Broken Life - gebrochenes Dasein von Kizu8 (Wieviel Schmerz erträgt eine Seele..?) ================================================================================ Kapitel 21: My own song.. ------------------------- Ich lamentiere nicht lange rum und eröffne hiermit das 21. chapter. es ist das wichtigste und daher auch das längste. ich hoffe, ihr entschuldigt dies. vielen dank. eure kizu. 21. .. my own song .. Kannst du mir sagen was das Besondere am Tod ist? Erklär mir, warum Menschen daran zerbrechen, dass ihre Liebsten sie verlassen. Dass sie dem Diesseits entrinnen, um auf einer womöglich anderen Seite aufzuwachen. Warum weinen Menschen, warum verzweifeln sie? Sie haben es doch gewusst; es war doch von Anfang an klar. Gleichsam mit der Geburt eines Kindes könnte man anfangen zu weinen, oder? Denn wenn es zu leben beginnt ist es doch selbstverständlich, dass es sterben wird. Das Eine ist das Andere. So müsste man doch im Grunde über jedes neue Leben weinen, da es sterben muss. Erklär es mir.. Vergessen wir etwa so schnell, oder ist es eher ein Verdrängen? Schieben wir das einzige unvermeintliche Schicksal ,sterben zu müssen ,aus unseren Köpfen um lächeln zu können? Aber ist dies nicht sinnlos, wenn wir zu einem gewissen Zeitpunkt wieder zurückfallen? Ist dieses Verdrängen das einzige, was uns leben lässt? Oder ist es einfach schockierend festzustellen, dass man lebt um zu sterben. Dass man im Augenblick des Todes feststellt, dass man lebte. Dass man begreift, dass man existierte. Wenn sich das allmächtige Schicksal plötzlich zu dir dreht und sagt: " Ah. Da bist du ja ..." Weint man deshalb? Weint man, weil man begreift, dass man gelebt aber auch existiert hat? Erklär es mir .. ~ .. wenn die gesamte Menschheit dich für einen Moment betrachten würde, wie würdest du reagieren .. ~ Die Krankenstation war fast völlig menschenleer. Nur noch selten tummelten sich Krankenschwestern auf den Gängen und dies auch nur, um die letzten Besuche oder Rundgänge zu machen. Es war fast 22 Uhr. Folglich war die Besuchszeit lange vorbei. Aber es wurde auch oft ein Auge zugedrückt, wenn Angehörige bleiben wollten. Eltern ließen ihre kleinen Kinder zum Beispiel ungern nachts allein. Diese hatten Angst vorm Dunkeln, wenn es sich um sie legte und sie zu ersticken drohte. Es waren die berühmten Phantastereien von schwarzen Männern und Gespenstern. Jane war längst aus diesem Alter raus. Und wenn es dennoch so wäre, hätte sie bestimmt nicht die Augen offen halten können. Sie war so schläfrig und nickte daher manchmal ein. Eigentlich hatte die Jugendliche schon längst vor gehabt zu gehen, aber was hätte es gebracht. Egal wo sie hinging - sie war hier. Es war, als könnte ihre Seele nicht von Kais Seite weichen. Sobald sie sich einen Meter rührte, bekam sie schlechtes Gewissen. > Du lässt ihn allein. Und du weißt, was passiert ist, als er allein war. Was er getan hat. Was er gefühlt hat. < Es belastete sie. Ray redete ihr auch zu. Du kannst nicht ewig hier bleiben. Du musst wieder anfangen zu leben. Es ist okay. Hörst du? Es ist okay. Seine Worte ergaben für sie einen Sinn. Aber es half nichts. Sie steckte fest auf ihrem Weg. Vor einem weiteren Schritt hatte sie Angst; stehen zu bleiben, richtete sie zu Grunde. Sie konnte ihn aber nicht allein lassen, unter keinen Umständen. Sie hatte es ihm versprochen. Die ganzen Jahren war sie nicht da gewesen, hatte nichts unternommen. Nun war es Zeit, endlich das richtige zu tun. Sie würde hier bleiben. Auch wenn es keine Hoffnung mehr geben würde. Auch wenn sie mit ihm untergehen würde. Wenn sie sich beide verlieren würden. Dann waren sie wenigstens zusammen. Dies könnte ihnen dann niemand mehr nehmen. Keine Macht, kein Mensch der Welt. ~ .. im Nichts vereint .. Julia .. ~ Jane blinzelte. Schon wieder war sie weggenickt. Das konnte doch nicht wahr sein. Hatte sie etwa schon diese letzte Kontrolle übers Wachbleiben verloren? Die grünhaarige schüttelte den Kopf, um ihn freizubekommen und die Müdigkeit von ihrem Körper abzuwerfen. Ihr Nacken war schon ganz steif. Die Schmerzen bahnten sich ihren Weg die Wirbelsäule hinunter. Ein perfekter Grund um zu fluchen. Doch was würde es bringen. Dieses Stechen war im Vergleich zu Kais Leiden nichts. Ihre Augen huschten zu den Gerätschaften. In den ersten Tagen konnte sie diesen Anblick nicht ertragen. Das Piepsen, die Schläuche, der Tropf. Sie hatte sich beherrschen gelernt, dass alles nicht von seinem Körper zu reißen. Das alles erinnerte sie an diesen Tag. An diesen einen Tag .. Doch bald erschien ihr dieser moderne Scheiß von Technik in einem anderen Licht. Er hielt Kai am Leben. Ohne dieses Piepsen, diese Schläuche und den Tropf hätte ihr Freund wohl kaum überlebt. Alles hatte irgendwo einen bitteren Nachgeschmack. Ihr Blick ruhte wieder sanft auf Kais Antlitz. Jane konnte sich nicht helfen. Seine Züge wirkten steif, als würde er schlecht träumen. Und wieder bohrte sich ein Schmerz in ihr Herz. Warum konnten sie ihm kein Morphium spritzen? Das hatte sie sooft gefragt und immer kam nur der Satz mit dem Grundgesetzt. Es wäre nicht erlaubt. Bla bla .. Herrgott noch mal. Kai hatte Schmerzen, das stand wissenschaftlich fest. Aber was wussten Diplomaten schon von den Problemen der Welt. Vielleicht war das auch ein weiterer Grund warum sie immer hier saß. Womöglich redete sie sich ein, dass ihre Anwesenheit seine Schmerzen lindern würde. Dies war ihre einzige Hoffnung. Ihre Doktrin. Das Licht auf den Gängen wurde heruntergefahren. Nur noch ein schwaches Dimmen leuchtete so manchen Arzt in der Nachtschicht den Weg. Eine Krankenschwester war vor 10 Minuten zum letzten Mal auf Visite gewesen und dabei auch an Kais Zimmer vorrübergegangen. Lächelnd hatte sie eine Decke genommen und sie Jane umgelegt. Die Schwester kannte das. Sie hatte Mitgefühl mit dem Mädchen. Sie litt sehr darunter. Die Russin war auf ihrem Stuhl zusammengesunken und mit dem Oberkörper auf Kais Bett gestützt eingeschlafen. Bedächtig wurde die Tür geschlossen. Draußen bauschte der Wind die Bäume auf, blies durch die fast kahlen Wipfel. Das Getöse glich einem schauerlichen Chor. Schrilles Weinen, was bald zu einem Schreien anschwoll. Die Äste schlugen unermüdlich gegen die Fenster. Im Gegensatz dazu, hielt die Ruhe in dem Zimmer Einkehr. Aber dieser Zustand würde sich schnell ändern. . ~ .. in der Stille, in der Dunkelheit, hörst du seine stummen Rufe .. es ist so weit .. ~ Siehst du den See da? Auf dem bin ich immer Schlittschuhgefahren. Mal so, mal so. Obwohl Mama immer Angst um mich hatte. Lächeln. Schneelandschaften verschwimmen, Konturen heben sich auf. Der Horizont verwischt. Weiß. Nur weiß. Wollen wir Freunde werden? Ich mag dich. Die Kinderstimmen verhallen, brechen in der Ferne. Das Licht verschwindet, hüllt alles in tiefes Grau. Die Suche nach Halt. Verzerrte Geräusche, die lautstark anschwellen. Reibende Dissonanzen. Hör auf. Bitte. Hör auf, Igor. Er hat dir nichts getan. Lass ihn in Ruhe. Bitte .. Verhaltenes Wimmern. Das Gefühl erdrückt zu werden. Zerreißende Schmerzen. Du bist nichts mehr als ein Hurensohn. Hurensohn, hörst du. Der Drang zu rennen. Wo ist die Sonne? Ein verzweifeltes Flehen bevölkert die Sinne. Panik. Der Sturz in tiefe Dunkelheit, begleitet von gedämpften Gemurmel. Erstickendes Schwarz. Innere Leere. Wer bin ich? Eine Kälte umklammerte ihr Herz, lies es nur zögerlich schlagen. Sie war verwirrt. Jane schaute auf, konnte aber so gut wie nichts erkennen. Ängstlich drehte sie sich um sich. Stand sie