Guilty von WeißeWölfinLarka (Schuldig - Kann ich es je wieder gut machen?) ================================================================================ Kapitel 37: Unter Druck geraten ------------------------------- Falls jemand sich fragt, warum er keine Erinnerungs-Ens bekommen hat: Ich verschicke nur noch Ensen an die Kommentatoren der letzten 2-3 Kapitel. Nicht, weil ich gemein bin, sondern weil ich nicht nerven will. Denn wer das Interesse an dieser FF verloren hat, aus welchem Grund auch immer, den will ich nicht weiter belästigen. Ich denke, derjenige kriegt es dann auch mit oder schaut irgendwann vielleicht mal so wieder rein. Ich schreibe dies nicht als Drohung oder aus Bosheit, sondern weil es mir selbst so geht, dass ich von mir aus immer gerne kommentiere, aber wenn ich länger mal nichts von mir hab hören lassen oder die betreffende FF auf unbestimmte Zeit weggelegt habe, und dann laufend Erinnerungs-Ens bekomme, dann fühle ich mich immer so unter Druck gesetzt und das gefällt mir gar nicht. Darum, getreu dem Motto "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu" habe ich mich zu dieser Lösung entschieden. Dieses Kapitel ist für , dank ihr habe ich guten Ansporn gefunden, die Charaktere ihren Persönlichkeiten entsprechend zu gestalten und dank einer tollen Unterhaltung mit ihr achte ich wieder vermehrt darauf, „in character“ zu bleiben. Bitte schön, dein Kapitel! :) ___________________________________________________________________________ Stöhnend und ächzend rieb Kai sich den Schädel. Er blinzelte ein paar Mal, zog es aber dann vor, die Augen geschlossen zu lassen. Beim nächsten Versuch, wach zu werden, versagte sein kienästhetisches Wahrnehmungsvermögen auf ganzer Linie. Brummend und mit schwerem Kopf tastete er um sich nach seinem Handy. Nur langsam sickerten die Erinnerungen durch. Vielleicht hatten sie es gestern doch etwas übertrieben. Doch als er hinter sich griff, erstarrte er. Vorsichtig linste er über seine Schulter. Eindeutig! Das bildete er sich nicht ein! Er versuchte sich so wenig wie möglich zu bewegen, als er endlich sein Handy fand – es hatte auf dem Teppich neben dem extra breiten Sofa gelegen – und eine SMS an die beste Adresse versendete: ~Tala! Es wird dich vielleicht wundern, aber… Neben mir liegt n nackter Typ im Bett... Hilfe!~ Kai versteifte sich, als sich der Körper hinter ihm bewegte. Aber sein Verstand hatte noch nicht wieder richtig eingesetzt. Es dauerte nicht lange, da bekam er Talas Antwort. ~Hä? dachte, du bist nicht schwul!~ ~Dachte ich auch…~ Plötzlich kam ein Stöhnen von dem Typen hinter ihm. Eine warme Hand legte sich auf Kais bloßen Arm. Kai durchfuhr ein unangenehmer Schauer. „Junge… der nackte Typ bin ich, Schwachkopf!“, raunte dann aber eine ihm allzu vertraute Stimme und Kai entspannte sich sofort. Er drehte sich zu seinem Freund um. Doch sie waren so ineinander verknäuelt, dass es sich als ein schwierigeres Unterfangen entpuppte als angenommen. „Und ich bin auch nicht nackt. Ich hab Boxershorts an, mein Freund!“, stellte der Rotschopf schließlich grummelnd klar. Kai grinste kurz. „Also war der Abend gestern gelungen, wie man sieht.“ „Ja. Und wir sind heil angekommen, ich hab dir doch gesagt, dass ich noch fahren kann!