Vier und vierundzwanzig kleine Überraschungen von abgemeldet (Der Kleine Adventskalender) ================================================================================ 8. Dezember - DearS ------------------- Ren blickte aus großen Augen in die Flammen der zwei Kerzen, die auf dem Adventskranz in der Mitte des Tisches brannten. Es waren rote Kerzen, deren Standort verschönert war mit goldenen Bändern, Walnüssen, kleinen Weihnachtsmännern und goldgelockten Engelchen. Diese hielten kleine Instrumente in den Händen und schienen aus Leibeskräften eine stille Melodie mitzusingen. Als Takeya den Raum betrat, hob er fragend und ein wenig irritiert die Augenbraue. Selten hatte er Ren auf diese Art und Weise in sich gekehrt gesehen. Und noch viel seltener so andächtige. Die DearS stützte den Kopf in beiden Handflächen ab, suchte das Gleichgewicht mit auf dem Tisch gelagerten Ellenbogen. "Was ist denn?" Der offizielle Meister der DearS, welcher eine solche Bezeichnung rigoros ablehnte, trat näher an den Alien heran und blickte auf ihren mit langen türkisen Haaren bestückten Kopf hinab. "Mmh...?" Ren hob den Kopf und blinzelte gegen die Deckenbeleuchtung an, die Takeya einen Heiligenschein verpasste. Seufzend nickte der Junge zum Fenster. "Es schneit. Wollen wir nicht einmal nach draußen gehen? Den ganzen Tag in der Wohnung ist langweilig." Sonderlich viel Lust hatte er eigentlich nicht, mit der DearS, der Gott und die Welt nachlief, Zeit zu verbringen, aber sie hier so sitzen lassen, konnte er ja immerhin auch nicht. Seine Ehre trieb ihn geradezu zu dieser Frage. Das Mädchen überlegte, klimperte mit den Augen und nickte dann langsam. Immer noch in ihrer Schuluniform steckend, erhob sie sich und schritt an Takeya vorbei, um in ihre Schuhe zu schlüpfen, doch dieser hielt sie am Arm zurück. "Du solltest dich vorher wärmer anziehen. So holst du dir nur den Tod." Ren blinzelte abermals und nickte. "Du bist heute sehr nett, Takeya." Langsam trat sie wieder den Rückweg zu ihrem Schrank an und wühlte in den Sachen, die Neneko ihr im letzten Jahr auf Takeyas Kosten gekauft hatte. Allerdings fand sie nichts, dass ihrer Ansicht nach den Wetterbedingungen entsprechen könnte. Todesmutig und gefasst, jede Menge bunte Slips zu finden, trat Takeya neben sie und wühlte ebenfalls in den Kleidungsstücken, bis er eine Jeans, einen dicken roten Pullover, Mütze, Schal und Handschuhe hervorzog. Alles zusammen reichte er Ren, die zu seinem Schrecken bereits angefangen hatte, sich zu entkleiden. Sofort schloss der junge Mann die Augen und versuchte krampfhaft, nicht zu seiner außerirdischen Mitbewohnerin zu sehen, deren Busen ihn geradezu einmal mehr anspringen wollte. Wie immer wurde sich Ren ihres naiven Fehlers erst wieder bewusst, als sie sich den Pullover über den Kopf gezogen hatte und durch das Kopfloch lugen konnte. Zuerst verwirrt und dann etwas peinlich berührt, murmelte sie eine leise Entschuldigung, die Takeya mit einem hochroten Kopf und einem Nicken des selbigen hinnahm. Allerdings musste der junge Mann sich auch insgeheim eingestehen, dass es immer schwieriger für ihn wurde, nicht hinzusehen, wenn Ren sich umzog, und er im Zimmer war. Er war ja auch nur ein Mann in der Blüte seines noch so jungen Lebens. Und sie war wirklich das, was alle um ihn herum als schön bezeichneten. Selbst die Mädchen, die sonst dazu tendierten, alles niederzumachen, was schöner