A Dog's Life von mystique (Gesegnet mit vier Pfoten ♥ WheelerxKaiba) ================================================================================ Kapitel 21: Schlafende Hunde soll man nicht wecken -------------------------------------------------- 21. Kapitel: Schlafende Hunde soll man nicht wecken /Ich hasse euch. Euch alle./ Joey starrte mit finsterer Miene aus dem Fenster. Die verregnete Stadt zog an ihm vorbei. Die Straßenlaternen flackerten und schalteten sich eine nach der anderen ab. Menschen zeigten sich auf den Straßen, Morgenstimmung breitete sich aus. /Ihr seid echt das letzte. Ja, du auch Yugi./ „Ach komm schon Joey, wir wollen nur dein Bestes.“ /Das habt ihr jetzt in den letzten zehn Minuten schon fünf Mal gesagt und ich glaube euch immer noch nicht. Ihr habt sie doch echt nicht mehr alle. Warum muss ich mir das gefallen lassen?/ „Weil wir es wollen.“ /Halt die Klappe, Marik./ Der Millenniumsring um Bakuras Hals glomm kurz auf. „Marik, hast du das gehört? Der Kleine wird aufmüpfig.“ /Nenn mich noch einmal Kleiner und ich zeig dir gleich aufmüpfig!/ „Da habe ich aber Angst.“ Joeys Kopf ruckte herum und er fixierte Bakura, der ebenfalls auf der Rückbank saß und ihn provozierend ansah. Zu seinem Glück saß Yugi zwischen ihnen, sonst hätte Joey sich längst auf ihn gestürzt. Sein Knurren verdeutlichte mehr als Worte es gekonnt hätten. Marik saß vorne neben dem Fahrer, welcher längst den Versuch aufgegeben hatte, zu verstehen, warum seine Fahrgäste sich permanent mit einem Hund unterhielten. Ein Grund dafür war auch das Geld, welches Marik ihm bereits beim Einsteigen überreicht hatte, nachdem er ihm das Ziel genannt hatte. Dabei sprang ein ansehnlicher Betrag Trinkgeld heraus und man beschwerte sich in einem solchen Fall nie. Der Kunde war König, mochte er auch noch so seltsam sein. /Ich will nicht in dieser Gestalt zu Kaiba. Was versprecht ihr euch davon?/ „Einen freien Tag und etwas Schlaf“, antwortete Marik gähnend und schloss die Augen. /Mir wäre es lieber, wenn ihr einfach eine Hintertür in diesem Chaos finden würdet. Ich muss nicht zu Kaiba. Die ganze Zeit wollte ich wieder ein Mensch werden und es hat nicht funktioniert, warum soll es mit einem Mal klappen, wenn ich wieder bei Kaiba bin?/ Marik zuckte die Schultern. „Wie auch immer, Kaiba ist der Schlüssel zu allem und ich werde es nicht zulassen, dass du mich noch einige Stunden länger von meinem wohlverdienten Schlaf abhältst.“ /Tze, eigentlich müsstet ihr jetzt in der Schule sein/, meinte Joey trotzig und richtete seinen Blick wieder auf das beschlagene Fenster des Taxis. „Nicht ganz“, berichtige Yugi ihn lächelnd. „Die Schule beginnt erst in knapp zwei Stunden. Wir sind sehr früh dran, und das weißt du.“ /Ja, na und? Ist doch auch egal .../ Nachdenklich beobachtete er, wie die nassen Straßen und Gebäude an ihm vorbeizogen. Seine Gedanken schweiften ab. Unbewusst dachte er an einen Tag vor wenigen Wochen zurück. *~* „Du bist nicht der einzige, der einen Traum hat, Wheeler.“ Die Stunde war längst vorbei. In der Pause hatten Yugi, Tristan, Téa und er sich eine Bank auf dem Schulhof gesucht, sich dort niedergelassen und ihre Pausenbrote kauend über die vorangegangene Stunde geredet. Hin und wieder lachten sie auf. „Das ist nicht dein Ernst, Téa“, schnaubte Tristan und stand kurz davor, sich vor unterdrücktem Lachen an seinem Brot zu verschlucken. „Du hast Bakura nicht ernsthaft von deinem Tanztraum erzählt? Der Arme hat doch jetzt ein vollkommen zerstörtes Weltbild!“ Téas Wangen waren leicht gerötet. Ob es an den – für diese Jahreszeit - ungewöhnlich frostigen Temperaturen oder an Tristans Worten lag, war unmöglich zu erkennen. „Was willst du damit sagen? Wir sollten über unsere Träume erzählen und ich habe es getan.“ „Ja, aber trotzdem.“ Tristan schluckte seinen Bissen und grinste sie breit an. „Das ist so typisch für dich. Hast du ihn überhaupt ein einziges Mal zu Wort kommen lassen?“ „Ich –“, Téas Wangen wurden noch eine Spur dunkler. Nun lag es offensichtlich nicht mehr an den Temperaturen. „Er schien nicht, als wollte er etwas sagen ...“ Tristan lachte auf. „Also hatte ich Recht! Du hast ihn tatsächlich die gesamte Stunde voll gequatscht.“ „Ja ... nein ... er schien wirklich interessiert ...“ „Sicher doch, Téa“, grinste Tristan weiter. „Joey, stimmt etwas nicht? Du bist so still.“ Während Téa und Tristan sich ungeachtet der anderen weiter kabbelten hatte Yugi sich an Joey gewandt, der am anderen Ende der Bank saß und abwesend auf das Schultor starrte. Der Blonde schreckte auf. „Was?“ Sein Blick fiel auf Yugi und er neigte fragend den Kopf. „Hast du was gesagt? Tut mir leid, war gerade in Gedanken.“ Yugi lächelte. „Das hat man gemerkt. Über was denkst du nach?“ „Über Kaiba.