“ „Yura… Du bist nicht gefahren, der Taxifahrer ist gefahren und du saßt auf dem Beifahrersitz und hast mit dem Pappteller von deinem halbaufgegessenen Döner gelenkt!“ Kurz schwiegen sich beide an. Sie ließen langsam Leben und Erinnerungen in ihre Glieder und ihren Verstand sickern. Ein plötzlich aufkommender Lärm ließ sie jedoch stöhnend zusammenzucken. Beide richteten sich auf und lugten über die Sofalehne. Sie entdeckten Lin, mit einem Staubsauger hantierend, was offensichtlich Ursache des plötzlichen Kraches war. „Lin! Lin!!“, rief Kai und war erleichtert, als sie die Maschine auf seine Gestikulierung hin endlich abstellte. „Warum machst du das, so früh am morgen? Du weckst die anderen noch“, meinte er zu dem eifrigen Mädchen, dass fröhlich zu ihnen heran hüpfte. „Die anderen sind schon wach. Ray hat mich gebeten, ein wenig zu staubsaugen. Ich hab ihm gesagt, dass ihr da noch schlaft, aber er meinte, dass wär schon in Ordnung, das würde euch nicht stören. Du, Kai, warum schlaft ihr ohne Schlafanzug im Wohnzimmer?!“ Kai knirschte mit den Zähnen. Er sah auf die Uhr. Es war nach zwölf. „Nun, das wissen wir auch nicht so recht“, meinte Tala dann auf ihre Frage, streckte sich nun ausgiebig und stand auf. „Ich hol mir ne Aspirin, du auch?“ Dankbar nickte Kai, hielt sich aber bei der Bewegung sofort an der Sofalehne fest, als das Zimmer sich zu drehen begann. „Solnyschka, wir wollten euch nicht wecken, wir sind gestern etwas später nach Hause gekommen.“ „Ach so. Aber ihr solltet euch lieber anziehen, Mr. Dickenson wollte heute kommen. Und Ray hat gesagt, wenn ihr bis eins nicht wach seid, bekommt ihr kein Frühstück… oder Mittag…“ Kai lächelte schief. An Essen wollte er im Moment am wenigsten denken. „Ist gut. Dann mach du weiter, was immer du grade machst, und sag Ray, wir sind jetzt wach, ja?“ Der Silberhaarige machte sich auf in die Küche. Dort hatte Tala ihm ein Wasserglas hingestellt, mit einer Tablette darin aufgelöst, aber vom Rotschopf selbst fehlte jede Spur. Da Kai durch den Alkohol ausgetrocknet und sehr durstig war, stürzte er das Glas in einmal hinunter. Er wischte sich mit dem Handrücken über Lippen und seufzte. Auf dem Weg zum Bad sammelte er ihre überall im Wohnzimmer verteilten Kleidungsstücke ein, bevor er sie schließlich in seinem Zimmer aufs Bett warf und ins Badezimmer tapste. „Geht’s dir gut?“, fragte er das Häufchen Elend, das vor dem Klo kauerte und versuchte, das bisschen Würde, was es noch zu haben glaubte, zu behalten. „Ich sag mal so: Aspirin sagt heeey.... Magen sagt FICK DICH...Aspirin sagt heeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeey...Magen ruft Türsteher.“ Kai schaute ihn verdutzt an, brachte dann ein mitleidiges Grinsen zustande. „Musstest du dich übergeben?“ „Bis jetzt noch nicht.“ „Lieg nicht so mit dem Kopf auf der Klobrille, das ist unhygienisch.“ „Ich kann ja noch duschen.“ „Duschen hilft nicht gegen Ekelherpes.“ „Ich hatte nie Herpes.“ „Sei froh.“ Kai streckte sich und betrachtete sich im Spiegel. Er sah müde aus, aber nicht ausgelaugt wie noch vor ein paar Monaten. Diese Nacht, obwohl schlafraubend, hatte ihm gut getan. „Kannst du mir mal sagen, warum ich überall an meinen Armen und Beinen blaue Flecke und Schürfwunden habe? … Mein Kinn ist ja auch angekratzt!