Dunkle Dämmerung von Perro (Kampf um die Götterschwerter *abgeschlossen*) ================================================================================ Kapitel 1: Erwachen ------------------- So, ich versuche mich nach langer, langer Zeit mal wieder an einer Fantasy-Geschichte. Lest euch einfach mal das erste Kapitel durch und seht, ob es euch gefällt. Diesmal ist das ganze so mehr in der Neuzeit angesiedelt, wollte mal vom Clssic-Fantasy weg^^! Könnten einige von euch vielleicht mit Chrno Crusade verbinden, ich lese gerade die Mangas und sie sind einfach mein großes Vorbild!Aber naja... Viel Spaß jedenfalls^^ ---------------------------------------------- Kapitel I - Erwachen Man hat mir in meinem Leben schon viele Namen gegeben: Partnerin, Freundin, Geliebte, Feind, Schülerin und Hexe. Viele Menschen in meiner Umgebung sagten mir auch häufig, dass ich eine gute Erzählerin wäre, denn ich habe den jungen Auszubildenden an meiner Schule gerne Geschichten erzählt und sie so zu begeistern gewusst. Auch die Ereignisse, von denen ich nun berichten werde, sind inzwischen eine Geschichte. Eine Geschichte, die auf jeden Fall erzählt werden muss. Wahrscheinlich werdet ihr mir nicht glauben, doch das verlange ich auch gar nicht. Ich selbst habe oft an meinem Verstand gezweifelt und Dingen ins Auge geblickt, die über das Fassungsvermögen der gewöhnlichen Menschen hinausgeht. Es geht um Magie, um Überwesen wie Dämonen und Monster und über Hexen, so wie ich eine bin. Ja, ich bin eine Hexe. Schon früh in meinem Leben habe ich bemerkt, dass vieles an mir anders war, als an den normalen Mädchen in meinem Alter. Es machte ihnen teilweise Angst, dass ich immer wusste, was in dem tiefsten Inneren ihrer Herzen vorging und dass ich Sachen sehen konnte, noch bevor sie geschahen. An meinem sechsten Geburtstag hatte ich es sogar geschafft, ungewollt einen Blitz in unsere Scheune einschlagen zu lassen... Meine Mutter hat dies nie gestört. Sie wusste, dass ich etwas Besonderes war, denn ich hatte es von ihr geerbt. Sie besaß ebenfalls übernatürliche Fähigkeiten, so zum Beispiel das Brauen von Tränken, die in dem winzigen Dorf irgendwo in England, in dem ich aufwuchs, als äußerst effektive Medizin verwendet wurde... Soviel hat sich seitdem geändert. Ich zähle inzwischen siebzehn Lebensjahre und habe die jugendliche Naivität schon lange hinter mir gelassen. Lange habe ich geglaubt etwas verändern, etwas erreichen zu können. Doch mit den Opfern vieler geliebter Menschen musste ich lernen, dass alle Bemühungen umsonst sind, wenn sie nicht das bewirken, was man eigentlich beabsichtigt. Es starben so viele, dass es mir Mal um Mal heiße Tränen über die Wangen rinnen lässt. Aber das ist nicht der Anfang meiner Geschichte. Eigentlich begann es nach meinem fünfzehnten Geburtstag. Ich hatte inzwischen gelernt meine Fähigkeiten halbwegs unter Kontrolle zu bekommen, obwohl es dennoch häufige Zwischenfälle gab, als ein Mann in den mittleren Jahren in unser Dorf kam. Er war von einer Organisation, die ihr Quartier auf einer kleinen Insel an der englischen Ostküste hatte, und suchte nach mir. Durch Gerüchte hatte er von meinen Fähigkeiten gehört. Nach meiner Zustimmung und der meiner Mutter nahm er mich mit, da man mir bei seiner Organisation helfen konnte mit meiner Begabung fertig zu werden... Zeliarina genoss es, wie der erfrischende Fahrtwind ihr Gesicht streifte und die schulterlangen, blonden Haare einem Schweif gleich hinter ihr herumwehten. Das Gefühl verdrängte den Kummer, der die ganze Zeit während der Autofahrt zum Hafen von Scarborough in ihr getobt hatte. Schließlich würde sie ihre geliebte Mutter, die einzige Person, die ihr trotz ihrer abnormen Fähigkeiten vollkommen vertraut hatte, für eine lange Zeit nicht wieder sehen. Außerdem war sie sich nicht ganz sicher, ob es wirklich klug gewesen war, einem fremden Mann zu einem fremden Ort zu folgen, nur weil dieser versprochen hatte ihr alles zu lehren... "Siehst du die kleine Insel dort? Das ist Falcaniar, die Hochburg der Lancelor!" Ihr Begleiter deutete mit der freien Hand, die nicht das Steuer des kleinen Motorbootes hielt, auf steile Klippen, die in der Ferne aus dem Meer ragten. Schnell wie ein Pfeil schoss ihr Gefährt über das blaue Meer und ließ die Gischt zu allen Seiten sprühen. Zeliarina bekam ein paar Tropfen auf ihr blasses Gesicht, doch auch das störte sie nicht, sondern entspannte. Schon immer hatten die unbändigen Gewalten des Meeres sie fasziniert. Zeliarina betrachtete wohl zum hundertsten Mal den Mann, der sie