Wortlos von KarlaRabe (Joey + Kaiba) ================================================================================ Kapitel 22: Brüllaffe --------------------- Als der Wecker um Sieben zum ersten Mal klingelte, tastete ich verschlafen nach ihm und warf ihn so weit von mir wie nur irgendwie möglich. Als der Wecker zum zweiten Mal klingelte, schmiss Tristan ihn zurück. "Alter", brummte ich verschlafen. "Schule", kam es genauso wach zurück. Ich drehte mich um. "Joeeyy...", ein einziger kläglicher Protest nach ein paar Minuten. "Heute nicht", murmelte ich. Wir schliefen wieder ein. Zwei Stunden später weckte mich Regenprasseln auf. Ich zog mir die Decke über den Kopf und achtete darauf, dass meine Zehen ja nicht aus meinem warmen Nest hervorlugten. Ich genoss die Wärme für ein paar Sekunden, dann richtete ich mich auf. "Aufstehen!", brüllte ich, sodass Tristan seine Miene schmerzvoll verzog und sich von mir wegdrehte. Ich grinste. Mit einem Satz war ich auf seine Matratze gesprungen, die wir gestern Nacht oder irgendwann heute morgen, auf den Boden gelegt hatten. "Es ist so ein schöner Tag heute! So ein schöner Tag! Aufstehen! Aufstehen!", rief ich und zog an seiner Decke. Ich glaube, in dem Moment hat er mich ein bisschen gehasst. Denn plötzlich schossen zwei große Hände von unten hoch, griffen meine Schulterblätter und schoben mich bestimmt aus meinem eigenen Zimmer. Die Tür knallte zu und ich stand im Flur. Als ich zur Treppe gehen wollte, entdeckte ich Serenity, die auf der obersten Stufe stand, eine Kaffeetasse in der Hand und mich halb erschrocken, halb verlegen anstarrte. Ich blinzelte zurück. Dann lächelte sie schief. "Keine Schule?", fragte sie. Ich zuckte mit den Schultern. "Du?", fragte ich zurück. Ihr Lächeln wurde noch schiefer aber sie sagte nichts. Ich griff nach ihr und drückte sie fest an mich. "Schulschwänzerin", murmelte ich in ihr Ohr. Sie kniff mich leicht in den Arm. "Kaffee steht unten", murmelte sie zurück. Sie löste sich aus meiner Umarmung, als die Tür zu meinem Zimmer aufging und Tristan, verschlafen und in Boxershorts, seine Haare wild verwuschelt, sich am Hinterkopf kratzend im Türrahmen stand. Serenity kicherte, ich lachte und er starrte uns einige Sekunden erschrocken an. Dann war die Tür wieder zugeschlagen. Meine Hand lag noch immer locker auf ihrer Schulter und ich drückte sie nochmal fest an mich. „Lass uns brunchen“, sagte ich. Als ob es nicht Mittwoch, sondern Sonntag wäre, und es nichts normaleres gäbe, als an einem Schultag vormittags zusammen zu sitzen, Brötchen zu schmieren, Rührei zu braten und Kaffee zu trinken. Einen Moment musterte sie mich. Dann griff sie meine Hand und zog mich hinter sich her. Die Treppe hinunter, der Küche entgegen. Als Tristan zur Küchentür hineinstolperte, war er fertig angezogen, frisch gekämmt, geduscht und völlig erfrischt. Er lächelte trotzdem viel zu breit, als er Serenity sah und goss sich den Kaffee beinah neben die Tasse. Ich biss einmal herzhaft in mein Toast, dann klingelte die Tür. Wir blickten uns einmal unsicher an, dann ging ich los sie öffnen. Wer zur Hölle hatte bitte die Zeit um Elf Uhr hier zu klingeln? Hatte ich irgendeinen Handwerkertermin verpasst? Waren es Nachbarn, die nichts besseres zu tun hatten, als den Wheelerischen Haushalt zu beobachten und jetzt kamen, um Serenity und mich mit Heugabeln und Fakeln zur Schule zu treiben? Oder war es vielleicht nur ein Postbote oder diese Lottomenschen aus der Werbung, die mit einem riesigen Scheck vor meiner Tür standen und deren größtes Glück es war, anderen Leuten eine Freude zu machen. So ungefähr wie Peter Zwegat, bloß mit fetterem Grinsen. Ich hatte auf jeden Fall ein bisschen Herzklopfen, als ich die Türklinke runterdrückte. Im Endeffekt waren es nur Tea und Yugi. „Ach, ihr seid's“, murmelte ich. „Wir haben uns Sorgen gemacht“, sagte Tea, als sie an mir vorbei stapfte. „Nicht, dass ich Tristan nicht vertraue, aber... naja wir haben uns halt Sorgen gemacht.