“ Tala starrte ihn an. „Das weißt du nicht mehr? Auf dem Heimweg haben wir ne Gruppe Skater getroffen. Du wolltest das unbedingt ausprobieren und hast dir ein Board geliehen. Bist damit diese abschüssige Straße runter. Du bist zwar ab und zu runter geflogen, hast aber trotzdem noch gelacht.“ „Oh mann… Die Nacht war gut, hm?“ „Kann man wohl sagen.“ Tala versuchte, gleichmäßig zu atmen und somit seinen flauen Magen zu beruhigen. Während er seine Hände in seine Knie krallte, fiel ihm etwas an seinem linken Ringfinger auf. Stirnrunzelnd hob er seine Hand und betrachtete das goldene, äußerst hässliche Exemplar eines Siegelringes oder was auch immer es war. Er erhob sich langsam aus seiner knienden Haltung und taperte vorsichtig in Richtung Dusche. „Was dagegen, wenn ich zuerst?“ „Nein. Geh. Ich muss mir die Zähne putzen.“ „Gut, und danach sprechen wir über das hier.“ Damit legte Tala den Ring neben Kais Zahnbürste und ließ Kai mit der Tatsache allein, dass auch er einen solchen besaß, wie ihm soeben auffiel. Etwa eine Stunde später saßen die beiden Freunde sich in der Küche gegenüber, jeweils einen Kaffee in der Hand und verharrten in harmonischer Schweigsamkeit. Tala tippte sein Handy an und scrollte sich durch die Nachrichten. „Ach du heilige Sch…!!!“ „Was denn nun schon wieder?!“, fragte Kai müde und bettete seinen Kopf auf den Armen. Seit sie von Lin geweckt worden waren, hatten sie von den anderen Bladebreakers niemanden mehr gesehen oder gehört. „Ich hab gestern an alle aus meinem Telefonbuch ne SMS mit der Frage ‚Sex?’ versendet!“ „Ja, und?“ „Na ja, immerhin weiß ich jetzt wer mit mir schlafen will. Hab ungefähr 30 ‚JA’ bekommen. … Sogar von Babuschka!“ „Wie, Babuschka hat auch mit ja geantwortet?!“, fragte Kai völlig konsterniert nach. „Nein!! Sie schreibt, dass ich in meinem Alter langsam wissen müsste, wie das geht und ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als sie nach der Sache mit dem Storch zu fragen.“ Tala lachte, las dann weiter, was Kai an den Bewegungen seiner Augen sehen konnte, in denen sich das Handydisplay reflektierte. „Außerdem schreibt sie, dass sie uns gestern gesehen hat und dass ich das toll gemacht habe und dass sie unheimlich stolz auf mich ist…“ Talas liebendes Lächeln wärmte Kais Herz durch und durch. Er reichte zu seinem Freund herüber und strich ihm kurz über die Hand. Dabei berührte er aber mit seinem Ärmel die beiden Ringe, die zwischen ihnen in der Mitte des Tisches lagen. Das lenkte Kais Aufmerksamkeit nun wieder auf sie. „Warum haben wir die? Ich weiß echt gar nichts mehr von letzter Nacht! Also, so gut wie nichts“, brummte er und holte sein Portemonnaie hervor, um herauszufinden, ob er vielleicht einen Kassenbon oder dergleichen hätte, falls er diese Ringe gekauft haben sollte. „Sei froh, dass wir dieses Problem in Ruhe versuchen können zu lösen, stell dir mal vor, dein Team wäre hier“, meinte Tala und kramte nun auch in seiner Brieftasche. „Das schon, aber ich frage mich, wo die alle sind. Und warum wir überhaupt hier sind und nicht in irgendeinem Hotelzimmer oder bei uns zuhause.“ Tala sah auf, die schlichte Beschreibung ihres gemeinsamen Heims ließen ihn lächeln. Er erkannte, dass Kai nun endlich angekommen war, vielleicht nicht in der WG, gegen die er sich stur noch immer zu wehren schien, aber in seinem alten Elternhaus. Diese Stadt war nun seine Heimat. „Das gibt’s nicht!