Dunkle Dämmerung von Perro (Kampf um die Götterschwerter *abgeschlossen*) ================================================================================ Kapitel 11: Feuer, Blitz und blaues Sonnenlicht ----------------------------------------------- Hey, ein weiteres Dankeschön an nilfen und Elayne für ihre mutmachenden Kommis^^ (Ihr seid zwei echte Liebis, bitte weiter so^^) Als Belohnung gibts bereits nach einer Woche dieses neue, ziemlich lange Kapitel. Genießt es einfach. Ich hoffe natürlich auch weiterhin auf tatkräftige Unterstützung :P -------------------------------------------------- Kapitel XI - Feuer, Blitz und blaues Sonnenlicht Die Ruinen von Tradan lagen irgendwo versteckt in einem unbegangenen Areal der Pyrenäen, über eintausendfünfhundert Meter über dem Meeresspiegel. Die verwitterten, blattlosen Bäume standen dicht und der Schnee lag einen halben Meter hoch. Als Zeliarina aus dem Helikopter der Lancelor nach unten sah, entdeckte sie keinen Pfad, der auch nur annähernd in die nähere Umgebung führte. Nicht einmal die Spuren eines Tieres waren in der weißen Schneedecke zu erkennen. "Hier ist es! Wir müssen hier landen!", gab Dunkan dem Piloten über Funk zu verstehen. Er war damals dabei gewesen, als die Lancelor die alten Ruinen gefunden hatten. Zeliarina nickte und setzte sich wieder ordentlich hin, während der Helikopter allmählich an Höhe verlor und auf einem kleinen Platz zwischen verkrüppelten Baumgerippen landete. Dabei wirbelte der Luftdruck der langen Rotorenblätter den Schnee so heftig umher, dass man kaum noch etwas sehen konnte. "Wir sind da!" Die Ansage des Piloten tönte noch eine ganz Weile nachdem sie über die Ohrenschützer erklungen war in den Ohren der Lancelor nach. Dymeon war der Erste, der sich von seinem Platz löste und sich seiner Kopfhörer entledigte. Unwirsch legte er sie zur Seite, öffnete die Schiebetür des Hubschraubers mit einem metallischen Klappern und sprang hinaus in den Schnee. Nach und nach folgten die Lancelor, Dunkan und Storm unerschrocken, die anderen etwas zögerlicher. Besonders Titus McCain, der einen kleinen Laptop auf seinem Rücken trug, schien nervös. Er sah sich angespannt um, lauschte jedem Geräusch und zuckte ungewollt zusammen, als Storm brummend das Wort erhob. "Und wo sind die Ruinen nun?" "Direkt vor dir." Ernst deutete Dunkan auf ein steiles Felsmassiv, das sich keine hundert Meter vor ihnen in den Himmel erhob. Wie ein spitzer Miniberg auf dem eigentlichen Berg sah es aus. Storm und die anderen runzelten die Stirn und blickten den Palas verwirrt an, denn sie konnten keinen Eingang entdecken, sondern nur mit Schnee übersäte Steinwände. "Wir müssen den Schnee schon beiseite räumen. Der Eingang ist zugeschneit", erklärte Dunkan schmunzelnd. Er sah zurück zu dem Piloten, der unbeweglich in seinem Cockpit saß und ihnen den Daumen entgegenstreckte. Der Mann war kein Kämpfer und kein hochrangiger Lancelor. Er zog es vor in der warmen Sicherheit seiner Maschine zu bleiben. Zeliarina verübelte es ihm nicht, denn die Umgebung wirkte tatsächlich nicht sehr einladend. Die verkrüppelten Bäume, das Fehlen der Tiere und die entsetzliche Totenstille schlugen ihr schwer aufs Gemüt. Obwohl die speziellen Fasern ihrer Lancelorkleidung sie vor den Witterungen schützten, breitete sich in ihr eine eisige Kälte aus, die nicht vom Schnee stammte. Fröstelnd schaute sich die junge Donnerhexe um, doch offensichtlich ging es nur ihr so. Kevin kaute zufrieden an seinen letzten Sonnenblumenkernen, während Victoria mit verschränkten Armen an seiner Seite stand und schwieg. Neben ihnen streichelte Storm mit dunkler Miene seine Pistole und sein Schwert, die an seiner Hüfte hingen. Dymeon und Dunkan gingen mit Titus im Schlepptau zu dem kleinen Berg, der angeblich den Eingang zu den Ruinen von Tradan verbarg. Als sie davor stehen blieben, setzten sich auch die anderen Lancelor in Bewegung und gesellten sich zu ihnen. Kein Wind wehte, obwohl sie sich so hoch in den Bergen befanden. Trotzdem fröstelte Zeliarina wieder und zog die weiße Jacke, die sie diesmal zusätzlich zu ihrer Standartkleidung bekommen hatte, enger um den Körper. "Die Schneeschicht ist dick und hart zusammengepresst", murmelte Dunkan, als er nachdenklich darüber strich. Er warf Kevin einen kurzen Blick zu. "Ich denke, Feuer löst das am besten..." Der Elementare nickte, trat vor und legte seine Handfläche an den Schnee. Sofort schmolz das Weiß ein wenig, als es seine Haut berührte. Dann spannte der Junge mit aller Kraft seine Muskeln an und schrie wie schon damals im Trainingsraum voller Zorn auf. Seine Finger verwandelten sich in gleißendes Feuer, das die Wand aus Schnee zum Schmelzen brachte wie heiße Butter. Kaum dreißig Sekunden vergingen ehe ein mannsgroßes Loch entstanden war. Dahinter lag kein Fels, sondern bodenlose Schwärze. Ohne Zweifel führte der Weg tief ins Innere des Berges. "Gut gemacht", lobte Dunkan lächelnd. Kevin nickte nur keuchend und mit schweißüberströmter Stirn. Er taumelte ein wenig als er versuchte zu gehen, aber Victoria stand ohne Aufforderung sofort an seiner Seite und stützte ihn mit einer Hand. Erstaunt sah der Elementare sie an. Seine Atmung erholte sich schneller als beim Training und schon bald grinste er von Ohr zu Ohr. Victoria distanzierte sich abrupt wieder von ihm, doch das Grinsen auf Kevins Gesicht schien festgeklebt worden zu sein. "Okay, dann mal los. Ich gehe voran, du kommst als letzter, Storm. Seid auf alles gefasst. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Däezander uns überraschend auflauert", warnte Dunkan ernst. Er zog eine starke Taschenlampe aus einer Westentasche und knipste sie an. Der Lichtstrahl viel hell und weit in die Dunkelheit, um einen schmalen Gang zu entblößen. Er bestand aus dem gleichen roten Gestein wie Thundenstars Tempel. Auch Zeliarina und die anderen wagten sich in den Tunnel. Sie holten ebenfalls ihre Taschenlampen hervor, so dass der Weg schon bald von sechs Lichtstrahlen erhellt war. Keiner wagte es ein Wort zu sprechen. Die Stimmung war bis zum Zerreißen gespannt, obwohl nichts darauf hindeutete, dass Dämonen ihnen auflauerten. Keine schwarze Aura war zu spüren. Nach einer uneinschätzbaren Zeit, die sich endlos dahin zog, wurde der Tunnel langsam breiter und höher, bis er in eine Höhle überging, die zu perfekt geformt war um natürlich zu sein. Von ihr gingen zwei weitere Wege ab, doch Dunkan blieb unbeeindruckt in der Mitte des Raumes stehen. "Die zwei Pfade führen nirgendwo hin. Sie sind Sackgassen, die wir schon früher erkundet haben", meinte er leise. "Und wieso sind wir dann hier?", fragte Victoria tonlos. Wortlos leuchtete der Palas auf eine kreisrunde gelbe Fläche, die zwischen den roten Steinen eingelassen worden war. Sie musste einen Durchmesser von mehr als drei Metern haben. Die Lancelor hielten gespannt den Atem ein, als Dunkans Lampenstrahl zu einem Schlitz wanderte, der genau im Zentrum des Kreises war und von verschnörkelten Runen umschlungen wurde. Zum ersten Mal gab Titus einen verblüfften, geradezu erfreuten Laut von sich. "Alte Sprache!" Sofort lief er auf die Fläche zu und strich mit den Fingern zart über die Einkerbungen. "Ganz klar, das ist Alte Sprache. ,Tritt ein, Träger des Götterschwerts'..." "Und genau das wird sie tun", lächelte Dunkan. Er klopfte Zeliarina aufmunternd auf die Schulter und schob sie sanft nach vorne. Einen Augenblick lang stand die Donnerhexe unschlüssig da und wusste nicht was sie tun sollte. Ihr Blick glitt über den gelben Stein der runden Fläche, über den begeisterten Titus, über den Schlitz und die Runen. Dann verstand sie plötzlich. Mit einer fließenden Bewegung zog sie Thundenstar aus der Schlaufe ihres Gürtels. Das Götterschwert strahlte seine ungeheuer mächtige Spannung aus, die ihr die Haare zu Berge stehen ließ und ihr den Atem raubte. Kleine Miniaturblitze zuckten über die breite Klinge. "Ich bin Thundenstars Wächterin!" Entschlossen steckte sie die Spitze ihres Schwertes in die Ritze, doch die Klinge war zu breit um sie vollkommen darin verschwinden zu lassen. Dann aber schien sich die Öffnung schließlich zu verbreitern, bis sie wie geschaffen für das Götterschwert war. Die Klinge versank bis zum Heft und erzeugte ein schabendes Geräusch, das alle die Hände über die Ohren schlagen ließ. Bereits einen Augenblick später klickte es weit hinter dem gelben Stein und die runde Platte schwang auf wie eine gewöhnliche Tür. "Gut gemacht!", lobte Dunkan. Er und Storm wollten bereits durch den neu entstandenen Eingang treten, doch plötzlich blieben sie wie angewurzelt stehen. In dem Raum, der zum Vorschein gekommen war, hatte sich ein alter Mann gemächlich im Schneidersitz niedergelassen. Völlig ruhig hockte er da, uneingeschüchtert von der plötzlichen Gesellschaft, und hob grüßend einen Arm. "Hallo." Erschrocken rissen die beiden Palas ihre Waffen aus den Halftern und richteten sie auf den Fremden. Der Alte zeigte keine Anzeichen, dass es ihn störte. Im Gegenteil, er gähnte sogar ein wenig gelangweilt. "Seid ihr Menschen? Ja, natürlich seid ihr Menschen. Ihr müsst welche sein, denn einer von euch trägt die Sieben und der schwarze Drache ist noch nicht auferstanden..." Auch Kevin stellte sich jetzt neben Storm und Dunkan und richtete seine abgesägte Schrotflinte auf den merkwürdigen Greis. "Wovon zum Teufel, redet der?" Der Alte seufzte schwer und schloss seine dunklen Augen, ehe er sich erstaunlich fit auf die Beine schwang. Sein weißer Bart und das verfilzte Haar waren so lang, dass er beim Aufstehen beinahe darauf getreten wäre. "Oh je, ich muss wohl viel erklären... Wer von euch trägt die Sieben?" Die Lancelor tauschten verwirrt und zunehmend misstrauisch Blicke aus. Wieder entglitt dem Alten ein schweres Seufzen. "Ach ja, ihr nennt es nicht die Sieben... Also wer von euch trägt... Thundenstar?" Obwohl niemand wusste wer der Fremde überhaupt war, schauten alle gleichzeitig zu Zeliarina, die unsicher das Götterschwert vor sich hielt, so dass der Alte es sehen konnte. Schwache Überraschung spiegelte sich in seinen Augen wider. "Noch so jung...selbst für einen Menschen..." Langsam schritt er auf die Donnerhexe zu, bis Dunkans Pistole schlagartig gegen seine Schläfe gedrückt wurde. "Es reicht jetzt! Sag wer du bist!" Der Alte wirkte ein wenig gestresst, so wie eine Mutter von ihren quengelnden Kindern gestresst ist. Mit seinem Zeigefinger schob er den Lauf der Waffe sanft von sich weg, ohne dabei den Blick von Zeliarina zu lösen. "Ich bin ein Shetan... Mein Name ist Sabiduría..." "Das bedeutet Weisheit", warf Titus ein. "Was ist ein Shetan?", fragte Victoria kurz. Sie schien einen Moment lang in den Gedanken des Alten zu lesen, schüttelte bereits nach ein paar Sekunden jedoch ein wenig verwirrt den Kopf. "Das verstehe ich nicht... Ich kann nicht in seinen Kopf sehen..." "Sei doch froh, das wäre ziemlich eklig..." Sabiduría lachte kurz über seinen eigenen Witz, erkannte jedoch schnell, dass er damit nicht gut gelandet war und in finstere Mienen guckte. "Nun ja, was soll ich dazu sagen? Ich bin eben ein Shetan. Und ein Shetan ist ein Shetan. Er ist kein Dämon und auch kein Mensch, sondern einfach ein Shetan..." Nur Titus schien zu verstehen was der Alte ihnen sagen wollte, denn seine Augen weiteten sich verblüfft. Er