Guilty von WeißeWölfinLarka (Schuldig - Kann ich es je wieder gut machen?) ================================================================================ Kapitel 26: Oh Schreck - Oma ist weg!! -------------------------------------- „Du hast gesagt, die Tönung hält nur eine Nacht, nach einmal Waschen ist die wieder raus!!“, wetterte er und fluchte anschließend im vulgärsten Russisch, das Tala je gehört hatte. „Tja, das kann schon mal passieren.“ Der immer noch brünette Kai bekam einen Tobsuchtsanfall. Sein rothaariger Freund hielt sich währenddessen einfach nur die Ohren zu. Jede freie Minute hatte Kai an diesem Morgen damit zugebracht, sich die Haare zu waschen. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt, als er alleine stehen und den Weg zum Waschhaus ohne Hilfe gehen konnte. Er hatte seine Teamkameraden die Zelte abbauen lassen, wobei Tala sie tatkräftig unterstützt und erklärt hatte, warum es ihrem Teamleader so dreckig ging. Dabei unterschlug er natürlich bestimmte Aspekte ihres nächtlichen Treibens in der Diskothek. Als Kai mit seinem Wutausbruch fertig war und Luft holen musste, warf Tala unschuldig ein: „Ja und was soll ich sagen? Ich hatte schwarze Haare!“ „Du Knallkopf hattest eine Perücke!“ „Sah trotzdem dämlich aus.“ „Mein ganzes Team macht sich lustig über mich wegen diesem Scheiß!!“ „Das tut es doch ohnehin, mit oder ohne gefärbte Haare.“ „Talaa!!!!“ Dieser lächelte belustigt. Er war sehr erleichtert, dass es Kai wieder soweit gut ging, dass er sich so aufregen konnte. Zwischenzeitlich hatte Tala wirklich Sorgen um seinen besten Freund gehabt. Denn Kai konnte sich nicht mehr an die Zeit zwischen dem Moment, in dem Tala ihn von dem Typen losgeeist hatte und dem Augenblick erinnern, als er aufgewacht war. Das alles war von einem schwarzen Loch verschlungen worden. Er hatte Kai gefragt, doch alles, was da war, war ein gewaltiger Erinnerungskrater durch die K.O. - Tropfen. Verfluchtes Teufelszeug! Vielleicht sollte Krowawaia Boina in Erwägung ziehen, dieses Mittel irgendwie vom Markt zu schaffen? Doch diese Vorstellung war utopisch. Als Tala ihm erzählte, was Kai in dem Zustand so alles von sich gegeben hatte, konnte dieser das nicht glauben. „Nein, das hab ich nicht gesagt!!!“ „Doch hast du!“ „Oh Gott!“ „Der hat damit nichts zu tun…“ „TALA!“ „Ja ich weiß, wie ich heiße.“ „Du treibst mich in den Wahnsinn!“ „Zum Glück holt Dickenson uns mit dem Flugzeug ab. Wenn Kai oder Tala noch fahren müssten…“ „Besonders Kai… der hat immer mehr Ähnlichkeit mit der Mumie in der Basilika!“ Die Gruppe lachte. „Ja, ja… lasst mich doch alle in Ruhe!“ Noch immer hatte Kai Kopfschmerzen und ihm war speiübel. Und dann auch noch in einen Flieger setzen! Na Prost Mahlzeit… Kai setzte sich ans Fenster, die blaue Kotztüte auf dem Schoß. „Also, jetzt sag doch mal: Wieso hast du dir deine Haare gefärbt?“, fragte Max zum wiederholten Male. Es ließ die Bladebreakers nicht los, dass Kai so einen Schritt gewagt hatte. „Wenn Mr. D. dich sieht, kriegt er sicher den Schock seines Lebens. Du siehst Hilary von hinten total ähnlich…“ Kai hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich normal zu stylen. Sein Haar hing teils schlaff hinunter, teils stand es in jegliche Himmelsrichtung ab, so wie immer. „Er hat eine Wette mit mir verloren. Fragt mich nicht, worum es da genau ging, weiß ich auch nicht mehr…“, erklärte Tala, denn Kais Nerven waren bis zum Anschlag gereizt. Als sich die anfängliche Unruhe bezüglich Kais neuer Frisur gelegt hatte – es war ja nun wirklich ein ungewohnter Anblick – wandte Kai sich leise auf Russisch flüsternd zu Tala um. „Ich hatte doch eine TK mit, oder?