aus ihrer Heimat gelockt und zu einer riesigen Festung der Lancelor-Organisation mitten auf See geführt hatte, dorthin, wo übernatürlich Begabte ausgebildet wurden. Er war groß und kräftig, seine starken Hände lagen locker am Steuer des Bootes. Man erkannte, dass er an der Küste lebte, denn sein Gesicht war braun und von Wind und Wetter stark geprägt. Trotzdem umspielte ein fröhliches Lächeln seinen Mund und ließ ihn glatte zehn Jahre jünger erscheinen. Erste Silbersträhnen zeichneten sich auf seinem dunkelbraunen Haar und seinem dunkelbraunen Vollbart ab. Er hatte sich als Peter Pendrian, Lancelor zweiten Ranges, vorgestellt. "Wir sind jeden Augenblick da. Du bekommst ein Zimmer und einen Mentor, der sich darum kümmern wird, dass deine Fähigkeiten von dir zukünftig kontrolliert werden können..." "Herr Pendrian, wieso tun diese Lancelor das für Leute wie mich?", fragte Zeliarina verschüchtert, ohne den Blick von der imposanten Burg abzuwenden, die sich immer klarer auf den Felsklippen abzeichnete. Pendrians Lächeln schien schmaler zu werden. "Eigentlich ist es Eigennutz. Wir hoffen einige der Schüler später als Mitglieder der Lancelor aufnehmen zu können. Unsere Organisation braucht nämlich übersinnlich Begabte für...bestimmte Aufträge..." "Was für Aufträge?" "Das wirst du noch früh genug erfahren. Keine Angst, es gibt keinerlei Verpflichtungen für dich. Fürs erste brauchst du dir darüber keine Gedanken machen", blockte der Lancelor mit gespielter Fröhlichkeit. Zeliarina hob skeptisch eine Augenbraue, doch sie fragte nicht weiter nach, denn Pendrian war bereits dabei die Geschwindigkeit zu drosseln und ihr Boot in eine schmale, halbmondförmige Bucht zu fahren. Hier, an der Ostseite, wurden sie nicht wie an der Westseite von steilen Felsen, sondern von einem breiten Strand begrüßt. Mehrere Boote schaukelten gemächlich an einem weit ins Wasser führenden Steg. Pendrian legte zielsicher an, befestigte ihr Gefährt mit mehreren Tauen und stieg aus, ehe er auch Zeliarina mit ihrem Gepäck auf den Steg half. "Also, da wären wir, Zeliarina Heartstrong. Willkommen auf der Insel der Lancelor und Falcaniar!" Einladend machte Pendrian eine weit ausschweifende Geste auf den weißen Sand des Strandes, auf das saftige grüne Gras und den schmalen Weg, der sich stetig bergauf bis zu der alten Festung hinaufschlängelte, die am Rande der westlichen Klippen thronte. Zeliarina musste unwillkürlich lächeln und nahm die Hand, die ihr Begleiter anbot. Sie hoffte ein bisschen, dass dieser nette Mann vielleicht ihr Mentor werden könnte. "Es ist schön", meinte das Mädchen begeistert. Sie schritt furchtlos und neugierig neben Pendrian den Weg zu Falcaniar hinauf, während das sanfte Rauschen der Wellen beruhigend in der Luft hing. Genussvoll sog sie die frische Seeluft ein und schloss die Augen. Pendrian führte sie gemächlichen Schrittes zu ihrer neuen Heimat. Als sie vor dem großen Tor Falcaniars ankamen, blieb Zeliarina ehrfürchtig stehen. "Das ist ja phantastisch!" Ihre grünen Augen wanderten voller Begeisterung über die unzähligen, kunstvollen Verzierungen, die den Torbogen und die Fensterränder schmückten. Zwei hohe, runde Türme aus schwarzem Stein erhoben sich wie ausgestreckte Finger hoch in den Himmel, wo ein paar Möwen kreischend ihre Kreise zogen. "Falcaniar hat schon viel gesehen, sie ist sehr alt", erklärte Pendrian ruhig. Zeliarina gab ihm im Stillen Recht, auch wenn sie nicht die geringsten Anzeichen von Verfall oder wachsendem Moos an den dunklen Wänden erkennen konnte. Trotzdem strahlte die Burg ein weit zurückliegendes Alter aus, was nicht zuletzt von den Darstellungen von Rittern und Schwertkämpfern über dem Tor bewiesen wurde. "Seit über eintausendfünfhundert Jahren liegt sie hier und überdauert Reiche, Kriege und Schlachten..." Zeliarina war beeindruckt. Staunend folgte sie ihrem Begleiter weiter durch das Tor in einen großen, quadratischen Innenhof mit einem prunkvollen Brunnen in der Mitte. Er war noch intakt und auf seinem Rand saßen ein Junge und ein Mädchen, die kaum zehn Jahre alt sein konnten. Beide unterhielten sich ausgelassen. Als Zeliarina an ihnen vorbeiging, warfen sie ihr interessiert Blick zu. Pendrian schob ihren Schützling lächelnd durch eine Tür ins Innere des Gebäudes und führte sie über mehrere verwirrende Treppen und Gänge in einen der hohen Türme. Dort fanden sie sich vor einer Zimmertür wieder. "Du teilst dir dein Zimmer mit Melissa. Sie ist sehr nett und kommt aus Deutschland." "Deutschland?", wiederholte Zeliarina verwirrt. Pendrian