A Dog's Life von mystique (Gesegnet mit vier Pfoten ♥ WheelerxKaiba) ================================================================================ Kapitel 18: Träume sind Schäume? -------------------------------- 17. Kapitel: Träume sind Schäume? Seto Kaiba hatte Joey Wheeler zu hassen. Joey Wheeler hatte Seto Kaiba zu hassen. Hass, war alles, was sie zu verbinden hatte. Und dennoch ... Da gab es etwas anderes, was sie nun verband. Etwas, das niemand erwartet hätte. Etwas, das so abwegig erschien, dass sie es nicht akzeptieren wollten. Etwas, dass sie nicht akzeptieren konnten. Etwas ... Liebe. Als Joeys Bewusstsein es schaffte, sich wieder an die Oberfläche zu kämpfen, umgab ihn Schwärze. Halb benommen glaubte er zunächst, dass diese Dunkelheit an seinen wohlmöglich noch geschlossenen Augen lag, doch nach etlichen ermüdenden Fehlversuchen wurde ihm schleppend bewusst, dass es daran nicht liegen konnte. Sein Kopf schmerzte entsetzlich und er schaffte es nicht wirklich, seine derzeitige Lage einzuordnen. Die Schwärze beraubte ihn einer zentralen Wahrnehmung und sein Geruchssinn schien ihm ebenso abhanden gekommen zu sein. Er lag auf einem unebenen Untergrund und schien sich auf irgendeine ihm unbegreifliche Art und Weise fortzubewegen. Träge versuchte er, seine tauben Glieder zu bewegen, doch alles was er schaffte war eine müde Regung, die ihm zeigte, dass er in seinem Freiraum eingeschränkt war. Rauer Stoff streifte seine empfindliche Nase und er brauchte einige Zeit, um zu realisieren, dass er sich offenbar in einer Tasche oder etwas Ähnlichem befand. /Was ... ist den nur ... mit einem Mal los?/, fragte er sich halbwach und schüttelte den Kopf, um die Benommenheit abzuschütteln. Erfolglos. /Ich war doch eben noch ... und dann ... ich wollte doch ... zu Marik ... und habe ... Kaiba?/ Geschlagen ließ er den Kopf zurückfallen und versuchte, seine Gedanken halbwegs zu ordnen, doch er schaffte es nicht. Stattdessen spürte er, wie sein Geist langsam wieder davon driftete und seine Motorik nach und nach erlahmte, bis er schließlich wieder das Bewusstsein verlor, begleitet vom stetigen Rumpeln seines Untergrundes. oOo ‚Alle die mir irgendetwas bedeuten, hassen mich.’ ‚Ich hätte von Anfang an wissen sollen, dass Empfindungen nichts bringen.’ ‚Ich hätte mich nicht erst darauf einlassen sollen.’ ‚Es war ein Fehler.’ ‚Wirst du ... würdest du ... danach wiederkommen?’ ‚Versprochen.’ Das erste, was er wieder halbwegs bewusst wahrnahm, war ein stetiges Prasseln in seinem Hinterkopf. Er schlug die Augen auf und augenblicklich überrollte ihn eine Welle der Schmerzen und Übelkeit. Gequält kniff er sie wieder zusammen und wartete einige Minuten, bis sich das flaue Gefühl in seinem Magen legten und er es gefahrlos schaffte, seine Augen wieder zu öffnen und sich umzusehen. Irritiert blinzelte er, als die Umgebung um ihn herum klare Konturen annahm. /Wo bin ich hier?/ Er lag auf einem roten Kissen in einem großen Zimmer. Beunruhigt sah er sich um. Dieser Raum gehörte nicht zur Kaibavilla, das sah er auf den ersten Blick. Alleine aufgrund der Tatsache, dass Kaiba jeden seiner Räume bevorzugt in kühlen Farben einrichten ließ und nicht in einem dunklen Rot, wie in diesem Fall. Das Prasseln, welches er für eine Nachwirkung seiner Bewusstlosigkeit gehalten hatte, erwies sich als Regen, welcher gegen die Scheiben der Fenster tropfte. Der Himmel draußen war dunkel vor Wolken, die sich einer Mauer gleich, über das blaue Zelt gelegt zu haben schienen. Grau und Schwarzvermischten sich, schienen nicht vor zu haben, in nächster Zeit zu weichen. Joey drehte seinen Kopf und betrachtete den anderen Teil des Raumes. Auch dort fand er keinen Anhaltspunkt, der ihm zeigen konnte, wo genau er sich hier befand. Nach etlichen Minuten gab er den Versuch auf, sich irgendwie zu orientieren und versuchte stattdessen, seine tauben Glieder dazu zu bringen, ihm wieder zu gehorchen. Mühsam schaffte er es, seine Beine dazu zu überreden, seinen Leib hochzustemmen, bis er schließlich mehr oder weniger sicher auf seinen vier Pfoten stand, darauf bedacht, dem ermattenden Schwindelgefühl in seinem Kopf nicht doch noch nachzugeben und den Weg zurück auf das Kissen zu finden. Benommen schüttelte er den Kopf und die bleierne Müdigkeit wich endlich von ihm, ließ nur noch einen schwachen Rest Mattigkeit zurück, den er versuchte, zu ignorieren. Er hob den Blick und fixierte das Fenster am anderen Ende des Raumes. Neben der Fensterbank stand ein alter Stuhl aus Mahagoni. Seine Chance, herauszufinden, wo genau er sich hier befand! Er setzte sich in Bewegung, nahm genügend Anlauf und sprang in einer – mittlerweile geübten – Bewegung auf den Stuhl. Das Möbelstück, durch dieses plötzliche Gewicht beinahe schon unangenehm überrascht, kippte fast zur anderen Seite über, doch Joey schaffte es rechtzeitig, einen zweiten Satz auf die breite Fensterbank zu machen, sodass der Stuhl rechtzeitig sein Gleichgewicht wieder fand. Leise hechelnd