A Serious Temptation von LaRoseNoire (Vampirblut und Rache) ================================================================================ Kapitel 6: Freiheit im Garten ----------------------------- Die blutrote Flüssigkeit im Weinglas schwappte kurz von einer Seite zur Anderen, bevor sie die ebenso roten Lippen benetzte. Was für ein köstliches Elixier… eine von Charons Spezialmischungen. Menschenblut war auf jeden Fall enthalten, sowie teurer Rotwein. Aber was war dieser andere bittersüße Geschmack? Der junge Vampir fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und leckte einige Tropfen des Blutgemisches, welche dummerweise ihrer Bestimmung entfliehen wollten, wieder auf. So eine Kostbarkeit durfte nicht verschwendet werden. Charon war ein hervorragender Gastgeber, wenn gleich Twain ein eher unfreiwilliger Gast in seinem Hause war. Mit verschleiertem Blick stand der Vampir am Fenster und sah hinaus in die mondbeleuchtete Nacht. Der Garten draußen lag in friedlicher Stille und abwechselnd, so, wie die Wolken über ihn herzogen, in Schatten oder silbernem Mondlicht. Eine Sehnsucht breitete sich in Twains Herz aus. Wie gerne würde er dort, in diesem wunderschönen, gar mystischen Garten sein, in Freiheit… Aber Charon hatte es ihm untersagt. Als sein "Herr" hatte er wohl auch jedes Recht dazu, aber es fiel Twain sehr schwer überhaupt jemanden als ihm höherrangig zu akzeptieren, geschweige denn einen Herrn und Meister, wie Charon sich im Moment aufspielte. Twain war geboren um zu herrschen und nicht, um beherrscht zu werden. Erneut nippte er an seinem Wein und hoffte, dass wenigstens Erik ihn suchen würde und vielleicht auch hier herausholen würde. Es war natürlich töricht, sich immer auf seinen Partner zu verlassen und zu wünschen, dass dieser schon irgendwie alle Fehler wieder ausbügeln würde, aber… Und überhaupt…! Diesmal war es ja nicht Twains Fehler, dass er in dieser Situation gefangen war. Was konnte er dafür, dass dieser Dämon verrückt nach ihm war? Twain tat schon alles, um sein Gesicht vor den anderen Menschen zu verbergen. So schön es war, so oft hatte es auch grässliche Männer angezogen. Und trotzdem hatte Charon ihn aufgespürt, nämlich anhand seiner Seele. Diese dunkle, gequälte Seele hatte den ebenso düsteren Mann angezogen wie das Licht die Motte. Und Twain war nahe daran auch Charons Finsternis zu verfallen… „Was wird jetzt aus mir?“, dachte Twains noch immer gedämpfter Verstand. Seit er hier war, war er zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Als würde er sich in einem konstanten Rausch befinden, so fühlten sich sein Körper und Geist an. Missmutig kippte er den letzten Rest des Blutweins herunter. Es verlangte ihn nach mehr Blut. Als Vampir ein natürliches Bedürfnis… aber es schien ihm fast so, als würde Charon ihm absichtlich eine ausreichende Blutzufuhr verwehren. Vielleicht, weil sein Körper dann von den schädlichen Auswirkungen der Drogen zu rasch geheilt werden würde? Oder um ihn zu quälen und letztenendes nach dem Lebenselixier auf allen Vieren angekrochen kommen zu lassen? „Ich will jetzt gehen!“ Das erste Mal in den Tagen der Gefangenschaft hatte sich dieser Wunsch so in ihm gefestigt. Achtlos warf er das leere Glas zur Seite, wo es an einer Wand in tausend Scherben zersprang. Mit zielstrebigem, aber dennoch leicht wankendem Gang eilte er durch den verlassenen Raum zur Tür. Ein heftiges Rütteln an der Türklinge lehrte den Vampir jedoch, dass jene fest verschlossen war. Twain wollte sich schon wieder zurückziehen, als ihm bewusst wurde, dass dies doch kein Hindernis für den höchst intelligenten Killer und Dieb Anguis, also ihn, darstellen könnte diese Tür zu öffnen. So entfernte er aus der Tür einen Holzsplitter um diesen sodann als Dietrich für das Schloss zu benutzen, was ihm schon nach wenig Mühe gelang. Triumphierend, aber mit einem leichten Dröhnen im Kopf, machte