“, rief der Rothaarige plötzlich aus. Im Gegensatz zu Kai war er fündig geworden. Frustriert warf er einen zerknitterten Kassenbeleg in Kais Richtung. „WAS?! 16.300 Yen für diese hässlichen Dinger? Was hat dich da geritten!! Die bringen wir zurück!“, meinte Kai und sprang energisch auf. Dass das keine so gute Idee war, sah man ihm an, denn sein Magen bäumte sich einmal kurz auf und ließ ihn ein Würgen unterdrücken. Fast im gleichen Augenblick hörten sie Lärm und Schlüsselklirren vor der Haustür und nur wenige Sekunden später rauschte ein furioser Mr. Dickenson in das Haus, hinein in die Küche, und knallte die heutige Tageszeitung auf den Tisch. Irritiert blinzelten Kai und Tala den Sponsor des Teams an. Dann blickten sie hinunter und bei dem Bild, das auf der Titelseite prangte, verschlug es ihnen beiden den Atem. Sie hatten mit einem Bericht über das Turnier gerechnet, aber nicht mit einem Artikel dieser Art. In dicken, schwarzen Lettern leuchtete ihnen die Schlagzeile „Turnier sorgt für Aufregung“ entgegen. Darunter ein halbseitiges Foto, das die beiden Freunde abbildete, als sie gerade beim Juwelier waren. Tala hielt Kais Hand, er hatte augenscheinlich gerade einen Ring an dessen Finger gesteckt und beide strahlten sich glückselig an. Die Bildunterschrift lautete: „Kai Hiwatari endlich angekommen – findet er mit Tala Ivanov nun endlich sein Glück?“ Die beiden Russen sahen sich Unheil witternd an. Tala faltete die Zeitung ganz auseinander, um den gesamten Artikel zu lesen. ~ Mit einem eindeutigen Sieg für die Bladebreakers läuteten für das gestrige Turnier die Abschiedsglocken. Höhepunkt bildete der doppelte Zweikampf innerhalb des Teams mit den Kontrahenten Max Mizuhara und Kai Hiwatari gegen Tyson Kinomiya und Ray Kon. Aber nicht nur dieses hitzige Gefecht sorgte bei den Zuschauern für Spannung und Herzklopfen. Einen Überraschungsmoment gab es direkt zu Anfang. Die Bladebreakers liefen mit einem neuen Mitspieler auf – und zwar mit keinem geringeren als Tala Ivanov, einem ehemaligen Mitglied der nun mittlerweile aufgelösten Demolition Boys, die ihrer Zeit durch ihre skrupellosen und brutalen Spielzüge für Schlagzeilen gesorgt hatten. Umso verwunderter schien also die Entscheidung, Ivanov aufzustellen. Eine Stellungnahme dazu hatte es seitens des Teams und vor allem vom Teamleader zu keiner Zeit gegeben. Doch scheint nun das Geheimnis gelüftet worden zu sein. Die Aftershow-Party trug einen Großteil dazu bei. Auf der unter Ausschluss der Presse stattfindenden Feier bejubelten die Teams den Sieg der Bladebreakers und das gelungene Turnier. Hier zeigten sich auch der Teamleader des japanischen Weltmeisters und deren Neuzugang in ausgelassener Stimmung. Diese hielt selbst noch an, als die Bladebreakers die Party verließen. Augenzeugen beschrieben die beiden ältesten Teammitglieder als außerordentlich gut gelaunt. Wie sich später herausstellte, trennte sich die Gruppe am späten Abend von Hiwatari und Ivanov, die daraufhin einen Juwelier aufsuchten. Dort sollen sie sich längere Zeit aufgehalten haben. Hier zeigte sich, dass die als reserviert und kalt wirkend bekannten jungen Blader doch ein Herz haben. Nach einem gegenseitigen