warf Joey einen Blick zurück. /Puh, das wäre beinahe schief gegangen, Wer weiß, wen ich sonst noch mit dem Gepolter angelockt hätte .../ Er wandte den Kopf und blickte besorgt nach unten. /Hoffentlich hält die Fensterbank mein Gewicht aus. Ein Fliegengewicht bin ich in diesem Körper auch nicht gerade .../ Seine braunen Augen wanderten an der Fensterscheibe hinauf und er sah nach draußen. Schwer musste er schlucken. Vor ihm breitete sich ein weites Grundstück aus. Ein mit dunklen Steinen gepflasterter Weg führte ein Stück vor dem Fenster entlang. Breit genug, für ein Auto. In der Ferne meinte er eine Steinmauer zu erkennen, davor häuften sich die Pflanzen eines gut gepflegten Gartens. Oder war dies etwa nur die Einfahrt? Bei diesem Gedanken wurde ihm leicht schwindelig. Kaibas Grundstück war schon überdimensional groß, doch dies hier schien alle Register zu sprengen. Bei wem zum Henker war er hier gelandet?! Was war überhaupt geschehen? Das letzte, woran er sich erinnern konnte war die Straße, durch die er gerannt war, dann war ihm auf einmal schwarz vor Augen geworden. Man hatte ihn tatsächlich entführt! Doch wer war es? Als hätte man seine Frage mitbekommen, hörte er mit einem Mal den Motor eines Wagens, der mit der Zeit immer näher zu kommen schien. Joeys Ohren zuckten und stellten sich wachsam auf, während er angespannt den Kopf reckte, um einen Blick auf das Gefährt zu erhaschen. Keine fünf Sekunden später war es in seinem Blickfeld. Eine lange, schwarze Limousine mit verspiegelten Fenstern. Innerlich fluchte Joey. /Mist, jetzt kann ich nicht sehen, wer da drin sitzt. Wie soll ich da jemals erfahren, bei wem ich hier bin?!/ Die Limousine fuhr vor dem Fenster vorbei und verschwand schließlich wieder aus seinem Blickfeld. Frustriert wollte Joey sich abwenden, doch er erstarrte mitten in der Bewegung. Sein Blick hing an dem Griff des Fensters, nur ein kleines Stück über seinem Kopf. Hinter seiner Stirn ratterte es, während er das verzierte, alte Stück Metall anstarrte. /Eine ... Möglichkeit./ Hier fand sich seine Chance auf eine Flucht. Zwar wusste er nicht vor wem – hatte er in der Limousine niemanden erkennen können – doch er spürte instinktiv – zu irgendetwas musste dieser Sinn zur Gefahrenerkennung ja gut sein – dass hier eindeutig etwas schief lief. Die Tatsache, dass man ihn betäubt hatte – anders konnte er sich seinen Bewusstseinsverlust und die Benommenheit nicht erklären – sprach doch schon mehr als für sich. Überhaupt, wie viel Zeit war eigentlich vergangen? Wie lange hatte er hier gelegen? Wie lange ... wartete Mokuba schon auf ihn? Er hatte doch nur zu Marik gewollt. Er hatte doch nur wieder ein Mensch werden wollen und zu Kaiba ... Ich liebe ihn? Vollkommen nüchtern stellte sein Geist ihm auf einmal diese Frage. Ohne Vorwarnung. Einfach so. Joeys Ohren zuckten und unruhig peitschte sein Schwanz auf der Fensterbank hin und her. Warum jetzt? Warum in dieser Situation? Warum ausgerechnet hier, wo er sicher kaum weiter weg von Kaiba hätte sein können, als in diesem Raum? Warum ... überhaupt? Er liebte Kaiba? Hatte ihn nicht diese Erkenntnis übermannen wollen, kurz bevor er das Bewusstsein verloren hatte? Bevor man ihn betäubt hatte? Er liebte ... Kaiba? Wie konnte es soweit kommen? Wieso bemerkte er es ausgerechnet jetzt? Warum war er nicht geschockt und fiel vor Schreck nicht von dieser hohen Fensterbank und brach sich nicht wohlmöglich sein Hundegenick? Warum blieb das Entsetzen aus, mit dem er in den letzten Tagen oft genug zu kämpfen gehabt hatte? Wohin war die Angst vor der Erkenntnis mit einem Mal verschwunden? Wo war sein Hass auf Kaiba? Warum spürte er nichts, abgesehen von ... Resignation. Wo war der Joey Wheeler, der bei dieser Erkenntnis einen entsetzten Schrei von sich gegeben hätte, nur um anschließend eine künstlerische Schimpftirade, an den Brünetten gerichtet, zu entsenden und sich dabei an Kreativität und Einfallsreichtum hinsichtlich „Kaiba-Beleidigungen“ nur so zu überschlagen? Wo blieben die verhemmten Abwehrreaktionen, die Wutausbrüche, die Gegenargumente zu dieser These, warum blockte er nicht ab? Warum verspürte er nichts weiter als Resignation?! /Vielleicht/, dachte er mit einem bitteren Nachgeschmack und senkte den Blick – vergaß vollkommen den Fenstergriff zur Freiheit, /vielleicht habe ich mich im Gegensatz zu ihm einfach damit abgefunden. Ohne es zu bemerken./ ‚Ich hätte von Anfang an wissen sollen, dass Empfindungen nichts bringen.’ ‚Ich hätte mich nicht erst darauf einlassen sollen.’ ‚Es war ein Fehler.’ /Er will es noch nicht akzeptieren, weil er es nach all der Zeit immer noch nicht kann. Er kann es nicht./ Ein Bild schoss durch seinen Geist und sein Kopf ruckte hoch. Ungläubig starrte er ins Leere, blickte, ohne es zu merken, aus dem Fenster in den wolkenverhangenen Himmel. Warum hatte er dann ein Bild von mir auf seinem Schriebtisch in der Kaiba Corporation? Warum hat er mich Joey genannt? Warum hat er sich Sorgen um mich gemacht, als ich einfach so von der Bildfläche verschwand? Irgendwie musste der Brünette sich doch damit abgefunden haben, es akzeptiert haben, wenn dies alles geschehen war. Man hatte nicht ohne Grund das Bild einer Person auf dem eigenen Schriebtisch. Man machte sich nicht grundlos Sorgen um jemanden, den man angeblich hasste. Man benannte den eigenen Hund nicht nach jemanden, den man versuchte, zu vergessen! Vielleicht hatte Kaiba es akzeptiert. Vielleicht hatte er sich damit abgefunden. Vielleicht wollte er nicht vergessen. Doch vielleicht ... begann er nun zu zweifeln. Joeys Blick wurde klar und er beobachtete nachdenklich den Regen, der gegen die Scheiben des Fensters prasselte. So kompliziert die Lage momentan für ihn war, so verwirrend seine Gedankengänge momentan schienen, hätte er es gekonnt, er hätte gelächelt. /Das ist doch mal wieder typisch, Kaiba. Selbst wenn jeder von uns jetzt weiß, wie er für den anderen fühlt, machen wir es uns doch selten schwierig, findest du nicht auch? Im Nachhinein ist es so typisch, dass es schon wieder nicht anders vorstellbar ist. Wie soll das nur jemals mit uns funktionieren, wenn sogar der Ansatz die reinste Katastrophe ist?/ Ob Kaiba daran glaubte, dass jemals etwas aus ihnen würde werden können? Oder hatte er diesen Gedanken längst aufgegeben, zusammen mit allem, was nicht in das strenge Schema seines Lebens passte. Warum überhaupt ich? Es war das erste Mal, dass er sich diese Frage bewusst stellte und er wunderte sich, dass sie erst so spät aufkam, wo sie doch die Erste hätte sein müssen, nachdem er von Nico die Wahrheit erfahren hatte. Warum hatte Seto Kaiba Gefühle für ihn, Joey Wheeler, entwickelt? Sie hatten sich gehasst. Mehr als alles andere. Von Anfang an. Seit er auf die Domino Highschool gekommen war, über das Königreich der Duellanten, und das Battle City Turnier hinweg, bis hin zu dem Zwischenfall mit Orichalcos und dem Kaiba Corporation Grand Prix. Wann war dieser Hass zu etwas anderem geworden? Und warum ausgerechnet er? Es gab unzählige Mädchen an der Schule, die dem Brünetten regelrecht zu Füßen lagen – er konnte sich sicher kaum vor den weiblichen Fangemeinden retten – wie also kam Seto Kaiba dann ausgerechnet auf ihn? Den ‚drittklassigen Duellanten’, den ‚Versager’, den ‚Köter’ ... das ‚Hündchen’. Was war besonders an ihm, dass er es schaffte, Seto Kaiba dazu zu bringen, sich offenbar in ihn zu verlieben? Kaiba zufolge besaß er keinerlei Qualitäten, kein Können, gar nichts. Was also war es? Und was war es, das ihn dazu brachte, etwas für Kaiba zu empfinden? Den ‚arroganten Schnösel’, den ‚reichen Pinkel’, ‚überheblichen Mistkerl’ ... Kaiba eben. Gegensätze ziehen sich an, heißt es. Eine Theorie, die durchaus auf sie zuträfe. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein und dennoch ... dennoch ... /Seit wann bin ich so nachdenklich?/ Die Frage kam überraschend in ihm auf, doch war sie keinesfalls grundlos. Seit wann machte er sich derart viele Gedanken? Normalerweise war Joey Wheeler jemand, der erst handelte, bevor er überlegte. Doch warum war er mit einem Mal so anders? Er hatte alleine in den letzten Minuten mehr über sich und den Brünetten nachgedacht – sachlich nachgedacht – wie selten zuvor in seinem Leben. Was geschah hier nur mit ihm? Wo war der alte Joey? Hatte er sich über die letzten tage hinweg nach und nach etwa so sehr verändert, dass er nun irgendwie ... ein neuer Joey war? /Da sieht man mal, was solche Gefühle anrichten können, wenn sie mich sogar zu einem nachdenklich Teenager machen/, dachte er voller Ironie. Das Knarren der Tür hinter ihm riss ihn unsanft in das Hier und Jetzt zurück. Er saß noch immer auf der Fensterbank eines fremden Zimmers in einem fremden Haus, dessen Besitzer ihm noch immer unbekannt blieb. Es war nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, um sich in verwirrenden Gedankengängen zu verlieren. Seine Ohren stellten sich wieder auf und er wirbelte herum. Dummerweise war die steinerne Fensterbank für eine derart schnelle Bewegung nun doch zu schmal gewesen, was ihn das Gleichgewicht verlieren ließ. Mit einem verschreckten Jaulen fiel er nach unten. Zum Glück war der Fall nicht sehr tief, dennoch reichte er aus, um ihm für einige Sekunden sämtlich Luft aus den kleinen Hundelungen zu pressen. Japsend lag er auf dem Boden, versuchte die bunten Punkte, die vor seinen Augen auf und abtanzten, abzuschütteln. Er blinzelte, blickte nach vorne und sah gerade noch, wie die dunkle Holztür zu dem Zimmer aufschwang und ein schwarzes, glänzendes Paar Schuhe in seinem Blickfeld erschien. Sein Blick wanderte an der Gestalt hinauf, an der schwarzen Hose vorbei, über ein ebenfalls schwarzes Jackett bis hin zu dem, von einer verspiegelten schwarzen Sonnenbrille verdeckten Gesicht und blieb schließlich an der seltsamen Frisur der Person hängen. Konzentriert kniff er die Augen zusammen. /Moment, der kommt mir bekannt vor./ Spitz zulaufende braun-schwarze Haare und ein gemeines Grinsen auf dem Gesicht des Mannes. Joeys Augen weiteten sich, im Angesicht der Erkenntnis. /Nein! Das kann doch nicht sein!