut, einer blutroten Rüstung und einer monströsen Axt, die Tonnen wiegen musste. Trotzdem schwenkte das Geschöpf sie mit einer Leichtigkeit herum, als wäre sie nicht mehr als ein Spielzeug, und brüllte kampflustig. Unweit hinter der Kreatur piepste eine zornige, etwas heisere Stimme. „Haaroon, komm sofort wieder her. Ich habe dir verboten…wirst du wohl!“ Die Bestie wurde zögernd, fast widerwillig langsamer und schwenkte ihren gehörten Kopf ärgerlich in Richtung der Stimme, deren Besitzer sich als reichlich derangierter Gnom erwies. Seine Kleider schwelten an einigen Stellen und seine Kopf- und Barthaare standen wie eine rotbraune Korona von seinem Kopf ab. Ärgerlich stampfte der Gnom mit dem Fuß auf - eine Geste die nicht einer gewissen Komik entbehrte, vor allem da das Ziel seines Wutausbruchs die dämonische Gestalt war, die ihn etwa um das Zehnfache seiner Körpergröße überragte. Drohend hob der Dämon die Axt. Abbefaria reagierte instinktiv. Sein Geist griff tief hinein in die geschundene Erde und fand selbst hier noch Spuren von Leben, die auf seinen Befehl hin zu wachsen begannen. Neben sich hörte er das charakteristische Knurren von Easygoing, der sich in einen Bären verwandelt hatte. Der Bär fletschte die Zähne und stürzte auf den Dämon zu, der jetzt mit Händen und Füßen darum kämpfen musste, die Oberhand über die Pflanzen und Wurzeln zu behalten, die um ihn herum aus dem Boden hervor schossen. Weißes Licht hüllte die Kreatur ein, als Ceredrian ihm die geballte Wut seiner heiligen Kräfte entgegen schleuderte. Das Wesen brüllte voller Schmerz auf. Geblendet machte es einen stolpernden Schritt rückwärts und brach in die Knie. „Halt! Aufhören! Was macht ihr denn?“ rief der Gnom und warf sich zwischen den leidenden Dämon und die wutentbrannten Nachelfen. Um ein Haar hätte Easygoing den Gnom mit einem Prankenhieb zermalmt, als ein mächtiger Zauber den Bären zurückschmetterte und einige Meter durch die Luft wirbelte. Mit einem dumpfen Laut prallte er gegen einen Felsen und blieb einige Sekunden benommen liegen. Sofort vergaß Ceredrian die geschwächte Bestie und stürzte zu seinem Cousin. Kurz bevor er ihn jedoch erreichte, verwandelte Easygoing sich wieder in seine Nachtelfenform zurück und hob warnend die Hand. „Komm mir bloß nicht zu nahe.“, knurrte er mit lodernden Augen. „Den Kerl kaufe ich mir.“ Mit einem Satz war er wieder auf den Füßen, ließ seine Nackenwirbel knacken und setzte wieder zu einer Verwandlung an. Der Gnom hingegen war zu dem verletzten Dämon gelaufen und sprang jetzt um ihn herum. „Haroon, alles in Ordnung mit dir? Haben dir diese Wilden was getan?“ Abbefarias Kopf ruckte herum. „Wir ihm?“, echote er ungläubig. „Die Frage ist ja wohl eher, ob er uns was getan hat.“ Den Gnom jedoch kümmerte dieser Einwand wenig. Konzentriert baute er sich vor dem geschwächten Dämon auf. Sine Lippen murmelten unablässig Beschwörungsformeln, grüne Flammen leckten über seine Hände und Abbefaria konnte die dunklen Kräfte fühlen, die um ihn herum pulsierten. Irgendwie kam ihm diese Empfindung vage bekannt vor, doch noch bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, woher, kam wieder Leben in die schreckliche Bestie. Seine Axt als Stütze benutzend richtete sich der Dämon wieder zu seiner vollen Größe auf. Er knurrte und sah dann zum dem Gnom hinab, der ihm liebevoll die Plattenstiefel tätschelte. „Siehst du“, quiekte der, „so geht es dir doch gleich viel besser. Und jetzt…nein Haaroon, was machst du denn?“ Der Dämon hatte sich ohne zu zögern zwischen den Gnom und den heranstürmenden Easygoing gestellt. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen prallten die beiden riesigen Leiber aufeinander. Easygoings Zähne schnappten nach der Kehle des gepanzerten Kämpfers, wären seine Krallen tiefe Wunden auf seinem relativ ungeschützten Oberkörper hinterließen. Der Dämon ließ daraufhin seine Axt fallen und stemmte sich mit beiden muskelbepackten Armen gegen den pelzigen Angreifer. Er griff wie ein Ringer um den Bären herum, ging in die Knie und hievte den massigen Körper über seinem Kopf in die Höhe. Als er jedoch ausholen wollte, um den Bären von sich zu schleudern, versagten mit einem Mal seine gewaltigen Kräfte, seine Beine knickten weg und Easygoing begrub den Dämon unter sich. „Aufhören! Aufhören!“, rief der Gnom und rannte unentwegt um die beiden Kämpfenden herum. „Nun hört doch endlich mit dem Unsinn auf. Ihr werdet euch noch wehtun.“ „Easy!“, bellte Ceredrian mit einer Stimmgewalt, die man dem schmalen Priester gar nicht zu getraut hätte. „Es ist genug!“ Beinahe greifbare Stille breitete sich aus, als hielte die Welt für einen Moment den Atem an. Dann brummte der Bär und erhob sich zögernd von dem strampelnden Dämon. Er verwandelte sich zurück und schenkte seinen Freunden ein beleidigtes Knurren „Der hat angefangen.“, murrte er und stellte sich hinter den beiden auf, den wachsamen Blick auf den Dämon gerichtet. Der hatte inzwischen wieder seine Axt in der Hand und baute sich in ähnlicher Positur wie Easygoing hinter dem Gnom auf. Blicke wie Dolche sprangen zwischen den beiden hin und her und es hätte nicht viel gefehlt, dann hätten sie sich wieder aufeinander gestürzt. „Schön, schön, schön.“, sagte der Gnom eifrig. „Da wir uns nun wieder alle etwas beruhigt haben, möchte ich mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen. Haaroon ist lediglich sehr besorgt um meine Sicherheit, müsst ihr wissen. Er meint es nicht böse.