nickte. "Die Lancelor sind international. Falcaniar und diese Insel sind den Länderregierungen vollkommen unbekannt. Wir sind unabhängig von allen. Dadurch kann jeder zu uns kommen, ganz gleich von wo er stammt, solange er hier leben möchte. Aber keine Angst, Melissa spricht fließend englisch." Der Lancelor wollte nach seiner Erklärung an die Tür klopfen, doch noch bevor er es getan hatte, drang eine Stimme aus dem Zimmer: "Jetzt kommt schon rein, ich kann euch sehen!" Pendrian lachte und öffnete die Tür. Auf einem der zwei gemütlichen Betten, die in dem kreisrunden Zimmer standen, saß erwartungsvoll ein fünfzehnjähriges Mädchen mit langen, weinroten Haaren. Sie trug eine schwarze Dreivierteljeans und ein dunkelblaues Top ohne Ärmel. "Darf ich vorstellen? Melissa Westphal. Sie hat ein Silberauge." Das Mädchen hob begrüßend die Hand. Ihr rechtes Auge war tatsächlich silbern, obwohl das linke eine eisblaue Farbe hatte. Doch wie hatte sie es geschafft damit durch die Tür zu sehen? "Und das hier ist Zeliarina Heartstrong. Wir müssen erst herausfinden, was ihre Talente sind, doch solange wird sie deine Zimmergenossin sein, Melissa." "Das ist toll!", rief Melissa glücklich. "Es wurde langsam echt langweilig hier. Komm schon, du kannst deine Sachen dort reinpacken", meinte sie mit einem Fingerzeig auf den großen leeren Schrank neben dem freien Bett. "Und danach zeige ich dir alles! Woher kommst du?" "Ich sehe schon, dass ich hier überflüssig bin", lachte Pendrian belustigt. "Morgen werden wir nach dem Frühstück einige Tests machen, Zeliarina. Danach bekommst du deinen Mentor zugeordnet." Und schon schloss sich die Tür hinter dem Lancelor. Melissa schien ihm mit ihrem Silberauge noch eine Weile zu folgen, ehe sie sich aufgeregt ihrer neuen Zimmergenossin zuwandte. "Du heißt also Zeliarina...ziemlich ungewöhnlicher Name." Obwohl sie aus Deutschland stammte, konnte Zeliarina nicht den Ansatz eines Akzents erkennen. Sie nickte. "Meine Mutter hat ihn mir gegeben. Ich weiß auch nicht, wie sie darauf kam." "Zeliarina war vielleicht eine der größten tatsächlich existierenden Hexen der Neuzeit. Es ist ein Name mit großer Bedeutung und sehr bekannt", erklärte Melissa. Zeliarina machte große Augen. "Woher weißt du so etwas?" "Ich habe die Ausbildung mit meinen Fähigkeiten hinter mir und versuche nun ein Lancelor zu werden. Als Anwärter lernt man viele Dinge von den übernatürlichen Wesen dieser Erde, ihrer Feinde und ihrer Geschichte. Man muss für die unterschiedlichen Aufträge eines Lancelor bestens gerüstet sein." Zur Erläuterung zeigte das Mädchen mit dem Silberauge eines der Bücher, die überall auf ihrem Bett verstreut lagen: ,Bekannte Techniken der Magie'. "Die Lancelor verfassen diese Bücher selbst für ihre Leute." "Was für Aufträge machen die Lancelor?", fragte Zeliarina wieder. Melissa schüttelte langsam den Kopf. "Es steht Anwärtern nicht frei mit Neuen darüber zu reden, tut mir Leid. Sicher erzählt einer der Palas, die Lancelor des ersten Ranges, dir bei deiner Untersuchung davon." Mit plötzlichem Enthusiasmus warf Melissa ihr Buch zurück aufs Bett und sprang auf. "Und jetzt los, Falcaniar ist groß! Wir wollen noch bis zum Abendessen alles gesehen haben!" Es ist merkwürdig, wie stark manche Erinnerungen im Gedächtnis haften bleiben. Obwohl meine erste Begegnung mit Melissa schon über zwei Jahre hinter mir liegt, erinnere ich mich noch genau an ihre langen roten Haare, auf denen sich das Licht brach, an ihr fröhliches Lächeln und sogar an das Parfüm, das ganz schwach und lieblich im Raum hing. Doch das wohl Markanteste an ihr war sicher das Silberauge, mit dem sie durch alles sehen konnte, egal ob Stein oder Erde oder Fleisch. Oft haben wir das genutzt, um uns unbemerkt durch Falcaniar zu schleichen und ein bisschen Pudding aus der Küche zu stibitzen. Damals waren die Zeiten so schön. Melissa zeigte mir begeistert die ganze Burg: den Innenhof mit dem Brunnen, die Schlafräume der Mitglieder, die sich je nach Rang irgendwo anders befanden, den großen Speisesaal, die Aufenthaltsräume, die Duschen mit ihren kunstvollen Fließen und Wandmosaiken, die vielen unterschiedlich ausgerüsteten Trainingsräume und die große Umgebung der Insel mit ihrem Strand und den beeindruckenden Felsklippen. Von Melissa erfuhr ich auch den Namen des Gründers des Lancelor-Ordens: Lancelot. Auch ich hielt es zunächst für einen Witz, doch es handelte sich tatsächlich um den legendären Ritter Lancelot aus unzähligen Geschichten, denn die Tafelrunde und Arthur existierten wirklich. Nur ihre Abenteuer