/ Er kannte den Mann! Er hatte ihn schon einmal gesehen. Es war einer der Handlanger von – „Na sieh mal einer an. Ist der Kleine also aufgewacht?“ Die Stimme des Mannes unterbrach seine Gedanken. Er trat näher. Joey rappelte sich hastig auf und wich zurück. Dies alles konnte unmöglich wahr sein! Er war doch nicht wirklich – „Na so was, du brauchst doch keine Angst zu haben. Ich will dir nichts tun. Ich bin nur hier, um dich zu holen.“ /Dann versuch’s erstmal!/ Der dunkel gekleidete Mann kam näher und erst jetzt bemerkte Joey das lederne Band in seiner Hand. Der Blonde wich weiter zurück. /Der will mich doch nicht etwa anleinen?! Na warte, bevor du das schaffst, musst du mich schon überwältigen!/ Er spürte etwas Festes hinter sich und realisierte mit Schrecken, dass er die Wand erreicht hatte. Unruhig blickte er wieder nach vorne. Der Mann war jetzt alarmierend nahe und streckte die Hand nach ihm aus. „Na komm schon, sei ein braver kleiner Hund und – au!“ Joey hatte kurzen Prozess gemacht und den Kerl gebissen. Fluchend zog er seine Hand zurück. „Na warte, du kleines Biest!“ /Biest?! Dir werd ich es zeigen! Mann nennt einen Joey Wheeler nicht einfach Biest!/ Ein plötzlicher fester Griff in seinem Nacken ließ ihn zusammenzucken. Er versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien, doch blieb dies ohne Erfolg. Etwas wurde ihm fest um den Hals gezerrt und schnürte ihm beinahe die Luft ab, dann löste sich der Griff. Doch der Druck auf seiner Kehle ließ nicht nach. Entsetzt stellte er fest, dass der Mann ihn tatsächlich an die Leine gelegt hatte. Verzweifelt zerrte er an dem Lederband, doch damit schnürte er die Schlaufe um seinen Hals nur noch fester. „Versuch es nur, Kleiner, das wird nichts.“ /Von wegen! Du wirst dich noch wundern! Man legt einen Joey Wheeler nicht einfach um die Leine!/ Er kräftiger Ruck riss ihn herum und er wäre beinahe wieder gestürzt, doch die Leine wurde so kurz gehalten, dass er oben blieb. Keuchend und mit hasserfülltem Blick starrte er zu dem Mann hinauf, der ihn triumphierend angrinste. „Du bist jetzt schön brav und kommst mit, Kleiner, sonst leg ich dir einen Maulkorb um.“ /Maulkorb?!/ Die braunen Hundeaugen verengten sich und ein Knurren entwich Joeys Kehle. Der Typ sollte versuchen, ihm einen Maulkorb umzulegen – eher würde er sterben! Der Mann setzte sich in Bewegung und zog Joey erbarmungslos hinter sich her. Da der Blonde nicht den Wunsch nach Sauerstoffmange verspürte, versuchte er, mit dem Größeren Schritt zu halten, was nicht so leicht war, wie er sich das vorstellte, hatte der Mann doch wesentlich längere Beine als der kleine Hund. Sie verließen das fremde Zimmer und betraten einen dunklen, fremden Korridor. Er zerrte Joey durch unzählige Gänge, bis sie einen großen Saal erreichten. Der Regen prasselte gegen die hohen Fenster, doch Joey hatte keine Zeit sich genauer umzusehen, wurde er doch ohne Pause weiter gezogen. Sie passierten eine steinerne Figur. Die Karikatur eines Hasen, oder was auch immer es darstellen sollte. /Sowas passt zu ihm/, schoss es Joey durch den Kopf. /Wirklich typisch./ Und auch als sie auf eine große hölzerne Doppeltür zusteuerten, deren Weg ebenfalls von steinernen Figuren flankiert wurde, wunderte sich der Blonde nicht darüber, denn es erschien ihm als kennzeichnend. Hase. Drache. Magier. Alle verunstaltet, durch rundere, niedlichere Züge. /Eindeutig. Das kann nur er sein./ Die Türen öffneten sich knarrend – musste eine Eigenheit von diesen Holztüren sein – und gab Blick auf das schwach beleuchtete Zimmer dahinter frei. Der Mann zog Joey unerbittlich hinter sich her, in den Raum. Knurrend wollte Joey sich losreißen, doch eine ihm wohlbekannte Stimme ließ ihn augenblicklich erstarren. „Unser kleiner Freund scheint außerordentlich widerspenstig zu sein.“ Joeys Nackenhaare stellten sich auf und er wirbelte knurrend herum. Vor dem Fenster stand eine schlanke Person in rotem Anzug. Ihr langes Haar fiel ihr über die Schultern und schimmerte matt in dem, von einer kleinen Lampe, beschienenen Raum. Joey fletschte die Zähne. /Warte nur, wenn ich dich in die Finger kriege! Du hast Yugi und uns schon genug Probleme gemacht und jetzt das! Das ist doch wohl die absolute Krönung!/ „Ja, Master“, stimmte der Mann, der Joeys leine hielt, zu. „Ein kleines Biest ist das. Es hat mich gebissen!“ Die Person am Fenster lachte, bevor sie sich gänzlich umdrehte. Das gedämmte Licht ließ die Schatten auf dem Gesicht der Person beinahe schon grotesk erscheinen. Strähnen des langen Haares verdeckten das linke Auge, in dem vor langer Zeit ein Millenniumsgegenstand gehaust hatte und ein belustigtes Lächeln lag auf den Zügen des Mannes, als er mit seinem gesunden Auge aufmerksam das knurrende Hündchen betrachtete. „Freut mich, dich kennen zu lernen, kleiner Kaiba-Hund.