“ „Nicht böse?“, erwiderte Abbefaria. „Das ist ein Dämon, der Inbegriff des Bösen, geschaffen um zu vernichten. Ihr könnt Euch unmöglich mit einer solchen Kreatur abgeben.“ Der Gnom kicherte. „Aber ich bin ein Hexenmeister. Dämonen gehorchen mir auf´s Wort. Ich rufe sie und lasse sie verschwinden, wie es mir passt.“ Er unterstützte seine Geste mit einem Fingerschnipsen und der rotgraue Riese löste sich mit einem vorwurfsvollen „Ich komme wieder“ in Luft auf. „Seht Ihr?“, meinte der Gnom mit zufriedenem Gesichtsausdruck. „Schon ist er verschwunden.“ „In der Tat ein beeindruckendes Kunststück.“, übernahm Ceredrian kurzerhand das Wort. „Aber lasst mich Euch zunächst eine Frage stellen, bevor wir zu weiteren Höflichkeiten übergehen. Bevor eure…euer Dämon uns angriff, sahen wir einen Drachen. Wisst ihr, was es damit auf sich hat?“ Der Gnom strich sich die Haare glatt und musterte die Nachtelfen kühl. „Bevor Haaroon mich gegen Euch verteidigte, hatten wir geschäftlich mit diesem Drachen zu tun. Wir halfen ihm, ein bisschen Unruhe unter die Dunkeleisenzwerge zu bringen. Als Dank erhielten wir sein Wohlwollen und einige nützliche Gegenstände.“ „Aber es war ein schwarzer Drache.“, stieß Abbefaria wütend hervor. „Wie könnt ihr einem aus seiner Brut helfen? Schwarze Drachen sind die Feinde allen Lebens.“ Der Hexenmeister schien nun doch etwas aus der Fassung gebracht aufgrund der Heftigkeit von Abbefarias Ausbruch. „Es ist ja nicht so, dass ich das von Anfang an wusste.“, begehrte er auf. „Ich meine, er sah aus wie ein Mensch. Arme, Beine alles dran und so. Kann man ja nicht ahnen, dass er sich am Ende auf einmal in so ein geflügeltes Untier verwandelt.“ „Wie kann man nicht merken, dass man es mit einem Drachen zu tun hat.“, lachte Easygoing bitter. „Jeder Nachtelf hätte dieses Wesen schon über Meilen hinweg gespürt.“ „Ich weiß nicht, ob es Euch aufgefallen ist“, giftete der Gnom, „aber ich bin mitnichten ein Nachtelf. Und im Endeffekt ist es doch auch egal, dass mein Auftraggeber ein Drache war. Wen stört es, wenn er und diese elenden Dunkeleisenzwerge sich bis zur völligen Auslöschung bekriegen und damit den Blackrock über ihren Köpfen zum Einsturz bringen? Ich würde keinem von ihnen auch nur eine Träne nachweinen. Er hat mich auf jeden Fall nicht gefressen und wer nicht mein Freund ist, muss noch lange nicht mein Feind sein. Andernfalls müsste ich ja auch Euch dort hinten über die Klippe springen lassen.“ „Versucht das nur.“, grollte Easygoing bedrohlich und machte einen Schritt auf den Gnom zu. „Ich würde nur zu gerne sehen, wie ihr euch ohne Euren Dämon schlagt.“ „Wer hat gesagt, dass ich ohne ihn kämpfen würde?“, konterte der Gnom und beschwor den gepanzerten Krieger mit einer Handbewegung aus der leeren Luft hervor. Der Dämon, offensichtlich nicht begeistert, so schnell wieder gerufen worden zu sein, sah mit glühenden Augen zu dem Gnom hinab. „Was gibt es, Meister.“, donnerte er und schaffte es das Wort allein durch seine Betonung in das Gegenteil seiner eigentlichen Bedeutung zu verwandeln. „Seid Ihr zu schwach, um selbst zu kämpfen.“ Gegen seine Willen musste Easygoing grinsen. Bevor er jedoch weiter auf den Hexenmeister eindringen konnte, berührte Ceredrian ihn an der Schulter und schüttelte stumm den Kopf. Der Druide knurrte unwillig. „Also schön, Hexer. Verschieben wir diesen kleinen Disput auf einen günstigeren Zeitpunkt.“ „Mit Vergnügen.“, entgegnete der Gnom. „Aber wo wir gerade von Nachtelfen sprachen: Was tut Ihr in dieser Gegend?“ „Wir suchen den Weg nach Westfall.“, antwortete Abbefaria und hob auf die ungeduldigen Gesichter der anderen hin abwehrend die Hände. „Er hat gefragt.“, verteidigte er sich. „Westfall?“, hakte der Gnom nach. „Also da seid ihr ein paar Mal sehr falsch abgebogen, würde ich sagen. Der sicherste Weg nach Westfall führt durch Ironforge und Stormwind.“ Abbefarias Augen leuchteten triumphierend auf, als er seinen Freunden einen eindeutigen Blick schenkte. Warum hatten sie auch nicht auf ihn gehört? „Aber da ihr nun schon einmal hier seid“, fuhr der Gnom fort, „Führt euer kürzester Weg wohl direkt durch den Blackrock hindurch.“ Sein kurzer Arm streckte sich und wies nach Süden, wo die Nachtelfen den bedrohlichen Schatten eines großen Felsmassives ausmachen konnten, das wie ein lauerndes Tier über dem Tal schwebte. „Der Blackrock verbindet die Sengende Schlucht mit der Brennenden Steppe. Wenn ihr es dort hindurch schafft, seid ihr im Redrigde-Gebirge, zu dessen Ausläufern der Blackrock gehört. Von dort ist es dann quasi ein Katzensprung nach Westfall.“ „Worauf warten wir dann noch.“, meinte Easygoing. „Lasst uns gehen.“ Der Gnom ließ ein amüsiertes Lachen hören. „Oh ja, sicher. Drei Nachtelfen allein gegen den Blackrock. Wenn es nicht so lächerlich wäre, wäre es sicherlich eine gute Schlagzeile für die Gadgetzan Gazette.“ „Was soll das heißen?“ Easygoing war es deutlich anzusehen, dass seine nicht eben sprichwörtliche Geduld durch diesen Gnom mehr als strapaziert wurde. Der Gnom gluckste noch ein paar Mal. „Der Blackrock ist eine de gefährlichsten Gegenden, in die ihr Euch überhaupt hineinwagen könnt. In seinen Tiefen haben die Dunkeleisenzwerge eine riesige, unterirdische Stadt erbaut, in dessen Herzen der Feuergott Ragnaros selbst seinen Sitz hat. Die Spitze des Berges und die dort vorhandenen Festungsanlagen werden vom Clan der Blackrock-Orks okkupiert. Man munkelt, ihr Anführer Rend Blackhand habe einen Pakt mit Nefarian selbst geschlossen, dem ältesten Sohn von Deathwing, dem Urvater aller schwarzen Drachen.