“ Die Erwähnung des Namens riss auch Tristan und Téa aus ihrer mittlerweile angeregten Diskussion über Höflichkeit und Interesse an anderen - diese Themen stammten natürlich gänzlich von Téa – und ließ sie ihre Aufmerksamkeit auf Joey richten. „Was ist mit Kaiba?“, fragte Tristan mehr als nur interessiert und ließ sogar sein Pausenbrot Pausenbrot sein. Wenn Joey freiwillig von Kaiba redete, dann musste etwas im Gange sein, soviel war sicher. „Nichts ist mit Kaiba“, meinte Joey leicht irritiert. „Na ja, das heißt schon irgendwie. Eben in der Stunde, als ich ihn als Partner bekommen habe ... er war so seltsam drauf.“ Téa sah ihn aufmerksam an. „Inwiefern ‚seltsam’. Seltsamer als sonst?“ Joey nickte. „Ja, irgendwie schon. Er hat mich beleidigt und dann habe ich hab ihm gesagt, dass ich davon träumen würde, ein Drachentöter zu sein, um ihn zu reizen, und es hat ihn nicht gejuckt. Dann habe ich ihm gesagt, dass jemand wie er wahrscheinlich gar keine Träume hat und dann wurde er ganz anders, hat mich so komisch angesehen und gemeint, dass ich nicht der einzige wäre, der einen Traum hat. Das soll einer verstehen. Der Typ ist doch nicht mehr normal. Der einzige Traum, den einer wie er haben kann, ist irgendwann einmal Yugi zu besiegen, aber deshalb gleich so einen Aufstand zu machen ...“ „Vielleicht, weil er einen anderen Traum hat?“, warf Yugi die einzig mögliche Schlussfolgerung ein. Joey starrte ihn ungläubig an, dann schüttelte er den Kopf. Blonde Strähnen wirbelten umher. „Unmöglich Yugi! Jemand wie der weiß doch überhaupt nicht, wie man ‚Träume’ schreibt. Na gut, wahrscheinlich weiß er es doch, aber er kann unmöglich welche haben. Alles was er will, sind Macht und Reichtum. Was bleibt denn da noch Zeit zum Träumen?“ „Offenbar genug Zeit, um sich gekränkt zu fühlen, als du ihm unterstellt hatst, er habe keine“, meinte Téa. Sie tippte sich mit einem Finger nachdenklich ans Kinn. „Jetzt stellt sich bloß die Frage, was Kaibas Traum ist.“ „Vielleicht wünscht er sich Freunde?“, schlug Tristan vor, dabei sein Pausenbrot kauend. Téa schenkte ihm einen mahnenden Blick und er schluckte schnell, lächelte sie dabei unschuldig an. „Das würde nicht passen“, murmelte Joey. „Nachdem Yugi sie ihm schon oft genug angeboten hat. Kaiba ist nicht der Typ für ‚Freunschaftszeug’. Alles was mit Gefühlen zu tun hat passt nicht zu ihm ...“ „Vielleicht träumt er davon, die Welt zu einem besseren Ort zu machen“, gluckste Tristan leise. Joeys Mundwinkel begannen zu zucken, bis er sich schließlich nicht mehr zusammenreißen konnte und zu lachen anfing. „Der war gut“, prustete er und hielt sich den Bauch. „Was für eine Vorstellung. Kaiba als Vertreter des Weltfriedens: Befreit unseren Planeten von Personen wie mir. Ich fass es nicht, das wäre der Hammer.“ Nun begannen die anderen auch zu lachen. Joey lag mittlerweile mehr auf der Bank, als dass er saß. Immer wieder erschien vor seinem geistigen Auge das Bild von Kaiba, übersäht mit Aufklebern diverser Weltrettungsorganisationen, Tierschutzvereinen und Umweltschützerverbänden. Ein Bild für die Götter. Erst Minuten später hatten sie sich wieder einigermaßen gefangen und Joey selbst kicherte hin und wieder leise, wenn ihm das Bild von Kaiba wieder in den Sinn kam. Téa räusperte sich. „Gut, diese Möglichkeit können wir streichen.“ Auch ihre Mundwinkel zuckten noch immer verräterisch. „Welche anderen gibt es sonst?“ „Greenpeace“, murmelte Joey und Tristan verschluckte sich an seinem nächsten Bissen Brot. Er begann zu husten. Der Blonde sprang auf und schlug seinem Kumpel grinsend auf den Rücken. „He, wir können es nicht gebrauchen, wenn du uns hier eingehst, Alter.“Nach Luft schnappend und wieder haltlos am Lachen musste Tristan sich auf Joey stützen, um nicht umzukippen. Auch dem Blonden fiel es schwer, dabei ernst zu bleiben doch der strenge Blick Téas brachte ihn rasch auf den Boden der Tatsachen zurück. „Sorry“, nuschelte er, räusperte sich verhalten und verkniff sich das Grinsen. Tristan, nach immer von ihm gestützt, versuchte ebenfalls zur Ernsthaftigkeit zurück zu kehren. Allerdings zeugte das Grinsen auf seinem Gesicht von dem Misserfolg dieses Vorhabens. „Wenn sich nun alle wieder beruhigt haben“, meinte Téa mit eindeutiger Betonung und Blick auf zwei gewisse Personen, „können wir ja zu unserem Thema zurückkehren.“ „Mann Téa, bei dir klingt das ganze gleich wieder wie ein Thema für den Klassenverband“, maulte Tristan verhalten. Er hatte sich mittlerweile von Joey gelöst und war offenbar wieder imstande, auf eigenen Beinen zu stehen. Die Brünette sah ihn mehr als nur verstimmt an. „Was?“ „Es geht hier um Kaiba und seine Träume, nicht um die Wahl zum Schülersprecher oder sonst was.“ „Bitte, dann mach du es.“ „Äh, was?“ „Sag du uns, was Kaiba für einen Traum hat.