A Dog's Life von mystique (Gesegnet mit vier Pfoten ♥ WheelerxKaiba) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Hundeleben?! --------------------------- Titel: A Dog's Life Pairing: KaibaxWheeler Serie: Yu-Gi-Oh! Disclaimer: Würde Yu-Gi-Oh! mir gehören, hätte ich nicht das Bedürfnis darüber zu schreiben X3 "..." jemand redet /.../ Joeys Gedanken 1. Kapitel: Ein Hundeleben?! Der Regen prasselte unaufhörlich auf die Straßen Dominos nieder. Der Abendhimmel war von einer dicken Wolkenschicht bedeckt, welche jegliches Licht daran hinderte, sie zu durchdringen. Die Straßen waren nass vor Wasser. Große Pfützen zierten die Gehwege, kleine Rinnsäle hatten sich gebildet, welche die Straßen hinab, in die Abflüsse flossen. Die Straßen waren verlassen, Licht drang durch die Fenster der Häuser, vereinzelte Gestalten eilten über die Wege, auf der Suche nach Schutz vor dem Regen. Ein dunkler Schatten schlich über den Gehweg an einem Café vorbei, in dem sich Menschen ein heißes Getränk gönnten um sich aufzuwärmen. Vorbei an den schwach beleuchteten Auslagen von Geschäften.Es war ein Hund, auf der Suche nach einem Ort, wo er sich unterstellen konnte. Ein Ort, der ihm Schutz vor der Nässe gewähren würde. Das Tier hatte das Fell eines Golden Retrievers, lediglich seine Ohren bildeten eine Ausnahme. Die normalerweise wachsam aufgestellte Hundeohren, die denen eines Schäferhundes ähnlich waren, hingen momentan niedergeschlagen hinab, zeugten gleichsam von seinem derzeitigen Gefühlszustand. Seine braunen Augen, die für einen Hund seiner Rasse keinesfalls ungewöhnlich waren, beherbergten jedoch ein inneres Feuer, welches von seiner Einzigartigkeit zeugte. Um einen gewöhnlichen Hund handelte es sich bei ihm nicht. Er bewegte sich unbeholfen auf seinen Pfoten, schwankte bei jedem Schritt leicht und wirkte mehr und mehr fehl in seinem Körper. /Verdammter Mistkerl/, dachte der das Tier und knurrte. /Wenn ich den in die Finger kriege. Marik, du bist tot, darauf kannst du dich verlassen!/ Wütend knurrte er. Er war bei weitem, kein 'gewöhnlicher' Hund. Nein, er war niemand geringeres als Joey Wheeler, Oberschüler an der Domino Highschool, aufstrebender Jungspund, zweiter im Königreich der Duellanten und vierter im Battlecity Turnier. Er war gefangen, in der Gestalt eines Hundes, fühlte sich momentan mehr als nur elend und hatte große Lust, dem Verantwortlichen für all dies den Hals umzudrehen. Knurrend dachte er an den Anfang der ganzen Misere zurück. *~* „Tja Joey, sieht aus, als hätte ich das Duell gewonnen", bemerkte Marik triumphierend. Er und Joey hatten sich am Sonntagnachmittag im Park getroffen, um ihr Können in Duel Monsters miteinander zu messen. Ein Joey Wheeler lehnte niemals eine Herausforderung ab - er schlug erbarmungslos zurück! So, oder zumindest so ähnlich. „Schon gut", grummelte Joey. Er war gleichermaßen wütend wie frustriert. Er hatte verloren! Er schüttelte den Kopf, angesichts Mariks Euphorie. Es war nicht zu glauben. „Reg dich ab, ich hab es doch verstanden." Er drehte sich um und wollte gehen, bevor Marik sich daran erinnerte, was sie ausgemacht hatten. Er wollte vergessen. So eine Niederlage war frustrierend. Es war beinahe so schlimm, wie gegen Kaiba zu verlieren. Nur dass dieser kein Triumphgeheul von sich gab, wenn er gegen Joey gewann. „Halt", rief Marik ihm hinterher. „Joey, denk an die Wette und unsere Bedingungen." Joeys Haltung versteifte sich merklich und er blieb stehen. Zu früh gefreut. Langsam drehte er sich um und sah sich zu seinem Entsetzen einem breit grinsenden Marik gegenüber. „Muss das jetzt sein?", fragte er und fühlte sich mehr als nur elend. Er wusste, was nun kommen würde und die Tatsache, dass Mariks Grinsen bei seinen Worten noch an Umfang gewann, besserte seine Laune nicht unbedingt. „Natürlich, Joey. Wir haben gewettet. Und eine Wette ist eine Wette." Geschlagen ließ Joey die Schultern hängen. „Ist ja gut." „Braver Junge." Der Spott in Mariks Stimme ließ seinen Kopf in die Höhe schnellen. Seine Augen verengten sich. „Ist gut okay?", fauchte der Blonde aufgebracht. „Ich ziehe dieses dämliche Hundekostüm ja an." /Bei Gelegenheit werde ich Duke die Leviten lesen, dafür dass er es dir überlassen hat!/ Doch Marik schüttelte nur den Kopf. „Nicht doch, Joey, ich hab eine viel bessere Idee." Er griff an seinen Gürtel. Joey verdrehte die Augen. „Verdammt Marik, was soll das jetzt werden? Ich dachte, wir wären uns über die Bedingungen einig." Marik lachte leise. „Das waren wir auch. Aber ich habe gewonnen, also habe ich auch das Recht, die Bedingungen ein klein wenig zu verändern. Keine Sorge, ich habe lediglich vor, sie ein bisschen 'auszuweiten'." Er richtete seinen Millenniumsstab auf Joey. Joey war durch diese Handlung merklich verunsichert. Wenn jemand einen Millenniumsgegenstand auf einen richtete, bedeutete dies in den meisten Fällen nichts Gutes. "Marik, steck das Ding weg", beschwor er den Ägypter eindringlich. „Warum denn?", fragte dieser unschuldig. „Ich hab doch nur eine interessante Idee, wie ich deine Wettschuld noch etwas spannender machen kann." Der Stab fing an zu glühen. Joey wich einige Schritte zurück. „Marik verdammt, lass den -" Dann umhüllte ihn Schwärze. *~* /Und dann bin ich als Hund wieder aufgewacht/, dachte Joey und wurde von Sekunde zu Sekunde wütender. /Marik dieser Idiot war wie vom Erdboden verschluckt. Dieser elende Feigling! Was glaubt er denn, was ich jetzt machen soll? Lässt der mich einfach so hängen./ Der Regen nahm immer mehr zu und ein kalter Wind fegte durch die Straßen. Joey zitterte. /Wo soll ich denn nur hin?/, dachte er niedergeschlagen, während er die Straße überquerte, als gerade kein Auto kam. /Wo Marik ist weiß ich nicht, bis zu ihm ist es außerdem zu weit, nach Hause kann ich nicht und zu meinen Freunden kann ich genauso wenig - in dieser Gestalt würde mich niemand erkennen./ Müde blieb er stehen. Seine Beine gaben nach und er sank hinab, drückte sich eng an die Hauswand neben ihm, um sich vor dem Regen zu schützen - was nicht viel brachte, da er ohnehin bis auf die Haut durchnässt war. Das Fell klebte ihm am Körper und schimmerte matt im Licht der Straßenlaterne. Eine Zeit lang saß er einfach nur da und beobachtete die wenigen vorbeifahrenden Autos. Es war nicht wirklich viel Verkehr. Das Geräusch von Bremsen ließ ihn aufblicken. Ein dunkler Wagen hatte am Straßenrand Halt gemacht, nur wenige Meter von ihm entfernt. Eine Limousine. Joey blinzelte. Dieser Wagen kam ihm bekannt vor. Die ihm abgewandte hintere Tür ging auf und jemand sprang hinaus. Sekunden geschah nichts, dann sah Joey wie ein Schirm aufgespannt wurde. Schritte erklangen, dann hatte die Person den Wagen umrundet und trat in sein Sichtfeld. Joeys Augen weiteten sich leicht. Es war ein Junge mit langen schwarzen Haaren und einer unverkennbaren gelben Weste. /Mokuba?/, dachte Joey und Verwunderung machte sich in ihm breit. /Was macht er hier?/ Mokuba kam zielstrebig auf ihn zu. „Hey, Kleiner", sagte er freundlich, ging vor Joey in die Hocke und fuhr ihm ohne zu Zögern mit einer Hand über den Kopf. /Kleiner?!/, wiederholte Joey empört und knurrte dabei ungewollt. Schnell nahm Mokuba seine Hand weg. „Schon gut, ich will dir nichts tun. Aber bei so einem Wetter solltest du nicht draußen sein. Was sitzt du denn hier so verlassen? Hast du niemanden, der sich um dich kümmert?" Joey rührte sich nicht. „Was für eine dumme Frage von mir, warum sitzt du wohl sonst hier? Du kannst unmöglich länger hier bleiben, du holst dir noch den Tod. Komm am besten mit mir mit." Mit den Worten stand er auf und sah auf Joey hinab. „Oder willst du nicht?" /Mit ihm mitkommen?/, dachte Joey und legte den Kopf schief. /Zu Kaiba nach Hause? Na ja ... immer noch besser, als die Nacht auf der Straße zu verbringen./Schnell stand er auf und folgte Mokuba zur Limousine. In seiner derzeitigen Lage war ihm alles recht. Unschlüssig blieb er vor der Tür stehen und sah zu dem Jungen neben ihm hoch. „Steig einfach ein", sagte dieser weiterhin lächelnd. Leichtfüßig sprang Joey auf die Rückbank. Mokuba stieg hinterher. „Master Mokuba, wollen Sie das Tier wirklich zu sich mitnehmen? Reicht es nicht, es ins Tierheim zu bringen?", fragte Roland, der am Steuer saß, mit einem Blick auf Joey. Dieser spürte, wie sein Fell sich bei dem Wort 'Tierheim' zu sträuben begann. Alles, bloß das nicht! „Natürlich nehmen wir ihn mit nach Hause", entgegnete Mokuba und klang schockiert. „Er kann doch unmöglich in ein Tierheim!" Joey atmete erleichtert aus. „Aber Master Mokuba, Ihr Bruder -" „Er wird es verstehen", erwiderte Mokuba mit ungewohnter Schärfe in der Stimme, die keine Widerrede duldete. „Und jetzt fahr bitte los, Roland. Seto wird es akzeptieren, da bin ich mir sicher." „Natürlich." Der Wagen setzte sich in Bewegung. Joey dachte über Mokubas Worte nach. /Mokuba will mich also wirklich zu sich nach Hause nehmen? Aber was ist mit Kaiba? Der will sicher nicht, dass ich bei ihm wohne. Andererseits ... er weiß ja nicht, dass ich ein Hund bin. Obwohl zu bezweifeln ist, dass er überhaupt einen Hund bei sich duldet. Egal wie man es dreht und wendet, er würde es niemals erlauben./ Joey blickte zu dem Jungen auf. „Mach dir keine Sorgen, wegen meinem Bruder", meinte Mokuba und kraulte Joey kurz hinter den Ohren, was dieser zunächst widerwillig geschehen ließ. Nur weil er ein Hund war, musste ihn das noch lange nicht gefallen. Andererseits, so ganz unangenehm war es dann auch wieder nicht ... „Ich werde Seto schon überreden." Wie um zu zeigen, dass er verstanden hatte, nickte Joey. Dann gähnte er herzhaft. Dieser Tag hatte ihn ziemlich mitgenommen. Er konnte dem Drang nicht widerstehen und rollte sich schließlich auf dem Rücksitz zusammen. In seiner Gestalt kam er mehr als genug mit einer Hälfte der Rückbank aus. Wenige Minuten verstrichen, dann schlief er unter dem leichten Holpern des Wagens ein. Er hörte nicht, dass Mokuba Roland anwies zur nächsten Zoohandlung zu fahren, um vorsorgliche Einkäufe für ihn zu erledigen. Er sah nicht, wie Roland Mokuba im Rückspiegel zweifelnd musterte. Genauso wenig bemerkte er, dass Mokuba jedes Mal undurchsichtig lächelte, wenn er Joey einen Blick zuwarf. Kapitel 2: 'Home Sweet Home' ---------------------------- 2. Kapitel: 'Home Sweet Home' Träge öffnete Joey die Augen. Er gähnte und sah sich um. Er war in einem großen Zimmer, anscheinend einem Arbeitszimmer, was der Schreibtisch und die Regale an den Wänden verdeutlichten und lag in einem - /Körbchen?!/ Joey sprang auf. Tatsächlich, er hatte in einem Körbchen gelegen. Ein Hundekörbchen! Wie erniedrigend. Schnell schüttelte er den Kopf, um sich von diesem Gedanken zu lösen. Ein kalter Schauer jagte seinen Rücken hinab. Neben dem Körbchen lag Hundespielzeug. /Was soll ich denn damit/, dachte Joey skeptisch. /Ich bin doch nicht irgendein verspielter Welpe! Andererseits/ - und er kam nicht umhin sich einzugestehen, dass das Spielzeug eine beunruhigende Faszination auf ihn ausübte - /dieser Ball sieht zugegeben doch irgendwie ... nein! Joey aus! Oh Gott, selbst ich rede schon mit mir, wie mit einem Hund!/ Er sah sich weiter in dem Raum um. Es war eindeutig ein Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch stand ein Laptop, an der Wand standen Regale mit Aktenordnern. Ein Bild auf dem Schreibtisch erregte Joeys Aufmerksamkeit. /Was da wohl drauf ist?/, fragte er sich und tapste wortwörtlich zum Schreibtisch. Noch immer bewegte er sich unsicher auf vier Beinen. Es war kompliziert, nicht über die eigenen Füße - er knurrte leise - Pfoten zu bewegen. Schwankend stellte er sich auf die Hinterbeine und stützte die Vorderpfoten am Tisch ab, um das Bild ansehen zu können. Auf dem Foto waren zwei Jungen zu sehen. Der Kleinere war vielleicht knapp fünf Jahre alt, der Ältere höchstens zehn Jahre. Sie saßen in einem Sandkasten. /Das sind Kaiba und Mokuba. Und Kaiba lächelt. Ich fasse es nicht, der Typ kann tatsächlich richtig lächeln. Das ist nicht das typische Ich-bin-besser-als-du-knie-nieder-vor-mir-du-Wurm! Kaiba-Lächeln. Sonst lächelt er nur, wenn er mal wieder Recht hatte oder/ - er knurrte erneut leise - /oder wenn ich mich blamiere. Aber auf diesem Bild sieht anders aus. Sein Blick ist auch nicht abweisend, wie heute./ Eine Zeit lang betrachtete Joey das Bild, bis er unvermittelt zwei laute Stimmen vernahm. Seine Hundeohren stellten sich reflexartig auf und er zuckte ob dieser Reaktion zusammen. /Daran muss man sich erst gewöhnen ... schrecklich./ Tatsächlich jedoch waren seine Ohren auch effektiv, war er doch durch sie in der Lage von seiner derzeitigen Position aus die Urheber dieses Lärms zu erkennen, auch wenn ihre Stimmen nur gedämpft durch die Tür des Zimmers klangen. /Das ist doch Mokubas Stimme. Und die andere Stimme gehört Kaiba. Na herrlich./ Er ließ vom Schreibtisch ab und lief zur Tür. Er stellte sich erneut auf die Hinterbeine und drückte die Klinke mit den Pfoten nach unten - /Oh man, ich will wieder ein Mensch sein!/ - und trat auf den Flur hinaus. /Die Stimmen kommen von unten./ Er lief, wie er hoffte, in Richtung Treppe, folgte seinen Ohren und sah schließlich das Treppengeländer vor sich. /Da unten sind sie./ Langsam kam er näher, steckte seinen Kopf zwischen den Stäben des Geländers hindurch und sah nach unten. /Wusste ich es doch!/ Unten in der Eingangshalle der Kaibavilla standen sich Seto und Mokuba gegenüber und schienen sich gerade eine angeregte Diskussion zu führen. „Aber Seto", beschwerte sich Mokuba, „was ist denn so schlimm daran?" „Was so schlimm daran ist?", erwiderte Seto Kaiba und sah Mokuba durchdringend an. Er hielt seinen Aktenkoffer in der Hand und schien eben erst eingetroffen zu sein. Sein weißer Mantel war nass von dem Regen, der von draußen gegen die Fenster prasselte. „Ich will keinen streunenden Köter in meinem Haus haben." /Ich bin kein 'streunender Köter', reicher Pinkel!/ „Ich möchte ihn aber behalten", beharrte Mokuba und wirkte nun wütend, angesichts Kaibas Reaktion. „Er ist ein richtig hübscher Hund und wirklich zutraulich und noch dazu sehr schlau. Außerdem konnte ich ihn doch bei diesem Wetter nicht einfach draußen lassen!" „Natürlich hättest du das tun können. Nichts hat dich dazu gezwungen, ihn mitzunehmen. Der städtische Hundefänger hätte das übernommen." „Der Hundefänger? Seto, der hätte ihn ins Tierheim gebracht." „Wo der Hund auch tatsächlich hingehört." „Aber es geht ihm hier viel besser. Er hat alles was er braucht." „Und warum unbedingt ein Körbchen für ihn? Wieso haben wir auf einmal eins, Mokuba? Roland hat mich darüber in Kenntnis gesetzt." Der Tonfall Kaibas war schneidend. Er kannte die Antwort, wollte sie jedoch von Mokuba selbst hören. „Weißt du", begann Mokuba leicht zögerlich, „ich dachte es wäre besser, wenn wir vorsorgen. Ich habe auch schon mit Roland Spielzeug und einen Futternapf für ihn gekauft." Joey verdrängte das paradoxe Bild Rolands mit voll beladenen Armen auf dem Gang vom Hundespielzeug im Zoohandel, welches unwiderruflich vor seinem inneren Auge erschien. Seto Kaiba schien durch diese Worte jedoch wenig begeistert. Natürlich, denn der reiche Pinkel besaß weder Fantasie noch Humor, um den witzigen Inhalt dieser Worte zu begreifen. „Mokuba, es liegt nicht in Rolands Aufgabenbereich, die Einkäufe zu erledigen. Dafür bezahle ich ihn nicht. Und woher willst du wissen, dass wir das Tier behalten? Vielleicht gehört er jemandem? Und wenn nicht, lasse ich es ins Tierheim bringen." /Das würde er im Ernstfall sogar persönlich übernehmen, davon bin ich überzeugt./ „Nein Seto, das darfst du nicht machen", protestierte Mokuba und wirkte halb verzweifelt. „Du darfst ihn nicht in ein Tierheim bringen. Bitte Seto, darf ich ihn nicht behalten? Er kann doch auch nicht wieder auf die Straße. Und wenn er jemandem gehört, schreiben wir einfach eine Anzeige, dann meldet sich vielleicht jemand. Wenn nicht, können wir ihn dann nicht behalten? Bitte!" „Nein", sagte Kaiba immer noch sichtlich gereizt. „Ich dulde keinen stinkenden, flohbesetzten Köter in meinem Haus. Wir sind doch kein Asylheim für ausgesetzte Tiere." /Stinkender, flohbesetzter Köter?!/, wiederholte Joey empört. /Was fällt dem ein?!/ Zornig sprang er die Treppe hinab und wäre dabei beinahe über seine eigenen Pfoten gestolpert. /Dieser eingebildete -/ Kaiba und Mokuba waren durch den Lärm, den er verursachte, auf ihn aufmerksam geworden. Vor dem Größeren blieb Joey stehen und fing ohne es bewusst zu merken an zu Bellen, während er ihn in Gedanken beschimpfte. /Du eingebildeter reicher Pinkel! Arrogantes Scheusal! Zugefrorener Kühlschrank ohne Sicherung! Warte nur, wenn ich dich in die Finger kriege, dreh ich dir den Hals um! Du bist nicht nur ein unverschämter Mistkerl, du bist auch noch tierfeindlich, ich fasse es nicht, dass ich auf deine 'Gnade' angewiesen bin! Wenn es nach mir ginge, dann würde ich dich am liebsten .../ Als ihn die Beleidigungen ausgingen, verstummte Joey hechelnd und funkelte Kaiba zornig an. Dieser schien einen Moment überrascht, fasste sich jedoch schnell wieder und musterte Joey mit Herablassung. „Das ist er also, ja?", fragte er und seine Stimme war abweisend. Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich bitte dich Mokuba, das ist nicht dein Ernst. So wie dieses Tier sich benimmt, hat es die Tollwut." Diese Beleidigung saß und hatte ihr Ziel getroffen. Gekränkt blickte Joey zu Kaiba hoch. „Aber Seto", sagte Mokuba und kniete sich zu Joey runter. „Jetzt hast du ihn verletzt." „Unsinn Mokuba, er ist nur ein Hund. Er versteht nicht, was ich sage." „Das stimmt nicht", ergriff Mokuba nun für Joey Partei. „Er ist wirklich schlau." Kaiba zuckte die Schultern. „Das tut nichts zur Sache." „Bitte Seto, ich möchte ihn so gerne behalten. Und ein Hund im Haus ist bestimmt praktisch - er kann es bewachen." Entnervt verdrehte der junge Firmenleiter die Augen. „Wir haben eine moderne Alarmanlage, Mokuba. Ich denke nicht, dass wir einen Möchtegern-Wachhund benötigen." Ein Blick in die verräterisch glänzenden Augen seines kleinen Bruders ließ ihn resigniert aufseufzen. „Wenn es unbedingt sein muss, behalten ihn. Aber ich sage dir eins, Mokuba, ich werde mich sicher nicht um ihn kümmern." „Danke, großer Bruder" Mokuba strahlte. „Und weißt du was? Du darfst ihm auch einen Namen geben." Joeys Ohren zuckten verräterisch. /Der soll mir einen Namen geben? Hölle nein, dann nennt der mich aus Rache doch sicher 'Fiffi' oder noch viel schlimmer - 'Flohtöle' oder etwas in der Art! Hilfe .../ Mit einer abwinkenden Handbewegung drehte sich der Brünette um und ging wortlos die Treppe hoch. „Was hab ich dir gesagt?", fragte Mokuba Joey zufrieden lächelnd und strich Joey über den Kopf. Dieses Mal ließ er es geschehen, ohne eine Spur von Widerwillen zu verspüren. „Wir haben Seto umgestimmt." /Allerdings/, stimmte ihm Joey zu und schloss die Augen. /Hach, Hund zu sein hat auch seine guten Seiten. Dieses Streicheln ist gar nicht mal so schlecht./ „Du hast bestimmt Hunger oder?", fragte Mokuba nach einer Weile. /Hunger? Jetzt wo du's sagst .../ Zustimmend nickte Joey. Mokuba lachte. „Dachte ich es mir doch! Du hast immerhin ganz schön lange geschlafen." /Lange geschlafen?/ Joey legte fragend den Kopf schief. „Ja wirklich", bestätigte Mokuba lächelnd. „Beinahe einen halben Tag. Seto ist eben erst von der Firma nach Hause gekommen, darum habe ich ihm gerade erst sagen können, dass du hier bist. Ich frage mich, wann er merkt, dass dein Körbchen in seinem -" „Mokuba!" Joey zuckte zusammen. Mokuba schluckte. „Arbeitszimmer steht." Die letzten Worte kamen nur leise von dem Schwarzhaarigen. Erwartungsvoll blickte Mokuba die Treppe hoch. Dort stand ein wütender Seto Kaiba. /Muss der so fies starren?/ „Mokuba!", knurrte Kaiba bedrohlich. „Was ist denn, großer Bruder?", fragte Mokuba mit Unschuldsmiene. „Komm mir nicht so Mokuba", erwiderte Kaiba schroff. „Was hat das Körbchen von diesen Tier in meinem Arbeitszimmer zu suchen?" „Also, es tut mir wirklich Leid Seto, aber", Mokuba schien fieberhaft zu überlegen. „Aber ... er ist sofort in das Zimmer gelaufen, als wir hier angekommen sind. Anscheinend gefiel es ihm mehr, als meins." Joeys Kopf schnellte herum. /Hey, ist überhaupt nicht wahr, Mokuba. Wer hat denn gesagt, ich hätte den halben Tag geschlafen?/ Der Blick des Brünetten richtete sich auf Joey. „Kann dieser Kläffer nicht in ein anderes Zimmer? Wieso ausgerechnet mein Arbeitszimmer? Bring ihn in deinem Zimmer unter." „Das habe ich ja versucht ", log Mokuba weiter. „Aber er wollte einfach nicht mitkommen." „Ach, ist das so?", fragte Kaiba und durchbohrte Joey förmlich mit seinen Blicken. „Der Köter sollte froh sein, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben." /Muss der mich so wütend ansehn? Ich kann doch nichts dafür, dass Mokuba eine Lügengeschichte erzählt. Sieh mich gefälligst nicht so an, Kaiba!/ Sekunden verstrichen, dann drehte sich Kaiba ruckartig um und kehrte kommentarlos zurück zu seinen Arbeitszimmer. Joey stutzte. Was war das? War das jetzt ein Rückzug? Gab Kaiba sich geschlagen? „Ich hoffe, er ist wenigstens stubenrein", fügte der Brünette noch an, dann war er aus Joeys Sichtfeld verschwunden. Dessen Nackenhaare stellten sich bei diesen Worten auf. /Wie darf ich das jetzt verstehen?!/, dachte er empört. /Ob ich stubenrein bin?! Was bildet der sich ein?!/ Zornig knurrte er Kaiba hinterher. „Hey, ist ja gut", meinte Mokuba beschwichtigend. „Das meint er doch nicht ernst." Joey hörte auf zu knurren und sah Mokuba vorwurfsvoll an. „Jetzt sieh mich doch nicht so an. Das mit dem was ich über dich gesagt habe, war doch nicht ernst gemeint. Außerdem hat er das doch auch akzeptiert. Ich bin nun mal der Ansicht, dass es besser ist, wenn du in Setos Nähe bist." /In Kaibas Nähe?/ Fragend sah er Mokuba an. /Soll einer versuchen, aus diesem Jungen schlau zu werden./ „Also wenn du Hunger hast, dann kommst du am besten mit." Er durchquerte die Eingangshalle und ging auf eine große Tür zu. Joey folgte ihm. Der Schwarzhaarige öffnete die Tür und betrat den folgenden Flur. Joey schlüpfte ebenfalls durch die Tür, bevor Mokuba sie schloss und folgte dem Jungen, der den Flur entlangging, direkt auf die gegenüberliegende Holztür zu. Diese öffnete er auch und betrat den Raum, dicht gefolgt von Joey. Was der Hund nun sah verschlug ihm die Sprache. Das war die größte Küche, die er je gesehen hatte. Außerdem schien sie auch sehr modern zu sein. Mokuba ging zum Tisch und nahm einen Gegenstand in die Hand, den Joey von seiner niedrigen Position aus nicht erkennen konnte. /Mist, ich bin zu klein./ Der Junge stellte ihm das Objekt, das Joey jetzt als Futternapf identifizieren konnte vor seine Nase. Dann ging er zu einem Schrank, holte eine Dose heraus, ging damit zur Arbeitsplatte und öffnete sie mit einem elektrischen Dosenöffner. Schließlich kehrte er mit der geöffneten Dose zu Joey zurück, der ihm die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet hatte und kippte den Inhalt in den Futternapf. Als Joey erkannte, was da in seinem Futternapf war, weiteten sich seine Augen. /Das ist doch nicht dein Ernst Mokuba?!/ Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. /Hundefutter?!/ Entgeistert betrachtete Joey den Inhalt seines Futternapfes. /Das kannst du mir unmöglich geben. Sehe ich aus wie ein -/ Und in diesem Moment realisierte er erst den Ernst seiner Situation. Er war ein Hund. Er war bei Seto Kaiba zu Hause. Er wusste nicht, wie er wieder normal wurde. Und er sollte Hundefutter essen. /Irgendetwas läuft hier ziemlich schief./ Kapitel 3: Unverhofft kommt oft ------------------------------- 3. Kapitel: Unverhofft kommt oft Hundefutter. Sein Albtraum. Seine Schreckensvision. Und es stand vor ihm. „Was hast du denn?", fragte Mokuba und sah den vor Schreck erstarrten Joey an. „Magst du das nicht?" /Ob ich das nicht mag?!/, dachte Joey und wich ein Stück von dem Futternapf zurück. /Das ist noch untertrieben ausgedrückt. Kannst du die Panik in meinen Augen nicht sehen?/ „Das ist aber seltsam", meinte Mokuba nachdenklich. „Der Mann in der Zoohandlung hat gesagt, dass alle Hunde diese Sorte lieben." /Ich bin aber nicht 'alle Hunde'. Im Grunde genommen bin ich nicht mal 'ein Hund'. Na ja schon, aber nicht richtig. Es ist so verwirrend, ich bekomme Kopfschmerzen./ Joey sah leidend zu dem kleinen Kaiba auf und stellte mit Verwunderung fest, dass dessen Mundwinkel leicht zuckten. Was war denn los? Auch die Augen Mokubas funkelten seltsam. Beinahe belustigt. „Na gut, dann eben nicht", sagte Mokuba, dem Joeys Blick nicht entgangen war, nahm den Futternapf und richtete sich schneller als nötig auf. Er stellte ihn auf den Tisch und ging zum Kühlschrank. „Ich sehe mal, was sich sonst noch finden lässt, du Sonderhund." Joey hörte ihn lachen. Er öffnete den Kühlschrank und stöberte darin. Joey setzte sich hin und sah Mokuba zu. Unvermittelt öffnete sich die Tür der Küche und herein kam kein geringerer als Seto Kaiba persönlich. Keine Überraschung, immerhin wohnte er hier, dennoch wäre Joey bei seinem Anblick beinahe aufgesprungen. Gebannt starrte er den Größeren an. Kaiba trug nicht wie gewöhnlich seinen weißen Mantel mit schwarzer Hose und Rollkragen-Shirt, oder seine Schuluniform, sondern eine gewöhnliche Jeans und ein weißes Hemd. Es war ungewohnt. /So sieht man ihn sonst nie. Aber was will er hier?/ Joey legte seinen Kopf schief und sah Kaiba verwundert an. Dieser bemerkte den Blick und seine eisblauen Augen fixierten Joey. Er musterte ihn stechend und der Blonde erwiderte den Blick ohne zu zucken. Er würde bestimmt nicht der erste sein, der wegsah, soviel stand fest. „Was ist, Köter?", fragte Kaiba geringschätzig. /Köter?!/, wiederholte Joey beleidigt und knurrte Kaiba an. /Fang jetzt hier nicht auch schon so an, wie in der Schule, klar?!/ Mokuba hatte seinen Bruder gehört und kehrte von dem Ausflug in den Kühlschrank zurück. „Seto, was willst du denn hier?", fragte er und schien erstaunt seinen Bruder in der Küche zu sehen. „Ich möchte mir einen Kaffe holen", erwiderte dieser kurz angebunden. Mokuba hob die Augenbrauen. Stumm sahen er und Joey dabei zu, wie Kaiba zu einer der Maschinen ging und sich einen Kaffe machte. Selbst auf dem Weg zur Tür, mit der Tasse in der Hand, folgten ihm die Blicke der zwei. An der Tür drehte sich der Leiter der Kaiba Corporation noch einmal um, musterte sie, verzog den Mund und verließ den Raum. „Wie im Zoo", konnte man noch von ihm hören, dann schloss er die Tür hinter sich. Joey blickte noch eine Weile auf das dunkle Holz, während sich Mokuba wieder auf die Suche nach etwas zu Essen für ihn machte. „Ich glaube jetzt habe ich etwas Gutes", rief Mokuba schließlich triumphierend, was Joey dazu brachte, den Blick von der Tür zu nehmen. Der Schwarzhaarige holte einen Teller aus einem der Schränke, tat etwas darauf und kam zu Joey zurück. „Das magst du bestimmt." Mit diesen Worten stellte er Joey den Teller vor die Füße. Die Augen des Hundes fingen an zu leuchten./Würstchen? Sicher mag ich die./ Gierig verspeiste Joey seine Mahlzeit. Mokuba sah ihm lächelnd dabei zu. Als Joey mit Essen fertig war, nahm Mokuba den Teller wieder an sich und stellte ihn in die Spülmaschine. Joey fühlte sich satt und schläfrig. /Seltsam. Warum bin ich wieder müde?/, fragte er sich verwirrt und schüttelte benommen den Kopf. /Mokuba hat doch gesagt, ich hätte einen halben Tag geschlafen. Sonst bin ich doch auch nicht so schnell müde. Na ja, vielleicht sind das die Auswirkungen des Hundeseins./ „Bist du müde?", kam es von Mokuba, der Joey unverwandt ansah. Joey nickte zustimmend. Nun lachte der Junge leise, ging zur Küchentür, öffnete sie und hielt sie ihm auf. „Dann geh ruhig hoch und schlaf dich aus. Du kennst doch mittlerweile den Weg, oder?" Joey sah den Schwarzhaarigen dankbar an und tapste an ihm vorbei, aus der Küche. „Und noch etwas", sagte Mokuba, bevor Joey um die nächste Ecke bog. „Mach dir keine Sorgen wegen Seto. Er hat nicht gesagt, dass es nicht in Ordnung ist, wenn du in seinem Arbeitszimmer schläfst." Joey lachte innerlich auf. /Ja, Mokuba. Nachdem du ihm diese Lügengeschichte präsentiert hast./ Doch ihm sollte es recht sein, solange er jetzt nur einen Platz zum Schlafen hatte. Mokuba schloss die Tür hinter Joey und lehnte sich an selbige. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Seto scheint interessiert zu sein. Ein guter Anfang. Warum sonst wäre er runter gekommen, um sich einen Kaffe zu holen, wo er ihn sich doch viel einfacher hätte hochbringen lassen können." Joey taperte müde den Gang zu Kaibas Arbeitszimmer entlang. Er wusste selbst nicht, wie er bereits beim ersten Anlauf den richtigen Weg gefunden hatte. Vielleicht leiteten ihn seine Hundeinstinkte. Die Tür des Zimmers stand einen Spalt breit offen, schien ihm einladend entgegen zu winken. Joey drückte sie auf und schlüpfte hindurch. Diesmal war das Arbeitszimmer nicht leer. Kaiba saß an dem Schreibtisch und arbeitete an seinem Laptop. Als er bemerkte, dass die Tür aufging, sah er auf und erblickte Joey. Sekunden lang musterten beide einander stumm. Kaiba mit einem forschenden, Joey mit einem herausfordernden Blick. Dann wandte sich Joey ab und schlich müde zu seinem Körbchen, legte sich hinein und rollte sich zusammen. Er verdrängte murrend den Gedanken, dass er soeben freiwillig in ein Körbchen gestiegen war. Ein letztes Mal gähnte er noch, warf einen kurzen Blick auf Kaiba, der sich bereits wieder seiner Arbeit gewidmet hatte und ihm keine weitere Beachtung mehr schenkte, dann schloss er die Augen und war wenige Momente später im Reich der Träume. Das Geräusch der Finger, die über die Tastatur flogen und Verträge formulierten, verstummte. Die Augen Seto Kaibas lösten sich von dem flimmernden Bildschirm des Laptops und wanderten zur Seite, blieben an dem Geschöpf hängen, dessen Brust sich regelmäßig hob und senkte. Er musterte das Tier noch lange. Kapitel 4: Splitternde Beherrschung - wie Risse im Eis ------------------------------------------------------ 4. Kapitel: Splitternde Beherrschung - wie Risse im Eis Die nächsten Tage verstrichen ereignislos, wenn man davon absah, dass die Laune Seto Kaibas von Tag zu Tag weiter auf der Skala sank. Niemand in der Kaibavilla wusste warum, Tatsache war nur, dass Kaiba tagtäglich übel gelaunt nach Hause kam und von da an wegen jeder Kleinigkeit so leicht zu reizen war, wie ein verletztes Tier. An einem Tag stauchte er eines Hausmädchen zusammen, nur weil sie ihm einen angeblich zu heißen Kaffe gebracht hatte. Die Arme stand nach diesem Ereignis unter Schock und Mokuba gab ihr vorsorglich die nächste Woche frei. An einem anderen Tag ließ Kaiba Roland aufgrund eines falsch vermittelten Termins entlassen, nur um ihn wenige Stunden später resignierend, jedoch keinesfalls besser gelaunt, wieder einzustellen. Ein anderes Mal wieder regte sich Kaiba furchtbar über Joeys Anwesenheit auf, beschuldigte ihn, dass er ihn beim Arbeiten störe, obwohl Joey nichts weiter getan hatte, als still in seinem Körbchen zu liegen und zu schlafen. Von da an mied Joey das Arbeitszimmer des Schreckens, wie er es stillschweigend nannte, so gut es ging. Entweder, er war bei Mokuba und hörte sich die Schulgeschichten des Jungen an oder sah mit ihm fern oder er durchstreunte das Haus und erforschte die unzähligen Zimmer, um sich zu beschäftigen. Anfangs verlief er sich noch oft in der Villa, irrte durch die verlassenen Korridore, die seiner Meinung nach alle gleich aussahen, doch mit der Zeit fand er sich besser zurecht. Er lernte den Garten kennen, ließ Mokuba ihn doch regelmäßig hinaus, damit er sein 'Geschäft' erledigen konnte - seine Wut auf Marik wuchs besonders in jenen Momenten ins Unermessliche. Er bekam kein Hundefutter mehr zu den Mahlzeiten und er unternahm mit Mokuba Spaziergänge über das Gelände der Villa. Doch noch immer wusste er nicht, wie er sich zurückverwandeln konnte und das frustrierte ihn. *∼* Als er am Abend des vierten Tages von seinen Unternehmungen mit dem jüngeren der Kaibabrüder zurückkehrte, fand er ein leeres Arbeitszimmer vor - ohne einen übel gelaunten Seto Kaiba. Verwundert über diese unübliche Tatsache, sah er sich um. Sein Blick fiel auf die Tür zum Nachbarzimmer, die einen Spalt breit offen stand. An seinem ersten Tag in der Kaibavilla war Joey diese Tür nicht wirklich aufgefallen, doch bereits am nächsten Tag war er auf sie aufmerksam geworden. /Das ist seltsam. Kaiba hat doch immer genau darauf geachtet, dass diese Tür zu bleibt. Wahrscheinlich wollte er nicht, dass ich ihm zu viel herumschnüffele. Ich schätze mal, es ist sein Schlafzimmer./ Ein schadenfroher Gedanke huschte durch seinen Kopf. /Aber heute hat er nicht aufgepasst. Jetzt habe ich die Möglichkeit, es mir genau anzusehen./ Mit diesem Entschluss tapste er leichtfüßig zu der Tür. Doch kurz bevor er sie aufmachen wollte, hielt er inne. /Wenn Kaiba jetzt zurück kommt und mich in diesem Zimmer erwischt, dreht er mir sicher den Hals um. Ach, was soll's./ Er zuckte mental die Schultern. /No risk, no fun./ Und so drückte er vorsichtig die Tür auf. Es war nicht dunkel in dem Zimmer, wie er es erwartet hatte. Verwundert blinzelte er. Das Licht einer Lampe erhellte den Raum, wenn auch nur mäßig, und ließ seinen Herzschlag beschleunigen. Licht bedeutete, dass jemand hier war. Joey schluckte. /Heißt das etwa, Kaiba ist hier?! Wenn der mich sieht bin ich so gut wie tot. Unsinn, wenn der mich sieht, bin ich ganz sicher toter als tot!/ Panisch sah sich Joey in dem Schlafzimmer um - und tatsächlich. Besagte Person saß auf dem Bett, welches am anderen Ende des Raumes stand. Obwohl man dieses 'sitzen' doch etwas anders definieren musste, um an den tatsächlichen Sachverhalt zu kommen: Kaiba hockte zusammengesunken am Rand des Bettes und hatte den Kopf in den Händen vergraben. Die erste Frage, die Joey sich stellte, als sein Verstand dieses Bild verarbeitet hatte, war, ob es sich bei dieser Person tatsächlich um Kaiba handelte. Er hatte den anderen in all der Zeit, die er ihn schon kannte, niemals so gesehen. /Sehe ich das gerade richtig? Seto Kaiba zeigt Schwäche? Was ist denn hier los?/ Perplex starrte er Kaiba an, versuchte die Situation zu verarbeiten. /Ein seltsamer Anblick. So kennt man ihn gar nicht./ Was ihn jedoch am meisten beunruhigte, war seine eigene fehlende Genugtuung oder Schadenfreude. Sein Magen zog sich unangenehm zusammen und ein flaues Gefühl machte sich in ihm breit. /Was ist los mit mir? Habe ich mir nicht immer gewünscht, ihn so zu sehen? Warum freue ich mich dann nicht?/ Vorsichtig schlich er auf Kaiba zu und blieb vor ihm stehen und sah zu ihm auf. Dieses Bild wirkte so irreal. Solche menschlichen Seiten kannte man nicht von Kaiba, weil dieser sie einfach nicht zeigte. Es irritierte ihn, den anderen so zu sehen. Er wusste damit nicht umzugehen. /He, jetzt reiß dich doch mal ein bisschen zusammen, Kaiba. Warum lässt du dich plötzlich so hängen?/Er stupste Kaibas Bein mit der Nase an. Eine Geste seiner Hilflosigkeit. Kaiba zuckte kurz und blickte auf. Er öffnete bereits den Mund, um die Person, die es wagte ihn zu berühren, zurecht zu weisen, erkannte dann aber, dass es nur Joey war, der vor ihm stand und ihn verwirrt anstarrte. Er schloss den Mund und erwiderte den Blick feindselig. „Was willst du?", fragte Kaiba kalt. „Verschwinde, Köter." Joey hörte nicht auf diese Worte. Nicht in der Lage in diesem Körper zu sprechen, beließ er es bei einem vorwurfsvollen Murren. Kaiba fasste sich an die Stirn und schloss entnervt die Augen. „Schon gut", murmelte er resignierend. „Du kannst schließlich nichts dafür." Wieder ließ er den Kopf sinken, starrte auf den Teppichboden des Zimmers und beachtete Joey nicht weiter. Die Augen des Hundes weiteten sich erstaunt. Er schüttelte den Kopf. /Muss er sich so gegen seine Norm verhalten? Er soll gefälligst wieder der alte Mistkerl werden und sich nicht so gehen lassen. Das hält man ja im Kopf nicht aus./ Erneut stupste er Kaiba an. Als dieser nicht gleich reagierte, legte Joey seinen Kopf auf das Bein des Größeren. Dieser hob ruckartig den Kopf und starrte Joey überrascht an. Verwunderung stand ihm mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben. /Komm schon, Kaiba. Kopf hoch ... irgendwie. Noch höher als ohnehin./ Geistesgegenwärtig hob Kaiba die Hand und tätschelte Joeys Kopf. Eine reflexartige Reaktion - die selbst den großen Seto Kaiba in diesem Moment steuerte -doch sie schien den gewünschten Erfolg zu haben. Kaibas Gesicht war nun wieder unbewegt, keine Gefühlsregung war ihm zu entnehmen, doch er behielt seine Hand auf Joeys Kopf. /Ich glaube, ich sollte langsam an meinem Verstand zweifeln. Das grenzt doch schon an Irrsinn!/ Es war paradox. Doch das Unheimlichste an der ganzen Sache war, dass es Joey keinesfalls missfiel, von dem Seto Kaoba gestreichelt zu werden. Kaiba war immer ein Mistkerl gewesen, doch er wusste, wie man einen 'Hund' zu streicheln hatte, sodass selbst Joey nicht in der Lage war, sich zu beklagen. Und Joey hätte gelacht, wenn er gekonnt hätte. Kapitel 5: Namensgebung ----------------------- 5. Kapitel: Namensgebung Kaiba verhielt sich menschlich. Kaiba hatte ihn nicht hinausgeschmissen. Kaiba benahm sich seltsam. Noch immer saß Joey bei Kaiba im Zimmer. Seto Kaiba starrte schweigend ins Leere und strich mit einer Hand abwesend über Joeys Kopf. Joey wehrte sich nich, ließ es stumm zu und kein Laut verließ seine Kehle. Er wusste nicht, wie viel Zeit verstrich. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren seit er diesen Raum betreten hatte. Kaibas Verhalten trug seinen Anteil dazu bei. Joey starrte an die Wand ihm gegenüber, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Die Glühbirne der Lampe neben dem Bett flackerte für wenige Momente kaum merklich. „Weißt du", durchbrach Kaiba schließlich die Stille und Joey hob den Kopf um ihn anzusehen. Der andere zog seine hand zurück. „In den letzten Tagen ist vieles misslungen, darum war ich zeitweise schlecht gelaunt." /Allerdings/, stimmte ihm Joey zu. /Und 'zeitweise' ist noch untertrieben./ „Das habe ich häufig hier an allen um mich herum ausgelassen." /Viel zu häufig./ „Normalerweise kümmert es mich auch nicht. Aber ich mache mir allmählich Gedanken ..." Kaiba zögerte. „Es ist nicht richtig Mokuba gegenüber. Er kann nichts dafür, genauso wenig wie alle anderen. Genauso wenig wie du." Und nun sah er Joey direkt an. /Was erzählst du mir das jetzt? Sag es Mokuba./ Bis ihm klar wurde, dass Kaiba soeben zugegeben hatte, dass er im Unrecht lag. Dass er sich falsch verhalten hatte. Joey kam nicht umhin, sowohl irgendwie angenehm überrascht, als auch leicht verärgert zu sein. /Das hätte dir schon viel früher klar werden sollen/, beklagte er sich innerlich. Der Blick Kaibas war mit einem Mal an Joeys Augen hängen geblieben. Seine eigenen verengten sich konzentriert, während er Joey eingehend musterte. Seine Augenbrauen zogen sich kaum merklich zusammen. Langsam kam er Joeys Gesicht näher, bis er mit seinem eigenen Gesicht direkt auf dessen Augenhöhe war. Aufmerksam betrachtete er Joey, der den Blick verwirrt erwiderte. „Wheeler", kam es unvermittelt von Kaiba, welcher Joey fortwährend fixierte. Der Blonde zuckte wie unter einem Schlag zusammen und seine Augen weiteten sich vor Schock. /Was hast du da gesagt?/ „Wheeler", kam es nach einigen Sekunden erneut von Kaiba, der seinen Blick nicht von dem immer nervöser werdenden Joey nahm. Dieses Mal sprach er es bestimmter aus und Joeys Herz setzte für einige Momente aus. /Wheeler?!/ Joey hatte das Gefühl, zu fallen. /Oh Gott! Er hat mich erkannt! Er weiß es!/ Er wich zurück. /Das kann ich nicht überleben, das werde ich nicht überleben! Der wird mich umbringen! Er hasst mich, da wird er keine Hemmungen haben, mich dafür, dass ich ihn so gesehen habe, ins Jenseits zu befördern./ Ein Schauer rollte seinen Rücken hinab und er wich zurück. /Kaiba, der Bote des Bösen!/ Er hätte es niemals für möglich gehalten, dass er so schnell auffliegen würde. Durch offensichtliches verhalten vielleicht, durch einen fehltritt, aber niemals so! Mittlerweile hatte er die Tür des Schlafzimmers erreicht und drückte sie mit seinen Hinterbeinen unbewusst zu. Das Klicken des zuschnappenden Schlosses klang wie ein Hammerschlag in seinem Ohren nach und wurde von dem schnellen Schlagen seines eigenen Herzens bekräftigt. Da stand er nun, die geschlossene Tür im Rücken und Seto Kaiba nur wenige Meter entfernt vor ihm. Kaiba sah ihn stumm an. Noch rührte er sich nicht. /Wahrscheinlich muss er es verarbeiten/, dachte Joey und suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Beinahe schon panisch - Unsinn! vollkommen panisch - sah er sich in Kaibas Zimmer um. Seine Augen huschten weiter nach einem Ausweg suchend durch das Zimmer. Doch sein Blick blieb dabei ungewollt an Kaiba selbst hängen, der sich noch immer nicht bewegte. /Hä?/ Erneut legte Joey den Kopf schief. Langsam begann er, sich zu wundern. Das schien Kaiba aus seiner Starre zu reißen. „Deine Augen", sagte er - wie es Joey schien - so gut wie zusammenhangslos. /Was? Meine Augen?!/ „Du hast dieselben Augen wie Wheeler. /Was redet der da?!/ „Sie sind genauso braun, wie seine." Kaibas Blick klärte sich nun zur Gänze und er sah Joey durchdringend an. Sein Blick war ernst und er setzte zum Sprechen an, unterbrach sich jedoch. Wenige Sekunden verstrichen, dann sprach er: „Hat Mokuba dir mittlerweile einen Namen gegeben?" Joey war drauf und dran perplex den Kopf zu schütteln, hinderte sich selbst jedoch noch rechtzeitig daran. Es wäre sicher nicht hilfreich für seine Identitätswahrung, wenn er jetzt einen auf 'schlauer Hund der seinem Herrchen antwortet' machte. Da musste der Brünette sich doch nur in seinem Verdacht bestätigt fühlen! „Ich schätze, er hat es noch nicht getan", fuhr Seto nachdenklich fort und Joey fragte sich, was dieses Thema mit ihrer jetzigen Situation zu tun hatte. Noch immer rechnete er mit seinem baldigen Ableben - durch niemand geringeren als Seto Kaiba persönlich! „Du." Joey zuckte zusammen, senkte den Blick und kniff die Augen zu. /Gleich passiert es. Gleich sagt er, er weiß wer ich bin und dann ist es aus und er wird mich langsam und qualvoll mit sehr vielen Schmerzen -/ „Du heißt von jetzt an Joey." /Mit einem spöttischen Lächeln und einer hochgezogenen Augenbraue -/ Joey brach ab und riss ungläubig die Augen auf. /Bitte was?!/ Sein Kopf schnellte nach oben und er starrte fassungslos in das ruhige, beinahe schon entspannt wirkende Gesicht, Seto Kaibas. Er schwieg. Kaiba genauso. Sie starrten sich stumm an. Ein Muskel über Joeys rechtem Auge zuckte unkontrolliert. /Hab ich gerade richtig gehört? Meine Augen erinnern ihn an die von Wheeler - also auch meine. Und deshalb will er mich Joey nennen?!/ Er kam sich vor, wie in einem schlechten Film. /Er nennt mich Joey./ Der kleine Hund war noch vollkommen neben der Spur. Zu unglaublich klangen die eben gehörten Worte. /Das heißt dann wohl/, schoss es ihm durch den Kopf, /er hat mich anscheinend doch nicht erkannt./ Diese nüchterne Feststellung sickerte allmählich in sein Bewusstsein. Der Knoten, der sich in seinem Magen gebildet hatte, löste sich. /Und ich hatte mir schon Sorgen gemacht./ Er atmete unbewusst aus. /Das einzige, was ich nicht verstehe ist, dass er mich trotz allem 'Joey' nennt. Augen hin oder her, er kann mich - also Joey Wheeler - doch überhaupt nicht leiden. Soll den einer verstehen./ Joey war hin und her gerissen. Sollte er nun erleichtert oder misstrauisch sein? „Joey." Joey unterbrach ob der plötzlichen Nennung seines Namens seine inneren Zwiegespräche und richtete seine Aufmerksamkeit nun wieder dem Leiter der Kaiba Corporation. /Joey? Hat er mich jetzt gerufen oder was?/ Vorsichtig näherte er sich dem anderen, war noch immer misstrauisch. /Was hat er denn? Jetzt benimmt er sich wieder so komisch. Was kann ihn denn derart aus der Bahn werfen?/ Plötzlich kehrte der Glanz in Kaibas Augen zurück. Er blinzelte, dann entwich seinen Lippen das erste Seufzen, das Joey je von ihm zu hören bekam. „Es liegt einfach daran, dass in letzter Zeit vieles schlecht gelaufen ist. Der Leiter meiner Finanzabteilung hat in falsche Aktien investiert und die haben nur wenige Stunden später rapide an Wert verloren. Meine Firma hat Verluste in Millionenhöhe erlitten. Ein unverzeihlicher Fehler. Hätte ich nur selbst alles in die Hände genommen. Es ist eben besser, sich nur auf sich selbst zu verlassen." Joey hörte ihm stumm zu. /Was soll ich dazu sagen? Persönliches Pech, Kaiba./ „Aber natürlich ist das noch nicht alles", fuhr Kaiba ruhig fort, nachdem er Minutenlang geschwiegen hatte und Joey zunehmend unruhig wurde. Der Blonde horchte auf. „Es ist alles wegen jemandem an meiner Schule." /An unserer Schule?/ „Ein Junge aus meiner Klasse erscheint seit einigen Tagen nicht mehr zum Unterricht." Joey stellte die Ohren auf. /Erscheint nicht mehr zum Unterricht? Tristan, schwänzt du etwa wieder die Schule?/ „Niemand weiß, warum." /Dann ist es wohl doch nicht Tristan. Der meint schließlich immer, er sei krank. Aber wer dann?/ „Obwohl das auch nicht wirklich stimmt. Zwei scheinen doch zu wissen, was mit ihm los ist. Jedes Mal, wenn sein Name fällt, muss man sie mehrfach ermahnen, bevor sie aufhören, zu lachen. Doch sie erzählen niemandem, warum. Nicht einmal Muto und dem Rest der Dumpfbackenpatrouille. Diese zwei Dilettanten reizen mich mehr und mehr." Kaibas Blick verdüsterte sich merklich. /Diese zwei? Welche zwei?!/ „Wenn sie was wissen, sollen sie es sagen oder still sein. Denn, weißt du", er wandte den Kopf und sah Joey mit einem nicht zu deutenden Blick an. Ihm ging dieser Blick durch Mark und Bein. „Ich mache mir Sorgen um ihn." /Um wen macht er sich denn Sorgen? Und wer sind diese zwei?/ „Normalerweise will ich mich nicht um ihn kümmern, aber jetzt lässt es sich nicht mehr vermeiden. Die Person, dessen Namen du jetzt trägst raubt mir wirklich den letzten Nerv." Joey schluckte schwer. /Der meint mich? Joey Wheeler?! Verdammt Kaiba, was ist auf einmal mit dir los? Und warum stört es mich nicht mehr? Ich weiß zwar nicht, warum es mich auf einmal kümmert, wie du dich fühlst, wo du doch für mich eigentlich immer nur der 'gefühlskalte Eisklotz' warst, aber es ist nun einmal so. Trotzdem kann ich nichts dafür, dass ich jetzt hier in dieser Gestalt bin./ Ihm fiel nichts mehr ein. Als Geste seiner Hilflosigkeit rollte er sich zu Kaibas Füßen zusammen. /Ich kann nichts weiter tun als hier zu bleiben, bis ich einen Weg finde mich zurück zu verwandeln. Wer weiß schon, wann das ist./ Noch einmal blickte er auf und sah Kaiba offen an. Etwas Beruhigendes lag in seinem Blick. Wieder hob Kaiba die Hand und kraulte Joey diesmal hinter den Ohren. „Ich muss zugeben, es tut gut, offen sprechen zu können. Danke Joey." /Um ehrlich zu sein ... irgendwie finde ich es beinahe nett, dass er mich 'Joey' nennt. Es ist komisch, aber so finde Kaiba geradezu ertragbar. Verquer./ „Wenn du willst kannst du heute Nacht in diesem Zimmer schlafen. Im Arbeitszimmer ist manchmal ziemlich kalt." Das stimmt nicht, denn das Arbeitszimmer war gut beheizt, aber Kaiba schien sichtlich froh zu sein, jemand in der Nähe zu wissen, der ihm zuhörte oder einfach nur da war. Zu verquer. Er verließ den Raum, um Joeys Körbchen zu holen. Es schien wirklich so, als hätte Kaiba, Joey gegenüber, seinen Teil seiner kalte Maske abgelegt. Und das beflügelte Joey geradezu, denn den anderen Seto Kaiba mochte er. Er schloss die Augen. Das Letzte, was Joey mitbekam, bevor der Schlaf sich seiner Sinne bemächtigte und ihn übermannte, war das schwache aber dennoch sichtbare Lächeln auf den Lippen des Kaibas, als er in das Schlafzimmer zurückkehrte. Kapitel 6: Steppvisite ---------------------- 6. Kapitel: Steppvisite?! Am nächsten Tag fasste Joey einen Entschluss. Als Kaiba zusammen mit Mokuba die Villa verließ um zur Schule zu fahren, schlüpfte er unbemerkt ebenfalls durch die Eingangstür. Da er sich kurzerhand verraten würde, wenn er mit zu den beiden in die Limousine stieg und da Joey es ohnehin vermeiden wollte, dass gerade Kaiba ihn sah, blieb er zunächst hinter einem Busch in der Einfahrt zur Villa stehen und wartete, bis der Wagen abfuhr. Dann machte er sich auf den Weg zur Domino Oberschule. Er wusste, dass ihm ein langer Marsch bevorstand. Joey hatte sich vorgenommen, Marik zur Rede zu stellen. Trotz seines schlechten Orientierungssinns, fand er den Weg zur Schule letztendlich doch noch. Einen großen Bogen machte er dabei um Autos mit der Aufschrift 'Hundefänger'. Wie es der Zufall es wollte, erreichte er rechtzeitig zur Pause das Schultor. /Mal sehen/, dachte Joey und sah sich um. /Wo könnte Marik sein? Die einzige Möglichkeit ist, dass er wieder mit Bakura hinter der Sporthalle herumlungert./ Gedacht getan - Joey machte sich auf den Weg zur Sporthalle. Und tatsächlich, als er vorsichtig um die Ecke des Gebäudes spähte, erblichte er Marik. Der Ägypter war vertieft in ein angeregtes Gespräch mit Bakura, welches von Sekunde zu Sekunde ernster wirkte. Interessiert stellte Joey die Ohren auf und lauschte. „Das war am Anfang noch witzig, Marik, aber jetzt ist er schon fast eine ganze Woche weg." Bakura schien merklich gereizt. Der Millenniumsstab um seinen Hals glühte unheilvoll. „Was kann ich bitte dafür?", erwiderte Marik, nicht weniger gereizt. „Was du dafür kannst? Das kann ich dir sagen: Du hast ihn in einen verdammten Hund verwandelt! Du wusstest doch auch, dass wir die Millenniumsgegenstände nicht für etwas dergleichen benutzen dürfen. Man ändert nicht die Gestalt, eines Lebewesens." Marik schnaubte. „Das sagt der Richtige. Wer hat denn den Millenniumsring oft genug dazu benutzt, Leute zu manipulieren oder sie sogar zeitweise in ihre Lieblings Duel Monsters Karten zu bannen, wenn ich wissen darf? Das warst doch wohl du, oh großer Grabräuber Bakura." „Woher weißt du das schon wieder?", fauchte der Weißhaarige. Marik lächelte selbstzufrieden. „Ein Vögelchen hat es mir gezwitschert." „Schön für dich. Trotzdem ist dies hier etwas vollkommen anderes, Marik. Bei allen Gräbern des Pharaos, er ist jetzt ein Hund! Und noch dazu ist er dir abhanden gekommen." „Was kann ich dafür, wenn er zu blöd ist, den Weg zurück zu finden?!", knurrte Marik und verschränkte die Arme. /Zu blöd, den Weg zu finden?!/ „Du hättest ihn gar nicht erst in einen Hund verwandeln sollen. Warum hat es dir nicht gereicht, dass er das Hundekostüm anziehen musste? Du wolltest deine Genugtuung - was ich gut nachempfinden kann - aber du hättest sie auf diesem Weg genauso gut haben können - ohne all die Probleme, die wir jetzt haben." Diese Worte schienen Marik weiter zu erzürnen. „Ach, auf einmal ist es so schlimm, dass ich das getan habe? Wenn ich mich recht erinnere, warst du am Montag noch begeistert davon, dass ich ihn in einen Hund verwandelt habe." „Aber nur, solange nicht zu bitterem Ernst wurde." Bedauernd schüttelte Marik den Kopf. „Kura, du enttäuscht mich wahrlich. Du bist ein rücksichtsloser Grabräuber aus der Zeit der Pharaonen, du bist vor fünftausend Jahren über Leichen gegangen, wenn es sein musste und jetzt machst du einen auf gerecht und rücksichtsvoll? Das passt nicht zu dir, außerdem bist du für gewöhnlich der erste, dem es gefällt, sich auf Kosten anderer zu amüsieren. Was ist bloß in dich gefahren?" Mitten in der Bewegung hielt Bakura inne. Joey sah ihn schlucken, dann wandte der Geist des Millenniumsrings den Blick ab, als wäre es ihm unangenehm. „Ich ..." „Was 'ich'?", harkte Marik nach. Bakura knurrte "Es geht doch gar nicht um mich. Wenn es nach mir ginge, kannst du tun und lassen, was du willst. Ich wäre der letzte, der dich davon abhalten würde. Es ist wegen Ryou. Er ist aufgewühlt und besorgt, weil du einen seiner Freunde in die Gestalt eines Hundes gebannt hast. Er lässt mir seit Montag keine Sekunde Ruhe, und bedrängt mich, mit dir zu reden. Darum tue ich es." „Und nur weil Ryou dich drängt, machst du einen auf Helden? Wie rührend. Ich dachte, du hättest mehr Widerstandskraft, stattdessen lässt du dich von deinem Hikari kontrollieren." Der Sarkasmus war deutlich aus seiner Stimme zu hören. Nun wurde Joey, der all das gehört und gesehen hatte richtig wütend. Mariks Worte stachelten seinen Zorn nur noch mehr an. Knurrend lief er los - direkt auf den Ägypter zu. Marik wirbelte herum. Seine Augen weiteten sich. Das nächste, was ein Gewicht an seiner Brust und einen Moment später fand er sich rücklings auf dem Boden liegend wieder. Über ihm stand ein Hund, die Vorderpfoten auf seiner Brust, die Augen bedrohlich funkelnd. Das Tier fletschte gefährlich die Zähne. Bakura starrte sie gebannt an, nicht in der Lage, zu reagieren. Marik schluckte. „Bei Ra ... Joey?!" Er hatte ihn also wieder erkannt. /Allerdings. Wie er leibt und lebt!/ Bakura schien durch Mariks Worte sichtlich aus der Bahn geworfen. „Was?! Das ist Joey?" Joeys Kopf schnellte herum, er fixierte Bakura und nickte mit grimmigem Knurren. „So eine Überraschung", kam es von Marik. „Und? Wie geht es dir so?" Joey knurrte ihn gefährlich an. /Wie es mir geht? Wie es mir geht?! Was soll diese Frage? Das siehst du doch wohl selbst, du Idiot!/ Abwehren hob Marik die Hände. „Ist gut. Spring mir nicht gleich an die Kehle." Von Joey kam nur ein verächtliches Schnauben. Er wäre Marik in diesem Moment liebend gerne an die Kehle gegangen, doch er riss sich zusammen. Er brauchte Marik. Behände sprang er beiseite, ließ somit zu, dass Marik sich wieder aufrichten konnte. Er atmete laut ein und setzte sich Joey im Schneidersitz gegenüber. Eingehend musterte er das Tier. „Also, raus mit der Sprache. Was ist?" Joey glaubte, sich ernsthaft verhört zu haben. Hatte Marik gerade wirklich gefragt, was los war? /Sag mir mal, Marik, bist du vielleicht taub? Hat der Fall gerade deinen Verstand beeinträchtigt oder warst du immer schon so schwer von Begriff?! 'Was ist'? Sag mal, geht es noch?! Als ob du dir das nicht denken könntest!/ Obwohl er den Wunsch verspürte, Marik all dies entgegen zu schreien, entwich seiner Kehle nicht mehr, als wütendes Bellen. Marik sah ihn dabei nur etwas ratlos an. Bakura runzelte die Stirn. „Weißt du, Joey", begann der Ägypter zögerlich, nachdem Joey sich nach Luft schnappend unterbrach, „ich habe kein einziges Wort verstanden." Perplex hielt Joey inne. Er starrte den anderen sprachlos an. Er hatte gar nicht daran gedacht, wie er sich mit Marik verständigen wollte. /Toll gemacht Joey/, lobte er sich gedanklich, wütend über seine eigene Dummheit. /Großartig. Wie willst du jemals wieder zu einem Menschen werden, wenn du dich mit demjenigen, der dir helfen kann, nicht verständigen kannst?/ Auch Marik schien zu überlegen. „Da bleibt offenbar nur eine Möglichkeit", seufzte er schließlich. Er griff nach seinem Millenniumsstab. Instinktiv wich Joey zurück. Nun musste Marik lachen. „Keine Angst Joey, ich tu dir nichts. Du bist doch schon ein Hund." Bakura kam interessiert näher und ging neben dem Ägypter in die Hocke. „Was hast du vor?" „Ich werde mich mit Joey unterhalten." Verwundert sah Bakura ihn an. „Ich dachte, du kannst ihn nicht verstehen." Marik bedachte ihn mit einem spöttischen, wenn auch leicht beleidigten Blick. „Bakura, du unterschätzt mich. Ich kann mit meinem Stab Menschen kontrollieren - wie du hoffendlich noch weißt - also kann ich mich mit ihnen auch gedanklich unterhalten. Sag bloß, das hast du noch nie getan?" Bakura verzog den Mund. „Im Gegensatz zu dir, habe ich in den letzten fünftausend Jahren niemanden in die Gestalt eines Tieres gebannt, darum sah ich auch keinen Anlass mich mit ihnen zu unterhalten."Mariks Stab begann nun zu leuchten. /Oh oh, das kommt mir schrecklich bekannt vor./ Der Ägypter grinste süffisant. °Was hast du denn Joey?° Dieser zuckte zusammen. Er hörte doch tatsächlich Mariks Stimme in seinem Kopf. °Keine Angst Joey, dir passiert schon nichts.° /Das weiß man bei dir nie, Marik! Sieh mich doch mal an! Sehe ich deiner Meinung nach aus, als sei 'nichts passiert'?/ °Hab dich doch nicht so. Fell steht dir wirklich gut. Und die Ohren erst. Du solltest dich sehen.° Die Antwort darauf war ein wütendes Knurren. °Schon gut, keine Bemerkungen mehr über dein Äußeres. Na los Hündchen, was gibt es?° /Nenn mich nicht Hündchen!/, erwiderte Joey gereizt. °Also ich find das nicht schlecht, Hündchen. Noch einmal, was gibt es?° /Kannst du dir das nicht denken?/ Marik lächelte unschuldig. °Nein, wie sollte ich? Du hörst doch meine Gedanken. Ich erinnere mich nicht, die Antwort bereits gedacht zu haben.° /Spinner, tu nicht so. Ich will, dass du mich zurück verwandelst!/ Nun wurde Marik ernst und das Lächeln verblasste. °Das kann ich nicht.° Perplex starrte Joey ihn an. /Wie, das kannst du nicht? Natürlich kannst du das. Du hast mich in diesen Körper gesteckt!/ Tadelnd hob Marik den Zeigefinger. °Da verwechselst du etwas, Hündchen. Mag sein, dass ich schuld daran bin, dass du nun anders aussiehst, aber ich habe dich nicht in einen anderen Körper gesteckt. Es ist immer noch dein alter Körper.° Marik lachte leise angesichts Joeys jetzigen Gesichtsausdrucks. Missgestimmt beobachtete Bakura das Mienenspiel zwischen seinem Marik und Joey. Schließlich zischte er leise, wandte den Blick ab und sah in den Himmel. „Zieht das ganze nur unnötig in die Länge, es ist ja nicht so, dass wir keine Zeit hätten ..." /Wie meinst du das, ich hab immer noch meinen alten Körper? Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Ich bin ein Hund! Das kann ja wohl schlecht mein alter Körper sein. Ich kann mich nicht daran erinnern, schon immer ein Hund gewesen zu sein oder habe ich etwas in meinem Leben verpasst, von dem ich wissen sollte?/ °Das nicht, aber es ist trotzdem dein alter Körper°, erwiderte Marik. °Ich hab ihm lediglich eine andere Form gegeben.° /Und warum kannst du mich dann nicht zurückverwandeln? Du musst mir doch nur meine alte form wiedergeben./ °Es geht nicht.° /Ich warne dich Marik, ich hab Zähne und Krallen und ich weiß sie auch einzusetzen./ °Da hab ich aber Angst°, grinste Marik Joey entgegen. Der Blonde musste sich stark zusammenreißen um sich nicht auf Marik zu stürzen. /Und was mache ich deiner Meinung nach jetzt?/, fragte er so beherrscht wie möglich. Marik schien zu überlegen. °Mal sehen, ich werde mir mal Gedanken darüber machen. Wenn mir was einfällt, sage ich dir bescheid. Was mich aber interessiert - wo kommst du eigentlich in der Zwischenzeit unter?° Joey zögerte, dann sprach er das unvermeidbare aus: /Bei Kaiba./ Kapitel 7: (Un)Durchsicht ------------------------- 7. Kapitel: (Un)Durchsicht „Bei Kaiba?!", wiederholte Marik. Bakura zuckte durch seine plötzliche Lautstärke kaum merklich zusammen. „Was ist mit Kaiba?" Ungläubig deutete Marik auf Joey, welcher gleichermaßen beschämt wie betreten zu Boden blickte. „Joey behauptet, er wohne im Moment bei Kaiba!" „Bei wem?!" Bakura wandte ruckartig den Kopf und fixierte Joey durchdringend. „Ist das dein Ernst?" Joey nickte, den Blick dabei noch immer nicht von dem Gras nehmend, welches mit einem Mal eine geradezu unheimliche Faszination auf ihn ausübte. Sekundenlang herrschte Schweigen, dann brach Marik unvermittelt in schallendes Gelächter aus. Joey sah auf. Auch Bakura stimmte kurze Zeit später mit ein. „Ich glaub es nicht", prustete der Ägypter und hielt sich den Bauch. „Joey wohnt bei Kaiba. Seto Kaiba ist auf den Hund gekommen!" Joey spürte sein Gesicht unter dem Fell brennen. Also konnten sogar Hunde rot werden, auch wenn man es zu seinem Glück nicht sehen konnte. /Hört auf zu lachen – alle beide!/, knurrte er und fletschte zur Verdeutlichung seiner Worte die Zähne. Es vergingen Minuten, bevor Marik und Bakura sich soweit wieder beruhigt hatten, dass sie in der Lage waren, in vollen Sätzen zu sprechen, ohne haltlos nach Luft schnappen zu müssen. /Seid ihr fertig, ja?/, fragte Joey Marik genervt. °Fast°, erwiderte Marik gut grinsend und wechselte einen Blick mit Bakura. Joey seufzte, was in der Gestalt eines Hundes auf Außenstehende einen befremdlichen Eindruck machen musste. /Wenn du mich vorerst schon nicht zurückverwandeln kannst, Marik, dann tu mir wenigstens einen Gefallen./ °Und der wäre?° /Kannst du meinen Freunden unter meinem Namen einen Brief schreiben, in dem steht, dass es mir gut geht? Sie machen sich sicher Sorgen und das will ich nicht./ Langsam nickte Marik. „Das lässt sich einrichten." „Was lässt sich einrichten?", fragte Bakura. „Erzähle ich dir später“, meinte Marik ohne ihn anzusehen. „Sicher doch", knurrte der Weißhaarige und verschränkte die Arme. /Und/, begann Joey, brach jedoch ab. Er rang mit sich selbst. °Und was?°, harkte Marik nach. /Naja./ Joey stellte fest, dass unheimlich schwer war, es auzusprechen. /Könntest du -/ Er brach den Blickkontakt mit Marik, blickte betont unbeteiligt an die Außenwand der Sporthalle, legte so viel Desinteresse wie möglich in seine folgenden Worte: /Könntest du Kaiba auch einen Brief schreiben?/ Sprachlos starrte Marik ihn an. °Kaiba? Du meinst den Kaiba?° Joey nickte, sah den anderen noch immer nicht direkt an. Doch auch aus den Augenwinkeln konnte er erkenne, dass auf Mariks Gesicht die pure Verblüffung stand. °Joey, verrätst du mir mal verraten, warum?° Diese Frage hatte Joey gleichsam erwartet, wie gefürchtet. Er wusste nicht, was besser war: Die Karten offen auf den Tisch legen, oder eine Ausrede erfinden. Er zögerte, warf Marik geradezu verunsicherte Blicke zu. /Also, weißt du, es hat nichts zu bedeuten, es ist nur .../ Er sah, wie Marik und Bakura viel sagende Blicke wechselten. /Es ist nur ... - ach was weiß ich. Tu mir einfach den Gefallen! Irgendwas bist du mir ja ohnehin schuldig./ Marik schüttelte den Kopf. °Ohne Informationen nicht.° Joey knurrte. /Er macht sich Sorgen, okay? Irgendwie zumindest auf seine eigene komische Kaiba-Art. Darum will ich, dass du mir diesen Gefallen tust./ Mariks Gesichtszüge standen kurz vor einem Zusammenbruch. Seine Augen weiteten sich und er starrte Joey an, als würde er ihn zum ersten Mal bewusst wahrnehmen. °Du redest immer noch von Kaiba?°, fragte er argwöhnisch. °Von Seto Kaiba, dem gefühlskalten, verschlossenen, egoistischen -° /Ja./ °- eingebildeten, selbstsüchtigen -° /Ja doch./ ° - intoleranten, skrupellosen, narzisstischen - /Ja verdammt!/ °- stinkreichen Eisklotz, dem Leiter der Kaiba Corporation? Du redest von dem Seto Kaiba?° /Ja, von dem Seto Kaiba!/ Joey funkelte Marik düster an. /Erzähl mir etwas, dass ich noch nicht weiß/, fauchte er den anderen an. /Und sei mal nicht so hochtrabend, die meisten dieser Eigenschaften trafen auch mal auf dich zu! Und tun es sogar noch .../ Marik überging die letzte Bemerkung, schwieg jedoch. /Was ist? Hat dir diese Information jetzt das Weltbild zerstört? Dann weißt du wenigstens, wie es mir ging./ °Seit wann zeigt Kaiba Gefühle?° /Frag nicht. Ich wäre beinahe ohnmächtig geworden, als er mit mir - einem Hund! - über seine Gefühle gesprochen hat. Tiere scheinen echt eine Ausstrahlung zu haben, die man nicht erklären kann./ °Und du meinst, du behauptest allen Ernstes, er würde sich Sorgen um dich machen? Um dich?! Entschuldige, wenn ich das so sagen muss, aber hallo Joey?! Falls du es vergessen hast: Seto Kaiba. Sagt dir der Name etwas? Ihr streitet euch doch dauernd, das weiß die gesamte Schule. Das ist die Attraktion der Domino Oberschule schlechthin!° Diese Worte holten Joey schmerzhaft auf den Boden der Tatsachen zurück. Ja, in der Schule stritten sie sich nur, aber Kaiba hatte sich doch wirklich Sorgen um ihn gemacht. Es hatte ihn gekümmert, daran bestand kein Zweifel. So benahm man sich für gewöhnlich nicht, wenn nur der Streitpartner ein paar Tage nicht in der Schule erschien. Es musste doch einfach etwas anderes dahinter stecken. Wenn Joey Glück hatte, dann traf seine einst geäußerte Vermutung vielleicht doch zu und Kaiba beneidete ihn um seine einzigartige Ausstrahlung, sein Aussehen und seine wunderbaren Freunde. Ach, Joey hatte es ja schon immer geahnt, aber dass es tatsächlich so war, das grenzte ja schon an - Schnell rief er sich zur Ordnung. Unsinn. Kaiba war der Letzte, der Joey Wheeler für irgendwas beneiden würde und sich aus diesem Grund Sorgen um ihn machen würde. Seine Fantasie war bloß wieder mit ihm durchgegangen. Was jedoch nach wie vor real war, war die Sorge von Kaiba um ihn. Und er hatte noch immer keine logische Erklärung dafür. Marik hatte Joey die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen. Nun hob er die Hand und gab dem Blonden einen Klaps auf den Kopf. °Jetzt komm mal wieder zu dir, das raubt dir ja noch die letzten Gehirnzellen.° Joey knurrte, doch der Ägypter ließ sich davon nicht beeindrucken. °Das mit dem Brief lässt sich schon einrichten – sogar der Brief für Kaiba. Ich verstehe dich zwar immer noch nicht, aber du wirst schon deiner Gründe haben. Und cih werde mir auch für deine Rückverwandlung etwas einfallen lassen.° Joey betrachtete ihn skeptisch. /Das hoffe ich für dich./ Marik verzog den Mund. °Jetzt mach bloß keine Luftsprünge vor überschwänglicher Freude.° /Schon gut/, gab Joey resignierend zurück. /Danke/, fügte er noch hinzu, dann wandte er sich ab. Auch Marik erhob sich. „Keine Ursache. Wird wohl Zeit, dass du gehst.“ Bakura, der sie die letzten Minuten keines Blickes mehr gewürdigt hatte, wandte den Kopf. „Seid ihr endlich fertig? Bin ich jetzt auch wieder offiziell anwesend?" Marik überging seine Aussage. „Du hast mich gehört Joey, wir werden uns darum kümmern." Der Blonde nickte. „Und nun mach endlich, dass du wegkommst." Mariks Stimme zeigte deutlich, dass das Gespräch für ihn beendet war. /Bloß nicht zu freundlich werden/, erwiderte Joey kopfschüttelnd, warf einen letzten Blick über die Schulter und lief dann in die Richtung, aus der er gekommen war. „Mit wem rede ich hier eigentlich, das ist doch -?“, fragte Bakura, war jedoch nicht mehr in der Lage, den Satz zu beenden, da Marik ihn am Arm packte und hinter sich her zog. „Steh da nicht so rum, Kura. Wir werden jetzt ein paar Briefe schreiben." „Was?" Bakura blieb verwundert stehen. Wütend packte Marik Bakura erneut am Arm und zog ihn weiter hinter sich her. „Du sollst nicht stehen bleiben, du sollst mitkommen." „Hä?", war das Klügste, was Bakura in diesem Moment zustande brachte. „Marik, falls du es vergessen hast, der Hauptteil eures Gespräches ist mir nicht bekannt.“ „Erklär ich dir später." Bakura schnaubte, ließ sich jedoch weiterziehen. Unvermittelt blieb Marik jedoch stehen und Bakura, der dicht hinter ihm war, lief direkt in ihn hinein. „Verdammt, Marik", entrüstete er sich. „Erst beschwerst du dich über mich und dann bleibst du selbst plötzlich wie angewurzelt stehen. Kannst du mir mal verraten, was los ist?" Doch wider Erwartens schnauzte Marik nicht zurück. Er schien Bakura nicht einmal mehr wahr zu nehmen. „Marik?" Bakura griff nach Mariks Schulter und schüttelte ihn, bekam jedoch keine Reaktion von dem anderen. „Weißt du, Marik", bemerkte Bakura schließlich frustriert, kümmerte sich dabei nicht darum, ob Marik ihm nun zuhörte oder nicht. „Ich habe langsam genug. Du beachtest mich nicht, bist respektlos gegenüber mir, dem am meisten gefürchteten Grabräuber meiner Zeit - und es kümmert dich nicht einmal!" „Seltsam, es ist mir bis eben überhaupt nicht aufgefallen", murmelte Marik abwesend. „Dann wird es höchste Zeit", fuhr Bakura unbeirrt fort. „Deine Respektlosigkeit kränkt mich. Und sie macht mich wütend. Aber ich werde ja nicht gefragt." „Das meine ich doch gar nicht!", fuhr Marik ihn wütend an. Bakura sah auf und erwiderte den Blick Mariks nicht minder durchdringend. „Dann sag mir, was du meinst.“ Marik knurrte. „Es ist seltsam, dass Joey ein Hund bleiben will." Bakura seufzte und fasste sich an die Stirn. „Marik du redest wirr. Er möchte zweifellos alles andere, als weiterhin ein Hund zu bleiben. Ich habe zwar euer Gespräch nicht mitbekommen, aber er sah alles andere als glücklich über seinen jetzigen Zustand aus.“ „Es stimmt aber.“ „Dann hast du ihn falsch verstanden.“ „Er hat es nicht gesagt.“ „Woher willst du es dann wissen?“ „Ich weiß es einfach.“ „Marik." „Was?" „Ich kann dir nicht mehr folgen.“ Ein Lächeln umspielte die Lippen des ehemaligen Grabwächters. „Ich erkläre es dir, Kura: Normalerweise hätte sich Joey nach zweiundsiebzig Stunden wieder zurückverwandelt. Der Bann hält für gewöhnlich nicht länger, hängt jedoch davon ab, ob die betroffene Person sich eine Rückverwandlung mehr als alles andere wünscht oder nicht. Wie du jedoch unzweifelhaft sehen konntest, ist er immer noch ein Hund. Also muss er einen Grund gefunden haben, weiterhin ein Hund bleiben zu wollen. Das ist mir erst aufgefallen, als er schon wieder weg war." Bakura sah ihn nachdenklich an. „Welcher Grund wäre es denn wert, weiterhin ein Hund zu bleiben?" „Das, Kura, frage ich mich auch. Und ich habe keine Ahnung." Währenddessen lief auf der anderen Seite des Schulhofs ein zufriedener Hund seines Weges. /Sieht so aus, als könnte ich noch etwas bleiben, Kaiba./ Kapitel 8: Was ist rund und hat null Ecken? ------------------------------------------- 8. Kapitel: Was sit rund und hat null Ecken? „Warte, Téa." Joey blieb stehen und sah sich um. Das war doch eben Yugis Stimme gewesen. Schließlich erblickte er ihn. Er lief auf Tea zu. Joey versteckte sich rasch hinter einer Bank und sah zu den beiden hinüber. Yugi blieb vor der Braunhaarigen stehen. „Und?" Die Brünette sah ihn erwartungsvoll an. Yugi schüttelte bedauernd den Kopf. „Nichts. Ich habe gestern sämtliche Leute gefragt, die ihn gesehen haben könnten. Niemand. Ich habe sogar zur Vorsicht im Krankenhaus nachgefragt, aber nichts. Niemand hat ihn gesehen." „Aber er kann doch nicht einfach so vom Erdboden verschwunden sein", entgegnete Tea und Unglaube schwang in ihrer Stimme mit. „Er ist jetzt schon vier Tage weg", meinte nun Yugi, während ein besorgter Ausdruck sein Gesicht zierte. „Auch der Schulleiter weiß nichts. Es gibt keine Entschuldigung für Joeys Fehlen." „Als ob Joey jemals eine Entschuldigung hatte, wenn er gefehlt hat", warf Tristan ein, der gerade um die Ecke gebogen war und Yugis letzten Satz mitbekommen hatte. Joey knurrte empört. /War ja klar, dass der so etwas sagt/, dachte er beleidigt. „Ich mach mir wirklich Sorgen um ihn", sagte Tea nach einiger Zeit des betretenen Schweigens. „So lange hat er noch nie gefehlt. Außerdem hat er uns sonst immer Bescheid gegeben." Joey stellte die Ohren auf. /Die machen sich solche Sorgen um mich? Aber hier bin ich doch./ Ohne nachzudenken sprang er hinter der Bank hervor und lief auf die drei zu. Vergaß vollkommen, in welchem Zustand sich sein Körper befand und blieb freudig bellend vor ihnen stehen. /Hey Leute, was habt ihr? Ich bin hier!/ Verwundert blickten die drei auf den Hund hinab, der fröhlich mit dem Schwanz wedelte. Schließlich hockte Yugi sich zu ihm hinab. „Wer bist du denn, Kleiner?" /Kleiner?! Hey Alter, ich bin doch nicht -/ Er hielt inne. Überlegte. /Verdammt!/ Am liebsten hätte er sich die Hand gegen die Stirn geschlagen, aber das ging ja nicht. /Ich bin ja ein Hund. Sie können mich gar nicht verstehen. Ich hab's schon wieder vergessen./ Betrübt ließ er den Kopf hängen. /Sie erkennen mich nicht. Wie sollten sie auch?/ „Was hast du denn?", riss ihn Yugis freundliche Stimme aus den trüben Gedanken. Im nächsten Moment legte sich eine Hand auf seinen Kopf und begann ihn zu streicheln. Joey sah auf. Auch Tea hatte sich runtergebeugt und musterte ihn interessiert. „Du bist aber niedlich." Empört blickte Joey sie an. /Niedlich? Niedlich?! Ein Joey Wheeler ist niemals niedlich!/ Ein leises Knurren entwich seiner Kehle. Yugi und Tea sahen ihn erstaunt an und Yugi nahm rasch seine Hand von Joeys Kopf. „Und was hat er jetzt?", fragte er an Tea gewand. „Ich glaube", mischte sich nun Tristan ein und tätschelte Joey kurz den Kopf. „Er mag es nicht, als niedlich bezeichnet zu werden, Téa." Joey nickte zustimmend. „Seht ihr?", grinste Tristan. „Wir haben es hier wohl mit einem ziemlich frechen Kerlchen zu tun, stimmt's Hündchen?" /Hündchen?!/ Joey verengte seine Augen zu Schlitzen und fletschte die Zähne.Tristan begann zu lachen. „Anscheinend mag er den Spitznamen Hündchen genauso wenig. Wisst ihr, an wen er mich erinnert?" Auf Yugis Gesicht schlich sich - trotz aller Besorgnis - ein Lächeln. „Du hast recht.“ Tristan musterte den Hund. „Ja", sagte er gedehnt und sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter. „Der Kleine erinnert irgendwie an Joey. Der kann es auch nicht leiden, wenn man ihn Hündchen oder ähnliches nennt." „Du meinst wohl eher, wenn Kaiba ihn so nennt", korrigierte Téa ihn lächelnd. Joey glaubte, sich verhört zu haben. Seine Freunde meinten, er sei Joey ähnlich? Aber wie kamen sie darauf? Wie konnten sie es so schnell bemerken? /Unglaublich/, dachte und war irgendwie beinahe etwas gerührt. /Das nennt man wahre Freunde. Auch wenn sie nicht sehen können, wer ich wirklich bin, erkennen sie doch die Gemeinsamkeiten./ Strahlend blickte er zu seinen Freunden auf. /Danke Leute./ „Oh!" Téa sah verzückt auf ihn hinab. „Seht ihn euch doch nur mal an. Sieht er nicht süß aus?" Joey überhörte geflissentlich das Wort süß. Es läutete. Tristan, Tea und Yugi sahen sich an, dann den Hund. „Tut mir leid", sagte Yugi schließlich mit Bedauern in der Stimme. „Aber wir müssen zum Unterricht." Ein letztes Mal tätschelten sie ihm den Kopf, dann wanden sie sich ab. /Hey, wartet doch mal. Ihr könnt mich doch nicht einfach so hier stehen lassen./ Ein leises Jammern verließ seine Kehle. Téa blieb stehen und drehte sich noch einmal kurz um. Mit großen treuen Hundeaugen blickte Joey sie an. /Ich hab euch vier Tage lang nicht mehr gesehen und jetzt geht ihr einfach?/ Das braunhaarige Mädchen seufzte. „Du kannst leider nicht mit. Hunde dürfen nicht ins Schulgebäude. Tut uns leid." Mit diesen Worten folgte sie Yugi und Tristan. Da saß Joey nun. Ganz allein auf dem großen leeren Schulhof. Kurz ließ er sein Kopf hängen, nur um einige Momente Sekunde später mit Entschlossenheit im Blick wieder aufzusehen. Das wäre doch gelacht. Er war Joey Wheeler und niemand hielt ihn auf, seinen Willen durchzusetzen! /Ich gehe jetzt in dies Gebäude! Auch wenn ich als Mensch jede Möglichkeit genutzt habe, nicht dorthin zu müssen, ich will da jetzt rein. Ich will wissen, was passiert, während ich nicht da bin. /Er erhob sich und lief auf das Gebäude zu. /Okay, wie komm ich da rein? Ich könnte durch das Fenster springen oder/ - sein Blick fiel auf die offene Eingangstür - /einfach hineingehen/, dachte er zerknirscht und setzte diesen Gedanken auch umgehend in die Tat um. Er sah sich um. Kein Lehrer war zu sehen und auch vom Hausmeister fehlte jede Spur. Erleichtert lief er weiter zu seinem Klassenzimmer. Ohne weitere Zwischenfälle erreichte er die Tür. Zu seiner Verwunderung befand sich einzig ein Zettel an der Tür. Mathematik fällt heute aus, bitte geht stattdessen zur Sporthalle. Der Unterricht findet in Halle 2 statt. Den Kopf zur Seite geneigt las Joey sich den Zettel durch. Seit wann wurden diese Zettel an der Tür ausgehängt? Sonst hingen sie immer am schwarzen Brett. Wahrscheinlich war es eine spontane Änderung des Unterrichts. /Ist doch egal/, dachte er, wandte sich ab und lief den Weg zurück, den er gekommen war. /Was kümmert es mich, warum das jetzt so ist, Hauptsache ich weiß, wo ich hin muss./ Er bog um die nächste Ecke und riss die Augen auf. Vor ihm schlenderte der Hausmeister, pfeifend den Boden fegend, den gang entlang. Schliddernd versuchte Joey stehen zu bleiben und umzukehren, doch zu spät. Der Mann hob den Blick und entdeckte Joey. Dem Blonden blieb beinahe das Herz stehen. /Jetzt habe ich ein Problem/, schoss es ihm durch den Kopf. oOo „Bleib stehen, elende Töle!" Hechelnd hetzte Joey durch die Gänge der Schule, auf der Flucht vor einem wütenden Hausmeister. Seit fünf Minuten jagte dieser ihn nun schon durch das Gebäude. Kurz sah Joey hinter sich, nur um festzustellen, dass der Mann aufholte. /Oh nein, gleich hat er mich. Einen Ausgang, ich brauche einen Ausgang!/ Als ob man sein Flehen erhört hatte, erblickte er nach der nächsten Biegung eine offene Klassenzimmertür. Ein Schüler hatte sie gerade geöffnet - entweder er musste aufs Klo oder er wurde gerade vor die Tür geschickt - aber das war Joey in dem Moment herzlich egal. Wie ein Blitz schoss er an dem Jungen vorbei ins Klassenzimmer. Auf der anderen Seite des Raums erblickte er ein offenes Fenster und ohne auf den empörten Ausruf des Lehrers oder das belustigte Lachen der Schüler zu achten, machte er einen Satz auf einen Tisch und sprang weiter aus dem Fenster. /Woah, und jetzt nur noch landen/, dachte er doch das lief nicht so glatt, wie geplant. Zunächst landete er auf allen Vieren, wollte schon weiterlaufen, geriet jedoch ins Straucheln und legte sich elegant auf die Nase. /Das tat weh./ Langsam richtete er sich auf und schüttelte benommen den Kopf. „Hey!" /Oh, oh!/ Schnell machte er kehrt und lief auf die andere Seite des Schulhofs, weg von dem Hausmeister. Dieser stand am Fenster des Klassenzimmers und fluchte wütend, während die Schüler Joey lachend hinterher sahen. „Lass dich hier bloß nicht mehr blicken!" Das war das Letzte, was Joey hörte, bevor er um die Ecke bog und in Richtung Sporthalle lief. oOo Vorsichtig lugte Joey durch den Türspalt. /Gut, keiner da./ Er stupste die Tür noch ein Stück weiter auf und betrat die Jungenumkleide. Leichtfüßig durchquerte er sie und drückte die Tür am anderen Ende ebenfalls auf. /Wo war noch gleich Halle zwei?