“ „Ihr sprecht diese Namen mutig aus, für jemanden der so klein ist.“, unterbrach Ceredrian den Gnom, dessen Augen vor Begeisterung glänzten. Es schien fast so, als bewundere er diese dunklen Kräfte in gleichem Maße, wie er sie fürchtete. „Größe liegt im Auge des Betrachters.“, gab der Hexenmeister zurück. „Wie dem auch sei, Ihr werdet es auf jeden Fall schwer haben, Euch dort hindurch zu schlagen.“ Die drei Nachtelfen sahen sich an. Was der Gnom erzählt, hatte klang wirklich nicht gerade verlockend. Zumal sie tatsächlich nur zu dritt waren und sich auf unbekanntem Terrain bewegten, das an allen Ecken und Enden neue, unbekannte Gefahren zu beherbergen schien. Der Hexenmeister räusperte sich. „Ich könnte Euch natürlich mein Geleit anbieten.“ „Vergesst es!“, schnappte Abbefaria. „Wir wollen nichts mit jemandem zu tun haben, der sich solch dunkler Mächte bedient.“ Er wies anklagend auf den Dämon. „Geht und nehmt Eure Höllenbestie mit.“ „Genau genommen ist das eine Teufelswache.“, berichtigte ihn der Gnom grinsend. „ Eine Höllenbestie könnte ich Euch allerdings auch beschwören, wenn Ihr das wünscht. Nichtsdestotrotz könnt Ihr nicht leugnen, dass niemand besser als Führer geeignet wäre, als jemand, der sich mit diesen dunklen Kräften, wie Ihr es nennt, auskennt.“ Ceredrian machte ein gequältes Gesicht und winkte seine beiden Freunde heran. „Ich gebe es ja ungern zu, aber er könnte Recht haben.“, wisperte er leise. „Wir mit einem Dämon unter einer Decke?“, flüsterte Abbefaria erregt zurück. „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Das ist ganz und gar gegen die druidischen Lehren.“ „Mir passt auch nicht, was dieser arrogante, kleine Kerl da von sich gibt.“, versuchte Easygoing seinen Freund zu beruhigen. „Aber ich denke, du hast genau wie ich gespürt, wie schwierig es ist, hier auf die Kräfte der Natur zu bauen. Diese Landschaft ist tot. Wir müssen uns mit jemandem verbünden, der sich hier auskennt. Sobald wir aus dieser unwirtlichen Gegend heraus sind, trennen sich unsre Wege wieder.“ „Es gefällt mir trotzdem nicht.“, murrte der kleinere Druide. „Aber du hast wahrscheinlich Recht.“ „Ich habe immer Recht.“, feixte Easygoing. „Was ich hiermit offiziell bezweifele.“, warf Ceredrian ein. „Hättest du uns nicht hierher geführt, wären wir vielleicht bereits in Westfall.“ „Ja ja, schon gut.“, knurrte Easygoing und fuhr dann lauter fort: „Also gut, Gnom, wir helfen Euch.“ Der Hexenmeister rieb sich zufrieden die Hände. „Gut. Dann lasst uns die Bedingungen für diesen Pakt zunächst einmal dahingehend festlegen, dass ihr mich nicht Gnom nennt. Mein Name ist Xârdas. Auch zu nennen Meister Xârdas, der Unaussprechliche Xârdas, Xârdas der Zerstörer oder auch Xârdas der Xenophile.“ Easygoing rollte mit den Augen. „Dieser Gnom mach mir Kopfschmerzen.“ Morgennebel hing noch an den spärlich bewachsenen Hügeln des Hochwipfeltals, aber die Luft war klar und der Tag versprach ebenso heiß zu werden wie der vorherige. Vögel sangen und ein einsames Kaninchen hoppelte über einen von Trümmern übersäten Weg, als es mit einem Mal die Ohren spitzte, um sich dann wie ein geölter Blitz in Deckung zu huschen. Nur wenige Augenblicke später hörte man Hufgetrappel auf dem harten Sandboden. Wobei Hufgetrappel für einige der Geräusche nicht der richtige Ausdruck war. Es war eher ein Stampfen, dass die Erde erzittern ließ, so dass ein kleiner Stein, der auf einem Holzbalken einer halb zerstörten Behausung gelegen hatte, von seinem Platz löste und dem Weg der Schwerkraft folgte. Magentas Augenlider flogen auf, als ihr etwas gegen die Nase prallte. Sie fuhr hoch und hätte sich beinahe den Kopf an einem überstehenden Brett gestoßen. Verflucht, eben war es doch noch finstere Nacht gewesen; doch jetzt schien von draußen wieder diese blasse Sonne herein und verriet der Hexenmeisterin, dass ihre Nachtwache ebenso erfolgreich gewesen war, wie der Versuch einer Katze das Schwimmen beizubringen. Vorwurfsvoll sah sie zu Jhazdok auf, der stumm und blau neben ihr stand und aus brennenden Augen zurück starrte. Magenta gähnte und wollte sich gerade strecken, als die näher kommenden Geräusche sie innehalten ließen. Dort draußen kam jemand. Vorsichtig bedeutete sie dem Dämon, sich nicht von der Stelle zu rühren und robbte zum Ausgang. Ganz langsam schob Magenta sich an den Ausgang heran und verharrte bewegungslos, als sie die Reiter näher kommen sah. Beinahe hätte sie vor Überraschung einen Laut von sich gegeben, verkniff ihn sich aber und beobachtete stumm die vorbeiziehende Karawane. Es waren fünf Reiter, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Allen voran ritt die breite, grünhäutige Gestalt eines Orks in schwere Rüstung gehüllt und bis an die Zähne bewaffnet. Er saß auf einem monströsen Wolf mit schwarzem Fell und heimtückisch funkelnden Augen. Ihm folgte etwas, das Magenta als Troll identifizierte. Seine langen, beweglichen Gliedmaßen passten hervorragend zu dem schlanken Aussehen seines Reittiers, einer riesigen, auf den Hinterbeinen laufenden Echse, deren muskulöser Schwanz bei jeder Bewegung hin und her peitschte. Hinter dem Troll ritten Seite an Seite zwei magere Gestalten, bei deren Anblick Magenta