überhaupt, oder saß sie auf dem Boden. Sie fühlte nichts. Sie sah nichts. Plötzlich drang etwas an ihr Ohr. Fremde Stimmen. Dämmriges Licht flackerte vor ihren Augen auf. Erschreckt fuhr die Jugendliche etwas zusammen. Wo war sie eigentlich? Gestalten traten aus den tanzenden Schatten. Ihre anfänglich hohlen Stimmen wurden klarer und Jane verstand bald, was sie von sich gaben. Was sie da zusehen bekam, raubte ihr den Atem. Dies hier war Kais Elternhaus. Wenn man es so nennen konnte. Zum ersten Mal sah sie den Ort, an dem Kai aufgewachsen war. Das Zimmer wies keinerlei Besonderheiten auf. Es war klein, spartanisch eingerichtet. Der Geruch von Alkohol hing schwer in der Luft, sie krauste die Nase. Alsbald konnte die Russin die Schatten klar als Personen ausmachen. Eine junge Frau saß zitternd auf dem Boden. Ihr Gesicht war angespannt, die Harre hingen ihr formlos herunter. Zarte Gesichtszüge waren schemenhaft zu erkennen. Sie musste früher eine außergewöhnliche Schönheit gewesen sein. Doch hier wirkte sie alles andere als hübsch. Zu ihrer Rechten hockte ein stämmiger Mann am Boden. Mit lautem Gebrüll schlug er immer wieder auf etwas ein, was der 17-jährigen noch verborgen blieb. Doch bald begriff sie, wer da auf dem Boden lag und von seinem eigenen Vater brutal verprügelt wurde. Es waren Kinderschreie. Schreie eines verängstigten Jungen. Silbrige Haare. Hagerer Körper. Kai. Jane wollte sich bewegen, doch sie konnte ihre Beine nicht rühren. Aus ihrem Schrei wurde nur ein warmer Luftzug. Sie konnte nichts tun. Egal wie sich die Russin bemühte. Sie war verurteilt, nur zu zusehen. Ehe die schwarzgrünhaarige begriff, war die Szene verschwunden. Nur noch Kais Schreie halten durch die aufkommende Dunkelheit. Bevor sie ihm zu Hilfe kommen konnte, nahm die Schwärze sie wieder in Empfang. Das Licht verschwand. Aber von Neuem baute sich wieder etwas vor ihr auf. Der Wechsel erfolgte so schnell, dass sie mit dem Denken kaum hinterher kam. Zu ihren Seiten erschienen Wände aus Gestein. Abermals legten sich Schatten in die zahlreichen Ecken. Geländer aus Metall, wie auch alte Pappkartons und verrostete Mülltonen zeichneten sich hier und da ab. Es regnete wohl - das Prasseln war nicht zu überhören. Sie spürte davon jedoch nichts. Auf einmal tauchte etwas vor ihr auf. Eine Person, welche gekrümmt vor sich hinwankte und halbherzig versuchte, die zerschlissenen, schmutzigen Kleidungsstücke enger um den Körper zu binden. Doch der Stoff war längst mit Regenwasser durchzogen. Ein plötzlicher Hustenreiz gellte auf und lies den Leib des Menschen erzittern. Es hörte sich nicht gut an. Jane konnte kaum das Gesicht der Person erkennen, da die Haare es vollständig verdeckten. Plötzlich sackte die Gestalt zusammen, sank zur Seite und blieb am Boden liegen. Ein weiterer diesmal stärkerer Keuchhusten schüttelte ihn heftig. Blut floss aus den Mundwinkeln. Es wirkte so grausam. Jane war noch immer eingenommen von den Bildern, die sie in Kais Elternhaus gesehen hatte. Doch dieser Anblick hier war nicht minder schlimm. Besorgt wollt sie sich zu der Gestalt beugen, doch als dessen verfilzten Haare zurückrutschten, erschrak sie. Vor ihr kauerte Kai, vollkommen durchnässt und zerschunden.. Aber .. hier war er älter als vorher. Vielleicht etwa 14 oder 15. Jane verstand gar nichts mehr. Die Stofffetzen konnten kaum seinen abgemagerten Körper Schutz bieten, gar wärmen. Die Russin war schockiert, verwirrt. Was machte Kai in einer Gasse bei strömenden Regen? Er war schwer krank. So wie es sich anhörte. Es könnte ihm das Leben kosten. Er glich den Obdachlosen in den Hinterhöfen Russlands, welche in solchen Gegenden umherstreunten. Ihr kam ein grausamer Gedanke. Vielleicht war Kai wirklich obdachlos. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, war der 14-jährige Kai gänzlich zu Boden gesunken. Der Regen prasselte auf seinen Körper nieder. Er rührte sich nicht mehr. Und erneut, löste sich das Bild vor ihren Augen auf, je ehe sie einschreiten konnte. Die dämmrige Gasse entfernte sich, bis sie im Dunkel verschwamm. Jane verspürte diesen Drang zu schreien, zu weinen. Doch es wurde ihr verwehrt. Verzweifelt musste sie in der Finsternis verharren und mit den Bildern selbst klar kommen. Es war grausam. Ihr Herz brannte. Es verzerrte sich selbst vor Schmerz. Sie konnte es nicht ertragen, Kai leiden zu sehen. Da erhellte sich ihre Umgebung. Alles erstrahlte in einem glänzenden Weiß. Sie wurde regelrecht geblendet. Große Flächen weiß. Schnee. Das alles war Schnee. Sibirischer Schnee. Dies hier war Russland im tiefsten Winter. Sanft trudelten einige Flocken vom Himmel. Jane horchte auf, als sie das Knirschen von Stiefeln hörte. Kinderstimmen fügten sich dem Geräusch bei. Zwei Kinder traten in ihr Blickfeld. Beide waren etwa 8 Jahre alt. Das eine Kind, ein Mädchen, hatte schwarze Haare und war dick eingepackt. Ihr Schal bedeckte zur Hälfte das runde Gesicht. Der Junge, das andere Kind, lief neben dem Mädchen her, und war normal gekleidet. Es war arktisch kalt, aber der Knabe lies sich nicht anmerken, dass er womöglich fror. Das Mädchen plapperte immerzu, lächelte wie ein Sonnenschein. Dagegen tat sich der Junge schwer auch so unbeschwert zu sein. Er wirkte müde, irgendwie bedrückt. Jane fiel es wie Schuppen von den Augen. Das waren Kai und sie als Kinder in Russland. Dies war einer der vielen Szenen, die ihr auch in Erinnerung geblieben waren. Das verzweifelte Bemühen, Kai zum Lächeln zu bringen. Schon damals, hatte sie es kaum geschafft. Einer ihren vielen Erinnerungen. Plötzlich begann sie zu überlegen. Waren das vorhin, .. auch Erinnerungen? Es sah ganz danach aus. Eine Gänsehaut überlief sie. Das waren nicht ihre Erinnerungen. Sie wandelte in dem Gedächtnis eines anderen! Mit leichtem Fuße lief die kleine Jane vor und streckte ihre Hand nach den Schneeflocken aus, welche zu Boden glitten. Sie tanzte in diesem Treiben. Kai sah ihr dabei zu. Er lächelte etwas. In seinen Augen glänzte ein Funke von Frieden. Vielleicht hatte sie es damals nicht bemerkt, dass Kai zu der Zeit doch etwas Wohlbefinden verspürte. Er blickte dabei nicht mehr so mürbe drein. Diese kleinen Dinge hatten womöglich doch sein Herz etwas erleichtert. Ihr Inneres entspannte sich etwas. Doch je wurde der Frieden unterbrochen, das Bild fiel ihn sich zusammen. Mit einem Schlag hatte die Dunkelheit ihr Kleid wieder um Jane gelegt. Irgendetwas stimmte nicht. Das wurde ihr bald klar. Die Schwärze um sie erhob sich nicht mehr. Stattdessen wurde es noch kälter, was im Grunde gar nicht möglich sein konnte. Wo konnte es noch kälter als in Sibirien sein? Ihr Herz verengte sich, sie hatte das Gefühl erdrückt zu werden. Die Kälte legte sich wie ein Metallmantel um sie. Jane erschauerte. Dergleichen hatte sie noch nie in ihrem Leben verspürt. Es drückte sie nieder - diese Aura. Da, vor ihr, da draußen, was etwas. Sie konnte es nur noch nicht sehen. Tropfen. Irgendwo tropfte Wasser auf den Boden. Gleichmäßig erzeugte es diesen hellen Ton. Der Geruch von Rost und nassen Stein lag in der dumpfen Luft. Aber das wohl schlimmste war die Kälte, welche einem gnadenlos ins Mark schnitt. Was war das für ein Ort? ~ .. noch ist es dir vergönnt, zu fliehen .. doch wenn du bleibst, steigst du hinab in das dunkelste Reich .. ~ Nur sehr langsam lüftete sich die Finsternis. Doch viel preis gab sie nicht. Jane musste sich wahrhaft anstrengen, überhaupt etwas erkennen zu können. Sie befand sich in einem sehr kleinen Raum. Das war noch einigermaßen klar. Doch