/ oOo „Na los, Yugi! Spiel den Ball zu Duke!", rief Tristan vom Seitenrand aus. Yugi tat, wie ihm geheißen und bevor Marik ihm den Basketball abnehmen konnte, hatte er Duke den Ball schon zugepasst. Dieser dribbelte den Ball geschickt bis in die gegnerischen Hälfte, bis Bakura sich ihm in den Weg stellte und den Ball durch einen schnellen Griff an sich nahm. Er passte ihn zurück zu Marik, der Yugi umkreiste und mit einem gezielten Wurf den Ball im Korb versenkte. „Das gibt's doch einfach nicht", stöhnte Tristan und fasste sich an die Stirn. „Die machen uns fertig. Und das in einem zwei gegen zwei Spiel." Während Bakura und Marik sich triumphierend abklatschten, jubelte der Rest der Klasse zustimmend. Bedauernd schüttelte Tristan den Kopf, bis ihm offenbar ein Licht aufging. „Yugi, komm mal her." Yugi schien dankbar darüber. Keuchend blieb er vor Duke stehen. Für ihn gehörte Basketball zur schlimmsten Tortur schlechthin, war er doch durch seine Größe seit jeher benachteiligt. „Wir wechseln aus!", entschied Tristan und Yugi seufzte erleichtert. „Das heißt dann ja, ich muss nicht mehr. Gott sei Dank." Er setzte sich auf die Bank. „Jetzt brauchen wir nur noch einen Auswechselspieler!", sagte Tristan. Er warf einen Blick über die Schulter und grinste. „He, Kaiba, du bist dran." Sto kaiba sah ihn nicht einmal ab. „Vergiss es. Spiel doch selber, Taylor." Tristan ließ sich nicht beirren. „Ich war beim letzten Spiel schon dran. Ich weiß auch nicht, warum ausgerechnet wir in einem Team sind, aber jetzt bist du an der Reihe." Kaiba warf ihm einen abfälligen Blick zu, der eindeutig besagte „Ich-tue-das-hier-sicher-nicht-für-euch-damit-das-klar-ist“, bevor er sich widerwillig erhob und an Tristan vorbei aufs Spielfeld schritt. „Hier!" Marik warf ihm den Ball zu. Kaiba fing ihn mit einer Hand auf. „Die Verlierer haben den Ball." Der Ägypter grinste und stellte sich in Angriffsposition. Kaiba sah ihn gelangweilt an und wartete auf den Pfiff des Lehrers. Dieser folgte. Marik rechnete schon mit Kaibas Angriff, doch nichts dergleichen geschah. Der Leiter der Kaiba Corporation stand regungslos da und musterte Marik abschätzig. „Was ist Kaiba?", stichelte Marik schief grinsend. „Bist du festgefroren? Los, mach mal was." Der Firmenleiter hob eine Augenbraue. „Ich soll etwas machen? Na dann." Er griff mit beiden Händen fest nach dem Ball, holte aus und warf. Alle Anwesenden folgten gebannt dem Ball, der in hohem Bogen auf den Korb zuflog und tatsächlich darin versenkt wurde. Marik entgleisten sämtliche Gesichtszüge. Er war jedoch nicht der Einzige. „Wie?", Marik deutete auf den Korb, dann auf Kaiba, anschließend auf den Ball, der langsam in die Spielfeld-Mitte rollte. Auch Bakura schien überrascht. „Wie hast ... du?!" Ein spöttisches Lächeln erschien auf Kaibas Zügen, während er eine Hand ausstreckte um den Ball aufzufangen, den Duke ihm zuwarf. „Zielen, Ausholen, Werfen, Treffen. Noch Fragen?" Überrumpelt schüttelte Marik den Kopf. Kaiba warf einen Blick über die Schulter und fixierte Tristan. „Zufrieden?", fragte er und gab sich gelangweilt. Tristan nickte stumm, als habe er sämtliche Worte verschluckt. Wenn er gekonnt hätte, hätte Joey gelacht. Es war paradox. Er versteckte sich hinter einem Sprungkasten und verfolgte das Schauspiel, das sich ihm bot. Selber schuld, konnte er da nur sagen. Viele unterschätzten Seto Kaiba im Sport und zahlten dafür später einen hohen Preis, nämlich eine vernichtende Niederlage gegen Kaiba. Joey beobachtete, wie Kaiba Bakura und Marik im Alleingang besiegte und Punkte für sein Team brachte, ohne auch nur einmal Dukes Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. /Eins muss man ihm lassen, eine gewisse Eleganz hat das ja bei ihm/, gab er ohne nachzudenken zu. /Aber an die unschlagbare Joey Wheeler-Spieltechnik kommt selbst er nicht ran!/, fügte er rasch hinzu, als ihm der Inhalt seiner Worte bewusst wurde. Wieder machte Kaiba einen Punkt, ohne sich wirklich anzustrengen. „Unglaublich", brachte Marik unter Keuchend hervor. Und Joey stimmte ihm insgeheim zu. Kapitel 9: 'Hunde'-Schule ------------------------- 9. Kapitel: 'Hunde'-Schule Er wusste nicht, wie lange er schon zusah, doch plötzlich fiel ihm eine Veränderung auf. Es war nicht mehr das Spiel, welchem er folgte. Vielmehr fixierten seine Augen den Basketball. Joey wusste selbst nicht wieso und konnte es sich bei allen Göttern nicht erklären, aber der Ball übte eine unheimlich starke Faszination auf ihn aus und zog seine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Dann, ganz plötzlich – ohne nachzudenken - sprang er aus seinem Versteck und hechtete los, auf sein Ziel zu. Im Nachhinein konnten nur wenige sagen, was genau in welcher Reihenfolge anschließend geschehen war. Zeugen behaupteten, dass der Ball, den Bakura Marik zugeworfen hatte, auf halbem Wege von einem plötzlich auftauchenden Fellknäuel erwischt und somit aus seiner Flugbahn ‚katapultiert’ worden war, woraufhin die Szenerie zu einem unvermittelten Stillstand gekommen war. Bakura war mitten in der Wurfbewegung erstarrt, Marik hielt immer noch die Arme ausgestreckt, da er ja eigentlich den Ball hatte auffangen wollen. Kaiba, der Marik offensichtlich genau daran hatte hindern wollen, indem er versuchte, den Ball abzufangen, war kurz vor dem vorgehabten Absprung ebenfalls erstarrt. Ein amüsanter Anblick, wenn man später daran zurückdachte. Auf die vielleicht aufkommende Frage, wo Duke eigentlich war - immerhin war er ja ursprünglich Kaibas Spielpartner: Der Dungeon Dice Erfinder hatte sich bereits vor fünf Minuten an den Spielfeldrand gesetzt, da Kaiba seine Anwesenheit ohnehin nicht in Anspruch genommen hatte und Duke sich mehr als nur fehl am Platz vorgekommen war. Er war im Begriff, etwas zu trinken, hatte er doch eine offene Wasserflasche in der Hand, war jedoch wie alle anderen mitten in der Bewegung erstarrt. Auch die restlichen Schüler und sogar der Lehrer rührten sich nicht. Alle Anwesenden starrten wie gebannt auf den Hund, der sich vor ihren Augen den Ball geschnappt hatte, und diesen nun freudig mit der Nase vor sich herstupste. Joey freute sich tatsächlich über den Ball. Glücklich schob und stupste er ihn vor sich her, bis ihm schlagartig bewusst wurde, was hier vor wenigen Sekunden passiert war. Er hielt inne. Starrte perplex den Ball an. Er brauchte Sekunden, um einen klaren Gedanken fassen zu können. /Was ist denn jetzt kaputt? Wieso freu ich mich wie ein Irrer nur wegen einem Ball? Warum bin ich so fasziniert von einem Ball?! Oh Gott! Ich fang doch jetzt bitte nicht an, wie ein Hund zu denken?! Das ist gar nicht gut! Oh nein, das ist garantiert nicht gut! Hilfe./ Weitere Sekunden verstrichen, bevor er sich der erdrückenden Stille in der Sporthalle bewusst wurde. /Halt mal, warum ist es denn hier auf einmal so verdammt ruhig?/ Langsam, beinahe in Zeitlupe, drehte er sich um und wurde sich bewusst, dass ausnahmslos alle ihn anstarrten. /Okay/, begann er seine gedanklichen Ausführungen und sah sich um. /Alle starren mich an, das ist mal klar. Damit wäre die erste Frage geklärt. Zweite Frage, warum?/ Er sah kurz hinter sich und sein Blick fiel auf den Gegenstand, der ihn so in seinen Bann gezogen hatte. /Natürlich, wegen dem Ball./ Um seine Gedankengänge besser fortzuführen, setzte er sich hin. /Nächste Frage/, er warf einen erneuten Blick auf das Spielfeld, auf dem sich noch immer niemand rührte, /warum sehen die so selten dämlich aus?/ Während er nachdachte, legte er den Kopf schief und musterte die Spieler eingehend. /Von Bakura und Marik bin ich es ja gewohnt, dass sie schräg aussehen, aber jetzt auch noch Kaiba?/ Er wiederholte das Szenario und kam schließlich zu dem Schluss, dass auch er dumm aussehen würde, wenn mitten im Sportunterricht vor seinen Augen ein Hund aus dem Geräteraum springen und sich den Basketball klauen würde. Er schüttelte kaum merklich den Kopf. /Aber müssen die alle daraus gleich so eine Szene machen? Ein kurzer Schrei oder so hätte doch gereicht. Aber so etwas. Und dann auch noch alle./ Minuten vergingen, in denen immer noch nichts geschah. Joey wurde zunehmend ungeduldig. /Also man kann es auch übertreiben. Können die vielleicht mal wieder ins Reich der Lebenden zurückkehren?/ Er bellte kurz. Das hatte die erwünschte Wirkung. Die Schüler und auch der Lehrer erwachten aus ihrer Starre. „Und was jetzt?", bemerkte Bakura schließlich und brachte somit die stumme Frage aller auf den Punkt. Ausdruckslos betrachtete Kaiba den Hund, riss sich jedoch schließlich auch aus seiner Starre, ließ die Arme sinken, und ging auf Joey zu. Der Blonde folgte Kaibas Bewegung argwöhnisch, bis dieser vor ihm stand und sich hinhockte. „Was machst du hier?", fragte Kaiba und Argwohn schwang in seiner Stimme mit. „Du kennst den Hund?", mischte sich Yugi nun ein und kam ebenfalls näher. Téa und Tristan folgten ihm. „Ja", antwortete Kaiba knapp, ohne sich umzudrehen, geschweige denn Yugi überhaupt anzusehen. Auch die anderen Schüler traten langsam näher. „Er gehört mir." Alle starrten Kaiba an. Abgesehen von Marik und Bakura, die einen lagen Blick wechselten, da sie natürlich wusste, was hier vor sich ging. „Du - du hast einen Hund, Kaiba?", fragte Tristan verblüfft. „Und?" Mittlerweile hatte sich eine Schülertraube um Joey gebildet. „Wir kennen ihn auch", sagte Yugi, beugte sich runter und betrachtete Joey eingehend. „Ja, kein Zweifel. Es ist derselbe Hund.“ Kaiba verschränkte die Arme. „Woher kennt ihr ihn?" „Wir haben ihn vorhin auf dem Schulhof getroffen", beantwortete Téa seine Frage. „Er war einfach da und war ziemlich anhänglich.“ Kaiba sah Joey ernst an. /Oh, oh, das gibt Ärger./ Joey sah ihn aus großen Hundeaugen an und merkte zu seinem Erstaunen, dass das zu wirken schien, den der Blick des anderen verlor kaum merklich an Intensität. Tristan stieß Duke den Ellbogen in die Seite. „Weißt du was? Ich glaube, Kaiba hat doch ein Herz." Duke nickte grinsend. Blitzartig fuhr Kaibas Kopf herum. „Taylor?" „Nichts, nichts", meinten Tristan und Duke hastig und hoben abwehrend die Hände. „Na wenn das nicht unser Hündchen ist", erklang plötzlich Mariks Stimme. Er hatte sich an den Schülern vorbeigedrängelt und ging nun ebenfalls vor Joey in die Hocke. Dieser funkelte ihn an. /Du weißt genau, dass du mich nicht so nennen sollst!/ Grinsend tätschelte Marik ihm den Kopf, bedachte ihn dabei mit einem Blick, den Erwachsenen für gewöhnlich in Gegenwart von Kindern an den Tag zu legen pflegten. „Wie geht's denn so Klein-Joey, ich- " Er brach ab, als er seinen Ausrutscher bemerkte, und hielt sich die Hand vor dem Mund. /Marik!/, grollte Joey und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, während er den Ägypter mit seinen Blicken geradezu erstach. „Woher kennst du seinen Namen?", kam es bedrohlich leise von Kaiba. /Wenn Kaiba jetzt etwas merkt ... wehe, du sagst noch etwas Falsches, Marik. Wenn das ganze hier auffliegt, bist du tot!/ "Also, ich -" Marik suchte krampfhaft noch einer Antwort. Allerdings kam er nicht mehr dazu, eine haarsträubende Ausrede zu erfinden. „Er heißt Joey?!", kam es nun von Yugi, Tristan, Téa und Duke gleichzeitig, was Kaibas Aufmerksamkeit von Marik weglenkte. Auch die anderen Schüler schienen erstaunt, einige begannen zu tuscheln. Kaiba schloss die Augen. Er schien von dieser Situation weniger, als begeistert zu sein. Davon bekam man ja Kopfschmerzen. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, drehte sich langsam um und sah die sämtliche Personen herablassen an. „Ja, genau so heißt er. Euer Freund Wheeler ist die Inspiration für einen Hundenamen." Joey legte den Kopf auf die andere Seite. /War das jetzt eine Beleidigung?/ „Waru -", begann Yugi, wurde jedoch von Kaiba unterbrochen. „Das geht euch nichts an." „Seit wann -", setzte nun Téa an. Kaiba unterbrach auch sie scharf. „Das geht euch ebenfalls nichts an." „Aber -", wollte Tristan protestieren, wurde aber von einer raschen Handbewegung Kaibas zum Schweigen gebracht. Der junge Firmenunternehmer funkelte ihn gefährlich an. „Taylor, ich rate dir, mir nicht weiter auf die Nerven zu gehen, solltest du tief in dir den Wunsch verspüren, den morgigen Tag vielleicht noch erleben zu können." Tristan schluckte und schwieg. Nun mischte sich auch ihr Lehrer ein, der die ganze Zeit versucht hatte, sich einen Weg durch die Schülertraube zu bahnen und es letztendlich auch geschafft hatte. Er räusperte vernehmlich sich und richtete somit die Aufmerksamkeit der Schüler auf sich. „Nun denn, was ich zunächst wissen möchte ist: Wem gehört dieser Hund?" „Kaiba", kam es gleichzeitig von allen anwesenden. „Stimmt das?", wandte sich der Sportlehrer nun an Kaiba. Dieser nickte, sein Blick war undurchsichtig, seine Haltung abweisend. „Ja, der Hund gehört mir." „Und was gedenken Sie nun zu tun?" Kaiba hob eine Augenbraue. „Inwiefern?" „Der Hund kann nicht hier bleiben." „Kann er nicht?" Der Mann seufzte. „Nun, ich kann es Ihnen ja wahrscheinlich nicht verbieten." Kaibas Mundwinkel zuckten. Er war sich seines Sieges sicher. Joey verdrehte die Augen. /Mann Kaiba, musst du immer so übertreiben? Wir wissen, dass du hohe Autorität besitzt. Und viel Macht, und noch dazu die Möglichkeit, die Lehrer auf deine Seite zu ziehen. Musst du es immer wieder so demonstrieren?/ „Aber falls es deshalb zu Ärger mit dem Direktor kommt, ist dies nicht meine Schuld", schloss der Pädagoge. Er wandte sich ab und richtete sich an die Schüler, die noch immer dicht gedrängt um sie standen, bei dem Versuch einen guten Blick auf Joey zu erhaschen. „Ich denke, wir können für heute Schluss machen. Ihr könnt euch umziehen." Nach und nach löste sich die Traube von Schülern auf, die Schüler gingen zu ihren Kabinen, nicht jedoch ohne Joey – Kaibas Hund! - ein letztes Mal neugierig zu mustern, und selbst Yugi und die anderen gingen widerwillig in die Umkleiden. Schließlich blieben nur noch Kaiba und Joey übrig. Ernst sah der Brünette auf den kleinen Joey hinab. /Na klasse, gleich gibt's Ärger./ Joey fühlte sich mehr und mehr unwohl unter diesem Blick und spürte, wie seine Haltung gegen seinen Willen nach und nach in sich zusammensank. Unvermittelt wich der Ernst aus Kaibas Augen. Er hob die Hand und fasste sich an die Stirn. „Jetzt sieh mich nicht so an. Du bist selbst Schuld, dass du in diesem Schlamassel bist. Warum folgst du mir auch in die Schule?“ Er ließ die Hand sinken und betrachtete Joey. „Ich werde dir schon nichts tun.“ /Weiß man's?/, dachte Joey resignierend. Kaiba drehte sich um und ging zu den Umkleideräumen. Er warf einen kurzen Blick über die Schulter. „Nun komm schon, steh da nicht wie angewurzelt rum. Jetzt bist du hier, jetzt musst du auch bleiben.“ Und Joey gehorchte. Er erhob sich und folgte dem Kaiba ohne zu murren. oOo Joey gähnte zum wiederholten Mal. /Langweilig!/ Kurz hob er den Kopf an, nur um ihn ein paar Sekunden später frustriert wieder auf seine Vorderpfoten sinken zu lassen. Unterricht war noch langweiliger, wenn man nichts zum Beschäftigen hatte. Hier lag er. Neben Seto Kaibas Tisch, in seinem Klassenraum, während einer Mathestunde. Eigentlich merkwürdig, wenn er länger darüber nachdachte. Wo gab es das schon - ein Hund in der Schule? Am Anfang hatten alle ihn nur groß angesehen. Vor allem als sich herumsprach, dass es sich bei ihm um Seto Kaibas Hund handelte. Mit den Lehrern hatte es keine Probleme gegeben. Zunächst hatten sie ihn skeptisch gemustert, doch als sie daraufhin Kaibas indirekt drohendem Blick begegnet waren, war jeglicher potentielle Protest verflogen. Es wollte sich niemand offen mit Seto Kaiba anlegen. Erneut gähnte Joey. Vier Schulstunden machte er das nun schon mit. Sein Magen rebellierte mittlerweile lautstark und seine Konzentration ließ mehr und mehr nach. Da hatte auch Kaibas Frühstückshälfte in der Pause auch nicht viel geholfen. Zum Glück war Mathe das letzte Fach an diesem Tag. Joey warf einen Blick auf die Uhr. Noch zehn Minuten. Innerlich seufzte er. /Mir ist langweilig und ich hab Hunger./ Noch einmal hob er den Kopf und sah Kaiba geradezu flehend an. Doch dessen Blick ruhte weiterhin auf der Tafel, als gäbe es nichts Interessanteres. Ein leiser klagender Laut entwich Joeys Kehle - zu leise für die übrigen Schüler, doch Kaiba hatte es gehört. Joey setzte sich auf und stupste Kaibas Bein an. /Ich hab Hunger./ Kaiba vergewisserte sich zunächst, dass niemand zu ihnen hinüber sah, dann streckte er die Hand aus und kraulte Joey kurz hinter den Ohren. „Etwas Geduld“, flüsterte er, bevor er sich wieder aufrichtete und seine Aufmerksamkeit auf die Tafel richtete. /Ich habe das zwar nicht gemacht, damit er mich krault, aber bitte/, schoss es ihm durch den Kopf und einen Moment ließ er sich von diesem Gedanken beherrschen. Dann schüttelte er den Kopf. Was dachte er da? Rasch schob er diese Gedanken auf seinen Hunger. Ein zweites Mal stupste er Kaibas Bein an, bevor er sich wieder hinlegte. Sein Blick glitt durch die Klasse. Dabei blieb er an Marik hängen. Der Ägypter grinste ihn wissend an, woraufhin Joey nur verwirrt zurücksah. Er wurde von der Schulglocke daran gehindert, sich weiter damit zu beschäftigen und wenige Minuten später hatte er es vergessen. Sichtlich zufrieden spazierte Joey hinter Kaiba her. Am Ausgang des Gebäudes ging Kaiba zu seinem Schulfach und griff nach seinen Schuhen, die er vor Betreten der Schule heute Morgen hatte ablegen müssen, wie alle anderen Schüler auch. Nachdem er seine Schuhe angezogen hatte, wandte er sich bereits ab, um zu gehen, hielt jedoch inne und blickte erneut in sein Fach. Joey konnte nicht sehen, was Kaibas Aufmerksamkeit auf sich zog, doch als der andere die Hand ausstreckte und nach dem Gegenstand griff und ihn aus dem Fach nahm, erkannte Joey, dass es sich um einen weißen Umschlag handelte. Joey stellte sich auf die Hinterbeine und stützte sich mit den Vorderpfoten auf einem der niedrigeren Fächer ab. /Was steht denn da drauf? Lass mich auch mal sehen!/ Er war darum bemüht, etwas zu erkennen, doch musste er sich nach einiger Zeit eingestehen, dass er einfach zu klein war, um das erkennen zu können, was ihn interessierte. Er reichte dem anderen mit den Vorderpfoten nicht bis zur Brust und Kaiba hielt den Brief sogar nicht ein Stück höher. Frustriert ließ er sich wieder auf seine vier Beine hinab und stupste Kaiba ungeduldig an. Nun reichte er ihm mit seinem Kopf ein ganzes Stück über seine Knie. /Na komm schon, ich kippe gleich um vor Hunger./ Kaiba riss sich von dem Anblick des Briefes los. Rasch steckte ihn sich in eine Innentasche seiner Schuluniform. „Du kannst es offenbar nicht mehr erwarten. Wenn dem so ist, dann lass uns gehen", forderte er Joey auf der sich das nicht zweimal sagen ließ und ihm nur allzu gerne folgte. Neugierige Blicke und Getuschel begleitete ihr Gehen, doch sowohl Kaiba als auch Joey schenkten dem keine Beachtung. Die Limousine stand schon hinter dem Schultor bereit. Kaiba öffnete diesmal selbst die Tür, wartete, bis Joey auf den Rücksitz gesprungen war und stieg dann ebenfalls ein. Der Wagen setzte sich in Bewegung und fuhr los. Während der Fahrt blickte Joey gedankenverloren aus dem Fenster und versuchte den nagenden Hunger zu ignorieren, genauso wie die Frage nach dem Brief und ob es sich bei ihm schon um den besagten Brief von Marik handelte. Wenn ein Joey Wheeler Hunger hatte, dann hatte er Hunger und konnte an nichts anderes denken. oOo Als Kaiba die Tür aufschloss, hatte er keine Zeit zu reagieren, denn augenblicklich flog ihm etwas entgegen. Der Leiter der Kaiba Corporation brauchte einige Sekunden, um dieses Etwas als seinen kleinen Bruder zu identifizieren. „Mokuba?", stieß er perplex hervor. Der Schwarzhaarige klammerte sich fest an ihn. Joey stand hinter Kaiba und musterte das geschehen skeptisch. Was war denn los? Kaiba war doch nur in der Schule gewesen. Mokuba konnte ihn in dieser kurzen Zeit ja wohl kaum derart vermisst haben. Als Mokuba aufblickte erkannte er jedoch alarmiert die Sorge in dem jungen Gesicht. „Seto, Joey ist weg! Ich hab ihn schon überall gesucht. Eines der Dienstmädchen sagt, sie hätte ihn heute Morgen draußen gesehen. Ich mach mir Sorgen Seto! Was, wenn ihm etwas passier ist? Was sollen wir machen, Seto? Ich habe schon im Tierheim angerufen, aber da ist er auch nicht!" Kaiba schwieg, dann hoben sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln, das Joey nur auf dem Bild im Arbeitszimmer Kaibas schon einmal gesehen hatte. Ein Lächeln, das Joey berührte. Ein Lächeln, das ihn schockierte, hätte er es doch niemals bei diesem Kaiba erwartet. „Keine Sorge, Mokuba." Er strich dem Jungen, der kurz davor schien in Tränen auszubrechen, liebevoll über das Haar. Anschließend drehte er sich um und pfiff einmal kurz. Wenige Augenblicke später kam Joey durch die Tür stolziert. Beleidigt blieb er vor Kaiba stehen und rümpfte die Nase. /Du brauchst nicht erst pfeifen, ich komme auch so, danke. Also ehrlich, was glaubst du denn, was ich bin? Dein treues Schoßhünd-/ Sein Unmut wurde jedoch zur Nebensache, als Mokuba Kaiba mit einem Satz bei ihm war und ihn fest umarmte. Erstaunt weiteten sich seine Augen. „Ich bin ja so froh, dass dir nichts passiert ist", murmelte Mokuba und presste ihn noch etwas dichter an sich. „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht." Nachdem Joey sich von seinem anfänglichen Schock erholt hatte, wurde er sich der Situation bewusst. Mokuba schien sich wirklich ziemliche Sorgen wegen seines Verschwindens gemacht zu haben. Daran hatte er heute Morgen nicht gedacht. Gerne hätte er Mokuba tröstend den Rücken getätschelt. Da ihm das jedoch im Hundekörper verwehrt blieb, schmiegte er sein Gesicht kurz an die Wange des Jungen. /Eins muss man Mokuba lassen, er schafft es, dass man ihn einfach mögen muss./ Verdutzt sah Mokuba ihn an, fing einen Moment später aber an zu strahlen. „Schön, dass du wieder da bist.“ Er fuhr Joey durch das weiche Fell. Unterbrochen wurde dieser Moment von einem Knurren. Joeys Kopf schnellte in die Höhe, als er das Knurren als Protestgesuch seines Magens erkannte. Entgeistert starrte er auf seinen Bauch. /Was zum-?!/ Seine Haltung sackte leicht in sich zusammen. /Ich hab immer noch Hunger .../ Kurz herrschte überraschte Stille in der Eingangshalle der Kaibavilla, dann erklang herzhaftes Lachen. Joey, der beschämt auf den Boden gesehen hatte, hob den Kopf. Auch Mokuba sah auf. Einen Augenblick später starrten sowohl er, als auch Joey Kaiba an, der den Urheber dieses Lachens darstellte. Auf Mokubas Zügen erschien ein befreites Lächeln, während Joey es nicht schaffte, den Blick von Seto Kaiba zu nehmen, der keinen Anlass sah, um mit dem lachen aufzuhören. Er hatte Kaiba noch nie so lachen hören. Er kannte das typische Ich-bin-besser-als-du!-Kaibalachen, das nur allzu vertraute Knie-nieder-vor-deinem-Meister!-Hohngelächer und das allseits bekannte Versuchs-erst-gar-nicht!-Lächeln, das alle anderen alleine - abgesehen von ihm - schon einschüchterte. Aber das war ihm vollkommen neu. Nicht höhnisch, abwertend, herablassend oder gar mit böser Absicht gemischt. Es klang befreit. Zum ersten Mal empfand er Kaibas Anwesenheit mehr als nur angenehm. Zum ersten Mal verspürte er den Wunsch, dieser Moment mit Kaiba würde nicht enden. Und dieses Mal ließ sich das Gefühl nicht durch den Hunger erklären. Und zu seinem Wunsch kam noch eine andere Empfindung. Bedauern. Er bedauerte es, dass Kaiba nie so gelacht hatte, als er noch Joey Wheeler gewesen war. Kapitel 10: Feuchtes Vergnügen ------------------------------ 10. Kapitel: Feuchtes Vergnügen Genüsslich räkelte Joey sich auf der Decke, die er nun fest für sich annektiert hatte. Verstolhen warf er einen Blick auf den Kaiba, der auf dem Sofa in seinem Schlafzimmer saß und an seinem Laptop arbeitete, während er nebenbei an seinem Kaffe nippte. Ein weiterer Blick, dieses Mal in Richtung Uhr, verriet dem Joey, dass es bald Zeit für sein Abendessen war. Gähnend erhob er sich und musste sich erst einmal ausgiebig strecken, da seine Glieder vom vielen Liegen ganz schlaff waren. /Der Vorteil am Hundeleben ist das Faulenzen/, dachte er, als er langsam auf Kaiba zulief. Bis ihm ein Objekt ins Auge stach, das unberührt auf dem Glastisch vor dem Sofa lag. Es war der Umschlag, der heute Vormittag in Kaibas Fach gelegen hatte. Neugierig betrachtete Joey ihn näher. An Kaiba stand in schwungvoller Handschrift auf der Vorderseite. Marik hatte ganze Arbeit geleistet, denn es sah tatsächlich aus wie seine eigene Handschrift. Er hob den Kopf und sah Kaiba an, dann den Brief, anschließend Kaiba und zu guter Letzt wieder den Brief. /Aber warum liest er ihn denn nicht? Es wäre besser, wenn er es tut./ Gleichzeitig fragte er sich jedoch auch, warum es ihm so wichtig war, dass Kaiba den Brief las. Joey zögerte, denn es war schwer, es zu akzeptieren, nachdem man jahrelang darauf fixiert gewesen war, Kaiba so viele Demütigungen wie möglich heimzuzahlen. /Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht. Nicht wegen mir./ Er schnappte nach dem Brief. Darauf bedacht ihn nicht zu zerstören und nicht allzu sehr voll zu sabbern – eine leidige Angelegenheit, wie er festgestellt hatte und sie ließ sich nicht einmal abstellen - machte er einen Satz und sprang neben Kaiba auf das Sofa. Kaiba hielt in seiner Arbeit inne. „Was ist denn?" Seine Finger verharrten auf der Tastatur. Joey registrierte, dass es ungewöhnlich still in dem Zimmer war, wenn er nicht tippte, doch dieser Gedanke manifestierte sich nur kurz. Zu kurz, um sich länger mit ihm zu befassen. Joey ließ den Brief auf die Tastatur des Laptops fallen, der Auf Kaibas Beinen lag. Kaiba runzelte die Stirn. „Willst du, dass ich den lese?" Joey hob die Ohren und wedelte mit dem Schwanz, denn ein Nicken wäre viel zu auffällig gewesen. Kaiba nahm den Brief in die hand. „Ich dachte mir ja schon, dass du ein schlaues Tier bist, aber jetzt überraschst du mich.“ /Tja Kaiba, so bin ich eben. Stets für eine Überraschung offen./ Kaibas Blick wurde eine Spur prüfender. Joey erwiderte ihn ohne mit der Wimper zu zucken. Er schluckte schwer, denn irgendwie schien es ihm, als könnten diese Augen alles sehen und einen Moment fürchtete Joey sogar, der andere könnte nun herausbekommen, wer er wirklich war. Rasch verwarf er den Gedanken. Kaiba hatte zwar die kleinen Gemeinsamkeiten, wie die Augenfarbe, wahrgenommen, doch er konnte unmöglich die ganze Wahrheit erkennen. Auch Kaiba schien über etwas nachzudenken, richtete seine Aufmerksamkeit schließlich jedoch auf Brief. Er öffnete den Umschlag, zog das Papier heraus, faltete es auseinander und las es durch. Seine Augenbrauen zogen sich konzentriert zusammen, dann weiteten sich seine Augen kaum merklich. /Also langsam wird er mir unheimlich/, schoss es Joey durch den Kopf, nachdem Kaiba fünf geschlagene Minuten später noch immer den Brief anstarrte. /Das ist doch nicht mehr normal. Kaiba hat sich die letzten Minuten keinen Millimeter von der Stelle bewegt. Er atmet doch noch?/ Vorsichtig stupste Joey Kaibas Arm mit seiner Nase an. Mit vor Erstaunen großen Augen registrierte Joey, wie sich ein Lächeln auf Kaibas Lippen bildete. /Was hat er denn jetzt schon wieder?/ Joey war vollkommen perplex. Dieser lächelnde Kaiba brachte ihn vollkommen aus dem Konzept. Er wusste damit nicht umzugehen. Und zu allem Überfluss überkam ihn schon wieder dieser Wunsch, Kaiba mochte so bleiben, den er schon gehabt hatte, als Kaiba heute Mittag gelacht hatte. Was war hier los? Irgendetwas Seltsames ging hier definitiv schon den ganzen Tag vor sich. /Ich – warum verwirrt mich ein lächelnder Se- Kaiba so? Und warum muss ich allmählich aufpassen, damit ich ihn nicht Seto nenne, genau wie Mokuba? Warum mag ich es, wenn Kaiba lächelt oder sogar lacht?! Das kann doch unmöglich normal sein. Kann mir nicht jemand helfen? Je länger ich hier in dieser Villa bin, je länger ich in seiner Anwesenheit bin, desto seltsamer werden meine Wahrnehmungen./ Er richtete seinen Blick wieder auf Kaiba. /Ich glaub, ich sollte mir lieber später darüber Gedanken machen/, beschloss er, als er es leid war dauernd mit sich selbst zu ringen. oOo Kaiba klappte unvermittelt seinen Laptop zu, was Joey zusammenzucken ließ, und stellte ihn auf den Glastisch. Dann wandte er sich Joey zu, welcher es sich zeitweise wieder auf der Decke gemütlich gemacht hatte und bis eben noch friedlich gedöst hatte. „Was hältst du von einem Spaziergang, Joey?" /Was?/ Joey legte den Kopf schief und musterte Kaiba konfus. Einen derartigen Vorschlag kannte er von Mokuba, doch bei Kaiba verwirrte ihn diese Frage. „Ein langer Spaziergang durch den Park", erklärte Kaiba, als hätte er Joeys stumme Frage mitbekommen. „Was sagst du dazu? Und anschließend gibt es dann dein Abendessen." Das verstand Joey sofort. Augenblicklich war er hellwach, sprang auf, bellte zustimmend und sah mit leuchtenden Augen zu dem anderen hinauf. /Komm schon, Kaiba, lass uns gehen./ Mit Belustigung im Blick erhob sich Kaiba und schritt gemächlich auf die Tür zu. Den Brief legte er nebenbei, auf eine Kommode. Joey freute sich momentan jedoch so über das später anstehende Abendessen, dass er davon nichts mitbekam, geschweige denn überhaupt an den Brief dachte. Doch als die Tür des Zimmers hinter ihm ins Schloss fiel, hielt er inne und warf einen Blick über die Schulter. /Was nur in dem Brief stand, dass er jetzt so gut gelaunt ist?/ oOo „Was für ein Wetter. Als ob es nicht auch etwas später hätte regnen können", schnaubte Kaiba, als das Hausmädchen die Eingangstür für ihn und Joey öffnete und sie raschen Schrittes eintraten, um dem kalten Regen zu entkommen. /Das kannst du aber laut sagen/, pflichtete Joey ihm im Stillen bei. /Warum muss es auch jetzt regnen? Ich bin bis auf die haut durchnässt und durchgefroren. Dieses Fell wärmt nur, solange es trocken ist./ Wortlos übergab Seto seinen tropfenden Mantel an das Hausmädchen, welches daraufhin mit dem Kleidungsstück davoneilte, und entledigte sich anschließend seiner Schuhe. Joey zögerte einen Moment, warf dann jedoch alle Bedenken über Bord und schüttelte sich kräftig. Unzählige Tropfen lösten sich aus seinem Fell und ergossen sich auf den Boden und alles, was sich in ihrer Flugbahn befand. Kaiba, der zu seinem Pech direkt neben ihm stand und nicht mit dieser Reaktion Joeys gerechnet hatte, bekam folglich alles ab. „Joey.“ Verärgert blickte er auf den Hund hinab, der mit einem belustigten Blick zu dem tropfnassen Kaiba hinaufblickte. /Tja, Kaiba, ich bin jetzt ein Hund und da darf ich das./ „Das hättest du besser nicht tun sollen", knurrte Kaiba und wirkte nun mehr als nur gefährlich. Mit einem Mal hellte sich sein Gesichtsausdruck jedoch sichtlich auf und ein geradezu teuflisches Lächeln umspielte seine Lippen. „Wie es scheint, willst du unbedingt baden, nicht wahr Joey?" /Baden?!/ Joeys Augen weiteten sich. /Du mich? Oh nein. O~oh nein!/ Er wich zurück, als Kaiba einen Schritt auf ihn zumachte. /Das wagst du nicht. Nicht mit mir, Kaiba. Außerdem, seit wann willst du das machen?/ Er wich weiter zurück, als Kaiba unbeirrt näher kam. /Du kannst nicht einfach - und überhaupt, seit wann badet Seto Kaiba selbst seinen Hund? Wäre das nicht normalerweise unter deinem Niveau? Du machst doch nur Witze oder? Also du wirst mir von Mal zu Mal unheimlicher./ Kaibas Lächeln wurde nun eine Spur gefährlicher und ein geradezu vorfreudiges Funkeln glomm in seinen Augen auf. „Ja, ich bade dich", bestätigte er Joeys Gedanken, als hätte der Blonde sie laut ausgesprochen. „Wie heißt es noch so schön: Rache ist süß." Joey schluckte. Diese Worte durfte er sich zu Herzen nehmen, soviel war schon mal sicher. Aber das ging doch einfach nicht! /Nein Kaiba, das machst du nicht! Du wirst mich sicher nicht baden. Da gibt es etwas, das sich Stolz nennt und den wirst du mir sicher nicht nehmen. Nicht du!/ Plötzlich spürte er einen Widerstand hinter sich, der das Zurückweichen leider verhinderte. Mit Entsetzen bemerkte er, dass er die Wand erreicht hatte. Panisch suchte er einen Flüchtweg, aber - Verdammt noch mal, da war keiner! Er hatte sich natürlich den unmöglichsten Platz zum Festsitzen ausgesucht - rechts von ihm war das Treppengeländer und links stand ein kleines Tisch mit einer Vase, die wahrscheinlich wertvoller war, als all sein Besitz zusammen genommen. /Wer zum Teufel hat diesen blöden Tisch da hingestellt?!/ Er musste ruhig bleiben. Aber verdammt, Kaiba stand direkt vor ihm! „Was ist denn Joey?", fragte Kaiba mit einem derart freundlichen Tonfall, dass Joey übel wurde. „Hast du etwa Angst vor dem Baden? Armer kleiner Hund." Nun triefte seine Stimme nur so vor Sarkasmus und Spott. /Gut, dann eben anders./ Joey wagte einen letzten verzweifelten Versuch, dem beinahe schon unvermeidbaren zu entkommen. /Vielleicht hilft ja die Mitleidsmasche, hat heute in der Schule doch auch geklappt./ Kurz blickte Joey zu Boden, um sich zu sammeln. Dann hob er den Blick und sah Kaiba mit großen flehenden Hundeaugen direkt an und legte alles in den Blick, was er noch hatte. Ein Winseln, das den Blick zusätzlich noch unterstützen sollte, entwich seiner Kehle. /Komm schon./ Die Augen Joeys schienen noch einen Deut größer zu werden und eine Spur mehr zu glänzen. Einige Sekunden geschah gar nichts. Joey wollte schon das Handtuch werfen und widerwillig aufgeben, als Kaiba sich aufrichtete und geschlagen seufzte. Er warf Joey einen flüchtigen Blick zu, schloss dann jedoch die Augen und schüttelte missbilligend den Kopf. „Das gibt es doch einfach nicht", murmelte er. „Und das von einem Hund." /Nicht echt jetzt?/, dachte Joey fassungslos. /Es hat geklappt? Es hat wirklich funktioniert?/ Am liebsten hätte zufrieden gegrinst. Das musste er sich unbedingt merken. Vielleicht klappte das ja auch noch, wenn er wieder ein Mensch war. Misstrauisch beäugte er Kaiba, als dieser sich erneut hinabbeugte, schloss dann jedoch genüsslich die Augen, als dieser ihn wiederholt seufzend hinter den Ohren kraulte. /Ich könnte mich dran gewöhnen./ „Du bist wirklich einer." Kurz hielt der Blauäugige beim Kraulen inne, seine Hand wanderte von Joeys Ohr weiter abwärts. Der Blonde wartete darauf, dass das Kraulen fortgesetzt würde, doch stattdessen griff Kaiba fest zu, packte Joey im Nacken und zog ihn zu sich. Der Leiter der Kaiba Corporation schien anscheinend eine Menge Kraft im Arm zu haben, sein Griff war schraubstockfest und Joey hatte keine Möglichkeit sich loszureißen. Zum wiederholten Mal an diesem Tag musste Joey schlucken, als sein Gegenüber ihn mit einem wortwörtlichen Todesblick betrachtete. „Du hast doch nicht etwa allen Ernstes geglaubt, dass das zweimal bei mir zieht?" Joey blinzelte irritiert. /Wie jetzt? Das war nur ein Trick?! Kaiba, du fieser Mistkerl!/ Kaiba zuckte die Schultern. „Und ich hab dich für einen schlauen Hund gehalten. Na dann, lass uns dich mal baden gehen!" Und ehe Joey sich versah schlang Kaiba beide Arme um ihn und hob ihn hoch. Selbst als Joey, nachdem der anfängliche Schock überwunden war, protestierend zu zappeln begann, zuckte Kaiba nicht einmal mit der Wimper - verstärkte einfach nur den Griff um Joey und setzte seinen Weg unbeirrt fort. Er besaß eindeutig mehr Kraft als erwartet, schätzte Joey sich doch auch in seiner jetzigen Gestalt und mit seiner derzeitigen Größe als nicht wirklich leicht ein. Wenige Minuten später versuchte Joey immer noch verzweifelt freizukommen, knurrte und bellte empört angesichts seiner jetzigen Lage, doch schaffte es nicht, Kaiba aus dem Gleichgewicht zu bekommen. /Kaiba, lass mich runter. Ich verspreche dir, ich beiß dich, wenn du es nicht tust! Warte nur - wenn ich wieder ein Mensch bin! Du mieser, fieser - argh! Seto Kaiba, du wirst bluten. Warum kann mich nicht wenigstens Mokuba baden? Warum du?! Ich besitze auch noch so etwas wie Stolz und der sagt mir ganz klar das du mich nicht baden darfst! Wie tief soll ich eigentlich noch sinken?!/ Doch alles Fluchen Bellen, Knurren, Zappeln und halbherzig versuchtes Beißen - man wollte Kaiba ja nicht ernsthaft verletzen, obwohl Joey später mit dem Gedanken spielte - half nichts und letztendlich fand sich Joey in einer extrem großen, extrem weißen und vor allem extrem nassen Badewanne wieder, während ein, bei ihm im Moment extrem unbeliebter, Seto Kaiba zufrieden auf dem Rand dieser, wie bereits erwähnt, extrem großen, weißen und vor allem nassen Badewanne saß. Kaiba hatte das beinahe unmögliche geschafft: Er hatte mit einem sich (extrem) wehrenden Hund ganze sieben Minuten ausgeharrt, während Wasser in die (nun extrem nasse) Badewanne lief. Genau das war der Grund, der die Badewanne jetzt so extrem nass machte und genau diese Tatsache missfiel Joey auch so sehr. Nun gut, er wiederholte sich offensichtlich in seinen Ausführungen, aber es musste an dieser Stelle ganz einfach gesagt werden, wie extrem groß, weiß und vor allem nass diese verdammte Badewanne doch war! Doch noch mehr als das (und das musste schon was heißen!), missfiel Joey im Moment noch etwas ganz Anderes. Jemand ganz anderes. Und zwar Seto Kaiba, reichster 18-Jähriger ganz Japans, Leiter der weltweit sowohl bekannten als auch erfolgreichen Kaiba Corporation, bei den Mädchen der wohl beliebteste und begehrteste Single überhaupt, großer Bruder des niedlich naiven Mokuba Kaibas und für Joey im Moment der wohl allergrößte Mistkerl der gesamten, weiten Welt! Eben jener allergrößte Mistkerl der gesamten weiten Welt erhob sich bei diesem Gedanken. „Ich hole nur mal den Schwamm, Joey.“ Kaibas Lächeln war giftig freundlich. /Wie ich diesen Typen doch manchmal hasse./ oOo Beleidigt saß Joey auf einem Handtuch auf Kaibas Bett. Sein Fell war noch immer vollkommen durchnässt, doch er hatte absolut keine Lust sich zu schütteln. Genau das hatte ihn doch erst in diese ganze Misere gebracht. Die Tür neben dem Bett ging auf und Kaiba betrat das Schlafzimmer. Joey würdigte ihn keines Blickes. Er war immer noch sauer. Eine Zeitlang herrschte Stille, während der Joey stur zur Seite blickte und Kaiba ihn von oben herab betrachtete ansah. „Also wirklich", seufzte er schließlich und setzte sich neben ihn aufs Bett. Joey sah ihn weiterhin nicht an. „Komm, jetzt sei nicht beleidigt. Das war doch halb so schlimm." /Halb so schlimm?!/ Joey schnaubte verächtlich. /Klar, ich hab dir gegenüber gerade meine Würde verloren, aber es ist ja alles nur halb so schlimm. Pah, das ich nicht lache“ Ich sollte besser dafür beten, dass du das alles hier niemals erfährst. Du würdest mich den Rest meines Lebens damit aufziehen. Seto Kaiba, du bist ein blöder ... blöder ... na klasse, mir fällt noch nicht einmal ein passender Ausdruck für dich ein. Vielleicht ... Spanner? Immerhin hast du michgebadet. Und das auch noch gegen meinen Willen. Ach, diese ganze Sache ist doch einfach zum Verzweifeln. Können wir das nicht einfach -/ „Vergessen wir's, in Ordnung?" Und zum dritten Mal an diesem Tag sprach Kaiba, als hätte er Joeys Gedanken gehört. Die Ohren des Hundes zuckten. „Wie lange willst du noch nachtragend sein? Gleich gibt es Abendessen.“ Kaiba hob die Hand und strich Joey über den Kopf. Kürz zögerte er - immerhin war das Kraulen vorhin nur eine Finte gewesen - verdrängte dann jedoch das Misstrauen und ließe s geschehen. Schließlich drehte er sich zu Kaiba um, bereite es jedoch keinen Moment später. Kaiba hatte nichts an, bis auf das Handtuch, dass er sich um die Hüften gewickelt hatte. Er hatte zwar gehört, dass Kaiba geduscht hatte (was nach der Badeaktion nicht verwunderlich war, denn Joey hatte es zwar nicht geschafft sich zu befreien, das Badezimmer stand jedoch halb unter Wasser und Kaiba war nach diesem Akt dank Joey von oben bis unten durchnässt gewesen), aber hatte Joey doch angenommen, Kaiba hätte sich zumindest etwas – denn das Handtuch galt zweifelsfrei nicht als [ii]etwas - angezogen. Kaibas Haare waren noch feucht und einige Strähnen hingen ihm ins Gesicht. Sprachlos starrte Joey ihn an. Er hatte Kaiba bereits einige Male so gesehen -in der Jungenumkleide der Schule, um genau zu sein - doch nie hatte er Kaiba gemustert wie jetzt. Nie hatte er ein Interesse an dem Äußeren des anderen gezeigt, wie jetzt. /Ich sollte langsam woanders hinsehen, das ist ja geradezu peinlich, wenn nicht sogar lächerlich. Joey, du musst deinen Kopf drehen und in eine andere Richtung sehen. Warum geht es nicht? Warum gehorcht mir mein Körper nicht mehr. Und warum kann ich nicht wegsehen. Warum interessiert es mich, wie Kaiba aussieht? Zugegeben, man kann nicht sagen, dass er schlecht aussieht, im Gegenteil, ich für meinen Teil – Joey aus! Ich tue es schon wieder. Das ist doch zum verrückt werden. Was ist denn in letzter Zeit nur los mit mir? Er ist Seto Kaiba, mein erklärter Feind. Der Typ, der mir meinen letzten Rest Würde genommen hat, mich ohnehin schon oft genug gedemütigt hat. Seto Kaiba, der sich irgendwie Sorgen um mich macht, weil ich nicht mehr zur Schule komme. Ach verdammt, was soll das jetzt schon wieder? Kann er nicht offen zeigen, ob er für oder gegen mich ist? Nein, stattdessen muss er in der Schule hassenswert und hier geradezu liebenswert sein. Warum soll man es auch unkompliziert machen, wenn es so doch viel besser ist? Ich fasse es nicht, bevor ich zu einem Schluss kommen, ist die Nacht vorüber./ Joey verfluchte sich innerlich über seine eigene Unsicherheit, wandte unvermittelt den Blick ab und rollte sich murrend auf dem Bett zusammen. Als er keine Anstalten machte, sich irgendwie wieder zu rühren, sei es nur den Kopf anzuheben, wurde es Kaiba zuviel. „Soll dich einer verstehen." Mit diesen Worten erhob er sich und ging zu seinem Kleiderschrank. Da es sich hierbei um ein begehbares Modell handelte, verschwand er für wenige Minuten darin, trat schließlich fertig angezogen wieder heraus und schloss die Türen hinter sich. Anschließend ging er noch einmal kurz ins Bad, aus dem er mit zwei Handtüchern zurückkehrte. Eines hatte er sich über sie Schulter geworfen, das andere hielt er in der Hand. Da Joey sich in der Zwischenzeit keinen Zentimeter vom Fleck bewegt hatte, setzte Seto sich wieder neben ihn aufs Bett. Er legte Joey das zweite Handtuch auf den Rücken und begann, in trocken zu rubbeln. Joey, dadurch aus den Gedanken gerissen, sah auf. Ein kaum erkennbares Lächeln umspielte Kaibas Lippen. „Ich will doch nicht, dass du nachher noch krank wirst." Joey musterte Kaiba aufmerksam, dann riss ihm der Geduldsfaden und er war es Leid. Das hier war nicht der Kaiba, den er all die Jahre über zu kennen geglaubt hatte. Und diesen Kaiba mochte er lieber, da konnte er machen, was er wollte. Warum dann nicht einfach die Zeit genießen, in der man den anderen Seto Kaiba vor sich hatte? Wer wusste schon, wie lange der andere noch nett zu ihm war? Nachdem dieser Konflikt endlich aus der Welt geschafft war, ließ Joey sich widerstandslos von Kaiba abtrocknen. Nach einigen Minuten legte Kaiba das Handtuch beiseite und besah sich Joey eingehend. Seine Mundwinkel zuckten verräterisch. „Jetzt machst du einem Kuriboh Konkurrenz.“ /Wie bitte?!/ Joey selbst konnte es nicht sehen, aber tatsächlich war sein Fell vollkommen verstrubbelt und stand in allen möglichen und unmöglichen Himmelsrichtungen ab. Kaiba schien einen Moment zu überlegen. „Was machen wir jetzt mit dir? So können wir dich unmöglich lassen." Es klopfte. Die Tür ging auf und ein schwarzhaariger Wuschelkopf lugte ins Zimmer. „Seto?" Der Angesprochene wandte den Kopf. „Ja?" „Ich habe alles Hausaufgaben gemacht.“ „Gut, Mokuba.“ Der jüngere Kaiba betrat den Raum nun gänzlich. „Das Abendessen ist auch gleich fertig. Und ich wollte sehen, wie es Joey so geht." Sein Blick fiel auf das verwuschelte und zerzauste Fellknäuel neben Kaiba. Überrascht trat er näher. „Wie sieht er denn aus? Hast du -" Er brach ab. Ihm schien ein Licht aufzugehen. „Deshalb das Gejaule, das man durch das ganze Haus hören konnte. Roland hat vorsorglich sämtliche Türen nach draußen schließen lassen. Du hast Joey gebadet, oder?" „Mehr oder weniger.“ Mokuba sah seinen großen Bruder einige Sekunden nachdenklich an, strahlte dann jedoch wieder. „Du hast dich also wirklich mit ihm angefreundet. Das freut mich." „Kann man so sagen“, murmelte Kaiba und kraulte Joey wieder hinter den Ohren. „Warte kurz, ich hole seine Bürste." Mokuba flitzte aus dem Zimmer, während Kaiba ihm verwundert hinterher sah. „Bürste?" Anscheinend befand sich Mokuba nur im Nebenzimmer, denn er hatte die Frage gehört und seine Stimme drang gedämpft durch den Spalt der in Eile angelehnten Verbindungstür. „Ja, Joeys Bürste. Oder willst du ihn als Wischmopp durch die Gegend laufen lassen?" „Als Wischmopp?", wiederholte Kaiba und warf einen eingehenden Blick auf Joey. „Jetzt, wo du es sagst - eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden." Joey knurrte beleidigt. /Ich. Bin. Kein. Wischmopp!/ „Ja, ist gut", wehrte Kaiba ab und schmunzelte kaum merklich. „Ich werde dich schon nicht so nennen." In diesem Moment kehrte Mokuba zurück. Triumphierend hielt er eine Hundebürste in der Hand. „Hab sie gefunden." Kaiba nahm sie ihm aus der Hand. Sein Blick wanderte zwischen der Bürste und Joeys Fell hin und her, bevor er Joey schließlich direkt ansah. „Das könnte jetzt etwas Ziehen." oOo Joey aß mit gesenktem Blick sein Abendessen. (Mittlerweile schienen alle im Hause Kaiba begriffen zu haben, dass es sich bei Joey um einen Ausnahmefall handelte, der partout kein Hundefutter fraß. Dementsprechend gab man ihm die Reste der letzten Mahlzeit, die er mehr oder weniger zufrieden fraß.) „Es scheint so, als wäre er sauer auf dich", stellte Mokuba sachlich fest und legte seine Serviette beiseite. „Sieht so aus", bemerkte Kaiba und trank einen Schluck Wein. „Ich hab ihm gesagt, dass es ziehen kann." Joey schnaubte leise. /Von wegen, das war schon kein Ziehen mehr. Du hast mir die Haare regelrecht rausgerissen. Ich habe durch dich ganz sicher ein Drittel meines Fells verloren. Gott, ich will nicht wissen, wie meine Frisur aussieht, wenn ich wieder ein Mensch bin./ Ein theatralischer Seufzer wäre an dieser Stelle angebracht gewesen. In der Theorie schön und gut, sah es dafür in der Praxis jedoch nicht so gut aus. Welcher Hund konnte schon theatralisch Seufzen? Er beließ es bei einem weiteren Schnauben. Kaiba erhob sich, während der Tisch abgeräumt wurde. „Mokuba, ich werde jetzt noch etwas arbeiten. In einer halben Stunde komme ich dann auf dein Zimmer und sag dir gute Nacht - und du", er sah seinen kleinen Bruder eindringlich an, „bist dann bitte schon fertig und liegst im Bett, ja?" Ein Nicken folgte. Kaiba lächelte Mokuba kurz an, drehte sich dann um und verließ das Esszimmer. Joey blieb etwas unschlüssig zurück. „Nun sei nicht so." Er wandte den Kopf. Mokuba lächelte ihn warm an. „Er ist heute besser gelaunt als sonst. Er hat heute mehr gelächelt, als in den Letzten Monaten zusammen. Ich bin mir sicher, du bist daran nicht ganz unschuldig." Er hat heute mehr gelächelt, als in den Letzten Monaten zusammen.“ Auch Mokuba stand auf, schob den Stuhl zurück und kam auf Joey zu. Der jüngere Kaiba kniete sich vor Joey hin. Er sah ihm tief in die Augen. Kurz erschien Unsicherheit in seinem Blick, dann öffnete er den Mund und sprach weiter: „Du bist das Beste, was Seto passieren kann. Vor allem jetzt. Du merkst es vielleicht nicht, aber er verändert sich etwas. Obwohl", er hielt inne und überlegte, „du merkst es wahrscheinlich am meisten, nicht wahr Joey? Du kennst ihn ja nun auch schon seit - wie viel war das jetzt - vier Jahren?" /Was?!/ Joeys Augen weiteten sich. Der jüngere der Kaibabrüder lächelte. Kurz sah er sich um. Die Hausmädchen hatten fertig abgeräumt und er und Joey waren alleine. Er wandte sich wieder Joey zu. Sein Blick war ernst. „Ich weiß, wer du wirklich bist, Joey." Kapitel 11: Gewitter?! Ohne mich! --------------------------------- Wie lange saß er jetzt schon hier? Wie lange schon starrte er Mokuba unentwegt an? Wie lange schon versuchte er die Erkenntnis, die Tröpfchenweise in sein Hirn zu sickern schien zurückzudrängen, nur mit der Folge dass das Entsetzen beim Vervollständigen dieser Erkenntnis größer und größer wurde? Mokuba wusste es. Er kannte sein Geheimnis. Das hieß dann - Joey schluckte schwer - Kaiba würde es früher oder später auch erfahren- Und das wiederum bedeutete, und Panik breitete sich in Joey aus, gleichermaßen wie eine unheimliche Angst. Das bedeutete, dass Kaiba ihn dann noch mehr hassen würde, als er es ohnehin schon tat. Er wusste nicht warum es ihm eine derartige Angst bereitete, aber das wollte er nicht. Kaiba sollte ihn nicht noch mehr hassen, als er es ihm in der Schule schon immer zeigte. Mokuba schien die Panik, die in seinem Blick lag, nicht entgangen zu sein, denn er beugte sich vor und packte Joey an seinen Schultern. „Joey", sagte er eindringlich und lenkte die Aufmerksamkeit des Blonden zurück auf sich. „Joey, Seto weiß es nicht. Und ich werde es ihm auch nicht sagen. Du fragst dich sicher, woher ich das ganze weiß. Na ja, um ehrlich zu sein, wusste ich es die ganze Zeit. Ich habe gesehen, wie Marik - du weißt schon - dich verwandelt hat. Das heißt, ich war gerade auf dem Weg nach Hause von einem Schulfreund und wollte eine Abkürzung nehmen, weil ich nicht von meinem mit der Limousine abgeholt werden wollte. Normalerweise hat Seto mir das verboten und er weiß auch nichts davon, denn ich habe ihm nichts davon erzählt. Er würde wütend werden, wenn er wüsste, dass ich ohne Aufsicht nach hause gegangen bin. Als ich dann schließlich hier ankam habe ich mich sofort mit Roland auf die Suche nach dir gemacht. Er weiß nicht wirklich über dich Bescheid, aber ich glaube spätestens nachdem ich dich nicht ins Tierheim bringen wollte, hat er etwas geahnt. Aber er wird es Seto auch nicht sagen, davon bin ich überzeugt. Ich weiß, ich hätte es dir schon längst sagen sollen, aber als wir, also Roland und ich, dich am Sonntagabend endlich gefunden hatten, wie du da so auf der Straße im Regen gesessen hast, wollte ich dir nicht sofort zeigen, dass ich davon wusste. Deshalb hab ich den Ahnungslosen gespielt. Ich weiß nicht wirklich genau, warum ich es dir nichts von Anfang an gesagt habe, es war so ein Gefühl." Das musste Joey erst einmal verdauen. Mokuba hatte es also die ganze Zeit über also schon gewusst? Hatte er ihm die ganzen Tage also einen auf unwissend vorgespielt? Aber warum? Warum das ganze? In diesem Moment wünschte er sich wirklich nichts sehnlicher, als sprechen und Mokuba diese Frage stellen zu können: Warum? Erneut legte sich Stille zwischen die beiden. Durchbrochen wurde sie schließlich durch ein Seufzen des jungen Kaibas. „Komm erst mal mit in mein Zimmer. Dann erzähl ich dir, warum ich dieses Gefühl hatte." oOo „Keks?" Der Schwarzhaarige hielt ihm einen Schokoladenkeks vor die Nase, doch als Joey keine Anstalten machte ihn anzurühren, biss Mokuba selbst ein Stück ab. Sie saßen auf dem Bett des Langhaarigen. „Also", begann Mokuba und biss erneut ein Stück ab. Joey spitzte die Ohren. „Wie du ja sicher bemerkt hast –ach, so geht das nicht." Der Kleine starrte angestrengt überlegend den Keks an. „Falscher Ansatz. Wie soll ich da am besten anfangen?" Stille. Dann: „Gut, dann eben so, auf die direkte Tour. Du glaubst, Seto hasst dich, Joey Wheeler?" Der Angesprochene schien obgleich der Frage einen Augenblick überrumpelt, nickte dann aber, als er sich wieder etwas gefasst hatte. „Genau da liegt der Punkt", fuhr Mokuba schneidend fort. Joey legte den Kopf schief. Wo lag der Punkt? Mokuba brach erneut eine Ecke des Kekses ab. Einige Sekunden hörte man in dem Zimmer nur das Kauen, bis der Junge seinen Vortrag fortsetzte. „Joey, hast du das Bild auf Setos Schreibtisch schon einmal angesehen?" Wieder ein Nicken. /Ja, da wart ihr zwei doch um einiges jünger./ „Es stammt aus der Zeit, in der wir noch in dem Weisenhaus lebten. Du musst wissen, es war nicht leicht, aber Seto war damals trotzdem ein anderer Mensch. Er war nicht so wie heute. Zumindest nicht so, wie er sich heute nach außen hin allen zeigt.“ /Scheint so. Er hat auf dem Bild immerhin gelächelt./ „Es fing alles an, als unser späterer Stiefvater uns adoptiert hat." /Gozaburo Kaiba./ „Du hast ja damals in Noahs Welt gehört, wie es dann weiterging." /Allerdings. In dem Kampf zwischen Seto und Lacter wurde so einiges über eure Vergangenheit klar. Nicht wirklich rosig. Trotzdem, warum muss man sich so verändern? Ist es wirklich nötig, nur um später eine Firma leiten zu können, alles, was einen zum Menschen macht, abzulegen? Ist es das überhaupt wert?/ „Aber überleg mal, Joey." /Ich höre./ „Seit du an der Domino Highschool bist kennst du Seto und genau so lange führt ihr schon eure alltäglichen Auseinandersetzungen. Ich weiß es, weil ich immer wieder mitbekommen habe, wie Seto sich über dich aufregte. Du hast ihn nie so kalt gelassen, wie es bei anderen der Fall war. Du warst es, der ihn dazu gebracht hat, wirklich wütend zu werden oder den Wunsch zu verspüren, sich zu beweisen." /Ist das so?/ „Du bist es, der ihn dazu zwingt, Gefühle zu zeigen - und sei es bloße Wut.“ /So habe ich es noch nie gesehen./ Joey dachte belustigt an den Tag zurück, an dem er Seto Kaiba zum ersten Mal begegnet war. *~* Die Sonne brannte vom Himmel. Es war Anfang August und das Wetter zeigte allen noch einmal, dass noch kein Herbst war. Leider konnte man dieses Phänomen als Teenager nicht mehr ausnutzen, da ein lästiger Störfaktor wieder seinen Beginn gefunden hatte: Die Schule. Denn ein neues Schuljahr brach an. So auch für Joey Wheeler, 14 jähriger Jungspund, aufgeweckt und temperamentvoll. Domino Highschool In großer deutlicher Schrift prangte der Name an dem Tor der Schule, hinter dem eben jenes Gebäude beinahe schon majestätisch emporragte. Im Vergleich zu anderen Schulen war die Domino High eine relativ schöne Schule. Joey hätte dem wahrscheinlich zugestimmt, wäre er nicht durch etwas anderes abgelenkt gewesen. „Verdammt, ich bin zu spät!" Der Blonde rannte über den Schulhof, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her, und hinein in das Schulgebäude. Warum zum Henker musste er auch gleich an seinem ersten Schultag verschlafen? Während er die Treppe hinaufhechtete warf er einem Blick auf den Zettel in seiner Hand. "Klassenraum 8-2 – wo ist er? Komm schon." Und als hätte Fortuna ihn erhört, fand er besagten Klassenraum nachdem er über sämtliche Schulflure gejagt war. Er warf einen Blick auf die Uhr im Gang. Zehn nach acht. Zehn Minuten zu spät. Okay, tief durchatmen. „Du schaffst das schon, Joey“, redete er sich selbst Mut zu. Er schob die Tür auf. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Joey schluckte den Klos in seinem Hals und fasste sich verlegen grinsend an den Hinterkopf. „Sorry für die Verspätung." Die Frau am Lehrerpult seufzte, warf einen Blick auf die Unterlagen vor sich und erhob sich. „Joseph Wheeler, nehme ich an?" „Ja, aber Joey allein tut's auch." Die Frau musterte ihn kurz, wand sich dann an die Klasse. „Also meine Lieben, wir haben ab heute einen neuen Schüler in unserer Klasse. Joseph kommt aus Amerika und ist erst kürzlich wieder zurück nach Japan gekommen. Bitte nehmt ihn freundlich auf. Joseph, setz dich bitte auf den Platz dort, neben Kaiba." Sie schenkte dem Jungen ein egelrecht entschuldigendes Lächeln. „Ich hoffe, es stört Sie nicht.“ Kaiba reagierte nicht einmal auf ihre Worte und sie schien es als stumme Zustimmung anzusehen, nickte Joey zu. Fassungslos folgte er der Aufforderung, seinen Blick nicht von Kaiba nehmend, als er sich setzte. /Seit wann siezt man Schüler in der Mittelstufe?!/, schoss es ihm durch den Kopf. /Der Junge ist doch erst dreizehn, höchstens vierzehn! Was bitte geht denn hier ab?/ Als er sich auf seinem Platz niederließ, wandte Kaiba kurzzeitig den Kopf und sah ihn nun das erste Mal an direkt an. Seine Blick waren war stechend und kälter als Eis. Joey spürte einen Schauer über seinen Rücken jagen, während er trotzig zurückstarrte. Was immer hier vor sich ging, es lag außerhalb seines Verständnisses, aber er würde nicht nach wenigen Minuten klein bei geben. Wer immer dieser Junge war, Joey hatte keine Angst vor ihm. Die Schulglocke läutete zum Ende der Stunde, ein sicheres Zeichen, dass er die erste Hürde überwunden hatte. Seufzend lehnte er sich zurück und streckte sich. „Du kommst aus Amerika?" „Bitte?" Er lehnte sich wieder vor und erblickte einen auffällig kleinen Jungen mit ungewöhnlicher Frisur, ein brünettes Mädchen und einen ebenfalls braunhaarigen großen Jungen. „Was? Äh ja, hab’ bis vor kurzem in Amerika gelebt." „Wow", staunte das Mädchen und strahlte. „Ich will später auch mal nach Amerika." „Ach ja?" Joey stützte das Kinn auf seine Handfläche und musterte sie interessiert. „Ich bin Yugi Muto", stellte sich der kleine Junge vor. „Und das sind Téa und Tristan. Du spricht ziemlich gut Japanisch", fuhr Yugi beeindruckt fort. „Man hört überhaupt keinen Akzent." „Meine Eltern sind Japaner", erklärte Joey lächelnd. „Aber als sie sich kürzlich haben scheiden lassen, wollte mein Vater mit mir nach Japan zurück. Meine Mutter und meine Schwester sind noch drüben." „Oh." Betreten schwiegen die anderen drei. „Schon okay", winkte Joey ab. Er kannte diese Reaktion, sie folgte jedes Mal, wenn er über seine Familie sprach. „Was denn, spielt Muto jetzt Vermittler und nimmt jemand Neues in seinen Kindergarten auf?" Yugi, Téa und Tristan wirbelten herum, wobei Joey sich nur nach rechts lehnte, um an den dreien vorbeisehen zu können. Vor ihnen stand der Junge mit den stechenden Augen und lächelte herablassend. „Kaiba -", begann Tristan wütend, brach jedoch ab, als er Yugi den Kopf schütteln sah. Der kleine Junge mit der Stachelfrisur ignorierte Kaiba, wandte sich wieder Joey zu und bedeutete den anderen, es ihm gleich zu tun. Gerade wollten sie das Gespräch mit dem Blonden wieder aufnehmen, als dieser seinen Stuhl zurück schob und sich rasch erhob. Er stützte sich mit den Händen vom Tisch ab und sah Kaiba empört an. „Sag mal, geht's noch, was sollte das denn?", fragte er und sah Kaiba fassungslos an. Yugi, Tristan und Téa starrten ihn verblüfft an. Kaiba zeigte keine Reaktion auf die Worte, sondern verschränkte lediglich die Arme. „Was sollte was?", fragte er herausfordernd. „Drück dich etwas klarer aus. Willst du wissen, was es soll, dass ich klüger bin, warum ich besser bin, oder was?“ Joeys Hände ballten sich zu Fäusten. „Entschuldige mal." die Stimme des Blonden bebte vor Entrüstung. „Bist du nicht mehr ganz dicht?!" Die gesamte Klasse hielt den Atem an. Alle starrten entgeistert auf den Neuen. Noch nie hatte jemand es gewagt, so mit Seto Kaiba zu reden. Nach einigen Sekunden des geschockten Schweigens trat Yugi zögerlich näher an Joey heran. „Joey?", raunte er ihm verhalten zu. „Weißt du, zu wem du das gerade gesagt hast?" „Ja", entgegneter Joey in normaler Lautstärke und ohne die geringste Spur von Unbehagen in der Stimme. Er hob die Hand und deutete auf Kaiba. „Zu diesem großspurigen Pinkel.“ Die umstehenden Schüler sogen scharf die Luft ein. Gleich würde es losgehen. Der Neue war dem Tode geweiht. Und anscheinend schien dieser das noch nicht einmal im Geringsten zu realisieren. Im Stillen nahmen alle bereits Abschied von Joey Wheeler, dem törichten lebensmüden Neuen, der es gewagt hatte, Seto Kaiba zu beleidigen. Mochte er in Frieden Ruhen. Als der Blonde eine endlose Minute später zweifelsfrei immer noch lebte und Kaiba nichts weiter tat, als ihn mit verschränkten Armen und gehobenen Augenbrauen stumm zu mustern, wurde den Anwesenden allmählich klar, dass etwas hier nicht mit rechten Dingen zuging. Trotzig erwiderte Joey Kaibas Blick und man konnte förmlich das Feuer in den braunen Augen sehen. Kaibas Mundwinkel verzogen sich geringschätzig, während er den Kopf neigte. „Pinkel?", wiederholte er und zur Überraschung aller sah man einen Moment lang leichte Belustigung in seinem Blick aufblitzen. Auch Joey verschränkte die Arme, schloss dann die Augen und nickte überlegen. „Ganz recht Alter, ein überheblicher, eingebildeter, großspuriger Pinkel, der -" „Du erinnerst mich dafür an einen kläffenden Hund", bemerkte Kaiba, wie nebenbei. Joey ließ sich in seiner Auflistung nicht stören. „- nichts Besseres zu tun hat, als andere zu schikanieren und - wie bitte?! Hund? Wie kommst du bitte auf diesen Mist?" Kaiba zuckte die Achseln. „Von mir aus auch ein Köter, such es dir aus." Joey entgleisten die Gesichtszüge. „Du ... das - das ist doch wohl nicht dein Ernst!" Ein spöttisches Lächeln umspielte Kaibas Lippen. „Warum sollte ich scherzen? Hör dich doch mal an. So wie du einen die ganze Zeit anbellst." Während Kaibas Gesicht die Ruhe selbst widerspiegelte, riss Joey nun endgültig der Geduldsfaden. „Jetzt hör mir mal zu: Ich weiß nicht, für wen genau du dich hältst, aber wenn du glaubst, du könntest so mit mir reden, dann bist du schief gewickelt!“ Erneut huschte der Anflug eines Grinsens über das Gesicht des Brünetten, dann wandte dieser sich ab. Joey ging vor Wut und Entrüstung beinahe an die Decke. „Bleibst du wohl gefälligst hier?!“ Doch Kaiba ließ sich davon nicht beirren, sondern wandte Joey einfach nur die kalte Schulter zu. „Dachte ich es mir doch! Du bist eben doch nur ein feiger, selbstgefälliger A –“ „Joseph Wheeler!" Joey zuckte zusammen. Ganz langsam drehte er seinen Kopf und sah nach links. In der Tür ihres Klassenzimmers stand seine Lehrerin, die Hände in die Hüften gestemmt und mit vor Wut Funken sprühenden Augen. „Warum schreist du Kaiba so an?" Joey schluckte. „Also, ich – er ... er hat mich ... und Yugi - verstehen Sie?", stotterte er sichtlich eingeschüchtert. Das schien die Frau allerdings nicht zu beruhigen. „Es mag dein erster Tag sein, aber du gehst jetzt bitte vor die Tür!" Der Blonde ließ den Kopf hängen. „Ja.“ Langsam trottete er zur Klassenzimmertür. Dabei musste er zwangsläufig an Kaiba vorbei. „Du solltest mich besser nicht unterschätzen, Wheeler", raunte Kaiba ihm im Vorbeigehen zu. Joey ballte erneut die Hände zu Fäusten. „Mistkerl", zischte er zurück, bevor er die Klasse verließ. Und während er draußen vor dem Klassenzimmer stand schwor er sich Rache für diese Demütigung. Ihr Kampf hatte gerade erst begonnen ... *~* Es stimmte sein erstes Aufeinandertreffen mit Kaiba war schon die merkwürdigste erste Begegnung mit jemandem gewesen, die er je gehabt hatte. Und in den letzten vier Jahren war das nicht ihr letztes Aufeinandertreffen geblieben. Himmel, er konnte schon nicht mehr zählen, wie oft sie sich insgesamt schon gestritten hatten. Und die Urheber dieser Streitereien waren oftmals so banal und trivial, dass es schon lachhaft war. Aber irgendwie ... war es für Joey schon beinahe zum Ritual geworden, sich täglich mindestens ein Mal mit Kaiba anzulegen. Ohne diese Auseinandersetzungen wurde ihm etwas fehlen: Die Herausforderung. Mokuba sah ihn eindringlich an. „Joey, Seto hasst dich nicht. Ganz Ehrlich." Joey stellte neugierig die Ohren auf. Mokuba holte Luft. „Joey, er -" Er brach ab, da die Tür des Zimmers aufging. Kaiba betrat den Raum. „Mokuba, bist du fertig?" Seine Antwort bekam er, als er den Schwarzhaarigen und Joey auf dem Bett erblickte, zwischen ihnen eine Kekspackung. Er schloss die Tür hinter sich, lehnte sich an selbige und verschränkte die Armem und musterte die beiden. „Ich sagte doch, dass du fertig sein sollst, Mokuba. Es ist schon spät." Der junge Kaiba verzog den Mund. „Aber Seto, es ist doch Wochenende. Morgen ist Samstag." Kaiba seufzte. „Mokuba, das diskutieren wir jede Woche aus. Du bist zwölf und es ist spät genug." „Gemeinheit." Mokuba verschränkte ebenfalls die Arme und wandte sich beleidigt ab. Erneut seufzte Kaiba. Er stieß sich von der Tür ab, durchquerte den Raum und ging vor Mokubas Bett in die Hocke. Regelrecht nachsichtig strich er seinem Bruder über den Kopf. „Wenn du dreizehn bist, können wir drüber reden. Bleib meinetwegen noch zehn Minuten auf, aber dann geh ins Bett, verstanden?" „Danke Seto", strahlte der Jüngere ihn an. Kaiba nickte und lächelte kaum merklich. Ein Lächeln, das Joey fast die Sprache verschlug. War das hier wirklich der Seto Kaiba, mit dem er sich in der Schule immer angelegt hatte? „Schon gut", meinte Kaiba und erhob sich. „Gute Nacht Mokuba." Er drehte sich um und ging zur Tür. Er hatte die Klinke schon in der Hand, da wandte er sich noch einmal um. Sein Blick richtete sich auf Joey. „Möchtest du lieber hier bleiben oder mit zurückkommen?" Joey zögerte und warf Mokuba einen unsicheren Blick zu. Der Kleine hatte eben doch noch etwas sagen wollen, doch Mokuba nickte ihm nur aufmunternd zu. „Geh nur, Joey. Gute Nacht." Er nickte kaum merklich, erhob sich und sprang schließlich vom Bett. Doch bevor er auf Seto zuging, sah er Mokuba noch einmal durchdringend an. /Erzähl Kaiba nichts./ Der Schwarzhaarige erwiderte den Blick fest und deutete ein Nicken an. Er hatte verstanden. Sofort entspannte sich Joeys Haltung merklich, dann machte er kehrt und lief zur Tür, an der Kaiba auf ihn wartete. oOo Joey döste vor sich hin. Mittlerweile war es halb eins. Geräusche hinter ihm zeigten, dass Kaiba noch immer an seinem Laptop arbeitete. Joey blinzelte, um die Müdigkeit zu vertreiben. Als sein Verstand wieder soweit aktiv war, dass er klar denken konnte, wurde ihm klar, dass die Geräusche verstummt waren. Er hob den Kopf und sah sich um. Kaiba war eben doch noch da gewesen ... Sein Blick fiel auf den Laptop, an dem der Firmenleiter noch vor wenigen Minuten gearbeitet hatte. Das Elektrogerät stand aufgeklappt auf dem Nachttisch neben dem Bett. Die Tür des Bades öffnete sich und Seto kam im Schlafanzug ins Schlafzimmer. /Dann hat er sich also umgezogen./ Joey ertappte sich zu seinem Entsetzen dabei, wie er es leicht bedauerte, dass Seto sich nicht in diesem Zimmer umgezogen hatte. /Das ist bloß die Müdigkeit./ Er beobachtete, wie der Kaiba sich ins Bett legte, jedoch so, dass er den Laptop auf seinen Schoß stellen und weiter arbeiten konnte. Joey sah dem nur perplex und aus großen Augen zu. /Wie jetzt? Ist der noch ganz dicht? Der hat heute Abend mehr für seine Firma gemacht, als ich in den letzten Monaten für die Schule. Irgendwann dreht er noch wegen Überarbeitung durch.“ Kaiba sah auf, als er ein Knurren hörte. Joey starrte ihn böse an und Kaiba verharrte. „Was ist?", fragte er erstaunt. Nun starrte Joey knurrend auf den Laptop. /Mach das Ding aus und geh gefälligst schlafen!/ Kaiba sah von dem Gerät zu Joey und wieder zurück. „Was hast du denn gegen den Laptop? Ist er dir zu laut?" Joey murrte, Kaiba hob eine Augenbraue. „Soll ich ihn ausschalten?" Ein zustimmendes Jaulen folgte. Kaiba zögerte, bis er den Laptop mit einem Seufzen zuklappte und beiseite stellte. „Ausnahmsweise. Entweder gewöhnst du dich daran oder du musst in Zukunft bei Mokuba schlafen.“ Joeys stellte die Ohren auf und neigte den Kopf. /Hättest du wohl gerne, was?/ Kaiba schüttelte den Kopf, streckte die Hand aus und schaltete die Nachttischlampe aus. „Schlaf, Joey.“ /Dir auch eine gute Nacht Kaiba/, spottete Joey, bevor er gähnte, sich in seinem Körbchen zusammenrollte und die Augen schloss. Eigentlich war es ja entwürdigend in so zu schlafen, aber immer noch besser, als auf dem Boden. (Das Körbchen war immerhin weich und nicht kalt.) Außerdem ... was war schon Würde? Die besaß er ohnehin nicht mehr. Der Regen prasselte leise auf die Scheiben der Fenster und Joey spürte, wie seine Gedanken langsam abdrifteten und ihn der Schlaf übermannte. Das Unheil verkündende Grollen von draußen bekam er schon nicht mehr mit, sonst hätte er sicher nicht mehr an Schlaf denken können. oOo Mitten in der Nacht jedoch schreckte er auf. Ein greller Blitz zuckte über den Himmel, gefolgt von einem lauten Donner. Mit schreckensweiten Augen saß er kerzengerade in seinem Körbchen. Verstört sah er sich in dem ansonsten stockfinsteren Raum um, bis er wieder klarer wurde und sich darüber bewusst, dass dies hier schlecht seine Wohnung sein konnte. Doch diese Erkenntnis änderte leider nichts an der Tatsache, dass draußen noch immer ein extrem lautes, extrem heftiges und extrem schlimmes Gewitter am Gange war. Und das war weitaus schlimmer. Ein erneuter Donner ließ ihn zusammenzucken. Joey hasste Gewitter, was möglicherweise darauf zurückzuführen war, dass, als er noch ein kleiner neunjähriger Junge gewesen war, im Park ein Blitz einen Baum gespalten hatte, auf dem er eine halbe Minute vorher noch gesessen hatte. Für einen Jungen seines Alters war es prägend gewesen, zu erkennen, nur durch einen glücklichen Zufall (der aus einem losen Schuh bestand, der ihm runter gefallen war, als er auf dem Baum saß) noch am Leben zu sein. Seither fürchtete er sich vor Gewittern, was er wohl zusätzlich den noch immer wiederkehrenden Albträumen zu verdanken hatte. Also, was tun? Er lag verlassen - Korrektion - er saß zitternd wie Espenlaub in dem Körbchen und wusste weder ein noch aus. Ein weiterer lauter Donner und es war endgültig um ihn geschehen. Panisch sprang auf, das Bild einer lichterloh in Flammen stehenden Eiche vor Augen. Ein Blitz erhellte den Raum, zog die Schatten skurril in die Länge und Joey erblickte seine letzte Rettungsinsel. Kaibas Bett. Er wollte jetzt keinesfalls zu Kaiba ins Bett springen, allein die Zweideutigkeit dieses Gedankens ließ ihm einen Schauer über den Rücken jagen. Er wollte unter Kaibas Bett und sich dort verkriechen. Sicher, es entsprach keinesfalls der Natur eines Joey Wheelers sich einfach zu verstecken, aber irgendwann hatte man(n) – oder Hund - seine psychische Belastungsgrenze erreicht. Schneller als er es jemals in diesem Körper und mit vier Pfoten geschafft hatte durchquerte er den Raum und kroch unter das Bett. Wie Kaiba bei dem Lärm, den dieses extrem laute (extrem heftige und extrem schlimme) Gewitter draußen fabrizierte, überhaupt noch schlafen konnte, war Joey rätselhaft. Ihm selbst lag momentan nichts ferner als Schlafen. Beim nächsten Donner schloss er zitternd die Augen. Konnte das nicht endlich aufhören? Allerdings musste er zugeben - der Gedanke, dass Kaiba nur ein Stück über ihm in seinem Bett lag und von allem unbeeindruckt weiterschlief, beruhigte ihn etwas. Leider nicht stark genug, um ihn wieder einschlafen zu lassen. Dafür war seine Angst einfach zu groß. Erbärmlich, wenn man es genauer betrachtete. Er verkroch sich unter Seto Kaibas Bett, bloß weil er Angst vor einem Gewitter hatte. Aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Seinen letzten Rest Würde hatte er heute Nachmittag beim Baden verloren - was änderte das jetzt daran? Richtig - absolut gar nichts. Seine Gedankengänge nahmen ein jähes Ende, als er hörte, wie sich die Tür vom Flur in dieses Zimmer leise öffnete. „Seto?", erklang eine unsichere Kinderstimme. /Das ist Mokuba./ Joey robbte ein Stück nach vorne. „Seto", wiederholte Mokuba, nun eindringlicher und deutlich flehender. Joey spürte, wie Kaiba sich im Bett über ihm bewegte. „Seto." Joey hörte kleine Schritte zögerlich näher kommen. Schon wieder ein Blitz, gefolgt von einem durchdringenden Donner. Joey, der noch ein Stück weiter nach vorne gerutscht war, hätte schwören können, Mokuba sei zusammengezuckt. Anscheinend hatte er auch Angst vor Gewitter. „Seto!“ „Mokuba?" Kaiba schien endlich wach geworden zu sein. Joey sah es nicht, aber er meinte zu spüren, wie Seto sich aufsetzte. „Was ist denn los?" „Ich kann nicht schlafen ..." Die Nachttischlampe wurde angeschaltet und erhellte den Raum. Ein leises Schiefen war zu vernehmen. „Komm her", sagte Kaiba leise. Mokuba schniefte erneut, bevor er langsam auf das Bett zutapste und sich, wie Joey spürte mit drauf setzte. /Was Kaiba jetzt wohl macht?/, fragte Joey sich und hob leicht den Kopf an. Doch seine Frage wurde beantwortet, als das Schniefen Mokubas zum dritten Mal, jetzt jedoch gedämpft erklang. Joeys schlickte. /Er hat Mokuba in den Arm genommen. Er hat – Moment, was bin ich so überrascht? Mokuba ist sein kleiner Bruder und braucht Trost. Ich würde bei Serenity dasselbe tun./ Ein Grollen erklang und Joey zuckte zusammen, vergrub den Kopf unter seinen Pfoten. /Erstens - dummes Gewitter. Zweitens - wann hört das auf?! Drittens - scheiß Gewitter! Viertens - ich will nicht mehr. Fünftens - abscheuliches Gewitter! Wiederhole ich mich? Sechstens ... warum umarmt mich keiner? Können Hunde auch schniefen?/ Warum hatte er auch so eine alberne Angst vor Gewitter? Jetzt wurde er sogar schon sentimental. Ein Joey Wheeler wurde niemals sentimental. Oder vielleicht dorch? „Du Seto?" „Hm?" „Wo ist eigentlich Joey?" Kaiba sah zu dem Körbchen, in dem Joey lag - oder vielmehr liegen sollte. „Ich weiß es nicht.“ Auch Mokuba sah sich nun im Zimmer um. „Die Tür war zu, als gekommen bin, er muss noch hier sein." Sie hielten inne, als ein kaum hörbares Fiepen erklang. „Ich glaube, das kam von ... unter deinem Bett." Mokuba sprang vom Bett, kniete sich hin und warf einen Blick darunter. „Joey?!" Er hob den Kopf und sah seinen Bruder fassungslos an „Seto, er ist wirklich unter dem Bett!" „Ach ja?" Zu Joeys Verblüffen erschien neben Mokubas Kopf nun auch Kaibas. Anscheinend hatte er sich ebenfalls vors Bett gekniet. Joey legte trotz seiner eigentlichen Angst den Kopf schief. /Was starrt ihr mich so an? Noch nie jemanden gesehen, der sich vor Angst unter einem Bett versteckt?/ „Ich nehme an, er hat ebenfalls Angst vor Gewitter", sagte Kaiba nachdenklich. „Da hast du einen Leidensgenossen, Mokuba." „Und wie kriegen wir ihn dazu, dass er nicht dort ünernachtet?", fragte der Mokuba leise. /Gar nicht. Ich komme erst wieder raus, wenn das Gewitter vorbei ist!/ „Da gibt es offenbar nur eine Alternative.“ Kaiba wirkte ernst, als er dies sagte und beugte sich vor. „Joey, wenn du jetzt gehorchst und herkommst, darfst du heute Nacht auch bei Mokuba und mir mit im Bett schlafen." In Joeys Augen lagen Misstrauen und Argwohn. /Wie bitte? Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt oder? Ich bei ihm - bei ihm?! Ehrlich, wo ist der echte Kaiba und was habt ihr mit ihm gemacht? Oder aber - klar, ich träume. Das hier kann doch nur wieder ein verquerer Traum sein./ Er knurrte leise. /Okay, der Kratzer tat weh und ich werde sicher noch 'ne Zeit lang was davon haben. Aber wenn das kein Traum ist, dann - na gut. Er ist der wahre Seto Kaiba und es ist die Realität. Und je länger ich darüber nachdenke, desto verlockender wird dieses seltsame Angebot .../ Waren derartige Gedanken normal? Mitnichten. Dürfte er vergleichbares normalerweise denken? Sicher nicht. War er momentan normal? Auf gar keinen Fall. /Also ... darf ich doch auch abnormal denken und handeln ohne mich rechtfertigen zu müssen. Ha, gutes Argument! Und wie sagt Yugi doch immer: Hör auf dein Herz! Na schön, eigentlich sagt er immer: Hör auf das Herz der Karten!, aber wenn man ein paar Wörter verdreht oder weglässt, kommt es auf Dasselbe hinaus. So Joey Wheeler, und jetzt verschwende deine Zeit nicht mit sinnlosem Denken über richtig oder falsch, sondern tu es einfach: Hör auf dein verwirrtes Hundeherz, sei seltsam und ungewöhnlich und hör zur Abwechslung mal auf Kaiba. Joey Wheeler ist schließlich jemand, der erst handelt und dann denkt. Joey Wheeler ist auch jemand, der entgegen den Erwartungen anderer handelt und dieses Mal eben auch entgegen seinen eigenen Erwartungen. Und jetzt hör verdammt noch mal mit diesem sich ewig in die Länge ziehenden inneren Monolog auf – Kaiba und Mokuba gucken schon so seltsam - und tu endlich etwas! Jetzt wird Joey-Wheeler-Like gehandelt!/ Stück für Stück rutschte er auf Kaiba und Mokuba zu, die sich ebenso langsam zurückzogen, damit er Platz hatte. Vorsichtig streckte Joey die Nase ins Freie und schnüffelte geistesgegenwärtig, dann, nach einigem mit sich Ringen, folgte der ganze Kopf. Argwöhnisch sah er sich um und kam dann gänzlich unterm Bett hervor. „Glückwunsch Joey", lache Mokuba und strich ihm über den Kopf. Joey schenkte ihm einen giftigen Blick. /Tu nicht so, als wäre ich der einzige von uns, der Angst vor Gewitter hat. Dir ging es bis eben fast genauso. Außerdem kannst du dir diese Hundetonfall-Nummer sparen - selbst Kaiba redet nicht in dem Tonfall mit mir!/ „Und jetzt", Mokubas Grinsen wurde eine Spur breiter, „darfst du bei Seto und mir mit im Bett schlafen.“ Joey schluckte. Die Betonung von Mokuba wollte ihm ganz und gar nicht gefallen. Der Schwarzhaarige kroch schnell ins Bett und unter die Decke. Er klopfte neben sich auf die Matratze. „Na komm, Joey. Sei ein braver Hund.“ Joey wusste nicht, ob er wütend oder verunsichert sein sollte, angesichts der Aufforderung. Argwöhnisch schielte er zu Kaiba, der noch immer neben ihm hockte. Der Leiter der Kaiba Corporation fuhr sich durch die Haare. „Geh schon.“ Mit diesen Worten erhob er sich, umrundete das Bett und legte sich hin. Mokuba klopfte erneut neben sich auf das Bett. „Na los, Joey. Oder willst du da Wurzeln schlagen?" Joey zögerte. Er war hin und her gerissen. Ein Teil von ihm wehrte sich, im selben Bett wie Kaiba zu schlafen, ein anderer drängte ihn geradezu genau das zu tun, denn die Aussicht, dem Gewitter und der Einsamkeit zu entkommen war tatsächlich mehr als verlockend. Schließlich warf er alle Bedenken von sich. Er war nicht umsonst ein Wheeler und zu deren Eigenarten gehörte es, gegen alle Erwartungen und gewöhnlichen Prinzipien zu handeln. Elegant holte er Anlauf und sprang auf das Bett (allmählich fiel es ihm leichter, seinen Leihkörper zu steuern) und setzte dann ganz langsam eine Pfote vor die andere, bis er zwischen Kaiba und Mokuba stand und lange auf sie hinab blickte. Behutsam ließ er sich nieder und legte den Kopf auf die Vorderpfoten. Mokuba schmiegte sich an sein weiches Fell und seufzte zufrieden. „Gute Nacht Joey, Nacht Seto", nuschelte er noch, dann wurde sein Atem rasch regelmäßig. Joey atmete tief ein und aus, seine Gedanken wanderten zurück. Er dachte an das ernste Gesicht von Mokuba zurück, als er vor Stunden mit ihm geredet hatte. /Der Junge ist manchmal echt zu erwachsen für sein Alter/, dachte er und lauschte dem Atem des Jüngeren. Dann fiel sein Blick auf Kaiba. Der Größere hatte ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Nun musterte er Mokuba, bevor sein stechender Blick sich selbst in der Dunkelheit des Zimmers beunruhigend in seinen bohrte. Er öffnete den Mund und seine Stimme klang geradezu befremdlich vertraut in der Stille des Zimmers. „Es ist gut, dass du jetzt zur Familie gehörst." Joey stockte, Sekunden verstrichen, bevor der Sinn der Worte sich ihm gänzlich erschloss. /Familie?