Schwur tauschten sie in Anwesenheit des Juweliers Ringe aus und besiegelten ihr Gelöbnis mit einem Kuss. „Das Glück war ihnen ins Gesicht geschrieben“, wurde eine anonyme Quelle zitiert. Der Juwelier konnte bis Redaktionsschluss leider noch nicht zu den Geschehnissen befragt werden. Die heimliche Beziehung könnte ein Grund für die Aufnahme Ivanovs ins Team sein. Trotz der Zurückgezogenheit waren beide jungen Blader stets sehr beliebt, darum könnte die Aufdeckung der Beziehung einen Aufschrei der Enttäuschung unter den weiblichen Fans auslösen. ~ „Und so ähnlich steht das noch in ganz anderen Klatschpressen!“, schnaubte Mr. Dickenson und patschte mehrere Magazine und nicht ganz so seriöse Zeitungen auf den Küchentisch, die teils dasselbe Foto zeigten, teils aber auch andere Aufnahmen veröffentlich hatten, in denen beispielsweise ein Schwitzkasten als Umarmung interpretiert wurde, oder ganz eindeutige Schlagzeilen wie „Homoerotische Ausflüge – Kai Hiwatari genießt das Leben in vollen Zügen“. Kai starrte auf die Berichte. Wenn diese Artikel auch in Russland publiziert wurden? Wenn Boris oder Voltaire sie lesen und die Fotos sehen würden? Und was, wenn ihre Babuschka Schaden nähme durch diese Gerüchte? „Eine Ungeheuerlichkeit, dass solche Lügen über euch verbreitet wurden!“, fluchte Mr. Dickenson und riss Kai so aus seinen Gedanken. Max und Tyson sahen betreten zu Boden, sie wussten nicht, wie sie Kai und Tala nun ansehen sollten, wussten nicht, ob sie den Artikeln Glauben schenken durften. Kenny und Ray dagegen sahen die beiden Russen prüfend an. „Ich bin stocksauer, dass die euch das andichten wollen. Ich werde da anrufen. Ihr werdet ein Dementi abgeben. So eine Sauerei! Das stimmt doch nicht!“ Mr. Dickenson sah die beiden an und wartete auf Unterstützung. Tala schnaubte verärgert und knüllte die Zeitung zusammen. „Da wurde wohl jemand mit dem Klammerbeutel gepudert! Einmal – EINMAL – ist man gut gelaunt, und dann machen die so einen Scheiß draus!“, knurrte der Rothaarige und ärgerte sich vor allem darüber, dass weder er noch Kai die Reporter nicht entdeckt hatten. „Es hätte uns auffallen müssen“, murmelte Kai und schenkte Tala einen bedeutungsvollen Blick. „Ich werde alles in die Wege leiten. Macht euch keine Sorgen. Wir leiten sofort eine Pressemitteilung ein“, entschied ihr Sponsor und rauschte wieder aus dem Haus der Bladebreakers. Er hatte sich so für Kai als auch für Tala gefreut, dass sie nun anfingen, sich von ihrer Vergangenheit zu lösen und nun endlich das Leben genießen wollten. So eine negative Publicity konnten die beiden für den Neustart nun wirklich nicht gebrauchen. „Ah, wir helfen Ihnen, Mr. Dickenson!“, rief Tyson und fasste nach Max‘ Arm, um ihn mit sich zu ziehen. Zurück blieben nur noch die übrigen vier. „Muss ein gutes Tröpfchen gewesen sein“, bemerkte Ray und wandte sich ab, um eine leere Wasserflasche erneut mit Leitungswasser zu füllen. „Der Trick ist zwar einfach, aber sehr unauffällig, weil man das von euch trotz allem nicht erwartet.“ „Ihr wusstet davon?“, fragte Kai, während Tala ihre Ringe unauffällig in seiner Hosentasche verschwinden ließ. „Nicht direkt“, gab Kenny zu, „aber wir haben eure Taschen mitgenommen. Eine der Flaschen fiel raus. Ray ist der alkoholische Geruch aufgefallen.