die Schatten an den Wänden verhüllten sonst alles. Irgendwie war ihr das Zimmer nicht geheuer. Warum war es hier so verdammt kalt? Sie fröstelte. Plötzlich ging eine Tür auf. Licht fiel herein, beleuchtete etwas die Kammer. Ein Junge trat ein, schloss die Tür darauf wieder hinter sich. Er machte kein Licht, ging einfach im Rum umher. Kurz darauf glimmte eine Kerze auf. Der Junge blies das Streichholz aus und stellte die Kerze, die sich als Öllampe rausstellte, auf den Tisch. Erst jetzt konnte Jane näheres erkennen, auch wenn die Flamme recht mager war. Das Zimmer war wirklich sehr klein und beinhaltete nur diesen Tisch, einen Stuhl, einen kleinen Schrank an der Seite und ein Bett, mit Metallgestell. Alles wirkte heruntergekommen, beinahe verbraucht. Sie wand sich dem Jungen zu. Im Grunde musste sie schon nicht mehr überlegen. Es konnte nur Kai sein. Und wieder war er hier älter. Jane konnte ihn etwa auf 12 schätzen. Er sah sehr müde und geschafft aus. Viele Narben spannten sich über seine Arme und das Gesicht. Vom Training hatte er immer früher gesagt, wenn sie danach gefragt hatte. Kai zog etwas aus seiner Hosentasche. Ein weißer Schal. Das war ihr Schal, fiel es Jane heiß siedend ein. Ihr Schal, den sie Kai geschenkt hatte. Sie hatte Sorge gehabt, das er frieren würde. Der Junge wollte das Kleidungsstück gerade im Schrank verstauen, als erneut die Tür aufging und polternd ein Mann herein gestürmt kam. "Ich hatte dich gewarnt, du Drecksvieh. Wenn ich dich noch einmal erwischen sollte, brech' ich dir jeden Knochen," keifte er. Der Hüne schritt auf Kai zu, welcher zurückwich. Angst spiegelte sich in seinen Augen. "Ich hab nichts .." "Lüg mich nicht an!!" brüllte der Mann und schlug Kai mit der Faust ins Gesicht, sodass dieser zu Boden fiel. Die Hand des Erwachsenen wühlte in Kais Schrank umher und fand schnell, nach was es suchte. "Hab ich es doch gewusst." Er zog den Schal heraus. "Woher hast du das?" Kai lag keuchend am Boden. " Sergej hat ihn liegen gelassen.." flüsterte er. "Du lügst schon wieder!!" Diesmal trat er dem Jungen in den Magen. "Habe ich dir nicht gelehrt, mich nicht anzulügen?" fragte er forsch. Dabei prügelte er immer wieder auf Kai ein. Dieser konnte sich nicht wehren. Der Erwachsene war zu stark für ihn. "Du sagst mir jetzt den Namen, sonst finde ich es selbst raus." Der Junge brachte kein Wort zustande. Er bekam fast keine Luft mehr, die Schmerzen schnürten ihm die Lunge zu. "Gut. Wenn du nicht willst. Ich find das Gör schon. Erst schneide ich ihr die Kehle durch und dann bist du dran.." Mit diesen Worten erhob er sich und schleppte den fast schon bewusstlos geschlagenen Kai hinaus. Ihre Augen starrten starr auf den Fleck, auf dem Kai zuvor gelegen hatte. Jane hatte das Gefühl, still zu stehen. Was sie hier sah, was sie hier fühlte, konnte sie nicht mehr in Worte fassen. Das ging über jede Grenze. Das war für einen normalen Menschen kaum vorstellbar. Es war zuviel .. ~ .. wer dem Abgrund nahe ist, verliert alle seine Flügel .. ~ Neue Bilder spielten sich vor ihr ab. Jane kam es vor, als würde es immer kälter werden. Es kreiste sie ein. Verschiedene Szenen flackerten vor ihr auf. Sie hatte Mühe allem zu folgen. Eine kleine Halle erschien. Beyarenas hoben sich aus dem Untergrund. Das Kratzen eines Kreisels war zu hören. "Keine Müdigkeit. Du hast erst 5 Stunden hinter dir!!" Der Befahl galt Kai. Wie konnte es anders sein. Wer war dieser Mann, der Kai immer so schändigte? War das etwa Boris? Von dem sie immer gehört hatte. Der 12-jährige strauchelte schon etwas, doch biss die Zähne zusammen. "Das war nicht gut genug. Noch mal!" kam der Schrei auf. Eine Ohrfeige prallte auf Kai nieder. Er gab nicht einen Ton von sich, sondern machte weiter. "Du wirst das jetzt