“ Tristan grinste sie eindeutig an. „Vielleicht träumt er von hübschen Blondinen mit kurzen Röcken.“ Sekunden herrschte Stille. Dann brach das Chaos los. Oder besser gesagt: Téa war los. „Tristan!“ „Was denn?“ „Nicht jeder ist so verdorben wie du!“ „Was soll das heißen?“ „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Kaiba nicht von etwas Derartigem träumt!“ „Und warum nicht? Kennst du ihn etwa so gut? Gibt es da etwas, was ich wissen sollte, Téa?“ „Tristan!“ „Was?!“ „Sei still!“ „Weißt du“, meinte Yugi leise zu Joey. Der Blonde blickte auf. Yugis Wangen waren aufgrund Tristans Worten leicht gerötet, dennoch sah er Joey aufmerksam und mit einem nicht zu übersehendem Ernst an. Ein ungewöhnlicher Kontrast, verglichen mit der eindeutigen Röte. „Vielleicht liegt Kaiba wirklich etwas an blond.“ Joey sah ihn an. Lange. Sprachlos. Überrascht. Und er verstand nicht. *~* Er schüttelte den Kopf. Wie dumm. Warum dachte er gerade jetzt daran? Es war unwichtig, ein einfacher, nicht bedeutender Zwischenfall und er erinnerte sich gerade jetzt daran zurück. Das war typisch. Er wandte den Blick ab und starrte verbissen auf den Vordersitz. Noch immer brannte die Wut in ihm und bei dem alleinigen Gedanken an Kaiba wurde ihm ganz anders. ‚Nein.’ Mistkerl. ‚Ich würde meine Firma nie für etwas derart Triviales, wie einen Hund, aufs Spiel setzen.’ Selbstsüchtiger Großkotz. Wie hatte er sich nur so irren können? Er war doch sonst auch nie so blind gewesen. Er hatte sich einfach täuschen lassen. In diesen Worten hatte sich Kaibas egoistisches Selbst widergespiegelt. „Wir sind da.“ Die Stimme des Taxifahrers riss ihn aus seinen Gedanken. Seine Ohren stellten sich auf, während die anderen die Türen öffneten und ausstiegen. „Komm schon, Joey.“ Marik stand an der offenen Tür, aus der Yugi vor wenigen Sekunden ausgestiegen war. Joey wandte den Kopf und bedachte den Ägypter mit einem finsteren Blick. /Ich sollte dich beißen. Und hoffen, dass ich eine ansteckende Krankheit habe./ Marik lächelte gefährlich. „Vielleicht hättest du das tun sollen, Joey. Jetzt ist es zu spät. Komm her, oder ich sehe mich dazu gezwungen, selbst nachzuhelfen.“ Knurrend erhob sich der Blonde, sprang über den Sitz und aus dem Wagen. /Sei froh, dass ich noch in diesem Körper gefangen bin. Ansonsten dürftest du jetzt vor meiner Faust in Deckung gehen./ „Was denn, Wheeler zeigt die Zähne?“ Marik wirkte wenig beeindruckt, während Bakura nur grinste. „Heb dir das für Kaiba auf.“ Das Taxi fuhr los. Vor ihnen ragte dem hohen Sicherheitszaun, der das Gelände der Kaibavilla umgab, in die Höhe. Sie standen unmittelbar vor dem Tor, durch welches Joey vor unbestimmter Zeit geschlüpft war, nachdem er Mokuba das Versprechen seiner baldigen Wiederkehr gegeben hatte. Er hoffte, dass es Mokuba nicht allzu schlecht ging. Mariks Worte kamen ihm wieder in den Sinn. ‚Vor wenigen Stunden meldet sich Kaibas Bruder bei mir – woher er meine Nummer hat ist mir auch schleierhaft – mit tränenerstickten Stimme und erzählt mir, dass du von Pegasus entführt worden wärst und das zeitliche gesegnet hättest.’ Was mit Kaiba war kümmerte ihn nicht, doch Mokuba war ihm nicht egal. Er hatte sich immer um ihn gekümmert, hatte ihm geholfen, während er in diesem Körper gefangen war. Der Junge hatte es nicht verdient, jetzt wegen ihm zu leidem. Ihm war er es schuldig, dass er jetzt vor diesem Tor stand. Außerdem wollte er endlich wieder seine alte Gestalt zurückbekommen. „Haben die hier keine Klingel?“ Er sah auf. Marik betrachtete das Tor, sein Blick schweifte von einer Seite zur anderen. „Hallo?“, der Ägypter erhob die Stimme. „Hallo, hört mich jemand?“ „Jetzt dreht er durch“, murmelte Bakura und schüttelte nur den Kopf. „Tut er nicht“, wandte Yugi ein. „Er versucht nur, das Sicherheitssystem von Kaiba auf uns aufmerksam zu machen.“ Joeys Ohren zuckten. /Nico!/ Mariks Augen richteten sich auf ihn. „Nico?“, wiederholte er. Joey wandte rasch den Blick ab. Er hatte Marik noch immer nicht verziehen, dass er ihn gegen seinen Willen hierhin gebracht hatte. /Das Sicherheitssystem ... es heißt Nico./ „Kaiba gibt seinem Sicherheitssystem Namen?“, fragte der Grabwächter und echte Überraschung lag in seinen Worten. Joey zuckte die Schultern. Zumindest versuchte er es, doch in der Gestalt eines Hundes sah es vielmehr danach aus, als wollte er eine lästige Verspannung im Nacken loswerden. „Okay“, räumte Marik ein und wandte sich wieder dem Tor zu. „Du musst es ja wissen. Nico?“ Neben dem Tor, etwa auf Augenhöhe von Marik und Bakura – Yugi musste ein beachtliches Stück nach oben sehen, genauso wie Joey – fuhr eine Klappe zur Seite und offenbarte die glänzende Linse einer vorher verborgenen Kamera, zusammen mit einem Lautsprecher. „Was kann ich für Sie tun?