“ Ein „Hey!“ aus der Küche zeigte, dass Tristan alles genau mitgehört hatte. Ich verdrehte die Augen. Yugi zuckte mit den Schultern. „Wir haben Orangensaft mitgebracht“, sagte er und ich grinste ihn an. Ich hatte gerade noch zwei Stühle in die Küche geschleppt und wollte mich weiter meinem Toast widmen, als es zum zweiten Mal klingelte. Diesmal waren es fünf Augenpaare, die sich musterten, bevor ich zur Tür ging. Es war Duke. Ich starrte und er schnaufte. Sagte er verfluche alle Taxen der Welt und wäre so schnell es nur ginge nach Serenitys Anruf gekommen. Aber da gab es Stau in Tokyo und dann gab es keinen Flug und dann war das Wetter so schlecht und er wäre beinah gelaufen, weil alles schief ging und wenn er gelaufen wäre, wäre er wenigstens konstant voran gekommen und wie es denn meinem Vater ginge, wo er denn sei und von da an konnte ich ihm nicht mehr so ganz folgen, weil Serenity rief „Duke!“, während Tristans Eierbecher mit einem lauten Klirr vom Tisch fiel. Somit war die Stimmung im Arsch. Duke hatte es geschafft innerhalb von Sekunden das zur Sprache zu bringen, was wir alle diesen Morgen so erfolgreich verdrängt hatten. Ich sammelte die Scherben vom Boden und verfluchte ihn. „Dad ist auf der Arbeit. Zwei Wochen bleiben ihm ja noch. Ist ja nicht fristlos.“ Serenity zuckte mit ihren Schultern, aber was locker wirken sollte, funktionierte nicht ganz. Ihre Stimme verriet sie. Tea legte ihr eine Hand auf den Rücken. Und Duke, der so ungefähr das Mitgefühl eines Trampeltiers hatte, fragte weiter: „Und der Alkohol?“ Serenity lächelte verlegen, aber sagte nichts. Ich merkte nur, wie alle Blicke zu mir rüber huschten. So als ob ich eine Ahnung hätte! Ich wusste ja noch nichtmal, ob er überhaupt einen Schluck aus der Flasche genommen hatte, bevor ich sie so dramatisch an die Wand gepfeffert hatte. Warum sollte dann ausgerechnet ich wissen, ob mein beschissenes Scheißleben wortwörtlich zu einem Scheißleben werden würde? Schön zum Zuschauen verdammt, wie jeden Tag, jede Stunde und jede Minute eine Mischung aus Verzweiflung und Selbstverachtung meinen Vater ein Stückchen mehr auffraß? Bis zu dem Punkt hin, an dem ich ihm kein Wort mehr glauben konnte, bis nicht einmal er seinen eigenen Worten glaubte, nur um dann weiter an der Seitenlinie stehend, die Hände gebunden, zusehen zu müssen, wie er sich in irgendwelche Hirngespinste flüchtete, wie denn alles anders hätte laufen können und wie alles anders laufen wird, wenn nur...ja wenn! Hatte ich eine Ahnung was für Entscheidungen dann vor mir lagen, so wunderbar volljährig und frei ich jetzt nunmal war? Ja verdammt, hatte ich, aber das alles war nichts, was ich hier in dieser Küche an diesem Mittwochmorgen, ausgerechnet Duke erzählen wollte. Oder Serenity. Ja noch nichtmal Tea. Also biss ich mir fest auf die Lippe und sagte nichts, meinen Blick fest auf den Boden gerichtet, um ja kein kleinstes Scherbchen zu übersehen. Yugi räusperte sich. Es klingelte zum dritten Mal. Ohne ein Wort zu sagen, stapfte ich erneut zur Tür, die Schaufel in der Küche liegenlassend, den Kehrer gefährlich in meiner linken Hand schwenkend. Mit einem Ruck riss ich sie auf und da stand niemand anderes als Seto Kaiba, in seinen modischen Mantel gehüllt, lässig an die Wand gelehnt. „Nein“, sagte ich,und lies meine Hand sinken, die wie von selbst, beim Aufreissen der Tür, in eine Angriffsposition gegangen war. Gott, alle guten Dinge waren anscheinend wirklich drei. Ich starrte Kaiba an, der irgendwie zurück starrte. Naja, Boxershorts im Februar, ein unglaublich attraktives T-shirt mit großem braunen Fleck, wahrscheinlich Kaffee, und einem Roten, dessen Herkunft total undefinierbar war, dazu einen Feger in der Hand schwingend. Ja, bei diesem Anblick sah selbst Kaiba ein bisschen überrascht aus. Ich wartete darauf, dass er irgendwas bedeutungsschweres von sich gab. „Du bist nicht in der Schule“, sagte er. Ich knallte die Tür zu. Es dauerte genauso lange wie ich zurück in die Küche brauchte, bis es wieder klingelte. Gott sei Dank hatte ich die Scherben so gut wie entsorgt, ich stapfte nämlich ganz schön. „Joey?