wurden von Erzählern so sehr verzerrt, dass kaum etwas aus der Legende den richtigen Tatsachen entspricht. Diese Erkenntnis führte wohl dazu, dass ich begann den unzähligen Mysterien und der Magie der Welt Glauben zu schenken. Es gab soviel, dass ich nicht verstand. So auch den völlig skurrilen Test, den man am nächsten Tag mit mir machte. Zeliarina fühlte sich äußerst unwohl. Sie lag auf einer Art Krankenhauspritsche und war an mehrere Geräte angeschlossen, als befände sie sich auf der Notambulanz. Um sie herum hantierten drei Lancelor. Einer von ihnen war die junge Ärztin Fossil, die die summenden und piepsenden Geräte, die offenbar Informationen ausspieen, analysierte, während die beiden anderen Zeliarina Fragen stellten und die Antworten notierten. "Du heißt also Zeliarina Heartstrong, bist fünfzehn Jahre alt und 1,68 groß. Gewicht: 55 Kilo. Blonde, schulterlange Haare, grüne Augen und stark helle Hautfärbung." Außerdem fügte der jüngste von ihnen, maximal zwei Jahre älter als Zeliarina, nach einem Blick auf ihre Hand hinzu: "Merkwürdige Symbole auf dem Rücken der rechten Hand. Vielleicht Insignien der alten Hexen." "Seit wann hast du sie?", fragte der andere freundlich. "Schon immer..." Zeliarina mochte diese Symbole nicht sonderlich, denn für sie waren sie ein Zeichen, dass sie nicht normal war. Außerdem sahen sie aus wie die Verzierungen auf einer Elfenrüstung eines billigen Fantasyromans. "Das ist interessant", rief Fossil, "Ich verzeichne an dieser Hand ungewöhnlich starke magische Konzentrationen...und elektrische Spannungen...doch diese sind überall in ihrem Körper..." "Also eine Donnerhexe?", fragte der Junge stirnrunzelnd. Fossil nickte langsam. "Das könnte durchaus sein. Miss Heartstrong, hattest du je irgendwelche merkwürdigen Zwischenfälle, bei denen Elektrizität eine Rolle spielte?" Zeliarina nickte. "Ich habe einen Blitz in unsere Scheune einschlagen lassen..." "Dann ist alles klar. Wir hatten lange keine Elementarhexe mehr auf Falcaniar. Wir werden wohl Dunkan als deinen Mentor aussuchen, er hat Erfahrung damit." Erleichtert wurde Zeliarina von den vielen Geräten gelöst und durfte den Untersuchungsraum verlassen. An der Tür wartete schon Melissa, die mit ihr zum Mittagessen ging. Bereits am Nachmittag wurde Zeliarina in den Übungsraum 3 geschickt, wo ihr Lehrer auf sie wartete. John Dunkan war ein großer Mann in den jungen Zwanzigern mit einem hübschen Gesicht und strohblonden Haaren. Um seinen Oberarm trug er ein dunkelblaues Band mit weißen Zeichen, so wie Zeliarina es schon bei vielen Lancern gesehen hatte. "Hallo Miss Heartstrong. Ich habe also endlich einmal wieder die Ehre jemanden auszubilden." Sein Lächeln wirkte auf sie vom ersten Augenblick an sympathisch. "Ich habe gehört sie sind eine Donnerhexe. Es ist lange her, dass ich einen Schüler mit solchen Kräften bei mir hatte, denn diese Gabe ist selbst bei Übersinnlichen sehr selten. Es wird eine Weile dauern, bis sie mit ihren Fähigkeiten umgehen können, doch in bin zuversichtlich. Nach meiner Ausbildung wird es ihnen nie wieder passieren, dass ein Blitz in ihre Scheune einschlägt...außer sie wollen es..." Zeliarina errötete etwas unter seinem wissenden Lächeln. "Ähm...ich hätte vorher noch eine Frage, Mister Dunkan." "Nur Dunkan, bitte. Dies hier ist keine Schule wie du sie kennst und ich bin auch nicht wirklich dein Lehrer, sondern eher ein Freund, der dir unter die Arme greifen wird." Mit verschränkten Armen setzte er sich auf den großen Mahagonitisch hinter ihm und deutete seiner Schülerin einen Stuhl zu. "Also stelle ruhig immer deine Fragen, wenn dir danach ist..." Zeliarina nickte, ehe sie die Frage aussprach, die sie schon seit ihrer Ankunft nervös machte: "Ich will den wahren Zweck der Lancelor erfahren. Mister Pendrian hat mir gesagt, dass hier die Leute nur ausgebildet werden, um sie als potenzielle Mitglieder anzuwerben...für Aufträge..." Dunkan seufzte kurz und strich sich durch das kurze Haar. Seine freundlichen Züge waren für einen Augenblick von einem namenlosen Schatten durchzogen, so wie Zeliarina es bereits bei Pendrian gesehen hatte. "Das ist richtig, Miss Heartstrong. Ich muss zugeben, dass es tatsächlich darauf hinausläuft. Die Aufträge unseres Ordens sind sehr weit gefächert, doch sie befassen sich alle mit übernatürlichen Geschehnissen, bei denen normale Menschen überfordert sind. Es begann bereits zu der Zeit unserer Gründung, zu der Zeit von Lancelot, dass Britannien und andere europäische Länder häufig angegriffen wurden...von dunklen Kreaturen wie