sich Twain auf den Weg nach draußen. Auch der Flur schien leer… ausgestorben. Die Kerzen in den Halterungen waren nicht entzündet, aber das kümmerte den Vampir nicht. Seine Augen waren selbst für Vampirstandard exzellent. Leise huschte er den Gang entlang, suchte nach einer Treppe, welche ihn ins Erdgeschoss führen würde. Ha, da war sie! Wie ein Schatten bewegte er sich die mit Samt belegten Stufen hinunter und setzte seine Flucht aus dem riesigen und labyrinthartig verschlungenen Haus fort. Zum Glück kannte er sich hier etwas aus, da er schon einige Male das Vergnügen gehabt hatte in diesem Anwesen einkehren zu dürfen. Damals war es allerdings rein freiwilliger Natur gewesen, im Gegensatz zu jetzt! Nach mehreren Irrungen gelangte er schließlich ins Freie. Es war himmlisch… Endlich Freiheit! Im Schatten der mächtigen, alten Bäume schlich er über das Gras. Ihm fröstelte gewaltig, schließlich hatte er noch immer nur den hauchdünnen Morgenmantel an, welchen er schon bei seiner Entführung getragen hatte. Langsam aber sicher wähnte er sich beobachtet. Charon würde ihn mit Bestimmtheit überwachen lassen… Er kannte ihn nur zu gut. Seine schwarzen Krähen spähten die ganze Stadt für ihn aus und sicherlich hatte ihn hier im Garten auch schon eine gesehen. Das bedeutete höchste Eile. Versuchend so leise wie möglich zu atmen und sich zu bewegen eilte er durch den weitläufigen Garten, bis er an einer hohen Steinmauer angelangte. Sie war aus groben, verwitterten Steinen beschaffen und an sich nicht schwer zu erklimmen. Vorsichtig, da sein Kopf sich noch immer dumpf und schwindelig anfühlte, setzte Twain einen Fuß auf einen vorstehenden Stein. Er hielt, und so setzte er seinen Aufstieg fort. Urplötzlich packte ihn etwas energisch an beiden Seiten und zerrte ihn herunter. Twains erschrockener Aufschrei hallte durch den einsamen Garten. „Ah! Hey!“ Charon hatte ihn natürlich erwischt. Grob drehte er den Vampir zu sich und drückte ihn gehen die Steinmauer. Beim Herunterreißen wurden Twains Handflächen und Knie etwas aufgerieben. „Habe ich dir nicht befohlen zu bleiben?“, zischte der Dämon in Twains Ohr. Die Steine im Rücken des Vampirs drückten sich schmerzhaft in sein Fleisch. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten…!“ Charon blickte ihn intensiv an, als wollte er hinter die goldenen Augen seines Gegenübers schauen und ihre unendlichen Tiefen erblicken. „Du warst fort und ich wollte nicht alleine und eingesperrt sein…“ „Ich war bis auf eben Tag und Nacht bei dir, Twain. Dann gibst du deine Sehnsucht nach mir also zu?“ Die Schatten in Charons Gesicht deuteten ein überlegenes Lächeln an. Mit einer Hand umfasste er abermals Twains Gesicht und strich mit dem Daumen sanft über dessen Wange. Schön wie eine Marmorstatue… aber die Haut glühend wie Feuer. Twain lehnte sich leicht gegen die warme Hand. Ihm war schrecklich kalt in dieser Jahreszeit und in diesem Aufzug, kälter noch, als ihm eigentlich sein sollte. Und Charons großer Körper strahlte so viel Hitze aus… Ohne recht darüber nachzudenken lehnte der Vampir sich nach vorne, an die Brust des Dämons. Ja, das war seine Lieblingsstellung, wenn man es so nennen durfte. An die Brust dieses Mannes geschmiegt, genau da schien sein Platz zu sein. Charon legte die Arme um ihn und zog mit beschützender Absicht auch noch einen Teil seines eigenen schwarzen Umhangs über Twains leicht bekleidete Gestalt. „Komm, hier draußen wirst du sonst nur noch krank.“ Twain nickte und folgte, immer noch unter dessen beschützendem Arm, dem Dämon gehorsam zurück ins Haus. Seine Wärme und Nähe wirkten beruhigend und angenehm auf ihn. Aus welchem Grund Charon scheinbar so plötzlich sanfter mit ihm umging konnte er nicht sagen und es interessierte ihn im Moment auch nicht. So jedenfalls kannte er ihn und vertraute ihm. Hosted by Animexx e.V. 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