war als sie selber. Takeya blickte an die Decke empor und versuchte dort Ablenkung von Ren zu finden, die gerade in ihre Jeans stieg. "Ich bin fertig, Takeya." Die außerirdische Austauschschülerin schlüpfte in die warme Jacke und blickte an sich hinab. Diese Kleidung war so ganz anders als alles, was die Dears gewöhnlich trugen. Das Einzige, was nun noch an ihre Herkunft erinnerte, war ihr Halsband, das sie immer und überall trug, und welches sie als Teil der außerirdischen Delegation auszeichnete. Der Oberschüler nickte knapp und stieg bereits selber wieder in Jacke und Schuhe und band sich letztendlich einen dicken roten Schal um den Hals. Ganz Gentleman hielt er Ren die Tür auf, welche hinaustrat und auf eine dick verpackte Neneko stieß, die gerade hatte klingeln wollen. Takeyas Sandkastenfreundin grinste die DearS hinter ihrem dicken Schal breit an, während ihr verdampfender Atem ihre Brille beschlagen ließ. "Ich habe mir schon gedacht, dass ihr auch rauskommt. Und ich habe was für dich, Ren." Hinter dem Rücken zog das junge Mädchen einen Bilderadventskalender in Form eines Ovals hervor, welches von zwei Engeln aus der Sixtinischen Kapelle und Goldglitter geziert wurde. Rens Augen weiteten sich und man sah ihr ganz genau an, dass sie über den Sinn und Zweck des Ganzen nachdachte. "Du musst die ersten acht Türchen aufmachen. Und dann jeden Tag ein weiteres." Takeya nahm Neneko den Kalender aus der Hand und öffnete das Erste, damit Ren es auch wirklich verstand. Deren Kopf wippte langsam auf und ab. Erst als sie sich den kleinen Engel hinter dem Türchen angesehen hatte, begann sie, unter Takeyas Anleitungen weitere sieben zu öffnen. Jedes Bildchen hinter den Türen entlockte ihr ein kleines Lächeln. Neneko stieß unterdes Takeya in die Rippen. "Warum hast du ihr denn keinen gekauft? Ich weiß genau, dass du einen hast." "Und? Ich muss auch für meinen arbeiten gehen. Soll sie es doch auch so machen." Leicht verstimmt pustete er sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Als er allerdings in Rens leicht verletzt wirkende Augen blickte, stieß er entnervt und gleichzeitig etwas besänftigter den Atem aus. "Gut, ich hätte es machen können, aber ich habe es vergessen. Für nächstes Jahr gelobe ich Besserung." Ren begann zu strahlen und flog Takeya binnen Sekunden um den Hals. Dieser ruderte hilflos mit den Armen, verlor das Gleichgewicht und fiel auf sein Hinterteil. Ren landete ihrerseits weich auf ihm. Der als Airbag eingesprungene Schüler schaute verwirrt in die Augen der DearS, bis von der Straße eine frivol anmutende Stimme zu ihnen heraufdrang. Frau Mitsuka stand am Eingang des Gebäudekomplexes und verging fast vor eingebildeten erotischen Schwingungen. "Ahhh, eine Orgie. Eine Orgie. Darf ich zu sehen. Oder war sie schon. Erzählt davon, erzählt mir davon." So wie jedes Mal, wenn sie ein wenig Erotik unter ihren Schülern vermutete, begab sie sich in eine "fast-Selbstbefriedigung". Neneko schüttelte nur den Kopf und half Ren auf die Beine, die Takeya schuldbewusst anschaute. Dieser winkte allerdings bereits ab und nickte zur Haustür. "Lasst uns einen Kakao trinken. Mir ist kalt." Überzeugt von diesem Vorschlag folgten die beiden Mädchen ihm in de Wohnung, während Frau Mitsuka weiter ihren erotischen Phantasien frönte. --------------------------- © by Sandra Wronna/Merenwen Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)