ein fröstelnder Schauer über den Rücken lief. Vom Körperbau und den Proportionen her menschlich, waren ihre Körper der Verwesung anheim gefallen und in ihren totenschädelartigen Augenhöhlen glühte das falsche Leben der untoten Verlassenen. Sie schnatterten und lachten kehlig, wären sie ihre Skelettpferde vorantrieben. Der letzte der Gruppe schließlich war ein mächtiger Tiermensch, ein Taure, mit braunem Fell und einer Aura von ehrfurchtsgebietender Weisheit, bei der Magenta der Mund offen stehen blieb. Der Taure saß auf einem gewaltigen, vierfüßigen Tier, dessen Schulterhöhe über zwei Meter betragen musste. Die massigen Füße bewegten sich in einem schaukelnden, fast gemächlich wirkenden Trab, während die breite Schnauze mit dem einzelnen, gegabelten Horn schnaubend auf dem Boden nach etwas Fressbarem suchte. Sofort als der Zug anhielt, begann es einige Grashalm am Wegesrand zu verspeisen, wobei es zufrieden grunzte. Womit wir die gesamte Horde zusammen hätten, schoss es Magenta durch den Kopf. Sie hatte von diesen Wesen nur aus Büchern erfahren und wenn sie sie so ansah, konnte sie nur schwer glauben, dass einmal ein Bündnis zwischen diesen Wesen und den Kräften der Allianz bestanden hatte. Sie waren so…anders. Der Troll sprang mit einem gewaltigen Satz von seiner Echse. Es beugte sich tief zur Erde, betrachtete etwas im Sand, sog witternd die Luft ein und sagte dann etwas zu seinen Begleitern. Der Ork antwortete und der Troll hob die Achseln. Unstet wanderte sein Blick umher, seine Augen taxierten jede noch so kleine Unebenheit in der Umgebung, so dass Magenta sich instinktiv tiefer in ihre Deckung zurückzog, obwohl er ihr den Rücken zudrehte. Jetzt mischte sich der Taure ein. Er wies auf die zerstörten Gebäude und erklärte seinen Begleitern offensichtlich, was er von der Sache hielt. Einer der Untoten warf etwas ein und er und sein Begleiter brachen abermals in ein Lachen aus, das selbst für Magenta mehr als boshaft klang. Der Ork brachte sie mit einem Bellen zum Schweigen. Er bedeutete dem Troll wieder aufzusteigen und winkte zum Aufbruch. Vermutlich würden sie irgendjemandem von der Zerstörung des Dorfes erzählen. Vermutlich würden dann weitere unangenehme Besucher hier auftauchen, was bedeutete, dass Magenta besser gleich als später von hier verschwand. Zu ihrem Glück setzte sich die Gruppe entgegengesetzt der Richtung in Bewegung, so dass Magenta aus ihrem Versteck kam, sobald die Geräusche der Reiter in der Ferne verklungen waren. Eilig raffte sie ihre Siebensachen zusammen und folgte dem Weg weiter hinauf in die Berge. Unmerklich veränderte sich die Gegend um sie herum. Die wenigen Bäume verschwanden, die Berge wichen weiter auseinander und gaben schließlich den Blick auf eine weite, ebene Landschaft frei. Wo vorher Grün- und Braunfärbungen das Bild beherrscht hatten, gab jetzt das trockene Gelb des allgegenwärtigen Grases den Ton an. Vereinzelte Bäume mit Stämmen, die so dick waren, dass zehn Männer nicht ausgereicht hätten, um sie zu umfassen, standen am Wegesrand und streckten ihre Äste mehr breit als hoch in den Himmel. In ihrem Schatten lagerte ein Rudel großer, gelber Raubkatzen, die jedoch zu faul schienen, um sich in der heißen Sonne auf die Jagd nach so einer mageren Beute zu geben. Um sie machte Magenta einen ebenso großen Bogen wie um die violetten Echsen, die aussahen wie das Reittier des Trolls und ebenso blutrünstig wie intelligent zu sein schienen. Große Laufvögel zogen einsam vorbei und flohen, sobald sie Magenta erblickten. Eine Herde schwarz-weiß-gestreifter Tiere preschte in wildem Galopp am Horizont entlang. Sie sahen fast aus wie kleine Pferde, waren aber stämmiger gebaut und hatten ein einzelnes Horn auf ihrer Stirn. Am faszinierendsten fand Magenta jedoch die Tiere mit dem endlos langen Hals und den braunen Flecken auf dem kurzen, gelbem Fell, die mit majestätischen Bewegungen an ihr vorbeistolzierten und sie ungefähr so interessiert betrachteten wie das trockene Gras. Sie streckten sich lieber nach den frischen Trieben und Blättern der Bäume aus und stellten sich dabei sogar manchmal auf die Hinterbeine um noch höher hinauf zu gelangen. Magentas Freude an der neuen Landschaft fand jedoch ein abruptes Ende, als vor ihr Rauch aufstieg. Der Weg, dem sie bis hierhin so arglos gefolgt war, war blockiert. Angespitzte Holstämme waren in den Boden gerammt worden und ließen nur eine schmale Lücke, die von schwer bewaffneten Kriegern bewachte wurde. Über den notdürftigen, aber effektiven Befestigungen ragte ein Wachturm auf, von dem ebenfalls aufmerksame Wachen die Landschaft beobachteten. Wer immer auch die Straße entlang kam, musste sofort in ihr Blickfeld geraten. Fluchend ging Magenta hinter einem Busch in mehr als notdürftige Deckung. „Wie soll ich denn da durchkommen?“, sagte sie mehr zu sich selbst. „Ich meine, wer stellt in dieser gottverlassenen Einöde Wachen auf? Das ist vollkommen schwachsinnig.