schnappte merkwürdig hastig nach Luft und deutete mit zitterndem Zeigefinger auf ihn. "Ich habe in alten Schriften davon gelesen. Sie sind das alte Volk, die Vorfahren der Menschen. Sie haben damals die sieben Götterschwerter versteckt, als sie von deren Macht erfuhren. Sie haben die Tempel gebaut...und diese Ruinen hier. Sie gebrauchten die Alte Sprache..." Sabiduría nickte bei jedem Punkt mit einem kleinen Lächeln. "Der Junge ist gut", gestand er fröhlich. "Er hat Recht, ich bin einer vom alten Volk. Es gibt heutzutage nur noch wenige von uns und diese haben sich zurückgezogen, um Platz für die Menschen und Dämonen zu machen. Wir kümmern uns nicht mehr um eure Angelegenheiten und mischen uns eigentlich auch nicht in sie ein. Ich bin nur ein Beobachter des Geschehens..." "Warum bist du dann hier?", fragte Zeliarina zögerlich. "Weil mich der Ausgang der Geschichte interessiert... Und die Schlüsselfiguren, die die Götterschwerter tragen. Es interessiert mich warum diese Personen für ihre Sache kämpfen, was sie fühlen, warum sie ihrem Orden treu sind, was sie sich von ihrem Schwert erhoffen. Bis jetzt habe ich sechs von ihnen kennen gelernt. Sie waren allesamt Dämonen. Du bist die siebte." Er deutete auf Zeliarina und winkte sie lächelnd zu sich heran. Die junge Donnerhexe zögerte nicht einen Augenblick, obwohl Dunkan und Storm ihr warnende Blicke zuwarfen. Irgendwie wusste sie, dass von Sabiduría keine Gefahr ausging. Der Shetan kehrte ihr derweil wortlos den Rücken zu und schlenderte in die Mitte des freigelegten Raumes. Dort verharrte er einen Moment. "Ich kann dir Dinge zeigen, die dir neue Hoffnung im Kampf gegen den Däezander schenken werden, Trägerin der Sieben..." Seine Stimme klang plötzlich gedämpft. Eine versteckte Aufforderung lag in seinen Worten, auch wenn sie einen warnenden Unterton bargen. Zeliarina fühlte wieder diese Frösteln in sich aufsteigen, ignorierte es jedoch tapfer. "Ist das nicht dann doch eine Einmischung in die Angelegenheiten der Menschen?", wisperte sie unsicher. Der Shetan sah über seine Schulter zu ihr zurück. Ein schelmisches Lächeln lag auf seinen Lippen. "Vielleicht", flüsterte er zischend. "Doch ich habe diese Dinge auch den anderen sechs gezeigt... Ihr könnt sie euch auch selber ansehen... Mit meiner Hilfe wird das Verständnis nur schneller gehen... Also mische ich mich nicht direkt ein, ich beschleunige nur die Prozedur..." "Das verstehe ich nicht..." "Folge mir", erwiderte Sabiduría nur. Zeliarina blickte unsicher auf ihre Begleiter, die genau wie sie nicht richtig zu wissen schienen was sie mit dem alten Shetan anfangen sollten. Dunkan und Storm wirkten immer noch skeptisch, Kevin dagegen einfach nur sehr verwirrt. Victoria und Dymeon zeigten keine äußerlichen Reaktionen, doch Zeliarina wusste, dass es auch in ihren Köpfen arbeitete. Nur Titus nickte ihr enthusiastisch zu. Dann begutachtete das Mädchen Thundenstar, welches noch immer in ihrer Hand lag. Die breite Klinge schien ganz schwach zu glühen und ihre Finger zu wärmen. Vertraue ihm... Die Worte wurden nicht gesprochen und auch nicht in ihren Kopf projiziert, so wie Victoria das konnte. Trotzdem hatte Zeliarina sie wahrgenommen, als hätte man sie ihr ganz zart und leise ins Ohr gehaucht. Thundenstar, das Schwert des Donners, hatte zu ihr gesprochen. Und Zeliarina vertraute diesem Schwert. Also vertraute sie auch Sabiduría. "Gut, ich werde dir folgen." Entschlossen lief sie zu dem Shetan und folgte ihm zu einer weiteren, gelben Kreistür. Sabiduría öffnete sie indem er eine merkwürdige Geste in der Luft ausführte und das gelbe Gestein anschließend mit Zeige- und Mittelfinger flüchtig berührte. Ohne das geringste Geräusch legte die Tür einen weiteren, von Fackeln erleuchteten Gang frei. Die anderen Lancelor machten Anstalten der Donnerhexe und dem Shetan zu folgen, doch Sabiduría warf ihnen nur einen beiläufigen Blick zu und schüttelte den Kopf. "Was ich zu zeigen habe, ist nur für die Augen der Wächterin Thundenstars bestimmt..." "Aber alleine wird sie nicht gehen", antwortete Storm trocken, "Wir wissen immer noch nicht, ob wir dir wirklich trauen können. Warum sollten wir die letzte Hoffnung der gesamten Menschheit einfach mit einem Fremden davonziehen lassen...?" Sabiduría hob seine Augenbrauen ein wenig. Er schien das Gesagte abzuwägen, ließ seine dunklen Augen zwischen den Ordensmitgliedern hin und her wandern und nickte schließlich kaum merklich. "Nun gut, ich verstehe euer Misstrauen. Doch dann wählt einen der Eurigen, der die Wächterin begleiten darf. Alle können nicht mit..." Dunkan setzte zum Sprechen an, doch Dymeon begab sich bereits ganz selbstverständlich neben Zeliarina, um ihren Jackenärmel mit seiner Hand zu streifen. "Ich bin ihr Schutzritter. Es ist meine Aufgabe sie vor jeglichem Unheil zu beschützen und sie überall verteidigen zu können..." Die Stimme des Dämons ließ keine Widersprüche zu. Unter seinen verfilzten Haarsträhnen beobachteten seine dunklen Augen jede noch so kleine Bewegung des Shetan mit unvergleichlicher Aufmerksamkeit. Sabiduría schien es zu bemerken, sich jedoch nicht daran zu stören. "Ein Dämon", merkte er interessiert an. Dymeons dunkle Augen verengten sich in Überraschung und Misstrauen zu schmalen Schlitzen. Er packte Zeliarina instinktiv am Arm und schob sie sanft hinter sich, so dass er zwischen ihr und dem Shetan stand. Sabiduría schmunzelte nur. "Na, kein Grund zur Unruhe. Ich erkenne einen Dämon, wenn ich vor ihm stehe, auch wenn seine Aura von einer der drei Drachenketten unterdrückt wird...", meinte er leise. Sein Blick wanderte zu Dunkan und Storm, die ihre Waffen für einen Moment