/ Dann war der Blickkontakt gebrochen und Kaiba schloss die Augen. Joeys wusste nicht, wie viel Zeit verging, doch schließlich wurde auch sein Atem länger und regelmäßiger. /Ich gehöre zur Familie?/, dachte er und war noch immer erstaunt. /Ist ja nicht wahr./ Er bettete seinen Kopf wieder auf die Vorderpfoten. /Eine richtige Familie, was?/, war das Letzte, was er dachte, bevor auch er einschlief. Das Donnern, welches immer noch von draußen ins Haus drang, machte ihm jetzt nichts mehr aus. Er war bei seiner Familie. oOo Am nächsten Morgen erwachte er durch das zunehmende Hungergefühl, das seinen Magen malträtierte. Irritiert sah er sich um. Er lag noch immer in Kaibas Bett, allerdings war es jetzt bis auf ihn leer. Die beiden Kaibabrüder waren offensichtlich schon wach. Es war kaum verwunderlich, wie Joey mit Blick auf die Uhr feststellte, denn die Digitalanzeige ging bereits auf die Zwölf zu, während draußen vor den Fenstern die Vögel zwitscherten. Er wandte den Kopf, als er ein Geräusch von der anderen Seite des Zimmers vernahm. Kaiba saß auf dem Sofa und hatte soeben seine Kaffeetasse auf den Glastisch gestellt. „Bist du also auch mal wach?" Joey erhob sich mühselig, streckte sich ausgiebig, sprang dann vom Bett und schüttelte den letzten Rest Müdigkeit ab, bevor er anschließend auf Kaiba zuschritt. Gähnend blieb er vor dem Größeren stehen. Kaibas Mundwinkel hoben sich kaum merklich, dann deutete er neben das Sofa auf den Boden. Dort stand ein Teller mit Resten. Kaiba erhob sich. „Lass es dir schmecken, ich bin in der Firma.“ Joeys Ohren stellten sich auf und sein Kopf schnellte herum. /Noch mehr Arbeit?!/ Knurrend fixierte er den Kaiba, der bereits im Begriff war, das Zimmer zu verlassen, jetzt jedoch innehielt und sich verwundert umdrehte. „Was ist denn?", fragte er, die Reaktion seines Hündchens nicht begreifend. Joey bellte genau fünf Mal. /Mach mal eine Pause!/ Kaiba kam wieder näher und ging schließlich vor Joey in die Hocke. „Tut mir leid, zu meinem Bedauern verstehe ich doch nicht. Möchtest du etwa mit? Ich bezweifle, dass es dir dort gefallen wird." /Nein!/, dachte Joey, brach jedoch ab und dachte nach. /He, warum eigentlich nicht? So kann ich ihn notfalls mit Gewalt daran hindern, zuviel zu arbeiten und sehe außerdem endlich einmal seine Firma von innen.“ Er bellte einmal zustimmend. Schmunzelnd schüttelte Kaiba den Kopf. „Du bist außergewöhnlich, wirklich. Aber bitte, wenn du darauf bestehst. Friss auf, ich warte.“ Er strich Joey kurz über den Kopf, bevor er sich erhob und nun endgültig den Raum verließ. /Na bitte!/, dachte der Blonde triumphierend und widmete sich seinem Frühstück. Als der Teller blank und er selbst satt war richtete er sich wieder auf. Er war bereits im Begriff, das Zimmer zu verlassen, als sein Blick auf die Kommode neben der Tür fiel. Selbst von seiner Position aus konnte er den Brief sehen, den Kaiba am Vorabend dort abgelegt hatte. Seine Augen blitzten auf. /Den Brief hätte ich beinahe vergessen. Ich wollte doch wissen, was Marik und Bakura geschrieben haben und was Kaiba gestern die gute Laune beschert hat./ Schleichend, als befürchtete er, Kaiba könnte jeden Moment zurückkehren und bemerken, was er im begriff war, zu tun, näherte er sich der Kommode. Er war zwar mit seinem derzeitigen Körper nicht übermäßig groß, wusste sich allerdings zu helfen. Er stellte sich auf die Hinterbeine, stützte sich mit den Vorderpfoten am Holz ab und beugte sich über die Ablage. Seine Augen weiteten sich, als er den relativ kurzen Brief las. Sprachlos starrte er auf das Blatt. /Deshalb die gute Laune?! Nur deshalb? Kaiba, du bist echt mehr als seltsam./ Er ließ sich wieder auf aller Viere sinken und verließ den Raum, durchquerte das angrenzende Arbeitszimmer und betrat den Flur. Es wunderte ihn nicht einmal mehr, dass Zufriedenheit wie eine warme Flamme in seiner Brust loderte. /Wenn das so ist, Seto Kaiba, dann gehöre ich tatsächlich gerne zu deiner Familie. Solange ich kann./ Und während er die Treppe zur Eingangshalle herunter sprang, wo Kaiba ihn bereits erwartete, lag in dem Schlafzimmer des Firmenleiters auf der Kommode ein weißes Stück Papier neben einem ebenso weißen Umschlag mit der Aufschrift An Kaiba, das bei zwei Personen so große Wirkung mit seinem vergleichbar geringen Inhalt erzielt hatte. Denk nicht einmal daran, dir jemand anderen zum Streiten zu suchen, Kaiba. Ich bin bald wieder da, verlass dich drauf! Joey Kapitel 12: Hinter den Fassaden der Kaiba Corporation (Teil 1) -------------------------------------------------------------- 12. Kapitel: Hinter den Fassaden der Kaiba Corporation I „Herzlich willkommen bei der Kaiba Corporation", erklang eine freundliche Frauenstimme, während sich die Glastüren lautlos hinter ihnen schlossen. Aufmerksam betrachtete Joey alles um sich herum. Hinter der Rezeption standen zwei von Kaiba Kaibas legendären Zwillingsassistentinnen, die sich abgesehen von ihren rosa und türkisfarbenen Haaren bis ins kleinste Detail glichen. Joey konnte innerlich nur den Kopf darüber schütteln. Während Kaiba die Eingangshalle, dicht gefolgt von Joey, durchquerte, verneigten die zwei Mädchen sich höflich. „Guten Tag, Herr Kaiba", sagten sie unisono. Kaiba nickte ihnen nur kurz zu, schritt jedoch unbeirrt weiter, auf den Aufzug. Joey war hingegen darum bemüht so gut es ging schritt zu halten. /Unheimlich, diese Mädchen./ Die Türen des Aufzugs schlossen sich ebenfalls hinter ihnen. „Fünfundzwanzigster Stock, Kaiba-sama?", ertönte wieder die freundliche Frauenstimme, die sie bereits am Eingang willkommengeheißen hatte. Kaiba fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Sollte ich woanders hin?", stellte er die Gegenfrage. „Nicht, das ich wüsste", erklang es aus dem Lautsprecher. „Da hast du's." Interessiert sah Joey zwischen dem Lautsprecher, aus dem die Stimme erklang, und Kaiba hin und her. Irrte er sich oder schwang ein Hauch Sympathie seitens Kaiba für diese Frau in seiner Stimme mit? Von Seto Kaiba? Für eine Frau?! Ungewollt spürte Joey eine Spur von Eifersucht in sich aufkeimen, schüttelte aber sofort den Kopf. /Eifersüchtig? Ich? Niemals!/, versuchte er sich einzureden und schaffte es sogar, dieses Gefühl in ein Kästchen zu sperren und in die hinterste Ecke seines Bewusstseins zu schieben. Er beobachtete mit gezwungener Hingabe durch die Glaswände es Fahrstuhls, wie der Boden der Eingangshalle sich immer weiter von ihnen entfernte. „Nico?" Joey horchte auf. /Sie heißt also Nico. Der nennt sie beim Vornamen?! Okay Joey, ganz ruhig, du bist eifersüchtig, weil Kaiba eine nette Bekannte hat und du nicht!/ „Ja, Kaiba-sama?" „Liegen für heute noch irgendwelche zusätzliche Termine an?" Einen Moment herrschte Stille. „Ja, heute Nachmittag wurde kurzfristig eine Konferenz der Abteilungsleiter beantragt, bei der Sie natürlich anwesend sein müssen." „Wunderbar", kam es leicht spöttisch von Kaiba. „Sonst noch etwas?" „Nein." „Dann bin ich beruhigt." „Ein Faktor erweist sich als störend." „Ja?" „Wong", sagte Nico und klang beinahe missbilligend. Joey sah auf, als Kaiba einen abfälligen Laut von sich gab. Wer war denn Wong? Wong ... Irgendwas klingelte da bei ihm, aber was? Er meinte, diesen Namen irgendwo schon einmal gehört zu haben, konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, wo das gewesen war. „Was hat sie jetzt schon wieder getan?", fragte Kaiba und seine Stimme zeigte ohne Zweifel, wie sehr ihm diese Thema missfiel. „Sie ist ziemlich aus dem Häuschen, Kaiba-sama. Ich weiß nicht, wieso, aber Sie sollten sich heute ganz besonders vor ihn in Acht nehmen." „Ist gut." Moment. Seit wann ließ Kaiba sich von jemand anderem, als von Mokuba einen Ratschlag geben? An dieser Nico war irgendetwas faul, das roch Joey zehn Meilen gegen die Klimaanlage in dieser Firma. „Fünfundzwanzigster Stock", riss Nicos Stimme ihn aus den Gedanken. Kurz bevor die Türen des Fahrstuhls sich öffneten, richtete Kaiba sich noch einmal an Joey. „Was auch immer gleich kommen mag, bleib ruhig.“ Joey legte bei diesen recht ungewöhnlichen Worten fragend den Kopf schief, „Komm Wong nicht zu nahe. Den Rest erledige ich." Zunächst war Joey schleierhaft, was Kaiba damit genau meinte, doch als die Türen des Fahrstuhls aufgingen, wurde ihm schlagartig klar, was mit dem komm Wong nicht zu nahe gemeint war. „Huhu, Kaibaaa!", schallte ihnen sofort eine unangenehm nervige Stimme entgegen. Bei dem Anblick der Frau, welcher diese unmenschliche Stimme zweifellos gehörte, weiteten sich Joeys Augen vor Schreck. /Die?!/ Die war keine Geringere als Vivian Wong. Joey konnte sich noch gut an die Nervige Trulla – wie er und Tristan sie insgeheim genannt hatten – erinnern, die sich bei dem Kaiba Corporation Grand Championchips vor einem halben Jahr dauerhaft an Yugi oder Kaiba rangeschmissen hatte, erinnern. Der Blonde verengte die Augen. Damals war er gekränkt und auch irgendwie beleidigt gewesen, weil sie ihn nicht genauso angehimmelt hatte wie Kaiba oder Yugi - aber heute? Bah, wie ihn ihr Verhalten nervte. Und was tat Kaiba, um sich aus dieser Situation zu befreien? Joey sah hoch zu dem anderen. Wie kam er überhaupt dazu, jemanden wie Vivian in seine Firma zu lassen? Kaibas Blick war starr auf die Chinesin gerichtet. „Sie sind nicht hier um sich zu amüsieren. Sie sind hier um zu arbeiten." Arbeiten? Hatte er richtig gehört, Vivian arbeitete in der Kaiba Corporation?! Doch die junge Frau ließ sich von Kaibas distanziertem Verhalten nicht verunsichern. Stattdessen fiel ihr Blick auf Joey, welcher daraufhin nur schluckte und das beklemmende Bedürfnis verspürte, sich hinter Kaibas Beinen zu verstecken. „Oh, der ist ja süß!", quietschte sie, ging vor Joey in die Hocke, der alarmiert zurückwich. Keine Chance. Vivian packte ihn schraubstockfest und drückte ihn an sich. Joey fühlte, wie ihm die Luft erbarmungslos aus den Lungen gepresst wurde. „Du bist aber ein niedlicher Kleiner!", sagte sie mit einer schrecklich übertriebenen Freundlichkeit, während Joey hilflos röchelte. Zappelnd versuchte er sich zu befreien, spielte sogar aus lauter Verzweiflung mit dem Gedanken, ihr wenn es sein musste in den Arm zu beißen, doch Kaiba nahm ihm die Entscheidung ab. „Miss Wong", sagte der Brünette schneidend. „Lassen Sie ihn los. Er ist kein billiges Stofftier." „Gehört er Ihnen?", fragte Vivian überschwänglich und ignorierte Kaibas Anweisung einfach. „Wong!" /Ups, das klingt schon gefährlich – uärks - Atemnot!!!/ „An Ihrer Stelle wäre ich vorsichtig. Falls der Hund Ihretwegen ersticken sollte, werden meine Anwälte Ihnen eine Reihe eindringlicher Briefe zukommen lassen." „Ups." Sofort ließ Vivian Joey los. Hechelnd und nach Luft japsend saß der Blonde auf dem Boden und schüttelte benommen den Kopf. /Luft, Luft - gerettet!/ Schnell stand Vivian auf, machte eine flüchtige Verbeugung und fing sogleich wieder an, auf Kaiba einzureden. „Kaiba-san, warum kommen Sie denn erst so spät? Und warum haben Sie einen Hund dabei?" Joey sah, wie Kaiba kurz die Augen schloss und tief ein und ausatmete. (Vivian blieb dies unbemerkt.) Innerlich zählte er gerade höchstwahrscheinlich bis zehn. Obwohl zwanzig doch näher lag. „Kaiba-san, wollen sie vielleicht einen Tee? Einen Kaffe? Ein -" "Miss Wong." /Kalte Stimme + frostiger Tonfall + tödlicher Blick = Seto Kaiba im Normalzustand./ Mit den Wimpern klimpernd und einem himmelnden Blick sah Vivian Kaiba an. „Ja, Kaiba-san?" Kaibas Blick wurde noch um einige Nuancen kälter. „Ich habe Sie nicht hier eingestellt, damit sie den liebenlangen Tag nichts tun. Sie sollen Ihren Job erledigen." Stück für Stück bröckelte das Lächeln von Vivians Gesicht. Nun schien sie ernsthaft aus dem Konzept gebracht zu sein. „J-ja, wie Sie wünschen ... aber wollen Sie nicht doch vielleicht -" „Nein, danke." /Eiskalt und trotzdem auf seine Art höflich. Unglaublich./ Der junge Firmenleiter drehte sich um. „Komm mit“, meinte er knapp zu Joey. /Immer gern./ Brav, was eigentlich nicht Joey-Wheeler-typisch war, folgte Joey dem Größeren, welcher, Vivian nun vollkommen ignorierend, an deren Schreibtisch vorbei schritt, direkt auf eine große dunkle Holztür zu. Nichts aus den Augen lassend musterte Joey sie eingehend. /Hm, schon 'ne prunkvolle Tür. Ha, der nimmt mich doch glatt mit in sein Büro. Hätte mir das jemand vor zwei Wochen erzählt, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Und jetzt? Verquere Welt./ Mit einer vollends flüssigen Bewegung öffnete der Blauäugige die Tür und betrat den Raum. Joey folgte ihm weiterhin und die Tür schloss sich lautlos hinter ihnen. Joey hielt bei Kaiba, der wenige Schritte von der geschlossenen Tür entfernt stehen geblieben war. /Was ist?/ Joey sah zu dem anderen auf, der ihm nun den Kopf zuwandte. „Joey“, sagte er eindringlich. „Bleib jetzt genau da stehen, wo du dich gerade befindest. Rühr dich keinen Millimeter vom Fleck, verstanden? Sonst könnte es deine letzte Bewegung sein." Wie zur Bestätigung, dass er verstanden hatte, setzte sich Joey demonstrativ hin. Kaiba lächelte. „So ist es richtig." Er drehte sich um und machte einen Schritt auf ein etwas tablettgroßes Schild neben der Tür zu, auf dem in dicken Buchstaben KC stand. Er streckte seine Hand aus und berührte mit dem Zeigefinger einen Punkt, oberhalb des K. Ein sirrendes Geräusch erklang und das Schild fuhr, wie bei einer Schiebetür, einfach zur Seite und gab den Blick auf eine Art Computerbildschirm mit Zahlentastatur und einigen zusätzlichen Feldern frei. Summend schaltete der Monitor sich an und der Bildschirm leuchtete auf. Auf ihm erschienen in schwarzen Druckbuchstaben die Worte Bitte Stillhalten. Ein Countdownzähler zählte von fünf rückwärts nach unten. Bei null angekommen begann das Gerät, Kaibas Gesicht zu scannen. Nachdem der Computer den Vorgang beendet hatte und anscheinend mit dem Ergebnis einverstanden zu sein schien, erklang eine neutrale weibliche Stimme aus einem Lautsprecher, rechts neben dem Monitor. „Bitte geben Sie sich zu erkennen." „Seto Kaiba", sprach der Blauäugige laut und deutlich. „Stimmfrequenz übereinstimmend. Seto Kaiba akzeptiert", tönte es wenige Momente später aus dem Lautsprecher. „Bitte den Sicherheitscode eingeben." Auch diese Anweisung wurde befolgt. Kaibas Finger glitten über die Zahlenfelder und gaben einen - wenn Joey es richtig mitgezählt hatte - mindestens zehnstelligen Code ein. /Wie kann der sich so was merken?/ „Sicherheitscode korrekt. Ladevorgang zur Deaktivierung der Sicherheitssysteme läuft." /Sicherheitssysteme?! Waffen? Laser, Bodenfallen? Wo?! Etwa in diesem Raum? Sollte ich mich deshalb nicht vom Fleck bewegen? Damit ich nicht in die Schussbahn des Sicherheitssystems?! Also man kann es auch mit den Sicherheitsvorkehrungen übertreiben. Obwohl - wenn man bedenkt, wer alles schon gegen ihn gearbeitet hat. Pegasus, Noah, Dartz, Siegfried ... mehr als genug Gründe, sich abzusichern./ „Ladevorgang abgeschlossen. Sicherheitssystem deaktiviert." Desinteressiert, wie es Joey schien, drückte Kaiba auf einen grünen Knopf in der unteren Ecke der Tastatur und das Schild fuhr sirrend wieder zurück in seine ursprüngliche Position. Kaiba drehte sich um. „Jetzt kannst du dich wieder bewegen." Nun, da Joey nicht mehr Gefahr laufen musste, einem zielsuchenden Laser oder vergleichbarem in die Schussbahn zu laufen, hatte er endlich Gelegenheit, sich das Büro genauer anzusehen. Es war - abgesehen von der Tür - in verschiedenen neutralen Blautönen gehalten. Der Schreibtisch, der vor einer imponierenden Fensterfront, welche eine herrliche Sicht über Domino City freigab, stand, war aus poliertem Glas. Einzig die Tischbeine waren aus dunkelrauem Metall. Auf dem Schreibtisch lagen ordentlich auf mehreren Stapeln Unterlagen und einige weinige Aktenmappen. Außerdem standen dort ein Rechner, ganze vier Telefone, die sogar einen kleinen Bildschirm hatten und zu guter letzt noch zwei Bilderrahmen, die Joey besonders ins Auge fielen. Rechts, neben Kaibas Schreibtisch hing ein beinahe türgroßes Gemälde an der Wand. Zu Joey Überraschung, oder eigentlich eher Nichtüberraschung stellte es den Weißen Drachen mit eiskaltem Blick da. Natürlich - der durfte in diem Büro ja sicher keinesfalls fehlen. An den übrigen Wänden, standen in perfekter Symmetrie einige Aktenschränke und Regale, in denen einige Entwürfe für neue Software der Spielfirma lagen. Staunend trat Joey etwas näher und starrte mit großen Augen auf die Entwürfe. Sie zeigten eine neue modernere Version der momentanen Duell-Disk. /Wow, das hat er selbst entworfen? Ich wusste ja, dass er Talent hat, aber so?! Seto Kaiba, du überrascht mich heute von Mal zu Mal mehr!/ Der Blonde riss sich von dem faszinierenden Anblick los und drehte sich um. Kaiba hatte sich hinter seinem Schreibtisch in den schwarzen Ledersessel platziert. Seine weiße Anzugjacke lag ein Stück weiter weg über der Lehne eines der hellblauen Sessel. Kaiba sah ihn nicht an, schien nicht einmal zu bemerken, dass Joey ihn beobachtete. Er nahm einen der beiden Bilderrahmen in die Hand, betrachtete ihn kurz und ließ ihn anschließend in einer der Schubladen seines Schreibtisches verschwinden. Joeys Kopf wanderte wie von selbst in eine leicht fragende Schräglage. /Oh./ Mental schlug er sich gegen die Stirn. Wenn er das weiterhin so oft machen würde, hätte er diesen Tick, wenn er Glück hatte, wohlmöglich auch dann noch, wenn er irgendwann wieder ein Mensch war. Er sollte sich besser zusammenreißen. Kaiba schloss die Schublade hob den Kopf und schien erst jetzt zu bemerken, dass Joeys Aufmerksamkeit auf ihm lag. Der Blonde setzte sich vor dem Schreibtisch auf den Boden und erwiderte den Blick. Der zunächst beunruhigte Ausdruck wich aus den Augen Kaibas. „Ich werde dich heute oft hier alleine lassen müssen. Ich hoffe, du benimmst dich.“ Leicht zögernd nickte Joey. Kaiba hob eine Augenbraue. Anscheinend hatte er nicht mit einem Nicken als Antwort seines Hündchens gerechnet. Sofort wurde dies auch Joey klar und er schluckte schwer. /Mist, Hunde nicken normalerweise nicht! Bin ich dämlich!/ Um seinen Ausrutscher zu überdecken bellte er einmal freudig und hechelte in typischer Hundemanier, sprang auf und drehte sich freudig im Kreis. Das schien den Kaiba als Antwort zu reichen und auch das Nicken von eben schien vergessen, angesichts dieses Verhaltens. „Kaiba-sama?" /Oh nein, nicht die!/, stöhnte Joey genervt in Gedanken. Kaiba sah auf. „Ja, Nico?" Ein leises, eigentlich fast unhörbares Knurren entwich Joeys Kehle. Diese Nico nervte ihn total. Nein, er war nicht eifersüchtig, aber diese Frau war nun einmal nervig! Konnte die nicht einfach still sein? „Kaiba-sama, ein Störfaktor ist aufgetreten.“ Sofort verengten sich Kaibas Augen. „Was hat er diesmal wieder angestellt?", fragte er bedrohlich leise. Joey kam nicht hinterher. /Er? Ich dachte Vivian sei der Störfaktor? Und sie ist definitiv kein er, das konnte ich zweifellos spüren, als sie mich eben an sich gepresst hat./ Er schüttelte sich schauderd. „Er hat einen Teil des Hauptrechners deaktiviert.“ „Das hat er nicht!", kam es fassungslos von Kaiba. „Doch, er hat.“ „Du bist dir ganz sicher?" „Jepp.“ Kaibas Augenbrauen hoben sich. „Jepp?", echote er skeptisch. „Nico, wer hat dir dieses Wort beigebracht? Ich war es ganz sicher nicht." Perplex starrte Joey ihn an. /Wer hat dir dieses Wort beigebracht?! Beigebracht?! Und was hat er gegen Jepp? Das hört man heutzutage doch überall./ Kurz war es still in der Leitung, doch das schien Kaibas Frage zu beantworten. Joey sah, wie der andere nur schwer der Versuchung widerstand, sich mit der Hand an die Stirn zu fassen. „Sag nichts, ich kann es mir schon denken. Er kostet mich irgendwann noch den letzten Nerv. Ich habe ihn unter der Bedingung hier eingestellt, dass er alles so lässt, wie es war. Die Folge aus seinem handeln nennt man Sachbeschädigung, und zwar im höchsten Maß." /Sachbeschädigung? In Kaibas Firma? Und da ist die Person noch nicht hochkantig rausgeflogen?/ Erneut herrschte kurze Stille. „Kaiba-san, ich glaube, Sie sollten sich beeilen. Ich spüre bereits, wie sich die Rechner und der Strom in den ersten Etagen abschalten." /Spüren?! Ist die Tante eine Hellseherin?/ Er spürte es zunehmend - er war offensichtlich nicht wirklich gut auf diese Nico zu sprechen. Aber er war nicht eifersüchtig. Worauf auch? Na? Worauf sollte er auch bitte eifersüchtig sein?! Darauf, dass Kaiba eine nette Beraterin hatte? Darauf, dass er auf sie hörte? Darauf, dass er sie zu respektieren schien? Okay, auf wen bitte war er hier nicht eifersüchtig? Auf Kaiba oder auf Nico? Diese Frage sollte geklärt werden ... Elegant erhob sich Kaiba und griff nach seiner Anzugjacke und mit einer schellen Bewegung hatte er sie sich übergezogen und schritt auf die schwere Holztür zu. Joey sah ihm ratlos hinterher. /He und was ist mit mir?/ Kurz bevor der Blauäugige den Raum verließ, drehte er sich noch einmal um. „Ich bin gleich wieder da.“ Er warf einen kurzen, leicht spöttischen Blick über die Schulter. „Lass alles heile, ja?" Die Backen des Hündchens blähten sich beleidigt auf, während Kaiba den Raum verließ. Für einen Außenstehenden musste dies äußerst befremdlich erscheinen. /Für wen hält der mich? Für ein tollpatschiges verpeiltes Fellknäuel? Das ich nicht lache!/ Mit erhobenem Haupt stolzierte Joey zum Schreibtisch. /Dann wollen wir doch mal ansehen, was er denn eben so schönes in der Schublade versteckt hat. Was war auf dem Bild?/ Er umrundete den Tisch und stand schließlich vor den Schubladen. /Welche war es noch gleich? Sicher die oberste. Aber wie mach ich sie auf? Mit den Pfoten lässt sich das schlecht bewerkstelligen, da bleibt wohl nur noch ... na herrlich!/ Er verdrehte die Augen. /Wenn es anders nicht geht./ Er legte den Kopf schief und packte den Griff der Schubladen mit den Zähnen. /Wehe, der Kerl hat abgeschlossen!/ Doch Fortuna war ihm heute gnädig gestimmt und die Schublade ließ sich öffnen. Als der Blonde meinte, sie weit genug herausgezogen zu haben, ließ er von ihr ab. Neugierig linste er über den Rand der Schublade und warf einen Blick hinein. Wäre er ein Mensch gewesen, hätte er jetzt verwundert die Augenbrauen hochgezogen (das mit einer einzelnen Augenbraue, so wie Kaiba es immer wieder gerne zu tun pflegte, beherrschte er leider nicht). Interessiert betrachtete er den Inhalt der Schublade. /Zwar nicht das was ich gesucht habe, aber auch ganz nett. Was will er mit den Ausschnitten? Und warum sammelt er die? Ist er dafür nicht etwas zu alt?/ In der Schublade lag ein Ordner auf dem in großer Schrift Zeitungsartikel – Zugriff einzig Seto Kaiba gestattet stand. /Ach, das sind sicher nur irgendwelche Artikel über die Kaiba Corporation./ Dass Kaiba den Ordner dann aber wahrscheinlich nicht mit so einer Warnung ausgestattet hätte, sollten sich in dem Ordner tatsächlich derartige Artikel befinden, kam ihm nicht in den Sinn. Das Interesse, welches der Blonde Schnüffler bis eben noch verspürt hatte, verschwand peu à peu. Desinteressiert schob er die Schublade wieder mit der Schnauze zu und widmete sich nach einiger Überlegung der nächsten. Irgendwann musste er ja schließlich Erfolg haben. Als er sie jedoch erst einen Spalt breit geöffnet hatte, erklang hinter ihm eine nur allzu vertraute, kalte Stimme: „Was genau soll das werden?" Joey zuckte zusammen, als hätte ihm jemand einen Schlag verpasst. Er spürte, wie ihm eiskalte Schauer über den Rücken jagten. Das. War. Überhaupt. Nicht. Gut. /Hilfe .../ In Zeitlupe drehte er sich um, erwartete Kaiba, der ihn mit verschränkten Armen und einem abschätzenden Blick ansah, doch tatsächlich war dort - /Niemand?! Hab ich Halluzinationen?!/ Der Raum war leer. Nervös blickte er nach links und rechts. Trieb der Brünette irgendein abgekartetes Spiel mit ihm? Wenn dem so war - wo war er dann? Ein Blick nach links, ein Blick nach rechts - ergebnislos. Was immer das für ein Spiel war, es war nicht witzig! „Was ist denn Hündchen?", erklang es spöttisch hinter ihm. Joey wirbelte herum. Wieder nichts. /Werde ich etwa verrückt? Das kann doch nicht sein! Was ist hier los?/ „Angst, Joey?" Das war doch ohne Zweifel Nicos Stimme! Sie musste ihm hier gerade irgendeinen Streich spielen, anders konnte er sich das alles nicht erklären. Deshalb wahrscheinlich auch Kaibas Stimme. Das war ihr Werk! Joey sah sich suchend um und erblickte auf dem Schreibtisch die Freisprechanlage. Von da musste ihre Stimme kommen. Er zögerte einen Moment - /Soll ich oder soll ich nicht?/ - dann sprang er grazil - zumindest für seine Verhältnisse - auf den Ledersessel, der hinter Kaibas Schreibtisch stand. Hätte er vorher gründlicher nachgedacht, hätte er sicher voraussehen können, dass der Stuhl durch seinen Sprung ziemlich in Schwung geraten würde, aber wie hatte Joey es doch vor kurzem erst noch so schön ausgedrückt: Joey Wheeler ist jemand, der erst handelt und dann überlegt! Äußerst treffend, wenn man betrachtet, dass er in diesem Moment seine These mit seinem Handeln noch einmal unterstrich. Ergo hätte man es wohl auch nicht besser formulieren können, als er es mit dem Spruch bereits getan hatte. Um zurück zum Thema zu kommen: Der Ledersessel, dem durch Joeys Sprung eine große Menge an Schwung zuteil gekommen war, begann sich unkontrolliert zu drehen. Joey wurde dementsprechend ziemlich um sich gedreht. Als der Sessel schließlich genug von der Rundtour hatte und langsam beschloss zur Ruhe zu kommen, war Joey schwindelig. Schwankend versuchte er sich einigermaßen aufzurichten. /Alles dreht sich, alles bewegt sich ... ich stehe etwas neben mir./ „Na Kleiner, sind wir ein bisschen neben der Spur?" Schon wieder! Energisch schüttelte er den Kopf, um seine Umgebung dazu zu bringen, doch endlich aufzuhören, sich weiterzudrehen. Er knurrte leicht, als er sich dem Spott in Nicos Stimme letztendlich bewusst wurde. /Was fällt der ein, sich über mich lustig zu machen?/ „Was hast du denn? Hören meine Sensoren da eine leichte Spur von Aggression aus deinem Knurren heraus?" Joey stutzte. /Sensoren?!/ Sein entgeisterter Gesichtsausdruck musste Bände gesprochen haben, denn Nico fuhr fort: „Überrascht? Du brauchst doch nicht gleich so entsetzt dreinschauen, Kleiner." /Woher weiß die, was ich für einen Gesichtsausdruck mache? Sind hier etwa Kameras im Raum?/ Er sah sich erneut um. Ob die Kameras getarnt waren? Andererseits, warum sollte Kaiba in seinem Büro Kameras anbringen lassen? Da war der doch sicher auch ganz eigen. „Du brauchst dich gar nicht so umzusehen. Hier sind keine versteckten Kameras, Kleiner." Joey fletschte bedrohlich die Zähne. Schon wieder dieses Kleiner. Das machte ihn irgendwann noch mal völlig verrückt. „Die einzige Kamera hier bin nur ich", waren die nächsten schlicht gesprochenen Worte. Stille. Bei genauerem Hinsehen hätte man sicher eine von Joeys Schnauze unkontrolliert zucken sehen können. /Die einzige Kamera hier ist sie? Ist die Frau nicht mehr ganz dicht?!/ Hatte Kaiba wohlmöglich eine Verrückte eingestellt? Oder hatte er nur nicht gemerkt, dass bei Nico nicht alles zu stimmen schien? „Jetzt hat es dir die Sprache verschlagen, was Joseph? Obwohl - mit dem Sprechen könnte es ja generell ein Problem sein, nicht?" Joey zuckte getroffen zusammen. Seine Augen weiteten sich erheblich und ein deutlicher Ausdruck von Unglaube und Entsetzen (in gleichen Teilen vorhanden) war in ihnen zu erkennen. /Joseph?! Hat sie gerade wirklich Joseph gesagt? J, wie jung, O, wie ordentlich, S, wie sexy, E, wie extrovertiert, P, wie pünktlich und H, wie hinreißend? Das kann doch nicht sein! Woher weiß sie das?! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Kaiba mich, seit ich ein Hund bin irgendwie Joseph genannt hat! Das kann nur heißen - das bedeutet dann ja wohl -/ Unglaube und Entsetzen wichen einem durch und durch panischen Ausdruck. /Oh Gott! Die Frau weiß es! Die weiß, wer ich bin. Ich bin so was von geliefert! Und wenn die es Kaiba erzählt bin ich tot! Nein, ich bin noch viel toter als tot. Toter geht es nicht!/ „Du machst ja den Eindruck, als wenn du gleich vom Stuhl fällst", meldete die Stimme aus dem Lautsprecher sich wieder zu Wort. Das brachte den guten Joey wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Der panische Blick wurde von einem leicht wütenden Funkeln ersetzt und Joey verengte knurrend die Augen. Er wusste nicht, von wo Nico ihn beobachtete, also schickte er seine wütenden Blicke vorsorglich in alle Ecken des Büros. Sicher war sicher. „Warum denn gleich so verstimmt?", fragte die weibliche Stimme und Joey hätte schwören können, dass ein neckischer Unterton mitschwang. „So überrascht, dass ich weiß, wer du wirklich bist? Wer hinter dieser felligen Fassade steckt?" Erneut erklang ein Knurren seitens Joey. Musste diese ... diese - ach, was auch immer - musste sie so nervtötend überlegen klingen? Das war ja fast noch schlimmer als Kaiba, wenn er mal wieder in seiner Ich-bin-ohnehin-allen-einen-Scritt-voraus-also-versucht-es-erst-gar-nich-Phase war. Gut, Joey hatte seit einigen Wochen keiner dieser Phasen mehr erlebt, aber das lag nur daran, dass er einen Teil dieser Zeit in Hundegestalt verbracht hatte und der andere Teil ... nun ja ... Kaiba hatte sich die Wochen vor Joeys Verwandlung schon - wie sollte er das ausdrücken? - ordinär verhalten. Herrgott, klang das dumm. Aber es stimmte. Während dieser Zeit waren ihre alltäglichen Streitereien ziemlich kurz gekommen und die Beleidigungen Kaibas, der auch schon einfallsreicher gewesen war, hatten deutlich an Schwung verloren. Mist, er kam hier ganz eindeutig vom eigentlichen Thema ab! Um zurück zu seinem ursprünglichen Punkt zu kommen - er wollte ihn an dieser Stelle nur der Form halber noch einmal in drei knappen und dennoch präzisen Worten wiederholen und deutlich machen: Diese Frau nervte! Und dies merkte er nicht unbedingt noch einmal an, weil er Nico aus irgendeinem unerfindlichen Grund nicht sonderlich leiden konnte - er war nicht eifersüchtig! - sondern weil diese Aussage absolut - er war wirklich nicht eifersüchtig! - der Wahrheit entsprach und er allmählich - warum sollte er auch bitte eifersüchtig sein?! - einen stechenden oder auch pochenden Schmerz hinter seiner Stirn spürte - auf wen sollte er denn bitte eifersüchtig sein?! -,der sich partout nicht ignorieren lassen wollte. Benommen schüttelte er den Kopf. Entweder er war momentan einfach nur merkwürdig drauf oder er wurde allmählich schizophren. Stellte sich wohlmöglich gerade heraus, dass er wie Yugi oder Bakura einen Yami besaß, den er nur noch nicht bemerkt hatte und der es jetzt an der Zeit fand, zu offenbaren, wo er, Joseph Wheeler, sich im Augenblick in einem Hundekörper befand? Hilfe. In seinem Kopf drehte sich alles. Wahrscheinlich wurde er nur paranoid. Hatte keinen Yami, drehte aber trotzdem durch. Klasse. „Hey Kleiner, bist du gegenwärtig mental am schlafen? Mit offenen Augen?", meldete sich diese nervige Nico wieder zu Wort. /Wo man gerade an Klasse denkt/, stellte Joey verärgert fest. /Ich halte es nicht mehr lange mit dieser Frau in diesem Raum aus. Oder besser gesagt, mit ihrer Stimme. Mehr kenne ich von ihr bis jetzt ja nicht. Hoffentlich muss ich ihr niemals in irgendeiner Art und Weise gegenübertreten, sonst weiß ich ja noch detaillierter, mit welchem Typ Frau sich Kaiba anscheinend gerne unterhält. Und um es noch zu verdeutlichen, damit es auch wirklich jedem klar wird: Ich bin nicht eifersüchtig, verdammt! Und wer jetzt auch nur einmal fragt auf wen denn nun genau?, der bekommt von mir einen schönen großen Blumenstrauß, damit das liebreizende weiße Zimmer im Krankenhaus für ihn nicht zu steril wirkt, damit das mal klar ist! Und für die, die sich jetzt im Geiste fragen, gegenüber wem ich mich hier momentan rechtfertige, die bekommen von mir ein paar Pralinen, die sie dann in aller Ruhe ein Zimmer weiter auf der Intensivstation versuchen sollen zu essen. Okay, ich drifte offensichtlich schon wieder vom Thema ab, aber das musste einfach mal gesagt werden! Zurück zur eigentlichen Hauptstory./ „Kann es sein, dass du gar nicht schläfst, sondern vielleicht direkt von uns gegangen bist?" Dieser stichelnde Unterton machte ihn so was von krank. Und in seiner augenblicklichen Verfassung konnte dieses krank sich nur negativ auf sein Verhalten auswirken. Anscheinend schien dieser Gedanke unheimlich gut bei seinem Unterbewusstsein angekommen zu sein, denn es sendete umgehend die Antwort zu seinem Hirn zurück, die er auch widerstandslos in die Tat umsetzte, was kurz gesagt hieß, dass er ein paar Mal laut und durchdringend bellte. Ein zufriedener Ausdruck zierte nun seine schokobraunen Augen und voller Genugtuung schnaubte er. /So, olle Tante. Bist du jetzt endlich mal still?/ „Na sieh mal einer an." /Zu früh gefreut./ „Du lebst also doch noch, Joey. Und ich muss zugeben, dein Bellen hat mir aufs Äußerste imponiert." Ihre Stimme schwamm förmlich in einem See, der sich für gewöhnlich Sarkasmus nannte. „Aber jetzt seien wir doch mal ehrlich: Du bist doch sicher brennend daran interessiert, woher ich weiß, wer du wirklich bist, hab ich nicht Recht?" /Abgeneigt, es zu erfahren, währe ich wahrlich nicht./ „Um dich also nicht unnötig auf die Folter zu spannen" - /Was du ja nie machen würdest, was Nico?/ - „der Chef hat mir erzählt, was passiert ist. Mokuba", fügte sie vorsorglich hinzu, als Joeys Augen bei den Worten der Chef wieder diesen panischen Ausdruck annehmen wollten. „Er hat mir vorsorglich alles erzählt und mich gebeten, ein Auge auf dich zu haben, während du hier bist." Joey gab einen empörten Laut von sich. /Mokuba hat es dir erzählt? Ich dachte, er wollte dicht halten! Wer zum Henker bist du, dass er dir das erzählt?!/ „Ich kann mir denken, was dir gerade im Kopf umherschwirrt. Du fragst dich sicher, warum Mokuba mir das erzählt hat, oder?" /Blitzmerkerin./ „Er vertraut mir." /Halleluja./ „Ich kenne ihn zwar noch nicht so lange, aber wir verstehen uns ganz gut. Immerhin muss ich 24 Stunden lang auf ihn acht geben, so, wie Kaiba-san es sich wünscht." Joey stockte. Er spürte, einen unangenehmen Kloß in seinem Hals und das Atmen schien ihm mit einem Mal unnatürlich schwer zu fallen. /Seto Kaiba, ich meine der Seto Kaiba, der oft zu Übertreibung neigt, wenn es um seinen kleinen Bruder und speziell um seine Sicherheit geht, über gibt die Aufgabe, nein, das Privileg, für jene unschätzbare Sicherheit zu sorgen, an Nico?! Der muss ja ein blindes Vertrauen zu ihr haben!/ Er spürte, wie sich der Klos in seinem Hals bei diesem Gedanken schmerzhaft zu vergrößern schien und Ein beklemmendes Gefühl machte sich in ihm breit. Er knurrte, als es ihm bewusst wurde. Er sollte sich freuen, dass Kaiba jemanden gefunden hatte, dem er soweit vertraute, dass er dieser Person sogar die Sicherheit Mokubas übergab. War doch schön ... ‚Es ist gut, dass du jetzt zur Familie gehörst.' Nein verdammt, es war nicht schön. Er empfand es zumindest nicht im Geringsten als schön. „Joseph, du driftest schon wieder ab." /Wie?/ Schön, dass sie ihn immer wieder aus so etwas aufmerksam machen musste. Ja, wirklich schön! Vielleicht sollte er dieses Wort zu seinem Wort des Tages machen. Allein in den letzten fünfzehn Sekunden hatte er es gedanklich gleich fünfmal benutzt. Schön (sechsmal). Mit einem s, wie bei Seto – äh, Kaiba. Er kam schon wieder vom Thema ab. „Joseph, deine Aufmerksamkeit. Ich wäre nicht abgeneigt, sie wenigstens die nächsten zwei Minuten in Anspruch nehmen zu dürfen. Ich muss dir nämlich noch etwas sagen." /Seit wann bin ich bei Seto?!/ „Joey..." /Unmöglich. Anscheinend hab ich doch 'nen Yami. Oder ich bin einfach schizophren. Oder bloß übertrieben paranoid. Oder alles zusammen. Ich bin schizophren, da ich einen paranoiden Yami habe und drehe gerade voll am Rad. Ich verzweifle hier. Ich werd wahnsinnig./ „JOSE-" Joeys Kopf ruckte hoch und Nico brach ab, als die Tür des Büros schwungvoll aufging und ein junger Mann, nein, eigentlich mehr ein Junge - also sowohl den Mann streichen und das Adjektiv substantivieren - hektisch in den Raum stolperte. „Kaiba?" Wäre dies ein Cartoon gewesen, Joeys Augen wären Tellergroß gewesen.. Das war doch nicht wahr. Er?! Mit jedem hätte er hier gerechnet, aber ganz sicher nicht mit ihm. Groß und schlank, trotzdem kräftig gebaut, sturmgraue Augen, kurze rote Haare und ein schwarzer Anzug mit bordeauroter Krawatte. Alister. /Alister? Hier?! Als ich ihn das letzte Mal - und ich muss zugeben auch einzige Mal - gesehen habe, hat er bewusstlos in Kaibas Armen gelegen, weil er gerade seine Seele in einem Duell verloren hatte./ In Kaibas Armen ... Nein, er sollte sich lieber nicht allzu lange mit diesem Gedanken beschäftigen, noch dazu, weil ihn wieder dieses störende und nicht gerechtfertigte Gefühl der Eifersucht zu übermannen drohte. War er anormal? Um noch mal zu meinem ursprünglichen Ausgangspunkt zu kommen. Alister hier?! Er hatte damals für Dartz gearbeitet, genau wie Valon. Aber hieß es nicht immer, Alister würde Kaiba hassen? Hatte Joey nicht immer angenommen in ihm einen Seelenverwandten, was die Abneigung gegen Kaiba anging, gefunden zu haben? Warum arbeitete er dann hier? Alisters Blick wanderte suchend durch das Büro, fiel auf den Ledersessel hinter dem Glasschreibtisch und blieb an Joey hängen. „Was geht denn hier ab?“ Joey wollte sich nicht vorstellen, wie er reagiert hätte, hätte er sich in seinem Leben jemals mit einem Hund im Sessel eines Firmenleiters konfrontiert sehen müssen. Was er jedoch wusste, war, dass das daraus resultierende Bild befremdlich und in keinster Weise natürlich wirken konnte. Vielmehr paradox. „Er ist Kaiba-samas Hund", schaltete Nico sich ein und bewahrte Alister offenbar vor einem nahenden Nervenzusammenbruch. Der Rothaarige schnappte überrascht nach Luft. „Kaibas Hund? Kaiba hat einen Hund?!" „Du hast es erfasst, Hübscher." Alister Hob den Kopf und fixierte einen Punkt an der Wand neben Joey. „Hübscher? ", wiederholte der Grauäugige forschend und verengte Nachdenklich die Augen. Joey folgte seinem Blick und stöhnte innerlich. /Da ist die Kamera? Und ich hab sie nicht bemerkt, ich Idiot. Aber clever gemacht. Schön versteckt in den Portrait des weißen Drachen./ „Nico?“ In Alisters Stimme lauerte Misstrauen. „Brennen deine Schaltkreise gerade durch? Hübscher? Ich bitte dich!" „Nicht, dass ich wüsste, Alister", kam es höflich zurück. „Ach meinst du, ja? Ich habe aber das Gefühl, dem wäre so." „Wie kommst du darauf, Hübscher?" Stumm und verblüfft sah Joey zwischen dem Portrait und Alister hin und her. Was bitte ging denn hier ab? Schaltkreise? Durchbrennen? Wo waren sie denn hier? Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Was, wenn Nico in Wirklichkeit ... „Ich habe dich programmiert, Nico", kam es trotzig von Alister, „Meinst du nicht, dass ich durchaus berechtigte Annahmen hege, wenn ich sage, dass etwas mit dir nicht stimmt." Joey spürte, wie unter seinem Fell jegliche Farbe aus seinem Gesicht wich. Das konnte doch nicht sein. Das durfte doch nicht sein. Unmöglich. Nico war...nein, N.I.C.O war ein ... /Ein Programm? Ein dummes Programm?! Ein Computerprogramm, mehr nicht?! Und darauf war ich -/ Irgendwie fühlte er sich verarscht. Und unter all dieser Empörung spürte er, wie ihm das Blut schlagartig zurück ins Gesicht strömte und er unter seinem Fell tiefrot anlief. /Ich war eif - nicht eifersüchtig auf einen Computer? Lieber Gott, was hab ich verbrochen, dass ich so getäuscht werde?/ „Sollte ich von uns beiden nicht am besten wissen, wie es um meine Schaltkreise steht?", fragte NICO gut gelaunt mit einem leicht stichelnden Unterton in der Stimme. Von Alister kam daraufhin nur ein verstimmtes Grummeln. „Um nun zu etwas Ernsthaftem zu kommen", fuhr NICO nun um einiges förmlicher fort. „Du wolltest Kaiba-sama sehen?" „Ja." „Ich an deiner Stelle würde lieber so viel Abstand wie möglich zwischen mir und ihm suchen. Du kannst von Glück reden, dass er gerade nicht hier ist, sondern nur sein Hündchen auf sein Büro aufpasst. Er schien mir sichtlich verstimmt, obgleich deiner Aktion im Schaltraum meines Hauptrechners." Joey sah Alister schlucken. „Ach das. Das war ein Unfall. Ich hab einen falschen Befehl eingegeben und einer der Hauptserver ist ausgefallen." „Das brauchst du mir nicht zu erzählen, Alister", belehrte NICO - ach, es war einfach zu übertrieben das NICO noch überdeutlich zu betonen, blieben sie einfach bei Nico, es kam auf dasselbe hinaus und war nicht so umständlich, „ich war die Erste, die es bemerkt hat." „Stimmt ja", gab der Rothaarige widerwillig zu und fasste sich nachdenklich an den Hinterkopf, „Und du meinst, ich hätte Glück, ihm jetzt nicht über den Weg zu laufen? Ist er so wütend? Wegen diesem kleinen Missgeschick?" "Dieses kleine Missgeschick, wie du es nennst, hat in den unteren fünf Etagen der Kaiba Corporation einen kleinen Stromausfall ausgelöst. Ich denke nicht, dass Kaiba-sama dies entgangen ist." „Was?!", kam es geschockt von Alister, bevor er unruhig wurde. "Verdammt. Das bedeutet - oh Schande, Kaiba lyncht mich." „Wenn du Pech hast, wird er das tun." „Zum Glück ist er im Moment nicht hier. Nur sein ... Hund." Er musterte Joey eingehend, welcher den Blick mühelos erwiderte. „Sag mal, Nico, seit wann hat Kaiba einen Hund?" „Seit etwas mehr als einer Woche." "Ah ja." Noch immer sah Alister den Blonden unverwandt an. „Und warum ist er hier?“ „Er spielt den Wachhund des Büros. Und bevor du fragst, sein Name ist Jose-", setzte Nico bereits an, doch Joey warf dem Portrait einen warnenden Blick zu, was sie abbrechen ließ. „Ich meine Joey", berichtigte sie sich rasch. „Joey?", wiederholte Alister nachdenklich und fasste sich ans Kinn. „Ich kenne den Namen." /Natürlich kennst du den. Valon hat doch, als er damals so erpicht darauf war, sich mit mir zu duellieren, dauerhaft rausposaunt, er wolle, ich zitiere, gegen den Versager, Joey Wheeler, antreten und ihn in den Boden stampfen. Das hat er dir gegenüber doch sicher auch ein, zweimal verlauten lassen, Alister./ „Alister?", fragte Nico Sekunden Minuten später. „ich will dich zu nichts drängen, aber wenn du vorhaben solltest, Kaiba-sama heute aus dem Weg zu gehen, dann möchte ich anmerken, dass sein Büro dafür nicht unbedingt der geeignete Ort ist. Ich möchte dich nicht unnötig beunruhigen, aber er befindet sich derzeit auf dem Weg hierhin." „Was?!“ Alister schreckte auf und sah sich beunruhigt um. „Verdammt, ich muss hier weg, wenn mir was an meinem Leben liegt! Nico, du sagst ihm nicht, dass ich hier war." Mit diesen Worten hastete er zu Tür, riss sie auf und wollte schon hinauseilen, doch dieses Vorhaben wurde durch die Tatsache zunichte gemacht, dass er frontal mit einer Person zusammenstieß. Langsam, wanderte Alisters Blick von der Jacke eines weißen Anzuges nach oben, über eine blaue Krawatte, hoch zu dem Gesicht der Person, aus dem ihm zwei blaue Augen wütend entgegenfunkelten. Joey bemerkte, wie Alister bei dem Blick sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. Verständlich. „Ich muss es ihm gar nicht sagen", bemerkte Nico trocken. „Oh, hallo Kaiba", versuchte sich Alister mit übermäßiger Freundlichkeit aus der Affäre zu ziehen. „Was für ein Zufall, dass ich dich hier treffe." „Das ist meine Firma", stellte Kaiba sachlich fest. Joey hörte an seinem Tonfall, dass er sich stark beherrschen musste, um ruhig zu bleiben. „Ja, das stimmt", gab Alister, noch immer betont fröhlich, zu, „aber ich meine ja auch hier. Ausgerechnet." Er lachte - oder versuchte zumindest einigermaßen überzeugend zu lachen. „Das ist mein Büro." „Oh", anscheinend schien Alister seine Aussichtslosigkeit allmählich zur Gänze bewusst zu werden. „Ja ... stimmt, ja ..." „Aber da du ohnehin schon hier bist", fuhr Kaiba nun um einiges gefasster fort, trat ein, was Alister automatisch ein paar Schritte nach hinten machen ließ, und schloss sorgfältig die Tür hinter sich, bevor er sich wieder dem anderen zuwandte, „kannst du auch gleich hier bleiben. Ich wollte ohnedies mit dir reden." „Weißt du", versuchte Alister anzumerken, „das trifft sich gerade leider ganz schlecht. Ich müsste da nämlich noch etwas Wichtiges erledigen. Ganz dringend. Das kann nicht -" „Alister!" Der Gerufene zuckte zusammen und blinzelte unschuldig. „... ja?" „Setz dich." Diese Worte duldeten keinen Widerspruch, das sah auch Alister ein und so fügte er sich seufzend seinem Schicksal, ging zu dem Schreibtisch und ließ sich auf einem der Besucherstühle nieder. Kaiba nickte zufrieden und ging ebenfalls auf den Schreibtisch zu. Er bemerkte Joey erst, als er direkt neben dem Sessel stand. Eine seiner Augenbrauen schwang elegant in die Höhe. „Was machst du denn hier?" /Das willst du gar nicht wissen./ Natürlich hatte Kaiba mit keiner Antwort gerechnet und so beugte er sich vor, und gab Joey einen sachten Klaps auf den Kopf. „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst dich benehmen?“ Joey begegnete seinem tadelnden Blick mit sprichwörtlichen Hundeaugen. Kaibas Mundwinkel zuckten Kaum merklich, während seine Hand auf Joeys Rücken wanderte und ihn leicht anschob. „Na komm, mach Platz.“ /Das überhöre ich jetzt mal geflissentlich/, murrte Joey, der sich zu seiner eigenen Verwunderung viel zu besänftigt durch Kaibas Hand auf seinem Fell fühlte, obwohl er eigentlich Entrüstung angesichts der Worte hätte spüren sollen. Was war auf einmal mit ihm los? Dennoch gehorchte er der Bitte und sprang von dem Sessel, blickte abwartend zu dem Größeren auf, als erwartete er ein Lob für seine Gefügigkeit. Kaiba nickte ihm zu. „Du kannst es dir in einem der anderen Sessel bequem machen." Dann richtete er sich auf und ließ sich anschließend in einer fließenden Bewegung in seinen Sessel sinken. Er stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab und verschränkte seine Hände ineinander. „Und nun zu dir", sagte er leise und eindringlich zu seinem Gegenüber. Dieser seufzte erneut und wandte den Blick ab. „Ja, ich weiß. Ich hab einen Fehler gemacht. Soll nicht wieder vorkommen." Immer noch leicht irritiert stand Joey neben Kaiba und wunderte sich, über das anhaltende Gefühl der Zufriedenheit. Und das alles nur, weil - er schüttelte einmal heftig den Kopf, um wieder klarer denken zu können. Er brauchte einen gemütliches Ort, um nachzudenken und da bot sich der dunkle Sessel neben Kaibas Schreibtisch geradezu einladend an. „Ich fürchte, ich habe einen Fehler gemacht", sagte Kaiba nun ruhig und ließ Alister dabei keinen Moment aus den Augen. „Wohlmöglich war es ein Fehler, dich hier einzustellen." „Bitte?!", kam es erstaunt von Alister. „Aber Kaiba! - Chef", korrigierte er sich mürrisch, als er die gehobene Augenbraue und Kaibas Blick registrierte. „Das war ein Fehler, so was kommt vor." „Du hast einen Teil des Hauptservers und einige Etagen meiner Firma lahm gelegt", bemerkte Kaiba gereizt. „Von so was kommt vor kann da nicht die Rede sein.“ „Es war ein Unfall!", beteuerte Alister nachdrücklich. „Ein teurer Unfall", berichtigte ihn Kaiba. „Es tut mir ja Leid", gab der Alister nach und konnte dabei nicht verbergen, dass er sich nicht gerne entschuldigte. Kaiba schüttelte den Kopf. „ Trotzdem kann ich es nicht dulden. Du verdankst die Tatsache, dass du hier noch arbeitest, einzig deinem Talent im Programmieren. Da verwundert es doch eigentlich, wie dir ein derartiger Anfängerfehler unterlaufen konnte." Zufrieden rollte Joey sich auf dem Sessel zusammen, während die anderen beiden ihr Gespräch fortsetzten. Er war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass er ihnen zuhören konnte. Warum hatte er immer noch dieses seltsam zufriedene und erleichternde Gefühl? Etwa wegen Kaiba? Was sollte das denn? Das war doch nicht normal. Schon heute Nacht, als er in Kaibas Bett hatte schlafen dürfen, hatte seine Gedanken ungewöhnliche Richtungen eingeschlagen. Alles, was seine Gefühle momentan außer Kontrolle brachte, hatte etwas mit Kaiba zu tun. Aber das konnte doch nicht sein. Begann er etwa, Gefühle zu entwickeln. Gefühle für ... für ... nein! So war es ganz sicher nicht. Er bildete sich hier irgendetwas ein. Aber warum ... war er dann eben so erleichtert gewesen, als er erfahren hatte, dass Nico nur ein Computerprogramm und keine echte Frau war? Er war doch nicht eifersüchtig auf sie gewesen. War er nicht. Verdammt ... er war eifersüchtig auf sie gewesen. Und es hatte ihn gewurmt, dass Kaiba sich anscheinend so gut mit ihr verstand. Aber jetzt wusste er ja auch, warum. Nico war ein Computer und damit auf der Selben Höhe, auf der Kaiba sich sah. (Sein Ego war schon immer überdimensional groß gewesen.) Typisch. Und er konnte noch nicht einmal behaupten, alles hätte sich zum Guten gewendet, weil er sich jetzt mit seinen verrückt spielenden Gefühlen konfrontiert sehen musste. „Weißt du, Alister", Kaiba machte eine Pause, während der er kurz die Augen schloss, sie eine Sekunde später jedoch wieder öffnete und fortfuhr, „du wolltest hier arbeiten. Es war deine Idee. Du hast von einem Tag auf den anderen plötzlich vor der Kaiba Corporation gestanden und behauptet, du wolltest hier arbeiten. Und alles nur, weil du Schuldgefühle gegenüber mir hättest, wegen der Sache mit Dartz damals, als der dich auf mich gehetzt hat. Ich habe dir an dem Tag gesagt, dass du dich für nichts verpflichten müsstest, aber du wolltest es. Ich habe es akzeptiert. Trotzdem musst du schon etwas leisten, um hier bleiben zu können." „Ich habe etwas geleistet!", entgegnete Alister. „Ich habe Nico entworfen. Ich habe sie auch programmiert." Kaiba musterte ihn abschätzig. „Ich muss zustimmen, Kaiba-sama", schaltete Nico sich nun auch in das Gespräch ein. Mit meiner Entwicklung hat er sich wahrlich selbst übertroffen. Und auch mit der Wahl meines Namens. N.I.C.O. Network Intelligence as a Cybernetic Object. Ich kann behaupten, meine Schaltkreis sind erfüllt von Stolz.“ „Du wurdest programmiert, das zu sagen", stellte Kaiba pedantisch fest. „Aber ja, ich muss zugeben, es bedarf schon einiges an Können, ein Programm wie dich zu entwickeln, Nico. Was nicht bedeutet, Alister, dass du -" Er wurde durch das erneute Öffnen der Tür unterbrochen. Vivian Wong streckte strahlend wie die Sonne den Kopf in das Büro. „Huhu!" Kaibas Mundwinkel zuckte einen Moment lang, doch er fasste sich augenblicklich wieder. Sein Blick allerdings Sprach Bände und sagte mehr als tausend Worte: Gott stehe uns bei. Joey, der in dem weichen Sessel schon leicht eingenickt war, nachdem er alle nervigen Gedanken einfach beiseite Geschoben hatte, schreckte hoch und sah sich panisch um. /Diese Stimme!/ „Ich hoffe, ich störe nicht!" Noch bevor Kaiba, Alister oder in gegebenem Fall Nico etwas hätte erwidern konnte, war Vivian schon gänzlich eingetreten. Sie hielt ein voll beladenes Tablett in Händen und stöckelte mit ihren hohen Absätzen auf den Glasschreibtisch zu. Die Tür hatte sie einfach offen gelassen. „Miss Wong", kam es mahnend von Kaiba. „Wir befinden uns in einer wichtigen Besprechung." „Ich dachte, Sie wollten vielleicht etwas Tee und Kekse." Vivian hatte seine letzte Bemerkung einfach überhört. Sie setzte ein furchtbar gekünsteltes Lächeln auf und stellte das Tablett auf dem Tisch ab. „Wir wollen keinen Tee", sagte Kaiba schroff. „Und Kekse wollen wir auch nicht", fügte er drohend an Alister gewandt hinzu, der bereits einen Arm nach dem Gebäck ausgestreckt hatte, ihn nun jedoch schnell wieder zurückzog und unschuldig zur Seite sah. „Nicht?", fragte Vivian verwundert. „Aber bei einer Besprechung tut etwas Nervennahrung doch sicher gut." „Nein danke." Der Tonfall Kaibas machte ohne Zweifel deutlich, dass dieser das Gespräch für beendet hielt. Anscheinend wollte Vivian sich nicht so schnell geschlagen geben. „Aber Kaiba, jetzt seien Sie doch nicht so. Ich kann Ihnen doch auch etwas anderes machen. Wollen sie Kaffee? Oder Cappuccino? Einen Espresso? Wir können heute Abend auch etwas schönes Essen gehen", fügte sie unschuldig hinzu. Sofort stellten sich Joeys Ohren auf. /Wie bitte?!/ „Vivian", es war das erste Mal, dass Kaiba sie mit ihrem Vornamen ansprach. Sofort hing sie an seinen Lippen. „Ja, was kann ich für Sie tun?" „Verlassen Sie mein Büro und nehmen Sei den Tee und die Kekse mit, bevor ich mich vergesse!" Vivian blinzelte irritiert. „Aber Kaiba –“ „Sofort!" „Wollen Sie wirklich keinen Kaffee? Kaiba!" Die Augenbraue des Firmenleiters begann kaum merklich zu zucken, er versuchte krampfhaft ruhig zu bleiben und zählte innerlich bis zehn. Bis zwanzig ... „Kaibaaa ...“ Fünfundzwanzig ... „Kaibaaa ...!" Einunddreißig ... „Kaiba?", fragte Alister vorsichtig, dem die Anspannung seines Chefs nicht unbemerkt blieb. Neununddreißig... Joey bellte Vivian empört an. /Lass die Finger von Kaiba!/ Sechsundvierzig ... Das Telefon klingelte. Fünfzig. Und Kaiba vergaß sich. oOo „Kaiba?" „..." „Chef?", wurde verdrießlich berichtigt. „Was? ", war die gereizte Antwort. Alister biss gedankenverloren in einen Keks, den er gerade noch ergattert hatte, bevor Kaiba wenige Minuten zuvor der Kragen geplatzt, er Vivian eiskalt hinausgeworfen , anschließend haltlos ins Telefon geschnauzt hatte - nicht darauf achtend, wer am anderen Ende der Leitung war - schließlich ganz einfach alle Telefonleitungen gesperrt hatte und letzten Endes wutschnaubend in seinem Sessel zurückgesunken war. „Wenn du Vivian offensichtlich so wenig leiden kannst, warum hast du sie dann überhaupt erst hier eingestellt?" Erneut stellten sich Joeys Ohren reflexartig auf und er hob den Kopf, den er vorher noch auf seine Vorderpfoten gebettet hatte. /Das würde mich auch brennend interessieren./ Kaiba massierte sich wenige Sekunden lang mit zwei Fingern die linke Schläfe, bevor er einmal seufzte und zu erklären begann: „Das alles verdanke ich nur einem primitiven Versprechen, dass ich jemandem gegeben habe. Es war vor vier Jahren. Ich hatte gerade die Kaiba Corporation von meinem Stiefvater übernommen. Er hatte mir zwar beigebracht, wie man eisern leiten und sich andere willig machen konnte, doch trotzdem beging ich den Fehler, einem Geschäftspartner etwas zu versprechen. Damals wusste ich nicht, wie er das Versprechen später einlösen wollte, doch vor ein paar Monaten schließlich, stellte sich dann heraus, dass ich seine Tochter, Vivian Wong, bei mir einstellen sollte. Und da ich anderen ungern etwas schuldig bin, willigte ich letztendlich auch ein. Mein Glück war einzig, dass nicht festgelegt wurden war, welche Stelle sie belegen sollte und ich beging den zweiten Fehler, als ich annahm, sie wäre als Sekretären halbwegs ertragbar. Dennoch bereue ich es, wenn ich ehrlich bin, denn ich befürchte, der Mann hofft, dass ich irgendwie mit VivianWong zusammenkomme." Das letzte Wort spie er förmlich aus. Joeys Nase zuckte und er fletschte die Zähne. /Wie bitte?! Was will der Kerl?! Zeig ihn mir und ich wird mal ein ernstes - oh Gott, ich tu es schon wieder. Ich werde schon wieder auf jemanden ... es ist doch zum Verrücktwerden!/ Joey vergrub frustriert den Kopf unter dem blauen Kissen des Sessels. /Ich will nach Hause in mein Kuschelkörbchen .../ Kapitel 13: Hinter den Fassaden der Kaiba Corporation (Teil 2) -------------------------------------------------------------- 13. Kapitel: Hinter den Fassaden der Kaiba Corporation II oder auch: „Seto Kaiba und schww ...?!" „Hören Sie", Kaibas Stimme klang mehr als nur ein bisschen gereizt, „entweder Sie akzeptieren die geforderten Bedingungen, oder Sie können sich einen anderen Geschäftspartner suchen." Die Person am anderen Ende der Leitung schien hastig etwas zu erwidern, woraufhin Kaiba ungeduldig begann, mit den Fingerspitzen auf den Tisch zu pochen. „Nein, ich werde es mir auch nicht noch einmal überlegen. Meine Entscheidung steht fest, also nehmen Sie entweder an, oder wir vergessen das ganze." Mit diesen Worten legte er auf und knallte das schnurlose Telefon auf den Tisch. Joey schlug die Augen auf. Er hob den Kopf und warf Kaiba einen fragenden Blick zu. Dieser stützte sich mit den Ellbogen vom Tisch ab und massierte sich die Schläfen. „Wann werden die endlich verstehen, dass mit mir nicht zu verhandeln ist?" „So, wie es sich anhörte, nie", entgegnete Nico und schien tatsächlich belustigt. Kaiba warf dem Portrait des Weißen Drachens einen wütenden Blick zu. „Das war eine rhetorische Frage, auf die ich keine Antwort haben wollte." „Ich weiß." Man konnte sich ein Grinsen zu diesen Worten nur allzu gut vorstellen. /Die spielt mit dem Feuer/, dachte Joey und schnaubte leise. /Mutig von ihr, wo Kaiba sie doch einfach so per Knopfdruck ausschalten könnte. Andererseits ... das mit dem Feuer spielen kenne ich doch nur zu gut. Hab ich bei ihm ja auch immer wieder gerne gemacht. Und das macht Spaß./ „Nico", kam es warnend von Kaiba, der keinen wirklich fröhlichen Eindruck erweckte, „sei vorsichtig, oder ich starte das Backup System und den Ersatzserver. Auf dem ist immer noch dein Vorgängerprogramm gespeichert." „Was bitte?!", erklang es - tatsächlich - entsetzt aus den Lautsprechern. „Kaiba-sama, das können Sie nicht machen, Sie wissen, was das für ein schlechtes Programm ist." Kaibas Mine verfinsterte sich. „Ich habe es programmiert." „Oh -", sie stockte einen Moment, „ja, aber, ach Sie wissen doch Kaiba-sama, ich meine - das Programm ist männlich. Ich lasse mich doch nicht durch ein männliches Programm ersetzen." Der Blauäugige fasste sich an die Stirn. „Herrgott, Nico." Er schloss einen Moment lang die Augen. Die nächsten Worte sprach er mehr zu sich, als zu ihr. „Ich hätte Alister verbieten sollen, dir eine Persönlichkeit zu verleihen." „Das hab ich gehört", fauchte Nico. Der Firmenleiter schloss erneut die Augen. „Das und deine Launen. Die hätte ich selbst löschen sollen." „Falls Sie das wirklich in Betracht ziehen, könnte es sein, dass Sie beim nächsten Hochfahren eines Computers einen Stromschlag bekommen." „Willst du mir etwa drohen?" „Nein, nur vorwarnen. Ich weiß ja nicht, wie meine Launen sein werden." Sprach's und schaltete sich selbst ab. Amüsiert beobachtete Joey, wie sich auf dem Gesicht Größeren zunächst Verwunderung, dann Überraschung und letztendlich Unglaube zeigten. „Diese ...", er suchte offenbar nach passenden Worten für ihr Verhalten. Innerlich war Joeys Grinsen so breit, wie sein Gesicht. Tja, der gute Kaiba hatte wohl offensichtlich nicht damit gerechnet, so abserviert zu werden. Gut so. Der Blonde spürte, wie die alte Joeynatur wieder in ihm hochkam und diese Szene erinnerte ihn entfernt an die Streitereinen zwischen ihm und Kaiba. Dieser schien sich auch nie ganz daran gewöhnt zu haben, dass Joey so ziemlich der einzige war, der es wagte, ihm Kontra zu geben oder zu widersprechen. „Zicke." /Bitte was?/ Nun war Joey doch ziemlich aus dem Konzept geraten. Zicke? Wo? Oder meinte Kaiba mit Zicke etwa - nee, oder? Seto Kaiba nannte sein Computerprogramm Zicke. Das war Zeitungsreif! Oder jemand sollte einen Film daraus machen! Seto Kaiba und das Problem des zickigen Computers Teil eins und auch noch, weil es so schön war, Teil zwei: Die Rückkehr des biestigen Programms. Wäre doch auch mal eine Idee. Joey überlegte. Vielleicht sollte er Regisseur werden - dann müsste er Kaiba nur noch dazu überreden, ins Filmgeschäft umzusteigen, denn er brauchte ja einen überzeugenden Kaiba-Schauspieler. Und wer wäre dafür besser geeignet, als Seto Kaiba persönlich? Er schüttelte den Kopf. Was zum Henker dachte er da? Film? Kaiba und Schauspieler?! Ja drehte er denn jetzt völlig am Rad? Das lag doch sicher alles an diesem Hundekörper! Er sollte Marik bei nächster Gelegenheit mal fragen, ob dieser Körper eigentlich Auswirkungen auf seine Denkweise hatte. In den letzten Stunden fing er an, immer stärker daran zu glauben. Und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Vor allem die Gedanken an den Brünetten liefen in letzter Zeit in Richtungen, die ganz und gar nicht gut waren. In Richtungen, die ganz und gar nicht vorbestimmt waren. Er hoffte, dass das nur vorübergehend so war - das war ja auf Dauer nicht auszuhalten! Irgendwann würde er in diesem Hundekörper glatt durchdrehen und dann hatte er den Salat. Beziehungsweise Kaiba würde den Salat haben, denn er wäre sicherlich der erste, der den verrückten Hund zu spüren bekommen würde. Danach wäre dann Marik dran. Bei ihm würde es Joey nicht so Leid tun, wie bei Kaiba. Kaiba warf einen Blick auf die Uhr. Zwanzig vor zwei. Er erhob sich. „Joey", der Hund sah auf, „ich habe jetzt eine Konferenz, so lange lasse ich dich hier. Keine Sorge, es dauert nicht sehr lange", fügte er hinzu, als Joey ihn vorwurfsvoll ansah. Kaiba drückte auf den Knopf seiner Freisprechanlage. „Alister", sagte er leicht angespannt, "bitte bring dem Hund in zehn Minuten sein Mittagessen rauf. Ich lasse das Sicherheitssystem im Büro ausgeschaltet." Man konnte den Protest Alisters durch die Lautsprecher vernehmen, doch Kaiba trennte, ohne dem Beachtung zu schenken, die Verbindung. „Für dein Mittagessen wäre also auch gesorgt", sagte er, wie nebenbei, zu Joey. Er griff nach der Jacke seines weißen Anzuges und zog sie sich über, anschließend ging er auf den Sessel zu, auf dem Joey lag und strich ihm kurz über den Kopf. „Benimm dich bitte, solange ich weg bin. Nicht wieder auf den Schreibtischstuhl setzen, verstanden?" Joey sah ihn stumm an, war viel zu sehr auf die kleinen Streicheleinheiten konzentriert. Ein schwaches Lächeln huschte für den Sekundenbruchteil über Kaibas Gesicht. „Und falls Vivian Wong den Drang verspüren sollte, sich ein wenig in diesem Büro umzusehen während ich nicht da bin, hast du die Erlaubnis, sie zu verjagen." Ein begieriges Funkeln schlich sich in Joeys Augen und er bleckte die Zähne./Mit Vergnügen werde ich das machen!/ Kaiba kraulte Joey ein letztes Mal hinter den Ohren, dann drehte er sich um und ging zur Tür. „Bis später.“ Mit diesen Worten verließ er den Raum. Die Tür schloss sich hinter ihm. Joey war allein. Ganz allein mit sich selbst. Außer ihm war niemand im Raum. „Na Kleiner, hast du Sturmfrei?" Er verdrehte die Augen. Allein mit sich selbst und Nico - natürlich. In seinem Kopf blitzte eine Idee auf. Er erinnerte sich. Da gab es noch etwas, was er nachsehen wollte. Und Nico würde ihn nicht davon abhalten. Das könnte sie gar nicht. Hoffte er zumindest. Er erhob sich und sprang vom Sessel. Mit einigen schnellen Sprüngen hatte er den Glasschreibtisch erreicht. Er umrundete ihn und stand schließlich wieder vor den Schubladen. Nachdenklich sah er sie an. /Die erste hatte ich, da war nur der Ordner drin. Dann also die zweite./ Er legte, wie schon beim ersten Mal den Kopf schief und wollte den Griff der Schublade schon mit den Zähnen packte, als hinter ihm eine Stimme erklang. „Na, machen wir da weiter, wo wir vorhin aufgehört haben?" Joey zuckte zusammen und ließ augenblicklich von der Schublade ab. Ein Schauer rollte ihm über den Rücken. Dies war ein Déjà-Vu der hinterhältigsten und übelsten Sorte. Musste Nico ihm denn auch wieder so einen Schrecken einjagen?! Knurrend warf er dem Bild des weißen Drachens einen wütenden Blick zu. (Das arme Bild konnte zwar eigentlich nichts dafür, aber Nicos Kamera war nun mal dort angebracht.) „Was denn? Verstimmt, weil ich dich beim Schnüffeln erwischt habe?" /Ja! Kannst du nicht wenigstens für einige Minuten ruhig sein?/ „Nichts lag mir ferner, als dich bei deiner Tätigkeit zu unterbrechen", fuhr Nico mit gespieltem Bedauern fort, „aber da du mir jetzt ja ohnehin deine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkst, werde ich diese Situation nutzen, um dir etwas zu sagen." /Gott, die sollte Politikerin werden. Die schwingen auch solche großen Töne und schwafeln trotzdem um das eigentliche Thema herum./ „Also, wie ich dir vorhin, bevor wir durch meinen Erfinder unterbrochen wurden, erklärt habe, hat Mokuba mir alles erzählt. Und da ich seine Ansichten mittlerweile teile" - /Welche Ansichten?/ - „bin ich der Meinung, dass ich dir ein paar Dinge über unseren lieben Drachen erzählen sollte." Joey legte fragend den Kopf schief. /Sie nennt Kaiba Drachen? Was gibt es denn noch über ihn, was ich nicht weiß?/ „Um genau zu sein, bin ich ein noch recht junges Programm, vielleicht etwa drei Monate alt, aber dass reicht aus, damit ich mir ein detailliertes Bild von Kaiba-sama machen konnte. Einige Dinge daran waren mir bis vor kurzem noch undurchsichtig, aber deine jetzige Anwesenheit scheint die Lücken zu schließen." /Sie schwafelt schon wieder .../ „Kaiba-sama hat in wenigen Situationen ein Verhalten an den Tag gelegt, dass ganz und gar nicht in das Schema passt, welches sein sonstiges Verhalten widerspiegelt. Dieses abweichende Verhalten ereignete sich nicht oft, aber Tatsache war, dass es passierte und jedes Mal wenn es passierte, war jemand in die Umstände verwickelt." Sie machte eine Pause, offenbar um Joey Zeit zu lassen, die Informationen zu verarbeiten. „Du fragst dich jetzt sicher, wer diese Person ist, aber wenn du genau überlegst, ist es sonnenklar." /Ja, nämlich Mokuba./ Nico schwieg noch einige Sekunden, bevor sie weiter sprach. „Wenn du wirklich vom Verhalten so bist, wie ich von Kaiba-sama und Alister aufgeschnappt habe, dann stehst du entweder momentan auf der Leitung oder gehst zumindest von der falschen Person aus." /Soll das jetzt 'ne Beleidigung sein?!/ Nico schien nun ernsthaft ungeduldig zu werden. „Joseph, jetzt überlege mal. Wem gegenüber hat Kaiba-sama sich deiner Meinung nach anders verhalten, als den übrigen Leuten?" /Hm ... Pegasus, Gozaburo Kaiba, Noah, Dartz und nicht zu vergessen Yugi./ „Du bist ein hoffnungsloser Fall, wie ich feststellen muss“, fuhr Nico ihn an. „Denn wenn du genauer nachdenken würdest und deinen Verstand zu etwas anderem benutzen würdest, als Kaiba-sama hinterher zu lechzen, würde dir auffallen, dass er sich jemand bestimmten gegenüber immer - und zwar wirklich so gut wie immer - gegen seine Norm verhält." /Äh ... Alister?/ Joey neigte verwirrt den Kopf. „Du! Du bist es, du dummer Hund. Dir gegenüber verhält er sich anders. Und das nicht mal nur dann, wenn es nur um dich geht, sondern dann, wenn du nur anwesend bist." Joeys Augen wurden bei ihren Worten größer und größer. /Wie bitte? Ich?! Was soll das denn heißen?/ Aus den Lautsprechern drang ein rauschen. Offenbar drückte Nico dadurch ihre Frustration aus. „Du verstehst es immer noch nicht, kann das sein? Also, ich gebe dir jetzt mal ein paar Beispiele, die Mokuba mir unter anderem genannt hat: Zum einen bist du der einzige, mit dem Kaiba-sama sich streitet. Und ich meine richtig streitet, nicht nur ein kalter Kommentar nichts weiter. Nein, mit dir wechselt er mehr als nur wenige Worte und mit niemandem sonst. Zweiter Punkt: Im Battle-City-Turnier - erinnerst du dich - da bist du in der Vorrunde beinahe gegen ihn angetreten. Du warst einer der wenigen, mit denen er sich überhaupt auf ein Duell in der Vorrunde eingelassen hat." /Was für eine Ehre. Ich war froh, dass er kurz bevor wir angefangen haben doch etwas anderes zu erledigen hatte. Dadurch bin ich wahrscheinlich nicht schon zu diesem Zeitpunkt aus dem Turnier geflogen .../ Joey erinnerte sich noch gut an die Worte des Brünetten, kurz bevor sie mit dem Duell hatten starten wollen. Es wird Zeit, dir ein paar Manieren beizubringen. Wie einem Hund in der Hundeschule. Noch heute würde er ihm für diese Worte am liebsten den Hals umdrehen. „Dritter Punkt", fuhr Nico fort, „im Finale des Battle-City-Turniers, bei deinem Kampf gegen Marik. Mokuba hat mir erzählt, dass Kaiba-sama damals recht beeindruckt von deinen Duellfähigkeiten war. Und er hat mir erzählt, dass er seinen Bruder noch nie so aufgewühlt, nach dem Kampf eines anderen erlebt hätte." /Er war beeindruckt? Und aufgewühlt? In dem Kampf hab ich meine Seele verloren, war es vielleicht das, was ihn so aufgewühlt hat? Andererseits, bei dem Kampf gegen Yugi im Halbfinale, da wirkte er ganz er selbst. Da war ich dann auch wieder auf den Beinen.../ „Vierter Punkt", meldete Nico sich wieder zu Wort, „die Sache mit Dartz. Mokuba erzählte, dass du damals erneut deine Seele verloren hast." /Erinnere mich bloß nicht daran./ „Mokuba erzählte außerdem, dass er und Kaiba-sama auf dem Weg zu Dartz' Hauptquartier auf zwei deiner Freunde - Téa und Tristan hießen sie - getroffen sind. Der Junge, Tristan, hatte dich getragen, denn du warst nicht bei bewusstsein und urplötzlich kam eine Meute Ratten auf euch zu. Dein Freund, Tristan, hätte dich vor Schreck beinahe fallen lassen, aber Kaiba-sama hat das wohl verhindert, wenn ich Mokubas Schilderung richtig verstanden habe. Normalerweise ist es Kaiba-sama egal, was mit den Menschen um ihn herum passiert, solange es nur Mokuba gut geht." /.../ „Und um zum vorerst letzten Punkt zu kommen: Die Kaiba Corporation Grand Championchips. Das ist erst ein paar Monate her. Du hast daran Teil genommen, Kaiba-sama hatte zu wenig Zeit. Aber seine Zeit reichte trotzdem aus, um jedes deiner Duelle anzusehen. Und ich meine wirklich jedes. Genügend Kameras waren ja installiert." /Bitte was?! Er hat alle meine Duelle gesehen? Das bedeutet dann ja auch, dass er gesehen hat, wie ich von Siegfried fertig gemacht wurde! Oh Schande, und ich dachte noch tiefer kann mein Selbstwertgefühl nicht sinken. Schönen Dank auch, Nico, dass du mir das sagen musstest! Was kümmert es mich, dass der ach so tolle Kaiba-sama mich die ganze ... die ganze Zeit ... beobachtet ... er hat mich beobachtet? Die ganze Zeit? Mich? Okay, an diesen Gedanken stimmt irgendetwas nicht. Die klingen zu verquer, um wahr zu sein! Aber auch irgendwie ... na ja ... schmeichelhaft. Dass er meine Duelle beobachtet, wo er in der Schule doch immer verkündet, wie unterdurchschnittlich meine Duellfähigkeiten sind. Andererseits warum macht er das ganze? In der Schule so ein Charakterschwein und wenn es niemand mitbekommt ist er anders. Was soll das alles? Ich glaube es ist eins der Phänomene, dass Kaibas schwer zu verstehen sind. Die ganze Sippe ist doch schräg drauf./ „Joseph? Hörst du mir zu?" /Was?/, Joey schreckte auf. Er war viel zu tief in Gedanken versunken gewesen. Er hörte Nico seufzen. Moment, die konnte seufzen? Seltsames Programm ... „Ich glaube beinahe, dass du die Bedeutung meiner Worte noch nicht richtig verstanden hast. Entweder du willst es nicht, oder du bist noch schwerer von Begriff, als ich dachte." /Hey, werde jetzt bloß nicht beleidigend./ „Dann eben auf die schnelle und harte Tour. Joey, du wolltest doch eben noch die Schublade öffnen, oder?" /Hm?/ Joey warf einen Blick über die Schulter auf die Schublade. Er nickte langsam. /Ja, das hatte ich vor, bevor du mich - schon zum zweiten Mal heute - beinahe zu Tode erschreckt hast./ „Tu es", befahl Nico unvermittelt. Der Blonde zuckte überrascht zusammen. /Wie, was war das?/ „Tu es", wiederholte Nico erneut und eine Spur eindringlicher, "Mach die Schublade auf. Dann verstehst du vielleicht endlich." Joey warf dem Gemälde einen konfusen Blick zu. /Du weißt auch nicht was du willst, kann das sein?/ Das war ja schon beinahe schizophren. Und er dachte, das sei eher sein Part. Doch er tat wie ihm geheißen - sollte es doch alles seinen Sinn haben - packte den Griff der Schublade mit den Zähnen und zog sie auf. Während er das tat, schloss er die Augen, um sich auf den Griff zwischen seinen Zähnen zu konzentrieren, doch als er meinte, sie weit genug herausgezogen zu haben, ließ er von dem Griff ab. Er beugte sich neugierig vor betrachtete den Inhalt der Schublade.Seine Augen weiteten sich und ein Kloß bildete sich in seinem Hals. /Unmöglich!/ Ein Zittern durchlief seinen Körper, ergriff von ihm Besitz und er wich verschreckt zurück. /Das kann nicht sein!/ Entsetzen. Anders konnte man das Gefühl nicht beschreiben, welches Stück für Stück Besitz von ihm ergriff. Ihn überfiel, wie eine Bestie. Hinterrücks und ohne Vorwarnung. Erinnerungen strömten auf ihn ein. Erinnerungen und Bilder, die er bis eben nicht hatte einordnen können. Die er bis vor kurzem nicht verstanden hatte, die ihn nicht interessiert hatten. Dinge, die eine völlig neue Bedeutung bekamen. ~*~*~ "Kaiba~a!" Unmerklich zuckte Kaiba auf seinem Platz zusammen, bevor er ruckartig den Kopf wandte und nach rechts sah. Seine Augen verengten sich und sein Mund verzog sich vor unverhohlener Missbilligung. „Wheeler", knurrte er gefährlich leise. „Was willst du? Und was grinst du so dumm?" Joeys Grinsen wurde noch eine Spur breiter. „Och nichts, es sieht nur ziemlich lustig aus, wenn der Ausdruck in deinen Augen zum panischen wechselt, weil du denkst, eins deiner Fangirls würde dich rufen." Der Blauäugige schickte ihm einen weiteren wütenden Blick, wandte sich dann jedoch wieder seinem Laptop zu und begann, Joey ignorierend, weiterzutippen. Der Blonde stutzte, schüttelte dann jedoch den Kopf. „War ja klar, dass der Computer dich mehr interessiert, als das, was um dich herum passiert." „Da gibt es nichts, was mich interessieren könnte", entgegnete der Angesprochene, ohne seine Aufmerksamkeit von dem Bildschirm des Laptops zu nehmen. Joey verdrehte die Augen. „Schon gut, reiche Pinkel ändern sich eben nie." /Damals habe ich es nicht bemerkt. Du gingst mir aus dem Weg. Deine Konterungen blieben öfter aus, als sonst. Deine Aufmerksamkeit, die während unserer Streitereien ausnahmslos mir galt, schwand. Deine kalten Blicke wurden noch frostiger und dein Verhalten noch distanzierter./ ~*~*~ /Und das war nicht nur dieses eine Mal. Tage vergingen, an denen ich nur Luft für dich war. Du hast mich keines Blickes gewürdigt und ich musste mir deine Aufmerksamkeit, wollte ich sie denn wenigstens für eine kurze Zeit erlangen, beinahe schon hart erkämpfen./ „Kaiba..." „..." „Kaiba." „..." „Hör mal, glaub bloß nicht, ich mach das hier zum Spaß. Ich will das genau so wenig, wie du, aber es wurde nun mal so entschieden." Noch immer schwieg der andere, starrte ihn nur kalt an. Joeys Augen begannen zu funkeln. „Würdest du wohl die Güte besitzen und von deinem ach so hohen Ross runterkommen und auch mal was sagen." „Da gibt es nichts zu sagen", entgegnete Kaiba kühl und schulterte seine Tasche. „Du kannst von mir aus den Boden wischen, ich habe besseres zu tun." Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ die Klasse. Joey blieb einige Sekunden verdutzt stehen, bevor er sich aus der Starre löste und, Kaiba hinterher, zur Klassentür hechtete. Er riss die Tür auf und einige schnelle Blicke denn Flur hinauf und hinab zeigte ihm, dass der Blauäugige bereits verschwunden war. Ein Knurren entwich seiner Kehle. „Was bildest du dir eigentlich ein?!", donnerte er, obwohl er wusste, dass die gemeinte Peron ihn vielleicht nicht mehr hören würde, und die Empörung schwang nur allzu deutlich in seiner Stimme mit. „Dich einfach so vor dem Putzdienst zu drücken. Als ob ich nicht auch besseres zu tun hätte. Da sieht man mal wieder, dass reiche Pinkel wie du viel zu verwöhnt für diese Welt sind!" /Mir fiel es nicht auf. Ich stufte dein Verhalten als normal, vielleicht etwas übertriebener als sonst, aber immer noch typisch für dich, ein. Doch das war ein Irrtum. Dessen bin ich mir nun bewusst. Ein Irrtum, den ich erst spät bemerke./ ~*~*~ „Kaiba benimmt sich irgendwie anders, findet ihr nicht auch?" „Ja, irgendwie ist er anders drauf, als sonst." „Ach Unsinn, Yugi, was soll das denn heißen?", fragte Joey und schüttelte lachend den Kopf. „Der ist doch nicht viel anders als sonst. Er ist wie immer eine Tiefkühltruhe ohne Sicherung und ein verwöhnter Geldfuzzi. Was soll daran anders sein?" Yugi warf Téa einen viel sagenden Blick zu, bevor die beiden nur seufzend mit den Schultern zuckten. Joey blinzelte leicht verwirrt. "Wie, was ist denn?" Tristan klopfte dem Blonden auf die Schulter. „Vergiss es, Joey, vergiss es. Nicht so wichtig." /Sie hatten es bemerkt. Sie alle hatten die Veränderung erkannt. Nur ich nicht. Ob ich es nicht konnte oder wollte ist mir selbst schleierhaft. Doch wenn ich jetzt genauer darüber nachdenke, war diese Veränderung doch deutlich zu sehen. War ich etwa so blind?