“ Offenbar hatte Marik nicht mit einer Rektion gerechnet, denn er wirkte überrumpelt. „Sind Sie ... bist du Nico?“ „Wer will das wissen?“ „Mein Name ist Marik Ishtar.“ Joey konnte vor seinem inneren Auge geradezu sehen, wie Nico nun die Datenbänke des Servers durchging, bis sie eine Datei zu diesem Namen fand. „Ishtar, Marik. Zweiter beim Battle City Turnier. Besiegt von Yugi Muto im Finale.“ Der Grabwächter knurrte. Er wurde nicht gerne an diese Zeit erinnert. „Was führt Sie hierher? Es ist sechs Uhr Morgens. Wenn Sie einen Termin –“ Marik holte bereits Luft, um ihr ins Wort zu fallen, doch sie verstummte, ohne dass er sie tatsächlich unterbrechen musste. Die Linse der Kamera zoomte und verstellte sich kaum merklich. „Joey?“ Der Blonde zuckte. „Joey, bist du das?“ Er nickte zögerlich. Eine derartige Reaktion hatte er nicht erwartet. Nicht von Nico. Sie musste von Alister eine wirkliche außergewöhnlich lebensechte Persönlichkeit einprogrammiert bekommen haben. „Wir dachten du seihst tot.“ /Das dachten viele./ „Das muss ich umgehend Mokuba mitteilen, damit er es Kaiba –“ /Nein!/ Ein bedrohlich lautes Bellen entwich Joeys Kehle. Erneut verstummte Nico. Die drei anderen Jungen sahen ihn fragend an. „Was ist, Joey?“, fragte Yugi, der als erster seine Stimme wieder fand. /Kaiba soll es noch nicht erfahren/, meinte Joey und sah seinen besten Freund durchdringend an. /Ich will den Schock in seinen Augen sehen./ „Ich verstehe“, erklang es aus dem Lautsprecher. Einige Sekunden herrschte Stille, dann sprang das Tor mit einem mechanischen Klicken auf. „Darf ich Mokuba informieren? Ich werde ihm ausrichten, dass er es Kaiba noch nicht sagen soll.“ Joey nickte. Die Lautsprecher schalteten sich ab und Klappe schob sich wieder vor sie und die Linse. Der Weg hoch zur Villa über den Kies hinweg schien nicht einmal mehr halb so lang wie zu dem Zeitpunkt, als er das Anwesen verlassen hatte. Es mochte daran liegen, dass ein Teil von ihm sich immer noch dagegen sträubte, Kaiba früher oder später wieder gegenüber zu stehen. Je stärker er sich wünschte, der Weg mochte kein Ende nehmen, desto kürzer erschien die Distanz. Die anderen sprachen während dieser Zeit kein Wort. Hin und wieder bedachten sie Joey mit Blicken, teils nachdenklich, teils durchdringend. Doch niemand sagte etwas, genau wie Joey, der stur auf den Kiesweg unter seinen Pfoten starrte. Sein Magen verkrampfte sich, je näher sie der Villa kamen. Als er das Geräusch, der sich öffnenden Eingangstür vernahm, blickte er auf. Roland stand dort. Sein Äußeres Unterschied sich nicht, von seinem sonstigen Erscheinungsbild, doch auf seinen Zügen zeigte sich deutliche Überraschung, dann Erleichterung, als sein Blick auf Joey fiel. „Dem Himmel sei Dank“, murmelte er, dann öffnete er die Tür ganz und deutete in den Eingangsbereich. „Bitte, kommen Sie herein.“ Die vier kamen dieser Aufforderung nach, auch wenn es erst eines warnenden Blickes seitens Marik bedurfte, damit Joey ebenfalls eintrat. Roland schloss die Tür hinter ihnen wieder. Dann wandte er sich an Yugi. „Ich muss mich bei Ihnen bedanken. Dem jungen Master Mokuba wird ein Stein von Herzen fallen, wenn er erfährt -“ „Joey!“ Fünf Augenpaare richteten sich auf die hintere Tür des Raumes. Dort stand Mokuba, gekleidet in einem Kinderschlafanzug. Er klammerte sich an die Tür und erinnerte Joey damit an jenen Moment, als der Junge ihn vor vielen Stunden beim Verlassen des Hauses erwischt hatte. Er hatte sich genauso an die Eingangstür geklammert und jetzt wirkte er noch verlassener, als zu jenem Zeitpunkt. /Mokuba./ Mokubas Hände lösten sich von dem Holz, dann rannte er los. Niemand hielt ihn auf. Schließlich, bei ihnen angekommen fiel er Joey um den Hals. Er konnte es dem Jungen nicht verübeln, als der das leise Schluchzen hörte, welches von seinem Fell leicht gedämpft wurde. Mokuba war noch ein Kind. Es war verständlich, dass er in solch einer Situation weinte. Niemand konnte von ihm verlangen, dass er einer angeblich für tot gehaltene Person mit stoischer Gelassenheit gegenübertrat. Niemand. Joey schloss die Augen. Es war beinahe schon erschreckend, wie sehr ihm dieser Junge in der kurzen Zeit ans Herz gewachsen war. Natürlich hatte er Mokuba gekannt, seit er Kaiba gekannt hatte, spätestens zu Zeiten des Königreichs der Duellanten, als nicht nur Yugis Großvater, sondern auch Mokuba von Pegasus entführt worden war. Dort war er dem Jungen zum ersten Mal begegnet. Und im Laufe der Zeit waren sie sich noch wesentlich öfter über den Weg gelaufen. Doch nie hatte er die Möglichkeit gehabt, ihn so kennen zu lernen, wie in den letzten Wochen. Er liebte Serenity, sie war seine Schwester. Doch Mokuba war in der letzten Zeit ähnlich wichtig geworden. Es war unglaublich, wie sich Gefühle zu einer Person in so kurzer Zeit ändern konnten. „Ich dachte“, murmelte Mokuba und krallte sich in Joeys Fell. Eine Geste, die seine Hilflosigkeit nicht besser beschreiben konnte. „Ich dachte ... Seto hat gesagt ... und dann habe ich Marik angerufen ... ich wusste nicht, was ich tun sollte ... ich dachte, es wäre alles meine Schuld gewesen, weil ich dich nicht aufgehalten hatte, als du weggegangen bist ...