“ „Jaa, die gute alte Tula, Korovin… die wir seinerzeit von Boris gemopst haben… Weißt du das noch? Wie der sich aufgeregt hat…“ Tala lachte. Aber Kai jagte die Erwähnung dieses Namens einen Schauer über den Rücken. Er wollte fragen, ob Tala alles weggepackt hatte, doch der Rothaarige nickte, bevor sein Freund überhaupt den Mund aufmachen konnte, wusste bereits, worauf Kai hinaus wollte. Lange betrachtete der Ältere seinen Freund. Auch an seine Loyalitätsbekundung ihm gegenüber konnte Kai sich nicht mehr erinnern. Schade, wie Tala fand. „Warum hast du sie eigentlich nicht eingesetzt, sag mal?“ „Ich weiß nicht, vielleicht wollte ich kein Aufsehen erregen, vielleicht war ich einfach zu betrunken…“ „Und das von dir…“ Tala lächelte. Seufzend lehnte Kai seinen Kopf an dessen Schulter und schwieg. Das Flugzeug startete. Im großen Lagerraum waren der Van und der Wohnwagen untergekommen. Am Fenster flogen Wolken vorbei, es sah aus, als flögen sie durch Watte. „Hast du mit Babuschka gesprochen?“ „Das letzte Mal, als wir beide uns gestritten hatten.“ „Du wolltest, dass sie dich besucht, nicht wahr?“ Der Rotschopf gab einen unzufriedenen Ton von sich. Er vermisste seine Großmutter. Kai kannte ihn genauso gut wie dieser ihn kannte. Beide erinnerten sich gern an die Zeit zurück, als sie ihre Kindheit bei Anna Ivanow verbracht hatten. Der Gedanke an sie brach jäh Erinnerungen vom Zaun. Sie steckten sich gegenseitig mit Anekdoten an. „Ja und weißt du noch, als meine Oma auf dem Klo festsaß?“, lachte Tala. „Ach ja, ihr hattet auf eurem Hof dieses verrückte Schaf... Das, von dem Kostja damals gejagt worden ist, richtig?“, fragte Kai und musste ebenfalls grinsen. „Genau das!“ Die beiden Freunde brachen in Gelächter aus und in Talas Augenwinkeln bildeten sich Lachtränchen. „Sie… sie ist auf das Plumpsklo auf dem Hof gegangen, als der dumme Schafsbock Freigang hatte. Ehrlich, dieses Schaf war schlimmer als jeder Wachhund!“ „Und dann saß Babuschka im Winter drei Stunden auf der Toilette fest, weil sie den Wassereimer vergessen hatte! Ich find das immer noch zu geil, dass der Angst vor Wasser hatte!“ „Ja, gegen Mistgabeln hat er sich blutend, aber erfolgreich durchgesetzt.“ „Oder gegen Kostja… der ist doch nicht schnell genug auf den Zaun geklettert und dann musste deine Oma das Schaf mit so einer Harke verscheuchen. … Das sah sehr schmerzhaft aus, als das Tier Kostja genau in den Magen gerammt hat…“ Sie schwelgten in ihren Erinnerungen. Die anderen drehten sich manchmal zu ihnen um, doch störten sie die angeregte Unterhaltung lieber nicht. „Hm, aber Kostja… ist nachher erschossen worden“, gab Tala nachdenklich von sich. „Ja… Bei dem Jagdausflug“, bestätigte Kai. „Er war mein bester Freund… vor dir natürlich…“ „Es tut mir leid, Yura…“ Kai hatte ihn mit seinem russischen Kosenamen angesprochen. Er legte eine Hand auf Talas Arm und streichelte ihn kurz. „Ach ja… meine Oma…“, sagte Tala. Es hörte sich sehr melancholisch an. Kai verstummte. „Sie fehlt dir, nicht wahr?“ Tala nickte stumm und sah aus dem Fenster. Er hatte bald Geburtstag. Und Kai eine Idee… „Sagst du mir noch mal, warum die Menschen solche Mordinstrumente entwerfen? Was soll das?