/ ~*~*~ Dumm. Er war ja so dumm gewesen. Das wurde ihm nun bewusst. Er hatte alles übersehen, ignoriert, nicht erkannt, vielleicht nicht erkennen wollen. Doch nun passte alles zusammen. Das Verhalten des Brünetten in der Schule, das Benehmen zuhause bei Mokuba, die Wahl des Namens, den er seinem Hündchen gegeben hatte, die Sorgen, die er sich um einen Jungen aus seiner Klasse gemacht hatte, sich vielleicht noch machte, weil dieser nicht mehr zum Unterricht erschien. Alles setzte sich, wie in einem Puzzle, zusammen, jedes Tei lag nun an seinem Platz, nach dem er, ohne es zu bemerken, die letzten Tage vergeblich gesucht hatte. Alles ergab nun einen Sinn, verband sich wie auch in einem richtigen Puzzle zu einem Bild. Und das Motiv des Bildes ... Er schluckte, der Kloß in seinem Hals wollte nicht verschwinden, nahm all seinen Mut zusammen und machte einige zaghafte Schritte auf die halboffene Schublade zu. Das Motiv für das Puzzle, welches, fertig gestellt, Einblick in das Verhalten Kaiba Kaibas und die Gründe dafür gab, war ... Er warf einen scheuen Blick in die Schublade. Ein Glasbilderrahmen, zu schön eigentlich, um ihn einfach so in eine dunkle Schublade zu legen. Eine kleine Glasfigur an der unteren rechten Ecke des Rahmens, gerade einmal ein Stückchen größer, als ein Fingerhut. Feinste Kleinarbeit, die diese Glasfigur geformt haben musste, Präzisionsarbeit, die sie an dem Bilderrahmen angebracht haben musste. Eine verspielte Pose, ein wedelndes Schwänzchen, kleine Glasaugen, die ihn anfunkelten. Ein Glashündchen, angebracht an dem Bilderrahmen, dem Betrachte des Bildes eine zusätzliche Freude mit sich bringend. Ein Glashündchen. Passend zu dem Motiv des Fotos, welches die Mitte des gläsernen Rahmens schmückte. Ein leicht verwirrter Blick, vor Verwunderung leicht geweitete Augen, blonde Strähnen, die wiederspänstig vor die Augen fielen und sie somit teilweise verdeckten, ein verwunderter Hundeblick wie er im Buche stand. Das Motiv für das Puzzlebild war er selbst. Genau wie das Bild, welches in der Schublade lag. Das Bild, welches Kaiba kurz nach Betreten des Büros in der Schublade hatte verschwinden lassen, nachdem er es noch einmal angesehen hatte. Mit einem abwesenden undefinierbaren Blick hatte er es gemustert. Warum fiel ihm das erst jetzt auf? Und was hatte das ganze zu bedeuten? In seinem Kopf drehte sich alles. Sein Hirn litt an Informationsüberlastung, ein Stechen zog sich durch seine Stirn und er schloss gequält die Augen. Was sollte das ganze? Wieso hatte Kaiba ein Bild von ihm in der Schublade? Das ... konnte doch nicht sein ... Das alles war so unwirklich. Wieso sollte Seto Kaiba mit einem mal so gänzlich von dem Schema abweichen, das Joey sich über all die letzten Jahre hinweg von dem Brünetten erstellt hatte. Warum sollte er mit einem mal Seiten von sich preisgeben, von denen Joey vor einigen Tagen nicht einmal im Traum vermutet hätte, dass der Blauäugige sie besaß? Und warum mochte er dieses neue Bild? Warum gefiel ihm der Gedanke auf eine perfide Art und Weise? Warum mochte er den Seto Kaiba hinter der unfreundlichen Fassade, der sich um seinen Hund kümmerte, sich um seinen kleinen Bruder sorgte und ihn anlächelte. Warum - und das war es, was ihn am meisten beschäftigte - empfand er keine Abneigung mehr, Kaiba gegenüber. Wo war der Hass hin, den er all die Jahre über gespürte hatte, sobald er das kalte Aufblitzen in den Augen gesehen und die frostige Stimme des anderen gehört hatte? Wo war der Zorn geblieben, der jedes Mal Besitz von ihm ergriffen hatte, sobald der Firmenleiter einen arroganten oder abwertenden Kommentar von sich gegeben hatte? Wo war die Verbitterung hin verschwunden, die er nach jedem verlorenen Wortgefecht, wie Feuer brennend, in seiner Brust gespürt hatte? Weg, verschwunden zusammen mit dem alten Bild Seto Kaibas, des eingebildeten, herablassenden, eiskalten Mistkerls, ersetzt von dem Bild des großen Bruders, der sich beinahe schon rührend um seinen kleinen Bruder kümmerte, der seinem Hund ein annähernd liebevolles Lächeln schenkte, sobald er sich sicher war, ihm vertrauen zu können. Joey schüttelte heftig den Kopf. Nein! Das konnte einfach nicht sein! Das war schlicht und ergreifend unmöglich. Lächerlich. Irgendetwas lief hier falsch, irgendwas stimmte hier einfach nicht. Er wich erneut von dem Schreibtisch zurück, schloss fest die Augen, versuchte das Bild, welches sich vor seinem inneren Auge manifestiert zu haben schien, zu verdrängen. Sein Bild. Das Bild aus der Schublade. Das war ein Fake! Nico musste dafür verantwortlich sein, anders konnte es einfach nicht sein! „Ziemlich schwer zu akzeptieren, hm?", fragte Nico und Mitgefühl schwang in ihrer Stimme mit. Doch warum Mitgefühl? Er brauchte kein Mitgefühl! Bloß die Bestätigung, dass das ganze hier nichts weiter als ein dummer Scherz war. Andererseits - vielleicht ja gerade das Mitgefühl, weil es keine Bestätigung dafür gab. Das hieße dann ja - /Scheiße./ Sein Blick schien Bände zu sprechen und Nico fuhr fort: „Sie es ein, er mag dich. Und zwar ziemlich. Dich, Joseph Wheeler. Daran gibt es nichts zu rütteln. Muss ein ziemlicher Schock sein, zu erfahren, das der geglaubte Erzfeind Nummer eins einen gar nicht hasst, so wie man es angenommen hat." /Aber hallo. Das kannst du laut sagen. Er mag mich. Kaiba, mag mich. Gott, dass kann ich tausend Mal denken und es hört sich immer noch unglaubwürdig an. Immerhin er ist nicht nur Mistkerl schlechthin, sondern auch ein ... Junge! (Ich Blitzmerker.) Das hieße dann ja, wenn ich eins und eins zusammenzähle, Seto Kaiba wäre sch ... schw ... schwww-! Schande, ich kann das ja noch nicht mal denken! Kaiba und schwww-! Hilfe, was ist nur plötzlich mit dieser Welt los? Ich fass es nicht, ich fass es nicht! Wenn ich jetzt genau darüber nachdenke, bin ich dem Gedanken Kaiba sei schw ...- na so, eben - nicht einmal wirklich abgeneigt. Überhaupt nicht abgeneigt. Ach du Schande, bedeutet das etwa, ich bin auch schww ... - so, wie er?! Und wenn ja, wenn es unter ganz eventuellen Umständen ganz, ganz vielleicht so wäre, warum fällt mir das dann erst jetzt auf?! Macht sich so was für gewöhnlich nicht früher bemerkbar? Ich mein, keine Ahnung, Bauchflattern oder so was in der Richtung. Herzklopfen, Kribbeln im Bauch oder Glückseeligkeit? Bah! So was Kitschiges! ... Verdammt, genau das hatte ich alles! Bauchflattern, als er mich berührt hat, Herzklopfen, als er mich angelächelt hat, Glückseeligkeit, nachdem er mich gestreichelt hat. Scheiße, ich glaub, ich bin verknallt! Ich bin verschossen in Seto Kaiba. Nee, das kann doch nicht mein ernst sein. Und er in mich! Er empfindet anscheinend wirklich etwas für mich, Joey Wheeler, den verlausten Straßenköter. Wieso wird mir das erst jetzt klar? Diese ganzen Anzeichen, das Verhalten, das er urplötzlich in der Schule geändert hat. Da muss er es bemerkt haben und er hat wahrscheinlich keine andere Lösung gesehen, Dickschädel, der er ist. Okay, mit Gefühlen und dergleichen konnte er noch nie gut umgehen. Mit Gefühlen und dergleichen kann ich genauso wenig umgehen. Das wird das reinste Desaster! Das ist der Untergang! Einen Augenblick. Wenn ich mit Gefühlen und deren Bedeutung nicht umgehen kann, woher weiß ich dann, dass ich verknallt bin? Vielleicht liegt das ja wirklich nur am Hundekörper und ich bilde mir das ganze nur ein. Genau das muss es sein! Das ist nur eine vorübergehende ... Kurzschlussreaktion! Nichts Ernstes, das geht vorbei. Hoffentlich./ „He, was ist? Worüber denkst du nach? Bist wohl auch nicht so abgeneigt, was?" Als Antwort knurrte Joey sie nur gefährlich an. /Ich bin überhaupt nichts! Es ist Kaibas Pech, wenn er so fühlt, aber ich tu es ganz bestimmt nicht! Ich bin nicht schw - so orientiert, wie er, basta!/ „Oh, da ist aber jemand ganz schlecht drauf. Was ist? Du willst mir doch jetzt wohl nicht ernsthaft weiß machen wollen, dass du Kaiba-sama nicht magst. Vergiss es, das kauf ich dir nicht ab. Glaub nicht, dass mir die Blicke nicht aufgefallen sind, die du ihm jedes Mal zuwirfst, wenn er dich ansieht." Joey blinzelte. /Blicke? Welche Blicke?/ „Jetzt sag nicht, dass du das nicht bemerkt hast", sagte Nico ungläubig. „Ach daher weht der Wind. Wir versuchen es auf die altmodische Art und Weise. Verdrängung. Das kannst du gleich vergessen. Mokuba sagt, dass Kaiba-sama es anfangs auch auf diese Art versucht hat, daran aber kläglich gescheitert ist." /Erstens verdränge ich gar nichts und zweitens ist es nicht mein Problem, dass Kaiba nicht mit seinen Gefühlen zurechtkommt. Ich habe alles voll im Griff!/ Wie, um seine Gedanken noch zusätzlich zu unterstreichen, schob er demonstrativ die Schublade mit einem kräftigen Stoß zu. „Ausgezeichnet", bemerkte Nico spöttisch, „spielt jetzt wohl den ganz Taffen. Ich bin beeindruckt." /Ach sei doch still! Du verstehst doch gar nichts. Das ist Männersache./ „Ich frage mich, wie lange du das wohl durchhältst. Vielleicht sollte ich mit Mokuba eine Wette abschließen. Ich bin der Meinung, du hältst es keine zwei Tage durch." /Deine Meinung interessiert niemanden./ „Ich will dich sehen, wenn Kiaba-sama dich das nächste Mal anlächelt. Sicher zerfließt du dann wieder vor lauter Wonne, so, wie du es bis jetzt fast jedes Mal gemacht hast." Joey spürte, wie sich das Fell auf seinem Rücken aufstellte und er fletschte die Zähne. /Wenn du nicht gleich ruhig bist, demolier ich deine Schaltkreise!/ Doch so weit sollte es nicht kommen, denn just in diesem Moment öffnete sich die Tür zu Kaibas Büro und ein ärgerlicher und fluchender Alister betrat das Zimmer. „Was denkt der sich eigentlich?!", knurrte er wütend. „Hol dem Hund sein Mittagessen. Seit wann haben wir hier in der Kaiba Corporation irgendetwas Essbares? Dem werde ich was erzählen. Danke Kaiba, wegen dir und deiner Rücksicht auf Angestellte konnte ich zum nächsten Imbissstand hetzen und der liegt bekanntlich drei Blocks weiter!" Joey legte den Kopf schief. /Ist der jetzt drei Blocks gerannt, um mir was zu Essen zu holen?/ Noch immer vor sich hinfluchend sah Alister sich um, bis er Joey erblickte. „Da bist du ja." Er kam auf den Blonden zu. Vor ihm blieb er stehen und ging in die Hocke. In der Hand hielt er einen Teller, den er Joey nun vor die Nase stellte. „Hier Kleiner, ich hoffe, das magst du. Ist kein Hundefutter, denn die nächste Zoohandlung befindet sich in fünf Blocks Entfernung und so weit wollte ich nun wirklich nicht hechten. Ich hoffe, du magst das." Von mögen konnte keine Rede sein. Wie ausgehungert stürzte Joey sich auf das Steak. Kopfschüttelnd sah Alister dabei zu, wie er das Stück Fleisch verschlang. „Echt mal, da bekommt man ja das Gefühl, du hättest Tage lang nichts gegessen. Dabei glaube ich nicht, dass Kaiba dir nichts zu Essen gibt. Er ist vielleicht manchmal ein Geizhals, aber kein Tierquäler." /Hm?/ Kauend sah Joey auf. Alister wirkte nachdenklich. „Weißt du", sagte er nach einigen Sekunden, „ich hab ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass er mich hier einstellt. Immerhin wollte ich ihm damals seine Seele nehmen, so was ist nicht so leicht zu vergessen. Und trotzdem schien er nicht besonders nachtragend. Alle sagen ihm nach, er sei herzlos, aber ich glaube er ist gar nicht so kalt. Ich mein, irgendwas Gutes muss doch in ihm stecken, wenn er mich ohne Vorwurf einstellt." Gedankenverloren starrte Joey auf seinen, mittlerweile leeren, Teller. Alle sagten Kaiba nach, er sei herzlos. Auch er hatte dies schon oft getan. Und dennoch ... „Ich versteh das nicht, aber er kann gar nicht so herzlos sein. Etwas muss da in seiner Brust schlagen." Ja, etwas schlug dort in Kaibas Brust. Sein Herz. „Er tut zwar immer so unbeteiligt, aber ich glaube, das ist alles nur Teil seiner Fassade. Was meinst du dazu, Kleiner? Wie ist dein Herrchen so, privat?" Joeys Blick war abwesend. Seto Kaiba besaß ein Herz. Und er hatte es verloren. Verloren an ihn. „Ich frage mich, ob es ein gutes Zeichen ist, wenn Kaiba zum Tierfreund wird. Ist doch schon mal ein guter Anfang." Ein Herz. Und Joey war nicht gewillt es anzunehmen. Kapitel 14: Hinter den Fassaden der Kaiba Corporation (Teil 3) -------------------------------------------------------------- 14. Kapitel: Hinter den Fassaden der Kaiba Corporation III oder auch: „Ein Spaziergang, der ist lustig, ein Spaziergang, der ist schön ...“ Joey lag wieder auf seinem Sessel. Er hatte sich zusammengerollt und die Augen geschlossen. Für einen Außenstehenden musste es so aussehen, als würde er schlafen, doch in Wirklichkeit war er hellwach. Alle Versuche vielleicht doch schlafen zu können waren ihm kläglich misslungen, nun lag er dort und versuchte krampfhaft, seine Gedanken daran zu hindern, in eine Richtung zu wandern, die er sich selbst strikt untersagt hatte. Diese Richtung hatte braune Haare, eisblaue Augen und eine umwerfende Figur, die – argh! Es funktionierte einfach nicht! Seit Nico ihm verkündet hatte, Kaiba würde ihn ... sehr mögen, führten seine Gedanken ein verstörendes Eigenleben und selbst der Vorsatz, nichts für Kaiba zu empfinden und alles nur als Einbildung und Folge des Hundedaseins abzuharken, schien nicht wirklich viel zu bringen. Ständig glitten seine Gedanken zu fesselnden eisblauen Augen, einem in leichter Belustigung verzogenem Mund. Es funktionierte einfach nicht, nicht an ihn zu denken. Und das machte ihn innerlich fertig. Es frustrierte ihn gleichermaßen, wie es ihn schockte. Wenn es nur Einbildung war, warum schaffte er es dann nicht, sie zu ignorieren? Das war doch langsam nicht mehr normal! Andererseits - er schlug die Augen auf und seufzte frustriert - was war denn schon normal an dieser Situation? Gar nichts. Er hätte heulen können, wären da nicht diese verdammten Schmetterlinge gewesen, die sich scheinbar geradezu in seinem Bauch eingenistet haben mussten. Merkwürdigerweise schienen sie nicht im Geringsten den Drang zu verspüren, in näherer Zukunft von dort verschwinden zu wollen. Diese Welt war so unfair! ’Alle sagen ihm nach, er sei herzlos, aber ich glaube er ist gar nicht so kalt.’ Ein verzweifeltes Winseln von sich gebend vergrub Joey den Kopf unter den blauen Kissen des Sessels. /Alister, konntest du nicht einfach die Klappe halten?! Diesen Spruch werde ich jetzt nie mehr los!/ ’Etwas muss da in seiner Brust schlagen.’ /Ja verdammt! Natürlich schlägt da was in seiner Brust. Sein Herz, natürlich! Aber das heißt doch nichts, verflucht noch mal. Auch Pegasus besitzt ein Herz, Noah auch oder ... zumindest etwas in der Richtung, auch in Dartz Brust muss so was geschlagen haben und selbst Yami Marik muss ein Herz gehabt haben. Sonst hätten die alle nämlich gar nicht gelebt! Herrgott, da ist es doch klar, dass auch Kaiba so eins haben muss! Wieso beschäftigt mich dieser Satz eigentlich? Und wieso denk ich eigentlich schon wieder an Kaiba?! So toll ist der doch auch wieder nicht. Gut, er sieht ganz passabel aus - ganz gut eigentlich. Nun ja, ziemlich gut, aber – das ist doch jetzt vollkommen irrelevant! Wann kommt der denn von seiner Konferenz zurück? Es ist jetzt halb sechs. So langsam dürfte er doch mal zurückkommen. Von wegen, es dauert nicht sehr lange. Ha, wie nennt er das denn bitte? Ach, auch egal. Was kümmere ich mich überhaupt darum? Es kann mir doch komplett egal sein, wann Kaiba zurückkommt. Der kann meinetwegen bleiben, wo der Pfeffer wächst./ „Na, machen wir immer noch einen auf bockig?“, schaltete sich Nico, die ausnahmsweise mal die letzte Zeit beharrlich geschwiegen hatte, wieder ein. „Oder haben wir endlich eingesehen, dass das ganze nichts bringt?“ Als Antwort erklang von Joey, der noch immer seinen Kopf unter den Kissen verbarg, ein gedämpftes Knurren. „Ah ja“, kommentierte Nico diesen Laut, „bist wohl immer noch nicht zu einer Einsicht gelangt.“ /Lass mich einfach in Ruhe. Schalt dich ab, fahr dich runter, ärgere Vivian, mach was du willst, aber halt endlich deine digitale Klappe, Nico!/ „Du bist selbst schuld, dass du mich jetzt am Hals hast“, fuhr Nico ungerührt fort. „Ich werde dich so lange nerven, bis du zugibst, dass du doch –“ Sie brach ab, als die Tür des Büros aufging. Joey der noch immer die Kissen als Sichtschild missbrauchte, sah nicht, wer das Büro betrat, hörte nur wie die Tür geschlossen wurde und Schritte erklangen, die sich dem Schreibtisch näherten. Er kannte diesen Gang. Ein Räuspern erklang und Joey schluckte. Er kannte dieses Räuspern. „Nico, führst du neuerdings Selbstgespräche?“ Der Blonde zuckte zusammen. Er kannte diese Stimme. /Scheiße./ „Ich führe keine Selbstgespräche“, gab Nico pikiert zurück. Sie schien immer noch leicht sauer auf Kaiba zu sein, weil er ihr angedroht hatte, sie durch das Backup System zu ersetzen. „So etwas habe ich nicht nötig. Meine digitalen Gedanken sind komplex genug.“ „Dann sprichst du also mit dem Hund?“, fragte Kaiba und klang verwundert. „So kann man es auch sehen“, entgegnete das Computerprogramm spitz. „Aber das ist ja auch nicht so wichtig. Ich schätze nicht, dass es Sie interessiert, Kaiba-sama, worüber ich mit dem Hund geredet habe.“ „Nein, das tut es wirklich nicht“, bestätigte Kaiba sachlich. „Zumal diese Konversation recht einseitig sein muss.“ „Na und?“, fragte Nico provozierend. „Etwas dagegen?“ „Jetzt komm mal wieder runter“, wies Kaiba sie scharf zurecht. „Du bist doch nicht ernsthaft immer noch beleidigt? Also langsam übertreibst du wirklich, Nico.“ Nico schwieg. „Dein Schweigen sehe ich als Zustimmung“, sagte Kaiba geschäftsmäßig. „Jetzt kühl endlich deine Schaltkreise ab und bleib ruhig.“ Joey wagte es nicht, seinen Kopf unter den Kissen wegzunehmen, zu groß war die Angst, den Brünetten dann ansehen zu müssen. Zu seinem Entsetzen hörte er, wie die Schritte Kaibas dem Sessel bedrohlich nahe kamen. Der kam doch jetzt nicht ernsthaft hierher? /Bleib da! Bleib stehen! Nicht näher kommen!/ „Was ist denn mit dir los? Ich weiß, es hat länger gedauert, aber es gab da noch einige Probleme, die in der Konferenz geklärt werden mussten“ /Er steht direkt neben mir, das spüre ich. Weg! Geh weg, Kaiba!/ Unvermittelt legte sich eine warme Hand auf seinen Rücken. Joey schreckte zusammen. „Na na, ich tu dir doch nichts.“ Die Stimme des Größeren war beruhigend. „Was hast du denn plötzlich?“ Die Hand auf seinem Rücken fuhr leicht auf und ab. Offenbar sollte ihn das zusätzlich beruhigen, doch es bewirkte eher das komplette Gegenteil. Ein leichtes Zittern durchlief Joeys Körper. /Lass das. Geh einfach weg! Nimm die Hand gleich mit!/ „Geht es dir nicht gut?“ Nun schwang leichte Sorge in Kaibas Stimme mit. Joey kniff gequält die Augen zu. Die Fürsorge des Brünetten war ja nicht auszuhalten. Wo war der eiskalte Seto Kaiba hin? Er wollte ihn zurück! Er zögerte. /Will ich das? Ganz ehrlich?/ Im nächsten Moment hätte er sich für diesen Gedanken Ohrfeigen können (was praktisch recht schwer geworden wäre). Natürlich wollte er das. Die Kissen, die seine Sicht versperrten, wurden beiseite genommen. Joey blickte direkt in das Gesicht von Seto Kaiba. Dieser lächelte ihn an. „Was ist denn? Hast du neuerdings so große Angst vor mir?“ Joey starrte ihn nur stumm an. /Seine Augen sind nicht so kalt wie sonst. Der Blick von ihm ist nicht so eisig, wie sonst immer, in der Schule. Das Lächeln ist nicht spöttisch oder sarkastisch - es wirkt richtig ehrlich. Das ist nicht der Seto Kaiba, der rücksichtslose Geschäftsmann./ Was tat er da schon wieder?! Seine Gedanken gingen wiederholt in die falsche Richtung! Wo sollte das hinführen? „Irgendwas stimmt doch nicht mit dir“, meinte der Brünette nachdenklich und strich Joey über den Kopf. Dem Blonden lief bei dieser Berührung ein Schauer über den Rücken./Reiß dich zusammen!/, wies er sich in Gedanken scharf zurecht. /Was hast du dir denn bitte eben noch vorgenommen? Außerdem gibt es überhaupt keinen Grund für das Verhalten, das du hier an den Tag legst. Kaiba wird schon misstrauisch. Du solltest lieber etwas überzeugender schauspielern, wenn er keinen Verdacht schöpfen soll und du zudem Nico beweisen willst, dass du, was das angeht, nichts fühlst!/ Gedacht getan. Er hob den Blick, den er abgewandt hatte, und sah dem Brünetten ins Gesicht. Er bellte einmal und legte leicht den Kopf schief. Kaiba sah ihn einen Moment lang überrascht an, schmunzelte dann jedoch. „Da hab ich mir wohl umsonst Gedanken gemacht. Es scheint dir ja gut zu gehen.“ „Von wegen“, schnaubte Nico abfällig. „Hast du was gesagt, Nico?“, fragte Kaiba leicht provozierend. „Nein“, entgegnete Nico, „ich hab nur festgestellt, dass Sie sich einen nicht wirklich klugen Hund zugelegt haben, Kaiba-sama.“ Joey fletschte wütend die Zähne und hatte Mühe, sich zurückzuhalten. Am liebsten hätte er jetzt sämtliche Kabel von Nico zerbissen, als Ausgleich für diesen Spruch! Zerbissen? Hatte er das wirklich so gedacht? Er hatte zerrissen gemeint. Oh weh, kam da etwa schon der Hund in ihm ans Tageslicht? Bekam er etwa schon tierische Instinkte? Das konnte nicht sein. Er steckte schließlich nur im Körper eines Hundes. Er besaß nicht dessen Geist. „Wie kommst du darauf Nico?“, fragte Kaiba und nahm seine Hand von Joeys Kopf. „Ich habe meine Gründe“, erwiderte das Programm schlicht. „Wenn du das sagst, bitte. Da du ja sicher alles, was während der Konferenz gesagt wurde, mitbekommen und aufgezeichnet haben dürftest, weißt du ja sicherlich, was wir entschieden haben.“ „Ja, das weiß ich.“ „Wir müssen etwas unternehmen. Industrial Illusion ist in letzter Zeit zu einem zu großen Konkurrenten geworden. Ich kenne Pegasus. Er wird höchstwahrscheinlich versuchen, mit dreckigen Mitteln an meine Firma zu kommen.“ „Ich habe bereist Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Firewall wurde mehrfach verstärkt und abgesichert, alle Zugriffe auf die Firma von Außerhalb sind unmöglich, es sei denn, ich genehmige es und zu Mokubas Sicherheit habe ich Roland zur Villa geschickt.“ „Mokubas Sicherheit hat oberste Priorität“, stimmte Kaiba zu und sein Gesichtsausdruck war mehr als ernst. „Ich werde nicht zulassen, dass Pegasus ihn noch einmal bekommt.“ „Ich weiß“, sagte Nico und klang nun um einiges versöhnlicher, als eben noch, „dafür bin ich ab jetzt zuständig. Ich werde es ebenfalls nicht zulassen, Kaiba-sama.“ „Das hoffe ich, Nico.“ „Nein“ „Doch!“ „Nein!“ Kaiba wandte den Kopf, ebenso Joey. Gedämpft durch die schwere Holztür, drangen zwei, trotzdem noch recht laute Stimmen. Vivians Stimme war leicht rauszuhören, war es doch generell schwer, diese Stimme zu überhören, und die zweite ließ sich ebenfalls problemlos Alister zuordnen. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“, fragte der Brünette leicht genervt. „Lass mich durch, ich muss zu Kaiba!“ „Niemand kommt zu Kaiba-san! Wenn du ihm was geben willst, dann gib es mir. Ich werde es an ihn weiterleiten!“ „Vergiss es, das mach ich persönlich!“ „Du kommst da nicht rein!“ „Oh doch, und wenn ich dich eigenhändig aus dem Weg räumen muss!“ „Willst du mir etwa drohen, Rotfuchs?“ „Ja, wenn du es so sehen willst, Chinatante!“ Joey warf einen vorsichtigen Blick auf den Brünetten. Seine Vorahnung bestätigte sich. Kaiba hatte die Augen geschlossen, versuchte offenbar, sich zu beruhigen, doch seine bereits gefährlich zuckende linke Augenbraue zeigte, dass Beruhigen es im Moment nicht wirklich brachte. „Kaiba-sama, langsam bis zehn zählen. Und wenn das nichts bringt, dann noch einmal bis zwanzig“, riet Nico ihrem Chef. Dieser öffnete die Augen. Joey schluckte. Dieser Blick war mehr als nur ein wenig gefährlich. „Ich habe bereits innerlich bis zwanzig gezählt, Nico“, knurrte Kaiba und seine Stimme zitterte, als ob er sich stark anstrengen musste, um nicht einige Oktaven lauter zu sprechen. „Denken Sie an etwas Schönes, Kaiba-sama“, war ein weiterer Tipp Nicos, „das beruhigt die Nerven.“ „Es gibt im Augenblick nichts Schönes, an das ich denken kann.“ „Lass mich jetzt sofort vorbei, oder ich werde –“ „Nein, ich lasse dich nicht durch!“ „Nur weil du Kaibas Sekretärin bist, brauchst du nicht zu glauben, alles bestimmen zu können!“ „Ach ja?“ „Ja!“ „Ich lass dich trotzdem nicht zu ihm. Du könntest ihn stören!“ „Stören?“, grollte Kaiba. „Stören?!“ „Ganz ruhig, Kaiba-sama. Bleiben Sie ganz ruhig.“ /Genau! Denk an die Unschuldigen, die dabei draufgehen könnten. Ich zum Beispiel./ „Ich bin ruhig“, zischte der Brünette. „Aber die beiden vor meiner Tür nicht!“ „Das lässt sich sicher regeln“, versuchte Nico ihn zu beschwichtigen. „Nur die Ruhe.“ „Du bist die einzige, die ihn stört!“ „Ich?! Ich würde ihn nie stören! Wenn hier einer stört, dann du!“ „Ach ja wirklich?!“ „Ach ja wirklich!“ „Von Ruhe merke ich hier nicht die Spur“, fauchte Kaiba das Computerprogramm an. /Ich auch nicht./ „Verschwinde endlich!“ „Ich denk ja gar nicht dran, Schnepfe!“ „Werd nicht anmaßend, Kleiner!“ „Ich bin ja wohl größer als du!“ „Na und?“ „Lass mich durch!“ „Mir reicht’s!“, keifte der Brünette. „Endgültig!“ „Aber Kaiba-sama –“ „Nichts ’aber Kaiba-sama’! Ich hab genug!“ /Oh, oh. Es braucht schon einiges, um ihn aus der Fassung zu bringen. Und wenn es dann so weit ist, sollte man schnellstmöglich das Weite suchen!/ „Joey“, richtete Kaiba sich an den blonden, welcher verschreckt zusammenzuckte. /Friss mich nicht./ „Du bleibst gleich dicht hinter mir, ja?“ Verschüchtert nickte Joey. /Wenn du mich dafür leben lässt./ Kaiba drehte sich um und marschierte zur Tür. Joey rappelte sich schnell auf und folgte ihm. /Gleich geht’s los. Gleich gibt’s ein Donnerwetter à la Kaiba Kaiba. Und ich hab in diesem Körper doch so empfindliche Ohren./ „Kaiba-sama, was haben Sie denn jetzt vor?“, fragte Nico verwirrt. „Wir führen unsere Unterhaltung heute Abend in der Villa fort“, antwortete der Brünette kurz angebunden. „Was soll das denn heißen?“, fragte Nico, nun ernsthaft aus dem Konzept gebracht. „Bis heute Abend!“, verabschiedete Kaiba sich und sein Tonfall sagte zweifelsohne, dass das Gespräch für ihn beendet war und er keine Widerrede duldete. „Was immer Sie sagen“, seufzte Nico resigniert. Doch Seto Kaiba hörte ihr schon gar nicht mehr zu. Stattdessen griff er nach der Türklinke und riss die Holztür beinahe schon auf. Joey schlüpfte so schnell wie möglich an ihm vorbei. „Sicherheitssystem aktivieren“, hörte der Blonde Nico noch sagen, bevor die Tür sich mit einem lauten Knall hinter ihnen schloss. Alister und Vivian wurden durch dieses Geräusch aus ihrer Meinungsverschiedenheit gerissen. Überrascht starrten sie den Firmenleiter an, dessen Blick zorniger nicht hätte sein können. „Lasst euch nicht stören“, sagte er schließlich mit beinahe schon giftigen Zynismus in der Stimme und schritt an den beiden vorbei, ohne sie noch eines einzigen Blickes zu würdigen. „Ich mache für heute Feierabend. Viel Spaß noch.“ Sein Tonfall hätte nicht weniger zu diesen Worten passen können. Er betrat, dicht gefolgt von Joey, der bei den vor Staunen offen stehenden Mündern Vivians und Alisters belustigt schnaubte, den Fahrstuhl, den Nico bereits auf dieses Stockwerk beordert hatte und dessen Türen sich schon für sie geöffnet hatten. „Aber Kaiba“, rief Alister seinem Chef hinterher. Er wedelte mit einer Mappe, die er in der Hand hielt. „Was ist denn hiermit? Ich dachte, du brauchst die bis heute Nachmittag noch! Was glaubst du, warum ich wohl versuche, mich an ihr“, er deutete über seine Schulter auf Vivian, die beleidigt das Gesicht verzog, „vorbeizukämpfen?“ Kaiba warf ihm einen kühlen Blick zu. „Schön für dich, Alister, aber ich mache trotzdem Feierabend. Schick mir die Datei zu, ich werde mich heute Abend darum kümmern.“ „Warte mal –“, wollte Alister protestieren, doch die Türen des Fahrstuhls schlossen sich bereits und sie sahen durch die Glastüren nur noch, wie die Lippen des Rothaarigen aufgebracht Worte formten und er heftig in Richtung Vivian gestikulierte. Kaiba hob grüßend die Hand, winkte ihm ein letztes Mal zu und schenkte ihm ein spöttisches Lächeln gepaart mit einem schadenfrohen Blick, bevor der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte und nach unten fuhr. Joey konnte noch sehen, wie Alister die Mappe wütend auf den Boden knallte und offenbar einige schöne Flüche von sich gab, woraufhin Vivian ihn scheinbar scharf zurechtwies, bevor die Szenerie aus ihrem Blickfeld verschwand, da sie das nächste Stockwerk passierten. /Armer Alister/, dachte Joey belustigt und eine Spur mitleidig zugleich. /Muss ja frustrierend sein./ „Erdgeschoss“, verkündete Nicos Stimme und der Fahrstuhl hielt an. „Bis heute Abend, Kaiba-sama.“ Kaiba schien es offenbar nicht für nötig zu halten, etwas zu erwidern. Er nickte nur und verließ den Fahrstuhl. Mit raschen Schritten näherten sie sich den Glastüren, die als Ein- und Ausgang der Kaiba Corporation dienten. „Auf Wiedersehen, Herr Kaiba!“, verabschiedeten ihn die beiden Zwillingsassistentinnen hinter der Rezeption freundlich und verbeugten sich höflich. Kaiba schenkte ihnen keine Beachtung, verließ mit Joey ohne ein weiteres Wort die Firma. Die Glastüren schlossen sich hinter ihnen und endlich – zu Joeys Erleichterung – blieb der Brünette stehen. Er atmete einmal tief durch, bevor er den Kopf wandte und auf Joey hinab sah, der sich hechelnd neben ihn gesetzt hatte. „Hab dich wohl etwas zu sehr gehetzt, was?“, stellte er mit einem minimalen Lächeln fest. Joey sah ihn vorwurfsvoll an. /Das kannst du laut sagen. Musst du immer so übertreiben?/ Kaiba hob den Blick und sah auf die befahrene Straße, an welche die Kaiba Corporation grenzte. Er schnaubte leise. „Dank unseres unvorhergesehenen Aufbruchs haben wir keine Mitfahrgelegenheit. Roland ist in der Villa bei Mokuba und von dort rufe ich ihn nur ungern weg. Joey“, er richtete seine Augen wieder auf Joey, welcher schlucken musste, als er das ungewohnt lebendige Funkeln in den blauen Kristallen bemerkte, „was hältst du von einem kleinen Spaziergang?“ verdutzt neigte Joey den Kopf. (Sollte er sich wegen dieser Angewohnheit Sorgen machen?) Spaziergang? Klang nicht schlecht – in seinen Hundeohren klang dieses Angebot geradezu verlockend. Wieso nicht. Als Zeichen, dass er einverstanden war, erhob er sich und sah Kaiba erwartungsvoll an. Dieser nickte kurz wand sich dann um und ging los, gab Joey mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er ihm folgen sollte. /Ach, das hast du also vor/, dachte Joey, dem die Richtung, in die der Brünette sich gewandt hatte, nicht entgangen war. /Da willst du hin. In den Park. Ja, für einen Spaziergang der am meisten geeignete Ort./ Ohne Proteste lief er hinter dem größeren her, welcher, ohne sich umzudrehen, weiterging. Er schien sich sicher zu sein, dass Joey hinter ihm war. Die neugierigen und offenkundig interessierten Blicke der Passanten, die ihnen auf dem Bürgersteig entgegenkamen, ignorierte der Brünette geflissentlich. Natürlich erregte er Aufmerksamkeit. Seto Kaiba sah man für gewöhnlich nicht nachmittags auf der Straße, in Begleitung eines kleinen Hundes, der offensichtlich zu ihm gehörte. Dies war eine Premiere. Zum einen zeigte es, dass Seto Kaiba offensichtlich seine Firma auch verließ und zum anderen, dass er kein derartiger Bastard sein konnte, wie er immer genannt wurde. Gut für die Publicity, zweifellos, doch dies schien den Mann mit den eisblauen Augen nicht im Geringsten zu interessieren. Weder die bewundernden Blicke, die man ihm schenkte, noch das Gekicher einiger Mädchen, die ihn verliebt ansahen und hinter vorgehaltenen Händen eifrig miteinander tuschelten. All das ging an ihm vorbei, als würde die Umwelt in seinen Augen überhaupt nicht existieren. Joey musste zugeben, dass ihn dieses Verhalten - all seinen Vorsätzen zum Trotz – beeindruckte. Er selbst konnte die Umwelt nie komplett ausklammern. Allein das alberne Gekicher dieser nervigen, einfach nur total kindischen, übertreibenden Mädchen ging ihm derart auf die Nerven, dass er am liebsten ... - das durfte doch wohl nicht wahr sein. Er tat es schon wieder! Es konnte ihm doch egal sein, dass diese Teenies Kaiba hinterher gafften und lechzten. Sollten sie doch! Er hatte kein Problem damit. Genau! So und nicht anders war es! Punkt. Aus. Schluss. Um sich von seinen äußerst störenden Gedanken zu befreien sah Joey rasch zur Seite. Sie hatten den Park beinahe erreicht. Überhaupt war das Wetter heute überraschend schön. Für einen Herbstnachmittag konnte man sich eigentlich nicht mehr wünschen. Die Sonne brannte vom Himmel, war zwar schon im Begriff unterzugehen, nur wenige Wolken waren zu sehen und es war angenehm warm. Etwas wärmer als angenehm ... Joey schüttelte sich. Dieses Fell schien die Wärme offenbar aufzunehmen und zu bunkern. Ihm wurde von Minute zu Minute wärmer. Herzlichen Dank und viele Grüße an Marik! Oh, oh. Seine Augen weiteten sich leicht, als er registrierte, wie Kaiba sich seiner weißen Anzugjacke entledigte, sie sich über die Schulter warf und mit der anderen Hand seine Krawatte lockerte. Na holla, der ließ sich aber gehen! Und wieso bitte waren plötzlich die obersten Knöpfe des blauen Hemdes offen?! Nicht gut, gar nicht gut! Er spürte zu seinem Entsetzten, wie sein Blick immer wieder zu dem Ausschnitt des Hemdes wanderte und er jedes Mal Stielaugen bekam. /Aus, Joey! Sieh gefälligst woanders hin! Das darf doch einfach nicht wahr sein. Wieso hab ich mir überhaupt diese ganzen Vorsätze zurechtgelegt, wenn sie überhaupt nichts bringen?!/Sicherheitshalber ließ er sich ein paar Schritte zurückfallen. Allerdings hatte er jetzt guten Blick auf die Rückansicht des Brünetten und wie ihm mit Schrecken bewusst wurde, konnte diese sich in diesem Anzug mehr als nur blicken lassen. Irgendwie ließen sich seine Augen nur ungern von diesem Anblick lösen. Schaudernd legte er einen Zahn zu, bis er wieder neben dem Firmenleiter herlief. Dann lieber Stielaugen, als dass er vielleicht noch zu sabbern anfing. Er schüttelte, wütend auf sich selbst, den Kopf. /Wie schwach!/ Und dennoch ließ sich nicht verleugnen – so sehr er es auch versuchte -, dass Kaiba dieser lässige Look, die Anzugjacke über die Schulter geworfen, die Krawatte locker und die obersten drei Köpfe des Hemdes geöffnet, verboten gut aussehen ließ. /Joey, du bist ein verdammter, dummer, einfältiger, verdammter – ich wiederhole mich – Schwächling! Nimmst dir was vor und schafft es nicht mal, das ganze ’ne Stunde lang durchzuziehen. Wer bist du denn?! Der Anblick von Seto Kaiba lässt dich schwach werden?! Ja wo sind wir denn hier? Ich dachte, du fühlst nichts! Warum bitte benimmst du dich dann nicht so?! Reiß dich gefälligst mal ein bisschen zusammen und zieh das ganze durch!/ Und diesem Entschluss musste er jetzt Folge leisten. Andererseits würde er selbst sich später dafür den Hals umdrehen. Und das sollte mal jemand bei sich selbst versuchen. Mittlerweile hatten sie das Gelände zum Park betreten. Er war nicht stark besucht, nur vereinzelt traf man auf andere Spaziergänger, was eigentlich, angesichts des Wetters verwunderlich war. Doch Joey war es recht, musste er die neugierigen Blicke so nicht mehr über sich ergehen lassen. Sie folgten dem weißen Kiesweg an einer Wiese vorbei, auf der ein Junge mit einem großen Collie Frisbee spielte. Als die Scheibe durch die Luft flog, spürte Joey unmittelbar das unbändige Verlangen, dem Gegenstand hinterherzulaufen. Er blieb wie angewurzelt stehen, seine Ohren stellten sich auf und seine Muskeln zuckten. Er musste sich angestrengt zurückhalten, um dem Frisbee nicht einfach hinterher zu jagen. Was war plötzlich los mit ihm? Woher kam dieses plötzliche Verlangen nach einem Frisbee?! Das war doch nicht normal. Das war kein gutes Zeichen! Wurde er ganz zum Hund?! Bitte nicht! Er versuchte verzweifelt den Blick von dem Jungen und seinem Hund zu nehmen. Ein gequälter Laut entwich seiner Kehle. Nun wurde auch der Brünette auf sein, mit sich selbst ringendes, Hündchen aufmerksam. Er blieb ebenfalls stehen, drehte sich leicht um. Seine Augenbrauen hoben sich, während sein Blick zwischen dem Jungen auf der Wiese und Joey hin und herpendelte. Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht. „Wenn wir wieder in der Villa sind kann Mokuba ja auch mit dir spielen. Ich denke, es würde ihm Spaß machen.“ Leicht gequält sah Joey zu dem anderen auf. /Bitte, führ mich nicht in Versuchung./ Kaiba drehte sich wieder um. „Na komm, lass uns weitergehen.“ /Nichts lieber als das. Alles, bloß kein Frisbee mehr!/ Und so lief er schnell weiter, darauf bedacht, ja keinen Blick mehr über die Schulter zu werfen. Sie waren keine fünf Minuten gegangen, da blickte Joey sich unruhig um. Er spürte, dass jemand ihn ansah. Sein Instinkt – er besaß schon einen Instinkt? Hilfe ... – sagte ihm das. Der Teil des Parks, den sie mittlerweile erreicht hatten, war noch verlassener, als der andere. Bäume säumten den breiten Kiesweg, Vögel zwitscherten, Blätter rauschten. Joeys Ohren zuckten. Er hörte flüsternde Stimmen. Nicht weit entfernt und sie kamen ihm bekannt vor. Misstrauisch sah er sich um. Da! Vielleicht gut zwanzig Meter hinter ihnen sah er drei Schatten hinter einer dicken Eiche verschwinden. Das Flüstern setzte erneut ein. Eins musste man den Hundeohren lassen, sie waren gut. Leider nicht so gut, um auf diese Entfernung erkennen zu können, wem diese Stimmen gehörten. Allerdings - er verdrehte die Augen – er konnte sich schon denken, wem er zwei von den drei Schatten zuordnen musste. Typisch. Er schnaubte abfällig durch die Nase. Bitte, sollten die beiden da hinten doch weiter Verfolgung und Spionieren spielen. Er würde ihnen ihren Spaß lassen. Hoch erhobenen Hauptes marschierte er weiter hinter Kaiba her. Die Schatten lösten sich von der Eiche und schlichen näher. Er hörte schnelle Schritte im Gras, die einige Sekunden lang verstummten und dann wieder einsetzten. Unvermittelt blieb Kaiba stehen und die Schritte verstummten schlagartig. „Mag sein, dass euch dieses kindische Verhalten Spaß macht“, sagte er laut und ohne sich umzudrehen, „aber mir geht es langsam auf die Nerven. Entweder ihr zeigt euch endlich, oder ihr verschwindet aus meinem Blickfeld.“ Joey drehte sich um. Aus dem Schatten eines Baumes trat Marik, gefolgt von Bakura, der einen Schäferhund an der Leine hatte, hervor. Der Ägypter fasste sich an den Hinterkopf und lachte gespielt unbekümmert. „Hallo, äh, Kaiba. Was für ein Zufall, dich hier zu sehen“, meinte er und versuchte so zu tun, als würde ihn diese Tatsache wirklich überraschen. Kaiba drehte sich langsam um. Seine Mine war ausdruckslos, vielleicht eine Spur gelangweilt und seine linke Augenbraue hob sich leicht. „Ja wirklich“, stellte er trocken fest. „Was für eine Überraschung.“ Er warf einen Blick auf den Schäferhund an Bakuras Leine, der neugierige Joey in Augenschein genommen hatte. „Seit wann zu Tierfreunden geworden?“ Marik folgte seinem Blick und grinste nun etwas sicherer. „Tja, wie du siehst, sind wir aus demselben Grund hier, wie du. Wir führen unseren Hund Gassi.“ „Der gehört doch niemals euch“, gab Kaiba skeptisch zu bedenken. „Wie kommst du darauf?“, meldete sich nun Bakura zu Wort, der ebenfalls grinste. „Ist der Gedanke, dass wir unser Herz für Tiere entdeckt haben, wie es bei dir der Fall ist, so abwegig?“ Ein spöttisches Lächeln erschien auf Kaibas Gesicht. „Ja, ich muss zugeben, dass das schon ziemlich weit hergeholt klingt.“ Marik zuckte die Schultern. „Kann ich auch nicht ändern.“ „Aus welchem Tierheim habt ihr den Hund?“, fragte Kaiba mit Blick auf das Tier, welches nun interessiert im Gras herumschnüffelte. „Wieso glaubst du, dass der aus dem Tierheim ist?“, fragte Marik mit gespielter Empörung in der Stimme. Der Firmenleiter sah ihn gelangweilt an. „Ihr wollt mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass einer von euch beiden wirklich einen Hund besitzt.“ Marik starrte ihn einen Moment lang perplex an, fing dann jedoch an zu lachen und klopfte Bakura dabei auf die Schulter. „Hörst du das, Kura? Ich hab doch gesagt, der Hund ist zu groß. Das ist zu offensichtlich. Wir hätten den Mischling nehmen sollen, der war kleiner.“ Bakura, durch Mariks Reaktion sichtlich überrascht, lockerte den Griff um die Leine des Schäferhundes, was dieser sofort ausnutzte und neugierig schnüffelnd auf Joey zukam, welcher verschreckt zurückwich. /Lieber Hund, ganz lieber Hund. Bleib schön da. Komm ja nicht näher. Bleib mir fern./ Doch dem Schäferhund schien Joeys Geruch offenbar zu gefallen, denn er kam trotzdem näher. /Hau ab. Geh weg. Lass mich in Ruhe./ Joey wich weiter zurück, bis er gegen etwas stieß. Ein Blick nach hinten zeigte ihm, dass er Kaiba erreicht hatte und so schnell wie möglich versteckte er sich hinter diesem. Vorsichtig lugte er an Kaibas Bein vorbei auf den um einiges größeren Schäferhund. /Kusch!/ Der Blauäugige sah leicht verwundert auf sein verängstigt wirkendes Hündchen hinab, bevor er den Blick hob. „Pfeift euren Hund zurück, er bedrängt meinen.“ Belustigt musterte Marik Joey. „Na so was, ist dein kleiner Freund etwa Kontaktscheu?“ Er warf Joey einen zweideutigen Blick zu. „Na ja, so kontaktscheu kann er ja nicht sein. Sonst wäre er ja nicht bei dir.“ Sein Grinsen war mehr als anzüglich. Joey knurrte ihn, sich noch immer dicht an Kaiba drückend, an. /Ein Wort noch und ich spring dir an die Kehle!/ „Also, raus mit der Sprache“, meinte Kaiba nun und eine Spur Ungeduld schwang in seiner Stimme mit, „warum braucht ihr diesen Alibi-Hund?“ „So kann man das auch nennen“, stellte Marik amüsiert fest. „Hörst du Kura, wir haben einen Alibi-Hund. Hört sich irgendwie professionell an.“ Bakura antwortete nicht, er war viel zu sehr damit beschäftigt, den Schäferhund unter Kontrolle zu halten, welcher versuchte, sich von der kurzen Leine loszusagen und zu Joey zu gelangen, der sich unbewusst noch etwas dichter an den Brünetten drückte. „Alibi-Hund“, wiederholte Marik noch einmal und lachte leise. „Wirklich nicht schlecht.“ „Könntest du vielleicht aufhören, über diesen Ausdruck zu sinnieren und mir mal helfen“, fauchte Bakura wütend, alle Kraft aufwendend, um den Hund dazubehalten. „Was machst du denn schon wieder?“, fragte der Blassblonde genervt und wandte sich zu dem Weißhaarigen um. In diesem Moment riss der Hund sich endgültig los. Doch er stürzte sich nicht, wie erwartet, auf Joey, der in dem Augenblick zusammengezuckt war - das Tier schien offenbar viel mehr Interesse an dem Ägypter gefunden zu haben. Mit einem Satz riss er diesen und Bakura, welcher versucht hatte, die Leine zu ergreifen, auf den Boden. Vergnügt schleckte er Marik das Gesicht ab. „Uah, was zum –“, stieß dieser geschockt hervor und versuchte das Tier von sich zu schieben. „Kura, nimm den - nimm das weg! Mach was!“ Und während Bakura versuchte, den Hund von Marik runter zu ziehen und dieser nur entsetzte Laute von sich gab, richtete der junge Firmenleiter sich an Joey. „Komm Joey, wir gehen. Ich glaub, du kannst jetzt aufhören, dich wie eine verängstigte Maus an mich zu pressen.“ Joey wurde sich unmittelbar der Nähe des anderen bewusst. Geschockt brachte er Abstand zwischen sich und den Brünetten und sah gebannt auf den Boden. /Das darf doch jetzt einfach nicht wahr sein!/ „Na komm, Hündchen. Steh da nicht rum, wie festgefroren.“ Joey sah benommen auf, setzte sich schließlich in Bewegung und schloss zu dem Blauäugigen auf. Hinter ihnen hörten sie noch die Stimmen von Marik, der Bakura anfauchte, endlich etwas gegen den Hund zu unternehmen und die von dem Weißhaarigen, der nicht minder verstimmt versuchte, Marik klarzumachen, dass das ganze nicht so einfach war, wie der Ägypter sich das vorstellte. /Idioten/, dachte Joey kopfschüttelnd während sie um die nächste Biegung bogen, vergaß für einen Moment seine eigenen Probleme. „Ich schätze, der Weg von der Kaiba Corporation zur Villa ist doch etwas weiter, als ich dachte“, stellte Kaiba zwanzig Minuten später nachdenklich fest. „oder aber, der Park ist einfach wesentlich größer, als ich ihn in Erinnerung hatte.“ Er erblickte eine Bank, ganz in ihrer Nähe, schlenderte auf sie zu und ließ sich auf ihr nieder. Joey haderte einige Sekunden mit sich, sprang dann jedoch neben Kaiba auf die Holzbank. Nachdenklich sah er in den, sich langsam dunkelrot verfärbenden Himmel. Tja, es war nun mal Herbst, da wurde es eben schneller dunkel. „Was ist heute eigentlich mit dir los?“, fragte Kaiba nach einigen Sekunden der Stille, in denen man nur das Zirpen der langsam erwachenden Grillen hörte. „Du benimmst dich so seltsam.“ /Ja, dieser Tag fällt bei mir auch definitiv nicht unter die Kategorie ‚normal’. Nach dem, was ich heute alles erfahren habe.../ Er sah den Brünetten leicht betrübt an. /Ich kann es immer noch nicht glauben. Seto Kaiba mag mich. Mich, Joey Wheeler. Unfassbar. Der Typ ist wirklich.../ Joey dachte diesen Gedanken nicht weiter, da er dem Brünetten unverwandt in die Augen starrte. Das Blau der Kristalle war klar und funkelte ihn warm an. Der Braunäugige spürte seine Vorsätze von heute Nachmittag mehr und mehr wanken und bröckeln. Und als Kaiba ihn dann auch noch anlächelte - wie er ihn heute noch nicht angelächelt hatte - war es ganz um ihn geschehen. „Du kleiner dummer Hund“, sagte Kaiba beinahe liebevoll und streckte eine Hand aus. Joey sah ihn eindringlich an, dann wurde sein Blick schließlich weich. Na, solange Nico nichts davon erfuhr. Er drückte sein Hundeschnäuzchen an Kaibas Handinnenfläche und brummte zufrieden. /Vielleicht mag ich dich ja doch irgendwie ganz gut leiden./ Und im Park gingen flackernd die Laternen an. Kapitel 15: Wiedersehensfreude mal anders ----------------------------------------- 15. Kapitel: Wiedersehensfreude mal anders oder auch: „ Was habe ich?!“ „Guten Abend, Kaiba-san“, begrüßte sie Jean, das Hausmädchen, und verbeugte sich, als sie in der Villa eintrafen. Verwundert hob sie den Blick, als ihr auffiel, wie ungewohnt ihr Chef heute Abend aussah. Noch immer hatte dieser seine Anzugjacke über die Schulter geworfen und die Krawatte offen um den Hals hängen. „Kaiba-san?“, fragte sie überrascht und spähte nach draußen auf die leere Einfahrt. „Sind Sie heute zu Fuß gekommen?“ „Sieht wohl so aus“, gab Kaiba kühl zurück. „Schließen Sie endlich die Tür, es wird langsam hier.“ Joey stupste ihn an und sah vorwurfsvoll zu ihm auf. /Na komm schon, sei nicht so hart zu der Armen. Eben warst du doch noch ganz anders gelaunt./ Kaiba sah entnervt zu ihm hinab, erwiderte den Blick für einige Sekunden, bevor er sich seufzend geschlagen gab. „Würden Sie bitte die Tür zumachen?“, fragte er betont und sah anschließend wieder auf Joey hinab. Der Blonde stupste ihn erneut an, diesmal etwas sanfter und sah ihn danach fröhlich an. Das Hausmädchen verkniff sich ein belustigtes Schmunzeln – wurde ihr Chef doch gerade von seinem eigenen Hund zurechtgewiesen – und schloss umsichtig die Tür. „Ihr Bruder, Mokuba, hat bereits nach Ihnen gefragt. Ich glaube, er macht sich langsam Sorgen, nachdem aus der Firma keine Antwort kam.“ „Ich werde nach ihm sehen“, gab der Brünette sachlich zurück. „Ähm ... Kaiba-san?“, fragte das Mädchen vorsichtig. „Ja?“, entgegnete dieser und er schien zu ahnen, dass ihn die nächsten Worte nicht erfreuen würden. Offensichtlich gingen dem Mädchen ähnliche Gedanken durch den Kopf, denn sie knetete unruhig ihre Hände und ihr Blick huschte nervös durch den Raum. „Da wäre noch etwas. Ihr Bruder hat Besuch ...“ „Und das bedeutet?“, harkte der Brünette misstrauisch nach. „Nun ja, Muto-san und drei weitere Klassenkammeraden von ihnen sind hier. Sie sind im Wohnzimmer. Mit ihrem Bruder“, fügte sie schnell hinzu, hoffte vielleicht, dadurch Kaibas Gemüt ein wenig beruhigen zu können. /Yugi?/, dachte Joey und seine Ohren stellten sich automatisch auf. /Und die anderen auch? Wo? Wo ist das Wohnzimmer?/ Er sah sich schnell um. /Verdammt, ich war hier noch nicht im Wohnzimmer. Ich war überall, nur nicht im Wohnzimmer. (Eigentlich merkwürdig.)/ Unruhig zog er an dem Hosenbein des Größeren. /Komm schon. Wo ist das Wohnzimmer? Ich muss da hin!/ Kaiba musterte ihn irritiert. „Jetzt erzähl mir nicht, du willst die wieder sehen. Hegst du etwa Sympathien für Muto und seine Gefolgschaft?“ Mit seinem Hundeschwänzchen wedelnd und mit einem Hundeblick sah Joey zu ihm auf. /Kaiba, na los. Komm mit, ich will zu Yugi und den anderen. Wo ist dieses verdammte Wohnzimmer?!/ Kaiba seufzte erneut. „Ist gut. Aber nicht zu lange.“ Mit diesen Worten nickte er dem Hausmädchen ein letztes Mal zu und setzte sich in Bewegung. Joey folgte ihm, begierig darauf, endlich zu erfahren, wo denn genau jetzt dieses Wohnzimmer lag. Sie folgten einigen längeren Korridoren, an vielen verschlossenen Türen vorbei und Joey, der sich mittlerweile wunderte warum um alles in der Welt er auf seinen Entdeckungstouren durch die Kaibavilla nie im Wohnzimmer gewesen war, wurde immer unnruhiger. Die Holztür des Wohnzimmers öffnete sich, als Kaiba die Klinke runter drückte und die Tür aufzog. Joey tapste an ihm vorbei, achtete kaum mehr auf den Brünetten und seine Augen begannen zu leuchten, als er vier nur zu vertraute Gestalten erblickte, die Mokuba gegenüber auf dem großen weißen Sofa saßen, welches das Wohnzimmer zierte und exakt in der Mitte des beachtlich großen und ausgefüllten Raumes stand, und ihre Getränke vor sich auf dem teuer aussehenden Glastisch stehen hatten. Der jüngere Kaiba saß auf einem ebenso schneeweißen Sessel, vor dem Sofa, hatte eine große Tasse (auf der in blauen Lettern KC stand) mit dampfendem Inhalt in der Hand und spielte mit seinem Strohhalm, während er fröhlich vor sich hinlächelte. Joey vergaß vollkommen alle Hemmungen, jagte auf das Sofa zu und wollte schon darauf springen - zu seinen Freunden - doch er wurde von einer Hand in seinem Nacken an eben jeder Handlung gehindert. /Hey!/ Protestierend zappelnd versuchte er sich aus dem Griff zu befreien, nur um festzustellen, dass Kaiba ihn schraubstockfest im Nacken gepackt hatte. /Was soll das denn?!/ Der Blauäugige sah ihn streng an. „Mit diesen Pfoten gehst du mir nicht auf dieses Sofa. Du bleibst unten. Ein Wunder, dass der Teppich noch keine Flecken hat.“ Die Bestimmtheit, die in seiner Stimme lag, duldete keinen Widerstand. Er ließ Joey los, der sich schmollend von ihm abwandte und sich stattdessen seinen Freunden widmete. Glücklich stupste er Yugi am Bein an und sah strahlend zu ihm auf. /Yugi, alter Igelschopf, was bin ich froh, dich hier zu sehen. Wenn du mich nur verstehen könntest, ich hätte dir so viel zu erzählen./ Yugi lächelte beugte sich leicht nach unten und kraulte Joey hinter den Ohren. „Na mein kleiner Freund. Wie geht es dir denn? Hast du uns noch nicht vergessen?“ Während Yugi Joey kraulte und auch Téa sich schmunzelnd anschickte, Joey zu streicheln, wandte sich Duke, der diesmal ebenfalls mit von der Partie war, an Kaiba. „Na, Kaiba, du scheinst deinen Vierbeiner ja gut im Griff zu haben. Was passiert als nächstes? Trittst du dem Tierschutzverband bei? Oder unterstützt du die Pandaschutzaktionen in China?“ Der Spott war dem Dungeon Dice Erfinder deutlich anzumerken und das Grinsen wurde mit jedem Wort breiter. Kaiba gab sich unbeteiligt, stellte sich dicht neben den Schwarzhaarigen, beugte sich leicht hinab und meinte dann mit einem unheimlich beiläufigen Tonfall: „Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig, Devlin, denn es könnte passieren, dass meine Firma zufällig sämtliche Aktien deines Spieleladens aufkauft und du somit vollkommen mittellos bist.“ Die grünen Augen des Würfelträgers weiteten sich leicht und er schluckte schwer. „Na bitte“, sagte Kaiba und richtete sich nun an Yugi, der es inzwischen Téa überlassen hatte, Joey weiter zu streicheln, und den brünetten Firmenleiter stumm ansah. „Also, Muto“, meinte der Blauäugige gelangweilt, verschränkte die Arme und musterte den kleineren abschätzend, „wie kommt es zu diesem unverhofften Besuch?“ „Wir sind wegen Joey hier“, antwortete Klein-Yugi und erwiderte Kaibas Blick problemlos. Dessen Augenbraue wanderte bei diesen Worten leicht in die Höhe. „Wegen Joey?“ Sein Blick schweifte zu seinem Hündchen, das sich weiterhin kraulen ließ und genießend die Augen geschlossen hatte. „Nein Seto“, warf Mokuba ein und stellte seine Tasse mit Kakao beiseite, „sie meinen den Joey.“ „Ah, es geht also um Wheeler“, stellte Kaiba fest und seine Stimme klang wenig begeistert. Der junge Hund öffnete bei diesem nur allzu vertrauten Kosenamen, gepaart mit jenem Tonfall, automatisch die Augen und sah Kaiba von der Seite an. /Hm, ein guter Schauspieler ist er, das muss man ihm lassen./ „Und wieso“, Kaiba schien offenbar nach den passenden Worten zu suchen, „kommt ihr deshalb zu mir? Woher soll ich wissen, wo der Köter sich schon wieder rum treibt?“ Joey schnaubte abfällig. /Wenn du wüsstest!/ Yugi schüttelte den Kopf, griff in die Tasche seiner Jacke und holte einen zusammengefalteten Zettel hervor. Bei Joey begann derzeit etwas zu klingeln. War das vielleicht -? Yugi entfaltete den Zettel und sah einen Moment lang auf die geschriebenen Zeilen, bevor er ihn Kaiba entgegenhielt. „Den hier haben wir bekommen.“ Kaiba starrte einige Sekunden stumm auf den Zettel, bevor er langsam die Hand ausstreckte und nach ihm griff. Joey meinte, kurz gesehen zu haben, wie die Hand des Blauäugigen leicht zitterte, tat es aber im nächsten Moment als Einbildung ab. Unsinn, warum sollte Kaibas Hand zittern? Der jüngere der Kaibas schien aufmerksam jede Regung im Gesicht seines Bruders zu beobachten und diesem schien das nicht zu entgehen. Seine eisblauen Augen flogen über den Text, doch seine Mine blieb unbeteiligte und der Ausdruck in seinen Augen blieb ebenfalls derselbe. Nach einigen Minuten, in denen er die Zeilen anscheinend ein zweites, vielleicht auch ein drittes Mal, gelesen zu haben schien, sah er auf und blickte direkt in Yugis warme Amethyste. „Und“ er brach ab, Joey meinte ein schwaches Beben in der sonst so gefassten Stimme gehört zu haben, „warum zeigst du mir das?“ Yugi sah ihn fest an, sein Blick war klar. „Kannst du dir das denn nicht denken?“ Es war still im Wohnzimmer der Kaibas – alle Blicke lagen auf Kaiba, welcher sichtlich aus dem Konzept gebracht zu sein schien. Kaiba starrte noch einmal auf den Brief, bevor seine Augen wieder den gewohnt eiskalten Ausdruck annahmen und er den Brief vor Yugi auf den Tisch knallte. „Nein, das kann ich nicht. Und wenn ihr nur hierhin gekommen seid, um mich mit irgendwelchen banalen Nichtigkeiten über Wheeler voll zu texten, dann solltet ihr am besten gleich wieder gehen. Ich habe keine Zeit für so etwas. Mir ist es egal, ob Wheeler schreibt, dass er etwas Wichtiges zu erledigen hat, was ihn durchaus für längere Zeit in Anspruch nehmen könnte oder von mir aus sonst wo ist.“ „Aber Kaiba“, protestierte Duke, wollte aufstehen und stieß dabei gegen sein Colaglas. Es schwankte, schien sich einen Moment noch zu fangen und kippte dann schließlich doch vom Tisch, verteilte im Fallen einen Teil seines Inhalts auf das Sofa, den Rest letztendlich auf dem einsblauen Teppich. Kaiba drehte sich ganz langsam zu ihm um. Duke erstarrte und rechnete wohl innerlich bereist mit seinem Leben ab. Kaiba richtete seinen Blick auf den braunen Fleck, der sein Sofa verunstaltete und die gleichfarbige Pfütze, die langsam in seinem Teppich versickerte, bevor sein Blick unheilvoll nach oben wanderte und den Schwarzhaarigen fixierte. Er atmete einmal tief ein und aus, schloss für einen Moment die Augen und meinte dann, mit ruhiger Stimme, in der ein beinahe freundlicher Ton mitschwang: „Devlin, ich werde dir eine Rechnung für den ruinierten Teppich und das Sofa zukommen lassen. Und ihr“, er richtete sich an den Rest der Gruppe, bestehend aus Yugi, Téa und Tristan und seine Stimme ließ nun die Temperatur um sie herum um einige Grade sinken, „ich verlange, dass ihr in spätestens zehn Minuten mein Haus verlassen habt oder ich werde meine Angestellten schicken, um euch entfernen zu lassen.“ Mit diesen Worten drehte er sich um, verließ ohne einen weiteren Kommentar das Wohnzimmer. Die anderen blickten ihm stumm hinterher. Mokuba sah seinem Bruder Kopfschüttelnd nach. „Macht euch keine Gedanken. Das meint er nicht wirklich so. Und Duke, ich denke das mit dem Sofa lässt sich sicher regeln.“ Er lächelte den blassen Dungeon Dice Erfinder aufmunternd an. Joey näherte sich schnüffelnd dem Glastisch mit dem Zettel. /Na, das riecht mir aber ganz nach Marik und Bakura. Da haben die beiden also auch hier Wort gehalten./ Er beugte sich über den Brief. Hey Leute, ihr fragt euch sicher, wo ich bereits die ganze letzte Zeit stecke. Tut mir leid, dass ich euch nicht bescheid gesagt habe, aber das ganze kam auch für mich recht überraschend. Es gibt da diverse Dinge, die sich ziemlich plötzlich ergeben haben und die ich erst erledigen muss, bevor ich wieder zurückkomme. Es gibt noch etwas Wichtiges, was mich durchaus für längere Zeit in Anspruch nehmen könnte. Keine Sorge, diesmal stecke ich nicht in schlimmen Schwierigkeiten. Nichts, was sich nicht lösen lässt. Ich hoffe, ihr versteht das. Joey P.S.: Keine Sorge, ich lande immer auf meinen Pfoten. /Wie bitte?!/ Joeys Nackenhaare stellten sich senkrecht und er knurrte leise. /Der kriegt was zu hören! Was bildet dieser, sich selbst überschätzende Ägypter, eigentlich ein?! Da kann er ihnen ja auch gleich schreiben, dass ich im Körper eines Hundes stecke. Und/, er schluckte und mit einem Mal fühlte es sich an, als sei die Temperatur um ihn herum schlagartig unter den Gefrierpunkt gesunken. /Und Kaiba ... hat diesen Brief gelesen. Bedeutet das, er könnte jetzt wissen, wer ich, sein Hund, wirklich bin?! Oh, verdammt!/ Er warf einen Hilfe suchenden Blick zu Mokuba, der ihn jedoch nicht bemerkte, da er gerade dabei war, Duke noch etwas zu trösten. („Mach dir keine Sorgen, ich werde mit Seto reden.“ – „Lass mal besser, Kleiner, da bezahle ich lieber das Sofa und den Teppich...“) /Was mach ich denn jetzt?/ Eine Hand legte sich auf seinen Kopf und er sah auf. Neben ihm kniete Yugi und lächelte ihn an. Ein Blick an ihm vorbei zeigte ihm, dass Téa, Tristan und Mokuba, damit beschäftigt waren, ermunternd auf Duke einzureden, welcher versuchte ihnen zu versichern, dass doch alles okay und halb so schlimm war. Als Joey seinen Blick wieder auf Yugi richtete, zuckte er im ersten Moment leicht zusammen, als er nicht in die großen leuchtenden Augen Klein-Yugis, sondern in die, um einiges ernster wirkenden, dunklen Amethyste Yamis blickte. Der Pharao lächelte ihn freundschaftlich an. „Keine Sorge, Joey. Ich bin überzeugt, dass er nicht dahinter gekommen ist.“ /Y-yami, was zum –/ „Schon gut. Téa, Tristan und Duke wissen nichts davon. Marik hat lediglich mir erklärt, was passiert ist.“ /Da bin ich aber froh/, meinte Joey leicht sarkastisch. /Noch ein paar mehr und bald wissen es alle außer Kaiba./ Yami runzelte leicht die Stirn. Dann beugte er sich noch ein kleines Stück weiter nach unten und flüsterte: „Sei nicht so pessimistisch.“ /Wa – du hörst, was ich denke?/ Yamis Lächeln wurde zu einem leicht belustigten Grinsen. „Schon vergessen, ich habe auch einen Millenniumsgegenstand.“ /Ach ja. Da war doch was. Dann sollte ich vorsichtig sein, mit dem, was ich denke./ Der Pharao schmunzelte. „Heißt das, da gibt es etwas, dass Yugi und ich ncith erfahren sollen? Etwa über Kaiba?“ /Mist, er kann ja hören, was ich denke. Ich denke einfach an etwas anderes!/ „Zu spät, Joey.“ /So ein verdammter Scheiß!/ „Also bitte, wie redest du mit mir?“, gab Yami leicht pikiert zurück. /Ich rede doch gar nicht mit dir! Ich fluche mit mir!/ „Na dann.“ /Kommt es nicht recht seltsam rüber, wenn du leise mit einem Hund redest und der nicht einmal sichtbare Antworten wie ein Bellen oder so etwas gibt?/ Yami warf einen Blick auf die noch immer beschäftigten vier – sprich, Téa, Tristan und Mokuba, die noch immer auf den, sich mittlerweile geschlagen gebenden Duke, der einfach alle Aufmunterungen und Zusprüche über sich ergehen ließ, einredeten. „Die sind derzeit etwas abgelenkt.“ /Marik kriegt bei nächster Gelegenheit erstmal was von mir zu hören. Dir einfach zu erzählen, was mit mir passiert ist! Was denkt der denn? Wenn der sich nicht etwas zurückhält, weiß es bald die ganze Schule, Kaiba eingeschlossen!/ „Ach?“, meinte Yami und sah ihn nachdenklich an, „Glaubst du, ich erzähle es jetzt, nachdem Marik es mir unter dem absoluten Mantel der Verschwiegenheit gesagt hat, einfach weiter? Glaubst du, Yugi würde das auch nur im Entferntesten zulassen?“ /Oh. Stimmt ja. Nein, ich würde es weder Yugi noch dir zutrauen. Aber was ist mit Marik? Mokuba weiß es auch schon und sogar Nico ist aufgeklärt./ Der Pharao hob eine Augenbraue. „Nico?“ /Kaibas verrücktes Computersystem. Diese Frau treibt mich noch einmal in den Wahnsinn. Tut so, als wüsste sie alles, was mich und meine Gefühle für Kaiba angeht besser und -/ Er brach ab und seine Augen weiteten sich geschockt, als ihm klar wurde, was genau er da gerade herausgeplaudert hatte. Yami sah ihn einige Sekunden sprachlos an, dann fragte er ganz leise und mit Argwohn in der Stimme: „Deine Gefühle für Kaiba? Joey, gibt es da etwas, dass du mir und Yugi erzählen möchtest?“ /Also, eigentlich nicht .../ „Bist du dir da sicher?“ /Äh ... ja?/ „Das hört sich aber nicht danach an.“ °Du kannst es uns ruhig sagen, Joey.° Der Blonde blinzelte irritiert. Zwei Stimmen für eine Person? /Y-yugi?!/ °Ja, ich bin’s.° /Meine Güte, wüsste ich nicht, dass du es bist, würde ich mich für verrückt halten, weil ich schon Stimmen in meinem Kopf höre. Gott, ist das verquer./ Er hörte ein Lachen in seinem Kopf und konnte sich Yugis Gesichtsausdruck dabei nur zu gut vorstellen. /He, hör auf, mich auszulachen/, rügte er seinen besten Freund maulend. °Ich lache dich nicht aus, aber die Situation ist einfach so herrlich irreal.° /Schönen Dank/, schmollte Joey weiter. /Du steckst ja nicht in einem Hundekörper. Wärst du an meiner Stelle, würdest du merken, dass sich das ganze äußerst real anfühlt./ °Jetzt sei doch nicht böse. Ich glaube dir ja°, meinte Yugi und seine Stimme klang beschwichtigend. °Und nun zu unserem ursprünglichem Thema, weswegen ich mich überhaupt eingeschaltet habe: Du und Kaiba?° /Also das ... das musst du falsch verstanden haben./ „Er hat es nicht falsch verstanden“, warf Yami dazwischen. „Genauso wenig, wie ich es falsch verstanden habe.“ /Hast du nicht? Bist du dir da hundertprozentig sicher?/ “Joey“, meinte Yami in einem, sowohl leicht genervten, als auch tadelnden Tonfall. Betreten senkte der gerügte den Kopf. /Na ja ... Nico hat mir erzählt, dass Kaiba .../, er sah auf und blickte Yami flehend in die Augen, /muss ich das wirklich erzählen?/ Der Pharao sah ihn stumm an und dieser Blick sagte Joey mehr, als jedes Wort es getan hatte. /Ist ja gut, aber ihr werdet es mir nicht glauben, das schwöre euch. Sie meinte, dass Kaiba ... dass Kaiba mich wohl angeblich lie ... ber hat, als er zugibt./ „Was heißen soll?“, harkte Yami nach. /Na was wohl/, grummelte Joey. Der eisblaue Teppich schien mit einem Mal unheimlich interessant zu sein. Diese Farbe und die Zusammensetzung waren erstaunlich eisblau ... wie die Augen von - °Bedeutet das, dass er dich°, Yugi schien nach dem passenden Ausdruck zu suchen, der nicht gleich zu viel aussagte, war aber allen Anscheins nach erfolglos und beließ es bei der banalen Wahl, °liebt?! Ich meine, du weißt, wie ich das meine, oder? Ist das so, Joey?° /Ich hör dich nicht, ich hör dich nicht/, wiederholte Joey wie ein Mantra, das ihn stärken sollte, während seine Augen starr auf den Teppich gerichtet waren, der von Sekunde zu Sekunde immer mehr an Faszination zu gewinnen schien. °Ich dich aber, ich dich aber.° „Ach komm, Yugi, jetzt fang bitte nicht auch noch an“, maulte Yami leicht hilflos. °Nein, schon gut. Aber du musst zugeben, ich hab Recht gehabt. Ich hab es dir von Anfang an gesagt.° Joeys Ohren stellten sich bei diesen Worten automatisch auf und sein Kopf schnellte hoch. Was hatte Yugi Yami gesagt? Wobei hatte er Recht gehabt? Er sah, wie Yami sich an die Stirn fasste und ungläubig den Kopf schüttelte. „Ja, du hast es gesagt, aber ich wollte es nicht glauben. Das klang einfach zu wirklichkeitsfern.“ /Worüber redet ihr?/, fragte Joey und seine Gedanken fühlten sich so kraftlos an, wie sie für Yugi und Yami geklungen haben musste. °Also weißt du, Joey, ich dachte mir bereits, dass da irgend so etwas im Gange ist. Aber Yami wollte mir ja nicht glauben.° Joey hätte ihn wohl zutiefst geschockt angesehen, hätte es da nicht die zwei kleinen Probleme gegeben: Zum einen steckte er in einem Hundekörper und war so nicht wirklich in der Lage, irgendwelche Mimik zustande zu bringen, und zum anderen konnte er Yugi derzeit nicht wirklich sehen und es wäre äußerst irritierend, würde er – wenn er es denn könnte – geschockt ins Leere starren. /Du hast es gewusst?!/ °Nein, nicht gewusst, nur geahnt. Und ich hab dich sogar einige Male auf Kaibas seltsames Verhalten aufmerksam gemacht, aber du wolltest das ja offenbar nicht bemerkt haben und hast es als vollkommen natürlich und typisch abgestempelt.° /Oh, ja. Stimmt./ Joey senkte betreten den Kopf. Allen schien Kaibas Veränderung aufgefallen zu sein (setzte man das alle mit Mokuba, Nico und Yugi gleich), nur ihm nicht. Hatte er dann denn überhaupt ein Recht auf die Gefühle, die ihm angeblich entgegengebracht wurden? °Warum solltest du das nicht? Es überrascht mich, dass du so denkst.° Jetzt hatte er doch glatt schon wieder vergessen, dass Yami und Yugi seine Gedanken hören konnten. /Schon gut/, meinte er, versuchte sich seine Niedergeschlagenheit nicht anmerken zu lassen. Vielleicht bildete Kaiba sich seine Gefühle auch nur ein. Vielleicht drehten nur dessen Hormone durch? Woher sollte er, Joey Wheeler, hitzköpfigster Oberschüler der Domino High, dann bitte wissen, dass seine Gefühle ihm nicht vielleicht auch einen dummen Streich spielten? Woher sollte er das bitte wissen? Er spürte die Selbstzweifel, die an ihm nagte, spürte sie, wie nie zuvor in seinem Leben. Ähnliches hatte er das letzte Mal annähernd gespürt, als es darum ging, die Welt vor Mariks dunkler Seite zu retten. Und jetzt? Es ging nicht darum, die Welt vor einer schrecklichen Katastrophe, bestehend aus einem psychopathischen Irren, zu bewahren, sondern einzig darum, dass Seto Kaiba - reichster Jungunternehmer Japans, fanatischer Anbeter des Weißen Drachens mit eiskaltem Blick und letztendlich der Typ, mit der besten Rückansicht, die er je zu Gesicht bekommen hatte – irgendwie auf ihn stand. Wenn das keine Katastrophe war, vor der man die Welt bewahren sollte, dann wusste er auch nicht weiter. °Joey, also wirklich. Ich glaube, du übertreibst.° /Ach ja?!/, fauchte dieser zurück. /Was würdest du denn sagen, wenn du erfahren würdest, dass Seto auf dich steht?/ „Seto?“, fragte Yami nun skeptisch und zog die Augenbrauen in die Höhe. °Also doch nicht mehr ‚Kaiba’. Ich glaube, wir kommen der Sache langsam näher, meinst du nicht auch, Joey?° Dem Blonden wurde mit einem Mal ziemlich heiß und er spürte, wie sein Hundegesicht unter dem Fell glühte. /Nein, das ist mir nur so rausgerutscht .../ Er verstand diesen Patzer selbst nicht. Wieso hatte er Kaiba auf einmal Seto genannt?! °Hm°, überlegte Yugi, °was ich machen würde, wenn ich erfahren würde, dass Kaiba auf mich steht? Ich schätze, ich ... hab keine Ahnung.° Beinahe wäre Joey bei diesen Worten umgekippt. Rechtzeitig konnte er sich noch fangen. /Wie bitte?!/, fuhr er Klein-Yugi in Gedanken an. /Du hast selbst keinen blassen Schimmer, tust aber so, als wäre dir alles klar?!/ /i]°Was mich angeht, weiß ich nicht, wie ich mich fühlen würde. Bei dir allerdings ist das ganze schon recht offensichtlich.° Joey machte große Augen und seine Ohren sanken vor Erstaunen nach unten. /Wie.? Was bitte ist bei mir klar?/, fragte er konfus, wobei Yami leicht schmunzelte, denn das Minenspiel - konnte man es denn so nennen – des Blonden, während des Gesprächs mit Yugi, war amüsant mit anzusehen. °Ist es dir denn überhaupt nichts aufgefallen? Kein gar nichts?°, fragte Yugi ungläubig. /Was soll mir aufgefallen sein? Er war kalt wie immer, nur etwas schweigsamer und weniger redegewandt./ °Ich rede nicht von ihm. Ich rede von dir. Immer noch.° /Oh. Nein, an mir ist mir ganz sicher nichts aufgefallen./ °Joey, beantworte mir bitte eine Frage. Und zwar ganz ehrlich: Bist du blind?° Der Braunäugige stutzte, knurrte dann jedoch entrüstet. /Pass auf, gleich beiß ich dich!/ °Wie denn? Zurzeit habe ich leider keine feste Gestalt.° /Dann hör auf, mir solche Fragen zu stellen!/ °Gut, dann erzähle ich dir jetzt mal was: In der Schule – im Sportunterricht, um genau zu sein - da müssen wir uns vorher immer ausgiebig dehnen. Und um ehrlich zu sein, hast du, wenn ich richtig gesehen habe, in den letzten Wochen bei Sportunterricht dauerhaft auf Kaibas Hintern gestarrt, wenn er sich dabei gebückt hat.° Joey hatte das schreckliche Gefühl, zu fallen. Hätte Yami ihn nicht gehalten, wäre er vielleicht wirklich zur Seite gekippt und einfach ohnmächtig geworden. „Ich fürchte, das war dann doch zuviel für ihn“, hörte er die Stimme des Pharaos aus weiter Entfernung. Er war benommen, fühlte sich schwindelig und schloss die Augen. ’... auf Kaibas Hintern gestarrt...’ Er spürte, wie sich Arme um seinen Hundekörper legten und er hochgehoben wurde. Die Gespräche, die im Hintergrund geführt wurde, brachen abrupt ab. „Was ist mit ihm?“ „He, Kleiner?“ „Mokuba, ich glaube, er sollte sich hinlegen.“ Jemand trug ihn. /...Yami?/ °Schon gut Joey. Tut mir leid, wenn ich dich geschockt habe.° „Warte, ich zeig dir den Weg. Er kommt am besten in Setos Schlafzimmer.“ „Ist gut.“ /Sag Yugi/, flüsterte Joey in Gedanken, zu schwach, um normal laut zu denken. /Hab ich wirklich auf seinen ... hab ich gestarrt? Hab ich wirklich ...?/ Es war ein leichtes Flehen in der Stimme, das Yugi bat, diese Frage doch zu verneinen. Sie als Unsinn abzutun und ihn aufatmen zu lassen. Doch ... °Ja, ich fürchte schon. Und dein Blick war ganz verschleiert.° /Oh mein Gott/, war Joeys letzter Gedanke, bevor er wirklich ohnmächtig wurde. °Ach herrje. Yami, ich glaub, jetzt ist er ganz weg.° oOo /Hm ... riecht gut./ Seine Gedanken waren schlaff und träge, pendelten zwischen Schlaf und dem wach sein hin und her. Konnten sich nicht entscheiden. Wollten sich nicht entscheiden. „Joseph ...“ Er vergrub seine Hundenase in dem weichen Stoff, auf dem er lag, sog den Geruch tief ein. Genoss das warme Gefühl, das ihn durchströmte, als er den vertrauten Geruch aufnahm. So vertraut ... „He, du Hund!“ /Moment./ In seinem Kopf begannen die Zellen zu arbeiten, fügten die vorhandenen Informationen zusammen, bis sie sich manifestierten und er sie innerlich auswerten konnte, was ihn aufschrecken und kerzengerade aufrichten ließ. Hektisch schweifte sein Blick über den Fleck, an dem er bis eben noch selig gelegen und gedöst hatte. /Nein!/ Das durfte nicht wahr sein. Er lag auf dem großen Bett von Kaiba, auf der Seite, auf welcher der Blauäugige zu schlafen beliebte. /Das darf doch nicht wahr sein! Und was heißt hier eigentlich vertrauter Geruch?! Was war an Kaibas Geruch bitte vertraut?! Gar nichts! Und warum zum Henker haben die mich in sein Bett gebracht?!/ ’... auf seinen Hintern gestarrt ...’ /Oh verdammt, nein!/ Schon wieder drohte sein Kreislauf angesichts dieser offensichtlichen Überlastung zusammenzubrechen und er ließ sich geschlagen wieder auf das Bett fallen. Sein Hundekörper schien wesentlich weniger Stress zu vertragen, als sein menschlicher Körper. Tief durchatmen. Ein und aus. Ein und aus. Ein und – /Wie soll man sich beruhigen, wenn man erfahren hat, dass man im Sportunterricht auf den Hintern seines Feindes gestarrt hat?!/ So viel also zur Beruhigung. Gleich würde er wieder einem Nervenzusammenbruch erliegen, soviel war schon einmal sicher. Oder er würde sich vorher mit einem Kissen ersticken, um diese schreckliche Verlegenheit und Entehrung nicht mehr ertragen zu müssen. Der Blick seiner braunen Augen wanderte zu dem großen weißen Kissen, das nur unweit von ihm lag. Irgendwie verlockend. Er robbte langsam näher und musterte den erlösenden Gegenstand einige Sekunden, bevor er seine Schnauze tief in das Kissen drückte und die Augen schloss. Keine zwanzig Sekunden später zog er keuchend und hechelnd seinen Kopf wieder zurück. Benommenschüttelte er den Kopf. /Was für eine dämliche Idee. Aber wirklich./ Er schalt sich in Gedanken einen Idioten und ließ seinen Kopf geschlagen auf das, nach Kaiba riechende, Kissen sinken. „Also wirklich, das wird mir keiner glauben. Ein Hund, der versucht, sich selbst mit einem Kissen zu ersticken. Oder hast du getestet, wie tief du deinen Kopf im Kissen vergraben kannst?“ Joey verdrehte die Augen, regte sich jedoch nicht. /Ich hör dich einfach nicht, Nico. Ich bin tot./ Einige Sekunden blieb es ruhig, dann ergriff Nico das Wort. „Wieso knurrst du denn nicht? Hast du dein zartes Stimmchen verloren?“ /Pah! Ich geb’ dir gleich ein zartes Stimmchen!/ „Dann eben nicht. Ich dachte nur, du wolltest vielleicht reden, nachdem, was Yugi Muto dir erzählt hat.“Joey schnaubte, ohne den Blick zu heben. Er wusste eh nicht, von wo aus Nico ihn hier beobachtete. /Wie soll ich bitte mit dir reden? Ich kann nur bellen und knurren und brummen und sonst was hundisches. Augenblick./ Er hob den Kopf und sah sich um. Er befand sich hier in Seto Kaibas Schlafzimmer und Nico redete mit ihm. Hieß das etwa ...? /Der hat in seinem Schlafzimmer Kameras?! Ist der denn bescheuert? Wo bleibt denn da die Privatsphäre?/ Kaiba wurde ihm von Sekunde zu Sekunde unheimlicher. „Und bevor du dich fragst, woher ich das mit Yugi Muto weiß -“ /Du hast es gehört./ „Ich hab es gehört.“ /Wusste ich’s doch./ „Du hast das Bewusstsein verloren.“ /Was du nicht sagst./ „Mokuba und Yugi Muto“ - /Ich denke eher, Yami./ - „haben dich hier rauf gebracht.“ /Schön./ „Du warst ungefähr eine Stunde weg.“ /Toll./ „Du hast Kaiba-sama im Sportunterricht auf den Hintern gestarrt.“ /Wenn du das -/, er stockte, hob langsam den Kopf und verengte die Augen. /Wie war das?!/ „Jetzt schau nicht so. Dann siehst du noch seltsamer aus.“ Joey knurrte. /Na schönen Dank auch./ ‚... dauerhaft auf seinen Hintern gestarrt ...’ Wieso? Wieso hatte er das gemacht? Er hatte es doch gar nicht wirklich wahrgenommen. Sonst müsste er sich doch daran erinnern können, oder nicht? Eigentlich...müsste der Anblick von Kaibas Rückansicht sich nicht so schnell vergessen lassen. Warum erinnerte er sich nicht mehr daran? Vielleicht war sein Hundegedächtnis einfach nicht so gut, wie sein Menschengedächtnis. Oder er brauchte einfach länger, um sich an verschiedene Dinge zu erinnern. ‚Ich dachte mir schon, dass da irgend so etwas im Gange ist.’ War da etwas im Gange? Wenn er Nico und Yugi Glauben schenken konnte, dann zumindest von einer Seite aus. Aber was war mit ihm selbst? Was empfand er? Er hatte Kaiba auf den Hintern gestarrt, aber das bedeutete nichts. Na ja, doch...irgendwie schon, aber er wusste es ja selbst nicht so wirklich. Also? Was jetzt? Was für Anzeichen gab es da? In seinen Gedanken stellte er eine Liste zusammen: - er mochte den neuen Kaiba (den freundlichen) - er war gerne in dessen Nähe - wenn dieser ihn berührte, kribbelte alles - er starrte ihm auf den Hintern (na toll ...) Gut, das war immerhin schon etwas. Aber war das genug? Was bedeutete das? Er seufzte. Er war noch nie gut in gefühlsmäßigen Dingen. Ein leicht aufheiternder Gedanke schwirrte, wie eine kleine Lichtquelle durch seinen Kopf. Wie muss Kaiba sich dann erst gefühlt haben? Das war eine gute Frage. Woher hatte Kaiba zu wissen gemeint, was er für ihn empfand? „Worüber denkst du nach?“, fragte Nico nach einer Weile. /Vielleicht sollte ich sie fragen/, dachte Joey nachdenklich und legte den Kopf schief. Er richtete sich auf und sah sich um. „Ich bin hier. Über der Tür.“ Er folgte dem ungewohnt hilfsbereiten Wink und wandte sich in die vorgegebene Richtung. Er erhob sich nun ganz, sprang vom Bett und setzte sich drei Meter von der Tür entfernt auf den dunkelblauen Teppich. Durchdringend sah er auf den Fleck über der Tür, an dem er, bei genauerem Hinsehen, einen schwarzen glänzenden Punkt ausmachen konnte. „Du willst mir etwas sagen?“, fragte Nico forschend. Joey nickte. „Und wie?“, harkte sie nach. Genau dort lag das Problem. Wie sollte er sich mit Nico verständigen? Da fiel ihm nur eine Möglichkeit ein. Er seufzte erneut und hob eine Pfote an. Blieb ihm wohl nichts anderes übrig. „Pfote?“, fragte Nico. Er schüttelte den Kopf, erhob sich und stellte sich einige Sekunden auf die Hinterbeine, versuchte mühsam, das Gleichgewicht zuhalten, bevor er sich wieder auf alle Viere sinken ließ. „Männchen machen?“, riet Nico. Wieder ein Kopfschütteln als Antwort. Die nächsten Worte kamen zögerlich. „Pantomime?“ Zustimmend nickte Joey, während er sich wieder hinsetzte. Er hörte Nico leise lachen. „Dann fang an, Joseph. Ich gebe mein Bestes, als Computer.“ Joey tippte mit der rechten Pfote zwei Mal auf den Boden. „Zwei Worte?“ Er nickte. Dann tippte er einmal auf den Boden. „Das erste Wort.“ Wieder ein Nicken. Dann überlegte er. Wie sollte er das darstellen? Eine gute Frage.Er legte den Kopf schief, ließ seinen Blick einen verträumten Ausdruck annehmen und ließ die Zunge hechelnd aus dem Mund hängen. „Du ... sabberst.“ Ein Knurren als Antwort. „Schon verstanden, keine abwertenden Begriffe“, meinte Nico beschwichtigend. „Du hechelst jemandem hinterher?“ Er schüttelte den Kopf. „Geht es in diese Richtung?“ Ein zustimmender Laut. „Hinterher hecheln. Hinterher lechzen“ – ein weiterer zustimmender Laut – „mögen?“ Joey machte eine auffordernde Kopfbewegung. „Mehr?“, fragte Nico nachdenklich. „Mögen, sehr mögen, lieben?“ Der Blonde löste sich aus seiner Position, bellte einmal und nickte. „Verstanden. Erstes Wort: Lieben. Zweites Wort?“ Joey sah sich im Zimmer um. Irgendwo musste doch ein Bild sein. Er fand das Gesuchte auf dem Nachttisch neben dem Bett. Ein Bild aus den Kindertagen der Kaibabrüder. Er tapste zum Nachttisch und nickte mit dem Kopf in Richtung Bild. Er konnte sich schon vorstellen, wie Nico das Bild mit ihrer Kamera näher zoomte. „Kaiba-sama und Mokuba?“ /Nicht ganz. Denk etwas anders./ Er stupste mit der Nase, die linke Hälfte des Bildes an, auf weder Kaiba im Alter von etwa sechs Jahren, mit Mokuba eine Sandburg in einem Sandkasten baute. „Kaiba-sama? Ah, du meinst Kaiba?“ /Ja, du hast es erfasst./ „Lieben und Kaiba. Du liebst Kaiba?“ Joey schüttelte den Kopf. /So meine ich das nicht./ „Du liebst ihn nicht?