so lange üben, bis du es kannst. Hast du verstanden? Ein Fehler, und dir wird das Essen gekürzt." Die Szene veränderte sich. Plötzlich wurde Kai von ein paar Leuten, wahrscheinlich Aufsehern, festgehalten und zu Boden gedrückt. Der Russe brüllte und wehrte sich. Trat mit Füßen. Aber es half nichts. Eine weitere Person schob seinen Ärmel hoch und stach mit einer Spritze in seine Ader. Der Kolben wurde herunter gedrückt und damit die Flüssigkeit injiziert. Ein paar Sekunden später lag Kai leblos da. " Wirksames Mittelchen, Doktor. Muss man sagen." Der Mann grinste hämisch. "Die Wirkung der neuen Droge erstaunt mich auch immer wieder." Gelächter. Schon wieder brach das Bild in sich zusammen, strukturierte sich um und bot eine neue grausame Erinnerung an. Die Farben rauschten, das Gefühl im eigenen Schrei ersticken zu müssen wurde immer stärker. Jane stand in einem gefliesten Raum. Die Kacheln zeigten starke Kalkspuren. Der Geruch von Kernseife stieg dem Mädchen in die Nase. Wasser prasselte zu Boden, vereinzelt erfüllten Stimmen die Stille. Sie war hier in einem Waschraum. Eine Horde Jungs putze sich entweder die Zähne oder duschte sich im hinteren Teil. Auf einmal entstand genau dort ein Handgemenge. Beschimpfungen, Ausrufe - allesamt auf russisch. Eine Rauferei bildete sich, an der wohl mehrer Jungs beteiligt waren. Sie waren alle um die 16 Jahre alt. Im ersten Moment konnte Jane so gut wie nichts erkennen, was genau geschah. Ein Junge ging zu Boden. Die umstehenden Jugendlichen prügelten auf den jüngeren ein. Beschimpften ihn. Die Situation drohte zu eskalieren. Es ging alles so furchtbar schnell. Nach unendlich erscheinenden Minuten ließen die Russen von ihrem Opfer ab. Dieses kämpfte sich nach ein paar Sekunden unter Schmerzen wieder hoch, kam schwer atmend, wankend auf die Beine. Der Junge zog das Handtuch um seine Hüfte wieder zurecht und schritt langsam zum Waschbecken, um sich das Blut abzuwaschen. Die noch verblieben Jungen beachteten ihn nicht weiter und verließen bald den Raum. Zitternd lehnte der etwa 13-jährige am Waschbecken. Jane sah seine unzähligen blauen Flecke und Blutergüsse. Die Rippen waren deutlich zu erkennen. Janes Herz zog sich zusammen. Der Junge war Kai. ~ .. was willst du tun, wenn nicht einmal mehr ein Schrei deinen Schmerz ausdrücken kann .. ~ Die Szene verblich, löste sich auf. Summierte sich jedoch wieder zu etwas Neuem. Jane wollte nicht mehr hinsehen. Sie konnte nicht mehr. Sie hielt es nicht aus, noch mehr sehen zu müssen. Doch schon wurde ihr wieder eine neue Erinnerung gezeigt. Sie wollte sich abwenden, doch es war umsonst. Mit aller Macht wurde die Russin festgehalten und dem Grauen vorgeführt. Es gab kein Zurück mehr .. ~ .. es war dein Wunsch, so fallet ihr auf ewig in den Grund .. ~ Sie stand zitternd an einer Wand gelehnt. Ob ihr Herz überhaupt noch schlug, wusste sie nicht. Und ob sie es hoffen wollte, war nicht sicher. Ihr gegenüber stand Kai an der steinernen Wand. Seine Hände waren über seinem Kopf geknebelt. Sein Kopf zeigte gen Boden. Vor ihm stand der gleiche Hüne, welcher ihn schon in dem kleinen Zimmer und in der Arena geschlagen hatte. Mit schwingenden Schritten lief er vor seinem Opfer auf und ab. Er blieb stehen. "Also. Ich wiederhole mich ungern. Entweder du sagst mir den Namen, oder ich werde zu entscheidenden Maßnahmen greifen." Der Junge antwortete nicht, sondern atmete flach ein und aus. Es schien, als wäre er in sich versunken. "Hast du mich verstanden?!" fragte der Erwachsene schrill und rammte ihm die Faust in den Magen. Der Körper krümmte sich, doch kein Ton entwich Kais Mund. Er schluckte jeglichen Schrei hinunter. "Hm.." Boris lachte auf. " Ich hab es nicht anders erwartet." Er klopfte dem Russen auf die