“ Nicht wenn man verhindern, dass irgendwelche dahergelaufenen Allianzler hier durchkommen, meldete sich eine Stimme in Magentas Kopf, die sie schon fast so etwas wie vermisst hatte. Wie konntest du nur vergessen, dass du dich hier auf Feindesland befindest? Haben wir also aufgehört zu schmollen, grinste Magenta und überging den mehr als gerechtfertigten Vorwurf einfach. Na ohne mich bist du doch eh völlig aufgeschmissen, war die höhnische Antwort. Also ich würde vorschlagen, du lenkst die Truppe mit dem blauen Windsack ab und rennst dann einfach vorbei. Bis die ihn kaputt haben, bist du längst über alle Berge. Ach…und wie bekomme ich dann seine Armschienen zurück, wollte Magenta ungeduldig wissen. Das kommt überhaupt nicht in Frage, wir müssen uns was anderes ausdenken. Na das will ich sehen, frotzelte Pizkol und stellte sich in Magentas Vorstellung mit erwartungsvoll verschränkten Armen neben sie hin. Nur zu, fang an mit deinen genialen Ideen, mit denen du einem guten Dutzend voll ausgebildeter Hordenkrieger entkommst. Magenta legte die Stirn in Denkfalten. Es wäre der reine Wahnsinn gewesen, sich den Wachen zum Kampf zu stellen. Ihren Leerwandler dafür opfern wollte sie allerdings auch nicht. Vorsichtig schlich sie sich näher an den Posten heran. Die Befestigungsanlagen waren an einem natürlichen Engpass errichtet worden; rechts und links erhoben sich sanft ansteigende Hügel, die sich schließlich zu hohen Bergen auftürmten. Sie mussten aus harten Felsen bestehen, denn dort hatte man darauf verzichtet, weitere Pfähle in den Boden zu rammen, sondern lediglich eine einzelne Wache postiert. Wenn Magenta also dort durchkommen wollte, musste sie es an dieser Stelle versuchen. Das Einzige, was ihr noch fehlte, war eine ausreichende Ablenkung. In Gedanken blätterte Magenta ihr Zauberbuch durch. Feuerbrand, Schattenblitz, Verderbnis, diverse Flüche…nein das war nicht das Richtige. Furcht hörte sich im ersten Moment gut an, aber wenn die Wache voller Panik flüchtete, konnte es sein, dass sie mit jeder Menge Verstärkung zurückkam. Diese List fiel also auch aus. Der Zauber für Unterwasseratmung war ebenfalls nutzlos, denn einen See schien es hier weit und breit nicht zu geben. Schließlich blieb Magentas innerer Blick an einem kleinen, unscheinbaren Zauber hängen: das Auge von Killrogg. Benannt nach einem einäugigen Orkkrieger, der sich dämonischer Kräfte bediente, beschwor dieser Zauber ein kleines, grünlich schimmerndes Auge, das dem Hexenmeister erlaubte zu sehen, was es selber gerade sah. Vor allem aber war dieses Auge klein und nicht leicht zu fassen; damit ließen sich die Wachen sicher ablenken. Grimmig lächelnd machte Magenta sich ans Werk. Die Hexenmeisterin konzentrierte sich, murmelte die entsprechende Zauberformel und schon hing das beschworene Auge etwa auf Höhe ihrer Knöchel in der Luft. Magenta holte noch einmal tief Luft und schickte es auf die Reise. Unauffällig wie eine Schlange glitt das Auge durchs Gras und schwebte dann auf die am äußersten, rechten Rand postierte Wache zu. Es handelte sich um einen großen Tauren, der sich ab und an gelangweilt kratzte und mit dem Schweif ein paar Fliegen vertrieb. Er schien perfekt geeignet für Magentas Plan; sie musste das Auge nur von seiner enormen Axt fernhalten. Um seine Aufmerksamkeit zu erlange, ließ Magenta das Auge ein paar Mal auf und ab hüpfen, bis sich der schwer Kopf endlich in ihre Richtung drehte. Alarmiert sprang der Krieger auf und Magenta ließ das Auge ein Stück weit zurückweichen. Da ihre Sicht an die des Auges gebunden war, sah sie jetzt einen riesigen Tauren vor sich, der wie ein lebendiger Berg vor ihr aufragte. Er schnaubte verwirrt und beugte sich zu dem Auge hinab. Lockend ließ Magenta es noch einmal hüpfen und wich dann noch ein Stück vor ihm zurück. Der Taure kratzte sich erneut im Nacken und trat einen Schritt auf das Auge zu. Wieder ließ Magenta es zurückweichen. Das Ganze erschien leichter zu werden als gedacht…dann jedoch hob der Taure den Kopf und rief seinen Kameraden etwas zu. „Oh nein, nicht gut.“, murmelte Magenta und ließ das Auge schnell noch ein Stück zurückweichen. Jetzt kamen gleich mehrere Wachen im Laufschritt auf das zerbrechliche Geisterauge zu. Ein Schlag und Magentas Zauber würde sich in Luft auflösen. Blitzartig änderte sie die Laufrichtung des Auges und schoss damit zwischen den Beinen der Wachen durch. Dadurch verwirrt mussten die Kämpfer sich zunächst neu orientieren, was Magenta einen Zeitvorteil verschaffte. Trotzdem wusste sie, dass sie den Zauber nicht mehr lange aufrecht erhalten konnte und - was noch schlimmer war- sie konnte in diesem Zustand auch nicht laufen, da sie ja nur sah, was das Auge sah und nicht, was sich unmittelbar vor ihren eigenen Füßen befand. Nichtsdestotrotz sprang die Hexenmeisterin jetzt auf und lenkte gleichzeitig das Auge in Richtung des hohen Grases, Wenn sie schnell genug war, würde ihre List vielleicht dennoch funktionieren. Sie ließ das Auge in ein besonders dickes Grasbüschel hüpfen und löste den Zauber. Vor ihren richtigen Augen sah sie nun, wie viele der Wachen auf die Stelle zustürmten, an der das Geisterauge verschwunden war. Magenta kümmerte sich jedoch nicht darum, sondern nahm die Beine in die Hand und rannte auf die verlassene Stelle an der Befestigung zu. Da begann der Posten auf dem Turm begann Alarm zu schlagen. Es erklangen scheppernde Geräusche und erboste Rufe wurden hinter ihr laut. Die Wachen hatten sofort reagiert und machten jetzt Jagd auf Magenta. Die passierte im fliegenden Galopp den Wachturm und rannte um ihr Leben. Pfeile pfiffen ihr um die Ohren und eine Wurfaxt hätte ihr beinahe den Schädel gespalten. Obwohl ihre Lunge schmerzhaft protestierte und ihre Beine wie Feuer brannten, versuchte Magenta noch schneller zu laufen. Sie wusste, wenn sie jetzt nicht entkam, würde sie nie wieder die Gelegenheit haben, vor etwas davon zu laufen. Nach einer Ewigkeit, wie es Magenta schien, gaben die Wachen schließlich die Verfolgung auf. Trotzdem rannte Magenta weiter und weiter, bis der Wachposten außer Sicht war. Dann erst ließ sie sich völlig außer Atem, mit Seitenstechen und wackeligen Knien zu Boden sinken. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen und ihr Herz hämmerte wie ein irre gewordener Zwerg auf einem Miniaturambos in ihrer Brust. Aber es pumpte noch Blut durch ihren Körper und nicht aus ihm heraus und das war alles was zählte. Erinnere mich daran, dachte Magenta, dass ich nie, nie, nie wieder auf diesem Weg ins Brachland reise. Ach was, stell dich nicht so an, meckerte Pizkol zurück. Für einen Anfänger wie dich war das eigentlich eine recht gute Idee. War das etwa ein Kompliment, grinste Magenta. Würde mir nie einfallen, empörte sich der Wichtel. Also los, keine Müdigkeit vorschützen. Wir sind hier, um eine Sukkubus zu bekommen. Gehorsam setzte Magenta sich auf und sah sich um. Soweit das Auge reichte, sah sie nur gelbes Gras und ein paar vereinzelte Bäume. Irgendwo hier musste sich Takar der Seher verstecken. Jetzt galt es nur noch, ihn zu finden. Aber wie schwer konnte das schon sein… Als am Horizont die ersten Hütten der Trolle in Sicht kamen, begann die Sonne bereits tiefer zu sinken. Ihr rotes Licht tauchte die hellblauen Wasser des Südmeeres in kitschige Violett- und Azurtöne und man erwartete jeden Augenblick, dass aus den sanft an den Strand rollenden Wellen glücklich quietschenden Delfine hervorsprangen und Ketten von glitzernden Wassertropfen in die Luft schleuderten. Diese hätten dann eine recht erschöpfte Gruppe von Wanderern getroffen, die sich jetzt einem Problem ganz neuer Art gegenüber sahen. „Wie kommen wir auf die andere Seite?“, wollte Schakal wissen, der während ihrer Wanderung immer einen gewissen Sicherheitsabstand zum Meer gewahrt hatte und jegliches Mit-den-Füßen-im-Wasser-planschen, zu dem Emmanuelle ihn aufgefordert, strikt abgelehnt hatte. „Wir schwimmen.“, antwortete Abumoaham in selbstverständlichem Tonfall. „WAS?“ Schakal war stehen geblieben und sämtliche seiner vorhandenen Haare standen in eine andere Richtung ab. „Das kommt überhaupt nicht in Frage.“, schimpfte er. „Ich werde bestimmt nicht schwimmen. Wasser ist gefährlich. Wenn man zu oft darin badet, wird die Haut dünn. Das hat mir meine Mutter schon mit der ersten Kieselmilch zusammen eingeflößt.“ Emanuelle schüttelte energisch den Kopf. „So ein Blödsinn. Wasser besteht lediglich aus den zwei Elementen Wasserstoff und Sauerstoff und solange man die beiden nicht trennt, ist an Wasser überhaupt nichts gefährlich.“ „Siehst du!“, zeterte Schakal. „Wenn ich das schon höre: Wasserstoff! Das Zeug geht hoch wie nichts. Schlimmer noch als Grubengas! Wer sagt denn, dass sich das Wasser nicht doch auf einmal trennt, während ich drin schwimme.“ Der Zwerg verschränkte trotzig die Arme und ließ sich in den Sand plumpsen. „Mich kriegen keine zehn Widder dort drüben hin.“ Etwas betroffen stand die Gruppe um ihn herum. Dann begannen alle auf einmal zu reden. Emauelle appellierte noch einmal an seine Vernunft. „Es ist wirklich überhaupt nichts Schlimmes am Wasser.“ Risingsun versuchte es mit seiner Ehre. „So ein großer, starker Zwerg kann sich doch unmöglich vor so ein bisschen Wasser fürchten.“ „Trolle haben auch viel Gold.“, sagte Abumoaham in Erwartung einer rassenspezifischen Reaktion. „Wovon wir Fremden aber nichts abgeben.“, mischte sich Jin´rokh ein. „Es sei denn, er hat sich vorher als würdig erwiesen.“ „Warum setzt Schakal nicht einfach Emanuelles Helm auf?“, warf schließlich Bladewarrior ein. Abumoaham stutzte ein wenig, dann verbreiterte sich sein Gesicht zu einem strahlenden Lächeln. „Das sein beste Idee!“ „Nein!“, schäumte Schakal. „Ich will nicht…ich mag nicht…ich…aua, nehmt eure Finger da weg. Hey, meine Nase! Aufhören! Verrat!“ Kurz darauf sah man einen sehr unglücklichen Zwerg mit einem Taucherhelm auf dem Kopf über den Strand schlurfen. „Das bekommt ihr zurück.“, murmelte er böse. „Eines Tages bekommt ihr das alles zurück.“ „Jetzt gib schon endlich zu, dass das praktisch ist.“, flötete Emanuelle neben ihm. „Ich bin ja so begeistert von mir.“ Wenn Blicke hätten töten können, so wäre die Gnomin in diesem Moment vermutlich nach hinten umgekippt und hätte nie wieder ein Wort gesagt. So jedoch zwitscherte und jubelte sie, bis Risingsun sich schließlich erbarmte und ihr zuraunte, dass sie jetzt besser den Mund hielte, wenn sie ihren Helm noch in einem Stück wieder haben wollte. Daraufhin klappte Emanuelle den Mund zu, was auch besser war, denn inzwischen waren sie an dem Punkt angelangt, an dem die Heimatinsel der Trolle am wenigsten weit vom Festland entfernt war. Während sich alle in das erstaunlich warme Wasser stürzten, watete Schakal mit Todesverachtung im Bullauge in die blaue Hölle. Er fühlte förmlich, wie seine Haut aufweichte und schrumpelte. Noch dazu das Salzwasser, das seinen schönen Bart ruinierte. Es war ja nicht so, dass er gar kein Wasser mochte. Wasser, das zu Bier gebraut worden war, war zum Beispiel absolut in Ordnung. Auch gegen eine schmackhafte Suppe oder das traditionelle Schneebaden war absolut nichts einzuwenden. Missmutig stapfte der Zwerg über den rutschigen, sandigen Untergrund, wühlte sich durch Algenstränge und Korallenbüsche und erschreckte ahnungslose Fische, bis ihn ein seltsames Gefühl beschlich. Er kannte und liebte dieses Gefühl. Es war das Gefühl, das herrenloses Gold in jedem Zwerg verursachte. Womöglich war doch nicht alles, was sich unter Wasser befand so schlecht, wie er geglaubt hatte. Kurzentschlossen machte er eine scharfe Wendung nach links und trabte los. „Bist du dir sicher, dass der Helm auch funktioniert?