Teufeln oder Dämonen...Deswegen wurde dieser Orden gegründet und deswegen sind wir hier: Zum Wohle der Menschheit beseitigen wir Wesen der Finsternis..." "Es gibt keine Dämonen!", protestierte Zeliarina voreilig. Dunkan lächelte mild. "Sicher ebenso wenig, wie es Hexen gibt, nicht wahr Miss Heartstrong?" Für einen Moment verschlug es dem Mädchen vollkommen die Sprache. Irgendwie schien alles, was sie je für Märchen und Fantasie gehalten hatte, wahr zu werden. Dämonen? Es bereitete ihr eine Gänsehaut, wenn sie sich vorstellte, dass es tatsächlich solche Albtraumgestalten gab. "Und da viele dieser Dämonen über enorme Kräfte verfügen, brauchen wir ebenso begabte und fähige Mitglieder, die es durch ihre Kräfte mit ihnen aufnehmen können", erklärte Dunkan sachlich. Als er sah, wie jegliche Farbe aus Zeliarinas Gesicht wich, fügte er noch hinzu: "Aber wie gesagt sind dir jegliche Freiheiten gegeben. Sobald du deine Kräfte beherrscht, hält dich hier niemand. Du darfst gehen wohin du willst und zu wem du willst, du kannst tun was du willst." Schwungvoll stieß sich der junge Lancelor von dem Tisch ab. "Es ist wichtig, dass du dich nur auf das konzentrierst, was wir jetzt machen, okay?" Zeliarina nickte noch immer etwas betäubt und begann mit dem Training. Am Anfang kam sie sich dabei ziemlich albern vor, da sie mehrere merkwürdige Entspannungsübungen machen musste. Sie sollte die magische Kraft in ihrem Körper zirkulieren lassen und sie dann in ihrer Hand zusammen mit der elektrischen Spannung, die dort angeblich vorlag, zu Energie schmieden. Genauso gut könnte man jemanden sagen, dass er mit den Ohren wackeln soll, obwohl er es nicht kann. Nach einer halben Stunde hatte Zeliarina es immerhin geschafft, dass ihre Handfläche von der Ladung ein wenig kribbelte, doch mehr passierte nicht. Schließlich brach Dunkan das Training ab und beschwichtigte sofort die Enttäuschung, die sich offen auf Zeliarinas Gesicht abzeichnete. "Magie ist ein schwieriger Prozess, du wirst es nicht von heute auf morgen lernen. Es ist, als ob man einen Muskel bewegt. Man tut es einfach, ohne erklären zu können wie. Glaube mir, du kommst noch dahinter..." Mit diesen Worten entließ ihr Mentor sie. Zeliarina machte sich ein wenig niedergeschlagen auf den Weg zu ihrem Zimmer hoch im Turm. Auch Melissa war da. Sie brütete wieder über ihren Lehrbüchern für die Lancelor-Ausbildung. Auf einem stand tatsächlich: ,Enzyklopädie der Dämonen'... "Gibt es tatsächlich so viele Dämonen auf der Welt?", fragte Zeliarina mit einem erstaunten Blick auf den dicken Wälzer. Melissa las ungestört weiter, während sie kaum merklich die Schultern hob. "Ich glaube es sind auch ein paar ausgestorbene Arten drin, aber eigentlich schon..." "Dunkan hatte Recht", meinte Zeliarina seufzend, als sie sich auf ihr eigenes Bett warf und alle Viere von sich gestreckt an die Decke starrte. Sie war gerade dabei in Gedanken zu versinken, als sich Melissa schlagartig über sie beugte. "Sag bloß, Dunkan ist dein Mentor!" Zeliarina nickte bloß. "Das ist doch nicht zu fassen, hast du ein Glück! Das ist wohl der beste Meister, den man sich überhaupt vorstellen kann!" Ihre verschiedenfarbigen Augen funkelten begeistert. Zeliarina runzelte nur die Stirn. Dann lächelte sie aber ein wenig. "Vielleicht..." In den nächsten Tagen hielt sich Zeliarina fast ununterbrochen mit John Dunkan im Übungsraum 3 auf und arbeitete an ihren Fähigkeiten. Es war schwierig, anstrengend und zeitaufwendig, doch nach und nach konnte man einen zunehmenden Unterschied bemerken. Nach einer Woche hatte Zeliarina es geschafft, genug magische Energie und Elektrospannung in ihrer Hand zu sammeln, dass sie den Leuten gezielte Stromschläge verpassen konnte. Natürlich war das nur ein kleiner Schritt bis zur endgültigen Beherrschung ihrer Kräfte, doch es machte sie trotzdem ein wenig stolz, als Dunkan ihr die Hand reichte und sofort wieder losließ, als hätte er sich verbrannt. Nach kurzer Überraschung stimmte er mit in das Lachen ihrer Schülerin ein. "Das war gut, sehr gut...ein bisschen gemein seinen Mentor mit einem Stromschlag zu attackieren...auf der anderen Seite eine tolle Leistung, wirklich! Meine anderen Schüler haben viel länger gebraucht, um so etwas zu schaffen. Von jetzt an musst du nur noch trainieren und trainieren, um eine stärkere Intensität zu erlangen." Grinsend und kopfschüttelnd rieb sich Dunkan die Hand. "Ich denke, wir können heute mal früher Schluss machen. Es ist so ein schöner Tag...Vielleicht solltest du mit Melissa an den Strand