“, argwöhnte Nico. Wieder schüttelte Joey den Kopf, dieses mal weniger stark. /So meine ich das auch nicht./ „Hast du eine Frage?“ Ein Nicken folgte. „Eigentlich habe ich dir doch schon das wichtigste erzählt. Was willst du wissen? Was er fühlt, weißt du doch schon. Oder willst du mehr wissen? Geht es um dich oder um ihn?“ Joey stellte sich zur Verdeutlichung wieder auf die Hinterbeine. /Um mich natürlich./ „Weißt du, dass du ziemlich niedlich aussiehst, wenn du das machst?“ /Hä?/ Er setzte sich wieder und sah sie schief an. „Schon gut, vergiss das. Es geht also um dich. Wieso? Bist du dir unsicher?“, forschte Nico nach. Joey zögerte, nickte dann jedoch schwach und offenbarte Nico somit, was ihn beschäftigte. „Ich verstehe. Lass mich bitte überlegen. Einen Moment.“ Sie schwieg und schien ihre Festplatte nach einer Lösung zu durchsuchen. Für wenige Minuten kehrte Stille zwischen den beiden ein, während der Joey sich fragte, ob er sich richtig entschieden hatte, Nico das ganze anzuvertrauen. „Ich habe eine Lösung gefunden“, verkündete Nico unvermittelt. Joey, der nicht mit dieser plötzlichen Rückkehr gerechnet hatte, zuckte zusammen und sah auf. /Hoffentlich eine sinnvolle./ „Ich bin soeben sämtliche Informationen über die Liebe durchgegangen, die ich auf meiner Festplatte und im Internet erforschen konnte und habe dir mithilfe dieser Aufschlüsse eine Liste erstellt. Mokuba wird sie dir morgen geben.“ /Warum nicht jetzt?/, dachte Joey vorwurfsvoll. Doch Nico sollte ihm diese Frage unbeantwortet lassen, denn sie ging nicht näher darauf ein. „Ich werde jetzt noch mein Gespräch mit Kaiba-sama zu Ende führen. Darum muss ich mich für heute von dir verabschieden, Joey. Ich wünsche dir eine gute Nacht. Träum schön von Kaiba-sama.“ Mit diesen Worten loggte sie sich aus dem Zimmer. Joey starrte betreten auf den Teppich. /Ja, vielleicht tu ich das wirklich./ Er erhob sich, schlurfte lustlos zum Bett, kletterte hinauf, rollte sich schließlich auf derselben Seite zusammen, auf der er aufgewacht war und bettete seinen Kopf auf das Kissen. Nachdenklich blickte er ins Leere. /Ich schlafe im Bett von Seto Kaiba./ Die Zweideutigkeit dieser Gedanken hob seine bedrückte Stimmung wieder etwas an und nach kurzer Zeit war er friedlich eingeschlafen. Mitten in der Nacht erwachte er noch einmal. Es musste Nacht sein, denn der Mond schien durch die Ritzen der zugezogenen Vorhänge ins Zimmer. Verwundert darüber, was ihn aufgeweckt hatte, sah er sich um. Er lag noch immer auf derselben Seite des Bettes, doch etwas war anders. Da war etwas Warmes, das sich an ihn drückte. Er drehte leicht den Kopf und blickte direkt in das entspannte Gesicht eines schlafenden Seto Kaibas. Im ersten Moment war er paralysiert. Nicht alleine von der Tatsache, dass Kaiba so dicht neben ihm lag, sondern weil er diesen noch nie so ‚friedlich’ wie in diesem Moment gesehen hatte. Ein schlafender Seto Kaiba. Ein Anblick für die Götter. Es hörte sich kitschig an, auch für ihn selbst, doch anders ließ es sich einfach nicht beschreiben. Er spürte, wie sein Herz bei diesem Anblick eine Spur schneller schlug und sein Hals unnatürlich trocken wurde. Schwer schluckte er, wagte es nicht, sich zu bewegen, um diesen Augenblick nicht unüberlegt zu zerstören. /Warum tust du das?/ Eine gute Frage. Warum tat Kaiba das. Warum zeigte er ihm diese Seite? Er hatte ja keine Ahnung, was er damit anrichtete. /Seto./ Er drückte sich etwas näher an den Wärme spendenden Körper neben sich, spürte, wie eine Hand des Schlafenden leicht über sein Fell strich - vielleicht aus Reflex - und schloss genießerisch die Augen. Er hatte sich entschieden. Zumindest hierfür. Den Rest würde Nicos Liste entscheiden. Und danach lag es ganz bei Kaiba. Kapitel 16: 10+10= Liebe?! (Teil 1) ----------------------------------- 16. Kapitel: 10 + 10 = Liebe? (Teil 1) oder auch: „Zwanzig Symptome, um zu erkennen, dass du verknallt bist“ *~*~* „Wheeler.“ Er horchte auf, kannte er diese Stimme doch nur zu gut. Seine Blonden Haare fielen ihm vor die Augen, als er den Kopf wandte, um den Urheber dieses Wortes anzusehen. Er wischte sie mit einer raschen Bewegung aus seinem Gesicht, doch sie fielen nur wenige Augenblicke später wieder in diese Position. Leise knurrend beließ er es dabei. Direkt vor ihm, auf dem leeren Schulflur, stand Seto Kaiba in seiner Schuluniform und sah ihn mit verschränkten Armen abschätzend an. „Na, kann der Hund nichts sehen?“ Ein erneutes Knurren war die Antwort auf diese Frage. Der Brünette lächelte spöttisch, trat einige Schritte näher an den Blonden heran. Das Blau seiner Augen wurde eine Spur dunkler, bevor er leise meinte: „Es gehört sich nicht, sein Herrchen anzuknurren.“ Der Braunäugige blinzelte irritiert. Hatte er richtig gehört. Herrchen? In welchem Film waren sie denn? „Vergiss es, Kaiba! Halt die Klappe und verzieh dich!“ Der Blauäugige kam noch einige Schritte näher, drängte den Blonden somit an die Wand hinter sich und stützte sich mit einem Arm von ihr ab, während er sein Gesicht unmittelbar vor das des anderen brachte. „Ich soll meine Klappe halten? Ungezogener Hund. Ich fürchte, dein Herrchen muss dir ein paar Manieren beibringen, findest du nicht auch?“ Die brauen Augen seines Gegenübers verengten sich und das nur zu vertraute Feuer flammte in ihnen auf. „Versuch es doch“, wurde der Blauäugige provozierend angeknurrt. „Bevor du das schaffst –“ Der Satz des Blonden fand sein jähes Ende, als der Brünette ihm einen Finger auf die Lippen drückte. Vorwurfsvoll wurde mit dem Kopf geschüttelt, sodass einige braune Strähnen ihren Weg vor die funkenden blauen Augen fanden. Missbilligend wurde kurz mit der Zunge geschnalzt, bevor die Aufmerksamkeit wieder gänzlich auf dem Gerügten lag. „Regel Nummer eins“, wurde dem anderen entgegengewispert, „wenn ich rede, bleibst du still.“ Braune Augen, die bei diesen Worten einen trotzigen Ausdruck annahmen und ein athletischer Körper, der sich aus dieser Bedrängung befreien wollte zeigten eine deutliche Reaktion auf diese Worte, doch wurden ihnen ein verführerischer Blick aus blauen Augen und ein fragiler Körper in einer blauen Uniform entgegengestellt. Aufkeuchend wurde der Blonde zurück an die Wand gedrängt. „Kaiba, was zum –?!“ „Ruhe!“ Der barsche Befehl ließ den anderen unerwartet verstummen. Kaibas Gesicht kam seinem ein Stück näher. „Ich tue nur, was du dir wünschst, Joey.“ Und mit diesen Worten pressten sich warme Lippen auf die des Blonden, raubten ihm den Atem. Verlangend bewegte sich das fremde Paar gegen seine, veranlassten ihn dazu, genießend die Augen zu schließen und sich auf dieses verlockende Spiel einzulassen. Ein Spiel, das immer mehr an Intensität zunahm. *~*~* Weit aufgerissene braune Augen starrten apathisch auf das schneeweiße Kissen, das vor ihnen lag. Sinne, die von dem eben ‚erlebten’ zu sehr überlastet waren, brauchten einige Sekunden, um zu realisieren, dass eine fremde Hand unablässig über den Rücken seines zitternden Körpers strich. Sein Kopf wurde ruckartig in die Richtung gedreht, wo er den Besitzer dieser Hand vermutete und der Umfang seiner geweiteten Augen vergrößerte sich noch ein Stück, als er jenen Besitzer erblickte. Die Hauptrolle seines Traumes lag direkt hinter ihm und strich ihm weiter über das Fell. Nicht im Stande auch nur irgendetwas zu denken, beließ er es dabei, den anderen einfach nur geschockt anzustarren, das soeben geträumte dabei noch einmal Revue passieren zu lassen und anschließend nur noch schockierter in die eisblauen Augen seines Gegenübers zu blicken. Der rote Mund im Gesicht des anderen – schien er nun so vertraut - verzog sich zu einem leichten Lächeln. „ Du zitterst schon die letzten fünf Minuten so. Hast du schlecht geträumt?“ Joeys Kehle schien wie ausgetrocknet, er schluckte einige Male, schaffte es dennoch nicht, die beklemmende Trockenheit zu vertreiben. Schlecht geträumt? Ganz wie man es sehen wollte. Sein Gehirn schrie ‚ja’ – wenn auch bei weitem nicht jeder Teil davon - doch sein Gefühl sträubte sich, das ganze als Albtraum abzustempeln. Hin und her gerissen zwischen Zustimmung und Widerspruch wurde er sich erst einige Momente später wieder der streichelnden Hand bewusst, die ein Stück gewandert war und ihn nun im Nacken kraulte. Als ob mit dieser Berührung ein Schalter in seinem Kopf umgelegt werden würde, klangen die Albtraum-Beteuerungen seines Hirns langsam ab und ein zufriedenes Brummen schlich sich seine Kehle hinauf. Von der Reaktion seines Körpers überrumpelt, war der Braunäugige überhaupt nicht in der Lage, sich diesen wohltuenden Berührungen zu entziehen. /Was ist nur los mit mir? Was passiert hier? Erst so ein verquerer Traum und jetzt das?!/ Er warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor vier. Warum war der Brünette überhaupt wach? Hatte er ihn durch sein Zittern aufgeweckt? Und warum streichelte der andere ihn? Ein Berg von Fragen türmte sich in seinem Kopf, wurde jedoch von Sekunde zu Sekunde kleiner, während sein Geist immer schläfriger wurde, angesichts dieser kraulenden Hand, die ihn verwöhnte. Eine leise Stimme drang zu seinem, bereits dösenden Bewusstsein vor. „Schlaf weiter. Ich bin da.“ /Du bist da/, ein müdes Gähnen unterbrach seine Gedanken, veranlasste ihn dazu, seinen Kopf auf das Kissen zu betten und so nun vollkommen auf der Seite zu liegen. /Wenn du das sagst./ Das letzte was er wahrnahm, bevor der Schlaf seine Sinne einhüllte, war die, ihn weiter kraulende Hand, die zu seinen Ohren gewandert war und ihm ein letztes leises Brummen entlockte. oOo Sonnenstrahlen fielen durch die Vorhänge in den Raum, weckten ihn schließlich auf, als ein besonders vorwitziger Strahl seinen Weg zu einem der Augen des Blonden fand. Träge begann der kleine Körper sich zu regen, wachte allmählich auf. Zusammen mit dem Geist, der zurzeit in ihm verweilte. Braune Augen öffneten sich schleppend, schlossen sich sofort wieder, als sie die grelle Sonne blendete und wagten es einige Sekunden später erneut, jedoch wesentlich zögerlicher. Verschlafen sah der kleine Streuner sich in dem Zimmer um, in dem er sich, wie er feststellte, ganz alleine befand. Mühsam stemmte er sich hoch, gähnte noch einmal und warf einen Blick auf die Uhr. Verwundert wurde bei Registrierung der Zeit geblinzelt. /Wie jetzt? Elf Uhr?/ Was bitte hatte er gestern gemacht, dass er an einem Schultag – wie ihm siedendheiß einfiel – so lange schlief? Schulter zuckend harkte er dieses Thema ab, sprang schließlich mit einem langen Satz vom Bett. ‚... dauerhaft auf Kaibas Hintern gestarrt.’ Noch vollkommen auf die ‚Landung’ fixiert, wurde er von diesen Gedanken überrumpelt und wäre beinahe kopfüber auf den blauen Teppich geknallt. Im letzten Moment schaffte er es, sich zu fangen und vollführte als Folge daraus nur eine elegante Rolle, nachdem er auf dem Teppich aufkam. Benommen schüttelte er den Kopf und rappelte sich auf. Sein Herz schien ihm aus der Brust zu springen, so schnell schlug es. /Kaiba – Hintern – Sportunterricht – Nico – Liste/, schossen ihm die Fetzen seiner gestrigen Erinnerung durch den Kopf und er spürte, wie mit jedem weiteren Gedanken mehr und mehr Blut aus dem Gesicht wich. Sein Hundekörper reagierte wiederholt empfindlich auf die Überlastung seiner Empfindungen und er spürte bereits ein unangenehmes Stechen hinter seiner Stirn. Gequält schloss er die Augen. /Okay, Joey. Ganz ruhig. Lass dich nicht gehen. Reiß dich zusammen. Denk an deinen armen Leihkörper./ Er holte tief Luft, hielt einige Momente inne und atmete dann aus. Wiederholte diesen Vorgang, bis der penetrante Schmerz langsam abklang und nur noch ein leichtes Pochen zurück ließ. Erleichtert seufzend streckte er sich ausgiebig, um den letzten Rest Schlaf aus seinem Körper zu bekommen und schüttelte sich anschließend. Verdutzt erstarrte er mitten in der Bewegung. ‚Schütteln’? Hatte er sich wirklich gerade -?! /Oh. Mein. Gott./ Nervös trat er von einer Pfote auf die andere, während sich in seinem Inneren die, bis eben noch beruhigten, Gedanken geradezu überschlugen. /Ich schüttele mich? Ich?! Werde ich jetzt etwa komplett zum Hund? Erst die Sache mit dem Frisbee, gestern und jetzt das? Was kommt als nächstes? Fang ich bald an, Postboten hinterher zu jagen? Oder nach Knochen zu buddeln?/ Ein kalter Schauer durchlief ihn. /Alles, bloß das nicht./ Das Knurren seines Magens riss ihn aus diesen beunruhigenden Gedanken und ließ ihn sich unruhig umsehen. /Es ist Montag, es ist elf Uhr, niemand ist da und ich hab Hunger./ Er überlegte angestrengt, doch sein sich beklagender Magen ließ ihn schließlich zu nur einer sinnvollen Lösung kommen. / Vielleicht haben sie mir ja was in die Küche gestellt. Notfalls bettle ich so lange bei Jean, bis sie mir etwas gibt./ Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, setzte er sich deutlich motivierter in Bewegung. /Auf zur Küche!/ Schnüffelnd drückte er die Tür so weit auf, dass er problemlos hindurchpasste und schlüpfte hindurch. Hier roch es verdächtig nach etwas anständigem zu Essen. Dem verführendem Duft folgen durchquerte er die Küche, direkt auf die Tür zu, die von hier aus in den großen Garten der Kaibas führte. Doch der verlockende Geruch führte ihn nicht nach draußen. Er erblickte das gesuchte direkt neben der Tür. Neugierig näherte er sich dem Futternapf und warf einen interessierten Blick in die Schale. /Annehmbar/, meinte er angesichts des Inhalts. Wer konnte schon den ‚Resten’ von gestern widerstehen? Kopfschüttelnd, angesichts seines Sarkasmus, den er trotz allem, was er bisher erlebt hatte, wohl doch noch behalten hatte, machte er sich über sein Frühstück her. Innerhalb weniger Minuten war es verputzt und sein rebellierender Magen zumindest vorerst zufrieden gestellt. Sich mit der Zunge die Spuren der Mahlzeit von der Schnauze leckend fiel sein Blick nun zum ersten Mal auf den Schriftzug, der den Rand der Schale zierte. Dieser Futternapf musste neu sein, denn auf dem alten hatte nichts gestanden. Mit gemischten Gefühlen las er sich den Namensschriftzug durch, der in schwungvollen Lettern den silbernen Napf zierte. Joey Wo hatten sie diesen Napf nur her? Eine Sonderanfertigung vielleicht? Zum einen, nun ja, berührte ihn das irgendwie – zeigte es doch, wie sehr er mittlerweile zu dieser Familie gehörte. Zum anderen jedoch schreckte er vor solcher ‚Herzlichkeit’ für gewöhnlich immer zurück. So auch hier.Nachdenklich betrachtete er den Schriftzug. Er hatte bis jetzt nie eine wirkliche Familie gehabt. Bevor er sich ihrer auch nur hatte bewusst werden können, hatten sich seine Eltern auch schon getrennt und sein Vater war mit ihm nach Amerika gezogen, während seine Mutter und seine Schwester hier geblieben waren. In seiner Kindheit hatte er nie wirklich erfahren, was es hieß, eine Familie zu sein. Sicher, heute war er wieder hier und hatte seine Schwester und vertrug sich auch mit seiner Mutter wieder einigermaßen. Trotzdem. Es war nichts im Vergleich zu dem, was ihm hier geboten wurde. Er war erst etwas mehr als eine Woche in diesem Haus und dennoch hatten ihn die Mitglieder dieser Familie, von der er vorher nicht einmal gewusst hatte, dass sie auf diese Art existierte, bereits als vollwertiges Mitglied akzeptiert. Aber er konnte nicht für immer hier bleiben. Da gab es immer noch ein anderes Leben – sein wirkliches Leben - das auf ihn wartete und in dem sein Fehlen durchaus nicht unbemerkt blieb. Was würde seine Schwester sagen, wenn er unvermittelt von der Bildfläche verschwinden und sich nicht mehr melden würde? Was würden Yugi, Téa, Tristan und Duke sagen, wenn er nie mehr morgens zu spät zur Schule kommen würde, mit einem verpeilten Grinsen und einer typischen Entschuldigung fürs Verschlafen? Er senkte den Blick. Aber ... was würde Kaiba machen, wenn sein Hund, den er bei sich zu Hause schon als Mitglied seiner kleinen Familie akzeptiert hatte, von einem Tag auf den anderen spurlos verschwinden würde, nur, um sein eigenes – sein echtes – Leben als Joey Wheeler weiterzuführen? Auch wenn er letzteres nicht wissen würde, seinen Hund würde dies gewiss nicht zurückbringen. Dann hätte er nur noch seinen kleinen Bruder. Er wusste, wie Kaiba anscheinend für ihn empfand, er hatte Beweise für diese Theorie gehört und der andere hatte selbst Hinweise gegeben. Doch wie sah er das ganze? Wahrscheinlich war Nicos Liste die einzige Möglichkeit, herauszufinden, wie er sich entscheiden würde. Und bis er sich nicht entschieden hatte würde er weiterhin Kaibas Hund bleiben – und sei es, um nur in dessen Nähe zu sein. Denn ob der Brünette dem wahren ‚Joey Wheeler’ jemals gestehen würde, was er für diesen empfand, da hatte das Hündchen ziemliche Zweifel. Rasch schob er diesen schmerzenden Gedanken beiseite, beschloss, sich, im Falle, dass es wirklich soweit kam, darüber einen Kopf zu machen. Jetzt galt es, Nicos Liste zu finden. Kaiba war sicher in der Schule, ebenso Mokuba. Nico war sicherlich in der Firma beschäftigt, was bedeutete, dass er die Liste alleine finden musste. Mokuba hatte sie ihm geben sollen, doch er war nun mal zu spät aufgewacht und nun lag es an ihm, herauszufinden, wo der Kleine den Zettel hingelegt hatte. Vielleicht sollte er zuerst im Zimmer des jungen Kaibas nachsehen. Zufrieden mit sich und dieser Idee machte er sich auf den Weg zum Zimmer des kleinen Kaibas, traf dabei auf Jean, die in einem der Flure Staub wischte und ihn freundlich anlächelte, als er an ihr vorbeiging. Schließlich stand er vor der Zimmertür des Jungen und sah sich nun mit der Aufgabe konfrontiert, die Tür irgendwie aufzubekommen. Doch er würde nicht Joey Wheeler heißen, wenn er das Problem nicht bewältigen könnte. Das hatte er bereits in den ersten Stunden nach seiner Verwandlung in einen Hund hinbekommen und mittlerweile dürfte er diese Aktivität um einiges besser beherrschen. Bevor er sich allerdings daran machte, musterte er die Tür des Kleinen. Ein Namensschild zierte die braune Holztür – gab es in diesem Haus eigentlich nur Holztüren? – und hatte die Form eines niedlichen kleinen Weißen Drachen mit eiskaltem Blick. Joey spürte, wie bei diesem Anblick eine angenehme Wärme in ihm hochstieg. Fing der Kleine also auch schon mit seiner Bewunderung für den weißen Drachen an? Andererseits, wenn er das damals, während des Ballte City Turniers richtig verstanden hatte, schien Mokuba überhaupt erst der Auslöser für Kaibas festen Wunsch gewesen zu sein, eines Tages einen echten ‚Weißen Drachen mit eiskaltem Blick’ zu besitzen. Mit demselben wärmenden Gefühl, das ihn noch immer durchströmte, riss Joey sich schließlich von dem Holzschild los, stellte sich auf seine Hinterbeine und drückte mit den Forderpfoten die Klinke nach unten. Die Tür schwang auf und er betrat das Reich des kleinen Kaibas. Schon als er vor wenigen Tagen das erste Mal in diesem Raum gewesen war, war ihm aufgefallen, wie ähnlich und doch auch wieder nicht Mokuba seinem stolzen großen Bruder war. Das Zimmer war im selben Blauton gehalten, wie das Schlafzimmer des Brünetten, dennoch vermittelte es eine derartige Wärme, die jeden Besucher im ersten Moment sicherlich überraschte. Mokubas Zimmer war ein Typisches Kinderzimmer. Immerhin, der Junge war zwölf Jahre alt. Joey erstaunte und beeindruckte die kindliche Unschuld des jungen Kaibas jedes Mal aufs Neue – hatte der Kleine doch eine nicht gerade leichte Kindheit hinter sich. Kaiba hatte, so kalt und herzlos man ihn auch bezeichnen mochte, bei Mokuba anscheinend wirklich alles getan, um diesem seine Kindheit so gut wie möglich zu erhalten. Bewundernswert, das musste er neidlos zugeben. Wenn er da an sich und seine Schwester dachte ... Für sie hatte er nach der Trennung seiner Eltern nicht viel tun können, immerhin hatte ein ganzer Ozean zwischen ihnen gelegen und mehr als einige wenige Telefonate und später regelmäßige Briefe waren nicht möglich gewesen. Folglich hatte Serenity sich auch ziemlich verändert. Sie war zwar immer noch recht unbeschwert, dennoch wenn man sie kannte, so wie er, dann bemerkte man die Veränderung, die sie vollzogen hatte schon. Und Kaiba hatte es geschafft, obwohl er eine ganze Firma leiten musste, Mokubas Kindheit zu erhalten und den Kleinen trotz allem glücklich zu machen. Ihn richtig Leben zu lassen, wie er selbst es unter der strengen Erziehung Gozaburo Kaibas sicherlich nie hatte tun können und auch heute nicht konnte. Er musste zugeben, dass Kaiba ein viel besserer Bruder zu sein schien, als er selbst. Doch wo blieben die eigenen Bedürfnisse, wenn man sein Leben ganz der eigenen Firma und dem kleinen Bruder widmete? Wo blieben die unausgesprochenen Wünsche, die dieser Mensch ohne Zweifel auch haben musste? Wurden sie einfach ignoriert, so, wie alle Unwürdigen, die nicht in diese Welt gehörten, die nur aus der Firma und dem eigenen Bruder bestand? Was blieb dem Brünetten denn am Ende eines Tages? Millionen von Dollar, das glückliche Lachen seines Bruders, wenn dieser ihn spät abends, nach einem harten Arbeitstag zuhause begrüßt, nur, um darauf gleich ins Bett zu gehen, weil am nächsten Tag Schule war, und danach Leere? Nichts? Nur das Gefühl, wieder einmal alles gegeben zu haben und seinem kleinen Bruder einen weiteren glücklichen Tag ermöglicht zu haben? /Nein. Seit wenigen Tagen gibt es da noch jemanden, der auf ihn warten kann. Jemanden, der, wie gestern auf dem Bett liegt und nicht einfach verschwindet. Mich./ Er wusste nicht, woher dieser Gedanke kam, doch er war einfach da. Bilder schossen vor seinem inneren Augen vorbei. Bilder aus einer Nacht. Bilder eines Blauäugigen Firmenleiters der friedlich neben ihm gelegen und geschlafen hatte, so befreit ausgesehen hatte, als sei eine Last von seinen Schultern gefallen. Bilder von einem, zu einem Lächeln verzogenen Mund, blaue Augen, die ihn warm angefunkelt hatten, nachdem er aus einem Albtraum – Albtraum?! Zu den Bildern der Nacht gesellten sich unvermittelt neue Bilder, an die er sich bis eben, nicht hatte erinnern können. Als wäre ein Schalter in seinem Kopf umgelegt worden, spielte sich alles noch einmal vor ihm ab. ‚Es gehört sich nicht, sein Herrchen anzuknurren.’ ‚Ich fürchte, dein Herrchen muss dir ein paar Manieren beibringen, findest du nicht auch?’ ‚Regel Nummer eins: Wenn ich rede, bleibst du still.’ ‚Ich tue nur, was du dir wünschst, Joey.’ /Was/, er brach ab, schluckte und versuchte sich zu sammeln. Er stand hier, mitten im Zimmer von Mokuba und hatte sich gerade daran erinnert, dass er heute Nacht von Seto Kaiba geträumt hatte. /Was bei allen guten und offenbar schlechten Geistern war das?! Seit wann träume ich von ihm?! Oh mein Gott. Das kann doch nichts Gutes bedeuten. Und dann auch noch so was! Ich glaube, ich drehe langsam durch. Danke Nico! Du hast mir schöne Träume von „Kaiba-sama’ gewünscht und offenbar hat dich mein Unterbewusstsein beim Wort genommen. Dankeschön. Diese Erinnerung werde ich mein Leben nicht vergessen./ Innerlich über Nico fluchend stapfte er durch das Zimmer. / Verdammt, jetzt werde ich diese Bilder nicht mehr los!/ Reichlich aufgewühlt sah er sich um. Er musste sich ablenken. /Nur mit was? Was kann ich... ah, ich hab’s! Ich wappne mich am bestens schon mal für die Liste. Ich mache mir auch eine Liste!/ Während er in eine Ecke des Zimmers streifte, um dort nach dem Zettel mit der Liste zu suchen, formulierte er gedanklich schon einmal seine eigene persönliche ‚Anti-Kaiba-Liste’. Zehn Gründe, warum ein Joey Wheeler ‚Kaiba’ einfach hassen muss: 1. ‚Kaiba ist ein verdammter Mistkerl! (Ist doch auch ein Grund) 2. Er ist ein Kaiba! (Muss man da mehr sagen?) 3. Er ist Leiter einer dummen Spielefirma 4. Er ist ein reicher Pinkel 5. Er ist eingebildet, arrogant, von sich selbst eingenommen (klar, was ich meine?) 6. Er hält sich für den Besten (in jeder Hinsicht ...) 7. Er ist kälter als Eis vom Nordpol 8. Er hat kein Herz (denke ich ... noch) 9. Er nennt mich ‚Köter’ (Mittelklasseduellant, Amateur, etc.) 10. Er ist immer noch ein Mistkerl! /Ja, das hört sich doch schon mal gut an. Mit etwas Glück verfasse ich noch einen zweiten Teil und verlängere somit die Liste noch etwas. Dann habe ich ganz sicher genug Argumente, um mich, im Fall der Fälle, gegen irgendwelche haarsträubenden Theorien oder Hypothesen von Nico zu verteidigen./ Zufrieden nickte er vor sich hin, während er erfolglos von der abgesuchten Ecke zum nächsten Ort seiner Suche tapste. Unbewusst mit der Hundenase schnüffelnd streckte er seinen Kopf unter das Bett des Jungen. Ohne Ergebnis. Auch hier war nichts. Alles sauber, nicht einmal die kleinste Spur von Staub war unter dem Bett Mokuba Kaibas vorzufinden. /War ja klar, dass ich da nichts finde/, dachte Joey grummelnd und setzte seine Suche fort. Während er das Zimmer des Schwarzhaarigen gründlich und lange durchstreifte, machten sich seine unterforderten Gedanken selbstständig und ehe er sich versah, hatte sich eine zweite Liste zur ersten gesellt. Zehn Gründe, die ‚Kaiba’ allerdings irgendwie besser dastehen lassen: 1. Er kümmert sich liebevoll um seinen kleinen Bruder 2. Dasselbe gilt für sein Hündchen 3. Er hat Alister nach allen verziehen und bei sich eingestellt 4. Er macht sich Sorgen um den derzeit ‚verschollenen’ Joey Wheeler 5. Er sieht verdammt noch mal unverschämt gut aus! 6. Er hat ein umwerfendes Lächeln (hab ich das jetzt gesagt?!) 7. Er hat einen sexy Hintern (Scheiße ...) 8. Er ist Sportlich (ein Wunder, echt mal!) 9. Er hat doch ein Herz? 10. Er steht auf mich (ist das jetzt gut oder schlecht?) Er blinzelte verwirrt. Wo kam die denn auf einmal her? Er hatte so eine Liste doch gar nicht aufstellen wollen! Jetzt hatte er den Salat. Dadurch wurden alle negativen Argumente null und nichtig. Wunderbar. Ganz toll. Innerlich aufgewühlt blieb er mitten im Raum stehen. Er sah sich missmutig um. /Fehlanzeige. Keine Spur von Nicos Liste. Wie deprimierend./ Er ließ geschlagen den Kopf hängen. Seufzend verließ er das Zimmer, ließ die Tür einfach offen und trottete schleppend zurück zu Kaibas Schlafzimmer. Die Tür war noch einen Spalt offen und er schlüpfte hindurch. Noch immer wurde das Zimmer von der Sonne erhellt und die Uhr auf dem Nachttisch zeigte, dass es bereits zwölf Uhr war. Heute war Montag – das bedeutete, wenn er nicht ganz falsch lag, dass Kaiba frühestens um zwei wiederkommen würde. Blieben ihm also noch zwei Stunden, um die Liste zu finden. Na toll. Wo sollte er denn bitte noch suchen? Langsam umrundete er das Bett, kletterte auf der anderen Seite hinauf, lag nun dort, wo Kaiba heute Nacht gelegen hatte und bettete seinen Kopf auf das Kissen, auf dem Kaiba heute Nacht auch geschlafen hatte und starrte nachdenklich ins Leere. /Und was mache ich jetzt? Ich könnte so lange schlafen, bis Mokuba nach Hause kommt und dann etwas mit ihm unternehmen. Ich kann irgendwie die Zeit totschlagen. Die Frage ist nur/, er stockte, als sein Blick auf den Nachttisch, direkt vor ihm fiel. Sein Blick verdüsterte sich und er biss fletschte die Zähne. /Wie. Na toll.// Da lag sie. Die Liste, nach der er in der letzten Stunde so verzweifelt gesucht hatte, lag direkt vor seiner Nase, genau dort, wo er natürlich nicht gesucht hatte. Er schnaubte und schloss frustriert die Augen. Du siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wahrer hätte dieser Spruch nun wirklich nicht sein können. Warum hatte er nicht von Anfang an hier gesucht? Er öffnete erst das eine Auge, dann, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Liste noch immer an derselben Stelle lag, das zweite. Von dort, wo er lag, konnte er nicht lesen, was auf der Liste stand, doch etwas konnte er erkennen. /Zwanzig Punkte. Diese Frau hat doch glatt zwanzig Punkte gefunden. Was bitte, hat die mir da auf diese Liste gedruckt?/ Er zögerte, bevor er langsam zum Rand des Bettes robbte und sich über den Zettel beugte. Seine Augen wanderten von links nach rechts, während er die Liste Punkt für Punkt durchlas. Mit jedem weiteren Wort, das er aufnahm, wurde er unruhiger. Als er schließlich zu Ende gelesen hatte, war sein Geist aufgewühlter denn je und er zitterte. Einen Moment blieb er in der Position, halb auf dem Bett, halb über den Nachttisch gebeugt, dann gab er der Schwäche nach und ließ sich einfach nach hinten fallen. Mit geschlossenen Augen lag er auf den weißen Laken und nur ein Wort konnte seine derzeitige Situation passend beschrieben. /Scheiße./ oOo „Puh, was für ein Tag. Die Lehrer haben wohl nichts Besseres zu tun, als uns jede Menge Hausaufgaben aufzugeben, echt mal!“ Der Schwarzhaarige Junge schloss die Tür seines Zimmers hinter sich und ließ die Schultasche achtlos auf den Boden fallen. „So, und jetzt gleich erst mal ein schönes Mittagessen. Mal sehen, was Jean mir heute – Joey?!“ Sein Blick war auf den Boden, direkt vor seinem Bett, gegenüber der Tür, gefallen. Dort lag das Hündchen und sah ihn aus braunen Augen mit einem nicht zu deutenden Blick an. Joey hatte die Pfoten von sich gestreckt und seinen Kopf auf sie gebettet. Als Mokuba ihn entdeckte, hob der Braunäugige den Kopf. „Was ... machst du denn hier? Wenn du Kaiba suchst, der ist auch gerade nach Hause gekommen und -“ Doch Joey schüttelte nur den Kopf und der Junge verstummte. Langsam erhob sich der Braunäugige und der kleine Kaiba erkannte, dass unter Joeys Pfoten ein Zettel lag. Als Joey auf allen Vieren stand, beugte er sich hinab und nahm den Zettel umständlich zwischen die Zähne. Er tapste auf den Schwarzhaarigen zu und blieb direkt vor diesem stehen. Die blauen Augen des Jungen musterten den Zettel, erkannten ihn und wanderten zurück zu Joeys braunen Augen. Ein Lächeln erschien auf den Lippen des Schwarzhaarigen. „Ich kenne die Liste. Nico hat mich beauftragt, sie dir zu geben. Besonders gefällt mir ja der letzte Punkt.“ Joey antwortete ihm auf diese Worte mit einem Knurren. Mokuba ging vor ihm in die Hocke. Sein Blick wurde ernst. „Warum versuchst du es nicht mit der Liste. Nico hat sich Mühe gegeben und alles Brauchbare, was sie ausgewertet hat, darauf zusammengefasst. Ich glaube auch, dass sie dir hilft.“ In den Augen des kleinen Streuners erschien ein gequälter Ausdruck. /Haben sich in letzter Zeit alle gegen mich verschworen? Du warst meine letzte Rettung, Mokuba. Ich hab gehofft, Nico hätte mir die falsche Liste ausgedruckt, aber nein. Was soll ich denn damit?/ Ein Grinsen erschien auf Mokubas Gesicht und er wuschelte Joey über den Kopf. „Na komm, jetzt sieh mich nicht so an. Ich bin sicher, die Liste wird ihren Job erfüllen. Versuch es doch erst einmal.“ Der Gequälte Ausdruck wurde stärker. /Na wunderbar. Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig./ „Kopf hoch, Joey. So schlimm ist es schon nicht. Geh die Liste durch und du wirst sehen.“ Mit diesen Worten dirigierte der Schwarzhaarige ihn sachte, aber bestimmt zur Tür. „Und jetzt ab mit dir, Kleiner. Ich muss noch Hausaufgaben machen.“ Ein letztes Lächeln noch und dann schloss er die Tür hinter Joey. Dieser ließ geknickt die Ohren hängen. /Warum ich?/ Vorsichtig lugte er um die Ecke und warf einen Blick in die Küche. Der Brünette konnte nur hier sein. Zumindest roch es ganz frisch nach ihm. Er tapste näher, streckte seinen Kopf durch die Tür und sah sich um. Da! Er stand an der Kaffeemaschine und ließ gerade seine Tasse auffüllen. Stockend betrat Joey die Küche nun ganz und machte unsicher ein paar Schritte auf den Brünetten zu. Dieser hatte ihm den Rücken zugewandt und schien ihn auch sonst noch nicht bemerkt zu haben. Joey sah zu ihm auf. Zwanzig Symptome, um zu erkennen, dass du verknallt bist Er schüttelte den Kopf. Nicht jetzt! Später, aber nicht jetzt! Dennoch schaffte er es nicht, diese Gedanken zu unterdrücken. 1. Du fängst an, mehr auf ihn zu achten. Nein, tat er nicht! Er achtete noch genauso wenig auf den Brünetten, wie sonst auch immer in der Schule. Wie, um seine Gedanken darin zusätzlich noch zu unterstreichen, wandte er demonstrativ seinen Blick von dem Größeren ab und blickte in eine andere Richtung. Doch bereits nach wenigen Sekunden spürte er, wie sein Blick nach und nach ungewollt zurück zu dem Brünetten schweifte. Als er sich dessen bewusst wurde, zuckte er leicht zusammen. Oh nein. 2. Wenn er anwesend ist, wandert dein Blick ständig zu ihm. Das war nur ein Mal! Das bedeutete gar nichts! Erst wenn das dauerhaft passierte, müsste er anfangen, sich Sorgen zu machen. „Oh, Joey.“ Ein Ruck ging durch seinen Körper und er sah geschockt zu dem Brünetten auf. Dieser hielt die mittlerweile volle Tasse mit Kaffe in seiner linken, die Jacke seiner Schuluniform in der rechten Hand. Joey schluckte schwer und starrte unverwandt zu ihm hoch. Der Blick des Brünetten war warm. „Was machst du denn hier? Hast du Hunger? Dein Futternapf wurde bereits wieder aufgefüllt.“ Noch immer rührte der Braunäugige sich nicht. Kaiba schien sich davon nicht beirren zu lassen, wandte sich ab und verließ die Küche. „Du weißt, wo du mich findest, Hündchen.“ Der Blick seines Hundes ruhte dabei unablässig auf seinem Rücken. 3. Du fängst an, auf jede seiner Bewegungen zu achten. Erst wenige Minuten später löste sich Joeys Körper aus der Starre und er konnte sich wieder rühren. Er schüttelte heftig den Kopf. Drei Symptome. Das waren erst drei Symptome, das bedeutete gar nichts. Das wäre sicher den meisten so gegangen! Er warf einen Blick auf den Futternapf. Der Appetit war ihm gehörig vergangen. Nein, essen konnte er jetzt unmöglich. Nicht mit dieser Liste im Hinterkopf. Er musste zusehen, dass er diese Sache so schnell wie möglich hinter sich brachte. Entschlossen ließ er den Futternapf Futternapf sein und setzte sich in Bewegung. Jetzt hieß es: Mission – Kaiba finden! 4. Du willst in seiner Nähe sein. Verdammt, wieder nicht aufgepasst. Es sollte sich mehr zusammenreißen sonst würde er mit seiner Schusseligkeit noch jeden Punkt auf Nicos Liste bestätigen. Und so weit sollte es nicht kommen! Oder doch? oOo Leise schlich er den Gang zu Kaibas Zimmer entlang. Schon von weitem konnte er mit seinen empfindlichen und nun auch äußerst nützlichen – wie er sich letztendlich doch eingestand – Ohren die unverkennbare Stimme des Firmenleiters hören, der offenbar ein Telefonat zu führen schien. Sein Tonfall ließ vernehmen, dass es sich keinesfalls um ein angenehmes Gespräch handelte. Zumindest, was den Gesprächspartner des Brünetten betraf. „Ich bitte Sie“, schnaubte der Vizemeister in Duel Monsters abfällig, „wofür habe ich Sie eingestellt, wenn Sie nicht einmal mit einer derartigen Nichtigkeit zurechtkommen?“ Vorsichtig näherte sich Joey der Tür zum Arbeitszimmers Mit der Nase stupste er sie auf und wagte einen ersten prüfenden Blick. Seto Kaiba saß in seinem Ledersessel hinter seinem Schreibtisch, was dem Bild, welches er in seinem Büro in der Kaiba Corporation bot recht nahe kam und hielt sich mit einem wenig begeisterten Gesichtsausdruck den Hörer an sein Ohr, während er auf die, ihn offenbar missstimmenden, Worte seines Gesprächspartners sichtlich verärgert antwortete. „Und aus diesem Grund benachrichtigen Sie mich? Habe ich Ihnen nicht klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass bei Problemen dieser Art Alister Ihr Ansprechpartner ist? Kann es sein, dass Sie mich nicht verstehen wollen?“ Seine Worte gewannen zum Ende hin deutlich an Schärfe, woraufhin Joey, der nun doch den Raum betreten hatte und die Tür hinter sich wieder zu drückte, die gestammelten Entschuldigungen vom anderen Ende der Leitung vernahm. „Ersparen Sie mir das“, unterbrach der Brünette diesen Redeschwall brüsk. „Ich bezahle Sie nicht, damit Sie meine und Ihre Zeit mit sinnlosem Gestotter verschwenden. Wenden Sie sich gefälligst an Alister, wenn Sie noch weitere Fragen haben.“ Ohne ein Wort des Abschieds legte der Blauäugige auf. /Na, da ist aber jemand sehr gut gelaunt./ Als ob Kaiba Joeys Gedanken gehört hätte, sah er auf. „Was?“, fragte er genervt, als er sich dem Blick bewusst wurde, mit dem Joey ihn bedachte. Verwundert blinzelte das Hündchen, angesichts des unfreundlichen Tonfalls. Joey verengte die Augen. /He, ich kann nichts dafür, dass deine Leute dich nerven, also sieh mich gefälligst nicht so an und noch viel wichtiger: Sprich gefälligst nicht so mit mir!/ Kaum hatte er diesen Gedanken gedacht, weiteten sich seine Augen entsetzt. Das... das waren eben nicht seine Gedanken gewesen? Das kam doch nicht von ihm?! Seit wann war er so empfindlich? Oh, bitte nicht ... 5. Du reagierst empfindlicher auf seine Worte, bist schneller wütend oder verletzt. War dieser verfluchte Computer Psychologe oder warum wusste Nico anscheinend jede seiner Reaktionen voraus? Das ging doch allmählich nicht mehr mit rechten Dingen zu! Außerdem reagierte er überhaupt nicht empfindlicher! Das war eine einmalige Sache, das würde nicht noch einmal passieren. Verdammt, er musste in Zukunft mehr auf sein Verhalten achten. ‚Ungezogener Hund. Ich fürchte, dein Herrchen muss dir ein paar Manieren beibringen findest du nicht auch?’ Er verzog das Gesicht, während er rasch den Blick abwandte. Was ihn direkt zum nächsten Punk von Nicos verdammter Liste brachte: 6. Du träumst neuerdings von ihm. Spätestens ab jetzt, war ihm dieses Programm (in Fachkreisen auch Nico genannt) unheimlich. Nicht, dass sie das ohnehin nicht schon von Anfang an gewesen wäre, doch jetzt hatte er beinahe schon Angst vor dieser Frau ... diesem Programm. Zumindest hatte er ein flaues Gefühl im Magen – und das lag sicherlich nicht an seinem verpassten Mittagessen! – wenn er an sie dachte und daran, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt so gut wie jeder Punkt der Liste (abgesehen von diesem zweifelhaften zweiten Punkt vom Anfang) zutraf, den letzten mit eingeschlossen. Und dieser letzte Punkt war es auch, der ihm Sorge bereitete. War es ausschlaggebend, zum Verliebt Sein, von jemandem zu träumen? Okay, wäre es heute Nacht ein normaler Traum gewesen, in dem er dem Kaiba aus der Schule beinahe oder vielleicht sogar tatsächlich an die Kehle gegangen wäre, dann sicherlich nicht, aber ein Traum, in dem sie sich beinahe an die Wäsche – die nun wirklich nichts mit der Kehle zu tun hatte – gegangen waren und bei dem die, der Kehle am nächsten stehende Handlung, ein Kuss – ein Kuss, verdammt noch mal! – gewesen war, da war es dann doch schwieriger, die offensichtlichen Zusammenhänge zwischen Traum und der Realität zu leugnen. Vielleicht wäre es im äußersten Fall der Fälle noch möglich gewesen, hätte er nach dem Erwachen oder nachdem er sich wieder an den Traum hatte erinnern können, so etwas wie Übelkeit, Abneigung, oder den Wunsch, schnell zu sterben, verspürt, doch leider war dies nicht der Fall gewesen. Zählte es vielleicht noch, wenn er jetzt den Wunsch verspürte, auf der Stelle zu sterben? Wahrscheinlich nicht. Toll. Doch im Nachhinein, als er den Traum noch einmal Revue passieren ließ, fiel ihm auf, dass der Brünette aus seinem Traum, durch seine gesprochenen Worte eigentlich in seine gewohnte Norm gepasst hatte. Wenn er ganz ehrlich zu sich war, konnte er sich sogar in gewissem Sinne vorstellen, dass eine Begegnung zwischen ihnen so stattgefunden haben könnte. (Unter ganz extremen Bedingungen, an denen sicher eine gehörige Menge an geistiger Umnachtung oder zumindest Alkohol beteiligt sein mussten!) Nicht, dass er sich eine derartige Situation in der Realität wünschen würde (wie er rasch klar stellen musste)! Einzig das Gehabe des Brünetten hatte sich tatsächlich ihm entsprechend verhalten, seine Worte hätten beinahe der Realität entsprechen können. ‚Ich tue nur, was du dir wünschst, Joey.' Hätte das helle Fell nicht den Blick auf sein Gesicht verdeckt, hätte er wetten können, dass er gerade rot anlief. Okay, vielleicht nicht unbedingt diese Worte, aber die anderen Sätze schon ... Kaibas Stimme riss ihn aus den Gedanken. „ Wong, wie sind Sie an diese Nummer gekommen?“ Der Kopf des Blonden schnellte in die Höhe. Wong? Wong?! Der Blauäugige starrte den Telefonhörer in seiner Hand mit einem beinahe schon angewiderten Blick an. Schwache Verwunderung keimte in Joey auf. Wann hatte das Telefon denn geklingelt? War er etwa so sehr in Gedanken versunken gewesen? Oder klingelte es vielleicht gar nicht? 7. Deine Gedanken drehen sich auffallend oft um ihn. Leicht zuckte er zusammen und fühlte sich im nächsten Moment, wie bei etwas Verbotenem, ertappt. Und schon wieder hatte er zugelassen, dass Nico in einem weiteren Punkt Recht behielt. Er musste ernsthaft aufpassen! Doch woher war bewiesen, dass es ein Symptom des ‚Verliebt-Seins’ war, oft an jemanden zu denken? Er hatte doch selbst oft genug an den Brünetten gedacht und ihm dabei die übelsten Verwünschungen zukommen lassen. Hah! Triumph keimte in ihm auf. Da hatte er einen weiteren zweifelhaften Punkt auf Nicos Liste! Das hieß, es stand zwei (wenn er hier und da etwas aufrundete und dran rumbrach) zu. Sein Ausdruck verfinsterte sich. Zu fünf. Na toll. Das hieß, er musste noch drei Punkte anzweifeln, dann stand es unentschieden! Sein Ehrgeiz war geweckt und seine Hundeohren stellten sich wachsam auf. Das ganze konnte doch so schwer nicht sein! Doch diese Gedanken wurden beiseite geschoben, als seine Ohren das rasche Geplapper Vivian Wongs vom anderen Ende der Leitung vernahm. Kaibas Mundwinkel verzog sich minimal, dennoch bekam Joey diese Regung mit. „Ich denke nicht, dass es Sie etwas angeht, wie mein Schultag verlaufen ist.“ /Wie bitte?!/ In Joeys Kopf begannen sämtlich Alarmglocken zu schrillen. Diese Schnepfe wagte es, nach Kaibas Schultag zu fragen? Was bildete die sich ein?! „Miss Wong – nein, ich habe heute Abend bereits etwas vor. Unterstehen Sie sich, oder Sie haben die längste Zeit bei der Kaiba Corporation gearbeitet!“ Kaibas Stimme wurde einige Stufen lauter und sein Tonfall klang entrüstet. „Miss Wong, Sie werden jetzt umgehend zu Ihrer Arbeit zurückkehren, oder – bitte was?!“ Seine Gesichtszüge entgleisten für wenige Sekunden und Joey sprang alarmiert auf. Mit Schrecken registrierte er, wie zunächst sämtliche Farbe aus dem Gesicht des Firmenleiters wich, die wenige Augenblicke später allerdings, begleitet von eindeutiger Zornesröte, zurückkehrte. „Was fällt Ihnen eigentlich ein?!“ Was nun folgte, würde Joey sicher für den Rest seines Lebens nicht vergessen und wenn er später daran zurückdachte, liefen ihm noch immer kalte Schauer den Rücken hinunter. Unvermittelt verschwand sämtlicher Zorn aus dem Gesicht des Brünetten und eine unheimliche Ruhe und Gelassenheit legte sich über seine Züge, während seine Haltung sich entspannte. „Miss Wong.“ Der Klang der Stimme ließ es ihm heiß-kalt den Rücken hinunter laufen. Der Tonfall war derart freundlich, dass es schon nicht mehr normal sein konnte. Vorsichtshalber wich Joey ein Stück zurück. Der Blauäugige fuhr bereits mit derselben Stimmlage fort: „Ich habe eine Aufgabe für Sie. Bitte suche Sie sämtliches Privateigentum von sich zusammen, räumen Ihren Schreibtisch angemessen auf“, er machte eine bedeutungsschwere Pause, bevor er mit eiskalter Härte fortfuhr, „und verlassen umgehend die Kaiba Corporation. Sie sind gefeuert.“ Mit diesen Worten legte er auf, ihren Protest geflissentlich ignorierend. Beinahe schon wutschnaubend starrte er auf das Telefon, während Joey sich einbildete, die Glocken läuten zu hören. /Hallelujah! Mir ist, als wäre ich tot und im Himmel. Er hat sie gefeuert. Hah, bitte noch einmal! Er hat die alte Schnepfe tatsächlich gefeuert! Oh, wie ich es ihr gönne. Diese Chinatante, die sich einfach so widerlich an ihn rangeschmissen hat und der ... ich .../ Allmählich verblassten seine Gedanken und das Blut, das sich bis eben noch wunderbar in seinem Gesicht amüsiert hatte, trat nun den unvermittelten Rückzug an und ließ ihn im Stich. 8. Du wirst auffallend schnell eifersüchtig. /Nicht doch./ Doch es ließ sich nicht leugnen, dass hatte er bereits in der Kaiba Corporation versucht und war letztendlich daran gescheitert. Er war – so ungern er das auch zugab – eifersüchtig. Anfangs auf Nico, später auf Vivian. Wo sollte das noch hinführen? Fehlte nur noch, dass er begann, auf den Schreibtischstuhl eifersüchtig zu werden, weil Kaiba auf ihm saß! Langsam wanderte sein Blick in Richtung Schreibtisch, wo der Brünette nun saß, seine Hände ineinander verschränkte, während er sich mit dem Ellbogen vom Glas des Tisches abstützte und nachdenklich ins Leere starrte, und fixierte den Ledersessel. Dieses Ding begann ihn aus unerklärlichen Gründen zu nerven. Schnell wandte er den Blick wieder ab, bevor er noch auf ganz andere verrückte Gedanken kam. Spielten seine Hundehormone jetzt vollkommen verrückt oder was war plötzlich los? Stand er gerade wirklich kurz davor, auf einen verdammten Ledersessel eifersüchtig zu werden?! War er mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen oder warum dachte er mit einem Mal einen derartigen Stuss?! Ungewollt wanderte sein Blick zurück zu dem Brünetten, der, wie er nun bemerkte, leise vor sich hinfluchte. Er legte unwillkürlich den Kopf schief. /He, was hast du?/ Als der Brünette, wie eigentlich nicht anders zu erwarten, nicht auf diesen lautlosen Gedanken reagierte, erhob sich Joey und sah den Blauäugigen auffordernd an. /He! Du hast dich gerade einer lästigen Schnepfe entledigt, die nicht nur dir, sondern auch deinen anderen Angestellten (man dachte nur an Alister zurück) das Leben schwer gemacht hat! Ein bisschen mehr Freude bitte! ... obwohl du ja noch nie der enthusiastische Typ warst./ Als noch immer keine Reaktion kam, begann Joey unruhig vor dem Schreibtisch auf und ab zu laufen. / Kannst du mal bitte so freundlich sein und mich ansehen, wenn ich mit dir rede? Auch wenn du mich nicht hören kannst, heißt das noch lange nicht, dass du einfach so tun kannst, als wäre ich nicht da!/ 9. Du willst, dass er dich mehr beachtet. Er erstarrte mitten in der Bewegung. Nee, oder? Das war jetzt nicht ihr Ernst! Und er hatte sich gerade nicht ernsthaft, wie ein störrisches kleines Kind, das nach Aufmerksamkeit verlangte, benommen, oder?! /Ich kippe um. Alles dreht sich./ Das war dieses Mal eindeutig übertrieben, doch er kümmerte sich nicht darum und ließ sich einfach zur Seite auf den Teppich fallen. /Hab keine Lust mehr .../ Schließlich lag er mit halbgeschlossenen Augen auf dem Boden vor dem Schreibtisch, blickte zu Kaiba hinauf und seufzte abgrundtief. Was war nur mit seiner Welt los? Seine Emotionen wussten nicht weiter, seine Hormone tanzten Samba und sein Geist hatte keinen Bock auf nichts mehr. /Ich verstehe mich nicht, ich verstehe ihn nicht, Nico versucht mich zu verstehen. Was kommt als nächstes?/ Einige Minuten blieb er einfach so liegen, dann richtete sich der Blick des Brünetten letztendlich wieder auf ihn und auf den Zügen des kühl kalkulierenden Firmenleiters erschien ein leichtes Lächeln, so als würde ihn der Anblick seines Hundes für einen Augenblick von seinen störenden Gedanken befreien. Joeys ohnehin streikender Verstand verabschiedete sich bei dieser Geste nun vollends und ein warmes Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus, nahm nach und nach von seinem Körper Besitz, während seine braunen Augen unverwandt auf die Lippen des Brünetten geheftet waren. 10. Wenn er dich anlächelt, schwebst du auf ‚rosa Wolken’. Acht zu zwei. Für Nico. Bestätigte Führung und unwiderrufliche Niederlage für ihn. /Och nö./ Kapitel 17: 10+10= Liebe?! (Teil 2) ----------------------------------- 17. Kapitel: 10 + 10 = Liebe?! (Teil 2) oder: Erkennen ist der beste Weg zur Selbstfindung Man hatte ihm einst gesagt ... Halte dich von diesen neureichen Menschen fern. Sie besitzen alles und halten sich für die Herrscher ihrer eigenen Welt. Stellst du dich ihnen in den Weg, werden sie dich entfernen lassen, ohne sich selbst darum zu bemühen. Sie werden dich nicht sehen, nicht wahrnehmen, in ihren Augen bist du es nicht wert, wahrgenommen zu werden. Denn du bist nicht wie sie. Nicht wie sie ... Nachdenklich starrte er an die hellblaue Wand des Büros. War er deshalb so geworden? Hatte er sich deshalb dafür entschieden, zu dem zu werden, der er heute war? Hatte er es sich deshalb zum Ziel gesetzt, Menschen, wie der Brünette es war, aus der Reserve zu locken, sie dazu zu bringen, sich selbst darum zu kümmern, Leute wie ihn - wie Joey - eigenhändig aus dem Weg räumen zu wollen und nicht einfach entfernen zu lassen? Wollte er von diesem Typ Menschen wahrgenommen werden und nicht als nichtbeachtenswerter Fleck in der Landschaft dastehen? Hatte er sich aus diesem Grund dazu entschieden, Seto Kaiba zu seinem persönlichen Ziel zu machen, zu versuchen, ihn aus diesem Schema zu reißen, das die Worte – von denen er nicht einmal mehr wusste, wer sie ihm einst genannt hatte – in seinem Weltbild errichtet hatten. War dies der wahre Grund, aus dem er begonnen hatte, Kaiba in jeder möglichen Hinsicht in den Weg zu stellen? In jeder erreichbaren Hinsicht? Nicht wie sie ... Nein, er war nicht wie diese Menschen, doch wollte er vielleicht beweisen, dass diese Menschen tatsächlich jedoch wie er selbst, wie alle waren? Das sie in Wahrheit nichts von den gewöhnlichen Menschen unterschied, abgesehen vor einigen Zahlen, eingegeben in den Rechner namenloser Banken? Wollte er vielleicht nur beweisen, dass Seto Kaiba auch bloß ein Mensch war? War dies sein Ziel? Daher der vermeintliche Hass? Die Wut? Hatte er darum die ganzen Demütigungen über sich ergehen lassen? Doch wozu? Nur dem Wunsch, sein Ziel zu erreichen, folgend? Nein. Dahinter musste mehr sein. Warum wollte er beweisen, dass Seto Kaiba, auch nicht mehr war, als ein verletzter Junge, dem seine Kindheit brutal geraubt wurde - dass ihn trotzdem nichts von Joey und seinen Freunden unterschied? Dass sie nichts trennte, abgesehen von der Mauer, die der Brünette all die Jahre um sich errichtet hatte? War der Grund für diesen Wunsch vielleicht die Antwort auf Nicos Liste? War dies die Antwort auf alles und er hatte es bloß nie bemerkt? Nie bemerken wollen? Er schloss die Augen, dachte an all ihre Begegnungen zurück, all ihre Auseinandersetzungen ... ~ „Ich habe verloren ...“ „So ist es richtig. Knie nieder im Staub, wie ein winselnder Hund vor seinem Meister.“ ~ ~ „Es wird Zeit, dir ein paar Manieren beizubringen, wie einem Hund in der Hundeschule.“ ~ ~ „Du nennst dich einen Champion, Wheeler? Genieße es, solange du noch kannst, aber denk daran, es ist ein tiefer Sturz von hier oben. Und nach meinem letzten Wissensstand können Affen immer noch nicht fliegen.“ ~ ~ „Gleich werde ich dich besiegen.“ „Nein, und weißt du auch warum? Ganz einfach: Ein Joey Wheeler gibt niemals auf!“ ~ ~ „Er spielt so schlecht dass er nicht mal gegen einen Mülleimer eine Chance hätte ...“ ~ ~ „Gehen wir da rein oder was?“ „Was denkst du denn, du Schlaumeier?“ „Ich hör da einen leicht ironischen Unterton in deiner Stimme ...“ „Ach was.“ ~ ~ „Du kommst ’n bisschen spät, um uns aus der Patsche zu helfen, meinst du nicht? Das hat Yugi schon erledigt! Aber da du endlich hier bis, kannst du vielleicht deinen kranken Computer reparieren, du reicher Pinkel!“ „He, jetzt reg dich ab, du Außenseiter.“ ~ ~ „Und jeder der zu spät zur Registrierung erscheint, wird disqualifiziert. Mokuba ... sorge dafür, dass Wheeler sich verspätet.“ „He, warte mal! Ich merke sofort, wenn mich jemand beleidigen will! Sieh mich gefälligst an, wenn ich dich anschreie!“ ~ ~ „Weißt du, zu wem du das gerade gesagt hast ...?" „Ja, zu diesem großspurigen, arroganten Drachen da!" ~ ~ „Würdest du wohl mal die Güte besitzen, von deinem ach so hohen Ross runter kommen und auch mal was sagen?“ „Da gibt es nichts zu sagen, Wheeler. Du kannst von mir aus den Boden wischen, ich habe besseres zu tun.“ „Was bildest du dir eigentlich ein?!“ ~ ~ „Es gehört sich nicht, sein Herrchen anzuknurren.“ „Vergiss es, Kaiba! Halt die Klappe und verzieh dich!“ „Ich soll meine Klappe halten? Ungezogenes Hündchen. Ich fürchte, dein Herrchen muss dir ein paar Manieren beibringen, findest du nicht auch?“ „Versuch es doch. Bevor du das schaffst – Kaiba, was zum –?!“ „Ruhe! Ich tue nur, was du dir wünschst, Joey.“ ~ Er hatte immer versucht, sich dem Brünetten als gleichgestellten Gegner entgegenzustellen, Kaiba dazu zu bringen, ihn als ebenbürtigen Gegner anzusehen. Hatte die Fehlversuche eingesteckt, hatte gekontert, wo er konnte, ausgeteilt, wann immer er die Gelegenheit dazu hatte. Und alles nur, weil er beweisen wollte, dass Seto Kaiba nicht so perfekt sein konnte, wie er sich immer gab. oOo „Zwecklos.“ Kaibas Stimme riss ihn aus seinem Halbschlaf und er hob leicht den Kopf. Kaiba hatte den Laptop in einer gleichgültigen Geste zugeklappt und erhob sich nun. Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, während er aus dem Fenster seines Büros blickte. Langsam richtete Joey sich auf, musterte ihn aufmerksam. Nach einigen Sekunden drehte Kaiba sich um. Sein Blick fiel auf Joey und seine Mundwinkel hoben sich kaum merklich. „Habe ich dich etwa geweckt? Lass dich nicht stören. Ich gehe duschen.“ Er schob den Sessel ordentlich hinter den Schreibtisch, dann durchquerte er mit einigen langen Schritten das Büro und öffnete die Tür zu seinem angrenzenden Schlafzimmer. Dann verschwand er aus Joeys Blickfeld und er konnte nur noch die Badezimmertür vernehmen, die hinter dem Brünetten ins Schloss fiel. Träge stand Joey auf, streckte sich ordentlich – unterdrückte den erschreckend starken Drang, sich zu schütteln – bevor er sich gähnend in Bewegung setzte, mit kleinen Schritten ebenfalls das Büro verließ und die Tür zum Schlafzimmer – die Kaiba vorsorglich offen gelassen hatte – durchquerte. Es war einfach nicht bequem, dauernd auf dem Boden zu liegen. Da war das Bett wesentlich bequemer ... 11. Du folgst ihm, wohin du kannst. Mitten in der Bewegung erstarrte er. Das durfte doch jetzt nicht wahr sein ... das war nicht ihr Ernst! Das war doch keinesfalls ein Symptom! Und überhaupt, er verfolgte doch niemanden! Er hatte lediglich das Bedürfnis verspürt, es sich auf dem Bett bequem zu machen. Genau! So und nicht anders war es! Da sollte Nico erst einmal versuchen, das Gegenteil zu beweisen. Zufrieden nickte er, hatte er Nicos Vorsprung somit doch bereits um einen Punkt reduziert. Ging doch. Mit einem geübten Satz – er hatte mittlerweile immerhin genügend Möglichkeiten gehabt, ihn zu perfektionieren – sprang er auf das Bett und rollte sich brummend zusammen. Zum Glück hatte er sich dieses Privileg erkämpft. Okay, ein penetrant störendes Gewitter hatte auch seinen Teil dazu beigetragen. Und ein Zusammenbruch im Wohnzimmer ... Trotzdem. Bequem war es so oder so. Und Kaiba hatte bis jetzt nichts dagegen gesagt. Und wenn er an die Sache von letzter Nacht zurückdachte. ‚Ich tue nur, was du dir wünschst, Joey.’ Sein Gesicht begann unter seinem Fell unangenehm zu glühen. Okay, vielleicht nicht unbedingt diese Sache! Seine Ohren zuckten kurz, als er das Rauschen der Dusche wahrnahm und er schnüffelte unwillkürlich. Er roch die Seife des Brünetten mit seiner empfindlichen Nase sogar aus dieser Entfernung.Leise schnaubte er, bevor er die Augen schloss, weiterhin dem Rauschen aus dem Bad lauschte. Mit einem leisen Quietschen ging die Tür zum Bad auf und Joey öffnete automatisch die Augen. Im nächsten Moment wünschte er sich nichts mehr, als dass er dies niemals getan hätte. Fehler. Eindeutig. Kaiba hatte sich, wie bereits vor einigen Tagen, ein Handtuch um die Hüften gebunden, das in Joeys Augen mehr zeigte, als es eigentlich verbergen sollte. Augenblicklich begann sein Gesicht wieder zu glühen und er war sich sicher, befände er sich nun in einem Comic, würde seine Nase sicherlich zu bluten beginnen. Doch so sehr er sich bemühte und es versuchte, er konnte seinen Blick nicht von dem anderen nehmen. Wie ein Schwamm saugte er jedes noch so kleine Detail auf, musste einige Male schlucken, um seiner staubtrockene Kehle ein wenig Linderung zu verschaffen. Wenigstens fing er nicht auch noch an zu sabbern. /Joey an Hirn, Joey an Hirn: Arbeiten! Wach auf! Hör gefälligst auf, ihn anzustarren, das ist ja peinlich!/ Doch so sehr er sich auch zuredete, es gelang ihm nicht, sein Hirn davon zu überzeugen, seinen Blick von Kaiba zu nehmen, der vor seinem Schrank stehen geblieben war und nun eine der Türen öffnete. Dabei hatte er Joey den Rücken zugekehrt. Während der Blonde noch immer mit seinem widerwilligen Verstand rang, durchzuckte ihn mit einem Mal ein Gedanke. /Moment./ Es wusste niemand, dass er in Wahrheit Joey Wheeler war. Zumindest niemand hier im Raum – kurz gesagt: von ihnen beiden im Zimmer wusste nur er selbst, wer er war. Kaiba hatte keine Ahnung. Folglich würde es niemandem auffallen, wenn er nur ganz kurz ... ein ganz kleines bisschen ... spannte? An einem Hund, der einen ansah, war immerhin nichts Verdächtiges und solange er nicht zu sehr stierte, würde Kaiba sicher auch nicht misstrauisch werden. Aber verdammt, er redete hier von Kaiba! Seinem Erzfeind, der ihn schon so oft gedemütigt hatte, ihn so oft beleidigt und in den Staub zu treten versucht hatte! Kaiba, der ihn niemals freundlich behandelt hatte, den er selbst immer gereizt hatte, wo er nur konnte. Kaiba, dem er – er seufzte und ließ den Kopf hängen – im Sportunterricht schon auf den Hintern gestarrt hatte. Hasste Gott ihn eigentlich wirklich so sehr? Warum wurde er so gestraft? /Wahrscheinlich, weil du Kaiba auf den Hintern gestarrt hast/, beantwortete er sich die Frage selbst. Seine braunen Augen wanderten unbemerkt zu dem Brünetten und blieben an dessen Rückansicht hängen. /Also schlecht gebaut ist er ja nicht ... nicht wirklich ... eigentlich überhaupt nicht ... scheiße, ich fange an, mir mein eigenes Grab zu schaufeln! Ich könnte heulen, wenn ich nicht viel zu sehr damit beschäftigt wäre, ihn zu bespannen./ Geschlagen zog seine Vernunft sich zurück, hisste die weiße Fahne und gab sich seinen Instinkten hin, die nun die Überhand gewannen und ihn daran hinderten, seinen Blick auch nur für einen Moment von dem anderen zu nehmen. /Das ist so demütigend./ War er etwa schon so tief gesunken? /Offenbar schon./ Kaiba beugte sich ein Stück hinab und griff nach einem Kleidungsstück in einem der unteren Fächer. Joey hörte das Blut in seinen Augen rauschte, während er hin und her gerissen war. Er sollte den Blick spätestens jetzt abwenden, aber zwischen ‚sollen und ‚wollen’ erschienen seinem Geist momentan Welten, wenn nicht Dimensionen. Sein Herz schlug unnatürlich schnell und hätte er nicht gewusst, welcher Ursache diese Reaktion entstammte, so hätte er sich sicherlich Sorgen gemacht. Als Kaiba schließlich auch noch Anstalten machte, sich vor seinen Augen umzuziehen – sprich, das Handtuch fallen zu lassen – war der Punkt erreicht, an dem bei Joey sämtliche Sicherungen durchbrannten. Das weiße Handtuch fiel lautlos zu Boden, während der Blonde sein Gesicht panisch auf die Matratze drückte, die Augen dabei fest zusammenkniff und versuchte sein rasendes Herz und sein kochendes Blut wieder zu beruhigen. /Nicht hinsehen, nicht hinsehen, nicht hinsehen, sieh verdammt noch mal nicht hin!/ Eine körperlose Stimme jedoch flüsterte ihm leise, schlangenhafte Worte ins Ohr: ‚Was ist schon dabei? Nur ein kurzer Blick ...’ /Nein./ ‚Er wird es nicht bemerken.’ /Nein!/ ‚Du willst es doch.’ /Ich sagte nein!/ ‚Trau dich!’ /Nein!!!/ Einen Moment herrschte Stille. ‚Feigling.’ Er riss die Augen auf. Hatte ein Teil von ihm selbst ihn gerade als ‚Feigling’ bezeichnet?! Er war vieles, vielleicht etwas aufbrausend, manchmal etwas dickköpfig, in seltenen Fällen vielleicht sogar dumm, aber er war kein Feigling! /Dir werde ich es zeigen! Ich bin nicht feige!/ Ruckartig hob er den Kopf, war bereit, alles zu sehen, was er zu sehen bekam, doch ... „Was ist? Habe ich dich erschreckt?“ Merklich zuckte er zurück. Sein Herzschlag hatte sich augenblicklich verdoppelt und sein Atem beschleunigt. /Wann ist er denn ... und wie hat er denn -?/ Kaiba stand dich vor dem Bett und war momentan damit beschäftigt, sein Hemd zuzuknöpfen, während sein Blick auf Joey ruhte, der nun kurz davor stand, einen Herzinfarkt zu erleiden. Natürlich war dies ein wenige überdramatisiert, hatte er doch lediglich einfach einen ziemlichen Schrecken eingejagt bekommen. /Wann hat er sich denn angezogen?/ Völlig verwirrt starrte Joey zu dm Größeren hinauf, versuchte dabei, sich nichts davon nach außen hin anmerken zu lassen, nicht zu schockiert zu wirken. Nebenbei versuchte er außerdem das störende und zudem äußerst irritierende Gefühl der Enttäuschung, das sich einem Gift gleich in seinem Körper auszubreiten schien, zu unterdrücken, zu vertreiben. Er konnte unmöglich ernsthaft enttäuscht sein. Das durfte er nicht! Dies würde die Krönung aller Demütigung bedeuten! 12. Du verspürst den Wunsch, ihn auch einmal vollkommen ‚frei’ zu sehen. Sein Gesicht glühte wieder, doch dieses Mal hatte er das Gefühl, sein Fell könnte jeden Moment Feuer fangen, so heiß brannte es darunter. Nein, es konnte unmöglich sein, dass Nico das gewusst hatte. Sie konnte doch unmöglich seine Gedanken gekannt haben, bevor er es überhaupt tat! Oder vielleicht doch? /Nein, das kann nicht sein. Sie kann doch überhaupt nicht wissen, wie es in mir aussieht. Alister kann doch keinen Computer programmiert haben, der in der Lage ist, Gedanken zu lesen. Das ist doch technisch gar nicht machbar!/ Dennoch schien Nico ein Talent – konnte man es bei einem Computer so nennen? – dazu zu haben, die Reaktionen, Gesten und Mimiken anderer deuten zu können, wie sie bei Joey schon mehrmals bewiesen hatte. Und wenn es bei ihm – einem Hund – schon so gut funktionierte, wie war es dann erst bei einem Menschen, wenn sie sich wirklich bemühte? Joey wagte nicht, sich auszumalen, was sie auf diese Art und Weise alles über ihn herausbekommen könnte. /Sie könnte ... herausfinden, dass ich vorhatte, Kaiba zu bespannen./ Er schluckte schwer, versuchte die aufkeimende Panik zu ignorieren. /Sie wird es niemals herausbekommen. Nach meiner Rückverwandlung werde ich bestimmt nie wieder die Kaiba Corporation betreten. Also brauche ich mir auch gar keine Sorgen zu machen./ Die Matratze sank ein Stück hinab, als Kaiba sich neben ihn auf die Bettkante setzte, dabei den letzten Knopf des Hemdes verschloss. Eine Hand legte sich auf Joeys Kopf, begann ihn hinter den Ohren zu kraulen und er brummte zufrieden. Er sollte lieber schon einmal beginnen, die wenigen – und sicher auch letzten – Streicheleinheiten, die ihm zuteil wurden, zu genießen, solange er noch konnte. Er wusste schließlich nicht, wie lange er noch in diesem Hundekörper bleiben musste. Ohnehin könnte Marik sich langsam auch mal melden. Hatte er nicht nach einer Lösung für sein Problem suchen wollen? Die kraulende Hand vertrieb jedoch diese störenden Gedanken ließen nur eine Sache zurück. 13. Du magst es, von ihm berührt zu werden. Seine Haltung gefror. Das. Konnte. Jetzt. Nicht. Ernsthaft. Wahr. Sein. Musste Nico ihm eigentlich mit ihrer verdammten Liste jede noch so kleine Freude vermiesen? Musste er sich nach jeder Handlung ab sofort Gedanken darüber machen, ob sie mit der Liste übereinstimmte oder ob er sie gefahrlos fortführen konnte? Musste er gar auf diese Streicheleinheiten verzichten, die er – so ungern er das auch zugab – wirklich genoss? (Dabei spielte es allerdings keine bedeutende Rolle, dass sie von Seto Kaiba stammten – oh nein, sicher nicht!) Jedem würde es an seiner Stelle so ergehen! Jeder würde sich so verhalten. Okay, vielleicht nicht wirklich jeder. Bei Yugi hatte er so seine Schwierigkeiten, sich das vorzustellen. Yami ... /Nee, so eine stolze Rivalität sollte man damit lieber nicht zerstören./ Marik ... /Was hat der da bitte zu suchen?/ Bakura ... /Bakura? Hallo?!/ Duke ... /Die beiden konkurrieren auf dem Markt miteinander./ Tristan ... /Tristan?!/ Alsiter? /Kaiba und Alister? Alister und Kaiba? Wie klingt das denn bitte?/ War es möglich, dass er derzeit wiederholt drauf und dran war, eifersüchtig zu werden? 14. Du wirst Besitz ergreifend, was ihn angeht. /Wie war das noch gleich mit Kaibas Ledersessel?/ Dieser Gedanke erzielte die Gewünschte Wirkung und er kehrte wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Gut, vielleicht würde niemand, den er kannte, so auf den Brünetten Reagieren, zumindest kein männlicher Bekannter. Es gab allerdings genügend weibliche Kandidaten, bei denen er sicher war, eine ähnliche Reaktion vorzufinden. Hieß das etwa, er benahm sich gerade wie ein Mädchen?! /Mädchen? Ich? Gibt es zwei Dinge, die weniger zusammenpassen? Ich bin doch kein kicherndes, albernes, rosa tragendes ... Mädchen eben. Ich doch nicht./ Vor seinem inneren Auge erschien ein äußerst lächerliches Bild von ihm selbst in der rosa-blauen Schuluniform der Domino High, mitsamt der zierenden Schleife, und er spürte eine beklemmende Übelkeit in sich aufsteigen, während sich ein Stein in seinem Magen zu bilden schien. /Benehme ich mich wirklich wie ein Mädchen? Bin ich so tief gesunken? Ade Selbstwertgefühl, es war schön mit dir, doch nun ist offenbar der Tag gekommen, an dem ich dir Lebewohl sagen muss. Mach’s gut, Würde, du bist mir soeben abhanden gekommen. Du wirst mir fehlen Stolz, ich habe immer versucht, dich so gut es ging, zu verteidigen, doch ich wurde von ein paar aufgedrehten Hormonen zum scheitern verurteilt. Und alles nur, weil ich es mag, von ihm gestreichelt zu werden, weil ich es zulasse, dass er mich, Joey Wheeler, einst bekannt als größter Raufbold der gesamten Domino High School, mich von Seto Kaiba, einst bei mir bekannt als größter Mistkerl der Welt, unterwerfen – ja, man muss es wirklich schon ‚unterwerfen’ nennen – zu lassen. Geht es eigentlich noch ... zynischer? Ich bezweifle es ehrlich gesagt wirklich und wenn mich seine Hand jetzt nicht so dermaßen ablenken würde, würde ich am liebsten heulen. Nein, bloß das nicht! Ich würde nicht heulen, wie ein Mädchen, sondern am liebsten laut fluchen und ihm eine verpassen, dafür, dass er mir so ... verwirrt./ Geschlagen schloss er die Augen, ignorierte den Gedanken, der ihm nun durch den Kopf schoss. 15. Er schafft es, dir den Kopf zu verdrehen. /Ja. Leider./ oOo Er wusste später nicht mehr wirklich, wie er die nächsten Stunden überstanden hatte, doch das nächste, woran er sich wieder erinnerte, war, dass Mokuba die Tür zum Schlafzimmer aufschob und seinen Kopf mitsamt seiner wuscheligen dunklen Mähne ins Zimmer streckte. „Seto, darf ich mit Joey spazieren gehen?“ Joey war noch immer halb am dösen, spürte eine angenehme Wärme neben sich, die ihn dazu verlockte, wieder in die wartenden Arme des Schlafes zu gleiten. Als er die Augen öffnete und mehrmals blinzelte, um seine Sicht zu schärfen, wurde ihm bewusst, dass die Wärme von keinem anderen, als von Kaiba ausgehen konnte, der sich mittlerweile neben ihn gelegt hatte, mit einer Hand noch immer abwesend über Joeys Fell strich – wie in der Nacht zuvor – und nachdenklich aus dem Fenster blickte, bei Mokubas Stimme jedoch den Kopf in Richtung Tür wandte. „Spazieren?“, wiederholte er und wirkte in Joeys Augen, als bräuchte er einige Momente, um den Sinn der Worte seines kleinen Bruders zu verstehen. Er schien mit den Gedanken weit weg gewesen zu sein. „Ja, meinetwegen.“ Er rutschte an den Rand des Bettes – ungewollt vermisste Joey die angenehm beruhigende Wärme des anderen – und erhob sich. In einer fließenden Bewegung strich er sich das Hemd glatt und setzte seine gewohnte ausdruckslose Maske auf. Er wirkte nicht kalt, dennoch undurchdringlich und gefasst. „Ich muss ohnehin noch einige Arbeit erledigen.“ Er hielt inne, als registrierte er erst in diesem Moment, was Mokuba ihn tatsächlich gefragt hatte. „Spazieren?“, fragte er und sein Tonfallklang beinahe drohend. „Ja“, antwortete Mokuba. „Er muss sich auch mal ein bisschen die Beine vertreten.“ „Kommt nicht in Frage“, entgegnete Kaiba mit einem Mal auffallend bestimmt. Mokuba blinzelte verwirrt. „Wie? Er darf sich nicht die Beine vertreten? Aber Seto –“ „Davon rede ich nicht, Mokuba. Es kommt nicht in Frage, dass du unbeaufsichtigt mit ihm spazieren gehst.“ „Aber so schlimm benimmt er sich doch auch wieder nicht.“ „Es geht mir nicht um sein Benehmen. Es geht um dich.“ „Benehme ich mich so schlimm?“ „Mokuba“, mahnte Kaiba ihn. Joey blickte perplex von einem der Kaibabrüder zum anderen. Er fühlte sich nicht nur übergangen, sondern auch ignoriert. „Was dein Bruder sagen möchte, Mokuba“, mischte sich mit einem mal eine nur allzu vertraute Frauenstimme in das Gespräch ein – Joey zuckte bei ihrem Klang zusammen, hatte er sie doch in den letzten Stunden komplett vergessen, „ist, dass es zu riskant wäre, dich alleine außerhalb des Hauses aufhalten zu lassen. Selbst mit einem Hund, wie Joey.“ „Was meint ihr damit? Glaubt ihr, ich könnte entführt werden, sobald ich einen Schritt vor die Tür mache?“, fragte Mokuba und deutliche Entrüstung lag in seiner Stimme. „Ja, das befürchten wir“, meinte Kaiba gefasst und sah ihn durchdringend an. „Und warum auf einmal? Sonst war es doch auch nicht so!“ „Doch Mokuba, es war immer schon so.“ „Was bedeutet das?“, harkte der Kleine misstrauisch nach. Kaiba jedoch schwieg, machte keine Anstalten, ihm auf diese Frage eine Antwort zu geben. Erkenntnis breitete sich auf Mokubas Gesicht aus und ein verletzter Ausdruck erschien in seinen Augen. „Wollt ihr damit sagen, dass ihr mich die ganze Zeit beobachten lasst? Das meint ihr doch nicht so. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, immerhin bin ich auch ein Kaiba!“ „Mokuba“, meinte Kaiba sowohl beschwörend, als auch beschwichtigend, doch dieser schüttelte nur den Kopf. „Ich kann ja verstehen, dass du dir Sorgen machst, großer Bruder, aber was ist mit mir? Ich will nicht, dass man jeden meiner Schritte überwacht. Warum kann ich nicht wie ein ganz normaler Junge leben?“ „Das geht nicht“, sagte der Brünette, nahm seinen Blick dabei nicht von Mokuba. „Eben weil du ein Kaiba bist.“ Mokuba sah ihn lange an, stumm schien er in dem Blick seines großen Bruders nach etwas zu suchen, schließlich senkte er den Kopf. „Dann will ich kein Kaiba sein.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ das Zimmer. Diese Reaktion schien selbst Kaiba zu überrumpeln. Wie erstarrt stand er noch immer auf derselben Stelle, starrte auf den Punkt, an dem bis vor wenigen Moment noch Mokuba gestanden hatte. Joey erkannte Unglauben in den eisblauen Augen des Firmenleiters. Mitgefühl breitete sich in ihm aus, als er bemerkte, wie die Haltung des Brünetten sich versteifte, er sich in einer beinahe verzweifelten Geste auf die Lippen biss, als wolle er so seine Empfindungen unterdrücken. Vorsichtig machte er einige Schritte auf den Größeren zu, ließ ihn dabei nicht aus den Augen, registrierte jede noch so kleine Regung auf dem Gesicht des anderen. Er bemerkte, dass Kaiba seine Züge momentan nicht wirklich unter Kontrolle hatte, schaffte man es doch sonst nie, auf seinem Gesicht zu erkennen, was in ihm vorging. Genau das war es, was auch in diesem Augenblick an Joey nagte. Er wollte den anderen nicht so sehen. Er kannte bis jetzt nur den kalten, gefühllosen, gleichgültigen Kaiba und den eigentlich doch freundlichen, rücksichtsvollen Kaiba. Doch wer zeigte sich ihm nun? Wer war diese offensichtlich verletzte Person vor ihm? Er konnte mit Spott, Hohn und mittlerweile auch mit seinen Nettigkeiten umgehen, aber hiermit? Alles verkraftete er, doch dies hier machte ihm Angst. Mokubas Reaktion, seine Lossagung von dem Namen ‚Kaiba’ hatte den Brünetten verletzt – anders konnte man den Ausdruck in den Augen des anderen nicht deuten – doch wieso schaffte Mokuba es so schnell, mit einem derart simplen Satz, während Joey es in all den Jahren nicht geschafft hatte, ihn mit all seinen Sprüchen auch nur zu verunsichern. Es beunruhigte ihn, dass Kaiba sich verletzen ließ. Durch seinen kleinen Bruder. Seine einzige Schwachstelle. Tröstend lehnte er sich an den größeren, der noch immer regungslos im Raum stand, seinen Blick starr auf den Boden gerichtet hatte. In einer hilflosen Geste stupste er den Blauäugigen mit der Nase ans Bein, versuchte ihn aus seiner Starre zu holen, doch ohne Reaktion. Geschlagen ließ er den Kopf hängen. Warum machte er sich überhaupt sie Mühe? Hatte er sich früher nicht immer gewünscht, Kaiba in so einer Verfassung zu erleben? /Das war, bevor ich wusste, dass er auch anders sein kann./ Warum ließ die Zeit sich nicht einfach zurückdrehen? Vielleicht wäre es besser für sie beide, nichts zu empfinden, sich weiterhin einfach nur zu hassen. /Es geht nicht mehr./ Nein. Es ging nicht mehr „Warum ist es so schwierig, ein Kaiba zu sein?“ Die Stimme des Brünetten war nicht mehr als ein Flüstern, das Joey durch Mark und Bein ging. Langsam machte der Größere einige Schritte zurück zum Bett, ließ sich auf seinem Rand nieder und starrte auf den Boden. „Ich hätte Gozaburo damals vielleicht einfach nicht zu dem Schachspiel herausfordern sollen. Wir wären heute sicher immer noch im Waisenhaus, dafür wäre Mokuba aber glücklich.“ Joeys Augen weiteten sich. Er hatte Kaiba noch nie so sprechen hören. Mit einer derartigen ... Bitterkeit. „Ich schaffe es einfach nicht, ihm das Leben zu geben, was er sich wünscht.“ /Was ist nur auf einmal los mit ihm? Wo ist der kalte Kaiba, denn ich kenne?/ „Nun hasst er mich. Alle die mir irgendetwas bedeuten, hassen mich.“ /Was? Alle, die ihm etwas bedeuten? Meint er damit -?!/ Kaiba legte eine Hand auf seine Stirn und schloss die Augen. Seine nächsten Worte waren kaum zu hören, dennoch nahm Joey sie mit seinen empfindlichen Ohren war. „Ich hätte von Anfang an wissen sollen, dass Empfindungen nichts bringen. Sie sind eine Schwäche, die nur unnötig behindert. Sie sind überflüssiger Ballast, der Entscheidungen beeinträchtigt und verwundbar macht. Ich hätte mich nicht erst darauf einlassen sollen. Es war ein Fehler.“ Diese Worte taten weh, so ungern Joey das auch zugab. Er konnte sich denken, dass der Ältere von ihm, Joey Wheeler, sprach. Dass es in den Augen Kaibas ein Fehler war, Gefühle für ihn zu entwickeln. Da hatte Joey seine Antwort. Noch vor kurzem hatte er sich gefragt, wie Kaiba wohl auf die Erkenntnis, etwas für ihn zu empfinden, reagiert hatte. Gar nicht. Jetzt war es in seinen Augen eine unnötige Schwäche, überflüssiger Ballast. Mokuba hatte sich von dem Namen Kaiba lossagen wollen und offenbar schob der Brünette diese Reaktion auf seine eigene Schwäche, entstanden durch die Gefühle, die er für jemand anderen empfand. Joey hatte Recht behalten. Es wäre niemals gut mit ihnen gegangen, wenn da etwas gewesen wäre. Doch das war es nicht, wie Nicos nächster Punkt bewies. 16. Es täte weh, ihn zu verlassen. Nein, das würde es nicht. Kein bisschen. Und er würde es hier und jetzt beweisen, indem er ging und nie wieder zurückkehrte. Was brachte es denn, zu bleiben und als falsche ‚Person’ an der Seite des Brünetten zu bleiben, mit dem Wissen, dass dieser Gefühle ihm gegenüber nur als Fehler ansah? Nur unnötige Schmerzen, wenn es denn soweit kam. Doch es tat ihm nicht weh. Er, Joey, war an einem Punkt, an dem es nicht wehtat. Nicht wehtunkonnte. Er drehte sich um. Kaiba hatte sich offenbar entschieden und er selbst würde es jetzt auch tun. Er würde zu Marik gehen, sich zurückverwandeln lassen – wehe, Marik fand keinen Weg! – und schließlich sein Leben als Joey Wheeler fortsetzen. Er würde Kaiba wieder hassen, wie früher, würde die Zeit, die er in diesem Haus verbracht hatte, vergessen. Er warf einen letzten Blick über die Schulter, auf Kaiba. Dieser hatte die Augen geschlossen und versuchte offenbar, seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen, den alten Kaiba wieder zu finden. Der Blonde resignierte. Wie plötzlich eine so schöne Zeit doch in das genaue Gegenteil umschlagen konnte. Joeys Blick wurde ernst. /Man sieht sich ... Kaiba./ oOo „Joey?“ Er blieb stehen und drehte sich um. In der schweren Eingangstür der Kaibavilla stand Mokuba und hielt sich an dem dunklen Holz fest, sah ihn mit einer Mischung aus Sorge und Verstehen an. Er wirkte so verloren, neben der großen Tür, so einsam, vor dieser monströsen Villa. Joey sah ihn stumm an, unterdrückte den Drang auf dem Absatz kehrt zu machen und einfach wegzurennen. „Du willst gehen, oder?“, fragte Mokuba leise und seine Stimme war kaum zu hören. Joey nickte. In seiner Kehle spürte er einen störenden Klos, der ihm beinahe die Luft zum Atmen nahm. „Ist es wegen Seto?“ Erst wollte Joey protestierend den Kopf schütteln, stockte jedoch und nickte schließlich wahrheitsgemäß. Mokuba kannte die Antwort ohnehin, da war er sich sicher. Der Junge zögerte sichtlich, dann ließ er die Tür los und machte einige zaghafte Schritte auf Joey zu. Als er direkt vor ihm stand, blieb er stehen und ließ sich auf die Knie hinab. Der weiße Kies würde Flecken auf seiner Hose hinterlassen, doch Mokuba schien dies momentan nicht zu kümmern. Er sah Joey mit seinen großen blauen Augen an und dieser erkannte die Trauer in dem Blick des Jüngeren. „Ich habe das, was ich eben zu Kaiba gesagt habe, eigentlich nicht so gemeint. Ich war nur ... wütend, weil er mich wie ein kleines Kind behandelt hat. Das bin ich ja eigentlich auch und ich verstehe, dass er nur mein Bestes will, aber dabei vergisst er sich und seine eigenen Wünsche. Immer möchte er mir alles Recht mache und ignoriert dabei sich selbst. Ich möchte, dass er auch glücklich ist und es tut weh, wenn ich sehe, dass er von Tag zu Tag kälter wird.