Schulter. "Wer nichts hat, kann nichts verlieren, nicht wahr? Das ist immer dein Ausgangspunkt gewesen. Der stolze Hiwatari, der sich nicht unterkriegen lässt. Der stolze Hiwatari.." Prompt krallte er sich in der Schulter fest und prügelte auf den wehrlosen Jungen ein. Immer wieder. Kai bäumte sich auf, wollte schreien, doch blieb stumm. Blut sickerte aus seinem Mund. Seine Beine gaben fast unter ihm nach, doch die Fesseln hielten ihn aufrecht. Er keuchte. "Dein Motto kannst du dir sonst wo hinstecken. Hier bist du nichts wert. Nichts. Was denkst du, warum du hier bist? Weil deine Eltern es so wollten. Die wollten dich loswerden. Einfach so. Ich kann sie verstehen. Was bist du schon, he?! Was denkst du.. der Welt da draußen bist du vollkommen egal. Wie auch diesem Gör. So etwas wie dich vermisst niemand. Niemand, hörst du? Eigentlich kannst du echt glücklich sein, dass ich dich überhaupt anfasse. Ohne mich würdest du da draußen verhungern." Es sah so aus, als würde Kai dem gar nicht zu hören. Doch wenn man genau hinsah konnte man sehen, wie seine Augen von Wort zu Wort mehr ihren Glanz verloren. Sie wurden stumpf. Der Mann holte aus. "Also ist es mal an der Zeit meine Freundlichkeit zu bezahlen und mir zu sagen, wer dieses Gör ist. Ich nehm sie so oder so aus einander. Also musst du hier nicht den Helden spielen. Das bringt uns nichts und dir am aller wenigsten." Die Minuten verstrichen, aber Kai blieb stumm. Der Erwachsene verlor bald die Geduld. Er hatte besseres zu tun, als sich mit diesem wertlosen Pack abzugeben. "Schön, wie du willst. Dann muss ich es wohl selbst rausfinden. Meine Leute werden sich über ein kleines Familienmassaker freuen. Oder sie erschießen gleich alle Mädchen in den naheliegenden Dörfern. Du wolltest es nicht anders. Von nun an bist du ein wertloses Stück Dreck, was auch noch mehrere Leben auf dem Gewissen hat. Ein widerwärtiger Mörder. Passt doch.." "Es reicht.." erklang es röchelnd von Kai. "Du wirst gar nichts tun." Boris zog die Augenbraue hoch. "Werden wir auch noch frech und erteilen Befehle?!" Er trat ihm in die Seite. "Vielleicht .. kannst du mich töten .. mir egal .. aber du lässt sie aus dem Spiel .." Es fiel im schwer zu sprechen, da er kaum noch Luft bekam. "Das betrifft nur .. dich und mich. Mach mit mir .. was du willst. Ein Mord .. wird dir nichts bringen .. es würde sich nichts ändern.." "Dann kann man sie sowieso töten. Ein Mord mehr oder weniger." Er lachte auf. "Hör du auf, mir Vorschriften zu machen, Ratte!!" schrie er ihn an. Erneut hagelten Schläge auf ihn nieder. Minuten zogen sich hin wie Stunden. Es war still geworden. Das Wasser tropfte noch immer zu Boden. Blut hatte sich seit längerem dazu gesellt. Bald wurde es immer dunkler im Raum. Alles schien seine Bedeutung zu verlieren. " Mein Leben .. für ihres. Du .. kannst mit mir machen, was du willst .. Dir sind keine Grenzen .. gesetzt. Nur eine Bedingung. Sie bleibt am Leben. Sonst bring ich mich um, .. dann kann niemand mehr ... Black Dranzer kontrollieren .." Die beiden Personen waren kaum noch zu erkennen. Die Kälte legte alles lahm. Die Zeit verrann, das Blut floss den geschundenen Körper hinab. "Gut... Dein Leben für ihres.." Es war besiegelt. Der Pakt stand unwiderruflich fest. Nichts würde ihn mehr retten können. In seiner größten Not verkaufte er das einzige, was ihm noch geblieben war. Kai verkaufte seine Seele, sein Leben an seinen Peiniger, um das einzige zu bewahren, was ihm wichtig war. Was ihm wichtiger war, als sein Leben. Jane. Die Russin begriff erst jetzt alles. Alles in ihrem Leben. Je ehe sie sich dessen bewusst werden konnte, musste sie das wohl schrecklichste in ihren Leben mit ansehen. In der Zwischenzeit hatte Boris Kai von den Fesseln befreit und ihn zu