Zwei Männer, ein Zimmer & ein Bett von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Wer mit wem? ----------------------- Schließlich konnte man hören wie sich Schritte dem Bus näherten und die Treppe in das Fahrzeug hinauf stiegen. Die Person, die in dem Gang auftauchte, war niemand geringeres als Spike. Er hatte einen Rucksack über die Schulter geworfen und man konnte ein Kabel sehen, dass von den Stöpseln in seinen Ohren hinabreichten und sich unter seiner Lederjacke verloren. Seine Haare waren wie immer zu einem Pferdeschwanz gebunden. Jetzt aus der Nähe betrachtet konnte man die drei Ohrringe sehen, die im Tageslicht mit seinen grünen Augen um die Wette blitzten. Mike starrte auf Spike, sein Gesicht wurde leichenbleich. "Ich werde sterben!", bemerkte er, während er in seinem Sitz versank. Steven, der vor Mike saß, setzte sich auf und lehnte sich über den Sitz zu Mike hinunter. "Warum wirst du sterben?", fragte dieser neugierig. "Ich hab ihn versehentlich verärgert und er hat mir gedroht, dass er mir wehtun wird, wenn er mich noch einmal wieder sieht. Und was soll einer wie ich schon gegen so einen tun?!" Mike hoffte einfach, dass Spike ihn übersehen würde. Ein frommer Wunsch, wenn auch recht naiv, war doch der einzige, noch freie Sitzplatz der neben Mike. Spike ging auf Mike zu und ließ setzte sich auf den freien Platz, seine Tasche ließ er mit einem lauten Knall zu Boden fallen. Den Jungen neben sich würdigte er keines Blickes. "Dann sind wir alle vollzählig", stellte Mrs. Adams fest. Mike dankte innerlich dem Herrn, dass Spike ihn nicht bemerkt hatte, denn so lange dieser das nicht tat, ging es Mike gut. Aber was machte er hier? Dieser Ausflug ist ja nur für die Besten der Schule? War er etwa auch... Mike verwarf diesen Gedanken jedoch sofort wieder. "Ich muss einfach nur nicht auffallen, dann geht das Ganze schon gut. Hoffe ich jedenfalls." Mike sah vorsichtig zu Spike hinauf, dann aber sofort wieder beim Fenster hinaus. Der Busfahrer ließ die Türen zugleiten bevor er den Wagen anwarf und sich das Gefährt in Bewegung setzte. Spike hatte einen undurchdringlichen und undurchschaubaren Gesichtsausdruck aufgesetzt. Noch immer schien er Mike nicht zu bemerken. Oder er beachtete ihn nicht, dass konnte man nicht so genau sagen. Nach ein paar kurzen Erklärungen von Mrs. Adams ging die Fahrt richtig los und nach zirka einer Stunde kamen sie am Flughafen an. Mike wartete geduldig, bis Spike ausgestiegen und außer Sichtweite war. Dann machte auch er sich auf den Weg, um seine Tasche zu holen. Er stieg aus dem Bus und ging mit schnellen Schritten zur hinteren Seite des Busses, wo man ihm auch gleich seine Tasche in die Hand drückte. Dann ging er zu den anderen, wo noch einmal eine kleine Besprechung stattfand. Mike hörte nicht richtig zu, er war mit seinen Gedanken schon wieder bei seiner nun verdorbenen Woche. Nun ging es auch schon hinein. Die Taschen wurden zum Aufladen abgegeben und die Schüler setzten sich dann entweder in die Halle oder schauten sich bei den kleinen Geschäften um. Aus den Augenwinkelnd konnte Mike beobachten, wie Spike sich an einen Pfeiler etwas abseits gelehnt hatte und sich eine Zigarette anzündete. Er fixierte die Gruppe und schien auch Mike zum ersten Mal sehr bewusst wahrzunehmen. Ein Grinsen, das nichts Gutes zu verheißen schien, schlich sich auf seine Lippen. Mike durchfuhr ein ungutes Gefühl und es jagte ihm einige Schauer den Rücken hinunter. Er schlich schnell zu seinem Freund Steve hinüber: "Bitte sitz im Flieger mit mir zusammen. Dann muss ich wenigstens keine Angst haben, dass ich wieder neben Spike sitzen muss." Mike setzte einen Hundeblick auf, sodass Steve nicht abschlagen konnte. Fürs erste war Mike einmal gerettet. Erleichtert setzte er