“ /Es tut mir Leid, Mokuba./ „Es tut ihm Leid“, sprach Marik laut für ihn aus und Joey bedachte ihn mit einem finsteren Blick. /Ich habe dich nicht darum gebeten, den Übersetzer für mich zu spielen./ Doch der Ägypter beachtete ihn überhaupt nicht mehr. „Schön und gut, aber musstest du unbedingt mich anrufen?“, fragte er Mokuba und wirkte leicht empört. Der Junge löste sich zögerlich von Joey und wischte sich mit einem Ärmel seines Schlafanzuges über die Augen. „Es tut mir Leid“, murmelte er betreten. „Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Und dann habe ich Yugi angerufen ...“ „Das war mir schon bewusst“, brummte Marik und verschränkte missgestimmt die Arme. „Dem verdanke ich ein blaues Auge. Obwohl, eigentlich eine blaue Wange.“ Joey knurrte ihn an. /Hör auf, Mokuba zu beschuldigen. Siehst du nicht, wie mies es ihm geht? Hast du überhaupt kein Taktgefühl?!/ „Das sagt der richtige“, erwiderte Marik mit finsterer Miene. „Wer von uns will denn hier Kaiba in handliche Einzelteile zerlegen?“ Yugi räusperte sich vernehmlich. Marik richtete seinen Blick auf Mokuba, welcher noch immer darum bemüht war, die nicht enden zu wollenden Tränen aus dem Gesicht zu wischen und die letzten Worte des Ägypters zu seinem Glück nicht mitbekommen zu haben schien. Zunächst verzog sich Mariks Mund leicht, dann seufzte er geschlagen und schloss die Augen. „Schon gut, schon gut.“ Noch immer wirkte der Junge schrecklich verlassen. Unbeholfen stupste Joey ihn mit der Nase an. /Na los, Kopf hoch./ Er verfluchte sich, weil er nicht laut sprechen konnte. „Joey meint, du sollt dich nicht so hängen lassen“, meinte Marik. Nach einem bösen Blick des Blonden korrigierte er sich widerwillig. „Was ich damit meinte war: Joey möchte, dass du aufhörst zu weinen.“ Mokuba sah zu dem Grabwächter auf. „Woher weiß du, was Joey denkt?“, fragte er, dabei leise schniefend. Marik deutete auf den Millenniumsstab an seinem Gürtel. „Darum“, meinte er kurz angebunden. Joey musterte ihn nachdenklich. Je länger Mokuba in Mariks Nähe war, desto auffälliger wurde dessen Verhalten. /Sag mal, Marik ... kommst du nicht gut mit Kindern klar?/, fragte er schließlich. Der Kopf des anderen ruckte zu ihm herum, während Bakura zu lachen begann, denn er hatte die Worte ebenso vernommen. „Wie war das?!“, fauchte der Ägypter, Joey dabei mit seinen Blicke mental erstechend. „Was hat er gesagt?“, fragte Mokuba und nun schwang eindeutige Neugierde in seiner Stimme mit. Nur seine linke Hand, die er noch nicht aus Joeys Fell gelöst hatte und welche sich beinahe Halt suchend an den Blonden krallte, zeugte noch von seinen Gefühlen - die Erleichterung und gleichzeitige Angst, ihn wieder verlieren zu können. „Er hat Marik einen Schwachpunkt vor Augen gehalten“, bemerkte Yugi leise, der sich ein Schmunzeln verkneifen musste. „Ich habe keinen Schwachpunkt“, giftete Marik, dem diese Worte keinesfalls entgangen waren. Ein Räuspern unterbrach sie und alle richteten ihre Aufmerksamkeit auf Roland, der dem Geschehen stumm gefolgt war. „Verzeihen Sie meine unhöfliche Unterbrechung, aber wollen Sie diese Konversation nicht im Salon fortsetzen? Ich habe mir die Freiheit genommen, ihn herrichten zu lassen. Für ein Frühstück ist alles vorbereitet.“ Mokuba sah ihn dankbar an. „Danke Roland.“ Der Mann verneigte sich leicht. „Soll ich Master Kaiba über den Besuch Bescheid wissen lassen?“ Mokubas Blick suchte Joeys. Der Oberschüler gefangen im Hundekörper saß noch immer an der selben Stelle, an welcher der jüngere Kaiba ihn umarmt hatte, in genau derselben Position und starrte auf den Marmorboden der Eingangshalle, ohne ihr Muster wirklich wahrzunehmen. Er schüttelte den Kopf. „Noch nicht“, meinte Mokuba zögerlich, sich dabei wieder an Roland wendend. Der Blick des Mannes richtete sich auf den Hund, der sich unzweifelhaft im Zentrum des Geschehens befand. Dann nickte er und deutete auf eine Tür zu seiner rechten. „Der Salon.“ „Klasse“, meinte Marik und ein zufriedenes Grinsen erschien auf seinen Lippen, während er Roland folgte, dabei Bakura an der Schulter packte und hinter sich herzog. „Jetzt gibt es ein kostenloses Frühstück. Endlich die Entschädigung, auf die ich gewartet habe.“ Joey blieb wo er war. Die Stimmen entfernten sich. „Und jetzt?“ Yugi war geblieben, genau wie Mokuba. Beide standen nun vor Joey, welcher es nicht für nötig sah, seinen Blick von dem Marmorboden zu nehmen. „Was hast du jetzt vor, Joey?