“, fragte Serenity, aber ich hörte sie nicht. Ich schleuderte nur den Feger ins Waschbecken und war beim dritten Klingeln wieder an der Tür. Kaiba stand immer noch genauso da. Ich nicht. Meine Fäuste waren geballt. Und ich funkelte ihn an. "Was zur Hölle willst du?", knurrte ich. Er zuckte lässig mit den Schultern und zog dann ein zerknittertes Stück Papier aus seiner Tasche, das mir vage bekannt vorkam. "Es gibt da Klärungsbedarf wegen deiner nächtlichen...", seine Augen huschten über mein Gesicht, "...Attacke." Mein Griff um den Türrahmen wurde fester und ich musste stark gegen den Wunsch ankämpfen die Tür einfach nochmal zuzuschlagen. Feste. Direkt gegen Kaibas ach so gerade Nase. Stattdessen schnappte ich mir das Blatt aus seiner Hand. "Da gibt es sowas von nichts zu klären. Du bist ein Arsch, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Ende vom Lied", fauchte ich und wollte mich abwenden, aber irgendwie war Kaiba jetzt nicht mehr an der Wand, sondern im Türrahmen. "Denkst du eigentlich je nach, bevor du irgendetwas tust?", fragte er und ich hatte den großen Wunsch ihn zu schlagen. Doch bevor ich auch wirklich etwas unüberlegtes machen konnte, stand Tristan hinter mir. "Sieh an, sieh an. Der Geldprotz", sagte er und funkelte Kaiba wütend an, der sich allerdings unbeeindruckt zeigte. "Sieh an, sieh an. Ein weiterer Loser. Sag bloß der ganze Kindergarten ist versammelt?" "Dafür, dass du ein Genie sein sollst, bist du echt unglaublich unkreativ in deinen Beleidigungen" Tristan war überraschend cool, wie er so mit Kaiba umsprang, jedenfalls bis er sich mir zuwandte. "Der Kaffee wird kalt", sagte er in einem Verschwörerton. Ich blinzelte ihn wütend an. Was dachte er denn? Dass ich hier Urlaub machte und mir gern mit Kaiba die Beine in den Bauch stand? "Ich weiß", fauchte ich also zurück. "Das können wir natürlich nicht zulassen", sagte Kaiba in einem leicht ironischen Ton und schob mich zur Seite. Und dann ging er in Richtung Küche. Ich brauchte drei Sekunden, um diese Dreistigkeit zu verarbeiten, dann: "WAS ZUR HÖLLE!" Ich stürmte ihm hinterher, als ich die Küche betrat, hatte er sich auf meinen Stuhl gesetzt und starrte die anderen an, als seien sie Ungeziefer. Die Anderen starrten zurück. Yugi war der Erste, der sich fing. "Ähm hallo Kaiba, möchtest du Kaffee?", fragte er und griff automatisch nach einer Tasse. "Er möchte sowas von keinen Kaffee! Er geht gleich wieder!", rief ich vom Türrahmen aus. Kaiba schaute mich einen Moment lang an. Dann drehte er sich zu Yugi. "Danke, gerne. Zwei Stückchen Zucker bitte." Yugi schaute die Tasse in seiner Hand an, dann mich. "Ich glaube, da gibt es ein Problem", sagte er langsam. "Auf Zucker kann ich zur Not auch verzichten", erklärte Kaiba hartnäckig. Ich war sprachlos. "Man, kapierst du's nicht. Du bist hier einfach nicht Willkommen", mischte sich nun auch Duke mit ein. "Nicht nur er", knurrte Tris neben mir. "Schön, dass wir so ehrlich sind. Und was genau ist deine Rolle hier, Devlin?" Kaibas Stimme war so kühl wie ein Eispfropfen "Ich bin hier, weil meine Freundin mich braucht", und wie um das zu untermalen legte er seine Hand auf Serenitys Schulter. "Duke...", murmelte sie unsicher. "Seit wann denn bitte Freundin?", platzte es aus Tristan heraus. "Das hat dich absolut nichts anzugehen", ich sah Dukes