Kreaturen der Nacht von Hoellenhund (Kurzgeschichten) ================================================================================ Die Begegnung ------------- Sie wetzte ihre Krallen an der nächst besten Betonmauer. Wieder war eine Nacht hereingebrochen, schwärzer als die vorige. Der Himmel war wolkenverhangen und kein Stern war zu sehen. Celestina wusste, sie musste auf die Jagd gehen, doch sie hatte es satt. Jede Nacht war es das selbe. Jagen, töten, überleben. Es musste irgendeine Abwechslung geben - irgendetwas aufregenderes als der ewige Kreislauf des Überlebens. Celestina nahm Schritte war. In ihren empfindlichen Ohren klangen sie so laut, als ginge der Spaziergänger direkt an ihr vorbei. Irritiert hob sie den Kopf. Nur selten verirrte sich jemand um diese Zeit in einen der Hinterhöfe Londons. Es sei denn natürlich er war einer von ihrem Schlag. Doch das war er nicht. Ein braunhaariger Junge schlenderte um eine entfernte Straßenecke, die Hände in den Hosentaschen. ,Ein Menschenkind', dachte Celestina. Der Knabe weckte Verzückung in ihr. Vielleicht hatte ihr Lehrmeister Recht gehabt, vielleicht würde sie sich nicht so verloren vorkommen, wäre sie all die Jahre wählerischer ihrer Beute gegenüber gewesen. Zu Celestinas Überraschung steuerte der Menschenjunge direkt auf sie zu. Im Licht einer Straßenlaterne konnte sie grüne Augen glitzern sehen. Die Anmut dieser Augen schlugen sie in Bann und das, obwohl sie die Kleidung des Jungen als schlampig bezeichnet hätte, hätte sie ihr auch nur ein Quäntchen Aufmerksamkeit geschenkt. Der Junge blieb vor Celestina stehen. "Guten Abend", sagte er. Tatsächlich war er ihr ein Stück über den Kopf gewachsen. Er schien blutjung und doch langen dunkle Schatten unter seinen Augen. Celestina reagierte zuerst nicht auf diese doch höchst ungewöhnliche Begrüßung. Sie blickte an sich hinab. Lange Krallen und schwarze Kleidung, die an mehreren Stellen sehr verschlissen wirkte. Außerdem war sie sich ihrer zerzausten Haare und scharfen Eckzähne durchaus bewusst. Nein, Celestina wirkte gewiss nicht einladend für ein mitternächtliches Gespräch. "Keine Panik, ich bin nich' die Modepolizei", grinste das Menschenkind, als es Celestina bei ihrer Selbstbetrachtung ertappte. "Wer bist du?", wollte Celestina wissen und bleckte achtungheischend die Zähne. "Blaise", antwortete der Junge, "Ich habe dich schon länger im Auge." Irritiert starrte Celestina ihn an. Das war vollkommen unmöglich. Wie hätte sie einen Mensch nicht bemerken können? "Du lügst", fuhr sie ihn an, "Das ist vollkommen unmöglich!" Blaise lachte: "Denkst du, ich habe nicht bemerkt, wie du mich angesehen hast? Wenn du das Verlangen verspürst, deine Zähne in meinem Hals zu vergraben, dann sag es einfach, okay?" Celestina schnaufte. Natürlich war das ihr Begehren. Doch um dies zuzugeben, hätte sie ihren Stolz überwinden müssen und das war unmöglich für sie. Blaise streckte sich: "Ihr Vampire seid doch alle gleich. Ihr glaubt ihr ständet an der Spitze der Nahrungskette. Ihr, die ihr Menschen willkürlich tötet. Ihr, die ihr noch eine Wahl habt." Was sollten diese Vorwürfe? Was war das für ein Mensch, der es wagte, sich neben ein höheres Wesen zu stellen und ihm Vorwürfe zu machen? Celestina konnte nichts erwidern. Sie starrte den Menschenjungen einfach nur an. Alles was er sagte machte ihn nur noch attraktiver für sie. Doch regte er sie auch zum Nachdenken an. Wovon um alles in der Welt sprach dieses Kind? Die dichte Wolkendecke am Himmel zerriss und gab den Blick auf einen strahlenden Vollmond frei. Sobald das Mondlicht die Erde berührte, krümmte sich Blaise zusammen. Wieder konnte Celestina ihn nur anstarren und zusehen - die Verwandlung verfolgen. Verfolgen wie aus dem Menschenjungen rasch eine Kreuzung aus Wolf und Mensch wurde, ein Werwolf - eine Kreatur der Nacht, wie sie selbst. Celestina war wie gelähmt. Selbst als der Werwolf auf sie zusprang, starre sie ihn immer noch reglos an. Das Wilde Geschöpf drückte Celestina zu Boden und immer noch war sie nicht in der Lage sich zu rühren. Der Werwolf beugte sich über sie. Sie glaubte noch, in den Zügen des Wesens Blaise' Gesicht zu erkennen. Dann zerfetzte es ihre Kehle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)