Guilty von WeißeWölfinLarka (Schuldig - Kann ich es je wieder gut machen?) ================================================================================ Kapitel 33: Schatten der Erinnerung ----------------------------------- Atemlos keuchten beide Kontrahenten sprichwörtlich aus dem letzten Loch. Keiner von ihnen wollte sich die Blöße geben, vor diesem Publikum zu versagen. Sie konnten es sich auch schlicht nicht leisten. Und darum schenkten sie sich nichts. Auch aus dem Grund, den jeweils anderen nicht zu beleidigen. Mit Samthandschuhen wollten sie von dem anderen niemals angefasst werden. Dies war bereits der 47. Kampf zwischen ihnen. Keiner der beiden hatte in ihrer Lehrzeit einen Sieg gegen den anderen erreichen können. Und auch dieses Match ging schließlich unentschieden aus. Kai knickten die Beine weg, erschöpft fiel er auf die Knie, während Tala noch stehen konnte. Ihre Blades jedoch kreiselten unregelmäßig, bis sie nur noch eierten. Dranzer und Wolborg stießen sich noch ein letztes Mal an, dann kippten sie um. Tala fischte beide aus dem Stadium, ging um die kleine Arena herum und hielt den schwarzen Blade Kai entgegen. Auch wollte er seinem Freund aufhelfen, doch bevor Kai die ihm dargebotene Hand nahm, sah er aus dem Augenwinkel, dass Boris wutschnaubend auf sie zugestürmt kam. Rasch sah er Tala in die Augen, bevor er ihm unwirsch und heftig die Hand wegschlug und alleine auf die Beine kam. „Ich brauche deine Hilfe nicht!“, schnauzte er sofort, als Boris in Hörweite war. Der Abteileiter hatte beide Blader schnell erreicht, packte sie am Kragen und zog sie auseinander. „Was sollte das werden?!!“, polterte Boris auf der Stelle los. „Ihr kämpft, wie Mädchen mit ihren Puppen spielen!! Es ist eindeutig, ihr versteht euch zu gut!!“ Kai spürte ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Magengegend und auch Talas Herz machte einen unglücklichen Hüpfer. Hoffentlich wurden sie nicht in getrennte Zimmer gesteckt! Von dieser Furcht ließen sie sich jedoch nichts anmerken, sie funkelten sich nur an wie gewöhnliche Rivalen. „Ein wahrer Beyblader darf sich von Loyalität und Freundschaft nicht verblenden lassen!“, rief Boris laut und herrisch zu den versammelten Jungen und Mädchen, die sich den Kampf hatten ansehen müssen. Hier war jeder ein Einzelkämpfer. Und so wurden sie erzogen. „Nur der Sieg ist unser Leben, vernichte unseren Feind!“, murmelte Tala dann leise. „Du sagst es. Du bist ein Soldat deiner Macht, Ivanow! Du hast keine Freunde! Die brauchst du nicht – die braucht ihr alle nicht!“ „Weil du nie welche hattest, Saftsack…“, entfleuchte es dem Rothaarigen, laut genug, dass es sogar Kai hören konnte, der seinen Kopf ruckartig in Talas Richtung hob. Boris wandte sich ihm ebenfalls zu. So unvorsichtig war Tala noch nie gewesen. Der Griff in seinem Nacken verstärkte sich, er wurde nach vorne gedrückt, Boris führte ihn der Menge vor und drehte ihm einen Arm schmerzhaft auf den Rücken, dass es knackte. Doch Talas Lippen entwich kein Schmerzenslaut. „Stell nie wieder meine Autorität in Frage!!! Ich warne dich, Tala, du solltest meine Geduld mit dir nicht überstrapazieren!“ Boris hatte wirklich vor, Tala den Arm zu brechen. Als Kai das erkannte, schritt er ein. „Nicht, Gaspadin!!“ Der Silberhaarige hielt Boris’ Arm fest und hinderte ihn an seinem Vorhaben. „Was soll das?!“, herrschte dieser ihn an. „Willst du jetzt genauso respektlos werden?!