gehen..." "Oh, wirklich?! Vielen Dank!" Glücklich lachend wollte die Hexe ihrem Mentor die Hand geben, doch dieser wehrte diesmal gewarnt ab. Zeliarina lachte nur noch mehr darüber und umarmte Dunkan stattdessen fröhlich, ehe sie schnell wie der Wind aus dem Übungsraum verschwand. "Sie hat soviel Talent", murmelte der Lancelor leise, "soviel Talent..." Seine Schülerin war längst in das Turmzimmer hoch gerannt, ohne sich in den wirren Gängen Falcaniars zu verirren, und unterbreitete Melissa den Vorschlag. Auch sie schien von der Idee sehr begeistert, also packten die beiden Mädchen schnell Badesachen und ein bisschen zu essen ein, bevor sie aus der Feste rannten. Da Zeliarina soviel mit ihrem Training zu tun hatte, war sie zum ersten Mal seit ihrer Ankunft wieder an dem wundervollen Strand der Ostküste. Ein breiter Streifen aus makellosem, weißem Sand breitete sich über die halbmondförmige Bucht. Das Wasser, grünblau und kristallklar, rauschte in sanften Wellen heran. "Irgendetwas stimmt hier nicht!" Melissas Stimme klang vor Angst ganz schrill und riss Zeliarina sofort aus ihrer träumerischen Starre. Die Donnerhexe konnte nichts Ungewöhnliches erkennen, doch sie vertraute den Fähigkeiten ihrer Freundin mit dem Silberauge. Auch ihr lief es schlagartig kalt den Rücken runter. Der Wind, der vorher so erfrischend wirkte, schnitt jetzt unangenehm über ihr Gesicht. "Woher weißt du das?" "Ich sehe drei nicht menschliche Gestalten. Eine versteckt sich in einem der Boote am Steg, die anderen beiden sind unter Wasser." Die silberfarbene Iris von Melissas rechtem Auge blitzte im Sonnenlicht auf. Zeliarina krallte die Hände in den Stoff ihrer Hosen und schluckte hart, denn das Gefühl an der schrecklichen Spannung zu ersticken war fürchterlich. "Was tun wir jetzt?", wisperte sie leise, ohne ihre Freundin anzusehen. Melissas Züge wurden hart wie Stein. "Kaum zu glauben, dass es Dämonen schon wagen bis nach Falcaniar vorzudringen...Es wimmelt hier doch von Lancelors..." Möglichst unauffällig ließ sie ihre Hand in ihre Tasche wandern und wühlte vorsichtig nach ihrem Handy. Zeliarina spürte, dass es nun wichtig war auf keinen Fall das Misstrauen der Lauernden zu erregen, also lachte sie kurz gekünstelt und redete leise weiter: "Bitte, mach schnell..." "Ist ja gut", zischte Melissa nicht weniger nervös. Endlich fand sie ihr Mobiltelefon, zog es elegant hervor und tippte eine Nummer ein. Sie hatte jedoch kaum drei Ziffern eingegeben, als zwei Wesen unter einer aufspritzenden Fontäne aus dem Wasser brachen. Wenn man davon absah, dass sie gut drei Meter hoch gesprungen waren, hätte man sie fast für Menschen halten können. Auch der Dritte stürmte jetzt kreischend aus seinem Versteck. Zeliarina sah angewidert und angsterfüllt ein drittes Auge, das sich auf der Stirn jedes Untiers befand und wie die zwei anderen rot glühte. "Tryclonns...", zischte Melissa zornig. "Lauf!" Zeliarina nahm sofort die Beine in die Hand. Hinter sich hörte sie skurriles und abstoßend unnatürliches Gekreische aus grausamen Kehlen. Es kam rasch näher. "Melissa, sie sind viel zu schnell! Es ist noch soweit bis Falcaniar, das schaffen wir nie!", rief Zeliarina den Tränen nah. In diesem Augenblick hätte sie wohl alles gegeben, um wieder Zuhause in ihrem Bett zu sein. In ihrem Nacken waren die trampelnden Schritte der Dreiaugen und ihr Geschrei, das einem die Todesangst einflösste. Nur Melissa, die immer neben ihr war, auch wenn sie wohl schneller rennen könnte, machte ihr ein Fünkchen Mut. Sie nickte verbissen. "Ich weiß, das schaffen wir nicht...aber es gibt das Hügelgrab auf halbem Weg. Dort können wir uns verstecken..." Mit einem trockenen Lachen gab sie weiter die Nummer in ihr Handy ein, während sie einen kurzen Blick nach vorne warf. "Dort ist es schon! Es ist zwar verboten, aber hier geht es um Leben und Tod!" Zeliarina hetzte hechelnd hinterher. Die Angst spornte sie zu Höchstleistungen an, sodass die Wölbung auf der Grasfläche rasch näher kam. Ein kreisrundes Loch gab den Weg in das Hügelgrab frei. Melissa hatte es bereits erreicht, riss die lockeren Bretter, die den Eingang versperrten, grob weg und machte mit hektischen Bewegungen klar, dass sich Zeliarina beeilen sollte. Die Tryclonns hatten sie fast erreicht. "Lauf schon! Lauf! Lauf!!!" Endlich erreichte die Donnerhexe keuchend das Hügelgrab. Melissa stieß sie unsanft ins Innere, ehe sie die schwere Eisentür hinter den Holzbrettern hinter ihnen zustieß. Kaum drei Herzschläge später krachten mehrere Fäuste ohrenbetäubend gegen das alte Metall. Es knarrte, doch