“ Ray legte angewidert die Zeitung zur Seite, in dem er soeben einen Artikel verfolgt hatte. Seit einem Tag waren sie wieder in Japan, in ihrem Haus in Kioto. Sie mussten einiges an Lernstoff nachholen. „Weil Menschen schlecht und grausam sind, von Natur aus schon“, erwiderte Kai hinter ihm und begann, Kaffee zu kochen. Eigentlich hatte er gute Laune. Er und Tala hatten Domovoi erreichen können. Und dieser hatte versprochen, Kais Eltern eine Nachricht zu übermitteln. Dass sie sie suchten. So war Kai also im Moment noch guter Dinge und bereit, sich auf die Schule zu konzentrieren. Nur ohne Kaffee ging das nicht. Die Hausaufgabe ihres Literaturlehrers war kein Pappenstiel, zumal sie so lange gefehlt hatten. Er wollte es aber durchziehen. Das Bild, das Domovoi ihm gegeben hatte, hing nun hinter einer Glasscheibe in einem Rahmen an der Wand. Ray war schon sehr erstaunt, den ersten so persönlichen Gegenstand Kais im Zimmer „ungeschützt“ vorzufinden. Sonst räumte der penible Russe alles akribisch aus den Augen der anderen. Anscheinend ließ er sich langsam auf sein Team ein. Vielleicht war das auch eine positive Auswirkung des Kurztrips nach Kroatien. Alles war denkbar. Jetzt jedenfalls musste Kai nur noch seine Hausaufgaben in Literatur erledigen, dann noch ein Telefonat tätigen, womit er dann das passende Geschenk für Tala in einer Woche erhielt, und dann war alles im Lot. Hoffte er. Seit Langem schon hatte er kein so unbeschwertes Gefühl mehr mit sich getragen. Wirklich toll! „Wem gehört eigentlich das ganze Grünzeug hier?“ „Tyson. Er hat sich selbst auf Diät gesetzt. Seit er euch gesehen hat, will er abspecken.“ Kai sah Ray überrascht an. „Dummer Junge. Braucht er doch gar nicht!“ „Und das von dir? Das ist ja schon beinahe ein Kompliment!“, meinte Ray erstaunt. „Komm schon, das siehst du doch ebenso!“ „Aber ich nicht!“ Kai fuhr herum. Dort stand Tyson in der Tür, an einer Selleriestange kauend. Kai schüttelte den Kopf. „Ihr seid so trainiert... Ich habe zum ersten Mal gesehen, warum du die Legitimation besitzt, uns herumzuscheuchen, obwohl wir dich kaum was machen sehen. Jetzt weiß ich warum: Du brauchst das nicht.“ „Tyson, ich bin nicht privilegierter als ihr. Ich bin euer Teamleader aufgrund meiner Erfahrung und meines Verantwortungsbewusstseins, wegen meines Wissens und…“ „Danke, Kai, ich glaube wir haben jetzt verstanden, warum du über uns herrschst…“, unterbrach ihn Ray grinsend. „Na das hoffe ich doch. Und jetzt seht zu, dass ihr arbeitet, damit wir uns nächste Woche endlich mal wieder dem Training widmen können.“ Kai schnappte sich einen Apfel, seine Kaffeekanne und verschwand auf seinem Zimmer. Sie hatten nämlich eine Trainingspause angesetzt, um ihren schulischen Rückstand aufzuholen. Deshalb also ging nun jeder seinen Aufgaben nach. Und jeder erledigte sie auf seine eigene Weise mit viel Gewissenhaftigkeit. Nach diesem Wochenende, an dem sie vom Urlaub zurückgekehrt waren, erkämpfte sich der lange erfolgreich verdrängte Schulalltag die Vormachtstellung im Hause „Bladebreakers“. Was durchaus außergewöhnlich war, denn normalerweise drehte sich in der WG im wahrsten Sinne des Wortes alles nur um Beyblade. „Max! Hast du mein Vokabelheft gesehen? Wir haben doch gelernt?!“ „Nein, Ray, bei mir im Zimmer liegt es nicht. Frag mal Kenny!“ Es herrschte pures Chaos. Natürlich hatten die Jungs ihre Taschen nicht gepackt und alles auf die letzte Minute verschoben. Dass sie eine halbe Stunde später dennoch pünktlich im Unterricht saßen, grenzte beinahe an ein Wunder. „So… Da ich euch als Vorübung für das Theaterprojekt gebeten hatte, eine kleine Vorstellungsrunde über eine von euch erfundene, fiktive Person vorzunehmen, hoffe ich, ihr seid vorbereitet. Na dann lasst mal hören!