sich auf einen der Stühle, die in der Halle für erschöpfte Urlauber eine Sitzmöglichkeit bot. Doch er hatte nicht lange Zeit sich sicher zu fühlen, denn Mrs. Adams kam auf die Gruppe von Schülern zu. "Es tut mir leid euch mitzuteilen, dass unsere Maschine Verspätung hat. Es könnte noch eine ganze Weile dauern bis wir endlich fliegen können." Ein unwilliges und enttäuschtes Seufzen kam von den Schülern. "Aber Mrs. Adams", warf Amanda, ein junges Mädchen mit blonden Haaren und einer filigranen Brille ein, "gibt es denn keinen anderen Flug, auf den wir ausweichen können?" "Leider nein. Vorerst sitzen wir hier fest." Die Lehrerin zuckte hilflos mit den Schultern. "Versucht es euch hier ein wenig gemütlich zu machen bis wir fliegen können", schlug Mr. Daniels vor. Spike stieß sich von der Säule ab und schulterte seine Reisetasche. Er ging in geschmeidiger Bewegung auf Mike zu. Er erinnerte ein wenig an eine Raubkatze, die sich ihrer Beute nähert. Lässig ließ er sich auf die Bank neben Mike fallen, während er einen weiteren Zug von seiner Zigarette nahm. Mike erschrak auf heftigste, als Spike sich neben ihm nieder setzte. Er verkrampfte sich und sah vor sich ins Nichts. "Einfach ignorieren und nicht hinsehen...", dachte Mike schon richtig verzweifelt. Plötzlich kam Mrs. Addams zu den beiden rüber: "Wir werden hier noch etwas länger warten müssen, da unser Flug Verspätung hat. Könntet ihr beiden nicht für alle etwas zu Trinken holen? Mineral oder Saft." Die Lehrerin gab Spike 20 Pfund. "Danke, ihr beiden!", sagte sie freundlich, bevor sie sich wieder umdrehte und zu den anderen zurückging. Spike seufzte leicht genervt. Er hatte eigentlich keinen Bock, für diese Bande von Losern den Laufburschen zu spielen, aber wenn ihm keine andere Wahl blieb... Er ließ die Zigarette zu Boden fallen und drückte sie mit der Schuhspitze aus. Langsam erhob er sich, die Hände in die Hosentasche geschoben. Auffordernd sah er Mike an. "Schwing die Hufe, Kleiner, du hast die Alte gehört.", sagte er. Mike stand sofort auf. "Jawohl.", antwortete er versehentlich. Er zuckte leicht zusammen, da er dachte, dass Spike ihm etwas antun wurde. "Da drüben ist ein Supermarkt, da haben sie sicher etwas.", sagte Mike jedoch schnell, um von der letzten Antwort abzulenken. Dann ging er auch schon mit schnellen Schritten zu diesem Laden. Spike folgte ihm. Mike suchte die Getränke und fand sie auch schnell. Er nahm zwei Flaschen aus dem Regal: "Würdest du bitte auch etwas nehmen?", fragte er höflich, zugleich aber auch ängstlich. Belustigt beobachtete Spike den Jungen an seiner Seite. Der schien ihn ja richtig zu fürchten. Amüsant. Wirklich amüsant. "Wieso sollte ich?", fragte er betont gelangweilt. "Du trägst die Flaschen und ich die Verantwortung." "Aber...", flüsterte Mike leise. Er hatte nicht den Mut, Spike zu widersprechen. Es nahm also noch eine dritte Flasche auf den Arm. "Dann muss ich eben zwei Mal gehen.", sagte Mike und lächelte Spike dabei sanft an. Innerlich jedoch war er aufgewühlt und war sogar leicht verärgert, das er alles alleine schleppen musste. Spike ließ ein leises grollendes Lachen ertönen. Energisch nahm er ihm eine Flasche aus der Hand und holte noch zwei weitere aus dem Regal. "Das ist der Grund warum ihr Streber so ein gefundenes Fressen für uns seid. Du musst noch viel lernen." Mit diesen Worten schritt er an ihm vorbei zur Kasse. Mike ging ihm schnell hinter her. "Was meinst du damit. Soll ich mich etwa gegen jemanden wehren, der mich in Grund und Boden stampfen könnte? Ist das nicht dumm? Ich meine... Ich könnte ja schon, aber wenn der andere dann stärker ist als ich, dann geht's mir an den Kragen.", sagte Mike. "Da kann ja jeder drüber denken wie er will. Außerdem, wenn ich mit dir jetzt so rede, denke