“, fragte Risingsun besorgt. Sie warteten nun schon eine halbe Ewigkeit, aber Schakal war noch nicht aufgetaucht. „Na sicher bin ich sicher.“, entrüstete sich Emanuelle und fügte nach einem Stirnrunzeln hinzu: „Glaube ich zumindest.“ „Vielleicht sollten wir doch hinterher tauchen.“, bot Bladewarrior an. „Ich bin eigentlich ein recht guter Schwimmer.“ „Das ist der Geist eines wahren Kriegers.“, lobte Jin´rokh. „Ich bin mir sicher, Shirvalla wird wohlwollend auf Euch herabblicken.“ „Wer?“, hakte Risingsun nach. Der mächtig Troll spannte stolz seine Muskeln und antwortete: „Der große und ehrenhafte Shirvalla, Beschützer der Stämme, Schutzpatron der Krieger, Jäger und Schurken, gesegnet mit der Kraft des Tigers…“ „Also ein heidnischer Gott.“, spuckte Risingsun aus. „Na ich glaube nicht, dass der uns besonders viel helfen wird. Schutzpatron der Schurken? Ha! Dann möchte ich sehen, wie er Schakal da unten wieder rausholt. Unverletzt!“ Jin´rokh ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. „Wenn Eurem Freund etwas zustößt, so wird Euch Lukou sicherlich die Kraft gewähren, für seine Genesung zu sorgen. Sie ist eine mitleidige Göttin voller Vergebung auch für die, die ungläubig sind.“ „Und wenn er stirbt?“, bohrte die Paladina, die sich so langsam auf dem verlierenden Ast sah, weiter. „Dann wird Samedi sich seiner annehmen und über seinen Schlaf wachen.“, antwortete Jin´rokh mit einem Blick auf das dunkelblaue Meer. „Aber ich glaube nicht, dass es soweit kommen wird Seht selbst!“ Er deutete nach vorn. Blasen stiegen empor, die Wasserfläche kräuselte sich und langsam schob sich etwa aus den Wellen hervor, das eine Meerjungfrau hätte sein können, so diese denn neuerdings kugelförmige Helme, Bart und schwarze Lederkleidung trugen. Triefend und mit Algen behangen schritt Schakal ans Ufer, nahm den Helm ab und schüttelte sich kräftig. „N´Abend.“, grüßte er grinsend in die Runde Risingsun fing sich als Erste wieder. „Wo warst du so lange? Wir haben uns Sorgen gemacht.“ „Hattet wohl Angst, dass ich absaufe.“, brummte der Zwerg. „Keine Angst, die Gnomin versteht was von Helmen, muss ich ja zugeben.“ „Ja aber wo warst du dann so lange.“, bestand die Paladina auf einer Antwort. In den Augen des Zwerges glitzerte es. „Also erst macht ihr einen Riesenaufstand, weil ich ins Wasser rein soll und dann darf ich noch nicht mal so lange drinnen bleiben wie ich will.“, polterte er. „Und jetzt sagt mir endlich, was es zum Abendbrot gibt. Ich bin halb verhungert.“ „Er Recht haben.“, meinte Abumoaham um den aufkommenden streit zu schliechten. „Kommt, ich euch zeigen alles.“ „Und ich werde Exzhal von Eurer Ankunft in Kenntnis setzen.“, fügte Jin´rokh hinzu und war von einem Moment zum anderen im Dunkel der Nacht verschwunden. Verlassen standen die fünf Abenteurer am Strand. Dunkle Trommellaute klangen durch die Nacht und riefen urzeitliche Geister um Hilfe an…oder lieferten den neuesten Wetterbericht. Dem unkundigen Ohr blieb ihre Bedeutung ebenso verborgen wie der Jäger der Beute, kurz bevor sie am Ende eines langen Speers zappelte. Langsam setzte sich der Trupp in Bewegung, unwillkürlich dem Rhythmus der fremden Klänge folgend wie die Schlange den Bewegungen der Flöte des Schlangenbeschwörers. Es war etwas, das man nicht beeinflussen konnte, selbst wenn man sich wie Risingsun einredete, dass man es doch tat. Je näher die Gruppe dem Stamm kam, desto heller wurde es, bis ein großes Lagerfeuer ihre müden Gesichter erhellte und die Musik verstummte. Eine Gruppe von Trollen saß bereits um das Lagerfeuer herum und erwartete sie mit vorsichtigem Interesse. Schließlich erhob sich ein Troll mit einer aufwendig geschmückten Robe und einer leuchtend roten Haarmähne. „Taz'dingo! Abu!”, rief er. “Wir lange nicht gesehn dich, Maan. Du mitgebracht kleine Freunde zum Essen.“ Der Troll zog die Mundwinkel auseinander und entblößte neben seinen Stoß- noch eine ganze Reihe andere Zähne. „Exzhal!“, lachte Abumoaham. „Ich nicht nur mitgebracht Freunde, ich auch mitgebracht Problem. Aber zuerst wir essen, dann ich erzählen alles.“ „Das gut sein.“, nickte der Troll und schnippte mit den Fingern. „Maywiki, meine kleine Zufli, hat gekocht große Essen für alle.“ Eine Trollin mit einer blauen Haarpalme auf dem Kopf sprang wütend auf und hielt Exzhal die Faust unter die Nase. „Du mich noch einmal so nennen, du werden sehen, ob Trolle können nachwachsen lassen alle Glieder.“ Zornig stampfte sie mit dem Fuß auf, woraufhin alle anwesenden Trolle in grölendes Gelächter ausbrachen. Als hätten sie damit einen Bann gebrochen, setzte auch die Musik wieder ein und die Fremden wurden an das Feuer geführt. Jeder von ihnen bekam etwas zu Essen in die verdutzten Hände gedrückt, das, wenn man dem Beispiel der Trolle folgen wollte, mit möglichst vielen Geräuschen und Geplapper verspeist werden musste. Misstrauisch blickte Risingsun in ihre Schale. „Was ist das?“ Der Troll neben ihr zwinkerte ihr zu. „Probier und fühl den Voodoo.“, grinste er. „Den was?