“ Herr Watase schien gespannt. Er war ein Forderer, aber auch ein Förderer und er liebte es, Talente zu entdecken. Kai meldete sich freiwillig. Er hatte die Nase voll davon, von den Lehrern aufgerufen zu werden, in dem Glauben, sie täten ihm etwas Gutes, stellten ihn dabei aber unbeabsichtigt vor der Klasse so hin, als sei er unzuverlässig und mache seine Hausaufgaben nie. Und in der Schule galt das ungeschriebene Gesetz oftmals: Angriff ist die beste Verteidigung! Je nachdem, wie man das auslegen wollte. „Ah! Ja, Kai, dann trag mal vor!“ Der Silberhaarige erhob sich. Im Bewusstsein, dass er mit Sicherheit wieder ein Mal provozieren würde, las er vor: „Hallo, ich heiße Kaine. Für viele sieht mein Leben prächtig und funkelnd aus. Ich aber weiß es besser. Nicht einmal meine Freunde wissen, was ich meine. Mir geht es gut, im Moment zumindest. Wer weiß, wie das morgen schon wieder aussieht? Meistens wache ich morgens mit dem abgesuckten Gefühl auf, dass ein weiterer Tag vorbeigehen wird, ohne dass ich das erreicht habe, was ich mir zum Ziel gesetzt habe. Lange Zeit habe ich gedacht, ich schreite durch eine Nacht ohne Morgen, durch einen langen Tunnel, an dessen Ende kein Licht warm und hell erstrahlt. Denn ich bin alleine. Ich bin nicht liiert, was mir andererseits aber auch einiges an Zeit und Ärger erspart. Obwohl ich an jedem Finger ein Mädchen haben könnte, das wäre kein Problem für mich. Klingt das eingebildet? Wie auch immer. Zum Glück habe ich meinen Bruder. Der hört sich immer meine Sorgen an. Ihm erzähle ich alles. Er weiß alles von mir. Und er ist es, der mich trösten muss. Der mich immer wieder aufpäppelt. Und was gebe ich ihm? Viele sagen von mir, dass ich ein arrogantes, eingebildetes Arschloch bin. Da haben sie Recht. Ich weiß es ja selbst. Es ist meine…“ Kai hielt inne. Er schluckte. Gestern, als er den Aufsatz geschrieben hatte, war es ihm viel leichter gefallen, das Wort auf Papier zu bringen. Er legte sein Heft auf den Tisch. Er konnte es nicht aussprechen. Noch nicht. Kai starrte die Buchstaben aus blauer Tinte an. Sie entsprachen nicht mehr dem, was er gedacht hatte, das sie mitteilen könnten. Er entschloss sich, zu improvisieren und sah zum Lehrer auf, dann ließ er seinen Blick durch das Klassenzimmer schweifen, bis er sich am Anblick der rauschenden Blätter der Bäume verfing. „Hier endet seine Geschichte. Kaines Maske bröckelt. Er will sich weiter verstecken. Davor, wieder verletzt zu werden. Schnell wird jemand verurteilt, der nicht regelkonform handelt. Doch was dahinter steckt, wird oft übersehen. Kaine… würde gerne die Zeit zurückdrehen und dahin zurückkehren, als seine Welt noch in Ordnung war. Aber er kann und will die Liebe nicht erzwingen, die er sich wünscht. Ihm ist es lieber, wenn ihn alle hassen. Mit Hass kann er mittlerweile besser umgehen. Daran hat er sich gewöhnt. Denn er hat Angst, die zu verletzen, die ihn mögen.“ Kai machte erneut eine Pause. Seine Mitschüler starrten ihn gebannt an. Gänsehaut kroch ihrer aller Rücken hinunter. Kai strich sein Heft glatt und klappte es anschließend zu. „Seine letzten Worte würden folgende sein: ‚Ich empfehle niemanden, mich zu mögen. Ich werde es nicht erwidern. Doch wenn es jemanden gibt, der so für mich empfindet, dem möchte ich von Herzen danken. Und so wird dies meine Abschiedsrede sein, ehe ich in jenes Reich abtauche, in das seinerzeit die mir wichtigsten Personen gegangen sind. So lebt wohl und vergesst mich, ich bin es nicht wert, dass sich an mich erinnert wird.’