“ Joeys Blick wurde ebenfalls betrübt. Ja, er konnte sich vorstellen, wie Mokuba sich dabei fühlte. „Ich“, der Jüngere brach ab und sah zur Seite. Er schien sich nicht sicher mit seinen nächsten Worten zu sein. Nach einigen Augenblicken sah er auf und fuhr fort: „Als ich herausfand, dass er sich ... dass er trotz seiner Widersprüche Gefühle für dich hat, da hab ich gehofft, dass es besser werden würde. Dass er vielleicht endlich anfangen würde, zu leben. Aber es hat sich nichts geändert. Ich hab auch danach noch immer an erster Stelle gestanden, nicht er. Manchmal wünsche ich mir so sehr, dass Gozaburo uns nie adoptiert hätte.“ Er schwieg. Joey senkte den Blick. „Aber weißt du, Joey“, fuhr Mokuba schließlich fort, „also du dann aufgetaucht bist, als du in dieser Gestalt hierhin gekommen bist, für Seto da gewesen bist, da glaube ich, hat sich etwas in ihm verändert. Er schon war immer nett zu mir, aber als er dich akzeptiert hatte, da hat sich etwas geändert und es war irgendwie total anders. Ich hab ihn zum ersten Mal seit langem wieder Lachen hören und alles nur wegen dir.“ Joeys Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Mokuba mochte Recht haben, doch was brachte es ihm, dass Kaiba sich verändert hatte, wenn er es nur für jemanden getan hatte, den es gar nicht gab? Einen Joey, der in Wahrheit gar nicht wirklich so existierte? „Hast du es denn nicht bemerkt Joey?“ /Natürlich habe ich das. War ja auch entsprechend schockiert./ „Ich glaube, er hat den wahren Joey in dir gesehen.“ /Was?!/ Sein Kopf ruckte hoch und er starrte Mokuba entsetzt an. „Ich weiß nicht, ob er dich wirklich erkannt hat, aber ich bin mir sicher, er hat sich nur aus dem Grund verändert, weil du in seinen Augen irgendwie Joey warst. Vielleicht nicht das ‚Original’, aber ein Abbild davon. Darum hat er dich auch so genannt. Du warst nicht nur wie Joey, sondern gewissermaßen bist du es für ihn gewesen, habe ich das Gefühl.“ /Das kann nicht sein./ Joey wich nun leicht vor Mokuba zurück. /Warum hätte er sonst so was wie eben gesagt? Wenn er es gewusst hätte, dann hätte er ganz anders auf mich regiert! Er hätte mich sicher aus dem Haus gejagt!/ Mokuba streckte die Arme aus, legte sie um Joey und drückte ihn an sich. Sein Gesicht vergrub er in dem weichen Fell des Hündchens und dieser hörte ihn gedämpft schiefen. „Wenn du gehst, wird Seto wieder genauso werden, wie früher. Ich möchte nicht, dass er wieder so traurig wird. So verschlossen und einsam. Ich glaube ich habe ihm eben weg getan, das wollte ich nicht, aber ... ich will nicht, dass ich bei ihm über allen anderen Dingen stehe. Ich hab ihn lieb, er ist meine Familie, aber ich will auch, dass es ihm gut geht. Joey, ich ... mittlerweile gehörst du doch auch zur Familie und ich hab dich auch lieb ...“ Er brach leise schniefend ab und Joey spürte etwas Nasses, das durch sein Fell drang. Hilflos – hatte er mit Kindertränen doch noch nie gut umgehen können, lehnte er sich an Mokuba, stupste den Kleineren tröstend an die Wange. /Es tut mir leid Mokuba./ Der kleine Kaiba ließ ihn los, brachte Abstand zwischen sie. Noch immer schniefend wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und wirkte in Joeys Augen zumindest in diesem Augenblick so jung und hilflos, wie er ihn selten gesehen hatte. „Tut ... tut mir leid. Ich wollte nicht“, er wischte sich verzweifelt über das Gesicht, „es ist nur ... wenn du jetzt gehst ...“ /Ich weiß, was du sagen willst./ 17. Du machst dir Sorgen um ihn, wenn es ihm nicht gut geht. /Ich verstehe es, aber es ist ... so schwer. Vor allem für mich. Ich dachte bis vor kurzem immer, ich würde ihn hassen. Und jetzt weiß ich nicht, was ich wirklich fühle./ Er stupste Mokuba ein letztes Mal aufmunternd an. Der Schwarzhaarige lächelte leicht und die feuchten Spuren auf seiner Wange glitzerten verräterisch. „Joey, du willst wieder normal werden, oder?“ Er nickte. Diesmal vollkommen überzeugt. „Wirst du ... würdest du ... danach wiederkommen?“ Er zögerte. Doch die großen hoffnungsvollen Kinderaugen ließen ihn weich werden. Stockend nickte er erneut. „Versprochen?“ /Ja./ Wieder ein Nicken. /Versprochen./ oOo Während er den Kiesweg der Kaibavilla hinab lief, spürte er noch lange den blick Mokubas auf sich ruhen. Er schlüpfte durch die Stäbe des Eisentores, wusste, dass Nico ihn auf der Überwachungskamera registrierte und meinte die Worte „Viel Glück, Kleiner“ zu hören, doch war er sich nicht sicher, ob er sie sich nur eingebildet hatte. Er rannte, wie er noch nie zuvor gerannt war. 18. Du lässt ihn nur ungern alleine. Als hätte Nico geahnt, was passieren würde, schoss es ihm bitter durch den Kopf. Tatsächlich wurden seine Schritte mit jedem weiteren Entfernen von dem Kaibaanwesen hinter sich stetig schwerer, die Sprünge anstrengender und sein Atem schneller. Er musste zu Marik! Und wenn er nach Marik suchte, dann war sein Eigentliches Ziel ohne Zweifel Bakuras Wohnung! Flackernd gingen die Laternen im Park an und erhellten den Schotterweg nur spärlich. Grillen zirpten und in der Nähe schuhute ein Uhu. Joey lief durch den Wald, durch den er gestern noch zusammen mit Kaiba spaziert war, vorbei an der Bank, auf der sie gesessen hatten, achtlos vorbei rannte. Dieser Zeitpunkt schien ihm momentan so unsagbar lange her. Hechelnd ließ er die Grenzen des Parks hinter sich, überquerte die Straße und konnte von Glück reden, dass kein Auto zu sehen war, hatte er es doch nicht für nötig gehalten nach links oder rechts zu sehen. Seine weiten Schritte hörten sich in seinen eigenen Ohren dumpf an und wurden beinahe von rauschen seines Blutes übertönt. Einige Straßen weiter hörte er ein Auto, dass in seine Richtung kam, doch er kümmerte sich nicht darum, waren seine volle Konzentration doch auf das aufspüren von Bakuras Wohnung gerichtet. Er musste wieder ein normaler Mensch werden. So sehr ein Teil von ihm auch weiterhin in dieser Verkleidung und an der Seite des Brünetten bleiben wollte – es ging nicht! Es war falsch, und in gewisser Art demütigend, ein treues Schoßhündchen bleiben zu wollen, doch diese kleine verzweifelte Stimme ließ sich nicht abstellen. 19. Du vermisst ihn, wenn er nicht bei dir ist. Ja verdammt, er vermisste ... Kaiba. Nico hatte ja Recht! Er hatte so viele zugegeben schöne Momente mit ihm Erlebt, auch peinliche Momente – verlegen dachte er an den Morgen oder seinen Traum zurück zurück. Der Brünette fehlte ihm und dabei trennten sie erst wenige Häuserblocks, von den paar Minuten ganz zu schweigen. Wie würde das ganze erst werden, wenn er wieder ein Mensch war? Seine Schritte verlangsamten sich und vor der Biegung zur nächsten Straße, in der zweifellos Bakuras Wohnung lag – sein Geruchssinn hatte ihn in letzter Zeit noch nie im Stich gelassen – blieb er stehen. Nachdenklich starrte er auf den Asphalt des Bürgersteigs. Erst jetzt viel ihm wirklich auf, welche Punkte Nicos sich unter anderem zu der ersten Hälfte gesellt hatten. Welche eindeutigen Punkte. Noch einmal deutlich zum Mitschreiben – okay – Mitdenken: - Er hatte sich Gedanken darüber gemacht, warum er selbst zu dem geworden war, der er heute war. - Er hatte Kaiba heute Morgen beinahe bespannt ... gut, er hatte ihn bespannt. - Er machte sich Sorgen, um ... Kaiba - Er vermisste ihn Die Erkenntnis, gegen deren Erscheinen er sich seit Beginn seiner Verwirrung gewehrt hatte, überrollte ihn, warf alle bisherigen Thesen, alles verzweifelte Ignorieren über den Haufen, zwang sich ihm auf und ließ ihm keine andere Wahl, als sie sich vor Augen zu halten, sie zu verstehen, alles zu verstehen und zu begreifen, dass ... Diese Punkte ... die ganze Liste, sie lief nur auf diesen einen Punkt hinaus. 20. Du willst, dass er glücklich ist – um jeden Preis. Das bedeutete, dies alles bedeutete ... Er hörte Schritte, die sich ihm näherten, doch er nahm sie nur am Rande wahr, viel zu sehr durch die, auf ihn einströmenden, Einsichten fixiert. Diese ganzen Übereinstimmungen bedeuteten, dass er Kaiba - Seto - seinen eigentlich größten Rivalen in Wirklichkeit ... /Heißt das etwa, dass ich ihn wirklich -?/ Er war nicht in der Lage, seinen Gedankengang zu Ende zu bringen, da ihm unvermittelt schwarz vor Augen wurde. Die Welt drehte sich und mit einem dumpfen Aufprall fiel er zu Boden. /Seto .../ Kapitel 18: Träume sind Schäume? -------------------------------- 17. Kapitel: Träume sind Schäume? Seto Kaiba hatte Joey Wheeler zu hassen. Joey Wheeler hatte Seto Kaiba zu hassen. Hass, war alles, was sie zu verbinden hatte. Und dennoch ... Da gab es etwas anderes, was sie nun verband. Etwas, das niemand erwartet hätte. Etwas, das so abwegig erschien, dass sie es nicht akzeptieren wollten. Etwas, dass sie nicht akzeptieren konnten. Etwas ... Liebe. Als Joeys Bewusstsein es schaffte, sich wieder an die Oberfläche zu kämpfen, umgab ihn Schwärze. Halb benommen glaubte er zunächst, dass diese Dunkelheit an seinen wohlmöglich noch geschlossenen Augen lag, doch nach etlichen ermüdenden Fehlversuchen wurde ihm schleppend bewusst, dass es daran nicht liegen konnte. Sein Kopf schmerzte entsetzlich und er schaffte es nicht wirklich, seine derzeitige Lage einzuordnen. Die Schwärze beraubte ihn einer zentralen Wahrnehmung und sein Geruchssinn schien ihm ebenso abhanden gekommen zu sein. Er lag auf einem unebenen Untergrund und schien sich auf irgendeine ihm unbegreifliche Art und Weise fortzubewegen. Träge versuchte er, seine tauben Glieder zu bewegen, doch alles was er schaffte war eine müde Regung, die ihm zeigte, dass er in seinem Freiraum eingeschränkt war. Rauer Stoff streifte seine empfindliche Nase und er brauchte einige Zeit, um zu realisieren, dass er sich offenbar in einer Tasche oder etwas Ähnlichem befand. /Was ... ist den nur ... mit einem Mal los?/, fragte er sich halbwach und schüttelte den Kopf, um die Benommenheit abzuschütteln. Erfolglos. /Ich war doch eben noch ... und dann ... ich wollte doch ... zu Marik ... und habe ... Kaiba?/ Geschlagen ließ er den Kopf zurückfallen und versuchte, seine Gedanken halbwegs zu ordnen, doch er schaffte es nicht. Stattdessen spürte er, wie sein Geist langsam wieder davon driftete und seine Motorik nach und nach erlahmte, bis er schließlich wieder das Bewusstsein verlor, begleitet vom stetigen Rumpeln seines Untergrundes. oOo ‚Alle die mir irgendetwas bedeuten, hassen mich.’ ‚Ich hätte von Anfang an wissen sollen, dass Empfindungen nichts bringen.’ ‚Ich hätte mich nicht erst darauf einlassen sollen.’ ‚Es war ein Fehler.’ ‚Wirst du ... würdest du ... danach wiederkommen?’ ‚Versprochen.’ Das erste, was er wieder halbwegs bewusst wahrnahm, war ein stetiges Prasseln in seinem Hinterkopf. Er schlug die Augen auf und augenblicklich überrollte ihn eine Welle der Schmerzen und Übelkeit. Gequält kniff er sie wieder zusammen und wartete einige Minuten, bis sich das flaue Gefühl in seinem Magen legten und er es gefahrlos schaffte, seine Augen wieder zu öffnen und sich umzusehen. Irritiert blinzelte er, als die Umgebung um ihn herum klare Konturen annahm. /Wo bin ich hier?/ Er lag auf einem roten Kissen in einem großen Zimmer. Beunruhigt sah er sich um. Dieser Raum gehörte nicht zur Kaibavilla, das sah er auf den ersten Blick. Alleine aufgrund der Tatsache, dass Kaiba jeden seiner Räume bevorzugt in kühlen Farben einrichten ließ und nicht in einem dunklen Rot, wie in diesem Fall. Das Prasseln, welches er für eine Nachwirkung seiner Bewusstlosigkeit gehalten hatte, erwies sich als Regen, welcher gegen die Scheiben der Fenster tropfte. Der Himmel draußen war dunkel vor Wolken, die sich einer Mauer gleich, über das blaue Zelt gelegt zu haben schienen. Grau und Schwarzvermischten sich, schienen nicht vor zu haben, in nächster Zeit zu weichen. Joey drehte seinen Kopf und betrachtete den anderen Teil des Raumes. Auch dort fand er keinen Anhaltspunkt, der ihm zeigen konnte, wo genau er sich hier befand. Nach etlichen Minuten gab er den Versuch auf, sich irgendwie zu orientieren und versuchte stattdessen, seine tauben Glieder dazu zu bringen, ihm wieder zu gehorchen. Mühsam schaffte er es, seine Beine dazu zu überreden, seinen Leib hochzustemmen, bis er schließlich mehr oder weniger sicher auf seinen vier Pfoten stand, darauf bedacht, dem ermattenden Schwindelgefühl in seinem Kopf nicht doch noch nachzugeben und den Weg zurück auf das Kissen zu finden. Benommen schüttelte er den Kopf und die bleierne Müdigkeit wich endlich von ihm, ließ nur noch einen schwachen Rest Mattigkeit zurück, den er versuchte, zu ignorieren. Er hob den Blick und fixierte das Fenster am anderen Ende des Raumes. Neben der Fensterbank stand ein alter Stuhl aus Mahagoni. Seine Chance, herauszufinden, wo genau er sich hier befand! Er setzte sich in Bewegung, nahm genügend Anlauf und sprang in einer – mittlerweile geübten – Bewegung auf den Stuhl. Das Möbelstück, durch dieses plötzliche Gewicht beinahe schon unangenehm überrascht, kippte fast zur anderen Seite über, doch Joey schaffte es rechtzeitig, einen zweiten Satz auf die breite Fensterbank zu machen, sodass der Stuhl rechtzeitig sein Gleichgewicht wieder fand. Leise hechelnd warf Joey einen Blick zurück. /Puh, das wäre beinahe schief gegangen, Wer weiß, wen ich sonst noch mit dem Gepolter angelockt hätte .../ Er wandte den Kopf und blickte besorgt nach unten. /Hoffentlich hält die Fensterbank mein Gewicht aus. Ein Fliegengewicht bin ich in diesem Körper auch nicht gerade .../ Seine braunen Augen wanderten an der Fensterscheibe hinauf und er sah nach draußen. Schwer musste er schlucken. Vor ihm breitete sich ein weites Grundstück aus. Ein mit dunklen Steinen gepflasterter Weg führte ein Stück vor dem Fenster entlang. Breit genug, für ein Auto. In der Ferne meinte er eine Steinmauer zu erkennen, davor häuften sich die Pflanzen eines gut gepflegten Gartens. Oder war dies etwa nur die Einfahrt? Bei diesem Gedanken wurde ihm leicht schwindelig. Kaibas Grundstück war schon überdimensional groß, doch dies hier schien alle Register zu sprengen. Bei wem zum Henker war er hier gelandet?! Was war überhaupt geschehen? Das letzte, woran er sich erinnern konnte war die Straße, durch die er gerannt war, dann war ihm auf einmal schwarz vor Augen geworden. Man hatte ihn tatsächlich entführt! Doch wer war es? Als hätte man seine Frage mitbekommen, hörte er mit einem Mal den Motor eines Wagens, der mit der Zeit immer näher zu kommen schien. Joeys Ohren zuckten und stellten sich wachsam auf, während er angespannt den Kopf reckte, um einen Blick auf das Gefährt zu erhaschen. Keine fünf Sekunden später war es in seinem Blickfeld. Eine lange, schwarze Limousine mit verspiegelten Fenstern. Innerlich fluchte Joey. /Mist, jetzt kann ich nicht sehen, wer da drin sitzt. Wie soll ich da jemals erfahren, bei wem ich hier bin?!/ Die Limousine fuhr vor dem Fenster vorbei und verschwand schließlich wieder aus seinem Blickfeld. Frustriert wollte Joey sich abwenden, doch er erstarrte mitten in der Bewegung. Sein Blick hing an dem Griff des Fensters, nur ein kleines Stück über seinem Kopf. Hinter seiner Stirn ratterte es, während er das verzierte, alte Stück Metall anstarrte. /Eine ... Möglichkeit./ Hier fand sich seine Chance auf eine Flucht. Zwar wusste er nicht vor wem – hatte er in der Limousine niemanden erkennen können – doch er spürte instinktiv – zu irgendetwas musste dieser Sinn zur Gefahrenerkennung ja gut sein – dass hier eindeutig etwas schief lief. Die Tatsache, dass man ihn betäubt hatte – anders konnte er sich seinen Bewusstseinsverlust und die Benommenheit nicht erklären – sprach doch schon mehr als für sich. Überhaupt, wie viel Zeit war eigentlich vergangen? Wie lange hatte er hier gelegen? Wie lange ... wartete Mokuba schon auf ihn? Er hatte doch nur zu Marik gewollt. Er hatte doch nur wieder ein Mensch werden wollen und zu Kaiba ... Ich liebe ihn? Vollkommen nüchtern stellte sein Geist ihm auf einmal diese Frage. Ohne Vorwarnung. Einfach so. Joeys Ohren zuckten und unruhig peitschte sein Schwanz auf der Fensterbank hin und her. Warum jetzt? Warum in dieser Situation? Warum ausgerechnet hier, wo er sicher kaum weiter weg von Kaiba hätte sein können, als in diesem Raum? Warum ... überhaupt? Er liebte Kaiba? Hatte ihn nicht diese Erkenntnis übermannen wollen, kurz bevor er das Bewusstsein verloren hatte? Bevor man ihn betäubt hatte? Er liebte ... Kaiba? Wie konnte es soweit kommen? Wieso bemerkte er es ausgerechnet jetzt? Warum war er nicht geschockt und fiel vor Schreck nicht von dieser hohen Fensterbank und brach sich nicht wohlmöglich sein Hundegenick? Warum blieb das Entsetzen aus, mit dem er in den letzten Tagen oft genug zu kämpfen gehabt hatte? Wohin war die Angst vor der Erkenntnis mit einem Mal verschwunden? Wo war sein Hass auf Kaiba? Warum spürte er nichts, abgesehen von ... Resignation. Wo war der Joey Wheeler, der bei dieser Erkenntnis einen entsetzten Schrei von sich gegeben hätte, nur um anschließend eine künstlerische Schimpftirade, an den Brünetten gerichtet, zu entsenden und sich dabei an Kreativität und Einfallsreichtum hinsichtlich „Kaiba-Beleidigungen“ nur so zu überschlagen? Wo blieben die verhemmten Abwehrreaktionen, die Wutausbrüche, die Gegenargumente zu dieser These, warum blockte er nicht ab? Warum verspürte er nichts weiter als Resignation?! /Vielleicht/, dachte er mit einem bitteren Nachgeschmack und senkte den Blick – vergaß vollkommen den Fenstergriff zur Freiheit, /vielleicht habe ich mich im Gegensatz zu ihm einfach damit abgefunden. Ohne es zu bemerken./ ‚Ich hätte von Anfang an wissen sollen, dass Empfindungen nichts bringen.’ ‚Ich hätte mich nicht erst darauf einlassen sollen.’ ‚Es war ein Fehler.’ /Er will es noch nicht akzeptieren, weil er es nach all der Zeit immer noch nicht kann. Er kann es nicht./ Ein Bild schoss durch seinen Geist und sein Kopf ruckte hoch. Ungläubig starrte er ins Leere, blickte, ohne es zu merken, aus dem Fenster in den wolkenverhangenen Himmel. Warum hatte er dann ein Bild von mir auf seinem Schriebtisch in der Kaiba Corporation? Warum hat er mich Joey genannt? Warum hat er sich Sorgen um mich gemacht, als ich einfach so von der Bildfläche verschwand? Irgendwie musste der Brünette sich doch damit abgefunden haben, es akzeptiert haben, wenn dies alles geschehen war. Man hatte nicht ohne Grund das Bild einer Person auf dem eigenen Schriebtisch. Man machte sich nicht grundlos Sorgen um jemanden, den man angeblich hasste. Man benannte den eigenen Hund nicht nach jemanden, den man versuchte, zu vergessen! Vielleicht hatte Kaiba es akzeptiert. Vielleicht hatte er sich damit abgefunden. Vielleicht wollte er nicht vergessen. Doch vielleicht ... begann er nun zu zweifeln. Joeys Blick wurde klar und er beobachtete nachdenklich den Regen, der gegen die Scheiben des Fensters prasselte. So kompliziert die Lage momentan für ihn war, so verwirrend seine Gedankengänge momentan schienen, hätte er es gekonnt, er hätte gelächelt. /Das ist doch mal wieder typisch, Kaiba. Selbst wenn jeder von uns jetzt weiß, wie er für den anderen fühlt, machen wir es uns doch selten schwierig, findest du nicht auch? Im Nachhinein ist es so typisch, dass es schon wieder nicht anders vorstellbar ist. Wie soll das nur jemals mit uns funktionieren, wenn sogar der Ansatz die reinste Katastrophe ist?/ Ob Kaiba daran glaubte, dass jemals etwas aus ihnen würde werden können? Oder hatte er diesen Gedanken längst aufgegeben, zusammen mit allem, was nicht in das strenge Schema seines Lebens passte. Warum überhaupt ich? Es war das erste Mal, dass er sich diese Frage bewusst stellte und er wunderte sich, dass sie erst so spät aufkam, wo sie doch die Erste hätte sein müssen, nachdem er von Nico die Wahrheit erfahren hatte. Warum hatte Seto Kaiba Gefühle für ihn, Joey Wheeler, entwickelt? Sie hatten sich gehasst. Mehr als alles andere. Von Anfang an. Seit er auf die Domino Highschool gekommen war, über das Königreich der Duellanten, und das Battle City Turnier hinweg, bis hin zu dem Zwischenfall mit Orichalcos und dem Kaiba Corporation Grand Prix. Wann war dieser Hass zu etwas anderem geworden? Und warum ausgerechnet er? Es gab unzählige Mädchen an der Schule, die dem Brünetten regelrecht zu Füßen lagen – er konnte sich sicher kaum vor den weiblichen Fangemeinden retten – wie also kam Seto Kaiba dann ausgerechnet auf ihn? Den ‚drittklassigen Duellanten’, den ‚Versager’, den ‚Köter’ ... das ‚Hündchen’. Was war besonders an ihm, dass er es schaffte, Seto Kaiba dazu zu bringen, sich offenbar in ihn zu verlieben? Kaiba zufolge besaß er keinerlei Qualitäten, kein Können, gar nichts. Was also war es? Und was war es, das ihn dazu brachte, etwas für Kaiba zu empfinden? Den ‚arroganten Schnösel’, den ‚reichen Pinkel’, ‚überheblichen Mistkerl’ ... Kaiba eben. Gegensätze ziehen sich an, heißt es. Eine Theorie, die durchaus auf sie zuträfe. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein und dennoch ... dennoch ... /Seit wann bin ich so nachdenklich?/ Die Frage kam überraschend in ihm auf, doch war sie keinesfalls grundlos. Seit wann machte er sich derart viele Gedanken? Normalerweise war Joey Wheeler jemand, der erst handelte, bevor er überlegte. Doch warum war er mit einem Mal so anders? Er hatte alleine in den letzten Minuten mehr über sich und den Brünetten nachgedacht – sachlich nachgedacht – wie selten zuvor in seinem Leben. Was geschah hier nur mit ihm? Wo war der alte Joey? Hatte er sich über die letzten tage hinweg nach und nach etwa so sehr verändert, dass er nun irgendwie ... ein neuer Joey war? /Da sieht man mal, was solche Gefühle anrichten können, wenn sie mich sogar zu einem nachdenklich Teenager machen/, dachte er voller Ironie. Das Knarren der Tür hinter ihm riss ihn unsanft in das Hier und Jetzt zurück. Er saß noch immer auf der Fensterbank eines fremden Zimmers in einem fremden Haus, dessen Besitzer ihm noch immer unbekannt blieb. Es war nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, um sich in verwirrenden Gedankengängen zu verlieren. Seine Ohren stellten sich wieder auf und er wirbelte herum. Dummerweise war die steinerne Fensterbank für eine derart schnelle Bewegung nun doch zu schmal gewesen, was ihn das Gleichgewicht verlieren ließ. Mit einem verschreckten Jaulen fiel er nach unten. Zum Glück war der Fall nicht sehr tief, dennoch reichte er aus, um ihm für einige Sekunden sämtlich Luft aus den kleinen Hundelungen zu pressen. Japsend lag er auf dem Boden, versuchte die bunten Punkte, die vor seinen Augen auf und abtanzten, abzuschütteln. Er blinzelte, blickte nach vorne und sah gerade noch, wie die dunkle Holztür zu dem Zimmer aufschwang und ein schwarzes, glänzendes Paar Schuhe in seinem Blickfeld erschien. Sein Blick wanderte an der Gestalt hinauf, an der schwarzen Hose vorbei, über ein ebenfalls schwarzes Jackett bis hin zu dem, von einer verspiegelten schwarzen Sonnenbrille verdeckten Gesicht und blieb schließlich an der seltsamen Frisur der Person hängen. Konzentriert kniff er die Augen zusammen. /Moment, der kommt mir bekannt vor./ Spitz zulaufende braun-schwarze Haare und ein gemeines Grinsen auf dem Gesicht des Mannes. Joeys Augen weiteten sich, im Angesicht der Erkenntnis. /Nein! Das kann doch nicht sein!/ Er kannte den Mann! Er hatte ihn schon einmal gesehen. Es war einer der Handlanger von – „Na sieh mal einer an. Ist der Kleine also aufgewacht?“ Die Stimme des Mannes unterbrach seine Gedanken. Er trat näher. Joey rappelte sich hastig auf und wich zurück. Dies alles konnte unmöglich wahr sein! Er war doch nicht wirklich – „Na so was, du brauchst doch keine Angst zu haben. Ich will dir nichts tun. Ich bin nur hier, um dich zu holen.“ /Dann versuch’s erstmal!/ Der dunkel gekleidete Mann kam näher und erst jetzt bemerkte Joey das lederne Band in seiner Hand. Der Blonde wich weiter zurück. /Der will mich doch nicht etwa anleinen?! Na warte, bevor du das schaffst, musst du mich schon überwältigen!/ Er spürte etwas Festes hinter sich und realisierte mit Schrecken, dass er die Wand erreicht hatte. Unruhig blickte er wieder nach vorne. Der Mann war jetzt alarmierend nahe und streckte die Hand nach ihm aus. „Na komm schon, sei ein braver kleiner Hund und – au!“ Joey hatte kurzen Prozess gemacht und den Kerl gebissen. Fluchend zog er seine Hand zurück. „Na warte, du kleines Biest!“ /Biest?! Dir werd ich es zeigen! Mann nennt einen Joey Wheeler nicht einfach Biest!/ Ein plötzlicher fester Griff in seinem Nacken ließ ihn zusammenzucken. Er versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien, doch blieb dies ohne Erfolg. Etwas wurde ihm fest um den Hals gezerrt und schnürte ihm beinahe die Luft ab, dann löste sich der Griff. Doch der Druck auf seiner Kehle ließ nicht nach. Entsetzt stellte er fest, dass der Mann ihn tatsächlich an die Leine gelegt hatte. Verzweifelt zerrte er an dem Lederband, doch damit schnürte er die Schlaufe um seinen Hals nur noch fester. „Versuch es nur, Kleiner, das wird nichts.“ /Von wegen! Du wirst dich noch wundern! Man legt einen Joey Wheeler nicht einfach um die Leine!/ Er kräftiger Ruck riss ihn herum und er wäre beinahe wieder gestürzt, doch die Leine wurde so kurz gehalten, dass er oben blieb. Keuchend und mit hasserfülltem Blick starrte er zu dem Mann hinauf, der ihn triumphierend angrinste. „Du bist jetzt schön brav und kommst mit, Kleiner, sonst leg ich dir einen Maulkorb um.“ /Maulkorb?!/ Die braunen Hundeaugen verengten sich und ein Knurren entwich Joeys Kehle. Der Typ sollte versuchen, ihm einen Maulkorb umzulegen – eher würde er sterben! Der Mann setzte sich in Bewegung und zog Joey erbarmungslos hinter sich her. Da der Blonde nicht den Wunsch nach Sauerstoffmange verspürte, versuchte er, mit dem Größeren Schritt zu halten, was nicht so leicht war, wie er sich das vorstellte, hatte der Mann doch wesentlich längere Beine als der kleine Hund. Sie verließen das fremde Zimmer und betraten einen dunklen, fremden Korridor. Er zerrte Joey durch unzählige Gänge, bis sie einen großen Saal erreichten. Der Regen prasselte gegen die hohen Fenster, doch Joey hatte keine Zeit sich genauer umzusehen, wurde er doch ohne Pause weiter gezogen. Sie passierten eine steinerne Figur. Die Karikatur eines Hasen, oder was auch immer es darstellen sollte. /Sowas passt zu ihm/, schoss es Joey durch den Kopf. /Wirklich typisch./ Und auch als sie auf eine große hölzerne Doppeltür zusteuerten, deren Weg ebenfalls von steinernen Figuren flankiert wurde, wunderte sich der Blonde nicht darüber, denn es erschien ihm als kennzeichnend. Hase. Drache. Magier. Alle verunstaltet, durch rundere, niedlichere Züge. /Eindeutig. Das kann nur er sein./ Die Türen öffneten sich knarrend – musste eine Eigenheit von diesen Holztüren sein – und gab Blick auf das schwach beleuchtete Zimmer dahinter frei. Der Mann zog Joey unerbittlich hinter sich her, in den Raum. Knurrend wollte Joey sich losreißen, doch eine ihm wohlbekannte Stimme ließ ihn augenblicklich erstarren. „Unser kleiner Freund scheint außerordentlich widerspenstig zu sein.“ Joeys Nackenhaare stellten sich auf und er wirbelte knurrend herum. Vor dem Fenster stand eine schlanke Person in rotem Anzug. Ihr langes Haar fiel ihr über die Schultern und schimmerte matt in dem, von einer kleinen Lampe, beschienenen Raum. Joey fletschte die Zähne. /Warte nur, wenn ich dich in die Finger kriege! Du hast Yugi und uns schon genug Probleme gemacht und jetzt das! Das ist doch wohl die absolute Krönung!/ „Ja, Master“, stimmte der Mann, der Joeys leine hielt, zu. „Ein kleines Biest ist das. Es hat mich gebissen!“ Die Person am Fenster lachte, bevor sie sich gänzlich umdrehte. Das gedämmte Licht ließ die Schatten auf dem Gesicht der Person beinahe schon grotesk erscheinen. Strähnen des langen Haares verdeckten das linke Auge, in dem vor langer Zeit ein Millenniumsgegenstand gehaust hatte und ein belustigtes Lächeln lag auf den Zügen des Mannes, als er mit seinem gesunden Auge aufmerksam das knurrende Hündchen betrachtete. „Freut mich, dich kennen zu lernen, kleiner Kaiba-Hund.“ Joeys Entführer war niemand geringeres als Maximillian Pegasus. *~*~* Step up, Step up I’ll let you try to get to me But at the end you’re gonna see the only way to go through me yeah, yeah Step up, Step up I’ll let you try to get to me But at the end you’re gonna see Because the victory is pulling you right at me *~*~* „Dann wollen wir uns doch mal unseren kleinen Freund ansehen.“ Pegasus umrundete den Schreibtisch am anderen Ende des Raumes und kam zu ihnen herüber. Als er unmittelbar vor ihnen stand, hob er die Hand und richtete sich an den in schwarz gekleideten Mann. „Ich denke, du kannst uns nun alleine lassen.“ „Ja, Master Pegasus.“ Der Mann übergab Joeys Leine, dann drehte er sich um und verließ den Raum. Misstrauisch blickte Joey zu dem Leiter von Industrial Illusion hinauf. /Was hast du geplant, Pegasus?/ Der Silberhaarige beugte sich interessiert zu Joey hinab. „Ich muss gestehen“, begann er und lächelte weiterhin auf eine Art und Weise, die Joey innerlich zum Kochen brachte, „dass ich nicht damit gerechnet habe, jemals einen Tag zu erleben, an dem ich dem Haustier von Seto Kaiba gegenüberstehe. Eine wirklich interessante Wendung.“ /Was willst du von mir?/ „Ich frage mich nur, wie der gute Kaiba ausgerechnet – im wahrsten Sinne des Wortes – auf den Hund gekommen ist. Doch ich beklage mich sicherlich nicht“ –erneut lachte er – „dadurch ergeben sich für mich nur weitere interessante Möglichkeiten an das zu kommen, wonach ich verlange.“ Allmählich dämmerte es Joey, was der Silberhaarige vorhatte. Unglaube breitete sich in ihm aus. /Der will Kaiba mit mir erpressen?! Ist das jetzt ein neuer fieser Trick um an die Kaiba Corporation zu kommen? Und ich dachte er hätte sich in der Hinsicht geändert! Jetzt, wo er nicht mehr an Mokuba kommt will er mich als Köder nehmen?! So eine Unverschämtheit!/ Ein bedrohliches Grollen entwich seiner Kehle, woraufhin Pegasus ihn lächelnd musterte. „Nicht doch, kleiner Freund. Du wirst dein Herrchen bald wieder sehen. Natürlich unter der Bedingung, das der gute Kaiba meine Forderungen erfüllt.“ /Ich gerate auch wirklich vom Regen in die Traufe. Erst das Gefühlschaos und jetzt werde ich auch noch entführt. So etwas kann auch echt nur mir passieren./ Joey ließ bei diesem Gedanken unbewusst die Ohren hängen. „Du musst doch nicht traurig sein“, meinte Pegasus unschuldig lächelnd und tätschelte ihm den Kopf. „Du bist ein außerordentlich nützlicher kleiner Hund. Du kannst stolz auf dich sein.“ /Ja. Stolz darauf, unnötiger Ballast für Kaiba zu sein./ „Dann wollen wir doch mal sehen, was der liebe Kaiba sagt, wenn er erfährt, wo du zurzeit zu Gast bist. Ich finde, er hat lange genug gewartet.“ Pegasus drehte sich zur Seite und drückte in einer flüchtigen Bewegung auf einen Knopf neben einem Portrait an der Wand. Wenige Momente später teilte sich ein Stück der Wand und machte den Blick auf einen schwarzen Bildschirm frei. Flimmernd schaltete er sich ein. Sekunden verstrichen, dann erschien das Gesicht Seto Kaibas vor ihnen. Joeys Herzschlag beschleunigte sich. Kaiba wirkte mehr als nur verstimmt, von seiner einstigen Gelassenheit war auf dem Schirm nur noch wenig zu erkennen. Joey schluckte schwer. /Auf einmal geht alles Schlag auf Schlag./ Die blauen Augen Seto Kaibas sprühten beinahe Funken, als sie Pegasus fixierten und sich augenblicklich noch ein Stück verengten. „Wo ist er, Pegasus?“ Seine Stimme war bedrohlich leise und verlangte umgehend nach einer Antwort. Pegasus hob den freien Arm und deutete neben sich auf Joey. „Wir sind heute aber auffallend missgestimmt. Sieh her, Kaiba, hier ist dein teurer kleiner Freund. Unversehrt und in bester Verfassung. Du bist überraschend schnell zu dem Schluss gekommen, dass ich ihn habe. Nichts anderes habe ich von jemandem wie dir erwartet.“ Der Silberhaarige deutete eine anerkennende Verneigung an. /In bester Verfassung? Na ja, Hunger hätte ich schon .../ „Ich warne dich Pegasus, wenn du ihm auch nur –“ „Ihm wird nichts geschehen“, seufzte der Angesprochene gespielt theatralisch, bevor er mit plötzlich ernster Mine fortfuhr, „solange du das tust, was ich von dir verlange.“ Die Augenbrauen Kaibas zogen sich bei diesen Worten Unheil verkündend zusammen. „Was verlangst du, Pegasus? Ich dachte, wir wären mit diesen Entführungs-Erpressungsgeschichten durch.“ „Der Ansicht war ich auch“, entgegnete Pegasus beinahe schon fröhlich. „Bis zu dem Tag, an dem ich erfahren habe, dass du dir einen Gefährten zugelegt hast. Des Menschen bester Freund war nun auch der deine und in mir keimte eine neue Idee auf. Welch schicksalhafte Begebenheit, findest du nicht auch?“ „Ganz und gar nicht.“ „Wenn ich nicht über deinen Bruder an deine Firma komme, warum es nicht mit dem jüngsten Mitglied deiner kleinen Familie versuchen? Ein äußerst kluger Schachzug, wie ich gestehen muss.“ „Verzeih mir, dass ich nicht klatsche“, erklang es bissig aus den Lautsprechern des Monitors. „Aber nicht doch. Sieh es einfach als neues Katz und Maus Spiel, mein lieber Kaiba. Oder sollte ich es vielleicht eher Hund und Katz Spiel nennen?“ „Pegasus“, grollte Kaiba, der es offenbar leid war, weiterhin den Worten des anderen zu folgen, „ich verlange umgehend meinen Hund zurück. Ich habe Mittel und Wege um –“ „Ich denke“, fiel Pegasus ihm ins Wort und hob mahnend den Zeigefinder, „dass du derzeit nicht in der Position bist, Forderungen zu stellen. Wie du sicherlich unschwer erkennen kannst, habe ich das Druckmittel.“ /Warum immer ich?/ Kaibas Blick wanderte an Pegasus vorbei und kam auf Joey zur Ruhe, welcher sich ernsthaft wünschte, der Boden mochte sich unter ihm auftun und ihn verschlucken. Vorsichtig blickte er auf und sah Kaiba– zumindest den Teil, der auf dem Monitor zu erkennen war - entschuldigend an. Einen Moment lang meinte er so etwas wie Soge in Kaibas Augen gesehen zu haben, doch so schnell wie es gekommen war, verschwand es auch wieder. War Kaiba wohlmöglich gar nicht wütend auf ihn? Der Blick des Firmenleiters löste sich von Joey und richtete sich wieder auf Pegasus. „Was sind deine Forderungen?“ /Er geht darauf ein?!/, schoss es Joey ungläubig durch den Kopf. Der Silberhaarige wirkte äußerst zufrieden, als er erneut zu reden begann: „Ich verlange einundfünfzig Prozent deiner Firma.“ Die Augen des Brünetten weiteten sich sichtlich. „Einundfünfzig Prozent?! Weißt du, was du da verlangst?“ „Ja. Mit deiner Zustimmung zu dieser Forderung würde ich zum neuen Eigentümer der Kaiba Corporation.“ Fassungslosigkeit zeichnete sich auf dem Gesicht des Brünetten ab und Joey konnte gut nachempfinden, was in diesem Moment in dem anderen vor sich ging. Kaiba musste sich zwischen der Firma, die er aus dem Nichts geschaffen hatte – seinem Ein und Alles - und Joey entscheiden. Keine leichte Aufgabe, wenn man Seto Kaiba hieß. /Es tut mir leid. Es tut mir leid./ Einem helfenden Mantra gleich wiederholte Joey diese Worte, hoffte, Kaiba konnte sie irgendwie hören, obwohl er selbst wusste, dass dieser Wunsch lächerlich und kindisch war. /Das wollte ich doch alles nicht. Ich wollte doch nur zu Marik, damit ich wieder normal werde. Und jetzt das hier ... ich bin wirklich zu nichts zu gebrauchen. Ein nichtsnutziges Ding, dass bestenfalls zur Erpressung taugt. Es ist alles meine Schuld. Wegen mit verliert Kaiba wohlmöglich seine Firma .../ „Ich bin mir sicher, dass diese Entscheidung keinesfalls leicht für dich ist“, riss ihn Pegasus Stimme aus den Gedanken. Kaibas Mimik wechselte zurück zu seiner unbewegten Maske. Offenbar hatte er sich wieder einigermaßen im Griff. „Ich gebe dir aus diesem Grund zwölf Stunden, um dich endgültig zu entscheiden. Wie überaus großzügig von mir, nicht wahr?“ „Pegasus -“, setzte Kaiba an, doch der Silberhaarige ließ ihn nicht ausreden. „Ich erwarte deine Entscheidung, Kaiba.“ Mit diesen Worten schaltete sich der Bildschirm aus. Lange noch starrte Joey auf das matte Schwarz, in dem sich schwach das Licht der Lampe spiegelte, dann schloss sich die Öffnung in der Wand lautlos. Der Blonde wandte sich ab. Langsam hob er den Blick und sah zu Pegasus hinauf, welcher ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte und ihn nun wissend betrachtete. „Ich frage mich, wie dein Herrchen sich entscheiden wird. Für oder gegen dich?“ Joey sah gequält in eine andere Richtung. /Wenn ich das doch nur selbst wüsste./ *~*~* Do you really wanna know it I don’t think you wanna know it The way that this is goin down There my hero on the ground Do you really think you can Take over Pegasus's plans I don’t think you have a chance, chance *~*~* Und Joey erinnerte sich zu seiner eigenen Verwunderung an einen Tag, vor wenigen Wochen zurück. *~*~* „Ich erkläre es euch noch einmal“, seufzte die offensichtlich mit der Situation überforderte Frau angesichts des Chaos, welches in der Klasse herrschte. Der Lautstärkepegel sank um ein Beträchtliches, als sie drohend die Hände in die Hüften stemmte und die Schüler mit einem mehr als gefährlichen Blick taxierte. „Ich werde es jetzt nur noch einmal wiederholen, also wäre ich an eurer Stelle still, sonst hagelt es Einträge!“ Mit einem Schlag kehrte nun gänzlich Stille ein und auch die letzten verstummten. Zufrieden nickte die Pädagogin. „Gut. Ich werde euch nun in Paare zusammentun, dann werden wir zur Förderung der gemeinschaftlichen Arbeit ein Projekt für diese Stunde starten.“ „Wahrscheinlich wieder eines von diesen Psychospielen bei denen man einer Gehirnwäsche unterzogen wird, bevor sie einen mitnehmen und als Versuchskaninchen benutzen“, flüsterte Joey Yugi zu, welcher einen Platz neben ihm saß und bei seinen Worten grinsen musste. „Da du ja offenbar den Drang verspürst, dich anderen mitzuteilen, kannst du uns doch sicher auch erzählen, was es da so lustiges zu plaudern gibt, nicht wahr Joseph?“, erklang mit einem Mal die Stimme der Lehrerin und ließ ihn ertappt zusammenzucken. /Die lernt es nie, oder?/, schoss es ihm durch den Kopf. /Die soll mich Joey nennen!/ „Äh, das ... ich meine“, stammelte er überrumpelt, „nein, da gab es nichts.“ Verlegen kratze er sich am Hinterkopf. /Wenn die mich jetzt einträgt, bekomme ich echte Probleme!/ „Mir ist nur aufgefallen“, begann er zu erklären und suchte verzweifelt nach einer Ausrede, „dass Sie heute anders aussehen. Haben sie eine neue Frisur?“ /Uh, ganz falscher Versuch. Dumm, Joey./ Die Frau seufzte erneut. „Joseph, wenn du schon versuchst, dich aus der Affäre zu ziehen, dann doch bitte auf eine andere Art und Weise.“ Einige Mitschüler begannen zu lachen. Joeys Wangen brannten. /Sie hat es bemerkt. Mist!/ Doch zu seinem Glück beließ sie es dabei und begann stattdessen, die Pärchen für die Gruppenarbeit zusammenzustellen. Doch wahrscheinlich wäre er besser bedient gewesen, noch nicht von Glück zu reden, denn keine fünf Minuten später stellte sich heraus, dass von allem die Rede war, bloß nicht von seinem Glück. „Das können Sie doch nicht machen!“. protestierte er und sprang von seinem Stuhl. Einige Schüler in seiner Umgebung zuckten bei dieser plötzlichen Bewegung zusammen und ihre Gespräche verstummten. „Auf keinen Fall! Ich lege ein Veto ein oder mache sonst was! Ich bokettiere!“ „Wheeler, das heißt boykottieren. Tu doch wenigstens so, als besäßest du wenigstens einen Rest Verstand.“ „Da sehen Sie es!“, brauste der Blonde auf und deutete zitternd vor unterdrückter Wut auf den ihm zugeteilten Partner. „Ich kann und werde nicht mit so einem Geldsack zusammenarbeiten!“ „Denkst du, ich bin begeistert davon, Wheeler?“, entgegnete der, als ‚Geldsack’ bezeichnete, bissig. „Wenn hier einer von uns gestraft ist, dann doch wohl zweifellos ich.“ „Haben Sie das gehört?!“ Joeys Kopf schnellte zu der Lehrerin herum. „Er hat mich schon wieder beleidigt!“ „Von beleidigen kann keine Rede sein“, bemerkte Seto Kaiba verstimmt. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man das Aussprechen von Tatsachen als verwerflich bezeichnet.“ „Argh, du verdammter, neureicher – “ „Joseph!“ „Äh, ja?“ „Zügele dich ein wenig.“ „Warum ich? Der ist hier doch derjenige –“ „Herr Kaiba?“ /Immer dieses elendige ‚Herr’! Das macht mich wahnsinnig! Der ist doch nicht der Direktor!/ „Was gibt es?“ „Das gilt auch für Sie“, erklärte die Frau und schob sich mit einer Hand die Brille nach oben. Joey konnte deutlich sehen, wie die Empörung sich auf dem Gesicht des Brünetten ausbreitete. „Wie war das?“ „In dieser Gruppenarbeit geht es darum, dass die beiden Partner sich gegenseitig vertrauen –“ „Womit Sie bei uns bereits gänzlich fehl am Platz sind“, fiel der Firmenleiter ihr schroff ins Wort. Doch ließ sie sich nicht davon beirren und fuhr in ruhigem Tonfall fort: „Oder sich vertrauen lernen –“ „Was genauso wenig passiert!“, warf Joey dazwischen, doch auch davon ließ die Lehrerin sich nicht stören. „Oder zumindest lernen, miteinander umzugehen“, schloss sie schließlich und nickte zur Verdeutlichung ihrer Worte. „Insofern streben wir bei euch beiden eher letzteres Ziel an.“ „Wie beruhigend“, kam es ironisch von dem Brünetten. „Dem stimme ich zu und nun setzt euch bitte gegenüber auf eure Stühle. Genauere Anweisungen gebe ich gleich der gesamten Klasse.“ Mit diesen Worten rauschte sie davon, um die letzten Schülerpaare zu bilden. Knurrend ließ Joey sich auf seinem Stuhl nieder und der Blauäugige tat es ihm widerwillig gleich. Stumm saßen sie sich gegenüber, starrten sich finster in die Augen. „So meine Lieben“, nahm die Pädagogin nach einigen Minuten wieder das Wort an sich. „Jetzt wo alle einen Partner haben, können wir mit dem Projekt beginnen. Es beginnt nun einer von euch und erzählt dem anderen einen seiner kürzlich erlebten Träume.“ Stille. Die Schüler starrten ihre Lehrerin verständnislos an. Hatten sie gerade richtig gehört? Träume?! /Sind wir wieder im Kindergarten?/ „Na los, nun fangt schon an“, forderte die Frau sie mit einer unmissverständlichen Handbewegung auf. „Erzählt.“ /Das meint die doch nicht ernst!/ Mit Entsetzen registrierte Joey, wie die Schüler um sie herum nach und nach begannen, ihren Partnern einen ihrer Träume zu schildern. Einige von ihnen mit sichtlicher Begeisterung. Andere zaghaft, mit scheuen Blicken und wiederum andere mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, das mehr sagte als Worte. Missmutig wandte er sich wieder seinem Wunschpartner zu, welcher mit verschränkten Armen und abweisendem Gesichtsausdruck vor ihm saß und ihn kalt musterte. Wie er diesen Ausdruck doch hasste! „Und was machen wir jetzt?“, fragte der Blonde mit wenig Begeisterung in der Stimme. „Ich nehme nicht an, dass du mir einen deiner Träume erzählen willst.“ „Dann fang du doch an, Wheeler“, meinte Kaiba unvermittelt. Joey blickte überrascht auf. Auf den Lippen des Brünetten ruhte ein provokantes Lächeln. „Erzähl mir, wovon jemand wie du träumt. Lass mich raten: Sicher wünschst du dir nichts mehr, als einmal ein Erfolgserlebnis zu haben, nicht wahr? Das wäre wahrlich eine Premiere.“ Zu seinem eigenen Erstaunen spürte Joey auf diese Worte keine Wut in sich aufflammen. Stattdessen erwiderte er das Lächeln Kaibas voller Zynismus. Dieses Spiel konnte man auch zu zweit spielen. „Nicht doch Kaiba, wer wird denn gleich? Ich muss dich enttäuschen, du irrst dich. Davon träume ich nicht. Jede Nacht durchlebe ich die Vorstellung, wie es ist, ein echter Drachentöter zu sein und ich muss sagen, es macht wirklich Spaß. Ich bekomme allmählich Lust, es auch mal in der Realität zu versuchen.“ Wenn Kaiba überrascht war, so zeigte er es zumindest nicht. Stattdessen ging er auf Joeys Worte ein. „Ach wirklich, Köter? Da eröffnen sich ja ganz neue Seiten von dir. Aber ich schätze, es wird bei diesen Wunschträumen bleiben.“ „Glaubst du das, reicher Pinkel? Ich wäre mir da an deiner Stelle nicht so sicher.“ „Soll ich dir den Hundefänger rufen?“ „Ich bin kein Hund!“ Nun verspürte er wieder die altbekannte Zornesflamme in sich auflodern. „Dann hör auf, wie einer zu kläffen.“ „Ich kläff dich gleich an!“ „Als ob du das nicht schon längst tust.“ „Ich fürchte, dieses Projekt wird nicht die geringsten Auswirkungen auf unser gegenseitiges Verhalten haben!“ „Sieh an, das sind die ersten schlauen Worte, die ich seit langem aus deinem Mund gehört habe. Und das ist kein Kompliment, bevor du noch auf falsche Gedanken kommen solltest, Wheeler.“ „Denkst du, du kannst mich so leicht beleidigen, Kaiba?! Dazu brauchst du schon mehr!“ „Oh, ich lege es keinesfalls darauf an, dich zu beleidigen, Wheeler. Die Wahrheit alleine tut einen genauso guten Dienst.“ „Du wiederholst dich, Kaiba!“ „Fällt dir das also auf? Respekt, ich hätte nicht gedacht, dass du soviel von dem was ich sage, verstehst.“ „Legst du es drauf an, Großkotz?!“ „Kommt ganz darauf an, Köter!“ Während ihrer Diskussion hatten sich ihre Gesichter immer weiter genähert und nun trennten sie keine zehn Zentimeter mehr. Joey konnte das bedrohliche Funkeln in den blauen Augen seines Gegenübers nur allzu deutlich erkennen und war sich sicher, dass der Brünette dasselbe bei ihm sehen musste. Auf ihren Wortschwall folgte zunächst eisernes Schweigen, in dem jeder versuchte, den andern durch seine Blicke in die Knie zu zwingen. Doch wie erwartet blieb dies bei ihnen erfolglos. Joeys Mund verzog sich zu einem gehässigen Grinsen. „Gib es doch zu, Kaiba, in Wahrheit bist du nur neidisch, weil ich, im Gegensatz zu dir, einen Traum habe!“ Er hätte mit allem gerechnet, erwartete bereits die Konterung des Brünetten, doch dessen tatsächliche Reaktion überrumpelte ihn. Anstatt ihm eine passende Antwort entgegen zu schmettern, verzogen sich die Mundwinkel des anderen, als hätte er eben etwas sehr saures gegessen, dann brachte er in einer schnellen Bewegung Abstand zwischen sich und den Blonden. Er strafte Joey mit einem vernichtenden Blick, dann wandte er seinen Kopf in eine andere Richtung. „Du bist nicht der einzige, der einen Traum hat, Wheeler.“ Zunächst hielt Joey diese Worte für eine Einbildung, doch Sekunden später realisierte er, dass sie tatsächlich von Kaiba stammten. Er versuchte, seine Verblüffung und Verwirrung zu verdecken und es gelang ihm auch einigermaßen, schaffte er es doch, seinen Gegenüber nicht wie ein fremdes Wesen anzustarren. Trotzdem fand in seinem Kopf nur eine einzige Frage Platz: Seto Kaiba hatte einen Traum? *~*~* Betrübt war sein Blick Richtung Himmel gewandert, den noch immer die grauen Regenwolken bedeckten. Seine Ohren hingen seiner Stimmung entsprechend nach unten, sein Fell wirkte geradezu glanzlos. Unbewusst hatte er sich an diesen Tag zurückerinnert, der erst wenige Wochen zurücklag. Damals hatte er sich über das Verhalten des Brünetten wenig Gedanken gemacht, doch heute, nachdem die letzten Geschehnisse unmittelbar hinter ihm lagen, war die Erinnerung zurückgekehrt. Er schloss müde die Augen. Der Druck an seinem Hals machte ihm jede Sekunde deutlich bewusst, wo er sich derzeit befand, doch er versuchte es zu vergessen. Versuchte, nicht an das störende Halsband zu denken, welches Pegasus ihm umgelegt hatte. Nicht an die Erpressung, die der Leiter von Industrial Illusion mit ihm als Druckmittel geplant hatte. Und für eine kurze Zeit war es ihm auch gelungen. Bis jetzt. Jetzt saß er wieder in dem fremden Zimmer einer fremden Villa. Alleine. Einzig seine Gedanken als Gesellschaft. Und bereits wie vor ein paar Wochen - auf einem Stuhl gegenüber von Seto Kaiba - mit einem Gedanken, welcher sich in seinem Kopf manifestierte, als einziger dort einen festen Platz fand und sich dennoch von der damaligen Frage unterschied: Hast du vielleicht von mir geträumt? *~*~* Step up, Step up I’ll let you try to get to me But at the end you’re gonna see the only way to go through me yeah, yeah Step up, Step up I’ll let you try to get to me But at the end you’re gonna see Because the victory is pulling you right at me *~*~* Denn er war mittlerweile an einen Punkt gelangt, an dem er es sich tatsächlich wünschte. Kapitel 19: Toter Hund ---------------------- 19. Kapitel: Toter Hund /Ich muss verschwinden./ Dieser Gedanke war der erste, der sich gänzlich in ihm manifestierte, als er aus seinen Tagträumen schreckte. Vergessen war für den Moment die Erinnerung an das Schulprojekt, das ihn mit einem Mal schien, als würde es unvorstellbar weit zurückliegen – waren es in der Realität jedoch kaum drei Wochen. /Ich muss hier weg. Ich kann es nicht verantworten, dass Setos Firma auf dem Spiel steht. Ich will es auch gar nicht verantworten müssen. Immer bekommt er wegen mir Probleme - ich will, dass das endlich aufhört!/ Kampfbereit stellten sich seine Ohren auf, seine Augen hatten einen wachsamen Schimmer angenommen. /Was bringt es mir, tatenlos hier zu sitzen und in Erinnerungen zu schwelgen, wenn ich mich stattdessen nützlich machen kann./ Mit einem kräftigen Satz war er auf den Beinen. Stolz reckte er die Brust, fletschte dabei die Zähne. /Joey Wheeler is back!/ Motiviert sah er sich um, suchte nach einem Fluchtweg und wiederholt blieben seine braunen Augen an dem Fenster haften. /Sie denken vielleicht, sie hätten mich hier sicher, aber da irren sie sich. Bei Joey Wheeler muss man auf alles gefasst sein!/ Er nahm Anlauf, fixierte wie bereits kurze Zeit zuvor den Stuhl neben der Fensterbank, dann lief er los, sprang und landete. Der Stuhl schwankte leicht, doch nicht stark genug, um gefährlich für ihn zu werden. Er ließ sich dieses Mal etwas mehr Zeit, betrachtete vorher genau, wie er nun zu springen hatte und ließ diesem Gedanken auch Taten folgen. Letztendlich saß er sicher auf der Fensterbank und blickte triumphierend zu dem Fenstergriff hinauf. / Nur noch dieses kleine Hindernis und ich bin frei./ Sich des Sieges sicher hob er die Pfote und realisierte erst jetzt, die tatsächliche Schwierigkeit der Situation, die er vorher nicht erkannt hatte. Wie sollte er mit einer Hundepfote den Griff umlegen? Bei modernen Fenstern war dies sicher kein Akt der Unmöglichkeit, doch bei einem alten Fenster wie diesem? Der Griff war zur Gänze anders als die, die er von Zuhause kannte und er erkannte das Problem, welches seine Hundepfoten zweifellos mit sich brachten. Er verengte konzentriert die Augen und hob die Pfote ein Stück höher. Argwöhnisch stupste er den Griff an, zog die Pfote zurück und wartete, beobachtete das metallene Stück Geschichte – sah es doch so aus, als habe es die letzten zwei Jahrhunderte hinter sich - aufmerksam. (Eindeutig europäischer Herkunft – Japaner waren seit jeher praktisch veranlagt.) Dann erkannte er die Sinnlosigkeit dieser Handlung. /Was sollte das denn werden? Den Griff in Grund und Boden warten, bis er von sich aus aufgibt und aufgeht?/ Er schüttelte über sich selbst den Kopf und hob die Pfote erneut, legte sie an den Griff und drückte. Er rührte sich kein Stück. Frustriert über diesen Misserfolg hob er auch die zweite Vorderpfote, stand nun auf den Hinterbeinen und drückte mit voller Kraft gegen den Griff. Zunächst geschah nichts, abgesehen davon, dass seine Hinterpfoten sich allmählich dem Rand der Fensterbank näherten, je länger er sich dagegen stemmte, doch dann registrierten seine empfindlichen Ohren ein schwaches Knarren, welches von Sekunde zu Sekunde lauter wurde. Triumphgefühl wallte in ihm auf und voller Enthusiasmus stemmte er sich mit seinem gesamten Gewicht gegen den Griff, vergaß dabei völlig, wo genau er sich derzeit befand - mit den Gedanken ganz und gar bei dem viel versprechenden Geräusch. So kam es wie es kommen musste: Unvermittelt verloren seine Hinterläufe jeglichen Halt, als sie durch sein unaufhörliches Drücken den Rand der Fensterbank erreichten. Das Knarren erstarb augenblicklich, wurde ersetzt von Joeys panischem Aufschrei, während seinem Hundemaul nur ein verschrecktes Jaulen entwich – wie bereits bei seinem ersten Sturz von der Fensterbank, wenige Stunden zuvor – und er mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden viel. Sterne tanzten vor seinen Augen auf und ab und er bekam nur am Rande mit, wie die Tür des Raumes geöffnet wurde, und sein Bewacher hereineilte. „Was hast du dumme Töle jetzt schon wieder gemacht?!“ Joey blinzelte mehrere Male, bevor seine Sicht sich klärte, die Objekte in seiner Umgebung aufhörten, sich seltsam zu verzerren und wieder feste Konturen annahmen. Nach und nach verblassten auch die Samba tanzenden Sterne. Er rappelte sich auf und musterte den Mann an der Tür misstrauisch. Dessen Blick war von Joey zu der Fensterbank gewandert und schließlich an dem Griff hängen geblieben, welcher ein auffälliges Stück verschoben war. Ein selbstzufriedenes Grinsen erschien auf dem Gesicht des Dunkelhaarigen. „Na, da wollte wohl jemand einfach so die Fliege machen, was? Tja, schade, dass es nicht geklappt hat. Hat dir dein Herrchen nicht beigebracht, dass man Fenster nicht so ohne weiteres öffnet? Was für ein ungezogener Hund.“ (Offenbar war er nicht über die Tatsache erstaunt, dass Joey es wieder auf die Fensterbank geschafft hatte und schlau genug gewesen war, den Griff überhaupt dieses Stück zu bewegen – ein normaler Hund hätte doch eigentlich in jahrelanger Arbeit auf einen derartigen Trick abgerichtet werden müssen. Doch Joeys Bewacher zählte nicht zu der Sorte Mensch, die sich darüber Gedanken machten, sondern lieber sofort handelten.) Mit jedem Wort war er näher gekommen und stand nun unmittelbar vor Joey, welcher dieses Mal nicht zurückwich und den Blick, der ihm durch die Gläser der Sonnenbrille des Mannes zuteil wurde, trotzig erwiderte. /Komm doch, wenn du dich traust. Ich schwöre dir, ich beiße dich - Stolz hin oder her - wenn du mich anfasst. Dein Gesicht will ich dann sehen, alter Wandschrank!/ „Hör auf, mich so anzusehen, dummer Hund. Dir sollte man mal Manieren beibringen. So ein verzogenes Vieh.“ /Du nennst mich verzogen? und noch dazu ein Vieh? Na warte, Alter, wenn ich dich zwischen die Zähne kriege .../ Ein Knurren entwich seiner Kehle und sein Blick verdüsterte sich merklich, wurde mehr und mehr gefährlich mit einem beinahe schon animalischen Funkeln. „Wage es nicht, oder ich verpasse dir einen Maulkorb, verlass dich drauf.“ /Das schaffst du eh nicht!/ Und dann beging der Mann den Fehler und beugte sich zu Joey hinab, als er ihm einen mahnenden Klaps – man wollte ja klein beginnen und sich dann hocharbeiten - auf den Kopf verpassen wollte. Auf diesen Moment hatte der Blonde gewartet und nutzte ihn gnadenlos aus. Sein Schnauze öffnete sich, er langte zu und grub seine Zähne in die Hand des Mannes. Dieser schrie unter Schmerzen auf, versuchte seine Hand dem Blonden zu entziehen, doch ohne Erfolg. Der Biss Joeys verstärkte sich nur noch. Nach einigen weiteren Sekunden hatte der Braunäugige einen metallischen Geschmack und musste ein Würgen zurückkämpfen, hätte er doch so von der Hand des Mannes ablassen müssen. Er wollte diesem Kerl eine unvergessliche Erinnerung hinterlassen – mit den besten Grüßen! „Lass los, du elendes –“ Die Stimme des Mannes überschlug sich beinahe, er fluchte zwischendurch ob des zunehmenden Schmerzes. Nach weiteren verstrichenen Sekunden, in denen Joey sich darauf konzentriert hatte, den Biss unter keinen Umständen zu lockern, spürte er jäh ein unangenehmes Stechen im Nacken und kniff die Augen zusammen. Der Kerl hatte ihn fest gepackt und drückte zu, klemmte Joey die Nerven ein, welcher gezwungenermaßen den Kiefer lockerte. Augenblicklich entzog sich ihm die Hand. „Du kleines Biest, na warte!“ Nun zitterte die Stimme vor unterdrückter Wut, während er die blutende Wunde zornig betrachtete. Sein Kopf schnellte herum, unter der Sonnenbrille fixierten seine Augen Joey, der noch immer leicht benommen und sichtlich überrumpelt vor ihm stand. Er holte bereits mit der gesunden Hand zum Schlag gegen den Hund aus, doch hielt er mitten in der Bewegung inne. Sein Gesicht verzog sich, er ließ die Hand langsam sinken. „Verdammt, ich darf dir ja nichts antun. Master Pegasus würde das nicht gutheißen. Warte nur, Kleiner, du bekommst noch deinen Anteil! Früher oder später wirst du nutzlos für Pegasus sein bis dahin ... viel Spaß mit dem Maulkorb.“ Joeys Augen weiteten sich im Angesicht der Erkenntnis. Woher der Typ mit einem Mal den Maulkorb hatte, war ihm schleierhaft, doch schien er nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet zu haben, ihm dieses Ding umzulegen und nun war dieser Zeitpunkt zweifellos gekommen. Joey wehrte sich mit Zähnen und Klauen dagegen, doch letzten Endes gewann der Stärkere. Er wurde von dem festen Griff des Mannes überwältigt und fand sich im nächsten Moment mit einem störenden Maulkorb an dem eine Leine kurze befestigt war, wieder. Gnadenlos wurde Joey mitgezerrt und mit der Leine an den Fuß des schweren Sessels, der in einer Ecke des Zimmers stand, gebunden. Hämisch blickte der Typ auf ihn hinab. „So und du bleibst jetzt schön hier und gibst keinen Mucks von dir, verstanden? Wir warten nur auf die Zustimmung deines Herrchens.“ Joey knurrte ihn an, hätte ihm am liebsten alle möglichen Knochen gebrochen, jedoch war dies in einem Hundekörper kein wirklich zu erreichendes Ziel. Das schadenfrohe Lachen des Dunkelhaarigen war wie Gift, das sich in seinem Körper ausbreitete, ihn infizierte. Die Schmach der Niederlage brannte in ihm und die Demütigung war die schlimmste, die er in seinem Leben je hatte ertragen müssen. Selbst Dukes Hundekostüm war nichts, verglichen hiermit. Man hatte ihm einen Maulkorb umgelegt. Ihm, Joey Wheeler, dem aufbrausenden, enthusiastischen Oberschüler mit dem großen Mundwerk. Einen Maulkorb. Einfach so. Und er hatte nichts dagegen tun können. Welche Schande. Seine Haltung sank in sich zusammen, seine Ohren hingen schlaff herab. Er schloss die vor Scham brennenden Augen. Beinahe meinte er, die spöttische Stimme Kaibas zu hören, wie er ihn in den letzten Jahren gekannt hatte. ‚Es wird langsam Zeit, dass man dir einen Maulkorb anlegt, Wheeler.’ ‚Noch immer so vorlaut? Irgendwann wird dir dies noch teuer zu stehen kommen.’ ‚Du benimmst dich, als hättest du die Tollwut.’ ‚Man sollte dich anleinen und wegsperren.’ Dies war eine Erniedrigung der höchsten Sorte. Niederschmetternd. Vernichtend. Offenbar hatte der alte Kaiba Recht gehabt. Vielleicht hätte er auf ihn hören sollen. Vielleicht hätte er längst damit beginnen sollen, sein Temperament zu zügeln. ‚Dein Temperament wird dich eines Tages noch den Hals kosten.’ ‚Wenn du nicht Acht gibst triffst du irgendwann auf jemanden, der nicht so nachsichtig ist wie ich und kurzen Prozess macht.’ Ausdruckslos starrte er auf den weinroten Teppich, auf dem er saß. Die Stimme des alten, kalten und verletzenden Kaibas hallte in seinem Kopf umher, ließ seine Entschlossenheit verblassen, seinen Willen schwinden. ‚So ist es richtig. Knie nieder im Staub wie ein winselnder Hund vor seinem Meister.’ Der Maulkorb drückte unangenehm, schmerzte geradezu, so fest hatte der Kerl ihn angelegt, und seine Augen brannten bereits verdächtig. Knurrend kniff er sie zusammen, schüttelte den Kopf. Er würde sich jetzt nicht die Schmach geben und auch noch anfangen aus lauter Frustration zu heulen! Nicht auch noch das. ‚Ist dein loses Mundwerk alles, was du mir entgegenzustellen hast, Wheeler? In dem Fall gib lieber sofort auf.’ /Was habe ich denn bitte falsch gemacht?/, fragte er sich betroffen. /Sobald ich wieder ich selbst bin, werde ich Marik mal mit aller Freude meinen Dank für all dies zukommen lassen. Nur wegen seiner bescheuerten Idee bin ich nun in dieser Situation und trage einen Maulkorb! Dafür wird er noch büßen! Danke Marik, du hast sicher deinen Spaß und lachst dir irgendwo ins Fäustchen, während ich am liebsten im Boden versinken würde./ ‚Gleich werde ich dich besiegen.’ ‚Nein, und weißt du auch warum? Ganz einfach: Ein Joey Wheeler gibt niemals auf!’ Nur langsam wollte seine eigene Stimme verklingen. Ihm war beinahe, als könnte er das hämische Grinsen Kaibas vor seinem inneren Auge sehen können. Augenblicke später wechselte der Ausdruck, wich einem beinahe schon verzweifelten Blick, welchen er in dem Gesicht des Brünetten gesehen hatte, nachdem Mokuba – war es gestern gewesen? - wütend aus dem Zimmer gerannt war, kein ‚Kaiba’ mehr sein wollte. Lag womöglich wirklich schon ein Tag dazwischen? Angesichts seiner langen Bewusstlosigkeit war dies nicht einmal ganz unwahrscheinlich. Welches Bild von Seto Kaiba war nun das echte? Welches wünschte er sich als echtes? Die Frage war nicht schwer zu beantworten, bekam er schließlich das Bild eines lachenden Seto Kaibas seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf, doch es war so schwer zu akzeptieren. Bis vor kurzem war er noch der festen Überzeugung gewesen, eines Tages eine hübsche Blondine zur Freundin zur haben und dann stellte sich zu allem Übel heraus, dass er auf Brünett stand. Nun gut, diese Tatsache konnte man angesichts der Umstände noch gutheißen – gehörte er doch seit jeher zu der toleranteren Sorte von Menschen, besonders was sich selbst anging - aber letzten Endes herauszufinden, dass man auf das andere Geschlecht stand und zudem offenbar masochistisch veranlagt war - galten die Gefühle doch dem eigentlichen Erzfeind - konnte das eigene Weltbild doch gewaltig verwischen. Das Bild der Blondine, überdeckt von einem spöttischen Blick aus blauen Augen, einem herablassenden Lächeln und einem hellen Gesicht, umrahmt von braunen Haaren und – Verdammt, er kam vom Thema ab! Schlagartig kehrte er in das Hier und Jetzt zurück, spürte das unangenehme Drücken des Maulkorbes und die stechende Schmach der Niederlage, die er noch immer nicht überwunden hatte. Wie auch – so schnell? ‚Ein Joey Wheeler gibt niemals auf!’ Und was tat er dann gerade? Aufgeben, nichts anderes. ‚Ein Joey Wheeler gibt niemals auf!’ Er hatte es doch verstanden. Doch es war zu spät, um es noch mal zu versuchen. Er hatte verloren – so einfach war das. ‚Ein Joey Wheeler gibt niemals auf!’ Verdammt noch mal, wie oft sollte er sich selbst noch hören?! Dieser Spruch wurde langsam alt! ‚Dann denk dir gefälligst einen neuen aus, wenn er dir nicht passt!’ Als hätte er einen schmerzhaften Schlag bekommen zuckte er zusammen. Seine Augen weiteten sich, während sein Herzschlag die doppelte Geschwindigkeit zunahm und ihm schmerzhaft in der Brust pochte. /Jetzt ist es offiziell – ich bin eindeutig verrückt. Was ist nur los, ich meine ... was geht hier vor sich, dass kann doch nicht .../ Doch es war still. Er hörte das Echo seiner eigenen Worte nicht mehr. Hatte er sich die letzten Worte etwa nur eingebildet? Dennoch schienen sie etwas in ihm wachgerüttelt zu haben. Der Schmerz, den der Maulkorb verursachte, war vergessen, das Funkeln kehrte nach und nach in seine Augen zurück. /Jetzt kommt es sogar schon so weit, dass ich mich selbst beschimpfe. So kann es nicht weiter gehen. Joey Wheeler ist nicht nur jemand, der niemals aufgibt, nein -/ ‚Joey Wheeler lässt sich niemals unterkriegen – ganz gleich, was geschieht!’ /Schon besser!/ Sein Kampfgeist erwachte wieder zu neuem Leben, beinahe war ihm, als wäre sein Wille mit einem Schlag zu ihm zurückkehren. Er hatte wieder sein Ziel gefunden: Er musste weg. So schnell wie möglich. Erster Schritt zu seinem Ziel: Er musste diesen störenden Maulkorb loswerden. Er versuchte zunächst, den Freiraum zu erforschen, welcher ihm durch dieses Ding noch gelassen wurde. Er fletschte die Zähne und öffnete seine Hundeschnauze, doch bereits im selben Moment wurde ihm bewusst, dass diese Vorgehensweise sinnlos war. Er konnte gerade eben noch die Zähne fletschen, doch mehr war nicht möglich. Zu mehr fehlte ihm der nötige Platz. Knurrend nahm er es hin, konnte er zunächst nichts an dieser störenden Tatsache ändern. Stattdessen suchte er nach Schwachstellen, die der Maulkorb womöglich vorwies. /Sie denken vielleicht es mit einem gewöhnlichen Hund zu tun zu haben, aber da irren sie sich! Ich bin ein sehr schlauer Hund – nein, ich meine, ich bin sehr schlau! Sie werden sich noch wundern. Dieser Maulkorb ist einem Joey Wheeler nicht gewachsen!/ Er hob die Pfoten und versuchte, das störende Objekt von seiner Schnauze zu zerren, doch der plötzliche Verlust der stützenden Vorderpfoten sorgte nur dafür, dass er das Gleichgewicht verlor und nach vorne kippte. Jedoch ließ er sich von dieser Tatsache nicht von seinem Ziel abbringen. Auf dem Bauch liegend versuchte er weiterhin, sich des Maulkorbes zu entledigen, knurrte dabei gereizt und begann nach einigen erfolglosen Minuten, sich dabei hin und her zu wälzen, in der Hoffnung, der Maulkorb würde sich dadurch vielleicht lockern und ihm endlich eine Chance geben. Vielleicht hoffte er auch nur, dass das störende Objekt ein Eigenleben entwickeln und Mitleid mit ihm haben würde, bis es schließlich von alleine aufgab - doch dies war dann doch nur bloßes Wunschdenken und nichts lag ihm derzeit ferner. Nach etliche, sich in die Länge ziehenden und zudem erfolglosen Minuten Ringkampf mit dem Maulkorb sah Joey schließlich ein, dass das Objekt momentan zweifellos die Überhand hatte, beschloss jedoch noch im selben Moment, es nicht lange in dieser Konstellation zu lassen. Er hieße immerhin nicht Joey Wheeler, wenn er es zuließe, dass störende Dinge ihn dominierten! Knurrend richtete er sich auf und sah sich im Raum nach etwas um, dass sein Vorhaben unterstützen, wenn nicht sogar mit einem Schlag in die gewünschte Endrichtung lenken würde. Da er jedoch durch das Tragen des Maulkorbes zusätzlich noch an den schweren dunklen Sessel geleint war - wodurch sein Handlungsradius zudem noch um einiges eingeschränkt wurde - blieben ihm nicht überwältigend viele Optionen. Er könnte versuchen, den Sessel umzustoßen, doch bei der Größenordnung die derzeit herrschte - erreichte er doch mit seinem momentanen Körper nicht einmal die Lehnen des Sessels – erwies dieses Vorhaben sich bereits in der Theorie als äußerst unangebracht, wenn nicht sogar unmöglich. Und in Anbetracht der Tatsache, dass er sich nach der ersten Runde gegen den Maulkorb eher wie ein Blasebalg fühlte, dem man die Luft entzogen hatte, sank sein prozentualer Erfolgswert noch um einiges – genau in den roten Minusbereich. Doch hieße er auch nicht Joey Wheeler, wenn er sich von Zahlen beherrschen ließ. Joey Wheeler war nie ein Ass in Mathe gewesen, darum ließ er es aus einem Grundgesetz heraus nicht zu, sich ihnen unterzuordnen. Sie waren es, die sich ihm zu fügen hatte, war er doch stur genug, um das Wort Logik im Zusammenhang mit der Mathematik nicht als legitimes Wort, sondern schlichtweg als Restmüll anzusehen, den man nicht gezwungen war zu beherrschen. Er selbst handelte ganz nach dem ‚Was muss, dass muss – und mein Wille gehört dazu’-Prinzip und in all den Jahren, in denen er es praktiziert hatte, war er abgesehen von einigen blauen Flecken, einem angebrochenen Arm, zwei geprellten Rippen, acht blutigen Nasen und geschlagenen sechs Einträgen ins Klassenbuch nicht der Meinung, etwas daran zu ändern, sondern – im Gegenteil – verflucht stolz darauf! Und so kam es nun, dass sein Wille diesen Sessel zum Kippen bringen wollte und zum ersten Mal in seinem abwechslungsreichen Oberschülerleben stellte er sich die Frage, ob sein Wille sich nicht vielleicht zuviel vornahm. Und ebenfalls zum ersten Mal in seinem Oberschülerleben – momentan gefristet in dem Körper eines Golden Retrievers – war er nicht sofort bereit, seinen Willen auch in die Tat umzusetzen, sondern überdachte ihn stattdessen noch einmal. Ganz gleich, wie er es drehte und wendete, er wollte zu keinem passenden – und vor allem effektiven – Ergebnis kommen und es schien wirklich, als habe sein Wille diesmal eine offensichtliche Sackgasse gewählt. Knurrend tigerte Joey vor dem Sessel auf und ab – sofern seine Leine es zuließ – und warf hin und wieder böse Blicke auf das unschuldig dastehende Möbelstück, welches ihn mit seinen Polstern beinahe schon hämisch anzugrinsen schien. /Das gibt es doch nicht! Ich kann doch nicht ernsthaft an einen Punkt gelangt sein, an dem ich nichts machen kann. Das kann ich einfach nicht akzeptieren. Ich habe bis jetzt immer einen Weg aus jeder noch so schlimmen Situation gefunden ... okay, vielleicht nicht, als Marik mich ins Reich der Schatten schicken wollte – auch wenn ich dem irgendwie doch entkommen bin – und auch nicht ganz, als ich meine Seele an Orichalcos verloren habe – hey, ich habe mich für jemand anderen geopfert, ich hätte das Duell gewonnen, wenn ich nur gewollt hätte! – und vielleicht auch, als Marik mich in diesen Körper gesteckt hat ... aber ich habe abgesehen davon immer einen Ausweg gefunden. Das kann jetzt nicht einfach aufhören, schon gar nicht in einer Situation wie dieser!/ Unruhig setzte er seinen Weg fort, ließ dabei in Gedanken den Sessel mehrmals in Flammen aufgehen, doch ohne tatsächliche Wirkung in der Realität zu erzielen. Ach ja, mentale Gewalt barg auch ihre Schwachstellen, wie schade ... /Wie kann ich am einfachsten entkommen, ohne großartiges Aufsehen zu erregen? Und wie komme ich dann zurück zu Mokuba und Seto? Ich hab keinen blassen Schimmer, wo diese Villa von Pegasus liegt, In der Zeit in der ich ohnmächtig war, hätte er mich sonst wo hinbringen können. Ich könnte schon auf einem ganz anderen Kontinent sein. Oje, denk nicht an so was, das bringt nur Unglück! Und wie werde ich diesen Maulkorb jetzt los? Mal überlegen, wann würden sie mir den Maulkorb abnehmen? Entweder, wenn sie mir was zu Essen geben würden - was ich bezweifle, nachdem ich diesem Typen in die Hand gebissen habe, mir ist noch immer schlecht! – oder aber .../ Er blieb stehen und eine Idee manifestierte sich in seinem Kopf, formte sich und das Resultat erschien in leuchtenden Zeichen vor seinem inneren Auge. Seine Ohren stellten sich automatisch auf – ein sowohl amüsanter, wie auch manchmal nervige Reflex. /Oder aber ... wenn sie denken, dass ich gar nicht mehr gefährlich werden kann, weil ich nämlich ... gar nicht mehr bin. Wenn ich tot bin./ Sein Herzschlag beschleunigte sich bei diesem Gedanken und Adrenalin floss durch seinen Hundekörper. Die Gedanken überschlugen dich nur so. /Wenn sie denken, dass ich tot bin, dann werden sie den Maulkorb abnehmen, sicherlich auch dann, wenn sie bloß befürchten, dass es mir furchtbar schlecht geht! Es würde also auch reichen, mich einfach nur sehr krank zu stellen und früher oder später würden sie den Maulkorb abnehmen. Spätestens wenn sie nachsehen wollen, was ich habe! Ich müsste also nur auf den richtigen Moment warten, dann könnte ich verschwinden! Ich muss nur überzeugend genug sein. Andererseits ... so helle ist der Typ vor der Tür auch wieder nicht, ich muss also nur halbwegs überzeugend sein. Zum Glück war ich schon immer ein geborener Schauspieler! Jetzt kommt mein Debüt und gleichzeitiger Höhepunkt! Ha, die Welt wird sich vor Joey Wheeler, dem Meister aller Schauspieler verneigen!/ Einige Sekunden suhlte er sich noch in seinem Hochmut – dachte an keinen metaphorischen Fall, welcher danach kommen könnte – dann wurde er wieder ernst. Und nervös. Er musste jetzt eine Show liefern, die den Kerl vor der Tür glauben ließ, er wäre schwer krank und ihn dazu bringen würde, ihm den Maulkorb abzunehmen. Der Zweck heiligte die Mittel. Und in einer Situation waren alle Mittel heilig! /Die Show kann beginnen!/ Beinahe im selben Moment legte Joey den Kopf in den Nacken und ließ ein herzzerreißendes Jaulen erklingen. Dies wiederholte er so lange, bis er die schweren Schritte und das Fluchen seines Bewachers hörte und schließlich das Kratzen des Schlüssels im Schloss vernahm. Wie auf ein stummes Kommando hin ließ Joey sich schwer nach rechts fallen und kam mit einem dumpfen Geräusch - an das er sich durch seine vielen Stürze in den letzten Stunden bereits gewöhnt hatte – auf dem Teppich auf. Bewegungslos blieb er auf der Seite liegen. Die Tür des Raumes ging auf. Die gereizten Worte des Bodyguards drangen an seine Ohren, lange bevor er ihn sah. „Was hast du nervige Töle jetzt schon wieder? Kannst du nicht mal still sein?!“ /Nächster Schritt. Schmerz und Leid vorspielen./ Keine Sekunde später begann er haltlos zu wimmern und zu winseln, fiepte wehleidig und warf seinen Kopf von einer Seite auf die andere. Aus den Augenwinkeln bekam er mit, wie sein Bewacher bei seinem Anblick erstarrte, im ersten Moment schlichtweg überfordert wirkte und schließlich mit raschen Schritten zu ihm eilte. „Verdammt, was hast du?! Was ist los, Hund?!“ Natürlich antwortete Joey ihm nicht, stattdessen schwoll sein Winseln an, er blickte aus großen schmerzerfüllten Hundeaugen zu dem Mann auf, seine Pfoten zuckten unkontrolliert. /Na los, nimm den Maulkorb ab. Du siehst doch, dass es mir offenbar beschissen geht!/ Der Mann beugte sich zu Joey hinab und stieß ihn ungehalten an. Der Blonde registrierte mit Befriedigung den weißen Verband, der mittlerweile die in Mitleidenschaft gezogene Hand des Typen zierte. Da hatte er offenbar einen überzeugenden Eindruck hinterlassen. „Hör auf zu winseln. Was immer du hast, kann doch so schlimm nicht sein, du struppiges Vieh.“ Innerlich knurrte Joey. Der Triumph war vergessen. /Brauchst du erst einen ärztlichen Bescheid oder was?!/ Er beschloss, noch eine Stufe weiter zu gehen. Mittlerweile hatte er diesen Körper gut im Griff, wusste einigermaßen, was er zu tun hatte, um welche Reaktion hervor zu rufen. Er konzentrierte sich für wenige Momente und sein Winseln erstarb. Voller Genugtuung registrierte er die Erleichterung im Gesicht seines Bewachers. /Na warte, Freundchen, ich bin noch nicht fertig!/ Mit einem Mal fing sein Körper unkontrolliert an zu zittern. Um das ganze noch zusätzlich zu unterstreichen begann Joey, nach Luft zu schnappen und fiepte hin und wieder leise, als würde er unheimliche Qualen erleiden. /Mach hin, Mann! Nimm mir diesen Maulkorb an. Siehst du nicht, dass es mir ... hundeelend geht – im wahrsten Sinne des Wortes! Was muss ich noch machen?! Toter Hund spielen?!/ Im selben Augenblick wurde ihm bewusst, dass dieser Gedanke nicht einmal so abwegig war. Mit etwas Glück würde der Typ tatsächlich glauben, er sei tot. Als dieser jedoch noch immer keine Anstalten machte sich zu rühren, schien er doch von Joeys Anblick sichtlich geschockt, hob Joey seine Stimme noch einmal an. Sein Winseln wurde beinahe unerträglich und wäre er selbst es nicht gewesen, von dem diese Laute stammten – er hätte längst das weite gesucht, bei soviel gespieltem Leid und Schmerz die darin verborgen waren. Dies schien endlich Wirkung zu erzielen. Der Mann stolperte einige Schritte zurück, griff mit zitternden Händen in die Innentasche seines Anzugs und holte ein Handy hervor. Fahrig tippte er auf einige Tasten und hielt sich das Gerät ans Ohr. Joey ließ ihn dabei nicht aus den Augen, hörte jedoch nicht auf zu zittern und auch sein Winseln behielt er bei, wurde jedoch nach und nach leiser. Der Mann schien am anderen Ende eine Antwort erhalten zu haben, denn er kehrte Joey den Rücken zu und begann hastig zu reden: „Ja, Master Pegasus. Der Hund ... es scheint ihm nicht so gut zu gehen ...“ Er warf einen flüchtigen Blick über die Schulter. /Nicht so gut? So wie ich mich aufführe liege ich gerade im Sterben!/ „Was soll ich jetzt ... ja ... nein ... er hat den Maulkorb um ... nun ja, er hat mich gebissen, dieses Biest ... ich meine der Hund ... ja ... jawohl ... sofort ...“ /Bereit für Phase zwei./ Joey hörte abrupt auf zu zittern und das Winseln erstarb. Schlaff ließ er seinen Kopf zur Seite fallen, lag nun bewegungslos auf dem Boden und hatte die Augen geschlossen. Innerlich beschwor er sich zur Ruhe und zu seiner Zufriedenheit stellte er fest, wie sein Herzschlag sich merklich verlangsamte, er von einer unglaublichen Gelassenheit umfangen wurde. Er hatte diesen Körper offenbar besser unter Kontrolle, als er zunächst angenommen hatte – er konnte immerhin Toter Hund spielen und das war schon eine beachtliche Leistung. Hoffentlich war er überzeugend genug. Andererseits würde es auch ausreichen, wenn der Typ dachte, er sei bloß ohnmächtig. Er linste zu dem Mann hinüber, welcher wiederholt einen Blick über seine Schulter warf und bei Joeys Anblick zusammenzuckte. „Master Pegasus, der Hund ... er rührt sich nicht mehr. Was soll ich jetzt ... Herzschlag fühlen? Jawohl.“ Rasch schloss Joey die Augen wieder gänzlich, rief sich zur Ruhe, hielt die Luft an und wartete. Er spürte eine Bewegung dicht neben sich, dann nahm er eine große Hand wahr, die sich auf seine Brust legte, dort für einige Sekunden verweilte. Es spürte etwas leicht Kratziges auf seinem Fell und der Geruch von frischem Verbandszeug stieg ihm in die Nase. Fühlte der Typ seinen Herzschlag tatsächlich mit der verbundenen Hand? Wie dumm konnte ein einzelner Mensch sein? /Ich bin ein Glückspilz. Durch den Verband und mein Fell hindurch kann der meinen schwachen Herzschlag wohl kaum fühlen. Danke lieber Gott, dass du mir so eine Flasche zum Bewacher gemacht hast – offenbar hast du doch ein Herz für mich./ Er musste sich ein erleichtertes Ausatmen verkneifen, als die Hand schließlich verschwand. „Ich spüre keinen Herzschlag mehr!“ Nun lag eindeutig Panik in seiner Stimme. „ja, Master Pegasus ... ich bringe Ihnen den Hund. Einen Tierarzt? Nein?“ /Tze, dieser Geizhals von Pegasus ist sich sogar zu fein, um mir einen Tierarzt zu rufen. Ich meine, nicht schlecht für mich aber was passiert jetzt mit mir, wenn sie mich für tot halten? Schmeißen die mich in den Müll? Bloß nicht!/ „Ja ... jawohl, ich werde Ihnen den Hund umgehend bringen.“ Er hörte ein leises Knacken, als die Verbindung getrennt und das Handy zugeklappt wurde. /Was denn, will Pegasus mich noch einmal sehen? Glaubt der seinem Handlanger etwa nicht?/Wiederholt spürte er einen Luftzug, dann löste sich der Druck um seine Schnauze und der Maulkorb wurde entfernt. /Super, jetzt muss ich nur noch auf den richtigen Moment warten, dann bin ich weg./Kräftige Hände griffen nach seinem schlaffen Körper und hoben ihn hoch. Nicht gerade zimperlich wurde er angefasst. /Sei bloß vorsichtig und wehe du lässt mich fallen! Uh, ich glaube ich weiß jetzt, was der vorhin meinte. Au, der packt aber nicht gerade vorsichtig zu. Gemeiner Kerl!