“ die Paladina bedachte ihr Essen mit einem argwöhnischen Blick. „Sind da etwa Käfer drin? Ich esse nichts, was mehr als vier Beine hat.“ „Dann du können getrost essen.“, meinte der Troll und füllte der empörten, jungen Frau noch einen Löffel nach. Die Trollin mit der blauen Haarpalme bedachte Risingsun mit einem mitleidigen Blick. „Voodoo sein mächtige Kraft. Voodoo sein Glaube. Voodoo sein Magie.“ Sie lachte laut, als Risingun sie mit offenem Mund anstarrte. „Ich Jin´Rokh nicht beneiden. Er sich oft müssen rumschlagen mit Leute wie du, was kommen und wollen kriegen mächtiges Mojo. Aber sie nicht wirklich glauben. Sie nicht fühlen Voodoo mit Herz.“ „Vielleicht sie haben Herz aus Stein wie du.“, sagte ein Troll mit einem blauen Turban auf dem Kopf. „Al´tabim!“ Die Trollin bedachte ihn mit einem Lächeln voller Zähne. „Du doch wissen, ich dich zum fressen gern haben.“ „Aber bevor du auffressen Al´tabim vor lauter Liebe, ich ihn brauchen für kleines, magisches Problem.“, platzte Abumoaham dazwischen und ließ sich neben den Turban-Troll fallen. „Hier du sehen? Wir gehabt junge Frau. Eine Hexenmeisterin. Aber als wir kamen am Morgen, nur Katze war noch übrig von ihr.“ Der Magier reichte dem Troll den Korb mit der kleinen, schwarzen Katze. Die fauchte und hieb mit den Krallen aus dem Käfig nach der langen Nase des Trolls. „Das ungewöhnlich sein.“, murmelte Al´tabim. „Ich nicht können fühlen irgendwelchen Zauber an diese Katze. Vielleicht ich müssen untersuchen genauer. Ihr mitkommen.“ Der Troll stand auf und führte sie zu einer kleinen, strohbedeckten Hütte, die von oben bis unten vollgestopft war mit…Zeug: Federn, Knochen, Perlen, Edelsteine, Flaschen gefüllt mit bunten Flüssigkeiten, leere Flaschen, Flaschen mit eingelegten Dingen, von denen man nicht wissen wollte, was es war, Teile von Fischen, Teile von Pflanzen, Teile von Vögeln, kleine Puppen aus Holz und Stofffetzen, schwarze Kerzen, weiße Kerzen, rote Kerzen, Weihrauch, Sprengpulver, lange Nadeln, kurze Nadeln, Messer mit und ohne Zacken, Amulette, Schriftrollen, Teile von unfertigen Waffen und Rüstungen…all das bildete eine riesiges Durcheinander und füllte die kleine Hütte bis unter den Rand. Achtlos fegte der Troll das Sammelsurium vom Tisch, ignorierte das Scheppern und Klirren der heruntergefallenen Gegenstände und setzte den Katzenkorb darauf. Dann fing er an in dem Chaos am Fußboden nach etwas zu suchen. Er stellte kleine Schalen mit buntem Pulver auf, entzündete Kerzen und malte Zeichen mit bunter Kreide auf die Tischplatte. Dabei murmelte er die ganze Zeit finster klingende Beschwörungsformeln vor sich hin. Er fluchte und winselte, hob die Hände zum Himmel und trommelte mit den Füßen auf die Erde. Die Kerzen waren schon herunter gebrannt, als er sich erschöpft zu Boden sinken ließ. „Dies sein starker Zauber. Ich nicht können finden Schwachstelle.“ „Vielleicht du nicht richtig hingucken.“, erklang eine spöttische Stimme vom Eingang. Maywiki stand dort und hatte das Treiben schon eine ganze Weile beobachtet. Jetzt kam sie heran und griff nach dem Korb mit der Katze. Mit einem geübten Griff langte sie in den Korb und zog die Katze am Nackenfell heraus. Sie sah ihr in die Augen, roch an ihrem Fell, strich über ihre Ohren und verkündete dann: „Dies sein eine Katze.“ Al´tabim blinzelte sie an. „Wir wissen, das Katze sein. Wir wollen zurückverwandeln in Menschenfrau.“ „Du mich nicht richtig verstanden.“, grinste Maywiki und setzte die Katze wieder zurück in ihren Korb. „Dies sein Katze. Nichts weiter.“ „Woher wollt Ihr das wissen?“, fragte Bladewarrior, der den ganzen Zauber mit leuchtenden Augen verfolgt hatte. „Ich meine, vielleicht war sein Zauber einfach nicht stark genug.“ Die Trollin trat einen Schritt auf den jungen Krieger zu. „Oh, Trollzauber immer sehr mächtig sein. Wirken zuverlässig. Ich dir können zeigen. Aber kein Zauber von Welt machen aus diese Katze eine Frau. Ich haben studiert Lehren von Schamanen und Druiden. Ich wissen um Macht von Totem-Tier. Das da höchsten sein gutes Abendessen“ Sie trat noch ein Stück näher und strich Bladewarrior über die Brust. „Wenn du wollen Frau, du können kommen zu mir. Trollfraun sehr ausdauernd sein. Wir uns paaren bis zu achtzig Mal in eine Nacht.“ Etwas verlegen scharrte Bladewarrior mit den Füßen. „Nun ich…“ „Das heißt, wie sind den ganzen Weg hierher umsonst gegangen?“, mischte sich Risingsun empört ein und drängte sich rein zufällig zwischen den Krieger und die Trollin. „Das glaube ich jetzt ja wohl nicht.“ „Oh, wir können machen leckeren Braten aus Katze.“, bot Al´tabim an. „Ich auch kennen gutes Rezept für Miau-Suppe.“ „Ich esse doch keine Haustiere.“, rief die Paladina entsetzt. Maywiki zuckte mit den Schultern. „Vorhin du gegessen Schlange. Katze sein viel zarter als Schlange.“ Risingsun wurde blass um die Nase. „Aber…aber…aber...“ „Was denn?“, grinste die Trollin. „Du können sein ganz ruhig. Schlange nicht haben mehr als vier Beine.“ Gelächter erklang, als Risingsun mit der Hand über dem Mund nach draußen stürmte. Es mischte sich mit den rhythmischen Klängen der Trommeln, dem sanften Rauschen der Wellen und dem klagenden Gesang eines einsamen Nachtvogels…der besser leiser gesungen hätte, weil er kurz darauf zum zweiten Hauptgang wurde. Denn wie sagt das Gesetz der Trolle: Es ist alles essbar, solange es dich nicht zuerst erwischt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)