“ „Feines Näschen hat er“, meinte Tala gelassen und streckte sich. „Werdet ihr uns jetzt verpetzen?“ Ray seufzte und drehte sich wieder zu ihnen um. „Nein. Wir sind ein Team, oder nicht? Wir alle hatten unsere zwei Bier. Dass ihr was Stärkeres hattet, ist ja nicht schlimm. Ich bin nur erstaunt, dass euch das Zeug nicht umgehauen hat.“ „Wie viel?“, fragte Tala kurzangebunden. Ray blinzelte irritiert. „Wie viel was?“ „Wie viel verlangst du für dein Schweigen? Oder was genau verlangst du dafür?“ Der Chinese starrte die beiden entgeistert an: „Glaubt ihr etwa, ihr müsst unser Schweigen erkaufen?“ Er fühlte sich in seiner Ehre zutiefst gekränkt, das schimmerte durch seinen Blick durch. Kai legte eine Hand auf Talas Schulter. „Yura, schon gut. Danke, Ray. Wir schulden euch beiden trotzdem was.“ „Ah, ich glaube, dass ihr vor der Öffentlichkeit dementieren müsst, ist schon Strafe genug. Ehrlich, wie konnte das in so einem desaströsen Rummel enden? Ich meine, küssen? Ihr beide?“ Ray verschränkte die Arme und zog beide Brauen skeptisch in die Höhe, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Beide Russen wechselten nur einen kurzen Blick. „Das könnte passiert sein. Aber das wurde dann falsch interpretiert“, fing Kai an. „Bitte? Wie kann man einen Kuss falsch interpretieren?“, fragte Ray nun doch ein wenig fassungslos. „Das liegt in der Mentalität, Ray“, erklärte Kenny plötzlich unverhofft. „In Russland ist es üblich, auch wenn man nicht besonders intim miteinander ist, sich zur Begrüßung Küsse auf die Wangen zu geben. Wie bei den Franzosen. Weil wir das hier nicht kennen, wurde das von den Medien aufgebauscht, fürchte ich.“ Kurz setzte ein betretendes Schweigen ein. Schließlich wurde es von Tala gebrochen. „Tut uns leid. Wir haben nicht geahnt, dass wir so einen großen Aufruhr zu veranstalten…“, meinte er und rieb sich die Schläfen. „Was bedeutet homörotisch?“ Beim Klang der neugierigen Mädchenstimme zuckten alle vier Jungen wie ertappt zusammen. Sie sahen sich an und entdeckten Lin mit einer aufgeschlagenen Zeitschrift in den Händen. Plötzlich hatten alle etwas ganz Wichtiges zu erledigen und Kai blieb allein mit Lin in der Küche zurück. Er seufzte. „Das erkläre ich dir, wenn du älter bist.“ „Ich möchte das aber jetzt wissen!“ „Versprichst du mir, dieses Wort bis zu deinem 14. Geburtstag zu vergessen, wenn ich mit dir jetzt einkaufen gehe?“ „Na gut. Oh, wir haben keine Milch mehr. Und der Einkaufszettel ist voll.“ Kai tätschelte ihr den Kopf und lächelte wohlwollend: „Worauf du immer aufpasst... Gehen wir. Tala will sicher auch mit.“ Er schob sie hinaus aus der Küche und rollte die Zeitschrift zusammen, um sie zu entsorgen. Kenny und Ray lugten über die Kante der Küchentheke hinweg und sahen den beiden nach. „Nichts ist so stark wie Sanftheit. Und nichts ist so sanft wie echte Stärke.“ Ray lächelte über Kennys Zitat. „Weißt du was? Ich glaube… große Brüder kleiner Schwestern werden bestimmt mal tolle Väter für ihre Töchter.