/ Er versuchte jegliche Regung zu vermeiden und wagte nur schwach ein und aus zu atmen, versuchte seine Brust dabei nicht allzu auffällig zu bewegen. Aus den Augenwinkeln erspähte er seinen Bewacher, der einen ziemlich gehetzten Eindruck machte und mit Joey in den Armen schnellen Schrittes den Raum verließ. Sie durchquerten dieselben Flure und Korridore wie beim letzten Mal, als Joey zu Pegasus gebracht wurde, doch diesmal achtete Joey stärker auf die Kleinigkeiten. Er suchte nach einem passenden Fluchtpunkt, einem offenen Fenster oder einer offenen Tür nach draußen. Zu seinem Pech schien diese Villa keinen einzelnen Schwachpunkt zu haben, war doch jede Tür die sie passierten geschlossen und die Fenster nicht einmal gekippt. /Soviel zum spektakulären Sprung aus dem Fenster. Fehlanzeige./ Folglich sah er sich gezwungen, weiterhin schlaff in den Armen seines Bewachers zu liegen und darauf zu warten, dass sich ihm eine Möglichkeit offenbarte. Nach einiger Zeit verlangsamten sich die Schritte seines Trägers und er hörte eine Tür aufschwingen. „Master Pegasus, hier ist der Hund. Sein Herz schlägt nicht mehr, ich weiß nicht was ich tun soll. Soll ich jetzt einen Tierarzt herbeordern?“ „Nein, leg den Hund einfach auf den Sessel dort. Nein, nicht dieser“, er deutete auf einen Sessel weiter hinten im Zimmer, der etwas im Schatten stand. „Leg ihn dort hin, ich werde mich später um ihn kümmern. Erst werde ich ein Gespräch mit meinem lieben Freund Kaiba führen. Er ist sicher ganz darauf erpicht darauf, zu wissen, was mit seinem kleinen Gefährten geschehen ist. Natürlich wird er nichts von diesem unschönen Zwischenfall erfahren. Solange er glaubt, dass das Tier noch am Leben ist, wird er auf meinem Forderung eingehen, dessen bin ich überzeugt.“ /Du elender Mistkerl!/ Joey spürte, wie er durch den Raum getragen und auf etwas Weichem – zweifellos dem besagten Sessel – abgelegt wurde. Jedoch nicht gerade sanft, wodurch er sich ein empörtes Knurren verkneifen musste. /Geht das nicht etwas freundlicher, Grobian?! Sowas, wirklich nicht die Spur von Benehmen zu finden!/ „Du kannst jetzt gehen“, erklang von der anderen Seite des Raumes Pegasus Stimme. „Jawohl.“ /Kann der eigentlich auch etwas anderes sagen? Oder ist der so eine Puppe, die nur drei verschiedene Sätze von sich geben kann und einer davon ist ‚jawohl’? Das ist ja zum verrückt werden! Die Leute um Pegasus – er mit inbegriffen – haben echt alle einen Sprung!/ Erneut hörte er die Tür des Raumes, diesmal schloss sie sich jedoch mit einem, in Joeys Ohren, beinahe endgültigen Geräusch, welches ihm unweigerlich einen kalten Schauer bereitete. Ein schlechtes Omen? Allerdings war er nicht der Typ Mensch, der sich durch Abergläubigkeit auszeichnete. Er hatte als Yugis bester Freund schon viele übernatürliche Dinge erlebt, von der Machtübernahme des Schattenreiches bis hin zu wiedererwachten Leviathan, aber eine zufallende Tür konnte doch unmöglich in einen Bereich zwischen diesen beiden Punkten fallen, oder? So plötzlich wie dieser beunruhigende Gedanke gekommen war, verwarf er ihn auch wieder. Ausschlaggebend dafür war das leise Lachen von Pegasus, welches beinahe schon brutal die erdrückende Stille im Raum durchschnitt. „Welch Ironie. Da habe ich ein gutes Druckmittel gegen Kaiba in der Hand – eines das er nicht so gut bewacht, wie seinen Bruder und dann passiert so etwas. Ein Schicksalswink? Eine Warnung an mich?“ /Allerdings. Und die Warnung lautet: Vergreif dich nicht an Joey Wheeler wenn er in einem Hundekörper steckt!/ Er hörte die Schritte des Silberhaarigen, die sich ihm stetig näherte. /Hoffentlich fühlt der jetzt nicht meinen Puls oder meinen Herzschlag. Bei ihm komme ich sicher nicht als toter Hund durch./ Je näher Pegasus ihm kam, je stärker dessen Geruch wurde, desto unruhiger wurde Joey innerlich. Er hielt automatisch den Atem an und hoffte, dass er in den Augen von Pegasus wie tot wirkte. Es wäre zumindest das Beste für ihn, denn wenn sich jetzt herausstellte, dass er doch noch am Leben war ... er wollte die Konsequenzen lieber nicht allzu genau wissen – sine Gedanken lieferten ihm ausreichend Möglichkeiten, von relativ harmlosen bis zu den grausigsten, die ihm eine Gänsehaut bereiteten. Als er unvermittelt eine Berührung an seinem Kopf spürte, währe er beinahe zusammengezuckt, doch zu seinem Glück siegte sein Instinkt und er blieb äußerlich ruhig. Allerdings beschleunigte sein Herzschlag sich merklich und er befürchtete bereits, dass Pegasus ihn hören könnte. /Verdammt, der wird es merken!/ Die Berührung war nur kurz, doch wenige Momente später spürte er Pegasus Hand an einem seiner geschlossenen Augen. Der Leiter von Industrial Illusion hob eines von Joeys Augenlidern und betrachtete dessen Pupille eingehend. Joey versuchte verzweifelt, nicht aus Reflex heraus zu blinzeln und achtete mit all seinen Sinnen darauf, sein Auge nicht zu bewegen. Offenbar hatte Pegasus nichts registriert, was ihn misstrauisch machte, ließ er doch von Joey ab, dessen Herz bereits schmerzhaft in seiner Hundebrust pochte und unbemerkt ausatmete, als der Silberhaarige sich abwandte. /Ich bin offenbar doch ein begnadeter Schauspieler, wenn sogar Pegasus nicht daran zweifelt, dass ich tot bin. Ein Lob an Joey Wheeler, denjenigen der den überzeugendsten Toten Hund der Nation spielt!/ „Schade, um das Tier“, holte Pegasus Stimme ihn wieder in die Gegenwart zurück. „Eigentlich hatte ich nicht wirklich vor, ihm etwas anzutun.“ Nach einigem Zögern wagte Joey einen zaghaften Blick und erspähte Pegasus, welcher nachdenklich eines seiner Gemälde an der Wand betrachtete, dabei nach einem Weinglas auf dem Holztisch neben sich griff und daran nippte. „Doch nun lässt es sich nicht ändern. Ich werde nicht wegen einer unerwarteten Wendung meinen Plan aufgeben.“ Anschließend schritt er auf die Wand zu und drückte auf den Knopf einer unscheinbaren Sprechanlage. „Seto Kaiba befindet sich in der Leitung“, erklang eine freundliche Frauenstimme und vor Joeys innerem Auge manifestierte sich für wenige Sekunden das Bild einer hübschen Sekretärin, dann realisierte er jedoch den Inhalt ihrer Worte und augenblicklich verblasste das Bild. Stattdessen zog sich in ihm alles zusammen. Pegasus Worte kamen ihm wieder in den Sinn. Der Mann würde Seto tatsächlich weiterhin erpressen, obwohl er zu wissen glaubte, dass die Geisel bereits nicht mehr lebte. Auch wenn dies nicht stimmte, er wollte Seto betrügen! /Ich kann nichts dagegen tun, andernfalls würde ich mich nur verraten. Ich muss so schnell wie möglich hier weg, doch bin ich in der Hinsicht auf Pegasus angewiesen. Aus diesem Raum komme ich nicht von alleine raus, dazu muss jemand die Tür öffnen. Verdammt!/ Er war folglich dazu gezwungen, weiterhin hier zu liegen, den Schein zu wahren und zu lauschen. „Nein, wie schön, dass es sich bei unserem lieben Kaiba um einen verlässlichen Gesprächspartner handelt“, erklang Pegasus belustigte Stimme und man hörte das leise Surren, als die Verkleidung der Wand beiseite fuhr und wiederholt an diesem Tage den Bildschirm freigab. Joey konnte ihn von seiner Position aus jedoch nicht sehen, hätte er dafür doch über den Rand der Lehne sehen müssen und dies war einfach zu riskant, angesichts der Tatsache, dass sowohl Pegasus, als auch Seto ihn dann würden sehen können. Er musste weiterhin bewegungslos liegen bleiben, auch wenn ihm nichts mehr widerstrebte. Seine Ohren registrierte, wie der Bildschirm sich einschaltete und keine Sekunde später erklang die Stimme Kaibas: „Pegasus.“ Ein amüsiertes Lachen erklang. „Es freut mich, dass dir mein Name in den letzten Stunden nicht entfallen ist, Kaiba.“ Einige Zeit lang herrschte eisernes Schweigen und Joey konnte sich gut vorstellen, wie Seto Pegasus mit seinen kalten blauen Geschäftsaugen ohne jegliche Emotionen in Grund und Boden zu starren versuchte. „Kommen wir zu meiner Forderung, Kaiba. Ich nehme an, du bist nicht wirklich erpicht auf Smalltalk, genauso wenig wie ich momentan.“ Irrte er sich oder hörte Joey eine leichte Spur Ungeduld in Pegasus Stimme? War sein ‚angebliches’ Ableben vielleicht doch nicht so spurlos an dem Silberhaarigen vorbeigegangen? Ärgerte er sich vielleicht doch? „Ich frage dich also ein letztes Mal, Seto Kaiba“, erhob Pegasus nach einer kurzen Pause wieder die Stimme. Den Namen des Firmenleiters betonte er mit einer beinahe schon perfiden Verhöhnung. „Bist du bereit, deine Firma für deinen Hund aufzugeben?“ Und Seto Kaiba antwortete ohne das geringste Zögern, mit einer unerschütterlichen Sicherheit in der Stimme: „Nein.“ Nachwort(e): Eigenes Bitte: Bitte schlagt mich nicht. ^ ^" Eigene Beurteiling: Äh ... kein Plan? Eigenes Statement: Zunächst einmal eine Rechtfertigung für die Handlung des Kapitels. Eine spektakuläre Flucht Joeys wäre zu ... nicht klischeehaft, aber einfach nur nicht realistisch. In dieser FF passieren schon so viele überraschende, übernatürliche Dinge, da muss ich alles andere so realistisch (ha, ha) wie nur eben möglich schreiben. Und dass Joey mit seinem eigenen Grips versucht zu entkommen kling mir dann am realistischsten, als wenn er einfach nur verdammt viel Glück hat und das Fenster auf Anhieb auf bekommt. Zudem ist zuviel Glück auch ein Zeichen dafür, dass der Autor nicht genug Fantasie für einen Pechfall hat. (Und das wollte ich vermeiden - ich finde es eher besser, wenn die betroffenen Personen zu viel Pech haben). Nächster Punkt: Joeys Schauspielerische Fähigkeiten. Hier hatte er an einigen Stellen wirklich Massel, aber er hat auch Können bewiesen, der gute. Er hat sich in dieser FF eben auch weiterentwickelt, ist etwas nachdenklicher bzw. besonnener. Doch seine Moral bleibt trotzdem dieselbe: Was muss das muss - und mein Wille gehört dazu! Das ist Joey Wheeler, wie er leibt und lebt! Und zum letzten Punkt: Seto. (Anders kann an diesen Punkt nicht nennen) Ich habe bereits in den Kommentaren zum letzten Kapitel viele Spekulationen zum weiteren verlauf der FF gehört, dass Seto seine Firma aufgeben soll, Joey sich so schnell wie möglich befreien soll usw. ^ ^ Doch habe ich auch vereinzelt Statements gehört, die in die Richtung gingen, dass es etwas unrealistisch ist, jemanden mit einem Hund zu erpressen und dann auch noch um eine ganze Firma! Ich gebe zu: Das ist tatsächlich ziemlich unrealistisch, aber betrachtet man die Umstände genauer, kann man es vielleicht nachvollziehen: Seto Kaiba ist ein skrupelloser Geschäftsmann, der abgesehen von Mokuba keine Familie mehr hat. In den Augen Pegasus war bis dato nur Mokuba ein potentielles Ziel, doch mit einem Mal tritt eine weitere Figur ins Licht: Ein Hund. Dass Seto Kaiba eine weitere "Person" - noch dazu einen Hund - an sich heran lässt, kann nur bedeuten, dass er sich womöglich in dieser Hinsicht geändert hat. Pegasus kann also darauf schließen, dass der Hund Seto einiges bedeutet oder zumindest Mokuba am Herzen liegt. Solange einer von beiden eine enge Verbindung zu dem Hund hat kann er davon ausgehen, dass das Tier einen hohen persönlichen Wert hat. Er geht also aufs Ganze, nutzt seine Chance und versucht mit dem Hund einen 'alles oder nichts'-Deal. Was in diesem Moment jedoch tatsächlich wieder unrealistisch wäre, ist, wenn Seto einfach so auf diesen Deal eingeht. Seto Kaiba ist Seto Kaiba, auch wenn sein Hund ihm am Herzen liegt kann er für ihn nicht sein Lebenswerk aufgeben. So schnell kann Seto sich auch nicht zu einem aufopfernden Menschen entwickeln. Er ist nun einmal ein eiskalter Geschäftsmann, diese Eigenschaft lässt sich nicht von heute auf morgen ins Gegenteil wenden. (Zudem gab es auch in der Serie schon einmal den Fall, das Mokuba von Noah kontrolliert wurde. Seto hatte die Wahl: Das Duell aufgeben und Mokuba retten – in dem Fall aber seinen Körper unter Noahs Kontrolle geben - oder aber das Duell fortsetzen und Mokuba damit möglicherweise in Gefahr bringen. Er hat letztere Möglichkeit gewählt, Mokuba zwar nicht verletzt, aber er hat für ihn auch nicht alles aufgegeben. Diese Tatsache hat mich zu seiner oben genannten Entscheidung gebracht, denn sie kommt dem irgendwie nahe. Außerdem hatte er ja eine Möglichkeit gefunden Mokuba trotzdem zu befreien. ) So, wenn ihr diesen Schwall an Erklärungen, Erläuterungen und Rechtfertigung überstanden habt (solltet ihr ihn denn gelesen haben, wozu euch natürlich niemand zwingt) steht es euch frei, einen Kommentar zu hinterlassen (solltet ihr möglicherweise noch immer den Wunsch verspüren, mich fertig zu machen aufgrund des Inhalts oder sonstiges ^ ^"). Puh, ich habe wirklich Respekt vor eurer Kritik und ich muss sagen, besonders bei diesem Kapitel habe ich irgendwie Angst ... Nun gut, allen die es bis hierher geschafft haben ... Kekse für alle!!! Ich hoffe, es hat euch doch irgendwo irgendwie gefallen und würde mich freuen, wenn wir uns auch beim nächsten Kapitel wieder sehen!Bis dahin viele Grüße! - Ritsuka - Kapitel 20: Hals über Kopf -------------------------- 20. Kapitel: Hals über Kopf oder auch: „Kaiba, du arroganter Mistkerl, das bekommst du zurück!" Joey Wheeler hatte in seinem Leben schon viele Dinge erlebt. Skurrile Begebenheiten, verrückte Bekanntschaften und unzählige lebensgefährliche Situationen. Er hatte an Yugis Seite gegen psychopathische Größenwahnsinnige gekämpft, hatte mehrmals beinahe seine Seele verloren und sich unzählige Male für seine Freunde ans Messer geliefert. Offen gestanden – letzteres entsprach nicht ganz der Wahrheit, hatte er dies doch lediglich ein einziges Mal gemacht und das auch nur, ohne vorher darüber nachzudenken (ungeachtet der Tatsache, dass Denken ohnehin nicht unbedingt zu seinen Stärken gehörte). Abgesehen davon hatte er sich in seinem Leben als „Schulraufbold“ unzählige Male mit größeren, stärkeren, jedoch keinesfalls klügeren, Typen angelegt, war in zahllose Prügeleien verwickelt und hatte in Duel Monsters hunderte von Gegnern unangespitzt in den Boden gerammt. Nun gut, nicht unbedingt hunderte. Fünfzig mit Sicherheit. Oder doch eher vierzig. Wenn er genau darüber nachdachte, vielleicht auch zweiunddreißig ... Wie dem auch sei, er hatte Dinge erlebt und gemeistert, bei denen andere vom alleinigen Gedanken daran blass wurden und nach einer Stütze suchten. Aber etwas wie dies hier, war ihm noch nie widerfahren. Nicht einmal Ansatzweise. Nicht im Traum. Nie. Und es gab nur vier Worte, die in der Lage waren, das Chaos, welches in seinem Inneren tobte auf ein verständliches Maß zu komprimieren: /Kaiba, ich kill dich!/ oOo Tatsächlich fühlte er sich im ersten Moment, als hätte man ihm frontal ins Gesicht geschlagen. Jedoch war es im selben Augenblick auch das genaue Gegenteil. Es schmerzte nicht, und es schockte ihn auch nicht. Es kam jedoch unerwartet. Sein Herzschlag beschleunigte sich, während Adrenalin durch seinen Körper gepumpt wurde. Kein Schmerz. Kein Schock. Dafür jedoch ein ungeheures Maß an Wut. Eine Wut, die alles in den Schatten stellte, was er in seinem Leben je verspürt hatte. In ihm kochte der starke Wunsch, seine menschlichen Hände um Kaibas Hals zu legen und langsam und voller Genus zuzudrücken. Was dachte dieser Mistkerl sich eigentlich?! Einfach ‚nein’ zu sagen, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern?! Was sollte das jetzt bedeuten? Dass er es nicht einmal Wert war, dass man mit sich selbst rang? Dass es doch so einfach war, ihn gegen die Kaiba Corporation einzutauschen? Aber nein, der werte Herr Kaiba sah es ja nicht einmal für nötig nach einem Kompromiss zu suchen, geschweige denn auch nur eine Sekunde über Pegasus’ Worte nachzudenken. Alles was Kaiba dazu zu sagen hatte war ‚nein’ und mehr nicht. Joey wusste nicht ob er bellen oder jaulen sollte. Ein Teil in ihm war ohnehin eher dafür, zuzubeißen, bevorzugt ein Objekt, das zu Kaiba gehörte - oder wenn nicht sogar Kaiba selbst war. Er hatte Lust den Brünetten anzuschreien, ihn gleichzeitig zu Tode zu schweigen und mit mörderischen Blicken zu strafen. Alles was er verspürte, war so gegensätzlich, so zwiegespalten, dass es ihn innerlich zerriss. Jetzt spürte er den Schmerz. Doch nicht wegen Kaibas kalter Verneinung, sondern wegen seiner inneren Zerrissenheit. Kaiba würde ihm nie durch irgendwelche Worte Schmerzen zufügen können. Nicht er. Er hatte es ohne nachträgliche Probleme überstanden, von ihm als ‚Köter’ oder ‚Töle’ beschimpft zu werden, da würde ein simples ‚nein’ ihm nichts anhaben. Das einzige was schmerzte war, nicht zu wissen, ob er Kaiba lieber erwürgen oder tot beißen sollte. Man ließ einen Joey Wheeler nicht einfach mit einem kühlen ‚nein’ abblitzen und seinem Schicksal überlassen! Nicht mit ihm. Nicht so. Nicht von Kaiba. „Verstehe ich deine Worte richtig, mein lieber Kaiba?“ Pegasus Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, in denen Kaiba mehr als nur einen schmerzhaften Tod starb. Er lauschte, wollte er doch nichts von dem Gespräch verpassen. Der Hass auf Kaiba, der in den letzten Tagen stetig nachgelassen hatte, kehrte mit einem Schlag zu ihm zurück. Er wusste wieder, warum er Kaiba nie gemocht hatte, was er an ihm so verachtet hatte. Das emotionslose ‚nein’ gab ihm die Antwort auf all seine Fragen. „Du bist nicht bereit, mir deine Firma im Austausch mit deinem vierbeinigen Freund zu überlassen?“ Wieder verging keine Sekunde, bevor die Antwort aus den Lautsprechern erklang: „Nein.“ Der Zorn in Joey nahm noch an Intensität zu. Ihm war, als würden rote Schlieren vor seinen Augen tanzen und er fletschte instinktiv die Zähne. Dieser elende Mistkerl von einem Kaiba! „Diese Antwort überrascht mich.“ Pegasus Worte klangen tatsächlich aufrichtig. Joey spitzte die Ohren. Alles in ihm schrie danach, aufzuspringen und die Zähne in dem nächst besten Objekt zu versenken, das ihm unter die Augen kam, doch er kämpfte diesen animalischen Drang zurück. Es war sicherlich kein gutes Zeichen, wenn er derartige Wünsche verspürte. „Ich hatte mit einer gegenteiligen Antwort gerechnet.“ Ein dunkles Lachen erklang. Joeys Fell sträubte sich. Seto Kaiba nahm das Wort an sich: „Da sieht man, wie falsch deine Menschenkenntnis ist, Pegasus. Ich würde meine Firma nie für etwas derart Triviales, wie einen Hund, aufs Spiel setzen.“ Dreckskerl! „Da zeigt sich, wie herzlos du bist, mein lieber Kaiba.“ Eine deutliche Schärfe schwang in den Worten des Silberhaarigen mit. Ihm schien die Antwort des Brünetten mehr als nur zu missfallen. Sein ganzer Plan war von nun an wertlos, da er nichts mehr in der Hand hatte.Joey war noch immer zu sehr auf seinen Hass dem Brünetten gegenüber fixiert, als dass er Schadenfreude empfinden konnte. „Nenne es wie du willst, Pegasus, es ist nicht weiter von Belang.“ „Wenn dem so ist“, die Stimme des Duel Monsters Erfinder zitterte leicht wahrscheinlich vor unterdrückter Wut, jedoch nur für wenige Sekunden. Joeys empfindliche Ohren zuckten leicht, als er Schritte hörte, die sich ihm näherte. Er schloss reflexartig die Augen. Der Sessel, auf dem er lag, war so ausgerichtet, dass er den Bildschirm nicht hatte sehen können, da die Armlehne ihm die Sicht versperrt hatte. Die Schritte verklangen und Joey wusste, dass Pegasus neben dem Sessel stand. Ein Ruck ging durch seinen reglosen Körper, als Pegasus den Sessel drehte, damit er von dem Bildschirm an der Wand aus gut einsehbar war. Er wusste, was Pegasus damit bezweckte. Und es störte ihn nicht. Im Gegenteil. „Wenn dem tatsächlich so ist, Kaiba, dann dürfte es dich sicherlich nicht tiefgehend schockieren, dass dein ehemaliger Freund nicht mehr unter uns weilt.“ Es kam keine Antwort. Joey wagte es nicht, die Augen zu öffnen, wollte er sich schließlich nicht verraten. Dies würde sein sicheres Ende bedeuten. Erneut erklang ein leises Lachen, dieses Mal jedoch stammte es von Pegasus. Er schien seine Selbstsicherheit wieder gefunden zu haben. Zusammen mit seinem gekränkten Stolz - hatte sein Plan doch nicht wie gewünscht funktioniert -ergab es eine gefährliche Mischung. Er würde Kaiba das angebliche Ableben Joeys mit Genuss präsentieren, als Rache dafür, dass er nicht auf die Forderung eingegangen war. Noch vor wenigen Minuten hätte Joey ihn dafür sicherlich mit sämtlichen unschönen Flüchen beglückt, doch nun teilte er die Schadenfreude, die Pegasus empfinden musste. /Genau Kaiba, sieh dir an, wohin deine Worte geführt haben. Das geschieht dir recht! Wie konnte ich nur so blauäugig sein und annehmen, dass es dich kümmert, was aus mir wird?/ „Weißt du Kaiba, im Grunde genommen bin ich doch recht froh darüber, dass du die Forderung abgelehnt hast“, fuhr Pegasus fort und Joey konnte sich das selbstgefällige Lächeln des Silberhaarigen nur allzu gut vorstellen. „Denn dadurch kannst du mir nicht vorwerfen, ich hätte dich um deine Firma betrogen. Das derzeitige Befinden deines vierbeinigen Freundes - oder sollte ich lieber deines ‚ehemaligen’ Freundes sagen? – ist wie du siehst, nicht das allerbeste. Nun ja, es war ein bedauerlicher Zwischenfall, aber da es sich bei dem Tier ja ohnehin nur um einen - neutral betrachtet - simplen Hund handelt, dürfte es für dich mit Sicherheit kaum - wenn nicht sogar überhaupt nicht – von Interesse sein, habe ich nicht Recht?“ Bevor Kaiba zu einer Erwiderung ansetzen konnte hatte Pegasus ihm bereits die Möglichkeit dazu genommen, indem er nach einer minimalen Pause seine Worte ergänzte: „Insofern dürften wir alles geklärt haben. Ich nehme nicht an, dass du noch etwas zu sagen hast?“ Er wartete nicht einmal auf eine mögliche Antwort. „Ich wünsche dir noch einen wunderbaren Tag und eine geruhsame Nacht. Sofern du heute Nacht schlafen kannst. Ich werde deinem treuen Freund eine angemessene Ruhestätte herrichten lassen.“ Pegasus Worte waren schneidend wie ein Messer und ebenso verletzend, doch Joey war dies mehr als nur Recht. Der Bildschirm verlosch, bevor der Brünette Zeit hatte, auf die Worte zu reagieren. Joey hätte gerne sein Gesicht gesehen, doch war er sich sicher in diesem Fall die ihm vertraute und ebenso verhasste stoische Miene gesehen zu haben. Darauf konnte er genauso gut verzichten, wenn er ehrlich zu sich war. Eine erdrückende Stille breitete sich in dem Zimmer auf. Das Blut rauschte Joey in den Ohren, sein herz schlug ihm noch immer bis zum Hals. Die Wut hatte nicht nachgelassen, noch immer pulsierte sie wie Gift durch seine Adern. Wiederholt vernahm er Schritte, die sich nun jedoch von ihm entfernten. Die Tür zum, Raum öffnete sich. „Master Pegasus, die Limousine steht bereit.“ Ein abfälliger Laut erklang. „Ich benötige sie nicht mehr. Der Ausflug in die Stadt isst vorerst abgesagt. Kaiba ist nicht auf meine Forderung eingegangen.“ Der Bodyguard schwieg. Joey verharrte angespannt. „Steh dort nicht reglos herum“, meinte Pegasus schließlich mit deutlicher Ungeduld in der Stimme. „In diesem Raum befindet sich ein toter Hund. Ich verlange, dass du ihn entsorgst. Unverzüglich.“ „Ähm ... jawohl, Master Pegasus.“ Schwere Schritte, die auf dem Zimmerboden unnatürlich dumpf klangen, kamen näher, steuerten auf den Sessel zu. Joey widerstand dem Drang, sich zu verkrampfen. Er wusste, wenn er jemals lebend diese Villa verlassen wollte, musste er überzeugend sein. Eine Hand packte ihn im Nacken und zog ihn achtlos hoch. Joey biss sich auf die Zunge, denn ihm wäre beinahe ein überraschtes Jaulen entwichen. Er fühlte sich wie eine junge Katze, die von ihrer Mutter in Nacken von einem Ort zum anderen getragen wurde, doch waren die Katzenmütter sicherlich nicht so groß und bullig wie sein Träger, keinesfalls so grob und unter keinen Umständen hatten sie nicht so einen schmerzhaften Griff. Wie ein nasser Sack baumelte er hin und her, während er zur Tür getragen wurde. Der Mann verharrte. Joey schwang nach links und rechts,. Ihm wurde übel. „Master Pegasus ... wie genau soll ich den Hund entsorgen?“ Er wagte einen zaghaften Blick aus den Augenwinkeln und erspähte Pegasus am anderen Ende des Raumes. Er hatte ihnen den Rücken gekehrt und hielt ein Weinglas in der Hand. Er sah sich nicht einmal um, als er sprach: „Sorge einfach dafür, dass er verschwindet.“ Wenige Sekunden hing Joey bewegungslos in der Luft, dann setzte sich der Mann stumm in Bewegung, drehte sich um und verließ das Zimmer. Die Tür fiel langsam hinter ihnen zu, mit ihr verschwand der Blick auf Pegasus. Das letzte, was Joey von dem Zimmer erblickte, war der dunkle rote Fleck auf dem Boden, der nach und nach größer wurde und inmitten all des Rots die hellen Scherben des Weinglases, aus welchem Pegasus noch vor wenigen Minuten getrunken hatte, dann schloss sich die Tür mit einem Klicken. *~* ‚Sieh es positiv, Joey’, hatte Yugi mal zu ihm gesagt, nachdem er ein Duell gegen Kaiba verloren hatte. Es war in den Sommerferien gewesen, in denen er es nicht mehr ausgehalten hatte, faul herumzuliegen und vor sich hin zu schmoren, bei 30 Grad im Schatten. Er hatte endlich Taten sprechen lassen wollen. In einem Anflug von Überschätzung hatte er Kaiba herausgefordert und nachdem er ihn drei Stunden belagert hatte, hatte der Brünette widerstrebend zugestimmt. Es war kaum erwähnenswert, dass er in dem Duell mit Joey den Boden aufgewischt hatte. Das einzig Gute an der Sache war gewesen, dass außer Yugi – und natürlich Kaiba und ihm selbst – niemand sonst anwesend war. Nachdem der Brünette mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen seine Duel Disk abgeschaltet hatte und ihn einfach stehen ließ, hatte Yugi ihn zur Aufmunterung zu einem Eis eingeladen. ‚Sieh es positiv’, hatte er an dem Tag gesagt. ‚Es hätte schlimmer kommen können. Kaiba hätte dich wegen Belästigung verklagen können, anstatt zuzustimmen. Oder es hätte regnen können ...’ Er hatte Yugi nur ungläubig angesehen, während das Eis in seiner Waffel langsam aber sicher dahin schmolz, doch dann hatte er begriffen. Er hatte Yugi angegrinst und sein Schokoladeneis aufgeleckt.Yugi hatte Recht. Es hätte tatsächlich schlimmer kommen können. Kein Grund, Trübsal zu blasen. *~* Abwesend starrte er in den Himmel. Er war dunkel vor Wolken, das Grau hatte einen beinahe schon schwarzen Schimmer. Regen entlud sich aus den weiten des Grau und fiel erbarmungslos auf den Boden hinab, weichte ihn zunehmend auf. ‚Es hätte schlimmer kommen können, Joey.’ Yugis Stimme hallte einem Echo gleich in seinem Kopf nach. Das lächelnde Gesicht seines besten Freundes erschien vor seinem inneren Augen. Das aufmunternde Funkeln in den amethystfarbenen Augen. Die stumme Aufforderung, nicht aufzugeben. ‚Es hätte schlimmer kommen können.’ So sehr er sich an diese Worte klammerte, er bezweifelte stark, dass sie stimmten. Nichts konnte von nun an schlimmer werden. Absolut gar nichts. Der Wind fegte über ihn hinweg, sein Fell, von dem Regen durchnässt, bot ihm keinen wirklichen Schutz mehr. Er fror erbärmlich. ‚Es hätte schlimmer kommen können.’ Vielleicht stimmten diese Worte ja doch. Vielleicht hätte es ja wirklich schlimmer kommen können. Vielleicht hätte man ihn, anstatt ihn achtlos in einen Graben außerhalb der Stadt zu werfen, auch einfach mit dem Restmüll entsorgen können. Vielleicht hätte man ihn achtlos in die Mülltonne packen können. Vielleicht hätte man ihn bei Minusgeraden aus dem Wagen werfen können. Vielleicht hätte es wirklich schlimmer kommen können, vielleicht konnte es tatsächlich noch schlimmer werden, Tatsache war jedoch, dass er sich momentan mehr als nur hundeelend, mehr als schmutzig, fühlte. Er blinzelte, sein getrübter Blick verschwamm, während er weiterhin in den dunklen Himmel starrte, belanglosen Gedanken nachhing. ‚Wenn du nicht aufpasst, Joey, wird dein kopfloses Handeln dich irgendwann mehr als nur den Hals kosten.’ ‚Téa, wie soll er noch den Hals verlieren, wenn er sowieso total kopflos ist?’ ‚Das war eine Redewendung, Tristan. Ich wollte Joey lediglich darauf hinweisen, dass er in Zukunft besser die Folgen seines Handelns berücksichtigen sollte.’ ‚Hättest du das nicht gleich sagen können?’ ‚Typisch Jungs ... ich brauche dringend mehr Freundinnen.’ Hätte er gekonnt, er hätte gelächelt. Doch da sein Körper noch immer das Dasein in der Gestalt eines Hundes fristen musste, blieb ihm nichts weiter übrig, als ein Rümpfen seiner Nase, während der Regen weiterhin von Himmel fiel, ihn stetig durchnässte. Er hatte das Gefühl, noch nie in seinem Leben nasser gewesen zu sein. Es war widerlich und der Zorn auf Kaiba wuchs von Minute zu Minute mehr, während die Frustration stetig zunahm. Wie hatte er so dumm sein können? Wie hatten seine Gefühle ihn so verraten können? Es war eine Schande. Kaiba hatte ihm einen fatalen Schlag verpasst. Das ‚nein’ hatte ein größeres Loch in sein Selbstbewusstsein geschlagen, als er jemals für möglich gehalten hätte. Es war grauenvoll. /Ich hätte niemals anfangen sollen, diesem Mistkerl zu trauen. Ich bin selbst schuld, wenn ich so blind sein musste. Am liebsten würde ich ihn .../ Er schüttelte den Kopf. Wassertropfen lösten sich aus seinem Fell. Langsam richtete er sich auf. Der Graben füllte sich allmählich mit Wasser von dem stetig zunehmenden Regen, der unaufhörlich auf die Erde niederprasselte. Mit schweren Schritten kämpfte er sich die Böschung hinauf und blieb schließlich schwer atmend stehen, als er die Straße erreichte, von welcher aus man ihn achtlos hinab geworfen hatte. Einzig das weiche Gras hatte ihn vor Verletzungen bewahrt und abgesehen von einem leichten Schleudertrauma hatte er alles wahrscheinlich relativ unbeschadet überstanden. /Wenn man hämmernde Kopfschmerzen, penetrante Müdigkeit und den Wunsch Kaiba umzubringen als relativ ansehen kann./ Seine Augen wanderten über den vom Regen dunkel verfärbten Asphalt der Straße, sein Kopf hob sich, je weiter er streifte, bis er mit seinem Blick schließlich an den verschwommenen Umrissen der Stadt hängen blieb, die sich in der Ferne kaum merklich von dem grauen Himmel abzeichnete. Durch den Vorhang des Regens schlängelte sich die Straße durch die Landschaft, bis sie schließlich verblasste. Selbst mit zwei Beinen und einem anderen Körper wäre dies ein weiter Weg und für einen Hund schien das unterfangen schlichtweg unmöglich. Doch er hieße nicht Joey Wheeler, wenn er sich von derartigem Wissen aufhalten ließe. Statistiken oder Wahrscheinlichkeiten interessierten ihn nicht, hinzu kam der unbändige Wunsch nach Rache an Kaiba, welcher der einzige Grund war, warum er noch auf den Beinen stand. Er würde nicht aufgeben, er würde Kaiba nicht die Genugtuung gönnen, sich mit einem zufriedenen Lächeln zurück zu lehnen und zu denken, dass dieser Tag gut gelaufen sei, als er Pegasus eins ausgewischt hatte. Nein, er würde ihn seine Entscheidung noch bereuen lassen, so wahr er Joey Wheeler hieß! Doch zu allererst musste er seine alte Gestalt wiedererlangen. Und die einzige Person, die momentan dazu in der Lage schien, war Marik. Aller Wahrscheinlichkeit nach musste er also sein altes Ziel wieder aufnehmen. Er hatte die Entführung Pegasus unbeschadet überstanden, hatte den Erfinder von Duel Monsters nach allen Regeln der Kunst an der Nase herumgeführt und ihn überlistet. Das würde ihm niemand abkaufen ... Nun musste er dort ansetzen, wo man ihn unterbrochen hatte. Er musste zu Marik. /Zuerst muss ich überhaupt die Stadt erreichen./ Mit einem beklemmenden Gefühl in der Magengegend blickte er ein letztes Mal dem ihm bevorstehenden Weg entgegen, dann setzte er sich in Bewegung. /Das schaffe ich nie .../ Die Geräusche seiner Pfoten auf der nassen Straße wurden von dem Prasseln des Regens übertönt. oOo Seine Lungen schienen sich nicht mehr füllen zu wollen. Egal, wie tief er einatmete, es schien nicht zu reichen. Nach Luft japsend blieb er stehen. Sein Herz schlug ihm schmerzhaft gegen die sich rasch hebende Brust und er befürchtete für wenige Momente, dass er seinen vorläufigen Körper dieses Mal über seine Grenzen hinaus getrieben hatte. Müde richtete er seinen Blick auf die Stadt, die sich wenige Hundert Meter vor ihm erhob. /Gleich habe ich es. Wie lange ich durchgerannt bin, weiß ich nicht. Stunden? Tage? Tatsache ist: Gleich bin ich in Domino. Was für ein Glück./ Jegliches Zeitgefühl hatte ihn verlassen und er war nicht mehr imstande, zu bestimmen, ob der Himmel je heller oder dunkler gewesen war. Er wusste nicht einmal sicher, ob derzeit Tag oder Nacht war. Sein Blick war getrübt, sein Geist benebelt. Alles, was ihn noch stehen ließ, waren seine Überlebensinstinkte und zum ersten Mal war er froh, sie zu besitzen. /Nicht mehr lange .../ Er ignorierte den Protest seines Körpers und lief weiter. Die Hauptstraße war verlassen, kein Mensch war zu sehen. Hieß dies, dass es wohlmöglich Nacht war? Er besaß nicht die nötige Konzentration, um sich darüber Gedanken zu machen. Seine Beine schlugen von alleine einen Weg ein und führten ihn mehr oder weniger sicher durch die leeren Straßen der Stadt, über Kreuzungen und Abzweigungen. /Müde ... schlafen .../ Nach unbestimmbarer Zeit blieb er erneut stehen. Er wusste nicht mehr wo er war. Seine Beine trugen ihn nicht mehr. Er war so müde, wie lange nicht mehr. Er vermisste sein Bett, Kaibas Bett, irgendein Bett ... Er wollte nur noch schlafen. Er hörte nicht auf die matten Warnungen seines Verstandes und lehnte sich an die nächst beste Wand, die er fand. Dass der Regen noch immer auf ihn niederprasselte bemerkte er kaum noch. Er hatte sich in den letzten Stunden zu sehr an das Gefühl der Nässe gewöhnt. Sein Körper sackte schlaff an der kühlen Wand hinab. Seinen Kopf bettete er automatisch auf die Vorderpfoten, während er sich so klein wie möglich zusammenkauerte. Sein Geist driftete zunehmend ab und er wäre beinahe, dem beruhigenden Prasseln des Regens lauschen, eingeschlafen, wenn nicht unmittelbar ein Gedanke den Weg in sein Bewusstsein gefunden hätte: ‚Ich würde meine Firma nie für etwas derart Triviales wie einen Hund aufs Spiel setzen.’ Kaibas Worte. Schlagartig war er wieder wach und starrte mit aufgerissenen Augen auf den Boden vor sich. Die Geräusche des Regens rückten in den Hintergrund. Seine Schnauze verzog sich und weiße Zähne zeigten sich. Seine Augen zogen sich zusammen. /Dich werde ich nicht ungeschoren davonkommen lassen. Du wirst schon noch bekommen, was dir zusteht!/ Knurrend sammelte er sich und rappelte sich schließlich mehr oder weniger auf. Sein Blick wanderte durch die verlassene Straße. Er kannte diese Gegend nur zu gut. Dies hier war ganz in der Nähe der Kaiba Corporation. Ein Blick nach oben bestätigte diese Vermutung, ragte doch durch die Regenschlieren das Gebäude der Kaiba Corporation weit über die anderen Gebäude. Seine Laune verdüsterte sich zunehmend. /Kaiba .../ Er wandte sich ab. Er musste vergessen, zumindest für die nächste Zeit. Wenn er Rache an Kaiba nehmen wollte, dann musste er zu allererst seinen normalen Körper wiedererlangen. Er versuchte, sich zu konzentrieren, was ihm angesichts der Müdigkeit beklemmend schwer fiel. Der einzige Ort, der ihm in den Sinn kam, war der Spielladen von Yugis Großvater. Marik wohnte am anderen Ende der Stadt, ebenso Bakura. Yugi schien ihm die beste Alternative und so zwang er seinen Körper zu einem letzten Marsch durch die verregneten Straßen Dominos. Erst als er die vertrauten Umrisse des Ladens vor sich erkannte, verlangsamten sich seine Schritte. Er sah durch den Nebel der Erschöpfung, dass in einem der Zimmer noch Licht brannte, doch war er unlängst nicht mehr in der Lage, zu bestimmen, in welchem. Mühsam schleppte er sich zu der Tür. /Und jetzt? Klopfen kann ich nicht, genauso wie bellen .../ Er hob die Pfote und kratzte halbherzig über die Tür, in der Hoffnung, jemand würde es hören. Minuten verstrichen, vielleicht waren es auch Stunden, doch nichts rührte sich. Er wiederholte seine Handlung, dieses Mal nachlässiger, während er sich geschlagen, an die Tür des Ladens lehnte. /Offenbar habe ich mich geirrt. Entweder es ist niemand da, oder sie schlafen./ Unerwartet verschwand der stützende Halt und er kippte zur Seite. Licht flutete seine Augen und er kniff sie zusammen. Blinzelnd blickte er nach oben, erspähte gegen das Lichts aus dem Inneren des Ladens eine schemenhafte Gestalt. Wortfetzen drangen an sein Ohr. „- hab doch gesagt, ich habe was gehört.“ „- kann nicht wahr sein.“ „Joey!“ Seine Sicht klärte sich und er erkannte Yugi, der sich zu ihm hinunterbeugte. /Yugi ... Kumpel, was freue ich mich, dich zu sehen .../ „Joey, Himmel sei Dank, dir geht es gut!“ /Blendend./ „Marik, komm her!“ /Marik? Marik ist hier? Was macht er bei Yugi?/ Er hörte schnelle Schritte. Dann ein ersticktes Keuchen. „Bei allen Göttern Joey!“ /Also so schlimm sehe ich auch wieder nicht aus .../ „Du lebst!“ /War ich etwa tot?/ Ihre Worte ergaben für ihn keinen Sinn. Er wollte nur noch schlafen. „Wir müssen ihn reinbringen.“ Er spürte, wie er hochgehoben wurde. Zum erneuten Male innerhalb weniger Tage trug ihn jemand. Wäre er nicht so müde gewesen, hätte er sich gewehrt. Dies schien wie ein Déjà-Vu. Als er zusammengeklappt war, nachdem Yugi ihm verkündet hatte, dass er auf Kaibas Hintern gestarrt hatte, war er auch getragen worden ... Seine Gedanken verloren sich. Kurzzeitig driftete er wieder ab. „Joey.“ Etwas wurde ihm unter die Nase gehalten, Sein äußerst empfindliches Organ registrierte einen stark beißenden Geruch. Augenblicklich war er hellwach. Seine Nase zuckte und er wich angeekelt zurück. /Was zum -?!/ Er stockte, als er sich drei Personen gegenübersah. Noch immer schnaubte er, versuchte den grauenvollen Geruch los zu werden. /Was zur Hölle war das?!/ In Yugis Händen erspähte er eine kleine, unbeschriftete Flasche – den Urheber allen Übels. Der Meister in Duel Monsters lächelte ihn entschuldigend an und schloss sie. „Tut mir leid Joey, die gehört Großvater. Das weckt sogar Tote wieder auf.“ /Das merke ich .../ Noch immer leicht benommen von dem plötzlichen Geruchsschock schüttelte Joey den Kopf. Doch in einer Hinsicht musste er Yugi zustimmen: Das Zeug machte tatsächlich mehr als nur wach. Er wollte lieber nicht wissen, was genau in dieser Flasche war. Wenigstens die Müdigkeit war vorerst von ihm abgefallen. Zumindest hatte er nun nicht mehr das Bedürfnis, sich an Ort und Stelle hinzulegen. Man hatte ihn auf Yugis Bett gesetzt und in Handtücher gewickelt. Allmählich wurde ihm wärmer. Er sah sich im Zimmer um. Drei Paar Augen waren auf ihn gerichtet. /Yugi hier anzutreffen ist keine Überraschung, immerhin wohnt er hier. Marik und Bakura sind da schon was anderes./ Sein Blick suchte den Ägypter, der sich auf Yugis Schreibtischsstuhl niedergelassen hatte und mehr als nur etwas blass wirkte. Nun verstand Joey gar nichts mehr. Auch Bakuras Gesichtsausdruck warf Fragen auf. Er starrte Joey an, als hätte er einen Geist vor sich. Und angesichts der Tatsache, dass das Reich der Schatten eigentlich sein zweites Zuhause war, erschien es Joey mehr als nur verwunderlich, dass etwas den Grabräuber schockieren konnte. Was war nur während seiner Abwesenheit passiert? „Wir dachten, du seiest tot.“ In seinem Leben hatte er schon viele verwirrende Worte gehört. Man hatte ihn einen Idioten, einen Tollpatsch, ein Großmaul, einen Köter und unzählige andere Dinge geschimpft, doch tot hatte man ihn noch nie genannt. Zumindest keiner seiner Freunde. /Tot? Aber ich bin doch hier?/ „Bis eben warst du das aber noch nicht“, gab Marik missgestimmt zu verstehen. Er hatte sich auf dem Stuhl zurückgelehnt und blickte Joey finster an. Joey verengte die Augen. /Was willst du mir damit sagen?/ In einer ruckartigen Bewegung beugte Marik sich vor und starrte ihn mit übertriebenem Spott an. „Überlegen wir mal. Vor wenigen Stunden meldet sich Kaibas Bruder bei mir – woher er meine Nummer hat ist mir auch schleierhaft – mit tränenerstickten Stimme und erzählt mir, dass du von Pegasus entführt worden wärst und das zeitliche gesegnet hättest.“ Joeys Augen weiteten sich. /Mokuba .../ „Des weiteren“, fuhr Marik fort und seiner Stimme wurde immer lauter und bebte vor Zorn, „steht mit einem Mal der hier“ – er deutete auf Yugi – „oder viel mehr der Pharao vor meiner Tür und verpasst mir kurzerhand einen Kinnharken der sich gewaschen hat.“ Bei diesen Worten hob er die Hand und strich sich mit verächtlich verzogenem Mund über die - wie Joey nun auch registrierte - leicht angeschwollene Wange. Der Blonde drehte den Kopf und fixierte Yugi, der sich verlegen lächelnd an den Kopf fasste. „Ich habe mich doch schon entschuldigt, Marik. Der Pharao hat überreagiert, er war ziemlich aufgewühlt und da ... er hat sich doch auch schon entschuldigt.“ „Tze“, schnaubte Marik nur, bevor er sich wieder an Joey wandte. Seine Augen funkelten. „Und wenn das alles gewesen wäre, würde ich ja gar nichts sagen, aber das nächste was kam, war er“ – er machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung Bakura – „der auf meiner Matte stand - nachdem der Pharao kurzerhand entschlossen hatte, meine Wohnung zu stürmen – und der es doch glatt für nötig hielt, mir einen Vortrag über ethische Werte und meine Verantwortungslosigkeit halten zu müssen.“ „Das war nicht ich“, knurrte der Weißhaarige mit zusammengebissenen Zähnen. „Das war Ryou. Ich konnte ihn nicht aufhalten.“ „Seit wann lässt sich der große Grabräuber Bakura von seinem Hikari kontrollieren?“, schnappte Marik zurück. Joey folgte dem Geschehen perplex, bis sich der Grabwächter wieder ihm zuwandte: „Du verstehst also, dass mein Abend nicht unbedingt der Beste war. Es hätte nur noch gefehlt, dass Kaiba mir eine Klage auf den Hals hetzt.“ „Wozu es natürlich nicht gekommen ist“, mischte Yugi sich schnell ein, bevor die Situation wohlmöglich eskalierte. Joey schluckte. /Ähm ... ich verstehe nur Bahnhof .../ Etwas hatte er jedoch verstanden. Sein Magen verkrampfte sich, als er an Mariks Worte über Mokuba zurückdachte. Der Junge hatte geweint? Er hatte gesagt, er, Joey, sei tot? Ihn hatte er in seinem Zorn auf Kaiba ganz vergessen. „Was gibt es daran nicht zu verstehen?!“, fuhr Marik ihn aufgebracht an. „Alle Welt hält dich für tot und du stehst hier auf einmal vor der Tür und erschreckst uns beinahe zu Tode! Das ist los!“ Joeys Nackenfell sträubte sich angesichts Mariks Ausbruch. /Wer ist denn bitte daran Schuld, dass ich in diesem Körper bin?! Wer hat es denn nicht für ausreichend gehalten, dass ich nach der Wette einfach das Hundekostüm anziehe? Du wolltest doch aus dem ganzen Mist eine Realityshow machen, wenn ich mich recht erinnere. Und jetzt sieh, wohin das geführt hat: Ich wurde entführt, wurde von dem Mistkerl Kaiba eiskalt abserviert und konnte mich tot stellen und stundenlang im strömenden Regen eine kilometerlange Straße entlanglaufen, nur um hierhin zu kommen und von dir blöd angemacht zu werden!/ Sie starrten ihn an. „Du hast dich tot gestellt?“ „Du bist stundenlang durch den Regen gerannt?“ „Kaiba hat doch abserviert?!“ Die letzte Frage stammte von Marik. Aus seinem Mund klang sie so lächerlich und in Joeys Magen brannte es, als er sie hörte. Die Wut machte sich wieder in ihm breit. /Was geht es dich an, was er macht?! Du bist doch an allem Schuld! Wärst du nicht, gewesen, hätte ich gar nicht erst herausgefunden, dass er auch anders sein kann, ich hätte ihn nicht Lachen sehen müssen, ich hätte ihn nicht kennen lernen müssen! Wenn du nicht gewesen wärst, hätte er gar nicht erst ‚nein’ gesagt!/ Jetzt schwiegen sie. Yugi nahm als erster wieder das Wort an sich. „Was willst du damit sagen, er hat ‚nein’ gesagt?“ /Gar nichts/, knurrte Joey und starrte auf die Decke des Bettes. /Überhaupt nichts. Was ich damit sagen will/ - sein Blick schoss wieder in die Höhe und richtete sich auf Marik - /es ist deine Schuld, dass ich fast gestorben bin./ Einige Sekunden starrte der Grabwächter ihn sprachlos an, dann verzog sich sein Gesicht vor Zorn. Joeys Worte schienen ihn ernsthaft in Rage gebracht zu haben. „Jetzt hör mir mal zu Wheeler!“, donnerte er und sprang von dem Schreibtischstuhl auf. „Wenn hier jemand schuld an all dem ist, dann doch wohl du! Ja, ich wollte mir einen kleinen Spaß daraus machen, dich in einen Hundekörper zu stecken, nachdem du die Wette verloren hattest, aber es war ein einfacher Fluch, mehr nicht, und wenn du es wirklich gewollt hättest, wärst du nach drei Tagen wieder ein Mensch geworden! Also erzähl mir nicht, dass ich schuld daran bin, dass du offenbar etwas gefunden hast, das wichtiger ist, als der Wunsch, wieder du selbst zu werden!“ Das saß. Joey hatte das Gefühl, als hätte man über seinem Kopf einen Eimer mit kaltem Wasser entleert. Er starrte Marik an und begriff zunächst nicht den Sinn seiner Worte. /Wie meinst du das ... ich hätte nach drei Tagen wieder ein Mensch werden können?/ „Bei Ra, bist du so schwer von Begriff oder tust du nur so?“ Er verdrehte die Augen. „Es ist, wie ich es eben gesagt habe: Wenn du es wirklich gewollt hättest, wärst du nach drei Tagen wieder zu einem Menschen geworden. An dem Tag, an dem du Kura und mich in der Schule ‚besucht’ hattest, hättest du schon längst wieder du selbst sein können. Aber nein, der Herr muss ja alles unnötig verkomplizieren und einen Narren an Kaiba fressen.“ /Das ist nicht wahr!/, protestierte Joey empört. /Nimm das sofort zurück!/ „Ich nehme gar nichts zurück, damit das klar ist! Es war offenbar deine eigene Entscheidung, also gib mir nicht die Schuld daran, nur weil du von einem Fettnäpfchen ins nächste trittst, dich entführen lässt, was mir noch immer ein Rätsel ist – wie kann man sich einfach entführen lassen? – danach durch die Straßen der Stadt taumelst und schließlich hier hereinspazierst. Was erwartest du von mir? Dass ich mich entschuldige?“ /Zum Beispiel!/, erwiderte Joey und sprang nun ebenfalls auf. Die Handtücher rutschten herunter, er beachtete es nicht. /Wie wäre es, wenn du nur einmal ‚entschuldigung’ oder ‚tut mir leid’ sagst. Wegen dir bin ich in der ganzen Misere und ich glaube dir kein einziges Wort! Gib es doch zu: Du hast einfach vergessen, wie du mich zurückverwandeln sollst und bist jetzt zu feige, um das auch noch zuzugeben!/ „Was fällt dir eigentlich ein?“, brauste der Ägypter auf. „Warum sollte ich bitte lügen? Es gibt nur diesen einen Weg, es gibt nur diese eine Möglichkeit, begreif das doch!“ /Wie soll ich das bitte? Wie soll ich dir das glauben? Ich habe in den letzten Tagen Situationen erlebt, in denen ich mir nichts mehr gewünscht habe, als wieder normal zu werden, aber nichts ist passiert! Wie soll ich dir dann bitte glauben, dass ich mich nur zurückverwandeln kann, wenn ich es mir wünsche?!/ „Dann können diese Situationen nicht schlimm genug gewesen sein, um sich zurück zu verwandeln“, erwidert Marik und eindeutiger trotz liegt in seiner Stimme. /Ach ja?! Verbringe du mal mehrere Stunden mit einem Maulkorb, dann wünschst du dir aber nichts mehr, als wieder ein Mensch zu werden und demjenigen, der dafür verantwortlich ist, eine zu verpassen!/, schrie er ihn gedanklich an und hoffe, dass der Grabwächter dadurch Kopfschmerzen bekam. Er erwidert nichts. Joey schwieg. Yugi und Bakura starrten sie an. „Du musstest einen Maulkorb tragen?“ Wieder war es Yugi, der das Schweigen als erster brach und seine Worte ließen Joey vor Scham den Blick abwenden. Er hatte doch verhindern wollen, dass jemand davon erfuhr. Was niemand weiß, macht niemanden heiß. Fehlanzeige. /Ja. Und? Ich konnte nichts dafür. Nur weil ich den Leibwächter von Pegasus gebissen habe ... er war selber Schuld, er hat mich beleidigt. Und ich wollte nur da raus .../ Mit jedem weiteren Gedanken ritt er sich mehr in das Schlamassel. Es war zum verrückt werden. „Du hast den Leibwächter von Pegasus gebissen?“ /Was interessiert es euch?/, fragte er und knurrte. /Es kann euch egal sein, ich bin jetzt jedenfalls hier und will verdammt noch mal meine alte Gestalt zurück./ Marik schnaubte. „Ich habe dir doch eben erklärt, dass wir daran nichts ändern können. Du bist der einzige, der entscheiden kann, wann du dich zurückverwandelst.“ /Offenbar nicht/, fauchte Joey zurück. Bitterkeit breitete sich in ihm aus. /Offenbar habe ich nicht einmal die Kraft dazu./ „Jetzt stell dich nicht so an“, entgegnete Marik kalt. „Kaiba hat dich abserviert, na und? Das ist kein Grund, dein weiteres Dasein in diesem Körper fristen zu müssen.“ /Daran liegt es doch gar nicht!/, begehrte Joey auf. „Ach ja? Und warum ist das erste, was man in deinen Gedanken spürt die ganze Wut auf Kaiba?“ /Das bildest du dir ein./ „Ich spüre es auch“, mischte Yugi sich mit ein. „Und der Pharao ebenfalls.“ /Danke Yugi. Fall mir in den Rücken./ „Dito“, meinte nun Bakura und er knurrte dieses Mal lauter. /Ihr habt sie doch nicht mehr alle. Natürlich bin ich sauer auf Kaiba. Ich würde ihm am liebsten sämtliche Knochen brechen!/ Marik pfiff leise. „Uh, da hat es aber jemanden ganz schön tief getroffen. Das einzige, was man sonst von dir gehört hat, ist, dass du ihn im Duell fertig machen wolltest. Jetzt bist du schon bei seinen Knochen. Du machst Fortschritte.“ Joey verstand gar nichts mehr. „Ich schätze“ – Marik warf Yugi einen viel sagenden Blick zu – „um die Lösung der ganzen Sache zu finden, müssen wir wohl oder übel zu Kaiba.“ Joeys Fell sträubte sich erneut. /Vergiss es. Bevor ich nicht wieder ein Mensch bin, gehe ich garantiert nicht zu Kaiba!/ „Du willst es offenbar nicht verstehen“, meinte Marik und sah mich mit stechendem Blick an. „Wenn wir nicht zu Kaiba gehen, wist du erst gar nicht mehr zu einem Menschen. Du hast es doch selbst gesagt: Du willst nichts lieber, als dich an ihm zu rächen und wenn das die Bedingung ist, damit du wieder ein Mensch wirst, bitte. Dann fahren wir eben zu Kaiba.“ /Auf keinen Fall./ Marik wandte sich an Yugi. „Würdest du ein Taxi bestellen?“ „Taxi?“ „Es ist noch sehr früh“ – er warf einen Blick auf die Uhr – „kaum sechs Uhr morgens, wir sitzen hier jetzt schon seit gestern Nacht in deinem Zimmer, ich habe Hunger und Kopfschmerzen und will diese ganze Geschichte so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich nehme nicht an, dass du schon Auto fährst und ich besitze zurzeit keins. Da ist doch die nahe liegende Möglichkeit ein Taxi, nicht wahr?“ Yugi nickte. „Ja, da hast du Recht.“ /Hey, da habe ich ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden./ Er hasste es, wenn über seinen Kopf hinweg Entscheidungen getroffen wurden. „Nein, hast du nicht“, war die simple Erwiderung seitens Marik. /Ich werde auf keinen Fall mit zu Kaiba kommen. Nur über meine Leiche!/ Marik warf aus den Augenwinkeln einen Blick zu Bakura. Dieser nickte und ein Grinsen erschien auf seinen Lippen. „Das ließe sich einrichten.“ Zwei Schatten näherten sich ihm, kamen immer näher und wuchsen über ihm in die Höhe, je näher Bakura und Marik ihm kamen. Joey wich zurück, bis er die Wand in seinem Rücken spürte. /Hört auf ... lasst den Scheiß./ „Es wird Zeit für eine kleine Reise, Joey“, meinte Bakura mit einem bösen Lächeln. „Es ist nur zu deinem Besten“, fügte Marik hinzu. Sein Millenniumsstab glomm auf. Joey wurde schlecht. /Nicht schon wieder/, war sein letzter Gedanke, bevor es schwarz um ihn wurde. Kapitel 21: Schlafende Hunde soll man nicht wecken -------------------------------------------------- 21. Kapitel: Schlafende Hunde soll man nicht wecken /Ich hasse euch. Euch alle./ Joey starrte mit finsterer Miene aus dem Fenster. Die verregnete Stadt zog an ihm vorbei. Die Straßenlaternen flackerten und schalteten sich eine nach der anderen ab. Menschen zeigten sich auf den Straßen, Morgenstimmung breitete sich aus. /Ihr seid echt das letzte. Ja, du auch Yugi./ „Ach komm schon Joey, wir wollen nur dein Bestes.“ /Das habt ihr jetzt in den letzten zehn Minuten schon fünf Mal gesagt und ich glaube euch immer noch nicht. Ihr habt sie doch echt nicht mehr alle. Warum muss ich mir das gefallen lassen?/ „Weil wir es wollen.“ /Halt die Klappe, Marik./ Der Millenniumsring um Bakuras Hals glomm kurz auf. „Marik, hast du das gehört? Der Kleine wird aufmüpfig.“ /Nenn mich noch einmal Kleiner und ich zeig dir gleich aufmüpfig!/ „Da habe ich aber Angst.“ Joeys Kopf ruckte herum und er fixierte Bakura, der ebenfalls auf der Rückbank saß und ihn provozierend ansah. Zu seinem Glück saß Yugi zwischen ihnen, sonst hätte Joey sich längst auf ihn gestürzt. Sein Knurren verdeutlichte mehr als Worte es gekonnt hätten. Marik saß vorne neben dem Fahrer, welcher längst den Versuch aufgegeben hatte, zu verstehen, warum seine Fahrgäste sich permanent mit einem Hund unterhielten. Ein Grund dafür war auch das Geld, welches Marik ihm bereits beim Einsteigen überreicht hatte, nachdem er ihm das Ziel genannt hatte. Dabei sprang ein ansehnlicher Betrag Trinkgeld heraus und man beschwerte sich in einem solchen Fall nie. Der Kunde war König, mochte er auch noch so seltsam sein. /Ich will nicht in dieser Gestalt zu Kaiba. Was versprecht ihr euch davon?/ „Einen freien Tag und etwas Schlaf“, antwortete Marik gähnend und schloss die Augen. /Mir wäre es lieber, wenn ihr einfach eine Hintertür in diesem Chaos finden würdet. Ich muss nicht zu Kaiba. Die ganze Zeit wollte ich wieder ein Mensch werden und es hat nicht funktioniert, warum soll es mit einem Mal klappen, wenn ich wieder bei Kaiba bin?/ Marik zuckte die Schultern. „Wie auch immer, Kaiba ist der Schlüssel zu allem und ich werde es nicht zulassen, dass du mich noch einige Stunden länger von meinem wohlverdienten Schlaf abhältst.“ /Tze, eigentlich müsstet ihr jetzt in der Schule sein/, meinte Joey trotzig und richtete seinen Blick wieder auf das beschlagene Fenster des Taxis. „Nicht ganz“, berichtige Yugi ihn lächelnd. „Die Schule beginnt erst in knapp zwei Stunden. Wir sind sehr früh dran, und das weißt du.“ /Ja, na und? Ist doch auch egal .../ Nachdenklich beobachtete er, wie die nassen Straßen und Gebäude an ihm vorbeizogen. Seine Gedanken schweiften ab. Unbewusst dachte er an einen Tag vor wenigen Wochen zurück. *~* „Du bist nicht der einzige, der einen Traum hat, Wheeler.“ Die Stunde war längst vorbei. In der Pause hatten Yugi, Tristan, Téa und er sich eine Bank auf dem Schulhof gesucht, sich dort niedergelassen und ihre Pausenbrote kauend über die vorangegangene Stunde geredet. Hin und wieder lachten sie auf. „Das ist nicht dein Ernst, Téa“, schnaubte Tristan und stand kurz davor, sich vor unterdrücktem Lachen an seinem Brot zu verschlucken. „Du hast Bakura nicht ernsthaft von deinem Tanztraum erzählt? Der Arme hat doch jetzt ein vollkommen zerstörtes Weltbild!“ Téas Wangen waren leicht gerötet. Ob es an den – für diese Jahreszeit - ungewöhnlich frostigen Temperaturen oder an Tristans Worten lag, war unmöglich zu erkennen. „Was willst du damit sagen? Wir sollten über unsere Träume erzählen und ich habe es getan.“ „Ja, aber trotzdem.“ Tristan schluckte seinen Bissen und grinste sie breit an. „Das ist so typisch für dich. Hast du ihn überhaupt ein einziges Mal zu Wort kommen lassen?“ „Ich –“, Téas Wangen wurden noch eine Spur dunkler. Nun lag es offensichtlich nicht mehr an den Temperaturen. „Er schien nicht, als wollte er etwas sagen ...“ Tristan lachte auf. „Also hatte ich Recht! Du hast ihn tatsächlich die gesamte Stunde voll gequatscht.“ „Ja ... nein ... er schien wirklich interessiert ...“ „Sicher doch, Téa“, grinste Tristan weiter. „Joey, stimmt etwas nicht? Du bist so still.“ Während Téa und Tristan sich ungeachtet der anderen weiter kabbelten hatte Yugi sich an Joey gewandt, der am anderen Ende der Bank saß und abwesend auf das Schultor starrte. Der Blonde schreckte auf. „Was?“ Sein Blick fiel auf Yugi und er neigte fragend den Kopf. „Hast du was gesagt? Tut mir leid, war gerade in Gedanken.“ Yugi lächelte. „Das hat man gemerkt. Über was denkst du nach?“ „Über Kaiba.“ Die Erwähnung des Namens riss auch Tristan und Téa aus ihrer mittlerweile angeregten Diskussion über Höflichkeit und Interesse an anderen - diese Themen stammten natürlich gänzlich von Téa – und ließ sie ihre Aufmerksamkeit auf Joey richten. „Was ist mit Kaiba?“, fragte Tristan mehr als nur interessiert und ließ sogar sein Pausenbrot Pausenbrot sein. Wenn Joey freiwillig von Kaiba redete, dann musste etwas im Gange sein, soviel war sicher. „Nichts ist mit Kaiba“, meinte Joey leicht irritiert. „Na ja, das heißt schon irgendwie. Eben in der Stunde, als ich ihn als Partner bekommen habe ... er war so seltsam drauf.“ Téa sah ihn aufmerksam an. „Inwiefern ‚seltsam’. Seltsamer als sonst?“ Joey nickte. „Ja, irgendwie schon. Er hat mich beleidigt und dann habe ich hab ihm gesagt, dass ich davon träumen würde, ein Drachentöter zu sein, um ihn zu reizen, und es hat ihn nicht gejuckt. Dann habe ich ihm gesagt, dass jemand wie er wahrscheinlich gar keine Träume hat und dann wurde er ganz anders, hat mich so komisch angesehen und gemeint, dass ich nicht der einzige wäre, der einen Traum hat. Das soll einer verstehen. Der Typ ist doch nicht mehr normal. Der einzige Traum, den einer wie er haben kann, ist irgendwann einmal Yugi zu besiegen, aber deshalb gleich so einen Aufstand zu machen ...“ „Vielleicht, weil er einen anderen Traum hat?“, warf Yugi die einzig mögliche Schlussfolgerung ein. Joey starrte ihn ungläubig an, dann schüttelte er den Kopf. Blonde Strähnen wirbelten umher. „Unmöglich Yugi! Jemand wie der weiß doch überhaupt nicht, wie man ‚Träume’ schreibt. Na gut, wahrscheinlich weiß er es doch, aber er kann unmöglich welche haben. Alles was er will, sind Macht und Reichtum. Was bleibt denn da noch Zeit zum Träumen?“ „Offenbar genug Zeit, um sich gekränkt zu fühlen, als du ihm unterstellt hatst, er habe keine“, meinte Téa. Sie tippte sich mit einem Finger nachdenklich ans Kinn. „Jetzt stellt sich bloß die Frage, was Kaibas Traum ist.“ „Vielleicht wünscht er sich Freunde?“, schlug Tristan vor, dabei sein Pausenbrot kauend. Téa schenkte ihm einen mahnenden Blick und er schluckte schnell, lächelte sie dabei unschuldig an. „Das würde nicht passen“, murmelte Joey. „Nachdem Yugi sie ihm schon oft genug angeboten hat. Kaiba ist nicht der Typ für ‚Freunschaftszeug’. Alles was mit Gefühlen zu tun hat passt nicht zu ihm ...“ „Vielleicht träumt er davon, die Welt zu einem besseren Ort zu machen“, gluckste Tristan leise. Joeys Mundwinkel begannen zu zucken, bis er sich schließlich nicht mehr zusammenreißen konnte und zu lachen anfing. „Der war gut“, prustete er und hielt sich den Bauch. „Was für eine Vorstellung. Kaiba als Vertreter des Weltfriedens: Befreit unseren Planeten von Personen wie mir. Ich fass es nicht, das wäre der Hammer.“ Nun begannen die anderen auch zu lachen. Joey lag mittlerweile mehr auf der Bank, als dass er saß. Immer wieder erschien vor seinem geistigen Auge das Bild von Kaiba, übersäht mit Aufklebern diverser Weltrettungsorganisationen, Tierschutzvereinen und Umweltschützerverbänden. Ein Bild für die Götter. Erst Minuten später hatten sie sich wieder einigermaßen gefangen und Joey selbst kicherte hin und wieder leise, wenn ihm das Bild von Kaiba wieder in den Sinn kam. Téa räusperte sich. „Gut, diese Möglichkeit können wir streichen.“ Auch ihre Mundwinkel zuckten noch immer verräterisch. „Welche anderen gibt es sonst?“ „Greenpeace“, murmelte Joey und Tristan verschluckte sich an seinem nächsten Bissen Brot. Er begann zu husten. Der Blonde sprang auf und schlug seinem Kumpel grinsend auf den Rücken. „He, wir können es nicht gebrauchen, wenn du uns hier eingehst, Alter.“Nach Luft schnappend und wieder haltlos am Lachen musste Tristan sich auf Joey stützen, um nicht umzukippen. Auch dem Blonden fiel es schwer, dabei ernst zu bleiben doch der strenge Blick Téas brachte ihn rasch auf den Boden der Tatsachen zurück. „Sorry“, nuschelte er, räusperte sich verhalten und verkniff sich das Grinsen. Tristan, nach immer von ihm gestützt, versuchte ebenfalls zur Ernsthaftigkeit zurück zu kehren. Allerdings zeugte das Grinsen auf seinem Gesicht von dem Misserfolg dieses Vorhabens. „Wenn sich nun alle wieder beruhigt haben“, meinte Téa mit eindeutiger Betonung und Blick auf zwei gewisse Personen, „können wir ja zu unserem Thema zurückkehren.“ „Mann Téa, bei dir klingt das ganze gleich wieder wie ein Thema für den Klassenverband“, maulte Tristan verhalten. Er hatte sich mittlerweile von Joey gelöst und war offenbar wieder imstande, auf eigenen Beinen zu stehen. Die Brünette sah ihn mehr als nur verstimmt an. „Was?“ „Es geht hier um Kaiba und seine Träume, nicht um die Wahl zum Schülersprecher oder sonst was.“ „Bitte, dann mach du es.“ „Äh, was?“ „Sag du uns, was Kaiba für einen Traum hat.“ Tristan grinste sie eindeutig an. „Vielleicht träumt er von hübschen Blondinen mit kurzen Röcken.“ Sekunden herrschte Stille. Dann brach das Chaos los. Oder besser gesagt: Téa war los. „Tristan!“ „Was denn?“ „Nicht jeder ist so verdorben wie du!“ „Was soll das heißen?“ „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Kaiba nicht von etwas Derartigem träumt!“ „Und warum nicht? Kennst du ihn etwa so gut? Gibt es da etwas, was ich wissen sollte, Téa?“ „Tristan!“ „Was?!“ „Sei still!“ „Weißt du“, meinte Yugi leise zu Joey. Der Blonde blickte auf. Yugis Wangen waren aufgrund Tristans Worten leicht gerötet, dennoch sah er Joey aufmerksam und mit einem nicht zu übersehendem Ernst an. Ein ungewöhnlicher Kontrast, verglichen mit der eindeutigen Röte. „Vielleicht liegt Kaiba wirklich etwas an blond.“ Joey sah ihn an. Lange. Sprachlos. Überrascht. Und er verstand nicht. *~* Er schüttelte den Kopf. Wie dumm. Warum dachte er gerade jetzt daran? Es war unwichtig, ein einfacher, nicht bedeutender Zwischenfall und er erinnerte sich gerade jetzt daran zurück. Das war typisch. Er wandte den Blick ab und starrte verbissen auf den Vordersitz. Noch immer brannte die Wut in ihm und bei dem alleinigen Gedanken an Kaiba wurde ihm ganz anders. ‚Nein.’ Mistkerl. ‚Ich würde meine Firma nie für etwas derart Triviales, wie einen Hund, aufs Spiel setzen.’ Selbstsüchtiger Großkotz. Wie hatte er sich nur so irren können? Er war doch sonst auch nie so blind gewesen. Er hatte sich einfach täuschen lassen. In diesen Worten hatte sich Kaibas egoistisches Selbst widergespiegelt. „Wir sind da.“ Die Stimme des Taxifahrers riss ihn aus seinen Gedanken. Seine Ohren stellten sich auf, während die anderen die Türen öffneten und ausstiegen. „Komm schon, Joey.“ Marik stand an der offenen Tür, aus der Yugi vor wenigen Sekunden ausgestiegen war. Joey wandte den Kopf und bedachte den Ägypter mit einem finsteren Blick. /Ich sollte dich beißen. Und hoffen, dass ich eine ansteckende Krankheit habe./ Marik lächelte gefährlich. „Vielleicht hättest du das tun sollen, Joey. Jetzt ist es zu spät. Komm her, oder ich sehe mich dazu gezwungen, selbst nachzuhelfen.“ Knurrend erhob sich der Blonde, sprang über den Sitz und aus dem Wagen. /Sei froh, dass ich noch in diesem Körper gefangen bin. Ansonsten dürftest du jetzt vor meiner Faust in Deckung gehen./ „Was denn, Wheeler zeigt die Zähne?“ Marik wirkte wenig beeindruckt, während Bakura nur grinste. „Heb dir das für Kaiba auf.“ Das Taxi fuhr los. Vor ihnen ragte dem hohen Sicherheitszaun, der das Gelände der Kaibavilla umgab, in die Höhe. Sie standen unmittelbar vor dem Tor, durch welches Joey vor unbestimmter Zeit geschlüpft war, nachdem er Mokuba das Versprechen seiner baldigen Wiederkehr gegeben hatte. Er hoffte, dass es Mokuba nicht allzu schlecht ging. Mariks Worte kamen ihm wieder in den Sinn. ‚Vor wenigen Stunden meldet sich Kaibas Bruder bei mir – woher er meine Nummer hat ist mir auch schleierhaft – mit tränenerstickten Stimme und erzählt mir, dass du von Pegasus entführt worden wärst und das zeitliche gesegnet hättest.’ Was mit Kaiba war kümmerte ihn nicht, doch Mokuba war ihm nicht egal. Er hatte sich immer um ihn gekümmert, hatte ihm geholfen, während er in diesem Körper gefangen war. Der Junge hatte es nicht verdient, jetzt wegen ihm zu leidem. Ihm war er es schuldig, dass er jetzt vor diesem Tor stand. Außerdem wollte er endlich wieder seine alte Gestalt zurückbekommen. „Haben die hier keine Klingel?“ Er sah auf. Marik betrachtete das Tor, sein Blick schweifte von einer Seite zur anderen. „Hallo?“, der Ägypter erhob die Stimme. „Hallo, hört mich jemand?“ „Jetzt dreht er durch“, murmelte Bakura und schüttelte nur den Kopf. „Tut er nicht“, wandte Yugi ein. „Er versucht nur, das Sicherheitssystem von Kaiba auf uns aufmerksam zu machen.“ Joeys Ohren zuckten. /Nico!/ Mariks Augen richteten sich auf ihn. „Nico?“, wiederholte er. Joey wandte rasch den Blick ab. Er hatte Marik noch immer nicht verziehen, dass er ihn gegen seinen Willen hierhin gebracht hatte. /Das Sicherheitssystem ... es heißt Nico./ „Kaiba gibt seinem Sicherheitssystem Namen?“, fragte der Grabwächter und echte Überraschung lag in seinen Worten. Joey zuckte die Schultern. Zumindest versuchte er es, doch in der Gestalt eines Hundes sah es vielmehr danach aus, als wollte er eine lästige Verspannung im Nacken loswerden. „Okay“, räumte Marik ein und wandte sich wieder dem Tor zu. „Du musst es ja wissen. Nico?“ Neben dem Tor, etwa auf Augenhöhe von Marik und Bakura – Yugi musste ein beachtliches Stück nach oben sehen, genauso wie Joey – fuhr eine Klappe zur Seite und offenbarte die glänzende Linse einer vorher verborgenen Kamera, zusammen mit einem Lautsprecher. „Was kann ich für Sie tun?“ Offenbar hatte Marik nicht mit einer Rektion gerechnet, denn er wirkte überrumpelt. „Sind Sie ... bist du Nico?“ „Wer will das wissen?“ „Mein Name ist Marik Ishtar.“ Joey konnte vor seinem inneren Auge geradezu sehen, wie Nico nun die Datenbänke des Servers durchging, bis sie eine Datei zu diesem Namen fand. „Ishtar, Marik. Zweiter beim Battle City Turnier. Besiegt von Yugi Muto im Finale.“ Der Grabwächter knurrte. Er wurde nicht gerne an diese Zeit erinnert. „Was führt Sie hierher? Es ist sechs Uhr Morgens. Wenn Sie einen Termin –“ Marik holte bereits Luft, um ihr ins Wort zu fallen, doch sie verstummte, ohne dass er sie tatsächlich unterbrechen musste. Die Linse der Kamera zoomte und verstellte sich kaum merklich. „Joey?“ Der Blonde zuckte. „Joey, bist du das?“ Er nickte zögerlich. Eine derartige Reaktion hatte er nicht erwartet. Nicht von Nico. Sie musste von Alister eine wirkliche außergewöhnlich lebensechte Persönlichkeit einprogrammiert bekommen haben. „Wir dachten du seihst tot.“ /Das dachten viele./ „Das muss ich umgehend Mokuba mitteilen, damit er es Kaiba –“ /Nein!/ Ein bedrohlich lautes Bellen entwich Joeys Kehle. Erneut verstummte Nico. Die drei anderen Jungen sahen ihn fragend an. „Was ist, Joey?“, fragte Yugi, der als erster seine Stimme wieder fand. /Kaiba soll es noch nicht erfahren/, meinte Joey und sah seinen besten Freund durchdringend an. /Ich will den Schock in seinen Augen sehen./ „Ich verstehe“, erklang es aus dem Lautsprecher. Einige Sekunden herrschte Stille, dann sprang das Tor mit einem mechanischen Klicken auf. „Darf ich Mokuba informieren? Ich werde ihm ausrichten, dass er es Kaiba noch nicht sagen soll.“ Joey nickte. Die Lautsprecher schalteten sich ab und Klappe schob sich wieder vor sie und die Linse. Der Weg hoch zur Villa über den Kies hinweg schien nicht einmal mehr halb so lang wie zu dem Zeitpunkt, als er das Anwesen verlassen hatte. Es mochte daran liegen, dass ein Teil von ihm sich immer noch dagegen sträubte, Kaiba früher oder später wieder gegenüber zu stehen. Je stärker er sich wünschte, der Weg mochte kein Ende nehmen, desto kürzer erschien die Distanz. Die anderen sprachen während dieser Zeit kein Wort. Hin und wieder bedachten sie Joey mit Blicken, teils nachdenklich, teils durchdringend. Doch niemand sagte etwas, genau wie Joey, der stur auf den Kiesweg unter seinen Pfoten starrte. Sein Magen verkrampfte sich, je näher sie der Villa kamen. Als er das Geräusch, der sich öffnenden Eingangstür vernahm, blickte er auf. Roland stand dort. Sein Äußeres Unterschied sich nicht, von seinem sonstigen Erscheinungsbild, doch auf seinen Zügen zeigte sich deutliche Überraschung, dann Erleichterung, als sein Blick auf Joey fiel. „Dem Himmel sei Dank“, murmelte er, dann öffnete er die Tür ganz und deutete in den Eingangsbereich. „Bitte, kommen Sie herein.“ Die vier kamen dieser Aufforderung nach, auch wenn es erst eines warnenden Blickes seitens Marik bedurfte, damit Joey ebenfalls eintrat. Roland schloss die Tür hinter ihnen wieder. Dann wandte er sich an Yugi. „Ich muss mich bei Ihnen bedanken. Dem jungen Master Mokuba wird ein Stein von Herzen fallen, wenn er erfährt -“ „Joey!“ Fünf Augenpaare richteten sich auf die hintere Tür des Raumes. Dort stand Mokuba, gekleidet in einem Kinderschlafanzug. Er klammerte sich an die Tür und erinnerte Joey damit an jenen Moment, als der Junge ihn vor vielen Stunden beim Verlassen des Hauses erwischt hatte. Er hatte sich genauso an die Eingangstür geklammert und jetzt wirkte er noch verlassener, als zu jenem Zeitpunkt. /Mokuba./ Mokubas Hände lösten sich von dem Holz, dann rannte er los. Niemand hielt ihn auf. Schließlich, bei ihnen angekommen fiel er Joey um den Hals. Er konnte es dem Jungen nicht verübeln, als der das leise Schluchzen hörte, welches von seinem Fell leicht gedämpft wurde. Mokuba war noch ein Kind. Es war verständlich, dass er in solch einer Situation weinte. Niemand konnte von ihm verlangen, dass er einer angeblich für tot gehaltene Person mit stoischer Gelassenheit gegenübertrat. Niemand. Joey schloss die Augen. Es war beinahe schon erschreckend, wie sehr ihm dieser Junge in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen war. Natürlich hatte er Mokuba gekannt, seit er Kaiba gekannt hatte, spätestens zu Zeiten des Königreichs der Duellanten, als nicht nur Yugis Großvater, sondern auch Mokuba von Pegasus entführt worden war. Dort war er dem Jungen zum ersten Mal begegnet. Und im Laufe der Zeit waren sie sich noch wesentlich öfter über den Weg gelaufen. Doch nie hatte er die Möglichkeit gehabt, ihn so kennen zu lernen, wie in den letzten Wochen. Er liebte Serenity, sie war seine Schwester. Doch Mokuba war in der letzten Zeit ähnlich wichtig geworden. Es war unglaublich, wie sich Gefühle zu einer Person in so kurzer Zeit ändern konnten. „Ich dachte“, murmelte Mokuba und krallte sich in Joeys Fell. Eine Geste, die seine Hilflosigkeit nicht besser beschreiben konnte. „Ich dachte ... Seto hat gesagt ... und dann habe ich Marik angerufen ... ich wusste nicht, was ich tun sollte ... ich dachte, es wäre alles meine Schuld gewesen, weil ich dich nicht aufgehalten hatte, als du weggegangen bist ...“ /Es tut mir Leid, Mokuba./ „Es tut ihm Leid“, sprach Marik laut für ihn aus und Joey bedachte ihn mit einem finsteren Blick. /Ich habe dich nicht darum gebeten, den Übersetzer für mich zu spielen./ Doch der Ägypter beachtete ihn überhaupt nicht mehr. „Schön und gut, aber musstest du unbedingt mich anrufen?“, fragte er Mokuba und wirkte leicht empört. Der Junge löste sich zögerlich von Joey und wischte sich mit einem Ärmel seines Schlafanzuges über die Augen. „Es tut mir Leid“, murmelte er betreten. „Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Und dann habe ich Yugi angerufen ...“ „Das war mir schon bewusst“, brummte Marik und verschränkte missgestimmt die Arme. „Dem verdanke ich ein blaues Auge. Obwohl, eigentlich eine blaue Wange.“ Joey knurrte ihn an. /Hör auf, Mokuba zu beschuldigen. Siehst du nicht, wie mies es ihm geht? Hast du überhaupt kein Taktgefühl?!/ „Das sagt der richtige“, erwiderte Marik mit finsterer Miene. „Wer von uns will denn hier Kaiba in handliche Einzelteile zerlegen?“ Yugi räusperte sich vernehmlich. Marik richtete seinen Blick auf Mokuba, welcher noch immer darum bemüht war, die nicht enden zu wollenden Tränen aus dem Gesicht zu wischen und die letzten Worte des Ägypters zu seinem Glück nicht mitbekommen zu haben schien. Zunächst verzog sich Mariks Mund leicht, dann seufzte er geschlagen und schloss die Augen. „Schon gut, schon gut.“ Noch immer wirkte der Junge schrecklich verlassen. Unbeholfen stupste Joey ihn mit der Nase an. /Na los, Kopf hoch./ Er verfluchte sich, weil er nicht laut sprechen konnte. „Joey meint, du sollt dich nicht so hängen lassen“, meinte Marik. Nach einem bösen Blick des Blonden korrigierte er sich widerwillig. „Was ich damit meinte war: Joey möchte, dass du aufhörst zu weinen.“ Mokuba sah zu dem Grabwächter auf. „Woher weiß du, was Joey denkt?“, fragte er, dabei leise schniefend. Marik deutete auf den Millenniumsstab an seinem Gürtel. „Darum“, meinte er kurz angebunden. Joey musterte ihn nachdenklich. Je länger Mokuba in Mariks Nähe war, desto auffälliger wurde dessen Verhalten. /Sag mal, Marik ... kommst du nicht gut mit Kindern klar?/, fragte er schließlich. Der Kopf des anderen ruckte zu ihm herum, während Bakura zu lachen begann, denn er hatte die Worte ebenso vernommen. „Wie war das?!“, fauchte der Ägypter, Joey dabei mit seinen Blicke mental erstechend. „Was hat er gesagt?“, fragte Mokuba und nun schwang eindeutige Neugierde in seiner Stimme mit. Nur seine linke Hand, die er noch nicht aus Joeys Fell gelöst hatte und welche sich beinahe Halt suchend an den Blonden krallte, zeugte noch von seinen Gefühlen - die Erleichterung und gleichzeitige Angst, ihn wieder verlieren zu können. „Er hat Marik einen Schwachpunkt vor Augen gehalten“, bemerkte Yugi leise, der sich ein Schmunzeln verkneifen musste. „Ich habe keinen Schwachpunkt“, giftete Marik, dem diese Worte keinesfalls entgangen waren. Ein Räuspern unterbrach sie und alle richteten ihre Aufmerksamkeit auf Roland, der dem Geschehen stumm gefolgt war. „Verzeihen Sie meine unhöfliche Unterbrechung, aber wollen Sie diese Konversation nicht im Salon fortsetzen? Ich habe mir die Freiheit genommen, ihn herrichten zu lassen. Für ein Frühstück ist alles vorbereitet.“ Mokuba sah ihn dankbar an. „Danke Roland.“ Der Mann verneigte sich leicht. „Soll ich Master Kaiba über den Besuch Bescheid wissen lassen?“ Mokubas Blick suchte Joeys. Der Oberschüler gefangen im Hundekörper saß noch immer an der selben Stelle, an welcher der jüngere Kaiba ihn umarmt hatte, in genau derselben Position und starrte auf den Marmorboden der Eingangshalle, ohne ihr Muster wirklich wahrzunehmen. Er schüttelte den Kopf. „Noch nicht“, meinte Mokuba zögerlich, sich dabei wieder an Roland wendend. Der Blick des Mannes richtete sich auf den Hund, der sich unzweifelhaft im Zentrum des Geschehens befand. Dann nickte er und deutete auf eine Tür zu seiner rechten. „Der Salon.“ „Klasse“, meinte Marik und ein zufriedenes Grinsen erschien auf seinen Lippen, während er Roland folgte, dabei Bakura an der Schulter packte und hinter sich herzog. „Jetzt gibt es ein kostenloses Frühstück. Endlich die Entschädigung, auf die ich gewartet habe.“ Joey blieb wo er war. Die Stimmen entfernten sich. „Und jetzt?“ Yugi war geblieben, genau wie Mokuba. Beide standen nun vor Joey, welcher es nicht für nötig sah, seinen Blick von dem Marmorboden zu nehmen. „Was hast du jetzt vor, Joey?“, sprach sein bester Freund die Frage aus, die alle beschäftigte. „Das würde mich auch interessieren“, mischte sich nun auch Nico ein, die – natürlich – jedem einzelnen Wortwechsel in der Eingangshalle gefolgt war. Sie schwiegen. Die Stille schien durch ihre penetrante Anwesenheit allen Platz einzunehmen. Joey hatte das Gefühl, in seinem Raum eingeengt zu werden. Nannte sich das Platzangst? Oder war es Panik? Warum verspürte er Panik? Er wusste, was er wollte. Er wollte zu Kaiba, damit er mit ihm abrechnen konnte. Aber dafür müsste er erst wieder ein Mensch werden und laut Marik, musste er dafür ebenfalls zu Kaiba. So oder so, jeder Weg führte zu Kaiba. „Seto ist in seinem Arbeitszimmer.“ Joey blickte auf. Es war Mokuba, der gesprochen hatte. Er stand neben Yugi und wirkte in seinem zu großen Schlafanzug in dieser viel zu großen Eingangshalle so erschreckend klein. Seine blauen Augen waren auf Joey gerichtet, in ihnen spiegelte sich Ernst wider. „Er hat es seit gestern nicht mehr verlassen.“ Joey hob den Kopf, seine Ohren stellten sich leicht auf. „Ich weiß nicht, was mit ihm ist“, bemerkte Mokuba leise. „Er hat nach der erfolglosen Verhandlung mit Pegasus meinen Zugang zu seinem Arbeitszimmer blockiert“, fügte Nico hinzu. Joeys Augen verengten sich bei diesen Worten. Die Wut kehrte schlagartig zurück. Seine Hundeschnauze zuckte und aus dem hinteren Teil seiner Kehle bahnte sich ein Knurren seinen Weg hinaus. Mokuba zuckte zurück. „Joey“, sagte Yugi mahnend. Augenblicklich verklang das Knurren, doch Joey spürte, dass sein Nackenfell sich weiterhin sträubte, wie bei einer Katze. „Da ist offensichtlich jemand in seinem Stolz gekränkt“, merkte Nico und es schwang in ihrer Stimme derselbe spöttische Tonfall mit, den Kaiba für gewöhnlich in Joeys Gegenwart an den Tag zu legen pflegte. „Ich habe die Verhandlungen mit Pegasus mitverfolgt. Du musst wirklich wütend auf Kaiba sein.“ Erneut drohte das Knurren anzuschwellen, doch nun spürte Joey Yamis ernsten Blick auf sich und riss sich zusammen. Er schüttelte den Kopf. /Ich muss zu ihm, damit ich wieder ich selbst werden kann. Ich will den Schock in seinen Augen sehen, wenn der Hund vor ihm steht, der seiner Meinung nach nicht einmal einen Moment des Überlegens, geschweige denn des Zögerns wert war, bevor er ihn verraten hat./ Eine Hand legte sich auf seinen Kopf und drückte ihn kurz hinunter. Nicht grob, dennoch bestimmt. Eine Geste, die ab und zu bei Hunden angewandt wurde um ihnen zu zeigen, dass sie etwas Dummes getan hatten, man sie jedoch nicht schlagen wollte. Nur war derjenige, der sie ausführte, Yami. Joey sah ihn stumm an. „Egal wie schlimm es gewesen sein mag, er wird seinen Grund gehabt haben.