“ Nachdem Kai geendet hatte, setzte er sich wieder hin. Nur zaghaft klopften seine Mitschüler auf die Tische. Sie wirkten irritiert. Selbst Kai schien nicht zufrieden mit sich, er hatte den gleichen Ausdruck auf dem Gesicht, den er immer hatte, wenn ein Move einfach nicht funktionieren wollte. Das war Ray aufgefallen. Der Schwarzhaarige wollte sich gerade bemerkbar machen, da sah Kai ihn direkt an. Ein paar Sekunden verstrichen. Erst dachte Ray, Kai würde ihn anlächeln, aber das tat er nicht. Stattdessen lächelte Ray und nickte ihm aufmunternd zu. Es war okay. „Nun mal ganz ruhig – Langsam, was… Ich… Hey, beruhige di-“ Kai strich sich über das Gesicht. „Yura… Yura, hey – ROT SAKROI verdammt noch mal!“ Er stand etwas abseits vom Schulhof, geschützt hinter ein paar Birken. Tala hatte ihn angerufen. Er schien aufgelöst. Nicht, dass er heulte. Aber er redete so schnell auf seiner Muttersprache, dass Kai Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen. „Du kannst also Babuschka nicht erreichen. Yura, das wird wohl seine Gründe haben. Glaub mir, mit ihr ist alles in Ordnung.“ „~“Willst du mich verarschen, Kai?! Seitdem wir wieder in Japan sind, versuche ich sie zu erreichen. Sie geht nicht ans Telefon! Oh ich verfluche den Tag, als ich ihr von dem Handykauf abgeraten habe!!“~“ Kai schmunzelte. Er wusste, warum Anna Ivanow nicht zu erreichen war. Aber er konnte es Tala nicht erzählen. Das sollte eine Überraschung sein. „Yura, du vertraust mir doch, oder nicht? Wenn ich dir also sage, dass du dir keine Sorgen machen brauchst, dann tust du das doch auch nicht, oder?“ „~“Was für ein Spiel treibt ihr mit mir?“~“ „Versprichst du es mir?“ „~“… Versprochen.“~“ Kai lächelte. Er versicherte Tala ein weiteres Mal, dass es wirklich keinen Grund gab, sich zu sorgen. Es tat ihm Leid, Tala so in Ungewissheit und Angst zu versetzen. Nachdenklich kehrte er in die Aula zurück, wo der Literaturkurs für eine Aufführung probte. „Ich möchte, dass in diesem Theaterstück die ganze Klasse involviert ist. Jeder soll eine Aufgabe übernehmen. Ob nun Souffleuse, Techniker oder Schauspieler. Jeder muss irgendwas machen. Überlegt euch, was ihr gut könnt, was euch liegt und kommt dann zu mir, um das mit mir abzusprechen!“, erklärte Herr Watase, der auch den Literaturkurs leitete. Nach etwa einer Viertelstunde war jeder Schüler versorgt. So auch Kai. Entgegen seinem Wunsch, sich mit der Technik zu beschäftigen, hatte er ein Los ziehen müssen und dabei leider verloren. So hatte er einen Part mit Raphael erhalten. In Zweier- und Dreierteams sollten sie eine kleine Szene vorbereiten. Kai verzog das Gesicht. Er verfiel wieder in seine alte, mürrische Rolle, denn Theaterspielen wollte er partout nicht, hatte alles daran gesetzt, um in das Black Men Team zu gelangen. Kais Stimmung war auf dem Tiefpunkt. Dabei hatte er gedacht, so langsam würde es wieder mit ihm bergauf gehen… Jetzt aber wollte Raphael unbedingt die Figur übernehmen, die in dem kurzen Stück sterben sollte. Kai war das nur recht. Sie hatten keine genauen Regieanweisungen bekommen. Durch improvisieren sollten die Schüler aus sich herausgehen und sich mit ihrer Rolle vertraut machen. Jedenfalls hatte Herr Watase sich das so gedacht. Kai sollte neben dem „sterbenden“ Raphael ihm dabei zusehen. Und er sollte sich möglichst so verhalten, als wenn es Wirklichkeit wäre. So lag also Raphael am Boden und „starb“, während Kai mit verschränkten Armen daneben stand und unbeteiligt auf ihn niederblickte. Da schritt Herr Watase ein: „Nein, nein, nein! So geht das nicht! Ihr müsst schon mehr Bewegung in die Sache bringen! Etwas mehr Spannung! Mehr Spiel!