die Tür hielt. "Erstmal sind wir sicher!", schnaufte Melissa über den Lärm der rasenden Dämonen hinweg. Zeliarina konnte nicht antworten. Vor Erschöpfung knickten ihre Beine ein. Sie taumelte kurz, fiel schwer auf die Knie und legte sich schließlich sogar ganz hin. Unter ihrer erhitzten Haut fühlte sich der kühle sandige Boden an wie ein Himmel auf Erden. "Was...zum Teufel...war...das?" "Tryclonns. Es sind niedrige Dämonen ohne viel Verstand, doch ihre Klauen und Zähne sind verflucht scharf." In der Dunkelheit konnte Zeliarina das Gesicht ihrer Freundin nicht sehen, doch sie spürte das düstere Lächeln beinahe. "Die Lancelor werden sie zur Hölle jagen. Ich sollte endlich Hilfe rufen..." Zur Erleichterung der beiden hatten sie in diesem Hügel Empfang. Zeliarina wusste nicht, mit wem sich Melissa unterhielt, doch offensichtlich war es ihr Mentor. Als sie auflegte, hatten sich die Augen der Donnerhexe genug an die Finsternis gewöhnt, um ihr zufriedenes Gesicht zu sehen. "Sie kommen jeden Augenblick..." Ihre Worte wurden unterlegt von einem schrecklichen Schmettern. Die Tür knarrte wieder und Erde rieselte von der Decke. Man konnte nur hoffen, dass die Lancer tatsächlich schnell kommen würden. Melissa schien sich darüber keine Gedanken zu machen. Sorglos entzündete sie eine der in der Wand steckenden Öllampen mit ihrem Feuerzeug. "ich frage mich echt warum diese Höhle verboten..." Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Völlig aufgelöst und stotternd deutete sie auf etwas hinter Zeliarinas Rücken. Die Donnerhexe erhob sich verwirrt. Ihre schulterblonden, blonden Haare hingen ihr verdreckt und strähnig im Gesicht, so dass sie nicht sofort entdeckte, was Melissa meinte. Doch schließlich weiteten sich auch ihre Augen voller Entsetzen...denn an der Wand hing ein Junge. Zeliarina schätzte ihn auf etwa achtzehn. Seine Hände waren ihm über dem Kopf mit Ketten zusammengebunden, zahllose Lederriemen hielten seine Arme zusammen. Auch die Beine wurden mit Fesseln zur vollkommen Bewegungsunfähigkeit verdammt. Man konnte kaum noch den merkwürdigen schwarzen Mantel, den er trug, erkennen, so viele Riemen wanden sich um seinen Körper. Nur das Gesicht war frei, doch seine pechschwarzen Haare hingen ihm weit über die Augen. "W-wer tut so etwas Schreckliches?", flüsterte Zeliarina vollkommen in den Bann gezogen. Sie erkannte nur noch diesen gefangenen Menschen, nicht Melissa und auch nicht das Trommeln und Kratzen furchtbarer Dämonenklauen. Dann traf sie ein weiterer Schlag. Ein wunderschönes Schwert steckte tief in seinem Leib wie ein silberner Splitter. Es funkelte selbst unter den vielen dunklen Blutspritzern unnatürlich hell. "Deswegen ist dieser Ort verboten. Es ist sein Grab", hauchte Melissa fassungslos, "wie können die Lancelor davon wissen...und ihn hier so hängen lassen?" Sie machte eine hilflose Geste und schüttelte den Kopf, während Zeliarina vor Ekel krampfhaft würgte, ohne sich zu übergeben. Schweiß stand ihr in feinen Tropfen auf der Stirn. "Ich muss hier raus...ich muss hier raus..." Der Leichnam schien sie zu beobachten, als sie erneut zu Boden fiel. Heiße Tränen rannen ihr über die blassen Wangen und perlten von ihrem Kinn auf den sandigen Boden ab. "Wie kann man nur...ich muss...raus..." Aufgelöst quälte sich Zeliarina auf die Füße. Sie stolperte vor Tränen fast blind auf die bebende Eisentür zu, doch auf dem Weg wurde sie von Melissa aufgehalten, die sie in den Arm nahm. "raus...wie...kann man nur...ich..." Die Hexe nahm kaum noch etwas wahr außer den tröstenden Worten ihrer Freundin, auch wenn sie an ihr sinnlos abprallten. Nichts konnte dieses ungeheure Vergehen gutmachen, diese Tat, die jemand begangen hatte. Der Gedanke machte ihr fast noch mehr Angst als die unheimlichen Dämonen vor der Tür. "Gleich kommen die Lancelor und holen uns raus...glaub mir, sie kommen gleich..." Sprach Melissa diese Worte für sie oder tröstete sie sich selbst? Alles drehte sich vor Zeliarinas Augen, schwarze Punkte tanzten in ihrem Sichtfeld, Farben verschwammen. Sie versank beinahe in der Bewusstlosigkeit, als plötzlich die Tür zerschmettert aus den Angeln gehoben wurde. Mehrere Metalltrümmer der einzigen Barriere gegen die Dämonen flogen durch die Luft. "Und jetzt?", schrie Zeliarina starr vor Angst, die geweiteten Augen panisch auf die Tryclonns gerichtet, die brüllend eintraten. "Fleisch! Frischfleisch!", jauchzte einer von ihnen dümmlich. Seine drei roten Augen brannten in der schwach erleuchteten Höhle wie brennende Kohlen und beleuchteten den Geifer, der