“ Joeys Entführer war niemand geringeres als Maximillian Pegasus. *~*~* Step up, Step up I’ll let you try to get to me But at the end you’re gonna see the only way to go through me yeah, yeah Step up, Step up I’ll let you try to get to me But at the end you’re gonna see Because the victory is pulling you right at me *~*~* „Dann wollen wir uns doch mal unseren kleinen Freund ansehen.“ Pegasus umrundete den Schreibtisch am anderen Ende des Raumes und kam zu ihnen herüber. Als er unmittelbar vor ihnen stand, hob er die Hand und richtete sich an den in schwarz gekleideten Mann. „Ich denke, du kannst uns nun alleine lassen.“ „Ja, Master Pegasus.“ Der Mann übergab Joeys Leine, dann drehte er sich um und verließ den Raum. Misstrauisch blickte Joey zu dem Leiter von Industrial Illusion hinauf. /Was hast du geplant, Pegasus?/ Der Silberhaarige beugte sich interessiert zu Joey hinab. „Ich muss gestehen“, begann er und lächelte weiterhin auf eine Art und Weise, die Joey innerlich zum Kochen brachte, „dass ich nicht damit gerechnet habe, jemals einen Tag zu erleben, an dem ich dem Haustier von Seto Kaiba gegenüberstehe. Eine wirklich interessante Wendung.“ /Was willst du von mir?/ „Ich frage mich nur, wie der gute Kaiba ausgerechnet – im wahrsten Sinne des Wortes – auf den Hund gekommen ist. Doch ich beklage mich sicherlich nicht“ –erneut lachte er – „dadurch ergeben sich für mich nur weitere interessante Möglichkeiten an das zu kommen, wonach ich verlange.“ Allmählich dämmerte es Joey, was der Silberhaarige vorhatte. Unglaube breitete sich in ihm aus. /Der will Kaiba mit mir erpressen?! Ist das jetzt ein neuer fieser Trick um an die Kaiba Corporation zu kommen? Und ich dachte er hätte sich in der Hinsicht geändert! Jetzt, wo er nicht mehr an Mokuba kommt will er mich als Köder nehmen?! So eine Unverschämtheit!/ Ein bedrohliches Grollen entwich seiner Kehle, woraufhin Pegasus ihn lächelnd musterte. „Nicht doch, kleiner Freund. Du wirst dein Herrchen bald wieder sehen. Natürlich unter der Bedingung, das der gute Kaiba meine Forderungen erfüllt.“ /Ich gerate auch wirklich vom Regen in die Traufe. Erst das Gefühlschaos und jetzt werde ich auch noch entführt. So etwas kann auch echt nur mir passieren./ Joey ließ bei diesem Gedanken unbewusst die Ohren hängen. „Du musst doch nicht traurig sein“, meinte Pegasus unschuldig lächelnd und tätschelte ihm den Kopf. „Du bist ein außerordentlich nützlicher kleiner Hund. Du kannst stolz auf dich sein.“ /Ja. Stolz darauf, unnötiger Ballast für Kaiba zu sein./ „Dann wollen wir doch mal sehen, was der liebe Kaiba sagt, wenn er erfährt, wo du zurzeit zu Gast bist. Ich finde, er hat lange genug gewartet.“ Pegasus drehte sich zur Seite und drückte in einer flüchtigen Bewegung auf einen Knopf neben einem Portrait an der Wand. Wenige Momente später teilte sich ein Stück der Wand und machte den Blick auf einen schwarzen Bildschirm frei. Flimmernd schaltete er sich ein. Sekunden verstrichen, dann erschien das Gesicht Seto Kaibas vor ihnen. Joeys Herzschlag beschleunigte sich. Kaiba wirkte mehr als nur verstimmt, von seiner einstigen Gelassenheit war auf dem Schirm nur noch wenig zu erkennen. Joey schluckte schwer. /Auf einmal geht alles Schlag auf Schlag./ Die blauen Augen Seto Kaibas sprühten beinahe Funken, als sie Pegasus fixierten und sich augenblicklich noch ein Stück verengten. „Wo ist er, Pegasus?“ Seine Stimme war bedrohlich leise und verlangte umgehend nach einer Antwort. Pegasus hob den freien Arm und deutete neben sich auf Joey. „Wir sind heute aber auffallend missgestimmt. Sieh her, Kaiba, hier ist dein teurer kleiner Freund. Unversehrt und in bester Verfassung. Du bist überraschend schnell zu dem Schluss gekommen, dass ich ihn habe. Nichts anderes habe ich von jemandem wie dir erwartet.“ Der Silberhaarige deutete eine anerkennende Verneigung an. /In bester Verfassung? Na ja, Hunger hätte ich schon .../ „Ich warne dich Pegasus, wenn du ihm auch nur –“ „Ihm wird nichts geschehen“, seufzte der Angesprochene gespielt theatralisch, bevor er mit plötzlich ernster Mine fortfuhr, „solange du das tust, was ich von dir verlange.“ Die Augenbrauen Kaibas zogen sich bei diesen Worten Unheil verkündend zusammen. „Was verlangst du, Pegasus? Ich dachte, wir wären mit diesen Entführungs-Erpressungsgeschichten durch.“ „Der Ansicht war ich auch“, entgegnete Pegasus beinahe schon fröhlich. „Bis zu dem Tag, an dem ich erfahren habe, dass du dir einen Gefährten zugelegt hast. Des Menschen bester Freund war nun auch der deine und in mir keimte eine neue Idee auf. Welch schicksalhafte Begebenheit, findest du nicht auch?“ „Ganz und gar nicht.“ „Wenn ich nicht über deinen Bruder an deine Firma komme, warum es nicht mit dem jüngsten Mitglied deiner kleinen Familie versuchen? Ein äußerst kluger Schachzug, wie ich gestehen muss.“ „Verzeih mir, dass ich nicht klatsche“, erklang es bissig aus den Lautsprechern des Monitors. „Aber nicht doch. Sieh es einfach als neues Katz und Maus Spiel, mein lieber Kaiba. Oder sollte ich es vielleicht eher Hund und Katz Spiel nennen?