“ Die Jungen wiederholten daraufhin die Szene. Raphael legte sich ins Zeug: „Oh nein! Ich bin getroffen!“ Er sank auf die Knie. „Mein Leben ist beendet! Ich sterbe! Bald holt mich der Sensenmann! Oh dieser Schmerz! Ich werde zugrunde gehen! Oh ja“, rief er mit unheilsschwangerer Stimme und fiel um, „Gevatter Tod ist schon nah...“ Kai verdrehte die Augen und unterbrach ihn unwirsch: „Verdammt, jetzt verreck doch endlich, du Spinner!“ „Hu?!“ „Kai! Benimm dich!“, schalt ihn sein Lehrer. „Ach, ist doch wahr! Außerdem sollten wir doch improvisieren, oder nicht?!“ Herr Watase seufzte schwer und kratzte sich am Kopf. Dieser Junge war einfach unberechenbar. Und so schwierig! Kai moserte weiter: „Die Szene ist schlecht. Oder besser gesagt, deine Umsetzung!“ „Ach ja?!“ „Natürlich. Wo bist du denn getroffen worden?“ Raphael deutete auf seine Brust Kai trat an ihn heran und piekte ihm mit dem Zeigefinger auf die Stelle des Herzens. „So. Hier, ja?“ Er schnaubte verächtlich. „Ein Schuss oder Stich ist sofort tödlich! Das weiß doch wohl jeder!“ „Dann zeig uns doch mal, wie das aussieht, wenn du das so genau weißt, Klugscheißer!“, forderte Raphael. „Gut.“ Es folgte ein Rollenwechsel. Raphael stand nun neben ihm und sollte Kai zusehen, wie dieser starb. Tyson war es, der so tat, als würde er Kai erschießen. Er zeigte mit dem Zeigefinger auf seinen Leader, sagte kurz „Peng!“ und das war Kais Stichwort. Er schleuderte sich nach hinten und blieb regungslos liegen. Nichts Großes eben, wie er dachte, eben so, wie er es schon zigmal gesehen hatte. Ein Raunen ging durch die Aula. Kai stand auf und klopfte sich den Staub ab. Dann meinte er: „Je nach Kaliber der Schusswaffe ist der Rückstoß stärker oder schwächer. Das ist gemeinhin bekannt. Auch die Durchschlagskraft einer Kugel hängt davon ab. Niemand stirbt auf die Weise wie Raphael. Das ist eher die Vorstellung eines Hypochonders, der letztendlich dann aber doch nicht stirbt, aber sie müssen ja immer so übertreiben.“ Raphael, dadurch peinlich berührt, knurrte leise: „Und wenn ein Dolch oder Schwert mich durchbohrt hätte?“ „Hättest du dich denn gewehrt?“ „Ja, wahrscheinlich schon!“ „Na gut, dann zeig ich’s dir. Komm schon Raphael, erstech mich! Das ließ dieser sich nicht zweimal sagen. „Mit Vergnügen!“ Kai umfasste seine Hand, wehrte sich gespielt. Dann ließ er ihn zustechen, ging zu Boden. Er krümmte sich noch kurz zusammen, versuchte die imaginäre Blutung zu stillen, indem er die Hand darauf legte. Aber er ließ seine Bewegungen verlangsamen, bis er sich schließlich nicht mehr regte. „Mehr ist da nicht. Der Tod ist nichts großartiges, langwieriges, wie es in vielen, besonders Action-Filmen weisgemacht wird!!“ ~*~*~+~*~*~ Vokabeln Rot sakroi – Halt den Mund Sagt mal… hat sich mein Schreibstil irgendwie verändert? Wenn ja, positiv oder eher negativ? Das interessiert mich nämlich, weil ich schon so lange nicht mehr hieran gearbeitet habe und ich ja eigentlich auch dazu gelernt haben müsste, von daher… (Mir gefallen nämlich auch einige frühere Formulierungen nicht mehr, ich glaube, ich werde das alles noch mal überarbeiten^^°°) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)