ich nicht, dass man vor dir Angst haben muss." "Bist du dir da ganz sicher?" Spike hielt abrupt, sodass Mike leicht gegen ihn prallte. Er baute sich vor dem Jungen in seiner vollen Größe auf und funkelte ihn aus grünen Augen raubtierähnlich an. Auch wenn er die Flaschen in der Hand hielt wirkte er noch bedrohend genug. "Siehst du, genau das meine ich. Und mir macht es nichts aus, wenn ich mal nachgeben muss.", sagte Mike während er mit Mühe die Flaschen in seinen Händen ausbalancierte. "Ich denke mir ja auch, dass ich mir zu viel erlaube, wenn ich hier so lässig mit dir rede. Aber wenn ich mal zum Reden anfange, hör ich nicht so schnell wieder auf..." "Nun, das solltest du aber vielleicht. Ich kann Leute, die zu viel reden nicht ausstehen", sagte er harsch und legte seine Flaschen auf das Lieferband an der Kasse. "Du solltest mich nicht unterschätzen, Streberlein. Das neulich in der Kantine war nur ein Vorgeschmack von dem, zu dem ich fähig bin. Schau nicht so! Dachtest du ernsthaft, ich hätte vergessen, dass du das warst?" Er lachte. Mike lagerte seine Flaschen auch auf den Lieferband der Kasse. "Eigentlich nicht.", fuhr er fort, "denn wenn du hier mitfährst, dann weißt du sicher viel, und es kann sich sicher jeder ein Gesicht merken. Ich hab dich ja schließlich auch nicht vergessen. Und warum hast du was gegen Leute, die viel reden? Ist ja eigentlich gut oder? Immer noch besser, als wie einer gibt keinen Ton von sich. Das ist ja dann irgendwie langweilig." Die Verkäuferin kassierte sie ab und packte die Flachen in eine Tüte. Spike trat einen Schritt näher an Mike heran und beugte sich ein Stückchen zu ihm herab. Grollend flüsterte er: "Kleiner, lehn dich nicht zu weit aus dem Fenster. Deine Stimme kotzt mich an und ich hab keine Lust mich noch weiter mit dir abzugeben. Halt einfach deine Klappe und geh mir gefälligst aus dem Weg." "Dann sind wir ja ganz ähnlich, ich hab nämlich auch keine Lust, mich mit dir abzugeben." Mike deutete auf die Tüten. "Du trägst das bitte, sonst sind wir morgen noch nicht fertig. Und versteh das jetzt nicht falsch, ich befehle dir nichts, ich frage dich nur ganz nett von Streber zu Prolet." Mike war so richtig in Kämpferlaune geraten. Doch ihm war trotzdem nicht ganz geheuer bei dem, was er tat. Spike belächelte ihn nur von oben herab und zog eine weitere Zigarette und ein Feuerzeug aus der Tasche. Mit ein paar geschickten Handgriffen zündete er sie an und ließ das Feuerzeug wieder in seine Tasche gleiten. "Zeig mir doch mal, aus welchem Holz solche Streber wie du geschnitzt sind. Das bisschen wirst du wohl noch tragen können, nicht wahr?" Er grinste hämisch und blies Mike etwas von dem Rauch ins Gesicht. Dann drehte er sich um und verschwand hocherhobenen Hauptes. Mike nahm die Tragetasche mit einer Leichtigkeit in die Hand und hob sie von der Kasse, als wäre sie leer. Mit einer Hand trug er die Getränke zu den Anderen, die auch schon ungeduldig auf ihn warteten. "So, hier habt ihr was zu trinken." Danach ging er zu der Bank zurück, an der er seine Sachen abgelegt hatte. Spike hatte dort wieder platz genommen. Er nahm schnell seine Sachen und verzog sich zu den anderen. "Da hab ich mir jetzt aber echt zu viel erlaubt, ich mach mich lieber aus dem Staub.", dachte er sich und wollte nur schnellstens weg. "Der Flug 4711 ist soeben mit Verspätung eingetroffen!", ertönte eine Frauenstimme in der Halle. Dann erschienen auch schon die Flugdaten auf einer großen Tafel. "Na endlich!" Die Schülerinnen und Schüler ließen einen lauten Applaus hören. "Ihr habt es gehört, wir können gehen. Packt eure Sachen. Wir müssen zu Gate 05.", erklärte Mr. Daniels. Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung und kurze Zeit später erhob sich das Flugzeug in die Lüfte. Mike war gleich ein paar Minuten nach dem Start eingeschlafen. Er lehnte im Sitz und stützte sich auf Steves Schulter, was diesem aber sichtlich gefiel. Mike konnte sich beim Fliegen immer gut entspannen, er vergaß immer alle Sorgen. Nach einer halben Stunde wurde dann etwas zu Essen serviert und er wurde aus dem Schlaf gerissen. Der Flug verlief ohne große Zwischenfälle. Spike hatte sich einen Sitz mehrere Reihen hinter Mike gesucht, so mussten die beiden einander nicht begegnen. Er schien von allen Teilnehmenden des Ausflugs mehr als genervt zu sein. Nach dem er das servierte Essen mit einiger Mühe hinunter bekommen hatte, schlief er auch sofort wieder ein. Als der Flieger zur Landung ansetzte, wurde er von Mrs. Adams geweckt: "Geht es dir gut Mike? Wir landen jetzt gleich, also setz dich bitte gerade hin." Mike rappelte sich auf und setzte sich gerade hin. "Danke, mir geht es gut." Dann setzte der Flieger auch schon zur Landung an. Keine zehn Minuten später waren sie sicher gelandet und alle stiegen so schnell wie nur möglich aus. Auf sie wartete schon ein Bus, der sie zu ihrem Berghotel bringen sollte. Schnell stiegen die Schüler ein und die Fahrt ging weiter, über steile Landstraßen, die sich durch Berge empor schlängelten. Die Stimmung in dem Bus wurde immer heiterer und ausgelassener. Einige Schüler stimmten ein Lied an, in das schließlich auch die anderen einstimmten. Spike entlockte das nur ein müdes, verachtendes Lächeln. Er drehte den Lautstärkeregler an seinem Diskman höher und versuchte das schiefe Gegröle seiner verhassten Mitschüler durch Heavy Metall zu übertönen. Mike war bei dieser kurvenreichen Straße übel geworden. Er sah aus dem Fenster, in der Hoffnung, dass es ihm dann besser gehen würde. Nach einer schier endlos langen Fahrt, kam der Bus endlich bei einem kleinen Berghotel an, welches im alten Stiel gehalten war. Die untere Hälfte des Hauses war weiß gestrichen und die obere Hälfte war mit dunklen Blanken zugebrettert. Mike stieg als erster aus und holte einmal tief Luft. Er holte sich dann auch schnell seine Tasche und ging dann zu den Lehrern. Es war hier oben kalt. Viel kälter als die meisten offenbar erwartet hatten. Der Weg zu dem Eingang des Berghotels war freigeschaufelt worden von Schnee, der sie wie eine Allee um den Weg aufbäumte. Spike schien ein ziemlich dickes Fell zu haben, er zuckte nicht einmal mit der Wimper als er ausstieg. In einer fließenden Bewegung warf er sich seine Tasche über die Schulter und folgte langsam der Gruppe, reihte sich irgendwo am Rande ein. "Das wären wir", verkündete Mr. Adams. Mr. Daniels war schon vorgeeilt und kam abgehetzt mit einem Bündel Schlüssel auf die kleine Gruppe zu. "Können wir jetzt endlich rein? Es ist verdammt kalt hier draußen", bibberte eine Schülerin. Mr. Daniels lachte leise. "Ihr dürft gleich eure Zimmer beziehen. Doch bevor ihr das macht, muss ich euch noch etwas mitteilen. Ich habe eben gesagt bekommen, dass mit unserer Reservierung etwas schiefgegangen ist. Da noch eine andere Schulklasse hier ist, sind die Viererzimmer ziemlich begehrt. Kurz: Wir haben nicht genug Zimmer für alle. Ich fürchte, zwei Leute werden sich ein Zweierzimmer teilen müssen." Die Schüler machten überraschte Gesichter. Wer von ihnen würde daran glauben müssen. "Ich rufe jetzt eure Namen auf und dann kommt ihr vor und nehmt eure Schlüssel im Empfang. Amanda, Jassy,..." So ging er durch bis zu guter letzt nur noch Mike übrig blieb. D.h. nicht ganz. Nicht nur Mike stand ohne Schlüssel da. Der zweite Unglückliche war... "Spike, Mike, es tut mir sehr leid, aber ihr werdet euch ein Zimmer teilen müssen. Ihr ward die einzigen, die keine Zimmergenossen angegeben haben." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)