“ „Pegasus“, grollte Kaiba, der es offenbar leid war, weiterhin den Worten des anderen zu folgen, „ich verlange umgehend meinen Hund zurück. Ich habe Mittel und Wege um –“ „Ich denke“, fiel Pegasus ihm ins Wort und hob mahnend den Zeigefinder, „dass du derzeit nicht in der Position bist, Forderungen zu stellen. Wie du sicherlich unschwer erkennen kannst, habe ich das Druckmittel.“ /Warum immer ich?/ Kaibas Blick wanderte an Pegasus vorbei und kam auf Joey zur Ruhe, welcher sich ernsthaft wünschte, der Boden mochte sich unter ihm auftun und ihn verschlucken. Vorsichtig blickte er auf und sah Kaiba– zumindest den Teil, der auf dem Monitor zu erkennen war - entschuldigend an. Einen Moment lang meinte er so etwas wie Soge in Kaibas Augen gesehen zu haben, doch so schnell wie es gekommen war, verschwand es auch wieder. War Kaiba wohlmöglich gar nicht wütend auf ihn? Der Blick des Firmenleiters löste sich von Joey und richtete sich wieder auf Pegasus. „Was sind deine Forderungen?“ /Er geht darauf ein?!/, schoss es Joey ungläubig durch den Kopf. Der Silberhaarige wirkte äußerst zufrieden, als er erneut zu reden begann: „Ich verlange einundfünfzig Prozent deiner Firma.“ Die Augen des Brünetten weiteten sich sichtlich. „Einundfünfzig Prozent?! Weißt du, was du da verlangst?“ „Ja. Mit deiner Zustimmung zu dieser Forderung würde ich zum neuen Eigentümer der Kaiba Corporation.“ Fassungslosigkeit zeichnete sich auf dem Gesicht des Brünetten ab und Joey konnte gut nachempfinden, was in diesem Moment in dem anderen vor sich ging. Kaiba musste sich zwischen der Firma, die er aus dem Nichts geschaffen hatte – seinem Ein und Alles - und Joey entscheiden. Keine leichte Aufgabe, wenn man Seto Kaiba hieß. /Es tut mir leid. Es tut mir leid./ Einem helfenden Mantra gleich wiederholte Joey diese Worte, hoffte, Kaiba konnte sie irgendwie hören, obwohl er selbst wusste, dass dieser Wunsch lächerlich und kindisch war. /Das wollte ich doch alles nicht. Ich wollte doch nur zu Marik, damit ich wieder normal werde. Und jetzt das hier ... ich bin wirklich zu nichts zu gebrauchen. Ein nichtsnutziges Ding, dass bestenfalls zur Erpressung taugt. Es ist alles meine Schuld. Wegen mit verliert Kaiba wohlmöglich seine Firma .../ „Ich bin mir sicher, dass diese Entscheidung keinesfalls leicht für dich ist“, riss ihn Pegasus Stimme aus den Gedanken. Kaibas Mimik wechselte zurück zu seiner unbewegten Maske. Offenbar hatte er sich wieder einigermaßen im Griff. „Ich gebe dir aus diesem Grund zwölf Stunden, um dich endgültig zu entscheiden. Wie überaus großzügig von mir, nicht wahr?“ „Pegasus -“, setzte Kaiba an, doch der Silberhaarige ließ ihn nicht ausreden. „Ich erwarte deine Entscheidung, Kaiba.“ Mit diesen Worten schaltete sich der Bildschirm aus. Lange noch starrte Joey auf das matte Schwarz, in dem sich schwach das Licht der Lampe spiegelte, dann schloss sich die Öffnung in der Wand lautlos. Der Blonde wandte sich ab. Langsam hob er den Blick und sah zu Pegasus hinauf, welcher ihn die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatte und ihn nun wissend betrachtete. „Ich frage mich, wie dein Herrchen sich entscheiden wird. Für oder gegen dich?“ Joey sah gequält in eine andere Richtung. /Wenn ich das doch nur selbst wüsste./ *~*~* Do you really wanna know it I don’t think you wanna know it The way that this is goin down There my hero on the ground Do you really think you can Take over Pegasus's plans I don’t think you have a chance, chance *~*~* Und Joey erinnerte sich zu seiner eigenen Verwunderung an einen Tag, vor wenigen Wochen zurück. *~*~* „Ich erkläre es euch noch einmal“, seufzte die offensichtlich mit der Situation überforderte Frau angesichts des Chaos, welches in der Klasse herrschte. Der Lautstärkepegel sank um ein Beträchtliches, als sie drohend die Hände in die Hüften stemmte und die Schüler mit einem mehr als gefährlichen Blick taxierte. „Ich werde es jetzt nur noch einmal wiederholen, also wäre ich an eurer Stelle still, sonst hagelt es Einträge!“ Mit einem Schlag kehrte nun gänzlich Stille ein und auch die letzten verstummten. Zufrieden nickte die Pädagogin. „Gut. Ich werde euch nun in Paare zusammentun, dann werden wir zur Förderung der gemeinschaftlichen Arbeit ein Projekt für diese Stunde starten.“ „Wahrscheinlich wieder eines von diesen Psychospielen bei denen man einer Gehirnwäsche unterzogen wird, bevor sie einen mitnehmen und als Versuchskaninchen benutzen“, flüsterte Joey Yugi zu, welcher einen Platz neben ihm saß und bei seinen Worten grinsen musste. „Da du ja offenbar den Drang verspürst, dich anderen mitzuteilen, kannst du uns doch sicher auch erzählen, was es da so lustiges zu plaudern gibt, nicht wahr Joseph?“, erklang mit einem Mal die Stimme der Lehrerin und ließ ihn ertappt zusammenzucken. /Die lernt es nie, oder?/, schoss es ihm durch den Kopf. /Die soll mich Joey nennen!