“ Der Supermarkt war gut besucht. Geschäftig eilten Hausfrauen durch die Gänge, während Rentner gemächlich und in aller Ruhe die Regale absuchten, als hätten sie alle Zeit der Welt. Lin schob den bereits gut gefüllten Einkaufswagen vor sich her. Kai hatte die Einkaufsliste in zwei Hälften gerissen und eine davon Tala gegeben, zum einen, damit es schneller ging, zum anderen, weil sie besser nicht zusammen einkaufend entdeckt werden sollten. Das wäre nur zusätzliches Futter für die Presse. „Das wird ein richtiger Großeinkauf…“, murmelte Kai und streckte sich, um Feinwaschpulver aus den oberen Regalen zu holen. Lin strengte sich an, den Wagen zu ihm zu schieben, aber dieser war bereits ziemlich schwer geworden. „Was hältst du davon, wenn ich ab jetzt den Wagen nehme und du ihn weiter vollstopfst?“, fragte Kai das Mädchen und hielt ihr die Einkaufsliste entgegen. Zum Glück hatte Ray diese geschrieben, seine Schrift war die einzige, die Lin lesen konnte. Alle anderen hatten eine Sauklaue, was den Einkaufszettel betraf, Kai eingeschlossen. Schließlich waren sie am Ende ihrer Liste angelangt und der Laden noch voller geworden. Kai sah sich um, konnte Tala aber nicht so schnell entdeckten. Also schnappte er sich seine kleine Schwester und hob sie über die Menschenmenge hinweg in die Höhe. „Sag mir, wenn du unseren Pumuckl siehst.“ Er drehte sich einmal um die eigene Achse und ließ ihr Zeit. „Da hinten bei der Milch ist er“, rief sie fröhlich und winkte, woraufhin Tala zurückwinkte und verständlich machte, er würde zur Kasse kommen. „Aber Kai, ich glaube, Tala findet das bestimmt nicht nett, wenn du Pumuckl zu ihm sagst.“ „Dann bleibt das unser kleines Geheimnis, ja?“, grinste Kai und ließ das Mädchen wieder runter. Als Tala nach großer Mühe zu ihnen aufgeschlossen hatte, stellten sie sich hintereinander an die Kasse und packten die Waren aufs Band. Lin konnte nicht helfen, sie hatte nicht die Kraft, die schweren Dinge aus dem Einkaufswagen zu hieven und sie war zu klein, um über das Gitter des Wagens zu greifen. Darum besah sie sich die Topfpflanzen, die neben der Kasse zum Verkauf angepriesen wurde. Der Kassiererin fiel das auf: „Oh, die Kleine quengelt ja gar nicht!“ Kai sah erstaunt auf, und um der freundlichen Konversation willen bemüht, bemerkte er dazu: „Sie ist eben gut erzogen.“ Die Kassiererin lachte. Die meisten Grundschulkinder baten immer um diese oder jene Süßigkeit, die vor der Kasse im Regal lagen, und trieben damit Eltern oder ältere Geschwister in den Wahnsinn. „Sie scheinen aber auch sehr streng zu sein.“ „Natürlich. Disziplin sollte schon sein.“ In dem Moment quietschte Lin fröhlich auf und rannte zu Kai, zupfte an seinem T-Shirt. „Ohhh... Kai, bitte, darf ich die Blumen da haben? Bitte, bitte! Ich werde mich auch ganz gut um sie kümmern, und sie würden auf der Küchenanrichte ganz toll aussehen!!“ „Natürlich, mein Schatz. Du darfst sie haben. Gib her.“ Der Silberhaarige nahm ihr die Orchidee ab und stellte sie aufs Band. Tala konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und stützte sich amüsiert auf dem Griff des Wagens ab. „So viel zum Thema ‚um den Finger wickeln‘…“ Es war spät geworden, als sie den Einkauf mit Hilfe des Rests des Teams im Haus verstaut hatten. Tala hatte sich vor gut zwei Stunden verabschiedet. Für Lin war es nun Zeit, ins Bett zu gehen. Kai geleitete sie ins Zimmer. Er wollte ihr gerade eine gute Nacht wünschen, da fragte sie zum ersten Mal, seit sie bei ihm wohnte: „Kannst du mir eine Geschichte erzählen?