Boden geworfen. Wie ein wildes Tier stürzte er sich auf ihn. Der 13-jährige konnte sich nicht wehren. Es war zu spät. Etwa eine Stunde lang verging sich Boris auf brutalste Weise an ihm. Unter größten Schmerzen und unendlicher Scham ertrug es der Russe. Kein Schrei entwich seiner Kehle, kein Wimmern überkam seine Lippen, keine Träne rann über seine Wange. Er lag einfach auf dem kalten Seinboden und versuchte zu ignorieren, dass sich der Erwachsene in ihm ergoss. Seine Augen wurden immer leerer. Die Flammen drohten für immer zu erlöschen. Vielleicht hatte er gehofft, dass es nach dieser Vergewaltigung für heute genug wäre. Doch dem war nicht so. Ein Handzeichen genügte und eine Gruppe von Männern umkreisten den Jungen. Einer nach dem anderen vergnügten sich an dem jungen Körper, verprügelten ihn, wenn ihnen etwas nicht gefiel. Schlugen ihn fast tot. Es nahm kein Ende. Wie eine Puppe wurde Kai hin und hergeworfen. Er war kurz davor bewusstlos zu werden. Aber die Gestalten nahmen keine Rücksicht. Es war nur ein Junge. Vollkommen wertlos. " Hört auf .. Hört endlich auf!!! Nehmt eure dreckigen Finger von ihm!!! Seht ihr den nicht was ihr tut!! Er ist doch schon so gut wie tot! Was wollt ihr noch?? Das ist ein Kind!! Ein KIND!!!!! Lasst ihn endlich in RUHE!!!!!" Sie schrie sich die Seele aus dem Leib. Sie schrie alles aus sich raus - all die Schmerzen, die Trauer, die Verzweifelung, den Hass. Sie verspürte den unheimlichen Drang zu morden. Sie wollte diese Männer umbringen, sie bluten sehen. So schrie sie alles auch sich raus. Sie kämpfte gegen die Kälte, die Dunkelheit die sie umklammerte. Sie durchbrach all ihre Grenzen. Sie schrie, auch wenn ihre Stimme brechen würde. Sie schrie, wie sie es noch nie getan hatte. Sie spürte in sich das Feuer. Das Feuer, was Kai für sie verloren hatte.. ~ .. manchmal werden wir erst im Augenblick unseres Todes geboren .. so erstehen wir aus unserer Asche und lichten unsere verlorenen Flügel .. flieg mein Engel, mein Phönix .. ~ Sie löste sich aus ihrer Umklammerung und stürmte auf die Gruppe zu, schmetterte voller Wut die Männer nieder. Sie glich einem Inferno, gegen das kein Ankommen war. Schlimmer als jede Verdammnis. Ihre Glut vernichtete alles, was ihr im Weg war. Ihr Hass riss die Leiber auseinander. Die Flammen verdrängten die Dunkelheit, die Kälte wurde durch das Feuer geschlagen. Sie erstrahlte wie nie zuvor. Ihre Aura erfüllte den Raum. Sie war das jüngste Gericht. Das wütende Feuer wich zurück. Zu ihren Füßen lag Kai blutüberströmt. Ihre Flammen bildeten sacht einen Kreis um den Körper, schützten ihn vor jeglichen weiteren Angriffen. Plötzlich schlug das Feuer empor, hüllte beide vollständig ein. Behutsam nahm sie sich dem Jungen an, schloss ihn in ihre Arme. Ihre Flügel schlangen sich sanft um ihn. " .. Hab keine Angst...es wird alles gut. .. Ich hab dich gefunden... ich hab dich endlich gefunden .." Die Flammen beginnen zu tanzen, schlagen hoch, vergraben alles in sich. Das Inferno breitet sich aus, lässt nichts verschont. Das Feuer brennt alles nieder.. Sie durchbrach alle Grenzen. Farben rauschen, Bilder fliegen vorbei. Alles verzerrt sich in einem gewaltigen Wirrwarr. Tausend Stimmen verhallen in ihren Ohren. Das Licht wird immer greller. Der Puls beschleunigt sich, das Herz rast. Der Sauerstoff fließt in den Adern. Ein Gefühl von Freiheit macht sich bemerkbar. Der Atem erfüllt alle Sinne. Hey, Kai? Wollen wir Freunde werden? Schwerelos schwebt man über allen Dingen. Ich mag dich. Wärme schmeichelt die Seele. Langsam einkehrende Ruhe. Der Rhythmus gleicht sich aus. Herrlichkeit des Einklangs. Balance wiegt den Körper. Endgültiger Frieden. ...Schau mal, die Sonne geht auf ... .. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)