/ „Äh, das ... ich meine“, stammelte er überrumpelt, „nein, da gab es nichts.“ Verlegen kratze er sich am Hinterkopf. /Wenn die mich jetzt einträgt, bekomme ich echte Probleme!/ „Mir ist nur aufgefallen“, begann er zu erklären und suchte verzweifelt nach einer Ausrede, „dass Sie heute anders aussehen. Haben sie eine neue Frisur?“ /Uh, ganz falscher Versuch. Dumm, Joey./ Die Frau seufzte erneut. „Joseph, wenn du schon versuchst, dich aus der Affäre zu ziehen, dann doch bitte auf eine andere Art und Weise.“ Einige Mitschüler begannen zu lachen. Joeys Wangen brannten. /Sie hat es bemerkt. Mist!/ Doch zu seinem Glück beließ sie es dabei und begann stattdessen, die Pärchen für die Gruppenarbeit zusammenzustellen. Doch wahrscheinlich wäre er besser bedient gewesen, noch nicht von Glück zu reden, denn keine fünf Minuten später stellte sich heraus, dass von allem die Rede war, bloß nicht von seinem Glück. „Das können Sie doch nicht machen!“. protestierte er und sprang von seinem Stuhl. Einige Schüler in seiner Umgebung zuckten bei dieser plötzlichen Bewegung zusammen und ihre Gespräche verstummten. „Auf keinen Fall! Ich lege ein Veto ein oder mache sonst was! Ich bokettiere!“ „Wheeler, das heißt boykottieren. Tu doch wenigstens so, als besäßest du wenigstens einen Rest Verstand.“ „Da sehen Sie es!“, brauste der Blonde auf und deutete zitternd vor unterdrückter Wut auf den ihm zugeteilten Partner. „Ich kann und werde nicht mit so einem Geldsack zusammenarbeiten!“ „Denkst du, ich bin begeistert davon, Wheeler?“, entgegnete der, als ‚Geldsack’ bezeichnete, bissig. „Wenn hier einer von uns gestraft ist, dann doch wohl zweifellos ich.“ „Haben Sie das gehört?!“ Joeys Kopf schnellte zu der Lehrerin herum. „Er hat mich schon wieder beleidigt!“ „Von beleidigen kann keine Rede sein“, bemerkte Seto Kaiba verstimmt. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man das Aussprechen von Tatsachen als verwerflich bezeichnet.“ „Argh, du verdammter, neureicher – “ „Joseph!“ „Äh, ja?“ „Zügele dich ein wenig.“ „Warum ich? Der ist hier doch derjenige –“ „Herr Kaiba?“ /Immer dieses elendige ‚Herr’! Das macht mich wahnsinnig! Der ist doch nicht der Direktor!/ „Was gibt es?“ „Das gilt auch für Sie“, erklärte die Frau und schob sich mit einer Hand die Brille nach oben. Joey konnte deutlich sehen, wie die Empörung sich auf dem Gesicht des Brünetten ausbreitete. „Wie war das?“ „In dieser Gruppenarbeit geht es darum, dass die beiden Partner sich gegenseitig vertrauen –“ „Womit Sie bei uns bereits gänzlich fehl am Platz sind“, fiel der Firmenleiter ihr schroff ins Wort. Doch ließ sie sich nicht davon beirren und fuhr in ruhigem Tonfall fort: „Oder sich vertrauen lernen –“ „Was genauso wenig passiert!“, warf Joey dazwischen, doch auch davon ließ die Lehrerin sich nicht stören. „Oder zumindest lernen, miteinander umzugehen“, schloss sie schließlich und nickte zur Verdeutlichung ihrer Worte. „Insofern streben wir bei euch beiden eher letzteres Ziel an.“ „Wie beruhigend“, kam es ironisch von dem Brünetten. „Dem stimme ich zu und nun setzt euch bitte gegenüber auf eure Stühle. Genauere Anweisungen gebe ich gleich der gesamten Klasse.“ Mit diesen Worten rauschte sie davon, um die letzten Schülerpaare zu bilden. Knurrend ließ Joey sich auf seinem Stuhl nieder und der Blauäugige tat es ihm widerwillig gleich. Stumm saßen sie sich gegenüber, starrten sich finster in die Augen. „So meine Lieben“, nahm die Pädagogin nach einigen Minuten wieder das Wort an sich. „Jetzt wo alle einen Partner haben, können wir mit dem Projekt beginnen. Es beginnt nun einer von euch und erzählt dem anderen einen seiner kürzlich erlebten Träume.“ Stille. Die Schüler starrten ihre Lehrerin verständnislos an. Hatten sie gerade richtig gehört? Träume?! /Sind wir wieder im Kindergarten?/ „Na los, nun fangt schon an“, forderte die Frau sie mit einer unmissverständlichen Handbewegung auf. „Erzählt.“ /Das meint die doch nicht ernst!/ Mit Entsetzen registrierte Joey, wie die Schüler um sie herum nach und nach begannen, ihren Partnern einen ihrer Träume zu schildern. Einige von ihnen mit sichtlicher Begeisterung. Andere zaghaft, mit scheuen Blicken und wiederum andere mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, das mehr sagte als Worte. Missmutig wandte er sich wieder seinem Wunschpartner zu, welcher mit verschränkten Armen und abweisendem Gesichtsausdruck vor ihm saß und ihn kalt musterte. Wie er diesen Ausdruck doch hasste! „Und was machen wir jetzt?“, fragte der Blonde mit wenig Begeisterung in der Stimme. „Ich nehme nicht an, dass du mir einen deiner Träume erzählen willst.“ „Dann fang du doch an, Wheeler“, meinte Kaiba unvermittelt. Joey blickte überrascht auf. Auf den Lippen des Brünetten ruhte ein provokantes Lächeln. „Erzähl mir, wovon jemand wie du träumt. Lass mich raten: Sicher wünschst du dir nichts mehr, als einmal ein Erfolgserlebnis zu haben, nicht wahr? Das wäre wahrlich eine Premiere.