wieder auf ihn gerichtet hatten. "Wie interessant... Mir misstraut ihr also... Aber von den Dämonen, die ihr für ihre Mordlust und Brutalität verabscheut, erwählt ihr einen zu ihrem Schutzbefohlenen... Ihr legt also die ,letzte Hoffnung der gesamten Menschheit' in die Hände eines Wesens, dessen Orden ihr bekämpft..." "Das ist was anderes!", stieß Zeliarina hervor. "An seinen Händen klebt das Blut Unschuldiger...", sprach Sabiduría ungerührt weiter. Er nagelte Dymeon mit einem solch intensiven Blick fest, dass es Zeliarina eine Gänsehaut bereitete. Alle Lockerheit und Fröhlichkeit war aus dem alten Gesicht gewichen. In seinen dunklen Augen lag nur noch endlose Weisheit. Eine Weisheit, die in tausenden und abertausenden Jahren erworben wurde. Jetzt verstanden die Lancelor, wieso Sabidurías Name diese Bedeutung trug. "Ich kann es nicht leugnen...", flüsterte Dymeon heiser. Seine Stimme klang traurig und gebrochen. "Ich kann das Blut der Unschuldigen nicht leugnen... Doch ich habe das nie gewollt... Ich habe es nie gewollt..." Die Hände des Dämons fingen an sich zu verformen und die spitzen Enden seiner Klauen gruben sich in seinen schwarzen Mantel und in Zeliarinas weiße Jacke. "Der Däezander hat mich dazu gezwungen..." Zärtlich strichen die Finger der Donnerhexe über Dymeons angespannte Hände. Er schien sich unter ihrer Berührung ein wenig zu entspannen, doch ein Hauch von Trauer blieb dennoch in seinem Gesicht zurück. "Dymeon würde mich niemals betrügen... Er gibt alles dafür mich zu beschützen und die Opfer des Krieges gering zu halten..." Sie funkelte Sabiduría an. Der Shetan entgegnete dem Blick eine Weile schweigend, ehe er Dymeon genauso wortlos betrachtete. "Eure Augen sind rein...", stellte er leise fest. "Doch wie werden sie nach den Dingen aussehen, die ich euch nun zeigen möchte...?" "Niemand sieht sich hier irgendetwas an!", schrie plötzlich eine unbekannte Stimme aus der Richtung des Ganges, der sie in die Ruinen geführt hatte. Alle Köpfe, sogar der von Sabiduría, fuhren überrascht herum, doch sie sahen zunächst niemanden. Erst nach einigen unerträglich langsamen Sekunden trat eine Gestalt aus dem dunklen Schatten des Tunnels. Es war eine Frau mit langen, glatten und rabenschwarzen Haaren. Auf ihrem hübschen Gesicht zogen sich je drei parallel verlaufende Narben über jede Wange, zu gleichmäßig um bei einem Unfall entstanden zu sein. Sie war eine Kriegerin. Sie trug einen altmodischen Brustpanzer aus dunklem Metall, so wie die Ritter des Mittelalters welche gehabt haben mussten. Außerdem umfassten ihre geschmeidigen Finger ein dünnes, blau schimmerndes Schwert. "Ein Dämon!", warnte Dymeon düster. Die Lancelor hätten diese Tatsache auch ohne ihn erkannt, denn obwohl die Fremde keine dunkle Aura verbreitete, wirkte sie nicht menschlich. Die Pupillen ihrer giftgrünen Augen waren geschlitzt wie bei einem Raubtier und auf ihren Armen und ihrem Hals glitzerten Geflechte aus rotschwarzen Schuppen. Zeliarina wurde bei ihrem Anblick ungewollt an eine Schlange erinnert. "Warum spüren wir deine Aura nicht?", zischte Kevin angespannt. Seine Hand krallte sich um den Griff seiner Waffe, doch die Dämonin schenkte ihm keinerlei Aufmerksamkeit. Ihre Augen waren stur auf Dymeon, Zeliarina und Sabiduría gerichtet. "Ein Dämon?", wiederholte sie Dymeons Worte gespielt beleidigt, als hätte Kevin gar nicht gesprochen. Sie schnaubte abfällig und warf ihr langes Haar mit einer eleganten Bewegung in den Nacken zurück. "Der Verräter Blutträne nennt mich ,Dämon', als wäre ich ein Tier? Bist du so sehr wie die Menschen geworden? Haben diese Leute das aus dir gemacht?" "Warum spüren wir deine Aura nicht?", erwiderte Dymeon schlicht. Die Fremde lächelte spöttisch und zog mit ihrer freien Hand wortlos einen silbernen Drachenkettenanhänger unter ihrem Brustharnisch hervor. "Einer der drei berühmten Auraunterdrücker. Du hast einen, Ereos den anderen. Ich habe den lange zerstört geglaubten dritten...", säuselte sie zuckersüß. Der Anhänger verschwand wieder unter ihrer Kleidung, doch das Lächeln blieb auf den Lippen der Dämonin. Storm riss der Geduldsfaden. Außer sich vor Abscheu drückte er auf den Knopf an seinem Pistolengriff, der das Magazin herausfallen ließ, während er mit der anderen Hand gleichzeitig ein anderes Magazin aus seiner Weste zog und es in die Waffe rammte. Bereits den Bruchteil einer Sekunde später richtete er den Lauf der Pistole auf die Dämonin und schoss ein halbes Dutzend Kugeln gegen sie ab. Bereits die erste riss die Kriegerin von den Füßen, doch auch die anderen bohrten sich in ihre Brust noch ehe sie zu Boden stürzte. "Du hättest aufpassen sollen. Wir Lancelor sind nicht so wehrlos wie der Däezander immer denkt und unsere Heiligen-Munition kann selbst Hochdämon vernichten!" Kevin jubelte dem Palas zu. Storm schien zufrieden. Dymeon jedoch wirkte noch immer angespannt und nahm seine Augen nicht von der am Boden liegenden Dämonin. "Es ist noch nicht vorbei", zischte er unheilverkündend. Tatsächlich zuckt bereits einen Augenblick später der gestiefelte Fuß der Fremden. Leise ächzend rappelte sie sich wieder auf, die schwarzen Haare wirr im Gesicht. Auf ihrer Panzerung befanden sich sechs Einschüsse, doch keiner von ihnen hatte das schwarze Metall durchschlagen. "Nachtstahl. Zentimeterdick. Keine eurer Waffen kommt da durch..." Sie klopfte sich zufrieden auf den Harnisch und strich sich das Haar zu Recht. Dann lächelte sie wieder. "Ihr seid so hilflos wie Menschensäuglinge... Du kennst diese Situation, nicht wahr Dunkan?" "Schweig, Assessina mit den Toxinklauen... Ich kenne dich und deine gespaltene Zunge", erwiderte