Wurstfinger, wie sie ihren Rücken runter strichen. "Hey, nimm gefälligst deine Griffel von meiner Schwester!", rief ich ohne nachzudenken. "Oh Gott Joey, lass sie doch wenigstens einmal eine eigene Entscheidungen treffen", meldete sich nun auch Tea von der Seite, was wiederum Tristan zum kochen brachte. "Halt du dich da raus!", brüllte er. "Kindertheater", schnaubte Kaiba und stand auf um sich den Kaffee selbst einzuschütten. Und diese kleine Aktion war es, die das Fass zum Überlaufen brachte. Jedenfalls mein Fass. "Ich sagte NEIN!", kreischte ich und warf mich auf ihn, gerade als er die Kanne zum Einschenken angesetzt hatte. Mit einem Schritt war ich an seiner Seite und mit einem Ruck die Tasse aus seiner Hand. Allerdings ein bisschen zu ungeschickt und ein bisschen zu schnell. Ich sah sie noch in Zeitlupe fliegen, dann ging alles plötzlich ganz schnell. Der Kaffee schwappte aus der Tasse, Tea kreischte auf, die Scherben flogen in alle Richtungen. "Scheiße", fluchte ich. Kaiba funkelte mich an: "Lass mich raten", sagte er: "Das war auch wieder meine Schuld." "Gott, was willst du eigentlich?", rief Tristan irgendwo hinter mir. Durch Kaibas Körper ging ein Beben. "Ich dachte, du wolltest, dass ich mich mehr um deine Freunde kümmere", fauchte er mit unterdrückter Wut in seiner Stimme und starrte mich dabei an. "Das ist doch kein Kümmern!", schrie Tea, "Scheiße, brennt das." Tränen bahnten sich ihren Weg in ihre Augen. Sie hielt ihr Bein, das anscheinend etwas heißen Kaffee abbekommen hatte. "Das reicht mir jetzt", murmelte Tristan. Und während er sich die Ärmel hochkrempelte, versuchte Yugi sich ihm gegenüber zu stellen. "Hey, wir sind hier in einer Küche....", Sein kläglicher Einwand war kaum zu hören. Tea fluchte und Kaiba fluchte und Duke fluchte. Alle schrien durcheinander. Irgendwo klingelte ein Telefon. Es dauerte ein Weilchen, bis ich bemerkte, dass es direkt neben mir lag. Der Anrufbeantworter sprang an und zum Lärm in der Küche gesellte sich noch eine aufgeregte Frauenstimme, die meinen Vater beschimpfte und Serenity verlangte. Mir wurde alles zu viel. "Haltet doch alle einfach mal die Klappe!", rief ich so laut ich konnte. Die Frauenstimme auf dem Anrufbeantworter, die Stimme meiner Mutter, verstummte nicht, aber alle anderen dafür. „Schatz, ruf mich unbedingt zurück!“, hieß es da, bevor das laute Krachen eines mit Wucht aufgehängten Hörers durch die Küche schallte. Dann war einen Moment lang Stille. „Duke...“, sagte Serenity leise. „Du hast nicht wirklich meiner Mutter...“, sie musste gar nicht zu Ende reden. Abwehrend hob er die Hände vor seine Brust. „Das musst du verstehen: Ich will wirklich nur, dass du sicher bist.“, erklärte er und schaute sie mit einem Blick an, dass mir ganz schlecht wurde. Ihr anscheinend auch. „Ich hab es so satt“, ihre Stimme zitterte: „So satt, dass jeder weiß, was das Beste für mich ist!“, dann lief sie aus der Küche. Tristan stürzte mit einem „Serenity!“ ihr hinterher, ohne dass ihn jemand aufhalten hätte können. Ich stand da und starrte in die Runde. Da war Tea, die sich ihr Bein hielt, Duke, den ich erwürgen könnte, Kaiba, den ich erwürgen könnte und Yugi, der... Gott, in diesem Moment waren sie mir alle zu viel. „Ihr seid so...“, begann ich und brach dann wieder ab. Ich schüttelte den Kopf. „Macht, was ihr wollt“, sagte ich und drehte mich um. Ich wollte nur noch in mein Zimmer. Doch je näher ich ihm kam, desto langsamer wurden meine Schritte, bis ich am Ende auf meine Bettkante fast fiel. Mein Kopf war so schwer, ich vergrub ihn in meinen Händen. Seit wann war mein Zuhause ein Schlachtfeld? Ich wollte doch nur einen ruhigen Morgen in diesem ganzen Chaos. Nur ein bisschen Ordnung... Ich seufzte. Dann klopfte es. „Yugi, geh weg. Ich will jetzt nicht“, murmelte ich in meine Hände, hörte aber trotzdem das Klacken der Tür, als sie aufgedrückt wurde. Man, ich hätte abschließen sollen. „Können wir jetzt reden?