“, sprach sein bester Freund die Frage aus, die alle beschäftigte. „Das würde mich auch interessieren“, mischte sich nun auch Nico ein, die – natürlich – jedem einzelnen Wortwechsel in der Eingangshalle gefolgt war. Sie schwiegen. Die Stille schien durch ihre penetrante Anwesenheit allen Platz einzunehmen. Joey hatte das Gefühl, in seinem Raum eingeengt zu werden. Nannte sich das Platzangst? Oder war es Panik? Warum verspürte er Panik? Er wusste, was er wollte. Er wollte zu Kaiba, damit er mit ihm abrechnen konnte. Aber dafür müsste er erst wieder ein Mensch werden und laut Marik, musste er dafür ebenfalls zu Kaiba. So oder so, jeder Weg führte zu Kaiba. „Seto ist in seinem Arbeitszimmer.“ Joey blickte auf. Es war Mokuba, der gesprochen hatte. Er stand neben Yugi und wirkte in seinem zu großen Schlafanzug in dieser viel zu großen Eingangshalle so erschreckend klein. Seine blauen Augen waren auf Joey gerichtet, in ihnen spiegelte sich Ernst wider. „Er hat es seit gestern nicht mehr verlassen.“ Joey hob den Kopf, seine Ohren stellten sich leicht auf. „Ich weiß nicht, was mit ihm ist“, bemerkte Mokuba leise. „Er hat nach der erfolglosen Verhandlung mit Pegasus meinen Zugang zu seinem Arbeitszimmer blockiert“, fügte Nico hinzu. Joeys Augen verengten sich bei diesen Worten. Die Wut kehrte schlagartig zurück. Seine Hundeschnauze zuckte und aus dem hinteren Teil seiner Kehle bahnte sich ein Knurren seinen Weg hinaus. Mokuba zuckte zurück. „Joey“, sagte Yugi mahnend. Augenblicklich verklang das Knurren, doch Joey spürte, dass sein Nackenfell sich weiterhin sträubte, wie bei einer Katze. „Da ist offensichtlich jemand in seinem Stolz gekränkt“, merkte Nico und es schwang in ihrer Stimme derselbe spöttische Tonfall mit, den Kaiba für gewöhnlich in Joeys Gegenwart an den Tag zu legen pflegte. „Ich habe die Verhandlungen mit Pegasus mitverfolgt. Du musst wirklich wütend auf Kaiba sein.“ Erneut drohte das Knurren anzuschwellen, doch nun spürte Joey Yamis ernsten Blick auf sich und riss sich zusammen. Er schüttelte den Kopf. /Ich muss zu ihm, damit ich wieder ich selbst werden kann. Ich will den Schock in seinen Augen sehen, wenn der Hund vor ihm steht, der seiner Meinung nach nicht einmal einen Moment des Überlegens, geschweige denn des Zögerns wert war, bevor er ihn verraten hat./ Eine Hand legte sich auf seinen Kopf und drückte ihn kurz hinunter. Nicht grob, dennoch bestimmt. Eine Geste, die ab und zu bei Hunden angewandt wurde um ihnen zu zeigen, dass sie etwas Dummes getan hatten, man sie jedoch nicht schlagen wollte. Nur war derjenige, der sie ausführte, Yami. Joey sah ihn stumm an. „Egal wie schlimm es gewesen sein mag, er wird seinen Grund gehabt haben.“ /Du warst nicht dabei/, beschwerte sich Joey. /Du hast ihn nicht gehört. Du hast nicht gehört, wie er es gesagt hat./ Nun erntete er einen Klaps auf den Kopf. /Hey!/, empörte er sich und schnappte nach der Hand. Nicht mit dem ernsthaften Wunsch, den anderen zu beißen, sondern um ihn zu erschrecken. Doch Yami gab sich unbeeindruckt. Joey bezweifelte das abgesehen von ihm überhaupt jemand bemerkt hatte, dass Yugi sich verändert hatte. Dass es nun Yami war, der vor ihnen stand. Nicht einmal Mokuba schien die Veränderung großartig aufgefallen zu sein. Sein Blick ruhte einzig auf Joey. „Hör auf damit“, meinte Yami nur und sah ihn durchdringend an. /Mit was? Wenn es doch wahr ist!/ „Geh“, sagte der Ältere nun. Mehr nicht , nur dieses eine Wort und er ließ unzweifelhaft erkennen, dass die Konversation damit für ihn beendet war, denn er wandte sich um. Er legte Mokuba eine Hand auf die Schulter. „Er wird es klären.“ Damit dirigierte er den Jungen in Richtung Salon. Mokuba warf Joey über die Schulter einen fragenden Blick zu, Yami wandte kurz den Kopf und nickte Joey auffordernd zu, dann betraten sie den Salon und verschwanden aus Joeys Sichtfeld. Der Blonde sah ihnen stumm hinterher. Seine Ohren registrierten die Stimmen, die nun erklangen. „Wo ist Joey? Ich hoffe, er tut endlich, weswegen er hier ist.“ Marik klang, als würde er nebenbei etwas kauen. „Das wird er.“ Das Geräusch eines Stuhl, der über den Boden geschoben wurde, war zu vernehmen. Yami hatte sich hingesetzt. „Es wäre besser für ihn. Ansonsten“ – Marik unterbrach sich – „Pharao?!“ „Marik.“ „Was bei allen Göttern – den Schlag nehme ich dir immer noch übel!“ „Ich habe mich bereits entschuldigt.“ „Das ändert nichts.