“ Zu seinem eigenen Erstaunen spürte Joey auf diese Worte keine Wut in sich aufflammen. Stattdessen erwiderte er das Lächeln Kaibas voller Zynismus. Dieses Spiel konnte man auch zu zweit spielen. „Nicht doch Kaiba, wer wird denn gleich? Ich muss dich enttäuschen, du irrst dich. Davon träume ich nicht. Jede Nacht durchlebe ich die Vorstellung, wie es ist, ein echter Drachentöter zu sein und ich muss sagen, es macht wirklich Spaß. Ich bekomme allmählich Lust, es auch mal in der Realität zu versuchen.“ Wenn Kaiba überrascht war, so zeigte er es zumindest nicht. Stattdessen ging er auf Joeys Worte ein. „Ach wirklich, Köter? Da eröffnen sich ja ganz neue Seiten von dir. Aber ich schätze, es wird bei diesen Wunschträumen bleiben.“ „Glaubst du das, reicher Pinkel? Ich wäre mir da an deiner Stelle nicht so sicher.“ „Soll ich dir den Hundefänger rufen?“ „Ich bin kein Hund!“ Nun verspürte er wieder die altbekannte Zornesflamme in sich auflodern. „Dann hör auf, wie einer zu kläffen.“ „Ich kläff dich gleich an!“ „Als ob du das nicht schon längst tust.“ „Ich fürchte, dieses Projekt wird nicht die geringsten Auswirkungen auf unser gegenseitiges Verhalten haben!“ „Sieh an, das sind die ersten schlauen Worte, die ich seit langem aus deinem Mund gehört habe. Und das ist kein Kompliment, bevor du noch auf falsche Gedanken kommen solltest, Wheeler.“ „Denkst du, du kannst mich so leicht beleidigen, Kaiba?! Dazu brauchst du schon mehr!“ „Oh, ich lege es keinesfalls darauf an, dich zu beleidigen, Wheeler. Die Wahrheit alleine tut einen genauso guten Dienst.“ „Du wiederholst dich, Kaiba!“ „Fällt dir das also auf? Respekt, ich hätte nicht gedacht, dass du soviel von dem was ich sage, verstehst.“ „Legst du es drauf an, Großkotz?!“ „Kommt ganz darauf an, Köter!“ Während ihrer Diskussion hatten sich ihre Gesichter immer weiter genähert und nun trennten sie keine zehn Zentimeter mehr. Joey konnte das bedrohliche Funkeln in den blauen Augen seines Gegenübers nur allzu deutlich erkennen und war sich sicher, dass der Brünette dasselbe bei ihm sehen musste. Auf ihren Wortschwall folgte zunächst eisernes Schweigen, in dem jeder versuchte, den andern durch seine Blicke in die Knie zu zwingen. Doch wie erwartet blieb dies bei ihnen erfolglos. Joeys Mund verzog sich zu einem gehässigen Grinsen. „Gib es doch zu, Kaiba, in Wahrheit bist du nur neidisch, weil ich, im Gegensatz zu dir, einen Traum habe!“ Er hätte mit allem gerechnet, erwartete bereits die Konterung des Brünetten, doch dessen tatsächliche Reaktion überrumpelte ihn. Anstatt ihm eine passende Antwort entgegen zu schmettern, verzogen sich die Mundwinkel des anderen, als hätte er eben etwas sehr saures gegessen, dann brachte er in einer schnellen Bewegung Abstand zwischen sich und den Blonden. Er strafte Joey mit einem vernichtenden Blick, dann wandte er seinen Kopf in eine andere Richtung. „Du bist nicht der einzige, der einen Traum hat, Wheeler.“ Zunächst hielt Joey diese Worte für eine Einbildung, doch Sekunden später realisierte er, dass sie tatsächlich von Kaiba stammten. Er versuchte, seine Verblüffung und Verwirrung zu verdecken und es gelang ihm auch einigermaßen, schaffte er es doch, seinen Gegenüber nicht wie ein fremdes Wesen anzustarren. Trotzdem fand in seinem Kopf nur eine einzige Frage Platz: Seto Kaiba hatte einen Traum? *~*~* Betrübt war sein Blick Richtung Himmel gewandert, den noch immer die grauen Regenwolken bedeckten. Seine Ohren hingen seiner Stimmung entsprechend nach unten, sein Fell wirkte geradezu glanzlos. Unbewusst hatte er sich an diesen Tag zurückerinnert, der erst wenige Wochen zurücklag. Damals hatte er sich über das Verhalten des Brünetten wenig Gedanken gemacht, doch heute, nachdem die letzten Geschehnisse unmittelbar hinter ihm lagen, war die Erinnerung zurückgekehrt. Er schloss müde die Augen. Der Druck an seinem Hals machte ihm jede Sekunde deutlich bewusst, wo er sich derzeit befand, doch er versuchte es zu vergessen. Versuchte, nicht an das störende Halsband zu denken, welches Pegasus ihm umgelegt hatte. Nicht an die Erpressung, die der Leiter von Industrial Illusion mit ihm als Druckmittel geplant hatte. Und für eine kurze Zeit war es ihm auch gelungen. Bis jetzt. Jetzt saß er wieder in dem fremden Zimmer einer fremden Villa. Alleine. Einzig seine Gedanken als Gesellschaft. Und bereits wie vor ein paar Wochen - auf einem Stuhl gegenüber von Seto Kaiba - mit einem Gedanken, welcher sich in seinem Kopf manifestierte, als einziger dort einen festen Platz fand und sich dennoch von der damaligen Frage unterschied: Hast du vielleicht von mir geträumt? *~*~* Step up, Step up I’ll let you try to get to me But at the end you’re gonna see the only way to go through me yeah, yeah Step up, Step up I’ll let you try to get to me But at the end you’re gonna see Because the victory is pulling you right at me *~*~* Denn er war mittlerweile an einen Punkt gelangt, an dem er es sich tatsächlich wünschte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)