Zeliarinas Mentor ruhig. Mit ein paar Handgriffen hatte er wie Storm seine Runenmunition gegen die Heiligen ausgetauscht und die Pistole auf die Dämonin gerichtet. "Ich weiß, dass du eine Hochdämonin bist und eine der Schattenklingen und dass du diese Rüstung aus Nachtstahl trägst... Doch würdest du deswegen eine Heilige in deinem Kopf aushalten?" "Wohl kaum", gab sie uneingeschüchtert zurück. "Doch dafür müsstest du erst einmal treffen..." Plötzlich rannte Assessina los. Dunkan schoss nach ihr, verfehlte ihren Kopf jedoch ein gutes Stück und traf stattdessen die Wand aus rotem Gestein. Kalt lachend stürmte die Dämonin durch die Reihen der Lancelor, ließ die beiden Palas jedoch unbeachtet stehen. Auch an Melissa und Kevin fegte sie innerhalb eines Wimpernschlages vorbei. Dymeon ging sofort in Verteidigungsstellung und schubste Zeliarina hinter sich, doch das brachte Assessina nur noch mehr zum Lachen. Denn sie ließ auch diese Beiden Links liegen. "Der Shetan wird niemandem mehr auch nur irgendetwas zeigen können!" Alles ging viel zu schnell für die Augen der Menschen. Sabiduría riss überrascht die Augen auf, Assessina stieß triumphal zu, Dymeon sprang dazwischen. Blut besprenkelte den Boden. Als der Angriff sein Ende gefunden hatte, schienen alle wie Statuen erstarrt zu sein. Keiner rührte sich. Zeliarina wagte kaum zu atmen. "Du Narr!", stieß Assessina gereizt hervor. Ihre Worte galten Dymeon, der sich noch rechtzeitig zwischen sie und Sabiduría gestellt hatte. Der Shetan war unversehrt, doch der Dämon blutete irgendwo an seiner Hüfte. Die Lancelor konnten nichts Genaues erkennen, denn Assessina hatte ihre Hand davor. Mit was hat sie zugeschlagen? Es war nicht das Schwert... Verzweifelt versuchte Zeliarina zu verstehen was passiert war. Dymeon stöhnte schwach und presste seine Kiefer hart aufeinander. Mit einem bedrohlichen Fauchen stieß er seine Klaue in den Leib der Dämonin. Assessina taumelte benommen zurück, doch nicht einmal die scharfen Krallen des Hochdämons hatten es geschafft ihre Rüstung zu durchdringen. Nur lange Kratzspuren erinnerten an seine Attacke, während sich die Dämonin selbst schnell wieder fing. Ihre freie Hand war verschmiert mit Dymeons dunklem Blut, obwohl sie nicht zur Klaue geformt war oder eine Waffe hielt. Wie hatte sie den Dämon mit den Bluttränen trotzdem so stark verletzen können? "Dein berüchtigtes Mitleid...", zischte Assessina leise. Ihre Art erinnerte immer mehr an eine tödliche Schlange. Dymeon brach vor ihr auf die Knie und presste seine Hände vor die Wunde an seiner Hüfte, doch das Blut rann ungebremst zwischen seinen Fingern hindurch. "Du quälst dich für fremdartige Wesen, die nicht deiner Spezies angehören! Warum?" Dymeon schwieg. Vermutlich erwartete Assessina gar keine Antwort von ihm, denn sie wandte sich wieder mit einem berechnenden Blick Sabiduría zu. "Und nun stirb, alter Mann!" Wieder bewegte sich die Dämonin auf den zurückweichenden Shetan zu. Pistolenschüsse schlugen im Rückenteil ihrer Rüstung ein, doch sie störte sich nicht weiter daran. Unaufhaltsam machte sie Schritt für Schritt. Dymeon spuckte blutigen Speichel aus und zwang sich zurück auf die Füße. Seine Augen waren mit Schmerz vernebelt. Was war das nur für ein Schlag? Wie konnte er Dymeon dermaßen schädigen? Zeliarina ertrug es kaum den Dämon so leiden zu sehen. Jeder Atemzug kostete ihn ungeheure Anstrengung, jeder Schritt war eine neue Überwindung. Trotzdem schaffte er es Assessina grob am Arm zu packen. "Wieso hast du es so eilig? Was ist es, dass er uns zeigen will und dass der Däezander fürchtet?" Mit mildem Interesse riss sich die Dämonin aus seinem Klammergriff frei, verpasste ihm einen brutalen Tritt, der ihn erneut zu Boden brachte, und ging weiter auf Sabiduría zu. "Das ist bedeutungslos. Keiner von euch kommt hier lebend raus..." Zeliarina ließ sich erschrocken neben dem zusammen gekrümmten Dymeon auf die Knie fallen und drehte ihn auf den Rücken. Noch immer blutete seine Hüfte unaufhörlich, so als hätte sich seine dämonische Regenration ausgeschaltet. Auf seiner Stirn klebten verschwitzte Haarsträhnen. "Zeliarina... Halte...sie auf...", keuchte er, während sein Körper von unkontrollierten Zuckungen geschüttelt wurde. Zeliarina vergaß alles um sich herum. Sie wusste nicht einmal wen Dymeon meinte. In ihrem Kopf waren alle Namen und Gedanken weggefegt worden. "Was hat diese Dämonin mit dir angestellt?", hauchte sie leise. "Aramea-Entzug...unwichtig...bald besser..." Jedes Wort kostete ihn Kraft. "Aufhalten... du musst sie... aufhalten... Wir brauchen... den Shetan..." Das Mädchen verstand und nickte tapfer. Mit einem letzten kurzen Blick auf ihren dämonischen Schutzritter erhob sich Zeliarina und visierte Assessina an. Doch sie hatte bereits zu lange gezögert. Die Hochdämonin stieß ihre Hand gnadenlos in den Leib des wehrlosen alten Sabiduría, während ihr ein belustigtes Lachen entglitt. Der Shetan dagegen gab keinen Laut von sich. Sein Gesicht zeigte keine Anzeichen von Schmerzen, nur die dunklen, wissenden Augen verloren schnell ihr Leuchten. "Nein!" Plötzlich verwandelte sich das Geschehen in eine unübersichtliche Ansammlung von Schreien, Bewegungen und entsetzten Gesichtern. Selbst Victoria zog ihre Waffe und verabreichte Assessina zusammen mit Storm und Dunkan ein wahres Trommelfeuer aus Heiligen. Viele Kugeln prasselten wirkungslos von ihrer Rüstung ab, die anderen zischten knapp an ihr vorbei und ließen die roten Wände zerspringen. Zeliarina konnte nur ihre Arme schützend über den Kopf halten, um die herumfliegenden Steinsplitter abzuwehren. "Victoria! Versuch noch einmal Sabidurías Gedanken zu