“ Kais Gedanken überschlugen sich, während er fieberhaft nach einer Ausrede suchte und gleichzeitig seiner Stimme das Zittern entziehen musste, um glaubwürdig und emotionslos zu wirken. „Er… ist der Einzige, der mir gewachsen ist. Er ist von Nutzen. Mach ihn mir nicht kaputt. Er ist ein wehrhafter Gegner für mich! Gaspadin Voltaire sieht es auch so!“ Boris hörte genauer hin. Sofort lockerte sich sein Griff, was Kai sehr erleichterte. Dann grinste der Enkel Voltaires süffisant. „Er ist mein Püppchen, du kannst ihn dir ja vornehmen, wenn er mir nichts mehr nützt. Aber solange er mir noch etwas entgegen zu setzen hat im Kampf, darf ich mit ihm spielen. Frag Gaspadin Voltaire. Er lässt mir diese Freiheit.“ Jetzt ließ Boris Tala endlich gänzlich aus seinem Griff frei. Der Rothaarige konnte sich wieder aufrichten und sah zu Kai. Dieser wandte sich nun mit einem verächtlichen Blick an seinen Freund. „Und du – glaub ja nicht, dass ich mich für dich hier einsetze. Ich tue das nur für mich. Denn außer dir kann mir hier niemand das Wasser reichen. In deinem eigenen Interesse sollte es liegen, dass das auch so bleibt. Sieh zu, dass du zum Training kommst!“ Tala nickte hastig und verließ die Beyblade-Bowl. So wirkte es zumindest nach außen hin so, als bestünde zwischen beiden ein hierarchisches Verhältnis. Aber Tala hatte die Warnung erkannt. Sie beide hatten viel zu trainieren, damit sie zusammen bleiben konnten. Damit sie hier überlebten. Denn niemand durfte wissen, dass sie sich so nahe standen. „Kai.“ „Ja, Gaspadin?“ Die Wucht des Schlages, auf den er nicht vorbereitet war, riss ihn fast von den Füßen. „Ich sagte dir, du solltest mit Black Dranzer kämpfen! Du hast die Bitchips vertauscht!! Warte nur, wenn ich mit dir fertig bin, wird dir Hören und Sehen vergehen, du nutzloses Balg!“ Mit einem Schlag schlug sie die Augen auf. Sie atmete stark. Ein Alptraum hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Hektisch sah sie sich um. Das Zimmer war dunkel. Lin schob ihre Bettdecke zurück und stand auf. Sie fröstelte, als ihre nackten Füße das kalte Linoleum berührten und sie leise über den Boden tapste.Vorsichtig tastete sie sich zur Tür vor und öffnete diese. „Kai?“ Ihre zaghafte Stimme verlor sich in dem ebenso dunklen Flur. Da sie wusste, dass Kais Zimmer nur wenige Schritte von ihrem entfernt lag, ging sie, sich mit einer Hand an der Wand entlang tastend, nach rechts. Als sie einen Türrahmen spürte, suchte sie den Griff und drückte die Tür fast lautlos auf. Da sie nicht wusste, wo sich der Lichtschalter befand, lief sie still durch die Dunkelheit. Unerwartet stieß sie mit ihrem Fuß gegen etwas hartes, sie stolperte und fiel. „Au...“ Plötzlich wurde es hell, das Licht ging an. Durch das Poltern war Kai aufgewacht. „Meine Güte, was-?“ Er sah überrascht auf den Boden. Dort wimmerte Lin leise. „Angelotchok? Was machst du denn hier?“ Kai schob sich aus dem Bett, noch leicht vom Schlaf benommen, und kniete sich neben das kleine Mädchen. „Ich kann nicht schlafen... Ich hab geträumt... geträumt...“ Lin schniefte und zog die Nase hoch, während sie ihr Knie hielt. Es war keine besonders schlimme Verletzung, aber zusammen mit dem Traum kamen die Tränen. Sie konnte nicht erzählen, was sie geträumt hatte, sie wusste nur noch, dass es schrecklich gewesen war. Sachte strich Kai ihr über den Kopf. „Hast du schlecht geträumt?