“, klang Kaibas ruhige Stimme durch den Raum, was mich schlagartig zum Aufsetzten brachte. „Was?“, sagte ich, doch dann hatte er sich schon neben mich gesetzt. So von der Seite betrachtet war er gar nicht mehr "Der große Kaiba". Er war vielleicht ein Stückchen größer als ich, ein bisschen dünner und genauso jung. Gar nicht vertraut, nicht ganz fremd. Ich musste mich zusammenreißen wütend auf ihn zu bleiben. Also sagte ich nichts. „Wheeler, warum warst du gestern Abend bei mir?“, fragte er stattdessen. Er war so ruhig, dass ich mich nicht aufregen konnte. Der gesamte Morgen hatte schon an mir geknabbert. Ich war ausgelaugt und ausgesaugt. „Du hast den Grund doch schön wieder hierher mitgebracht“, murmelte ich. „Eine Kündigung“, sagte Kaiba, als ob er es nicht glauben könnte. Ich schaubte. „Eine Kündigung mit deinem verdammten Logo drauf!“ Er musterte mich einen Moment, wie man ein kleines Kind mustert, dass einfach nicht verstehen will. „Wheeler“, seufzte er: „Falls einmal ein Arzt im Krankenhaus eine Entscheidung fällt, die dir nicht passt, gibst du mir dann auch die Schuld, weil mein Logo oben drauf steht?“ Sein Sarkasmus war ekelhaft, aber seine Logik irgendwie einleuchtend. Für ein Krankenhaus und nicht für eine beschissene Firma, die beschissene Computerhardware herstellte. Und das sagte ich ihm dann auch. Er seufzte erneut. „Gott, Wheeler. Nicht alle Entscheidungen werden von mir getroffen. Ich habe diese Firma gerade erst gekauft. Hast du dich nie gefragt, für was ich mit Smiths Geld brauchte? Natürlich hast du das nicht.“ Der Vorwurf in seiner Stimme war sowas von unangebracht. „Weißt du Kaiba, es ist ja nicht so, dass du es irgendjemanden leicht machst, dich oder deine Firma kennen zu lernen“, fauchte ich. "Aber du hast trotzdem nie... "Er schüttelte den Kopf. Seine blauen Augen bohrten sich in meine. „Wheeler, warum bist du wirklich gestern zu mir gekommen?“ Mein Blick huschte zu meinen Händen, die sich im Laufe des Gesprächs immer weiter ineinander verknotet hatten. Langsam fuhr ich mit dem Daumen meinen Zeigefinger entlang, als die Fingerkuppe erreicht wurde, blickte ich auf. „Ich hab keine Lust mehr von dir als dumm verkauft zu werden“, sagte ich mit einer festen Stimme. Kaiba schnaubte: „Und ich habe keine Lust mehr, dass du alles was ich tue, als Sabotage an dir verstehst.“ Einen Moment schauten wir uns an. Dann wandte ich mich ab. „Schön“, sagte ich. „Schön“, wiederholte er ebenso grimmig, blieb aber Sitzen und starrte düster vor sich hin. „Und warum bist du wirklich hier, Kaiba?“, fragte ich nach ein paar Minuten, ich konnte es mir nicht verkneifen ein bisschen sarkastisch zu sein, aber Kaibas Stimme war ernst als er antwortete. „Ich mag es nicht gebissen zu werden“, sagte er ohne mich anzuschauen. „Ich wollte eigentlich nicht beißen.“ Mein Mund hatte sich geöffnet, ohne dass ich nachgedacht hatte. Ich sah meine Überraschung für einen Moment in seinen Augen widergespiegelt. Dann räusperte er sich. „Wenn das so ist...“, murmelte er und griff nach dem Kragen meines Shirts. Es war ruppig, wie er mich praktisch hochriss, gar nicht elegant und so gar nicht Kaiba. Viel zu rau war sein Griff, viel zu ungelenkt die Bewegung, mit der er mich führte und dann viel zu ungeschickt, viel zu plötzlich dieser andere Mund auf meinem. Es hatte etwas von einem zufälligen Zusammenstoß, ein hui, guck mal ich wurde gerade geschuppst und wir sind unglücklich aufeinandergefallen! Aber ich wurde nicht geschuppst, ich wurde gezogen und der fremde Mund bewegte sich, er küsste sogar. Und irgendwie war ich so übertölpelt, dass ich zurückküsste. Mit Zunge. Verdammt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)