lesen, ehe er stirbt! Du musst so viel wie möglich über die Dinge erfahren, die er uns erzählen wollte!" Die Telepathin nickte und stellte ihr Feuer ein, während Storm und Dunkan mit grimmigen Gesichtern näher und näher zu Assessina herankamen. Die Dämonin riss ihre Klaue emotionslos aus dem Körper ihres Opfers, ließ es zu Boden gleiten und schenkte den beiden Lancelor ihre Aufmerksamkeit. Ihr blaues Schwert erstrahlte in gleißendem Licht und ihre giftgrünen Augen leuchteten. "Sterbt!" "Haltet euch bereit, Lancelor!", brüllte Storm über die Pistolenschüsse hinweg. Er hörte nicht auf zu schießen und erwartete grimmig den Angriff Assessinas. Dieser kam auch, schneller und härter als er es sich jemals vorgestellt hätte. Mit Schwert und Klaue stürzte sie sich auf den Lancelor. Ihre Schläge waren berechnet und fanden immer wieder jede noch so kleine Abwehrlücke, die Storm kaum mit seinem eigenen Schwert und Ausweichmanövern schließen konnte. Dunkan wollte seinem Kameraden helfen, doch er konnte seine Pistole nicht einsetzen ohne Gefahr zu laufen den eigenen Mann zu treffen. Hilflos sah er mit an wie Assessinas Schwert klirrend auf Storms Klinge niederging und blaue Funken aufblitzen ließ. "Azuransas, die blaue Sonne", raunte Dunkan düster, "Eines der Götterschwerter... Assessina mit den Toxinklauen ist tatsächlich eine Schattenklinge, wie der Orden schon immer vermutet hatte..." Storm geriet zunehmend in Bedrängnis und wurde von Assessina mit gezielten Schlägen vor sich her getrieben. Er war außer sich vor Wut und kämpfte blind vor Zorn. Seiner Gegnerin entlockten seine Bemühungen jedoch nur ein überlegendes Lächeln, das ihn noch rasender machte. "Ich werde das beenden..." Einen Augenblick später hatte die Dämonin Storm plötzlich mit der freien Hand am Genick gepackt und schleuderte ihn davon, dass er gegen eine Wand klatschte und benommen neben ihr zusammenfiel. Assessina ergötzte sich noch eine Weile stumm an dem Anblick des Besiegten und strich ihr schwarzes Haar mit einer anmutigen Bewegung zurecht, ehe sie sich wieder den anderen Lancelor zuwandte. Sie hatte gerade noch Zeit ihre Augen aufzureißen. Dunkan hatte bereits zum Angriff angesetzt, als sie Storm gepackt hatte, und warf sich nun verzweifelt mit aller Kraft gegen sie. Beide stürzten und schrieen und rangelten sich auf dem Boden. Nach einer Weile hatte Dunkan es geschafft Assessina das Knie gegen die gepanzerte Brust zu stemmen und den Lauf seiner Waffe genau gegen die weiche Haut ihres Halses zu drücken. "Es ist aus..." "Für uns Dämonen wird es niemals aus sein", zischte Assessina giftig zurück. Ihre Mund war leicht geöffnet, so dass der Palas ihre spitzen Reißzähne sehen konnte. "Niemals wird sich der Däezander vor den Menschen beugen... Niemals werden wir die Schlacht gegen die Menschheit aufgeben!" Blaue Flammen umhüllten Azuransas' Schneide. Dunkan erkannte die Gefahr, die das Götterschwert der Dämonin darstellte, konnte jedoch nichts mehr dagegen machen. Eine gewaltige Druckwelle aus blauem Licht riss ihn von ihr aus quer über den Boden des Raumes. Auch Storms bewegungsloser Körper und Kevin rutschten ein Stück davon, obwohl sie sich einige Meter von dem Kampf entfernt befanden. Nur Victoria, Dymeon und Zeliarina spürten nicht mehr als einen starken Luftzug, der an ihren Kleidern zog und die langen Haare der Mädchen herum wirbeln ließ. Zeliarina hatte sich wieder besorgt zu ihrem verletzten Schutzritter gesetzt, Victoria beugte sich konzentriert über das blasse Gesicht Sabidurías. Aus einer schrecklichen Wunde auf seiner Brust schoss das Blut zum Takt seines Herzens aus dem Körper. "Alter Shetan, denke an die Dinge, die die uns berichten wolltest. Denke einfach an sie. Öffne mir den Weg zu deinen Erinnerungen..." Sabiduría setzte zu einer Antwort an, doch kein Laut drang aus seiner Kehle. Dann nickte er schwach. "Nein!", kreischte Assessina außer sich. Ein merkwürdiger Hauch von Angst lag in ihrer Stimme, machte jedoch schon bald wieder der vertrauten, kalten Selbstsicherheit platz. "Kümmere dich lieber um dich selbst, Telepathin..." Sie richtete das blau glühende Schwert Azuransas mit der Spitze voran auf die schöne Lancelorin. Die Klinge entsandte eine weitere Schockwelle, die diesmal zielgenau auf Victoria zuschoss, ihr jegliche Luft aus den Lungen presste und sie davon schleuderte. Noch während die Lancelorin hilflos durch die Lüfte flog und mit dem Rücken voran gegen eine Wand knallte, sprang ihr Assessina hinterher. "Victoria! Weich aus!", brüllte Kevin panisch. Die Telepathin war noch nicht einmal die Wand herabgerutscht, da durchschnitt plötzlich ein hohes Sirren die Szene wie ein Gewehrschuss. Aus Assessinas Handgelenk war oberhalb des Handrückens ein langer, spießähnlicher Stachel zum Vorschein gekommen, dick wie ein Finger und lang wie ein Unterarm. Mit aller Härte rammte die Dämonin ihre organische Waffe erbarmungslos oberhalb Victorias linker Brust durch die weiße Haut. So also konnte sie Dymeon dermaßen verletzen... Die Lancelorin stöhnte. Kevin schrie. Assessina lachte. "Du bist die Telepathin mit dem Herzgefängnis, nicht wahr?", flüsterte die Dämonin kaum hörbar. Victoria presste die Hände auf die Einstichstellte. Sie blutete nicht so stark wie bei Dymeon, doch auf ihrer Stirn brach ebenfalls eiskalter Schweiß aus, der ihre schwarzen Haare verklebte. "Ich wollte schon immer einmal sehen, was mit dir passiert, wenn der Gefangene erwacht...", wisperte Assessina genüsslich. Victorias Augen weiteten sich. Zeliarina wusste nicht ob aus Angst oder Schmerz, doch sie wusste, dass sie das Mädchen noch nie so aus der Fassung erlebt hatte. Und plötzlich schrie