aus seinem Maul troff. Seine Zähne waren spitz wie scharfe Messer. "Fleisch! Fleisch! Fleisch!" Seine zwei Artgenossen stimmten schaurig lachend in den Singsang ein. Melissa und Zeliarina wichen in Todesangst an die Wand zurück, auch wenn das hieß, dass sie sich genau neben der aufgespießten Leiche befanden. Von Widerwärtigkeit geschüttelt presste sich Zeliarina so nah es ging an die lehmige Innenseite des Hügels. "Weg, ihr Untiere! Haut ab! Verschwindet!", kreischte sie schrill. Die Tryclonns lachten nur noch lauter und leckten sich die dünnen Lippen. "Fleisch redet dumm! Wir töten euch!" "Nein!", brüllte Zeliarina in all ihrer Verzweiflung. Zitternd tastete sie suchend nach irgendetwas, was sie gegen die Dämonen richten konnte, irgendetwas zum Verteidigen. Tatsächlich schloss sich ihre Hand um etwas kaltes Metallisches. Das Schwert! Die Donnerhexe überwand all ihre Abneigungen und riss die Klinge schmatzend aus dem gefesselten Leib. Sofort zögerten die Dreiaugen. Ihre Blicke wanderten zwischen dem Jungen an der Wand und der funkelnden Waffe hin und her. Dann lachten sie jedoch wieder. Zeliarina schrie vor Zorn auf und schwang das schwere Schwert in einem unförmigen Bogen, doch sie traf statt der Dämonen nur die erdige Wand. Ein Tryclonn sprang sofort vor, um ihr die Waffe zu entreißen. Sie wollte wieder nach ihm schlagen, doch der Dämon schlug ihr bereits die Klinge klirrend aus der Hand und versetzte ihr mit seiner Kralle einen schmerzhaften Hieb, der ihre Kleidung an der Hüfte vollkommen zerfetzte. Warmes Blut lief sofort über ihre Haut, ehe sie zu Boden stürzte. Der Tryclonn beugte sich über sie und riss ihren Kopf grob an den blonden Haaren in die Höhe. Zeliarina schrie auf. "Dummes Kind! Stirb!" Das Dreiauge formte seine Hand zu einer tödlichen, scharfen Klaue. Entsetzt kniff die Donnerhexe die Augen zusammen, während der Schmerz an ihrer Kopfhaut sie um den Verstand brachte. Melissa schrie von irgendwo, doch Zeliarina war bereits dabei mit ihrem Leben abzuschließen. Jeden Augenblick würde sich die Kralle in ihren Hals bohren... Nichts. Verwirrt öffnete Zeliarina wieder ihre Augen. Der Dämon sah sie nicht mehr an, sondern starrte mit allen drei roten Augen entsetzt an die Wand, an der der Junge hing. "Blutträne..." Ketten rasselten. Nun blickte auch Zeliarina auf zu dem Toten...und hielt nun nichts mehr für wirklich. Der Junge hatte die Augen geöffnet und bewegte sich leicht unter seinen Fesseln. "Wer...weckt mich...?", flüsterte er schwach. Seine schwarzen Haare warfen dunkle tanzende Schatten auf sein Gesicht und ließen ihn traurig, aber auch unheimlich wirken. "Wer...stört mich...?" Die dunklen Augen in seinen Höhlen wanderten langsam über die Leute, die sich in dem Hügelgrab befanden, ehe sie sich vor Kummer schlossen. "Das Sternenschwert..." Zeliarina sah verunsichert auf die glitzernde Klinge in der Ecke und bereute bereits es geführt zu haben. Die Augen des Jungen verengten sich zu düsteren schmalen Schlitzen. "Dämonen...legen Hand an...das Sternenschwert...? Wie...töricht..." Einer der Tryclonns wollte davonrennen, doch der Junge zerriss plötzlich mit nur einer Bewegung alle Lederriemen und Ketten, die seine Arme zusammengebunden hatten. Noch ein Ruck und auch die Beine waren frei. "Kein Niederdämon... berührt...das Sternenschwert..." Zeliarina sah nur noch, wie der eigentlich Tote los stürmte, dann ging alles für sie viel zu schnell. Melissa schien mit ihrem Silberauge halbwegs folgen zu können, doch die Donnerhexe sah den Jungen nur als schemenhaften Schatten, der durch die Höhle jagte. Dann sah sie drei Schläge, hörte ein Gurgeln und spürte, wie schwarzes Blut ihr Gesicht besprenkelte. Die drei Tryclonns lagen als dunkle Umrisse in der Finsternis tot am Boden. "Wer...bist du...?", wisperte Zeliarina immer noch völlig verängstigt, als der Junge mit dem Rücken zu ihr stand, die Hände bis zu den Gelenken besudelt. Er wandte ihr seinen Kopf zu. "Man nennt mich Dymeon..." Er seufzte. "Dymeon...der Dämon mit den Bluttränen..." In diesem Moment, als ich die von unendlicher Trauer getränkte Stimme des Jungen hörte, der sich selbst einen Dämon nannte, verschwand meine Angst einfach. Ich weiß nicht warum, doch das klebrige Blut an seinen Fingern und die Emotionslosigkeit, mit der er getötet hatte, konnten mich einfach nicht erschrecken. Und noch während Melissa misstrauisch Abstand hielt, spürte ich bereits, dass sich das Schicksal des Erwachten unzertrennlich mit meinem verbunden hatte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)