“ /Du warst nicht dabei/, beschwerte sich Joey. /Du hast ihn nicht gehört. Du hast nicht gehört, wie er es gesagt hat./ Nun erntete er einen Klaps auf den Kopf. /Hey!/, empörte er sich und schnappte nach der Hand. Nicht mit dem ernsthaften Wunsch, den anderen zu beißen, sondern um ihn zu erschrecken. Doch Yami gab sich unbeeindruckt. Joey bezweifelte das abgesehen von ihm überhaupt jemand bemerkt hatte, dass Yugi sich verändert hatte. Dass es nun Yami war, der vor ihnen stand. Nicht einmal Mokuba schien die Veränderung großartig aufgefallen zu sein. Sein Blick ruhte einzig auf Joey. „Hör auf damit“, meinte Yami nur und sah ihn durchdringend an. /Mit was? Wenn es doch wahr ist!/ „Geh“, sagte der Ältere nun. Mehr nicht , nur dieses eine Wort und er ließ unzweifelhaft erkennen, dass die Konversation damit für ihn beendet war, denn er wandte sich um. Er legte Mokuba eine Hand auf die Schulter. „Er wird es klären.“ Damit dirigierte er den Jungen in Richtung Salon. Mokuba warf Joey über die Schulter einen fragenden Blick zu, Yami wandte kurz den Kopf und nickte Joey auffordernd zu, dann betraten sie den Salon und verschwanden aus Joeys Sichtfeld. Der Blonde sah ihnen stumm hinterher. Seine Ohren registrierten die Stimmen, die nun erklangen. „Wo ist Joey? Ich hoffe, er tut endlich, weswegen er hier ist.“ Marik klang, als würde er nebenbei etwas kauen. „Das wird er.“ Das Geräusch eines Stuhl, der über den Boden geschoben wurde, war zu vernehmen. Yami hatte sich hingesetzt. „Es wäre besser für ihn. Ansonsten“ – Marik unterbrach sich – „Pharao?!“ „Marik.“ „Was bei allen Göttern – den Schlag nehme ich dir immer noch übel!“ „Ich habe mich bereits entschuldigt.“ „Das ändert nichts.“ „Roland kann dir einen Eisbeutel bringen“, schlug Mokuba vor. Er klang nicht mehr so unsicher. Langsam schien er sich zu beruhigen. Marik gab ein unartikulierbares Knurren von sich. „Er will damit sagen, ‚nein danke’“, übersetzte Bakura und lachte leise. Er wandte sich ab. Er hatte genug gehört. Er wusste - irgendwo in der hintersten Ecke seines Verstandes, die nicht von Rachegedanken an Kaiba gefüllt war – dass Yami mit seinen Worten recht hatte. Aber er hieße nicht Joey Wheeler, wenn er auf seinen Verstand hören würde. ***** Er stand vor der Tür des Arbeitszimmers. Hier hatte alles angefangen. Als er vor vielen Tagen, nachdem auf den regennassen Straßen auf Mokuba getroffen war, hier aufgewacht war, hatte er in einem Körbchen in Kaibas Arbeitszimmer gelegen. Nun sah es ganz danach aus, als ob alles, was er in der Zeit, die dazwischen lag, erlebt hatte, nun auch wieder in diesem Zimmer enden würde. Er kam sich vor, wie in einem billigen Groschenroman. Er würde vieles geben, um die Handlung bestimmen zu dürfen, solange nur Kaiba am Ende derjenige war, der den Kürzeren zog. Man ließ einen Joey Wheeler nicht mit einem einfachen ‚nein’ fallen. Das ließ er nicht mit sich machen. Er würde dafür sorgen, dass Kaiba diese Entscheidung doppelt und dreifach bereuen würde. Er stellte sich auf die Hinterbeine, legte die Pfoten auf den Türgriff und zog ihn hinunter. Die Tür sprang lautlos auf. Joey ließ sich wieder auf alle Viere hinab und betrat den Raum. Das erste, was ihm auffiel war, dass der Raum unnatürlich stickig war. Die Luft war geradezu zum Greifen dick. Langsam setzte er eine Pfote vor die andere. „Würden Sie das wiederholen?!“ Kaibas Stimme klang mehr als nur gereizt und Joeys Kopf schnellte zur Seite. Der junge Mann stand neben seinem Schreibtisch, ein schnurloses Telefon in der einen, einen Zettel in der anderen Hand und hatte ihm den Rücken zugewandt. Joey verengte die Augen, während sich Empörung heißer Lava gleich in seinem Körper ausbreitete. Dieser elende Mistkerl wagte es doch tatsächlich zu arbeiten, als ob nichts los wäre?! Als ob nie etwas passiert wäre. Wie hatte er nur jemals annehmen können, Kaiba wäre anders? Er zuckte leicht zurück, als die Hand des anderen sich unvermittelt verkrampfte und den Zettel zerknüllte. Joeys Ohren zuckten, während der Brünette die Papierkugel in hohem Bogen von sich warf. „Was soll das heißen, Sie können die Spur nicht weiter verfolgen?!“, fuhr er die Person am anderen Ende der Leitung ungehalten an. Seine Stimme bebte vor Wut und er ballte die Faust. /Was kümmern mich irgendwelche schief gelaufenen Firmenangelegenheiten?!/, dachte Joey und seine Krallen kratzten über den teuren Teppichboden. /Geschieht dir ganz recht! Von mir aus kann deine Firma ruhig den Bach runtergehen!/ „Wofür bezahle ich Sie eigentlich?!“, donnerte Kaiba nun ins Telefon. Langsam begann sich in Joeys Hinterkopf etwas zu regen. Seit wann reagierte Kaiba so, wenn es um seine Firma ging? „Unmöglich, sagen Sie?! Was bitte kann Sie daran hindern, die Verfolgung wieder aufzunehmen?“ Er wandte sich um, offenbar auf der Suche nach etwas, an dem er seine Wut auslassen konnte. „Wo bitte kann er sich aufhalten, dass Sie nicht –“ Sein Blick fiel auf Joey. Das erste Mal erlebte Joey Seto Kaiba vollkommen sprachlos. Beinahe hätte er das Telefon fallen gelassen. Es entglitt seinen Fingern, doch er schaffte es, den Griff noch rechtzeitig zu festigen. Ohne auf die fragenden Laute vom anderen Ende der Leitung zu achten, legte er auf. Gleichgültig ließ er das Telefon auf seinen Schreibtisch fallen. Sein Blick bohrte sich in den Joeys. Der Blonde starrte zurück. Die soeben gewonnenen Informationen setzten sich einem Puzzle gleich zusammen, bis sie ein Bild ergaben. Und das Motiv brachte sein Blut nur noch mehr in Wallung. Seine Zähne zeigten sich und ein gefährliches Knurren entrang sich seiner Kehle. Seine Augen waren nur noch schmale Schlitze, um seine Hundeschnauze zogen sich Unheil verkündende Falten. Zornesfalten eines Tieres, das bereit war, auf sein Opfer loszugehen. „Was machst du hier?“ Die Worte Kaibas, denen ein eindeutig abweisender und gleichwohl vorwurfsvoller Tonfall beiwohnte, waren es, die seine Beherrschung niederrissen. Endlich hatte er es verstanden und das volle Ausmaß dieser Unverschämtheit ließ ihn rot sehen. /Du hast es gewusst!/, schrie er Kaiba entgegen, während seine Kehle bellende Laute entkamen. /Du hast alles geplant! Ich fasse es nicht! Alles! Du verdammter Mistkerl hast das alles absichtlich gemacht! Und was ist mit mir? Hast du egoistischer Großkotz auch nur einen Moment an mich gedacht?!/ Er vergaß vollkommen, dass der andere ihn unmöglich verstehen konnte. Gefangen in seinem Zorn, dem Schock der Erkenntnis und dem Frust, der sich in ihm angestaut hatte, zusammen mit der Enttäuschung, war er blind. Blind für alles, abgesehen davon, Kaiba seine Empörung und Entrüstung entgegen zu schleudern. /Nein, warum sollte man auch?! Ich bin bloß ein unwichtiger Hund, der es nicht einmal Wert ist, dass man seinetwegen zögert, geschweige denn um ihn verhandelt. Warum sollte man auch?! Nach allem, was mir passiert ist, ist es nur fair, mich wie irgendeinen dahergelaufenen Streuner zu behandeln, weil ich ja offenbar nicht mehr wert bin! Und ich Vollidiot habe mir auch noch Vorwürfe gemacht, weil ich dir Probleme beschert habe! Ich war blind genug, auf dich hereinzufallen, ich habe meinen Hals riskiert, nur um das Ausmaß der Probleme nicht noch zu vergrößern! Wegen dir konnte ich mich von Pegasus Leibwächter - oder was auch immer er war - demütigen lassen, wegen dir habe ich einen Maulkorb tragen müssen, wegen dir wurde ich überhaupt erst entführt!/ Er schloss krampfhaft die Augen, konnte den Anblick des anderen nicht länger ertragen. Er fühlte sich hintergangen. /Wegen dir durfte ich durch strömenden Regen rennen, einer Kilometer langen Straße folgen, nachdem man mich einfach aus dem Auto geworfen hat. Wie den letzten Dreck wurde ich in den Graben geschmissen, weil sie mich für tot hielten! Und warum habe ich den toten Hund gespielt?! Du würdest mich auslachen, wenn du könntest, das weiß ich! So oft habe ich mir gewünscht, wieder ich selbst zu sein, ich kann es nicht mehr zählen. Keine verdammte Minute in dieser Nacht ist verstrichen, ohne dass ich es mir nicht wenigstens ein einziges Mal gewünscht habe! Und nichts passiert! Und was erfahre ich, nachdem ich es geschafft habe, mich zu Yugi durch zu kämpfen?! Dass ich zu dir muss! Dass ich zurück zu dem muss, der mich einfach so mit einem simplen ‚nein’ sitzen lässt, auf dass ich selbst meine Haut retten kann! So sehr habe ich mir in dem Moment gewünscht, wieder ein Mensch zu sein, damit ich dir für dieses eine Wort eine verpassen kann! Ich wünschte, ich wäre jetzt wieder ein Mensch, um dir zeigen zu können, wie dankbar ich dir für deine Kooperation mit Pegasus bin! Aber nein, alles hat nichts gewirkt und dann werde ich auch noch dazu gezwungen, wieder hierhin zu kommen!/ Heißkalte Schauer jagten ihm über den Rücken. /Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn ein Teil von dir nichts lieber will, als die Flucht zu ergreifen und am liebsten das Land zu verlassen und der andere Teil geradezu danach schreit, hierhin zurück zu kehren, um dir alles heimzuzahlen? Natürlich kannst du dir das nicht vorstellen, denn du musst ja nicht diese Erfahrung machen! Du sitzt ja nicht in dieser Scheiße - gefangen in einem Hundekörper, im Haus der Person, die man am allerwenigsten ausstehen kann, die einen zum Schluss hinterrücks hintergeht! Nein, dir bleibt so etwas erspart, denn es trifft natürlich mich, wen auch sonst?!/ Er spürte ein Stechen in seinem Kopf. Es musste an seiner Bellsalve liegen. /Natürlich bin ich es, denn immer ist es Joey Wheeler, der Pech hat, immer bin ich es, der den Kürzeren zieht, warum sollte es also dieses Mal anders sein?!/ Seine Pfoten kribbelten. „Und jetzt erzähl du mir nicht, dass du es mit deiner Firma schwerer hast! Hast du schon einmal die Erfahrung gemacht, einen Maulkorb tragen zu müssen oder etwas in der Art? Nein, natürlich nicht. Du doch nicht! Doch nicht Seto Kaiba! Aber ich habe es und alles nur, weil Marik dieser Idiot nichts Besseres zu tun hatte, als aus einer einfachen Wette plötzlich Ernst zu machen! Aber im Endeffekt ist alles deine Schuld Kaiba. Wärst du nie gewesen, wäre es nie soweit gekommen. Wärst du nicht gewesen hätte ich mich nach drei Tagen wieder zurückverwandelt. Wärst du nicht gewesen, hätte ich all diese scheußlichen Erfahrungen gar nicht erst machen müssen! Sie wären mir erspart geblieben, ich hätte auch nicht erfahren müssen wie verdammt weh es tut, wenn du mich einfach so hängen lässt! Es hat verdammt noch mal echt weh getan und ich fasse es immer noch nicht, dass es überhaupt wehtun konnte! Es ist alles nur deine Schuld. Warum musst du Mistkerl dich auch erst von dieser vollkommen anderen Seite zeigen?! Ich hätte liebend gerne darauf verzichten könne, aber nein, du hast es ja darauf angelegt. Dann war da dieser scheußliche Traum und dann kam Nico auch schon mit dieser verdammten Liste von da an war es unmöglich zu ignorieren! Ich wünschte, du könntest mir eine Antwort darauf geben, warum das alles so ist. Ich will dich nicht kennen, ich will nichts über dich wissen! Wie werde ich all dieses Wissen wieder los?! Ich will dich Mistkerl wieder hassen!“ Ein Räuspern unterbrach ihn. Blinzelnd öffnete er die Augen. Und begegnete Kaibas Blick, der unmöglich zu deuten war. Er blinzelte erneut. War sein Blickfeld eben nicht ganz anders gewesen? Er blinzelte wiederholt und hob reflexartig die Hand. Sein Herzschlag verdoppelte sich schlagartig und aufkeuchend riss er die Augen auf, während sein Blick sich auf seine Hand richtete. Das konnte nicht – Er hatte sich doch nicht – Wie war das möglich?! Heilige Scheiße. Kapitel 22: Nachbeben --------------------- 22. Kapitel: Nachbeben oder Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende Er brauchte Sekunden, um zu realisieren was das Bild, welches ihm seine Hand bot, wirklich zu bedeuten hatte. Sein Verstand akzeptierte dieses neu gewonnene Wissen nur langsam, genauso langsam, wie Argwohn in ihm aufkam. Er hob seine Hand auf Augenhöhe, während seine Augen sich an ihr hinabtasteten, über das Handgelenk, seinen entblößten Unterarm hinab, nach rechts seinen ebenso entblößten Oberarm hinauf. Panisch blickte er zu Kaiba hinüber, welcher ihn weiterhin ansah. In seinem Blick lag Resignation. Er fasste sich an die Stirn, als habe er Kopfschmerzen. Diese Geste ließ Joey übles erahnen. „Du bist nackt.“ Und endlich traf ihn diese Erkenntnis, wie ein Faustschlag ins Gesicht. Er sah an sich hinab und registrierte mit einem Aufschrei, dass Kaiba recht hatte. „Scheiße!“ Er bedeckte panisch seine Blöße. Blut schoss ihm ins Gesicht, verfärbte seine Wangen. Sein Blick schweifte durch den Raum, suchte nach etwas, das wirkungsvoller war als seine Hände. Irgendetwas. Schließlich blieb er an Kaiba hängen, der so unbeteiligt wirkte, dass dem Blonden geradezu schlecht wurde. „Tu doch was!“, fauchte er. Kaiba schwieg. Hinter ihm erkannte Joey einen Sessel mit einer Decke. Doch um dorthin zu gelangen, musste er an Kaiba vorbei, und das bedeutete zwangsläufig, dass er ihm seine Kehrseite präsentieren würde und dass wiederum ... Er schüttelte heftig den Kopf. Nein, nein, nein, das war überhaupt nicht gut! „Kaiba“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Der andere sah ihn noch immer an und er wollte am liebsten vor Scham im Boden versinken. Plötzlich seufzte Kaiba, lösten den Blick von dem Blonden und wandte sich ab. Er schritt auf den Sessel zu. Joeys Herzschlag beschleunigte sich. Ob er tatsächlich – „Hier.“ Etwas traf ihn im Gesicht. Etwas Weiches. Er hob reflexartig die Hände, um es aufzufangen, im selben Moment schrie sein Verstand ihn jedoch an, dass er damit jeglichen Schutz fallen gelassen hatte. Fluchend riss er die Hände mit dem Gegenstand wieder hinunter, hielt es sich vor die Leisten. Es war ein Kissen. Er konnte es nicht fassen! „Verdammt Kaiba!“, fuhr Joey ihn an, als er sich wieder zu ihm umdrehte. „Gib mir die Decke!“ Der Angesprochene stellte sich neben den Schreibtisch und verschränkte die Arme. Seine Augen waren ausdruckslos, genau wie sein Gesicht. Joey schluckte schwer. „Was deine Worte betrifft“, begann der Brünette und Joeys Magen verkrampfte sich. Er hatte nicht bemerkt, ab welchem Zeitpunkt er ihn tatsächlich so angeschrieen hatte, dass Kaiba es gehört hatte. Mist! Er stand hier nackt in Kaibas Arbeitszimmer, mit nichts weiter als einem Kissen. Er hatte ihn eben aus Übelste beschimpft, ihm heftige Vorwürfe gemacht und Kaiba tat nichts weiter, als dort zu stehen und ihn verdammt noch mal einfach nur anzusehen! Er saß wirklich ganz schön in der Scheiße. „Ich schätze, du hast mich missverstanden“, fuhr sein Gegenüber fort. Joey schwieg. Kaiba ebenso. Der Blonde starrte ihn an. Sprachlos. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Er versuchte seine derzeitige Situation nachzuvollziehen, zu akzeptieren und die Worte des anderen trugen nicht unbedingt positiv zur Lösung des Chaos bei. Eher im Gegenteil. Seine Hände krallten sich in das Kissen, den einzige Schutz vor Kaibas stechendem Blick, und seine Miene verdüsterte sich. „Wie darf ich das jetzt verstehen?“, knurrte er leise. Kaiba lehnte sich zur Seite, an den Schreibtisch neben sich. Noch immer hatte er die Arme verschränkt. Eine Augenbraue schwang in die Höhe – eine Mimik, die Joey schon immer an ihm gehasst hatte. „Deinen Worten entnehme ich“, meinte er kühl, „dass du der falschen Annahme unterliegst, ich hätte dich Pegasus einfach ausgeliefert.“ „Ja“, meinte Joey nachdrücklich, zögerte und widersprach sich anschließend, „nein, ich meine ... du hast alles geplant!“, fuhr er den anderen aufgebracht an. „Was sonst hätte dieses Telefonat eben bedeuten sollen?! Du hast das alles geplant, und ich - du hast mich einfach - du bist so was von taktlos!“, brach es schließlich aus ihm hervor. Er starrte den anderen wutentbrannt an. „Was hättest du getan, wenn Pegasus mich wirklich umgebracht hätte? Was hättest du getan, wenn er seine Drohung wahr gemacht –“ Er brach ab. Beinahe rutschte ihm das Kissen aus der Hand. Seine Augen weiteten sich, als ihm endlich klar wurde - nachdem es Minuten gedauert hatte bis sein Verstand soweit war, dass er es überhaupt wahrnahm - dass etwas nicht stimmte. Dass etwas fehlte. „Warum bist du nicht schockiert?“, fragte Joey und starrte den anderen fassungslos an. Kaiba hatte mit keiner Regung zu Erkennen gegeben, dass Joeys plötzliche Rückverwandlung ihn überrascht, geschweige denn alarmiert hätte. Er hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er nackt war. Er hatte keine Miene verzogen, als er gesehen hatte, wie sein Hund sich vor seinen Augen in Joey verwandelt hatte. Was wiederum bedeutete – „Du wusstest es!“, stieß Joey ungläubig hervor. „Du hast gewusst, das ich es bin!“ Ein süffisantes Lächeln erschien auf Kaibas Lippen. „Richtig erkannt.“ Joey spürte, wie ihm sämtliches Blut aus dem Gesicht wich. „Wie lange?!“, würgte er mühsam hervor, war seine Kehle doch mit einem Mal geradezu schmerzhaft eng. „Lange genug.“ Joey schüttelte heftig den Kopf. „Komm mir nicht so“, meinte er und in seiner Stimme lag eindeutige Wut. Wut auf Kaiba, der ihn die ganze Zeit über im Dunkeln hatte tappen lassen. „Wie lange?!“ „Eine ganze Weile schon.“ „Verdammt Kaiba!“, fuhr Joey ihn aufgebracht an und wurde allmählich richtig wütend. „Hör auf, dich mit billigen Phrasen herauszureden! Wie lange?!“ „Seit ich dir den Namen gegeben habe.“ Joey glaubte, sich verhört zu haben. „Das kann nicht sein!“, platzte es aus ihm heraus. Es ergab keinen Sinn. Überhaupt ergab zurzeit nichts einen Sinn. Weder dass er sich ohne Vorwarnung zurückverwandelt hatte, noch, dass er splitternackt in Kaibas Büro stand, doch am allerwenigsten ergaben diese Worte einen Sinn. „Doch“, war die simple Erwiderung, die ihn beinahe den Rest seiner Selbstbeherrschung kostete. „Lüg mich nicht an!“, zischte der Blonde und verengte die Augen. „Es kann nicht sein! Wie hättest du es zu dem Zeitpunkt schon wissen können?! Erklär mir das mal. Nichts, aber auch gar nichts hat darauf hingewiesen!“ „Warum hätte ich dich sonst Joey genannt?“ Wie konnte Kaiba nur so verdammt ruhig bleiben, als ginge ihn dies alles nicht im Geringsten etwas an?! „Du hast gesagt, es läge an meinen Augen!“, protestierte der Blonde. „Das tat es auch. Es waren dieselben.“ „Warum hast du mich dann nicht gleich aus dem Haus geworfen?!“, verlangte Joey nun zu wissen. Langsam ging ihm, alles zu weit. Das war so irreal, so unglaubwürdig, es konnte einfach nicht stimmen! Kaiba log ihm etwas vor. „Wenn das was du sagst wirklich stimmt, dann hättest du mich sofort rausgeschmissen!“ „Woher willst du das wissen?“ „Weil es verdammt noch mal du bist, von dem wir hier reden! Von Seto Kaiba, dem gefühlskalten, von sich selbst eingenommenen reichen Pinkel, der alle nieder macht, die nicht auf derselben Stufe stehen, wie er!“ Die Mundwinkel des Beleidigten zuckten verräterisch. „Habe ich mich in den letzten Tagen dir gegenüber so verhalten?“, fragte Kaiba und in seiner Stimme lag etwas Provozierendes. „Ja, und zwar letzte Nacht, als es um Pegasus Forderung ging. Es ist mir scheißegal ob du tatsächlich einen Plan gehabt hast oder nicht, du hast mich einfach meinem Schicksal überlassen! Du hättest zugelassen, dass Pegasus mich ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Weg räumt!“ „Bist du dir da sicher?“ Der Tonfall gefiel ihm ganz und gar nicht. Und auch nicht die Unsicherheit, die mit einem Mal in ihm aufkam. „Ja, ich bin mir sehr sicher!“ Warum klangen seine Worte dann nicht halb so überzeugt, wie sie sollten? Und warum lächelte Kaiba nun wieder so selbstgefällig. „Natürlich bist du das. Darum bist du auch hierhin zurückgekommen.“ „Ich bin zurückgekommen, weil ich es musste!“ „Ach, ist das so?“ Warum klang seine Stimme nun so ungläubig? „Verdammt ja, es ist genau so!“, fauchte der Blonde. „Ich habe dich beschatten lassen.“ Diese Worte nahmen Joey für wenige Sekunden den metaphorischen Wind aus den Segeln. „Was?“ „Ich habe dich beschatten lassen“, wiederholte Kaiba ruhig. „Seit du die Villa vor etwa zweiunddreißig Stunden verlassen hast. Und auch, als Pegasus Handlanger dich mitgenommen haben. Ich habe dich sogar beschatten lassen, als du deinen haarsträubenden Fluchtplan ausgeführt hast.“ „Wie hast du -?“ „Sogar, als du bei Muto vor der Tür zusammengebrochen bist und dich schließlich mit deinen kleinen Freunden auf den Weg gemacht hast.“ „Woher weißt du -?“ „Bis du schließlich hier warst. Dort verlor sich angeblich die Spur. Zumindest wurde es mir mitgeteilt, dass man dich nun nicht weiter verfolgen kann. Natürlich weiß ich jetzt, warum man die Spur nicht mehr weiter verfolgen konnte. Dieses Gebäude ist von vielen Sicherheitssystemen geschützt. Es ist unmöglich dir ohne meine direkte Zustimmung hierher zu folgen.“ Er sah Joey durchdringend an. Dieser konnte den Blick nur stumm erwidern. Er öffnete den Mund, schloss ihn und öffnete ihn dann erneut. „Du“, begann er schluckte schwer und wagte dann einen erneuten Versuch. „Du hast mich beschatten lassen?!“ „Hast du mir nicht zugehört?“, fragte der andere und Ungeduld lag in seiner Stimme. „Du“, setzte Joey erneut zum Sprechen an. „Wie hast du das ... ohne, dass ich es bemerkt habe?! Ich habe nie jemanden gesehen, geschweige denn gehört.“ Kaiba schloss die Augen. Eine Reaktion, die verdeutlichte, dass Joey eine dumme Frage gestellt hatte. „Nicht von einem Menschen. Die heutige Technik ist weit genug, sodass es reicht, einen Satelliten auf dich anzusetzen. Mein Sicherheitsdienst hat dich keine Sekunde aus den Augen gelassen. Zumindest so gut wie keine Sekunde.“ „Du hast einen Satelliten auf mich angesetzt?!“, wiederholte Joey fassungslos. „Ja doch.“ „Bist du irre?!“ Ein Paar eisblauer Augen richtete sich stechend auf ihn. „Wie darf ich das jetzt verstehen?“ „So, wie ich es gesagt habe. Du musst vollkommen verrückt sein!“, wetterte Joey ungehalten. „Das ergibt alles überhaupt keinen Sinn! Glaubst du echt, dass ich dir diesen ganzen Schwachsinn abnehme?“ Er schüttelte fassungslos den Kopf. Von Sekunde zu Sekunde arbeitete sich der vergessene Zorn weiter in ihm hoch. „Du willst mir ernsthaft weiß machen, dass du eigentlich von Anfang an wusstest, wer ich bin, dass du mich deshalb so genannt hast, dass du alles – deine Reaktionen, dein Verhalten, dein Auftreten, einfach alles – bewusst so von mir abhängig gemacht hast?! Hast du überhaupt eine Ahnung, was das bedeuten würde?! Du hast in meiner Gegenwart von mir gesprochen, darüber, dass du dir um mich Sorgen machst, du hast mir Seiten an dir gezeigt, die ich nie kennen lernen wollte und du hast das alles absichtlich gemacht?!“ Joeys Atem ging schnell und er starrte den anderen erschüttert an. „Tut mir leid, dass es mir ziemlich schwer fällt, auch nur eine dieser Behauptungen ernst zu nehmen, aber es geht hier verdammt noch mal um dich! Du bist es doch gewesen, der mir mein bisheriges Schulleben zur Hölle gemacht hat. Du hast doch jede Gelegenheit genutzt, mich fertig zu machen und jetzt soll ich dir das abnehmen?“ Er verzog den Mund. „Vergiss es!“ „Das habe ich nicht vor“, erwiderte Kaiba gelassen. Joey verengte die Augen. „Ich werde es ganz bestimmt nicht vergessen.“ „Und das soll heißen?“, verlangte der Blonde zu wissen. Mit wenigen Schritten war Kaiba bei ihm. Er überragte ihn um wenige Zentimeter und dennoch hatte Joey in diesem Moment das Gefühl, als wäre er mindestens einen Kopf kleiner als Kaiba. In seinen Augen lag etwas, das Joey nicht deuten konnte. „Dir wird nichts anderes übrig bleiben, als mir zu glauben“, meinte Kaiba, nahm dabei den Blick nicht von Joey. „Ich wusste es, ich habe dich beobachtet. Du hast mir selbst mehr als genug Beweise geliefert, die meine Vermutung nur bestärkten. Ich habe mich bewusst in deiner Gegenwart so verhalten, wie ich es getan habe, mir bei jeder Handlung darüber im Klaren, dass du es bist, der mich dabei beobachtet. Auch wenn du mir nicht glaubst, wirst du irgendwann einsehen müssen, dass du es musst. Du weißt genau, dass ich dies alles niemals tun würde, wenn ich nicht meine Gründe gehabt hätte. Ich halte nicht viel von zwischenmenschlichen Kontakten - wenn es nach meinem Intellekt ginge, gäbe es etwas Derartiges nicht. Dennoch kann ich mich nicht den Hormonen entziehen, die mein Verstand steuern und mich zu alldem gebracht haben. So sehr ich es auch zu ignorieren versuche, lässt es sich nicht verhindern, dass ich an einen Punkt gelangt bin, an dem ich offenbar nicht mehr darauf verzichten kann.“ Joey starrte ihn an. Er schluckte schwer. War das gerade ein Geständnis von Kaiba gewesen? Im Anbetracht der Tatsache, dass Kaiba seine Worte immer mit hochgestochenen Phrasen schmückte und seine wahre Aussage mit komplizierten Sätzen zu verschleiern suchte, schien es tatsächlich möglich. Unfassbar. Dass sie jemals an diesen Punkt gelangen würden. Joey schüttelte den Kopf. Mit einem Mal schien seine Wut unwichtig. Diese Situation war so irreal, dass sie geradezu lächerlich erschien. „Kaiba“, seufzte er schließlich und sah den anderen halb vorwurfsvoll, halb belustigt an. „Das war mit Abstand die schlechteste Liebeserklärung, die ich in meinem ganzen Leben je gehört habe.“ Eine Augenbraue seines Gegenübers schwang in die Höhe. Er verzog abschätzig den Mund. „Wie kommst du darauf, dass dies eine Liebeserklärung“ – er schien dieses Wort mit Skepsis zu betrachten – „darstellen sollte?“ „Weil niemand, abgesehen von dir es schafft, ein einfaches ‚Ich habe mich so verhalten, weil ich sehen wollte, ob du genauso empfindest, wie ich’ zu einem wissenschaftlichen Vortrag über deine Abneigung gegen Zwischenmenschlichkeit zu entarten“, entgegnete der Blonde. „Ach, siehst du das etwa so?“ Joey fühlte sich nun etwas sicherer. Er reckte den Hals. Ob es nun daran lag, dass er damit seine Überlegenheit demonstrieren oder ihren Größenunterschied ausgleichen wollte, war ihm selbst nicht ganz klar. Er nickte, wie um seine folgenden Worte damit die nötige Ausdrucksstärke zu verleihen. „Ja, das tue ich.“ Er selbst benötigte jedoch nur Augenblicke, um zu erkennen, dass diese Aussage soviel Standfestigkeit hatte, wie ein Stück Holz im Wasser, also beschloss er, eine Begründung anzufügen, die Kaiba nicht so schnell würde abschmettern können. Ein triumphierendes Grinsen erschien auf Joeys Zügen. „Denn andernfalls würdest du sicher nicht so viel Gefallen daran finden, dass ich hier mit nichts als einem Kissen in deinem Büro stehe.“ „Woher willst du das wissen?“, lautete die augenblickliche Erwiderung. „Du hast mich in meinem ganzen Leben noch nie so angesehen, Kaiba“, meinte Joey und musterte ihn provozierend. Er genoss es sichtlich, in einem Gespräch mit Kaiba die Oberhand zu haben, Kissen hin oder her. „Und ich kann mich auch nicht entsinnen, jemals zuvor nur mit einem Kissen vor dir gestanden zu haben. Deshalb.“ „Du bist dir deiner Sache ganz schön sicher“, entgegnete Kaiba. Seine Mundwinkel zuckten leicht. „Aber sei dir darüber im klaren, dass es lediglich an den Hormonen liegt.“ „Red dich nicht raus“, meinte Joey, dem auf einmal wieder bewusst wurde, dass Nico ihm vor wenigen Tagen gesagt hatte, was Kaiba für ihn empfand. Dass Kaiba selbst erst kürzlich noch gezweifelt hatte. Dass Kaiba ein Bild von ihm in der Firma hatte, welches er noch in der Schublade verstaut hatte, als sie sein Büro betreten hatten. Er hatte es vor ihm verstecken wollen. „Ich rede mich nicht raus, Wheeler.“ Er hatte es vermisst, dass Kaiba ihn so nannte. „Mach dich nicht lächerlich, Kaiba.“ Diese Dialoge hatten ihm gefehlt. Irgendwie zumindest. „Wer von uns beiden steht hier nur mit einem Kissen in meinem Büro und macht sich gerade lächerlich? Du solltest dabei die Tatsachen nicht aus den Augen verlieren.“ Und Joey verlor die Geduld. Er knurrte, packte Kaiba an seiner kobaltblauen Krawatte und zog ihn zu sich. Dann küsste er ihn. Es war kein Kuss, wie man ihn sich vorstellte, im Anbetracht der Tatsache, dass sie sich nun hätten einig sein müssen. Es gab keine Einigkeit zwischen einem Kaiba und einem Wheeler, selbst wenn sie die Grenzen ihrer Feindschaft überschritten. In dem Kuss spiegelten sich ihre Differenzen wider, genauso wie ihr Wille um die Dominanz des anderen. Ein Kaiba ordnete sich nicht unter, ebenso wenig ein Wheeler. Joey umklammerte weiterhin die Krawatte des anderen. Er war nicht gewillt, sie jetzt loszulassen. Seine andere Hand krallte sich in das Kissen, doch er stand kurz davor, es schlichtweg zu vergessen. Er hatte die Augen geschlossen, konzentrierte sich ganz auf das Gefühl, welches Kaibas Nähe in ihm hervorrief. Während sich ihre Lippen gegen die des anderen bewegten, kam Joey nicht umhin, festzustellen, dass dieser gefühlskalte Mistkerl wusste, wie man küsste. Niemals hätte Joey erwartet, dass sie beide diesen Schritt tun würden. Dass sie die unsichtbare Grenze überschreiten würden, die sie trennten. Und nie hätte er damit gerechnet, dass Kaiba darauf eingehen würde. Er hatte mit Widerstand gerechnet, hatte erwartet, dass Kaiba es leugnen würde. Doch offenbar hatte er die Zielstrebigkeit und Entschlossenheit des anderen unterschätzt. Offenbar waren sie sich doch nicht so unähnlich. Sie lösten sich so abrupt voneinander, wie sie begonnen hatten. Joeys Atem war beschleunigt und auch Kaiba hatte mit dem Ringen nach Sauerstoff zu kämpfen, obwohl er versuchte, es so gut wie möglich zu kaschieren. Stumm sahen sie sich in die Augen. Kaiba war der erste, der die Worte wieder fand. Er griff nach Joeys Hand, löste sie von seiner Krawatte und richtete sie sich in überheblicher Kaibamanier. „Du hättest auch einfach fragen können“, bemerkte er beiläufig und musterte Joey mit einem betont gelassenen Blick. Sein noch immer rascher Atem verriet ihn allerdings, zeugte er doch davon, dass ihn das ganze nicht so kalt gelassen hatte, wie er Joey glauben machen wollte. Der Blonde grinste. „Was denn, und so den Überraschungsmoment zerstören?“ Er schüttelte den Kopf. „Dann geht doch der Reiz verloren.“ Kaiba strich den Kragen seines Anzugs glatt. „Wie konnte ich das nur vergessen.“ Joey sah an sich hinab. Dann hob er den Blick wieder. „Würdest du jetzt die Freundlichkeit besitzen und mir die Decke geben?“ „Ja.“ Beinahe hätte er sich verschluckt. „Echt?“ „Nein.“ Er verzog den Mund. „Kaiba, du bist unverschämt! Sei doch mal etwas freundlicher!“ Eine Hand legte sich um sein Kinn und zwang ihn, aufzusehen. Kaiba hatte sich wieder vorgebeugt und sah ihn durchdringend an. „Nicht doch, dann geht doch der Reiz verloren.“ Und bevor Joey regieren konnte, küsste er ihn. Joey hätte empört nach Luft geschnappt, wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Doch Kaiba schien nicht gewillt, sie ihm zu lassen. Auch dieser Kuss fiel sicherlich nicht unter die Kategorie ‚Aus dem Bilderbuch’ oder ‚So romantisch wie im Film’. Er war dazu gedacht, Joey zu beeindrucken, ihn zu überrumpeln und, wenn möglich, im wahrsten Sinne des Wortes nieder zu strecken. Der Blonde verdrehte die Augen, als ihm dies bewusst wurde, hob eine Hand und kniff Kaiba in die Wange, während er den Kuss jedoch ebenso intensiv erwiderte, dem anderen damit beweisen wollte, dass er nicht so leicht zu bezwingen war, wie der sich das vorstellte. Er hätte wissen müssen, dass das mit Kaiba nicht so einfach funktionieren würde. Sie hatten noch einen langen Weg vor sich. Als sie sich schließlich wieder voneinander lösten, war es Joey, der als erster das Wort ergriff. Er atmete schnaufend durch die Nase. „Ich habe mich offenbar in dir geirrt. Du bist nicht nur vollkommen taktlos, du bist auch noch unhöflich.“ Seine Hand ruhte noch immer auf Kaibas Wange, kniff weiterhin in die helle Haut des anderen. Seine Strafe für Kaibas linke Tour. Dieser hob nun ebenfalls die Hand, legte sie auf Joeys und zog sie hinab. Er schnaubte, nahm seinen durchdringenden Blick dabei nicht von Joey. „Das sagt mir jemand, der in meinen Privatsachen herumschnüffelt und Nico dazu bringt, ihm vertrauliche Informationen über mich zu verraten.“ Joey spürte, wie er gegen seinen Willen errötete. „Woher willst du das wissen?“, fragte er abwehrend. Kaiba hielt noch immer seine Hand. „Von Nico.“ Er ließ sie nicht los. „Sie hat es dir verraten?!“, fuhr Joey ihn empört an. Kaiba zeigte mit keiner Regung, dass sie gerade Händchen hielten. „Also gibst du es zu?“ Sie beide ... „Ich – nein!“ ... hielten Händchen. „Ich habe auch nichts anderes erwartet.“ Kaiba ließ ihn los. „Warum fragst du mich dann überhaupt?“ Joey fuchtelte aufgebracht mit der nun freien Hand vor Kaibas Gesicht herum. Dieser verdrehte die Augen und massierte sich entnervt die Schläfen. „Diese störenden Hormone machen mich irgendwann noch wahnsinnig.“ Joey hielt inne. „Dein Kissen rutscht“, präzisierte Kaiba seine Worte. „Verdammt!“ Joey griff eilig danach, bevor es sich gänzlich verabschiedete. Dann sah er zu Kaiba auf, welcher betont in eine andere Richtung sah. Der Blonde legte den Kopf schief. Dann grinste er plötzlich. „Was denn Kaiba, ist es dir jetzt etwa peinlich? Ich dachte, es hat mit den Hormonen zu tun.“ Blaue Augen fixierten ihn strafend. „Natürlich hat es das. Ich würde dies alles hier sonst niemals freiwillig tun.“ Joey gab einen abfälligen Laut von sich. „Klar doch.“ Einen sehr langen Weg. /Das sagt er doch bloß, weil ich jetzt wieder als Mensch vor ihm stehe. Wenn ich noch ein Hund wäre, dann .../ Er murrte leise. „Ich seh’ schon, das mit uns beiden wird schwer.“ Zum ersten Mal in seinem Leben, sah er sich einem ernsthaft überraschten Seto Kaiba gegenüber. „Das mit uns beiden?“, echote der andere und wirkte irritiert. Joey reagierte auf diese Worte mit einer Mischung aus genervtem Stöhnen und Seufzen. „Hätte ich es sonst gesagt? Mann Kaiba ... ich meine Seto“ – ein irritierte Blick seines Gegenübers ließ ihn die Augen verdrehen – „schon gut, Kaiba“ - /Wenn du wüsstest, wie oft ich schon zwischen beiden Namen geschwankt habe./ - „uns beiden geht es offenbar ähnlich. Bei dir schäumen angeblich deine Hormone über, bei mir ist es offenbarer angeborener Wahnsinn, aber da ist etwas - das musst du doch auch gemerkt haben. Wir haben uns geküsst, verdammt noch mal! Ich dich und du mich. Dir hat es gefallen und mir auch. Willst du es noch genauer? Ich stehe nackt in deinem Büro, du kannst mir nicht weiß machen, dass dich das total kalt lässt.“ Kaiba zischte leise. Dann drehte er sich um, war mit wenigen Schritten bei dem Sessel am anderen Ende des Zimmers und griff nach der Decke. Er warf sie Joey zu. Mit einem triumphierenden Ausruf fing der Blonde sie auf. Er drehte sich um, kehrte Kaiba den Rücken zu, und warf das Kissen achtlos beiseite. Zu gerne hätte er nun Kaibas Gesicht gesehen. Er schlang sich die Decke betont langsam um die Hüften, lachte leise, und drehte sich dann wieder zu dem anderen um. Kaiba stand noch immer neben dem Sessel hatte die Arme verschränkt und musterte ihn betont unbeteiligt. Doch Joey sah die leichte Röte, die seine Wangen zierte. Offenbar eine Reaktion der Hormone. Joey lachte innerlich. „Und jetzt?“, fragte er schließlich, um damit die peinliche Stille zu durchbrechen. „Was kommt als nächstes?“ „Wir suchen dir etwas zum Anziehen.“ „Irre ich mich, Kaiba, oder stört es dich, dass ich nichts anhabe?“ Er hatte endlich etwas gefunden, mit dem er den anderen wenigstens ansatzweise aus der Fassung bringen konnte. Und es gefiel ihm von Sekunde zu Sekunde mehr. „Nein, aber die Dienstmädchen werden in Ohnmacht fallen, wenn sie dich so sehen.“ /Klar doch, erzähl das jemand anderem/, dachte Joey, verkniff sich diesen Kommentar jedoch zu Abwechslung. „Und nachdem ich etwas zum Anziehen habe?“, harkte er nach und machte einen Schritt auf Kaiba zu. „Dann werfe ich deine nervigen Freunde aus meiner Villa, bevor sie meine Einrichtung ruinieren.“ Joey horchte auf. „Heißt das, ich darf noch bleiben?“ „Das habe ich nicht gesagt“, entgegnete Kaiba. „Du hast es aber auch nicht gesagt, dass ich nicht darf“, bemerkte Joey. „Anschließend“, fuhr Kaiba, diese Worte ignorierend, fort, „werde ich sämtliche Hundeobjekte aus diesem Haus entfernen lassen.“ „Glaubst du nicht, dass dir etwas fehlen wird?“, fragte Joey verwundert. „Was erwartest du? Dass ich morgen in die nächste Zoohandlung fahre und mir einen Hund kaufe?“ „Nein, ich erwarte, dass wir morgen ins Tierheim fahren und uns einen Hund zulegen.“ „Seit wann gibt es ein wir, Wheeler?“ „Seit deine Hormone verrückt spielen, Seto.“ „Und seit wann nennst du mich Seto?“ Skeptisch wurde eine Augenbraue in die Höhe gezogen. „Ich weiß nicht. Seit meine Hormone ebenfalls verrückt spielen.“ „Das klingt beruhigend.“ „Du darfst mich auch Joey nennen.“ „Aha.“ „Das hast du in den letzten Tagen auch getan.“ „Da hatte ich einen Hund vor mir.“ „Und?“ „Jetzt nicht mehr.“ „Schön dass dir endlich ein Unterschied zwischen mir und einem Hund auffällt. Das hat zwar nur ein paar Jahre gedauert, ist aber besser als gar nichts. Aber jetzt mal im Ernst, willst du wirklich keinen Hund mehr?“ „Woher soll ich das wissen? Aber ich kenne Mokuba, und er wird sicherlich verlangen, dass er einen Hund bekommt.“ „Ich kann es ihm nicht verübeln. Ich hätte auch nichts gegen einen Hund einzuwenden.“ „Und seit wann soll ich Wert auf deine Meinung legen?“ „Kaiba, tu nicht so unbeteiligt! Nur weil du jetzt wieder einen Menschen – mich! - vor dir hast und keinen Hund mehr – der ich übrigens auch war, aber das weißt du ja – musst du nicht wieder den Unnahbaren mimen. Du hast gar keinen Grund, dich wieder anders zu verhalten.“ „Sicher habe ich das. Und dieser Grund steht nackt vor mir.“ „Du bist total unlogisch.“ „Was bist du dann erst?“ „Jetzt lass das doch mal. Ich meine es ernst. Hör mir zu!“ „Was ist denn?“ „Du hast gesagt, du hast gewusst, dass ich es bin, seit du meine Augen gesehen hast.“ „Ja. Wechselst du immer so unvermittelt die Themen?“ „Das klingt seltsam. Irgendwie kitschig. So gar nicht zu dir passend.“ Kaiba lächelte spöttisch. „Im Grunde genommen hast du dich selbst verraten. Du bist zusammengezuckt, als ich dich Wheeler genannt habe.“ Joey konnte es nicht fassen. „Deswegen? Und du hast so getan, als wäre nichts und einfach weitergespielt?“ Kaiba zuckte die Schultern. „Wenn du es so ausdrücken willst, ja. Zu dem Zeitpunkt hat es mich interessiert, was du als nächstes tun würdest.“ Joey machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. „Alle Tage, die darauf folgten - du hast dich nicht mehr verstellt, oder?“ „Warum willst du das wissen?“ „Wenn es ein wir geben soll, dann will ich auch genau bescheid wissen!“ „Stur wie immer.“ „Ja, und jetzt weich meiner Frage nicht aus!“ „Nein, ich habe mich nicht verstellt.“ „Na bitte, war das jetzt so schwer?“ „Mein Verstand sagt ja, meine Hormone sagen nein.“ „Du mit deinen Hormonen.“ „Das sagt mir jemand, der mehr als eine Woche lang ein Hund war.“ „He, das ist alles auf Mariks Mist gewachsen!“ „Und jetzt schiebst du die Schuld auf andere ab?“ „Nein, es war seine Wette und seine bescheuerte Idee!“ Nun war es Kaiba, der einen Schritt auf ihn zumachte. Wieder standen sie sich dicht gegenüber. „Bitte, ich habe für heute Morgen mehr als genug erlebt. Du kannst dich heute Abend über deine Freunde auslassen und mir versuchen zu erklären, wie es ein Mensch schafft, die Gestalt eines Hundes zu erlangen. Obwohl ich nicht einmal mit Sicherheit behaupten kann, dass ich es wirklich wissen will.“ Joeys Herzschlag hatte sich bei den Worten heute Abend beschleunigt. Offenbar durfte er wirklich bleiben. Er danke Kaibas Hormonen insgeheim. Kaiba seufzte. Er griff nach Joey Arm. „Komm mit, wir holen dir jetzt etwas zum Anziehen. So kann ich dich hier unmöglich durch die Villa laufen lassen.“ „Stimmt, welchen Eindruck würde das denn auf das Personal machen, das ja noch gar nicht da ist, da es knapp sechs Uhr morgens ist. Schon verstanden.“ Joey lachte. „Sei nicht albern“, meinte Kaiba kurz angebunden und zog ihn hinter sich her. Als sie auf den Flur hinaustraten hörten sie deutliche Stimmen von unten. Kaiba Mundwinkel verzogen sich kaum merklich. „Sollten deine nervigen Freunde auch nur einen Teil meiner Einrichtung beschädigen, mache ich dich dafür verantwortlich.“ „Schon gut, schon gut, reg dich nicht auf“, meinte Joey beschwichtigend und ließ sich mitziehen. „Ich nehme an, sie haben nur Hunger und geben sich danach zufrieden. Marik war ziemlich schlecht gelaunt, ich schätze das Frühstück wird ihn besänftigen.“ „Jetzt frühstücken sie auch noch hier? Ich kann mich nicht erinnern, sie eingeladen zu haben.“ „Nein, aber Mokuba hat es getan. Und Roland auch irgendwie.“ „Ich schätze, ich werde noch ein ernstes Gespräch mit beiden führen müssen.“ Joey zuckte im Gehen die Schultern. „Die Schule fängt ohnehin bald an, dann gehen sie sicher von alleine. Muss ich eigentlich auch wieder in die Schule? Etwa heute schon?! Was wohl passiert, wenn ich einfach so auftauche. Ich frag mich, was sie für Gesichter machen, wenn sie mich sehen ...“ „Sie werden dich schon noch früh genug zu sehen bekommen und jetzt komm mit.“ Joey lachte. „Oh ja, ich vergaß. Das imaginäre Personal könnte mich ja sehen ...“ „Es freut mich, euch beide gesund zu registrieren“, meldete sich unvermittelt Nicos Stimme. Kaiba blieb stehen. „Nicht jetzt, Nico“, meinte er kurz angebunden. „Wie es scheint, haben sich alle Probleme von alleine gelöst“, bemerkte sie beiläufig. Joey wusste nicht, von wo ihre Stimme erklang, doch es schien überall in der Villa Kameras zu geben, mit denen Nico sie sehen konnte. Beunruhigend. „Mehr oder weniger“, meinte Kaiba und warf Joey einen kurzen, nicht zu deutenden Blick zu. Der Blonde hob die Augenbraunen. „Was denn?“, fragte er unschuldig. Kaibas Blick kam auf der Decke um Joeys Hüften zur Ruhe. „Meine Sensoren registrieren Spannung“, meinte Nico und wenn Joey es nicht besser bewusst hätte, hätte er gemeint, ein Lachen von ihr gehört zu haben. „Es scheint angebracht, nicht weiter zu stören. Ich werde die erfreuliche Nachricht weiterleiten.“ Dann war es still. Kaiba drehte sich um, griff wieder nach Joeys Arm und zog ihn hinter sich her. „Komm.“ „Dir ist es echt unangenehm, dass ich nackt bin, oder?“, fragte Joey grinsend. Er machte eine kurze Pause, dann wechselte er das Thema. „Übrigens, dass du die ganze Sache mit Pegasus geplant hast, nehme ich dir immer noch übel, damit du’s nur weißt.“ Kaiba warf ihm über die Schulter einen abschätzigen Blick zu. „Wer mir im Sportunterricht auf den Hintern starrt, sollte sich vorher überlegen, wem gegenüber er sich undankbar verhält. „Woher weißt du, dass ich – ich hab nicht gestarrt!“, protestierte Joey. Seine Wangen brannten, als ihm Yugis Worte wieder in den Sinn kamen. Sein bester Freund hatte genau dasselbe gesagt. War es so offensichtlich gewesen? Und warum wusste nun auch auf einmal Kaiba davon? Das ergab überhaupt keinen Sinn! „Ach nein? Deine Blicke haben aber etwas anderes gesagt.“ „Überhaupt nicht!“ Wie viel wusste Kaiba ... nein, Seto, eigentlich noch? Nun gut, er hatte genug Zeit, um dem auf den Grund zu gehen. „Und selbst wenn ... deinem Ego hat es doch sicher mehr als nur gut getan.“ „Kaum bist du wieder in der Lage zu sprechen, musst du es wieder deutlich unter Beweis stellen. Als Hund warst du wenigstens einigermaßen zu ertragen.“ „Tu nicht so, ich weiß genau, dass du es irgendwie gemocht hast, einen Hund zu haben.“ „Ach ja?“ „Es hat dir Spaß gemacht, als du mich gebadet hast und ich mich gewehrt habe.“ Ein belustigter Blick traf ihn. „Ich muss gestehen, es war in gewissem Sinne amüsant, mit anzusehen, wie du dich erfolglos gesträubt hast, da muss ich dir zustimmen.“ „Trotzdem bist du doch jetzt sicher froh, dass ich wieder ich selbst bin.“ „Das habe ich nie behauptet.“ „Verdammt Kai – ich meine Seto – gib doch einfach zu, dass ich dir gefehlt habe.“ „Und dir die Genugtuung gönnen? Nicht doch. Und jetzt komm mit, ich gebe dir etwas von meinen Sachen.“ Schritte erklangen auf den verlassenen Gängen in der ersten Etage der Kaibavilla. Schritte von zwei Personen, die dicht beieinander gingen. Und das obwohl Kaiba Joeys Arm längst losgelassen hatte. „Sag mal Seto ...“ „Was ist denn noch? Und halt gefälligst die Decke ordentlich fest.“ „Schon gut. Aber wenn du so weitermachst, kann es sein, dass sie mir versehentlich runter fällt.“ „Das wagst du nicht.“ „Darf ich eigentlich weiterhin mit in deinem Bett schlafen? Ich habe jetzt zwar nicht mehr die Gestalt eines Hundes, aber dein Bett ist doch groß genug.“ „Nein.“ „He, sei nicht so spießig!“ „Wer ist hier bitte spießig? Und die Antwort bleibt nein.“ Die Schritte einer der beiden Personen wurden langsamer, bis sie schließlich erstarben. Er verstrichen Sekunden, bis die Schritte der zweiten Person ebenso langsamer wurden. „Was ist jetzt schon wieder?“ In Kaibas Stimme lag eindeutige Ungeduld. Das Rascheln von Stoff war zu hören. „Ups, jetzt ist mir doch ganz zufällig die Decke entglitten“, erklang Joeys Stimme, gefolgt von einem triumphierenden Lachen. Ein Fluchen erklang. „Verdammt, Wheeler –“ „Joey“, wurde er berichtigt. „Joey, heb sofort die Decke auf!“ „Was denn Kaiba, ist es dir etwa unangenehm?“ „Nein, und jetzt tu gefälligst, was ich dir sage!“ Erneut erklang ein Lachen, dieses Mal jedoch leiser. „Du musst schon selbst kommen.“ *~* Eine Wettschuld war etwas Heiliges. Und Männer – zu denen Joey Wheeler sich stolz zählte - ließen nie eine offen. Ganz gleich, wie erniedrigend oder peinlich ihre Folgen sein würden. Dieses Mal hatte eine Wettschuld ungeahnte Folgen gehabt. Er wurde mit Dingen konfrontiert, die er sich nicht hätte ausmalen können, hatte Situationen durchlebt, die ihm normalerweise nie widerfahren wären. Und er hatte einen Teil von Seto Kaiba kennen gelernt, von dem er vorher nie hatte wissen wollen. *~* Joey hielt inne, den Blick auf Kaiba gerichtet, welcher nun vor ihm stand und ihm die dunkle Decke unmissverständlich entgegenhielt. Ihre Blicke kreuzten sich und Joey lächelte. *~* Vielleicht war es doch nicht so schlimm gewesen, dass er die Wette verloren hatte. Und je länger Joey Wheeler darüber nachdachte, desto sicherer wurde er sich in dieser Annahme. Ende „Wie kommt es eigentlich, dass ich mich zurückverwandelt habe, als ich vor Kaiba stand und ihm eigentlich nur eine verpassen wollte?“ Joey richtete seinen Blick nachdenklich auf den Pharao, der ihm gegenüber saß und mit zunehmender Begeisterung seinen Erdbeerbecher leerte. Sie hatten sich in einem Eiscafé getroffen, da es draußen spätsommerlich warm war. Joeys Mundwinkel verzogen sich. Es war immer wieder amüsant, zuzusehen, wie der Pharao Alltäglichkeiten mit einer Mischung aus Faszination und Ehrfurcht begegnete. Nun richteten sich die Amethyste seines Gegenübers auf ihn und musterten ihn ernst. Der lange Löffel wurde beiseite gelegt. „Ich schätze, es waren deine Gefühle, die es ausgelöst haben.“ Joey schnaubte leise, ließ den Löffel für seinen Schokoladenbecher abwesend zwischen seinen Fingern auf und abwippen. „Es war nicht das erste Mal, dass ich so wütend war. In den Stunden davor war ich es dauerhaft.“ „Aber offenbar nicht stark genug.“ „Wäre möglich.“ „Wenn ich dich richtig verstanden habe, warst du in dem Moment verletzt und wütend zugleich“, meinte Yami. „Starke Gefühle und der Wunsch, wieder man selbst zu werden, sind der Auslöser für die Rückverwandlung.“ „Ich habe es mir aber in dem Moment nicht gewünscht“, murmelte Joey und stocherte in seinem Eis herum. „Du musst es auch nicht wie einen Wunsch formulieren“, erklärte der Pharao und widmete sich dabei einer Erdbeere. „Es reicht alleine, dass dein Unterbewusstsein es will.“ „Aha.“ Sie schwiegen. Yami widmete seine Aufmerksamkeit dem Eisbecher, während Joey aus dem Fenster des Eiscafés blickte und seinen Gedanken nachhing. „Wie läuft es so mit Kaiba?“ Joey wandte den Kopf und blickte zu Yami, der überrumpelt blinzelte und ihn nicht minder überrascht ansah, bevor er verlegen lächelte. „Tut mir leid, das war Yugi.“ Joey sah ihn aus großen Augen an. Er kam noch immer nicht ganz damit zurecht, dass Yami und Yugi oftmals ohne Vorwarnung die Positionen wechselten. Nach einigen Sekunden hatte er sich jedoch wieder gefangen und lächelte den Pharao und gleichzeitig auch Yugi in seiner typischen Manier an. „Kann nicht klagen. Er versucht, sich so wie vorher zu verhalten, aber angesichts der Tatsache, dass er es allmählich nicht mehr nur auf seine Hormone schieben kann, machen wir eigentlich ganz gute Fortschritte.“ Yami nickte. Dann wurde sein Blick für wenige Sekunden abwesend. „Yugi lässt fragen, ob ihr euch mittlerweile einen Hund zugelegt habt.“ Joey grinste. „Du willst es doch genauso wissen, wie Yugi“, meinte er gerade heraus und der Pharao schien mit einem Mal ein perfides Interesse an den Verziehrungen des Eisbechers zu finden. „Mag sein, aber Yugi hat die Frage zuerst gestellt.“ Joey lachte. „Wenn du das sagst. Und nein, haben wir nicht.“ Der Pharao schien überrascht und Joey neigte den Kopf. „Ich hatte auch gedacht, da er mich nun mehr als eine Woche als Hund ertragen hat, müsste er doch nichts dagegen haben, sich wirklich einen zuzulegen, aber Pustekuchen. Obwohl ich ihm nicht glaube, dass er mit ihnen nichts anfangen kann, aber jedes Mal wenn Mokuba und ich ihn in ein anderes Tierheim schleppen hat er etwas gegen jeden Hund auszusetzen. Entweder er ist zu klein, zu groß, zu haarig, zu aktiv, zu faul oder was weiß ich noch.“ Er schüttelte den Kopf, bevor er seine Lippen zu einem selbstgefälligen Lächeln verzog. „Ich sollte das als Kompliment sehen, immerhin scheine ich in der Gestalt eines Hundes als einziger zu seiner Zufriedenheit gewesen zu sein.“ Sein Blick blieb an der Eiskarte auf ihrem Tisch hängen und er schweifte ab. Er dachte an die Zeit nach seiner Rückverwandlung zurück. Die ersten, die ihn gesehen hatten, waren Yugi, Marik, Bakura und Mokuba gewesen. Sie waren ihm mit geringer Überraschung entgegen getreten, hatte Nico sie doch bereits informiert – lediglich Mokuba hatte seiner Freunde mit einer stürmischen Umarmung kundgegeben - doch Joey hatte bei jedem von ihnen ein gewisses Maß an Erleichterung wahrgenommen. Anschließend hatte Kaiba die drei Jugendlichen ohne Widerworte des Hauses verwiesen und somit seine Drohung wahr gemacht. Dies mochte auch an den zweideutigen Kommentaren Mariks gelegen haben, der es nicht hatte lassen können. Eigenverschuldung. Noch am selben Tag, hatte Joey auch Téa und Tristan wieder gesehen. Er hatte es nicht geschafft, der Schule zu entkommen, so sehr er sich auch gewehrt hatte. Kaiba hatte ihn effektiv davon überzeugt, doch hinzugehen. Im Nachhinein war er froh darüber. Téa stand kurz vor den Tränen und auch Tristan hatte seiner Freude über seine Wiederkehr lauthals kundgegeben. Kaiba hatte der Schule eine Entschuldigung für Joeys Fehlen überreicht, in der es hieß, dass er aufgrund einer Lungenentzündung nicht zum Unterricht erschienen war. Die Entschuldigung wurde von allen Seiten mit Skepsis betrachtet, noch dazu die Tatsache, dass Kaiba sie für Joey verfasst hatte, doch niemand wagte es, offenes Misstrauen zu äußern. Joey war der letzte, den das stören würde. Doch damit fingen die Probleme auch erst an. Er musste den Schulstoff nachholen, Arbeiten nachschreiben und das Beste von allem: Kaiba und seine Launen nun schutzlos ertragen. Er lächelte. Es war nicht wirklich schlimm. Es war eigentlich nicht einmal großartig anders, als in den vergangenen Jahren, nur dass die Beleidigungen Kaibas einen ertragbaren Ton angenommen hatten. Zudem war eine Beziehung mit Kaiba – konnte man es denn nun so nennen – mehr als nur interessant und langweilig würde ihm gewiss nicht werden. Bestätigung von Kaiba suchte er nicht, andernfalls wäre das was sie nun verband von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Außerdem bekam er die Bestätigung bereits von Nico und Mokuba und das reichte ihm. „Es scheint beinahe so, als hätte Marik doch etwas Nützliches angestiftet.“ Die Worte des Pharaos rissen ihn aus den Gedanken. Seine Miene verdüsterte sich. „Vielleicht. Ich nehme es ihm trotzdem noch übel.“ Nützlichkeit hin oder her, Marik hatte ihn zu einem Hund gemacht! Noch immer bescherte ihm das Lächeln Kaibas, wenn dieser daran zurückdachte, dass Joey wirklich ein Hund gewesen war – noch zu allem Überfluss sein Hund - Übelkeit. Außerdem konnte er sich diesbezüglich immer wieder spöttische Kommentare anhören und erst gestern hatte Kaiba angemerkt, dass Joey Duke fragen sollte, ob er das Hundekostüm noch besäße. Beziehung hin oder her – Kaiba war noch immer derselbe Großkotz. Zwar waren die zahlreichen Küsse die seit seiner Rückverwandlung regelmäßig austauschten eine akzeptable Entschädigung – zumal es Joey noch immer überraschte, dass Kaiba sie kommentarlos zuließ - dennoch suchte Joey weiterhin nach einem Weg, Kaiba alles zurück zu zahlen und er glaubte, sie waren allmählich auf dem richtigen Weg. Erst kürzlich hatte Kaiba angemerkt, Joeys Anwesenheit würde ihn fertig machen und der Blonde war von der festen Überzeugung, dass es stimmte. Joey fand außerdem ungemeines Gefallen daran, nackt in der Villa herum zu laufen, wenn die Dienstmädchen zweifelsfrei nicht da waren und Mokuba noch schlief oder ebenfalls außer Haus war. Kaibas Versuche ihn dann zu ignorieren waren es einfach wert, sich diese Blöße zu geben. Sein Blick ebenfalls. Trotzdem - auch wenn er es irgendwie Marik zu verdanken hatte, dass sie überhaupt so weit gekommen waren, dass Joey nun freiwillig nackt durch Kaibas Villa spazierte, hatte der Blonde Marik noch nicht verziehen. Nein, bevor er Marik dankbar war, müsste noch viel geschehen. Aber wo sie gerade bei Marik waren ... Da gab es etwas – und das Grinsen kehrte schlagartig auf Joeys Gesicht zurück – dass er den Pharao noch hatte fragen wollen. Der Grund, warum sie sich überhaupt erst hier getroffen hatten. „Sag mal, Yami“, begann er gedehnt und musterte seinen Gegenüber mit hochgezogenen Augenbraunen und einem Funkeln im Blick, das beinahe schon teuflisch war. „Könntest du mir einen Gefallen tun?“ Der Pharao begegnete seinem Blick mit Skepsis. Die Kette des Millenniumspuzzles um seinen Hals klirrte leise, als er eine Hand hob und sein Gesicht auf seine Handfläche bettete, sich dabei mit dem Ellbogen vom Tisch abstützte. „Was für einen Gefallen?“ *~*~* /Verdammt, Wheeler!/ Mariks Blut war in Wallung, sein Gemüt auf hundertachtzig, während sein Weg über die Straßen Dominos führte. /Und der Pharao genauso. Wartet nur, wenn ich euch zu Gesicht bekomme. Ich – ihr ... ihr werdet leiden, das schwöre ich euch, so wahr ich ein Grabwächter bin!/ Ein Fauchen entwich seiner Kehle und die Leute, an denen er vorbeikam bedachten ihn mit argwöhnischen Blicken. Kinder klammerten sich an die Hände ihrer Mütter. /Das ... ich fasse es nicht. Das ist Verrat, Betrug - das ist unverzeihlich!/ Er bleckte die Zähne, das Fauchen schwoll an, seine Harre stellten sich auf. Die Menschen machten einen Bogen um ihn. Er nahm es überhaupt nicht wahr. Sein Blick verfinsterte sich. „Mama, warum guckt die Katze da so böse?“ „Frag nicht und komm. Vielleicht beißt sie.“ Reflexartig fuhren seine Krallen heraus und er wirbelte herum. Er sah eine Mutter mit ihrem Sohn an der Hand davoneilen und der gleichwohl neugierige wie verängstigte Blick des Jungen brachte ihn noch mehr in Rage. /Ja, lauft nur, sonst falle ich euch noch an!/ Doch er blieb wo er war. Seine Ohren zuckten und er rümpfte die Nase, bevor er sich an Ort und Stelle einfach hinsetzte. Er wusste, welches Bild er bot und es war ihm mehr als nur unangenehm. In der Gestalt einer sandfarbenen Katze saß er in der Fußgängerzone Dominos, neben einer Zoohandlung, wie ihm nun auffiel. Welche Ironie. ‚Damit du einen Eindruck gewinnst, wie es ist’, hatte der Pharao zu ihm gesagt, mit einem widerlichen Lächeln auf den Lippen. ‚Und als Wiedergutmachung für Joey.’ Dieser heuchlerische Abklatsch von einem Pharao! Immer tat er so, als wäre er der gute, edelmütige, gerechte „Herrscher“, aber in Situationen wie diesen zeigte sich dann sein wahres Wesen oder was?! Und was hieß überhaupt Wiedergutmachung? Joey hatte eine verdammte Wette verloren, er hatte es sich selbst zuzuschreiben. Außerdem hatte er jetzt doch auch Kaiba, was wollte er also mehr?! /Wheeler, du Bastard, ich werde dich eigenhändig ... und dich genauso Pharao!/ Finster starrte er in die Luft vor sich und bemerkte nicht, wie die Minuten vergingen und die Läden um ihn herum schlossen. Es war bereits früher Abend und die Fußgängerzone wurde leerer. Marik hing seinen Rachegedanken nach. „Da bist du ja.“ Der Ägypter sah auf und seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Vor ihm stand Bakura und blickte belustigt zu ihm hinab. /Kura? Was bei Ra suchst du hier?/ Der Grabräuber ging vor ihm in die Hocke. „Ich habe dich schon überall gesucht. Der Pharao hat mir gesagt, dass du ziellos durch die Straße irrst. Es war ein ganz schönes Stück Arbeit, dich zu finden, das kannst du mir glauben, immerhin streifen nicht gerade wenige Katzen durch die Stadt. Aber keine von ihnen hat deine Augen.“ Er lachte leise. „Joey lässt seine Grüße übermitteln.“ Mariks Fell sträubte sich und er fauchte. Bakura hob eine Hand und legte sie auf seinen Kopf. Augenblicklich erstarb das Fauchen und sein Fell glättete sich. Marik, selbst überrascht von seiner eigenen Reaktion auf diese Berührung, starrte den Größeren sprachlos an. Bakuras Lächeln wich einem eindeutigen Grinsen, doch er verkniff sich einen Kommentar. Stattdessen nahm er nun auch seine andere Hand zur Hilfe und hob Marik hoch. Der Ägypter wurde durch diese Handlung wider seinen Willen gegen Bakuras Brust gepresst und er murrte unwillig. /Kura, lass mich gefälligst sofort wieder runter, ich kann alleine laufen!/ „Hab dich nicht so“, lachte der Weißhaarige dunkel. „Ich nehme dich mit zu mir und bis dahin ist es ein Stück Fußmarsch. Du kannst mir nicht erzählen, dass du die Nacht auf der Straße verbringen willst – wer weiß schon, was du sonst noch alles anstellst.“ Marik knurrte, spürte jedoch keinen wirklichen Widerwillen. Eine Hand Bakuras hatte sich in sein Fell verirrt und Marik registrierte zu seinem Erstaunen, dass der Weißhaarige ihn kaum merklich kraulte. /Er ist verrückt/, dachte er und schüttelte fassungslos den Kopf. /Und ich bin es auch, weil ich ihn nicht daran hindern will. Dieser Idiot von einem Grabräuber./ Als Bakura die Fußgängerzone hinter sich ließ und einen anderen Teil der Stadt ansteuerte, ergriff er wieder das Wort. „Eins solltest du aber noch wissen, Marik“ - und er blickte auf das Tier in seinem Armen hinab, welches den Blick misstrauisch erwiderte. Marik kannte diesen Tonfall. Und er bedeutete nichts Gutes. „Bevor ich dich durch die Wohnung laufen lassen, musst du erst sauber werden. Ryou bekommt ansonsten zuviel. Ich werde dich also baden müssen.“ Das Grinsen auf dem Gesicht des anderen bescherte Marik einen heißkalten Schauer, während seine Augen sich weiteten. /Vergiss es!/ „Keine Widerrede.“ /Vergiss es!!!/ „Du wirst es nicht verhindern können, ich bin stärker als du.“ /Er hat recht. Pharao, Wheeler, meine Rache wird grausam sein!!!/ „Hab dich nicht so. Außerdem wollte ich schon immer mal wissen, ob du auch schnurren kannst, Marik. Ich nehme an, jetzt, wo du vorerst bei mir einquartiert bist, werde ich eine zufrieden stellende Antwort bekommen.“ /Grausam, habt ihr mich gehört?!/ Währenddessen in einem gänzlich anderem Teil der Stadt ... „Was soll dieses benebelte Grinsen auf deinem Gesicht?“ Joey hob die Hand, packte Kaiba im Nacken und zog ihn bestimmt zu sich. Er musterte ihn spitzbübisch, als er ein widerwilliges Murren des anderen erntete. „Nichts von Bedeutung, Kaiba.“ Und während er die Lippen des anderen mit seinen verschloss musste er zugeben, dass es tatsächlich stimmte, was man sagte: Rache war definitiv süß. Genauso wie gewisse andere Dinge. Es gibt niemals ein Ende. Ich danke euch allen. Dies ist meine erste mehrteilige Fanfiktion, die ich abgeschlossen habe und zudem meine allererste überhaupt. Eure Kommentare haben mich bestärkt und immer dazu ermutigt, weiter zu schreiben. Danke an alle, die diese FF gelesen und kommentiert haben, danke an alle, die es wegen anderen gelesen haben, danke an alle, die es versucht haben zu lesen und vor allem ein Dankeschön an alle, die es voll durchgezogen haben! *verbeug und Dankeskarten verteil* Ich freue mich über eure Aufmerksamkeit und wenn ihr mögt, ich würde mich freuen, euch vielleicht bei meinen nachfolgenden Puppyshipping FFs wieder zu lesen ^ ^ Kapitel 23: Side Story: Chefsache --------------------------------- Side Story: Chefsache Alister seufzte. Sein Blick glitt über den Schreibtisch vor sich, auf dem sich eine nie gekannte Unordnung ausbreitete. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf das gute Karma, das er sich versprochen hatte, zu sammeln. Gutes Karma zeigte sich durch Einsicht. Schrilles Gelächter drang, gedämpft durch die dunkle Holztür, an sein Ohr und Alister hätte beinahe seinen Vorsatz über den Haufen geworfen. Wenn Vivian Wong noch länger ihre Arbeitszeit für private Telefonate nutzte, würde Kaiba es ihr mit Freuden vom Lohn abziehen. Gefeuert werden konnte sie ja offenbar nicht. Alister wusste nicht wieso, aber Kaiba hatte schon so viele Gründe, sich Wongs zu entledigen und es dennoch nicht getan. Wahrscheinlich steckten irgendwelche höheren Wirtschaftsmächte dahinter. Was auch immer es war, er wollte es gar nicht näher wissen. Was ihn dagegen vielmehr interessierte, war die Ursache für die Unordnung an einem so unpassenden Ort: Kaibas Büro. Kaibas Büro, dem der Begriff Unordnung für gewöhnlich so fremd war, wie Vivian Wong Zurückhaltung. Alister griff nach einer aufgeschlagenen Mappe und ließ sich auf den Bürostuhl seines Chefs fallen. Es handelte sich um den Prototyp einer neuen Software und gelangweilt schloss er die Mappe und legte sie zurück. Er hatte die gleichen Unterlagen, denn er hatte die Urfassung der Software programmiert. Einige andere Zettel fielen ihm ins Augen und neugierig zog er sie näher. Seine Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln, während er die Zeilen überflog und schließlich an dem beigefügten Bild hängen blieb. Name: Yuki Rasse: Husky Alter: 2 Jahre Er blätterte um und konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Name: Hoshi Rasse: Dalmatiner Alter: 5 Jahre Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, den Zettel mit den Informationen über den Hund noch immer in der Hand. Das erklärte nicht alles, aber vieles. Kaiba war in der vergangenen Woche ohne Ankündigung einen Tag lang nicht zur Arbeit gekommen. Das wäre nichts Außergewöhnliches gewesen, wenn es nicht Seto – „jeder Tag, an dem ich nicht in meiner Firma bin, ist ein verschwendeter Tag“ – Kaiba gewesen wäre. Seto Kaiba, der in den Vergangenen drei Jahren laut einer Statistik nicht mehr als drei einviertel Stunden seiner Arbeitszeit nicht in der Firma war - und das aufgrund eines unvorhergesehenen Staus im Stadtzentrum. Dass Kaiba letzte Woche einen ganzen Tag lang gefehlt hatte und niemand wusste, wo er sich befand, hatte die gesamte Firma in einen Zustand der unterschwelligen Panik versetzt. Wenn Seto Kaiba fehlte und niemand wusste wieso, dann entweder, weil die Firma einen plötzlichen Bankrott erlitten hatte und Kaiba sich irgendwohin abgesetzt hatte oder weil er tot war. Da in den Nachrichten nichts von einem Konkurs der Kaiba Corporation berichtet worden war, gingen die Angestellten davon aus, Kaiba weile nicht mehr unter ihnen. Alister erinnerte sich daran, Vivian Wong schluchzend hinter ihrem Schreibtisch kauern gesehen zu haben. Außerdem waren sämtliche weiße Blumen in Kaibas Büro platziert worden. Es wurde offiziell eine Zeit der Trauer verkündet und eine Schweigeminute für den verblichenen Firmenchef eingelegt. Alister legte den Zettel beiseite und begann, die Unterlagen auf dem Tisch vor sich zu sortieren. Dabei stieß er auf weitere Hundesteckbriefe, die er mit zunehmend guter Laune betrachtete. Das gute Karma zahlte sich bereits jetzt aus. Nachdem die Nachricht der Trauer sich verbreitet hatte, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Reporter sich vor dem Eingang der Kaiba Corporation versammelt und einen Verkehrsstau verursacht hatten. Nachrichtensender nahmen das Ableben des bekanntesten CEOs und Junggesellen Japans zum Anlass für unzählige Sondersendungen und Alister erinnerte sich daran, in Kaibas Büro auf einem Besucherstuhl gesessen zu haben, einen Strauß weißer Lilien auf dem Schoß und den Blick starr auf eine Sondersendung über Seto Kaiba gerichtet zu haben. Er hatte nicht glauben können, das Kaiba einfach so von ihnen gegangen war – ohne einen großen Knall, ohne irgendwas - doch dann war plötzlich die Tür zum Büro mit einem [/]Knall aufgestoßen worden und Kaiba persönlich war in sein Büro gestürmt. Alister hatte vor lauter Schreck mit den Blumen nach der Person geworfen, die aussah und Kälte verströmte wie Kaiba – doch es hatte unmöglich Kaiba sein können! Kaiba war den ganzen Tag unauffindbar gewesen, hatte auf keinen Anruf reagiert – er [/]konnte nur dahingeschieden sein. Und dann hatte Kaiba in seinem Büro gestanden, während die aufgewirbelten Blüten des geworfenen Straußes langsam um ihn herum zu Boden segelten. Sein Blick war tödlicher gewesen als jede Prognose der Reporter über seinen derzeitigen Zustand. Alister hatte kalte Schauer seinen Rücken hinab laufen spüren und er erinnerte sich, in dem Moment, in dem der eiskalte Blick des Mannes, der wie Kaiba aussah, sich auf ihn gerichtet hatte, nach dem nächsten Blumenstrauß gegriffen zu haben – bereit, auch ihn zu werfen, wenn es sein musste. „Du!“, hatte Kaiba gezischt und der Klang der vertrauten Stimm, hatte Alister erschaudern lassen. Das war nicht die Stimme es vermeintlich Toten gewesen, sondern die eines wütenden, zu unrecht für tot erklärten Mannes! „Hallo Chef.“ Er hatte sich zu einem Lächeln zwingen müssen, doch die Bezeichnung Chef war ihm in diesem Moment zum allerersten Mal leicht gefallen. Er hatte nicht einmal darüber nachdenken müssen. „Ich verlange Erklärungen“, hatte Kaiba gesagt und Alister erinnerte sich an die wohl unangenehmsten folgenden Minuten seines Lebens, in denen er Kaiba erklären hatte erklären, warum er für die gesamte japanische Bevölkerung für tot galt. Name: Rusty Rasse: Deutscher Schäferhund Alter: ½ Jahr „Hm, wenn er mich fragen würde, sollte er vielleicht doch eher einen Dobermann in Betracht ziehen“, murmelte Alister und legte die Akte beiseite. Er fragte sich, ob er in Kaibas Schreibtischhubladen auf weitere Hundeprofile stoßen würde. Außerdem interessierte es ihn, wieso Kaiba nach einem Hund suchte, obwohl er Joey hatte. „Dobermänner treffen nicht meinen Geschmack, Alister.“ Der junge Mann zuckte zusammen und blickte auf. Kaiba stand in der geöffneten Tür zu seinem Büro, die Arme verschränkt und den Blick ausdruckslos auf Alister gerichtet. Wenn er wütend darüber war, dass Alister hinter seinem Schreibtisch auf seinem Stuhl saß, dann war er ein Meister darin, es zu verbergen. Alister hob grüßend die Hand. „Hi, Kaiba. Wie geht’s?“ Wie hatte er Kaiba überhören können? Er hätte Vivian Wong hören müssen – sie veranstaltete immer einen Lärm, wenn Kaiba an ihrem Schreibtisch vorbeiging. Warum hatte er Wong nicht gehört?! Kaiba erwiderte den Gruß. „Gut und dir?“ Alister schreckte wie unter einem Schlag zurück. Er schluckte schwer und verbarg rasch die mit einem Mal schweißnassen Hände unter dem Tisch. Er saß gewaltig in der Klemme! Wo war Nico, wenn man sie brauchte? „Ich habe dich in deinem Büro angerufen“, fuhr Kaiba fort und durchquerte den Raum. Alister wich unbewusst auf dem Stuhl immer weiter zurück und als er die Lehne im Rücken spürte, begann er mit dem Schreibtischstuhl nach hinten zu rollen. „Und du bist nicht an dein Telefon gegangen. Also habe ich es über dein Mobiltelefon versucht, nachdem ich dich nicht im Büro erreichen konnte.“ Als er die Wand hinter sich erreichte und die Rollen sich nicht weiter drehen ließen, stand Kaiba unmittelbar vor ihm. „Aber auch dort habe ich niemanden erreicht. Nun stellt sich mir die Frage, warum ich erst in mein Büro kommen muss, um mit dir sprechen zu können?“ „Tja, Sachen gibt’s“, Alister wollte aufstehen und so schnell wie möglich an Kaiba vorbei, doch der Fluchtweg war ihm versperrt. Der Blick, mit dem der CEO ihn taxierte war stechender als alles, was er in den letzten Wochen gesehen hatte. „Ja, Sachen gibt’s.“ Kaibas Mundwinkel hoben sich zu einem bösen, unheilverkündenden Lächeln. Sein Karma schien Alister mit einem Mal im Stich gelassen zu haben. Er musste handeln, sonst würde Kaiba sämtliche unterschwellige Aggressionen an ihm auslassen. „Habe ich da gerade Vivian rufen hören?“ Alister legte eine Hand ans Ohr. „Ich glaube, sie braucht meine Hilfe. Ich sollte sie nicht warten lassen. War nett mit dir, Kaiba, aber ich muss los.“ Er wollte aufstehen, doch Kaiba ließ ihn nicht. „Vivian macht Mittagspause“, bemerkte Kaiba und seine Körperhaltung verriet Alister Dinge, die er gar nicht wissen wollte: Dass er so schnell nicht dieses Büro verlassen würde. Dass er sich, wenn er schließlich die Tür hinter sich schließen würde, in keinem guten Zustand befinden würde. Zumindest hatte er jetzt eine Erklärung dafür, warum Wong nicht mit ihrem schrillen Lachen Alarm geschlagen hatte ... „Tatsächlich?“ „Tatsächlich.“ „Wird man meine Hilferufe von hier aus hören können?“ Kaibas Augenbraue zuckte. „Unwahrscheinlich. Die Tür ist dick.“ „Darf ich meine letzten Worte sprechen?“ „Fasse dich kurz.“ „Du warst ein mieser Chef!“ Kaiba wirkte für den Bruchteil eines Moments überrascht. „Ach?“ „Ich habe niemals eine Gehaltserhöhung bekommen und das obwohl ich mehr als hervorragende Arbeit geleistet habe!“ „Ist das so? Arbeit hast du geleistet, aber Hervorragendes scheint mir entgangen zu sein.“ „Ich habe N.I.C.O programmiert und du kannst nicht behaupten, sie sei nicht genial!“ „Deine Programmierung war akzeptabel, aber vergiss nicht, dass sie noch immer fehlerhaft ist.“ Alister verschränkte beleidigt die Arme. Er konnte es nicht leiden, wenn Kaiba seine Arbeit schlecht machte. „Über diese Macken kann man ja wohl hinwegsehen.“ „Vor zwei Tagen hat eine dieser kleinen Macken zu einem Kurzschluss im Hauptserver geführt, weil Nico der unsinnigen Ansicht war, sich innerhalb einer Minute das gesamte Wissen über die Werke von Shakespeare aneignen zu müssen.“ „Du hast dich nicht beschwert, als sie Chinesisch gelernt hat.“ „Weil es nützlich ist, wenn eine künstliche Intelligenz Chinesisch beherrscht. Aber was bringen der Kaiba Corporation Romeo und Julia?“ „Es stört dich nur, weil sie dich seitdem mit Shakespeare volltextet“, murmelte Alister. „Wenn es nur das wäre, Alister, könnte ich vielleicht darüber hinwegsehen. Allerdings hat sie gestern begonnen, die Sonette zu singen.“ „Echt?“ Alister starrte seinen Chef an und konnte nicht anders, als zu lachen. Kaiba strafte ihn mit kaltem Missfallen, doch Alister hatte schon viel zu lange aufgehört, sich alleine davon einschüchtern zu lassen. „Warte nur, bis sie die neuzeitliche Musik erreicht und dich mir heutigen Texten beglücken will.“ Alister gluckste. „Ist ihre Singstimme wenigstens angemessen? Ich weiß nicht mehr, welche ich bei der Programmierung gewählt habe.“ „Steh auf“, befahl Kaiba nur und erst als er seine Atmung wieder unter Kontrolle hatte, konnte Alister dieser Aufforderung nachkommen. Er winkte Kaiba zu. „Wie es aussieht, brauchst du mich ja nicht mehr. Ich werd dann mal –“ „Nicht so schnell.“ Alister erstarrte und seine Schultern fielen nach unten. Er hatte gehofft, Kaiba würde ihn jetzt gehen lassen, doch es war wohl zu früh gefreut. Langsam drehte er sich um und sein Blick richtete sich zögernd auf Kaiba, der den Bürostuhl wieder hinter den Schreibtisch gerollt hatte, sich jedoch nicht gesetzt hatte. Er griff nach einer Hundemappe und schlug sie auf. „Du hast in meinen Unterlagen gewühlt.“ Alister fühlte sich kein bisschen schuldig. „Du hast sie offen herumliegen lassen. Ich habe lediglich einen Blick drauf geworfen.“ Ein spöttischer Blick aus blauen Augen verriet ihm, dass Kaiba ihm kein Wort glaubte. „Mir gefällt Joey nach wie vor am besten“, sagte Alister schließlich. Denn auch wenn Kaiba nichts gesagt hatte, so schien es ihm doch, als erwarte er eine Meinung zu den Hunden. „Aber Joey ist nicht mehr da“, erwiderte Kaiba und Alister neigte den Kopf. Er hatte sich schon gewundert, wo der äußerst abenteuerliche Hund, der seine Abneigung gegen Wong geteilt hatte, geblieben war. Nach dem einen Mal in der Firma vor etwas mehr als einer Woche hatte er ihn nicht mehr gesehen. Auch Nico hielt sich, was das Thema Joey betraf, bedeckt. Alister verspürte Bedauern, weil er einen wirklich guten ersten Eindruck von dem Hund bekommen hatte. „Ist er dir also weggelaufen?“ Er schnaubte. „Du musst ja deinen ganzen Charme versprüht haben, wenn du einen Golden Retriever dazu bringst, dich zu verlassen.“ Zu seiner Verwunderung zeichnete sich auf Kaibas Zügen tatsächlich ein Lächeln ab, während er die Unterlagen in seiner Hand überflog. Kaiba schiene es nicht zu bemerken, andernfalls hätte er es fort unterbunden. „So in etwa.“ Alister, der mit dieser Reaktion nicht zurechtkam, hob verzweifelt die Hände zur Decke, als hoffte er auf eine Offenbarung. Konnte Karma auch Erleuchtungen begünstigen? „Kann mir mal jemand verraten, warum ihn das nicht stört? Sein Hund ist weggelaufen und es kümmert ihn nicht.“ „Alister, wenn du einen Monolog führen möchtest, dann tu es fünf Meter weiter südöstlich.“ „Wo?“ „Nicht. In. Diesem. Büro.“ „Er tut es schon wieder!“ Die Decke gab keine Antwort. „Er weicht mir aus, dabei würde es ihm so viel besser tun, sich zu öffnen!“ „Nicht noch so einer.“ Kaiba hatte die Akte auf den Tisch geworfen und Alister ließ verwundert die Arme sinken. Kaibas Reaktion war stärker ausgefallen als erwartet. „Ich habe es nicht nötig, mir von irgendjemandem anhören zu müssen, ich sollte mehr sagen. Ich habe nie viel sagen müssen, aber ihr versteht das ja nicht. Rede doch mal etwas mehr oder Drück dich aus ist alles, was ihr dazu sagen könnt, was? Als würde sich auf einmal alles ändern, nur weil er jetzt wieder er selbst ist und anfängt, sich mehr herauszunehmen, als ihm zusteht. Einen Hund kann er haben, aber wer sagt, dass er bei mir wohnen muss? Außerdem brauche ich keinen Hund - der eine hat mir gereicht und er war eine Ausnahme, aber wenn ich ihm das sage, denkt er noch ...“ Kaiba unterbrach sich. Dann hob er eine Hand, strich sich durch die Haare und drehte sich zu der Fensterfront des Büros um. Alister starrte ihn an. So viele Worte auf einmal von Kaiba waren beinahe schwerer zu verarbeiten als sein vermeintlicher Tod vor einer Woche. „Sprichst du jetzt von mir, von dem Hund oder habe ich etwas verpasst?“ Ein flüchtiger Blick an die Decke, doch sie weigerte sich vehement, ihm zur Seite zu stehen, geschweige denn, ihm einen Tipp zu geben. Kaiba sagte einige Sekunden gar nichts und Alister konnte lediglich auf seinen Rücken starren, dann meinte er: „Du kannst gehen. Wir sind fertig.“ Doch Alister war nicht bereit, jetzt zu gehen. Gerade wo es spannend wurde, wollte Kaiba ihn ausschließen. „Wir sind alles andere als fertig. Du beschimpfst mich und dann wechselst du auf einmal das Pronomen. Zweimal! Wen zum Teufel meintest du?“ „Alister, das geht dich nichts an.“ „Natürlich tut es das.“ Natürlich tat es das nicht, aber das war ihm egal. Wenn er eine Chance hatte, Kaiba auf die Nerven zu fallen, dann nutzte er sie auch. „Ich wette, wer-immer-es-ist war auch dafür verantwortlich dafür, dass du letzte Woche nicht in der Firma erschienen bist.“ Kaiba warf einen bösen Blick über die Schulter. Er wurde nicht gerne an diesen äußerst komplizierten Tag erinnert. Wahrscheinlich bekam er noch heute Migräne, wenn er an den Presserummel dachte, der mit diesem Tag ausgelöst worden war. Der Hype um ihn als Besitzer eines Hundes war nichts dagegen gewesen. „Alister, ich werde ganz bestimmt nicht mit dir über meine Be-“ Kaiba stockte und Alister begann triumphierend zu grinsen. „Ich hab’s gewusst! Du wolltest Beziehung sagen, Kaiba – wehe, du versuchst auch nur, es abzustreiten! Wer ist es? Kenne ich sie? Ist es eine von Yugi Mutos Freudinnen? Diese Brünette? Oder vielleicht die Valentine? Weiß Valon davon? Weiß Joey Wheeler davon?“ Etwas an Kaibas Haltung hatte sich geändert. „Oder ist es die Schwester von Wheeler? Ist es seine Schwester? Ich hab sie noch nie gesehen, aber sie soll hübsch sein. Zumindest haben die Medien das gesagt, als Wheeler beim letzten Turnier Zweiter geworden ist.“ „Alister.“ „Allerdings hätte ich nicht erwartet, dass sie deinen Geschmack trifft. Ich hätte überhaupt nie erwartet, dass irgendwer deinen Geschmack trifft. Aber lass dir gesagt sein, dass ich es dir anrechne, dass du nicht Wong da draußen“, er deutete hinter sich, „gewählt hast. Das macht dich mir beinahe schon sympathisch.“ „Alister.“ „Die kleine Wheeler also?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann es ja nicht glauben. Weiß es schon irgendwer? Weiß Nico es? Warum hat sie mir nichts gesagt? Ich sollte sie noch einmal überarbeiten ... sie sollte nicht vergessen, wer sie geschaffen hat.“ Kaiba wirbelte plötzlich herum und in seinen Augen lag kalte Wut. „Genug!“ Alister konnte kaum blinzeln, da fand er sich vor dem Büro wieder, und ein Knallen ließ ihn erzittern, als die Tür hinter ihm zugeschlagen wurde. Er blinzelte und begriff erst Sekunden später, dass Kaiba ihn hinausgeworfen hatte. Er hörte Kaiba hinter dem Holz grollen und lächelte hämisch. Dann hob er die Hand und grüßte die geschlossene Tür. „War mir ein Vergnügen, Chef.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)