die Telepathin, sie schrie und schrie und wand sich wie von Sinnen am Boden. "Gift!", rief Zeliarina entsetzt. "Aramea...", verbesserte Dymeon schwer atmend, "Assessina...hat es mir... entzogen...und ihr...eingeflößt..." Der Dämon versuchte auf die Füße zu kommen, scheiterte aber kläglich. "Wozu soll das gut sein?" "Es wird etwas in ihr... erwecken, das nie hätte... erweckt werden dürfen... Zeliarina... Sie brauch die Pillen, die blauen in ihrer Tasche... sofort... sonst stirbt sie..." Schwach griff er nach ihrer Hand und drückte sie zur Unterstreichung seiner Worte. Die junge Donnerhexe erhob sich mit einem Nicken, entschlossen ihrer Freundin zu helfen. Gerade als sie sich furchtlos auf Assessina zu bewegte, erfüllte ein weiterer Schrei den ganzen Saal. Kevin. Der Elementare brüllte aus voller Kehle. Rote Flammen schossen aus seinem Körper und umhüllten ihn vollständig. Binnen Bruchteilen von Sekunden hatte er sich eine einzige, riesige Fackel verwandelt. "Nicht auch noch das...", stöhnte Dunkan, der sich ächzend zu Assessina und Victoria schleppte, während er sich die untersten Rippen hielt, die bei der Schockwelle Azuransas' etwas abbekommen zu haben schienen. "Wenn Kevin ausrastet, könnte er mehr Schaden anrichten als ihm lieb ist..." Kaum jemand hörte den Palas, da er von Kevins endlosem Gebrüll übertönt wurde. Der junge Elementare kreischte wie eine wild gewordene Bestie. Sein ganzer Körper brannte, doch er schien keine körperlichen Schmerzen zu haben. Als die Flammen immer höher über ihm zusammenschlugen und sich mit einem besonderen, weißen Feuer, das aus seinen Haaren entsprungen war, verbanden, knurrte er vor unterdrücktem Zorn. "ASSESSINA!" Jeder einzelne Buchstabe des Namens war mit solch einem Hass ausgesprochen, dass es Zeliarina schier den Atem raubte. Aus dem sonst so freundlichen Kevin war die Inkarnation des Zorns geworden. Unkontrolliert ließ er Feuerbälle in alle Richtungen fliegen, versengte Boden und Decke mit gewaltigen Stichflammen und hinterließ eine Spur der Verwüstung. Assessina ließ von der zuckenden Victoria ab und stellte sich Kevin furchtlos entgegen. Sie hielt ihr glühendes Götterschwert gut sichtbar vor sich ausgestreckt, um ihm zu zeigen, dass sie sich mit der blauen Sonne überlegen fühlte. "ASSESSINA!" Ein Hagel aus Feuerkugeln entsprang den Händen des Elementaren und hämmerte schneller als jede Pistolenkugel auf die Dämonin ein. Assessina war von der Intensität des Angriffes überrascht, schlug ein paar glühende Geschosse mit ihrem Schwert beiseite und wich zwei Schritte zurück. Das blaue Licht Azuransas' beschien ihr Gesicht und die Unsicherheit darin auf unnatürliche Weise. "FAHR ZUR HÖLLE, DÄMONIN!!! BRENNE!!! BRENNE!!!" Immer neue Angriffswellen gingen auf die Dämonin nieder. Die Serie der Feuerbälle riss nicht ab und zwang Assessina immer mehr in die Defensive, während Kevin immer weiter schrie, auch wenn es keine Worte mehr waren, die seinen Mund verließen. Irgendwann wurde Assessina mit dem Rücken gegen eine Wand gedrückt. Der Feuerhagel versengte ihre schwarzen Haare, zerschlug an ihrer Rüstung, prallte an ihrem Schwert ab, traf ihre Beine. Die Wand um sie herum war ein einziges Trümmerfeld, doch sie konnte sich beim besten Willen nicht aus Kevins hartnäckiger Attacke befreien. "Das reicht", zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Azuransas entflammte in seinem blauen Licht, heller als jemals zuvor. Das Licht breitete sich wie ein schützender Schirm vor Assessina aus und ließ die Brandgeschosse bereits vor ihr zerbersten. Trotzdem schien es der Dämonin Schwierigkeiten zu bereiten den Schutzzauber aufrecht zu erhalten. Die Mächte eines Götterschwertes waren selbst für einen Hochdämon schwer zu beherrschen. "GIB AUF! GIB AUF! GIB AUF!" "Niemals!", schrie Assessina aufgebracht zurück. Azuransas Licht war kaum noch zu ertragen und brannte in den Augen. Es schien durch die Erwiderung der Dämonin an Kraft zuzunehmen. "Du jämmerlicher Wurm wirst mich niemals in die Knie zwingen! Für den Däezander!" Langsam aber sicher setzte Assessina einen vor den anderen Fuß und kam so trotz des Sperrfeuers immer näher an Kevin heran. Der Elementare biss die Zähne zusammen, doch es wirkte so, als hätte er bereits alle Energie verpulvert. Assessina schien wieder die Oberhand gewonnen zu haben, als plötzlich ein gleißender, weißer Lichtblitz von der Seite heran schoss und hart gegen Azuransas Schutzzauber prallte. Asessina wurde zur Seite gedrückt, fing sich jedoch wieder ab, indem sie ihr Bein gegen den Boden stemmte. "Wer...?" Zeliarina umklammerte Thundenstar mit einer Hand und richtete die andere auf die Dämonin. Die Zeichen auf ihrem Unterarm glühten. Kleine Blitze züngelten über die Klinge ihres Götterschwertes, als wäre es unter Spannung. Kevin verstand nicht wie die Elementare so viel Magie entfesseln konnte, doch durch Thundenstar schienen in ihr wohl besondere Mächte zu zirkulieren. Einen Moment war er Zeliarina für die Hilfe unendlich dankbar, doch als er bemerkte, dass dadurch seine Wut genau wie die Flammen um ihn herum abnahmen, konzentrierte er sich wieder völlig auf Assessina und vergaß seine Gefährten. Vor seinem geistigen Auge sah er nur das hübsche, vor Schmerz verzerrte Gesicht Victorias. "DU WIRST NIEMANDEM MEHR LEID ZUFÜGEN!!!" "Du wirst mich nie bezwingen", erwiderte Assessina energisch. Immer noch wild entschlossen und kämpferisch hielt sie den Schutzzauber ihres Götterschwertes aufrecht, um den andauernden Feuerattacken zu entgehen. Auch Zeliarina feuerte einen neuen Blitz ab, der ihre Verteidigung erschütterte. Blitz, Feuer und blaues Licht vereinten sich zu