“ Kai stutzte. Er blickte um sich, aber er hatte nie daran gedacht, ihr Kinderbücher zu schenken und sie hatte nie darum gebeten. Den einzigen Lesestoff boten die Schulbücher. „Hmm… Ich will es mal versuchen. Lass mich kurz überlegen, okay?“ Lin nickte und klopfte neben sich aufs Bett, damit er sich zu ihr setzte. Er kam der Aufforderung nach, lehnte sich an die Wand und ließ zu, dass sie sich an ihn kuschelte. Sanft zauste er ihr Haar und legte dann einen Arm um ihre schlanken Schultern. Er hatte in seinen Erinnerungen gekramt und glaubte gefunden zu haben, was ihm einst seine eigene Mutter stets vorgetragen hatte. „Wenn es eine gute Geschichte ist, kann ich bestimmt gut schlafen.“ Kai nickte. Er fing leise an: „Klein sagt: ‚Und was, wenn wir gestorben sind? Stirbt die Liebe dann ganz geschwind?‘ Groß nimmt Klein sanft in den Arm. Sie schauen hinaus in die Nacht. Der Mond ist hell, Klein hat es warm. Die Sterne glänzen sacht. ‚Schau mal, wie die Sterne strahlen, wie sie glitzern, wie sie funkeln. Aber manche von den Sternen sind schon viele Jahre dunkel. Trotzdem leuchten sie – und wie! Liebe und Sternenlicht, die sterben nie!‘ …“ ** Gesprochen hatte er langsam, beinahe als hätte er befürchtet, die Worte, die er aussprach, zu zerbrechen. Er sah aus dem Fenster, der Mond schickte silbriges Licht ins Zimmer, die einzige Lichtquelle im Raum. „Bist du Groß? Und bin ich Klein?“ Lächelnd nickte Kai und drückte ihr einen Kuss in den Scheitel. Er erhob sich und sie rutschte hinein in die Kissen und er deckte sie zu, damit sie nicht fror. „Спокойной ночи, мой маленький ангел.“ Seine Stimme war belegt. Er musste sich zurückziehen. Diese Erinnerung an gute Zeiten tat ihm nicht gut. Er wollte sich jetzt keine Sentimentalitäten erlauben. Kai winkte ihr noch mal und schloss leise die Tür hinter sich. Auf dem Weg nach unten bemerkte er einen Schatten vor der Haustür. Und schon im nächsten Moment klingelte jemand Sturm bei ihnen. Kai hechtete zur Tür und riss sie auf. In der Tür stand Tala. Aber in welchem Aufzug! Seine Haare hingen schlaff hinunter, total zerzaust. Er sah aus wie ein abgewrackter Junkie. Seine Augen waren geschwollen und stark gerötet. Hatte er geweint? Dazu die Zigaretten in seiner Hand. Er wollte doch aufhören. Mit zitternden Fingern zündete Tala sich zwei auf einmal an. „Was ist los?“ Wie konnte in den zwei Stunden etwas dermaßen Schlimmes passieren, was seinen besten Freund aus der Bahn warf? Das Feuerzeug ging nicht an. Es wollte nicht zünden. Kai schloss die Tür hinter sich und trat nach draußen „Tala, was ist passiert?“, fragte Kai ein zweites Mal. Jetzt sah der Rothaarige auf und vergaß seine Nikotinsucht. „Sie haben sie… sie haben sie… По мудаков хую она была похищала!!!“, schrie Tala plötzlich laut auf. „Was? Wer?“ „Babuschka… DIESE VERDAMMTEN ARSCHLÖCHER HABEN BABUSCHKA!!!“ ______________________________________________________________________________ -.-.-.-.-.-***-.-.-.-.-.- Kinästhetisches Wahrnehmungsvermögen: gesamte Umgebung wahrnehmen **Debi Gliori So wie du bist. Спокойной ночи, мой маленький ангел. (Spokojnoj no4i, moj malenkij angel) – Gute Nacht, mein kleiner Engel. По мудаков хую она была похищала. (Po mudakow huiju ona buila pochitschala.) - Sie wurde von Schwanzlutschern entführt! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)