“ „Roland kann dir einen Eisbeutel bringen“, schlug Mokuba vor. Er klang nicht mehr so unsicher. Langsam schien er sich zu beruhigen. Marik gab ein unartikulierbares Knurren von sich. „Er will damit sagen, ‚nein danke’“, übersetzte Bakura und lachte leise. Er wandte sich ab. Er hatte genug gehört. Er wusste - irgendwo in der hintersten Ecke seines Verstandes, die nicht von Rachegedanken an Kaiba gefüllt war – dass Yami mit seinen Worten recht hatte. Aber er hieße nicht Joey Wheeler, wenn er auf seinen Verstand hören würde. ***** Er stand vor der Tür des Arbeitszimmers. Hier hatte alles angefangen. Als er vor vielen Tagen, nachdem auf den regennassen Straßen auf Mokuba getroffen war, hier aufgewacht war, hatte er in einem Körbchen in Kaibas Arbeitszimmer gelegen. Nun sah es ganz danach aus, als ob alles, was er in der Zeit, die dazwischen lag, erlebt hatte, nun auch wieder in diesem Zimmer enden würde. Er kam sich vor, wie in einem billigen Groschenroman. Er würde vieles geben, um die Handlung bestimmen zu dürfen, solange nur Kaiba am Ende derjenige war, der den Kürzeren zog. Man ließ einen Joey Wheeler nicht mit einem einfachen ‚nein’ fallen. Das ließ er nicht mit sich machen. Er würde dafür sorgen, dass Kaiba diese Entscheidung doppelt und dreifach bereuen würde. Er stellte sich auf die Hinterbeine, legte die Pfoten auf den Türgriff und zog ihn hinunter. Die Tür sprang lautlos auf. Joey ließ sich wieder auf alle Viere hinab und betrat den Raum. Das erste, was ihm auffiel war, dass der Raum unnatürlich stickig war. Die Luft war geradezu zum Greifen dick. Langsam setzte er eine Pfote vor die andere. „Würden Sie das wiederholen?!“ Kaibas Stimme klang mehr als nur gereizt und Joeys Kopf schnellte zur Seite. Der junge Mann stand neben seinem Schreibtisch, ein schnurloses Telefon in der einen, einen Zettel in der anderen Hand und hatte ihm den Rücken zugewandt. Joey verengte die Augen, während sich Empörung heißer Lava gleich in seinem Körper ausbreitete. Dieser elende Mistkerl wagte es doch tatsächlich zu arbeiten, als ob nichts los wäre?! Als ob nie etwas passiert wäre. Wie hatte er nur jemals annehmen können, Kaiba wäre anders? Er zuckte leicht zurück, als die Hand des anderen sich unvermittelt verkrampfte und den Zettel zerknüllte. Joeys Ohren zuckten, während der Brünette die Papierkugel in hohem Bogen von sich warf. „Was soll das heißen, Sie können die Spur nicht weiter verfolgen?!“, fuhr er die Person am anderen Ende der Leitung ungehalten an. Seine Stimme bebte vor Wut und er ballte die Faust. /Was kümmern mich irgendwelche schief gelaufenen Firmenangelegenheiten?!/, dachte Joey und seine Krallen kratzten über den teuren Teppichboden. /Geschieht dir ganz recht! Von mir aus kann deine Firma ruhig den Bach runtergehen!/ „Wofür bezahle ich Sie eigentlich?!“, donnerte Kaiba nun ins Telefon. Langsam begann sich in Joeys Hinterkopf etwas zu regen. Seit wann reagierte Kaiba so, wenn es um seine Firma ging? „Unmöglich, sagen Sie?! Was bitte kann Sie daran hindern, die Verfolgung wieder aufzunehmen?“ Er wandte sich um, offenbar auf der Suche nach etwas, an dem er seine Wut auslassen konnte. „Wo bitte kann er sich aufhalten, dass Sie nicht –“ Sein Blick fiel auf Joey. Das erste Mal erlebte Joey Seto Kaiba vollkommen sprachlos. Beinahe hätte er das Telefon fallen gelassen. Es entglitt seinen Fingern, doch er schaffte es, den Griff noch rechtzeitig zu festigen. Ohne auf die fragenden Laute vom anderen Ende der Leitung zu achten, legte er auf. Gleichgültig ließ er das Telefon auf seinen Schreibtisch fallen. Sein Blick bohrte sich in den Joeys. Der Blonde starrte zurück. Die soeben gewonnenen Informationen setzten sich einem Puzzle gleich zusammen, bis sie ein Bild ergaben. Und das Motiv brachte sein Blut nur noch mehr in Wallung. Seine Zähne zeigten sich und ein gefährliches Knurren entrang sich seiner Kehle. Seine Augen waren nur noch schmale Schlitze, um seine Hundeschnauze zogen sich Unheil verkündende Falten. Zornesfalten eines Tieres, das bereit war, auf sein Opfer loszugehen. „Was machst du hier?“ Die Worte Kaibas, denen ein eindeutig abweisender und gleichwohl vorwurfsvoller Tonfall beiwohnte, waren es, die seine Beherrschung niederrissen. Endlich hatte er es verstanden und das volle Ausmaß dieser Unverschämtheit ließ ihn rot sehen. /Du hast es gewusst!/, schrie er Kaiba entgegen, während seine Kehle bellende Laute entkamen. /Du hast alles geplant! Ich fasse es nicht! Alles! Du verdammter Mistkerl hast das alles absichtlich gemacht! Und was ist mit mir? Hast du egoistischer Großkotz auch nur einen Moment an mich gedacht?!