einer bizarren Mischung aus grellen Farben. "Ihr...bezwingt mich nicht!", stöhnte Assessina widerspenstig. Ihre Haare hingen ihr in wirren Strähnen vor dem Gesicht. "Niemals! Niemals!" Kevin lächelte plötzlich ein schmales Lächeln, das jedem eine Gänsehaut bereiten konnte. Sein Feuer verebbte langsam, um wieder zu Haut und Kleidung zu werden, bis auf die Hände, die stärker zu brennen schienen als bei seinen vorherigen Angriffen. Zeliarina glaubte er hätte sich endlich beruhigt, doch der harte Ausdruck seiner Augen belehrte sie eines Besseren. "Merke dir, dass die Menschen sich nicht vor euch beugen werden! Wir alle lassen niemals zu, dass die Dunkle Dämmerung über die Welt zieht!" Noch einmal entsandte der Elementare einen gewaltigen Feuerball. Zeliarina hielt unter Anstrengung ihren Blitz aufrecht. Assessina schrie in einem Anflug von Verzweiflung und Wahnsinn auf, so dass Azuransas in ihrer Hand zu vibrieren und zu summen anfing. "Ihr könnt mich nicht besiegen! Ich bin eine Hochdämonin, eine Schattenklinge! Das ist gegen die Natur, ihr könnt kein Götterschwert bezwingen!" Dann erschütterte eine gewaltige Explosion aus Rot, Weiß und Blau den ganzen Saal. Die Lancelor und Dymeon wurden von der Druckwelle gegen die Wände gepresst, während Schutt und Rauch den Raum vernebelten. "Es ist aus", flüsterte Kevin erleichtert. Erschöpft ließ er sich flach auf den Bauch fallen, ohne darauf zu achten, dass der Staubnebel auf ihn nieder rieselte und ihn mit einer Schicht des roten, zermahlten Gesteins bedeckte. Er lachte sogar ein wenig, auch wenn es sehr müde klang. Danach legte sich Schweigen über die Ruinen von Tradan, einzig und allein unterbrochen von Victorias kraftlosem Aufschreien. Kevin seufzte und schloss für einen Moment die Augen. Es war zu früh um sich über den Sieg zu freuen. Was auch immer Assessina mit der Telepathin getan hatte, es hinterließ nach dem Kampf seine Spuren. Kurz genoss der Elementare noch das angenehme Gefühl einfach nur dazuliegen, dann rappelte er sich kraftlos auf und humpelte zu seiner Gefährtin. Zeliarina hockte bereits neben ihr und fischte in ihren Westentaschen nach dem kleinen Fläschchen mit den blauen Kapseln. Als Kevin Victoria erreichte, bekam er vor Schreck kaum noch Luft. Die junge Telepathin krümmte sich noch immer ununterbrochen auf dem Boden, stöhnte und brabbelte und schrie wirres Zeug. Ihre Hand krampfte sich so stark auf die Wunde, die Assessina hinterlassen hatte, dass er befürchtete sie würde sich ihre Fingernägel ins Fleisch graben. Ihr anderer Arm war in die Luft gestreckt, als würden ihre leeren, fiebrigen Augen irgendetwas erkennen, nach dem sie greifen wollte. Ein paar ihrer schwarzen, teilweise geflochtenen Haarsträhnen klebten an ihren Armen, an ihrer Stirn und in ihrem Gesicht. Durchsichtige Schweißperlen überzogen ihre weiße Haut. "Was hat Assessina nur gemacht?", flüsterte Kevin traurig. Vorsichtig ließ er sich auf die Knie sinken und nahm Victoria in die Arme. Beinahe beiläufig griff er dabei nach dem Pillenbehälter, den Zeliarina gefunden hatte, öffnete ihn einhändig und zog zwei der Kapseln hervor. "Was ist nur mit dir passiert, damals bei diesem Unfall? Wieso bist du so...gefühlsarm? Wieso brauchst du diese Medizin und warum kann dich Aramea so quälen?" Victoria öffnete den Mund, wurde jedoch sofort von einer weiteren Schmerzwelle erfasst und geschüttelt. Sanft schob Kevin ihre verkrampften Kiefer auseinander, um ihr beide Kapseln in den Mund legen zu können. "Bitte, Victoria, du musst sie schlucken..." Tapfer versuchte die Telepathin sie herunterzubekommen. Beim ersten Mal scheiterte sie und spuckte sie während eines würgenden Hustenanfalls sofort wieder aus. Kevin hob die Pillen geduldig auf und legte sie ihr wieder zurück in den Mund. Diesmal schaffte es Victoria sie herunter zu schlucken. Bereits ein paar Sekunden später schienen ihre Schmerzen wieder etwas nachzulassen und ihr fiebriger Blick klarte auf. "D...Danke..." "Nicht der Rede wert", murmelte Kevin lächelnd. Seine Augen hatten wieder diesen alten, gutmütigen Ausdruck angenommen. Trotz der ernsten Situation wurde er sogar etwas rot um die Wangen. "Ich würde es jederzeit wieder tun..." Victoria strich mit ihren Fingern gedankenverloren über seine lächelnden Lippen und seufzte dabei. "Ich...beneide dich...", konnte sie gerade noch sagen, ehe sie die Erschöpfung mit einem Schlag übermannte und in den Schlaf zog. Kevin blieb noch lange mit ihr in den Armen sitzen, während er zart ihr schwarzes Haar streichelte... Immer wenn ich an diese Zeit zurückdenke, betrauere ich das schwere Schicksal, das meine beiden Freunde zu tragen hatten. Sowohl Kevin, als auch Victoria hatten eine dunkle, tief in ihrem Inneren verborgene Vergangenheit gehabt, die sie bis heute beeinflusste. Doch in diesem Augenblick hatten sie einen kleinen, ganz persönlichen Moment des Friedens, der nur ihnen galt. Sie nahmen überhaupt nichts mehr von der Außenwelt wahr, weder die langsam zusammenkommenden Lancelor, noch die geschlagene Assessina, noch Dymeon, der seinen Aramea-Entzug nur ganz langsam in den Griff bekam und sich schwer erholte. Doch ein ganz bestimmtes Geräusch weckte nach einiger Zeit sogar Kevins Aufmerksamkeit. Ein Röcheln und schwaches Atmen: Sabiduría lebte noch... ------------------------------------------------------ Der Kampf zweier Götterschwerter hinterlässt ein Feld der Verwüstung... Was wird aus den siegreichen Lancelor und ihrer "neuen Hoffnung", die sie sich durch Sabiduría erhofft hatten? Gibt es Aussicht auf Rettung? Zwei Pfade öffnen sich für eine weitere Suche... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)