“, fragte er sanft, mehr rethorisch. Aus eigener Erfahrung wusste er, wie mitreißend Albträume waren. Sie verfolgten auch ihn manchmal selbst im Wachzustand. „Was’n los?“, vernahmen die beiden da eine verschlafene Stimme aus der Richtung, wo Ray schlief. „Nichts. Schlaf nur weiter“, erwiderte Kai ruhig. Dann wandte er sich wieder an Lin, die noch immer recht verloren und verängstigt wirkte. „Möchtest du hier schlafen?“ Lin sah beschämt zu Boden. „Ich will ja ein großes Mädchen sein und keinen Ärger machen, aber... aber...“ Dicke Krokodilstränen kullerten ihre Wangen hinunter. Es war, als würde eine große Last von ihren Schultern fallen. Bei Kai fühlte sie sich so geborgen! Und das beruhte sogar auf Gegenseitigkeit. „Du machst keinen Ärger. Und du darfst ruhig ein kleines Mädchen sein und Angst haben. Ich bin doch da! Ich pass doch auf dich auf!“, erklärte Kai ihr sanft. „Dann... Dann möchte ich bei dir schlafen!“ Kai lächelte sie liebevoll an und nickte ihr zu. „Na, krabbel schon rein!“ Das Mädchen ließ sich das nicht zweimal sagen und Kai folgte ihr. Zärtlich deckte er sie zu, bevor er sich hinter sie legte. Sie kuschelte sich nah an ihn, fasste nach seiner Hand und zog sie über sich, so dass er sie im Arm hielt. Kai lächelte und zog sie zu sich. Lin war ihrem Bruder so nahe, dass sie seinen Herzschlag hören konnte. Sie lauschte. Es war so beruhigend. Noch dazu murmelte Kai ihr leise, sanfte Worte ins Ohr: „Мой маленький ангел, Твой сияющий свет всегда находит меня. Твоя улыбка равняется самому светлому мерцанию. Без тебя не находи никакой отдых’. Так как ты являешься мой маленький ангел, это тй!“** Bald schon schlief sie sie in seinen Armen ein. Das kleine Gedicht, dass er ihr aufsagte, beinahe vorsang, hatte ihm damals seine Mutter kurz vor dem Einschlafen vorgesungen. Er konnte sich nur noch an den Text erinnern, die Melodie war ihm über die Jahre abhanden gekommen. Ray schielte zum anderen Bett herüber und freute sich, dass Kai auch so einfühlsam sein konnte. Diese zärtliche Seite war dem Schwarzhaarigen unbekannt. Kai konnte boshaft sein, aufbrausend, schnippisch – aber er war auch loyal und aufopferungsvoll. An ihrem Leader gab es soviel zu entdecken! Doch Ray war zu müde, um darüber länger nachzudenken und weilte schon kurz darauf wieder im Land der Träume. Kai dagegen wartete die regelmäßigen Atemzüge ab, ehe er sich vorsichtig über sie beugte. Er sah auf das Kind hinab, auf das im Schlaf engelsgleiche, entspannte Gesicht. Zwar waren die Spuren der Tränen noch sichtbar, doch sie selbst waren versiegt. Kein Schluchzen kam mehr über ihre Lippen, kein Beben erzitterte mehr ihr Schultern. Der Albtraum war vorüber. Erleichtert atmete er aus. Anscheinend fiel sie, im Gegensatz zu ihm, nicht so schnell in einen erneuten bösen Traum. Und falls doch, so war er ja da, er passte schließlich auf sie auf. Es tat gut zu wissen, dass er gebraucht wurde. Vokabeln Angelotchok - Engelchen ** (selbst ausgedacht übrigens, eigens für diese FF!!) Moj malen’kij angel[otchok] - Mein kleiner Engel Twoj sijatnij swet menja wsegda naidjot - Dein strahlendes Licht findet mich immer Twoja uljbka kak swetnij merzat’ - Dein Lächeln gleicht dem hellsten Schimmer Bez tebja ja ne najdu pokoju - Ohne dich find ich keine Ruh’ Potomu-sto moj malenkij angel, eto ti! - Denn mein kleiner Engel, das bist du! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)