/ Er vergaß vollkommen, dass der andere ihn unmöglich verstehen konnte. Gefangen in seinem Zorn, dem Schock der Erkenntnis und dem Frust, der sich in ihm angestaut hatte, zusammen mit der Enttäuschung, war er blind. Blind für alles, abgesehen davon, Kaiba seine Empörung und Entrüstung entgegen zu schleudern. /Nein, warum sollte man auch?! Ich bin bloß ein unwichtiger Hund, der es nicht einmal Wert ist, dass man seinetwegen zögert, geschweige denn um ihn verhandelt. Warum sollte man auch?! Nach allem, was mir passiert ist, ist es nur fair, mich wie irgendeinen dahergelaufenen Streuner zu behandeln, weil ich ja offenbar nicht mehr wert bin! Und ich Vollidiot habe mir auch noch Vorwürfe gemacht, weil ich dir Probleme beschert habe! Ich war blind genug, auf dich hereinzufallen, ich habe meinen Hals riskiert, nur um das Ausmaß der Probleme nicht noch zu vergrößern! Wegen dir konnte ich mich von Pegasus Leibwächter - oder was auch immer er war - demütigen lassen, wegen dir habe ich einen Maulkorb tragen müssen, wegen dir wurde ich überhaupt erst entführt!/ Er schloss krampfhaft die Augen, konnte den Anblick des anderen nicht länger ertragen. Er fühlte sich hintergangen. /Wegen dir durfte ich durch strömenden Regen rennen, einer Kilometer langen Straße folgen, nachdem man mich einfach aus dem Auto geworfen hat. Wie den letzten Dreck wurde ich in den Graben geschmissen, weil sie mich für tot hielten! Und warum habe ich den toten Hund gespielt?! Du würdest mich auslachen, wenn du könntest, das weiß ich! So oft habe ich mir gewünscht, wieder ich selbst zu sein, ich kann es nicht mehr zählen. Keine verdammte Minute in dieser Nacht ist verstrichen, ohne dass ich es mir nicht wenigstens ein einziges Mal gewünscht habe! Und nichts passiert! Und was erfahre ich, nachdem ich es geschafft habe, mich zu Yugi durch zu kämpfen?! Dass ich zu dir muss! Dass ich zurück zu dem muss, der mich einfach so mit einem simplen ‚nein’ sitzen lässt, auf dass ich selbst meine Haut retten kann! So sehr habe ich mir in dem Moment gewünscht, wieder ein Mensch zu sein, damit ich dir für dieses eine Wort eine verpassen kann! Ich wünschte, ich wäre jetzt wieder ein Mensch, um dir zeigen zu können, wie dankbar ich dir für deine Kooperation mit Pegasus bin! Aber nein, alles hat nichts gewirkt und dann werde ich auch noch dazu gezwungen, wieder hierhin zu kommen!/ Heißkalte Schauer jagten ihm über den Rücken. /Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn ein Teil von dir nichts lieber will, als die Flucht zu ergreifen und am liebsten das Land zu verlassen und der andere Teil geradezu danach schreit, hierhin zurück zu kehren, um dir alles heimzuzahlen? Natürlich kannst du dir das nicht vorstellen, denn du musst ja nicht diese Erfahrung machen! Du sitzt ja nicht in dieser Scheiße - gefangen in einem Hundekörper, im Haus der Person, die man am allerwenigsten ausstehen kann, die einen zum Schluss hinterrücks hintergeht! Nein, dir bleibt so etwas erspart, denn es trifft natürlich mich, wen auch sonst?!/ Er spürte ein Stechen in seinem Kopf. Es musste an seiner Bellsalve liegen. /Natürlich bin ich es, denn immer ist es Joey Wheeler, der Pech hat, immer bin ich es, der den Kürzeren zieht, warum sollte es also dieses Mal anders sein?!/ Seine Pfoten kribbelten. „Und jetzt erzähl du mir nicht, dass du es mit deiner Firma schwerer hast! Hast du schon einmal die Erfahrung gemacht, einen Maulkorb tragen zu müssen oder etwas in der Art? Nein, natürlich nicht. Du doch nicht! Doch nicht Seto Kaiba! Aber ich habe es und alles nur, weil Marik dieser Idiot nichts Besseres zu tun hatte, als aus einer einfachen Wette plötzlich Ernst zu machen! Aber im Endeffekt ist alles deine Schuld Kaiba. Wärst du nie gewesen, wäre es nie soweit gekommen. Wärst du nicht gewesen hätte ich mich nach drei Tagen wieder zurückverwandelt. Wärst du nicht gewesen, hätte ich all diese scheußlichen Erfahrungen gar nicht erst machen müssen! Sie wären mir erspart geblieben, ich hätte auch nicht erfahren müssen wie verdammt weh es tut, wenn du mich einfach so hängen lässt! Es hat verdammt noch mal echt weh getan und ich fasse es immer noch nicht, dass es überhaupt wehtun konnte! Es ist alles nur deine Schuld. Warum musst du Mistkerl dich auch erst von dieser vollkommen anderen Seite zeigen?! Ich hätte liebend gerne darauf verzichten könne, aber nein, du hast es ja darauf angelegt. Dann war da dieser scheußliche Traum und dann kam Nico auch schon mit dieser verdammten Liste von da an war es unmöglich zu ignorieren! Ich wünschte, du könntest mir eine Antwort darauf geben, warum das alles so ist. Ich will dich nicht kennen, ich will nichts über dich wissen! Wie werde ich all dieses Wissen wieder los?! Ich will dich Mistkerl wieder hassen!“ Ein Räuspern unterbrach ihn. Blinzelnd öffnete er die Augen. Und begegnete Kaibas Blick, der unmöglich zu deuten war. Er blinzelte erneut. War sein Blickfeld eben nicht ganz anders gewesen? Er blinzelte wiederholt und hob reflexartig die Hand. Sein Herzschlag verdoppelte sich schlagartig und aufkeuchend riss er die Augen auf, während sein Blick sich auf seine Hand richtete. Das konnte nicht – Er hatte sich doch nicht – Wie war das möglich?! Heilige Scheiße. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)