Guilty von WeißeWölfinLarka (Schuldig - Kann ich es je wieder gut machen?) ================================================================================ Kapitel 15: Berufsrisiko ------------------------ Warnung: Dieses Kapitel soll weder Gewalt verherrlichen noch Gewalt als Problemlösung darstellen. Die Situation und das Umgangsfeld der Hauptfiguren erfordert aber gewisse Handlungen, die dem entsprechen. Berufsrisiko „Es geht einfach nicht ab!!“ Kai stand im Badezimmer vor dem Waschbecken und versuchte mit einer Nagelbürste seine Hände zu reinigen. Immer verzweifelter drückte er die Borsten auf seine Haut und schrubbte, so gut er konnte. „Verdammt!! Das Blut!! ... Ich hab ihn umgebracht und es geht nicht mehr ab!!!“ Wieder hielt er seine Hände unter den Wasserstrahl. Da trat Tala hinter ihn. „Weil es bereits dein Blut ist...“ Er nahm ihm die Bürste weg, drehte das Wasser aus und trocknete seine Hände. „Schau!“ Er zeigte auf sie. Die Haut war rissig, die Borsten hatten Kratzer gezogen, aus denen es rot hervortrat. Es würde schon bald trocknen und die Wunden verschließen. „Er ist tot! Ich bin ein Mörder!!“ Kai sah auf Talas Brust und doch durch sie hindurch. „Tja...“ Schulterzuckend zog der Rotschopf ihn am Arm hinaus. „Ein bisschen Schwund ist immer.“ Folgendes war passiert... Sie hatten das Gebäude erreicht. Es war umzäunt von riesigen Metalllatten, welche oben spitz zuliefen. Die Freunde saßen auf einer Bank gegenüber, zwischen ihnen und ihrem Zielobjekt verlief eine Hauptstraße. Doch die Dunkelheit, die sie umhüllte, gab ihnen Vertrauen in sich und ihre Fähigkeiten. Kai atmete tief durch. Der Boden war noch nass vom Regen, aber die Wolken hatten sich größtenteils verzogen. Langsam spürte er die süße Wärme, die durch seinen Alkoholgenuss in ihm aufstieg. Er schloss die Augen. „Rechts neben dem Eingang ist ein Betongraben, dahinter ein Fenster. Dieses führt zu den Toiletten.“ Tala hackte auf die Tastatur des Laptops ein. Er durchforstete den Grundriss der Zentrale. „Hier, damit hörst du mich, steck es in dein Ohr!“ Er reichte Kai einen kleinen Chip. Der Blaugrauhaarige tat wie befohlen. „Der Lüftungsschacht zieht sich bis in die oberste Etage und in die Keller. Der Rechner ist gut gesichert, du musst auf die Alarmanlage aufpassen. Brich das Fenster nicht mit Gewalt auf. Und denk an die Überwachungskameras!“ Kai nickte. Das war alles. Er packte den Rucksack, schnürte ihn so schmal es ging an sich fest und stand auf. Er sah sich nach Fahrzeugen um. Als keines kam, nahm er gehörigen Anlauf. Damit rannte auf den Zaun zu, sprang am Metall hoch und schon landete auf der anderen Seite. Noch einmal drehte er sich um, reckte Tala seinen linken Daumen empor und verschwand dann auf der rechten Seite im Dunkeln. Es dauerte eine Weile, bis er das Fenster aufhebeln konnte. Seine rechte Hand war immer noch eingegipst, was es ihm schwer machte, schnell voranzukommen. „Na endlich!“ Sein Weg war offen. Er kletterte hindurch. Flüchtig sah er nach, ob ihn jemand entdeckt hatte. Nein. Er legte seinen Rucksack ab und steckte seine Waffe, eine 9mm Parabellum, hinter einem Gummizug an seinem linken Hosenbein, denn falls er davon Gebrauch machen musste, hatte er sie mit links zu bedienen. Zuletzt packte er noch das vorbereitete Seil aus. Er sah aus wie ein Dieb in seiner schwarzen Kluft und den Handschuhen, die er trug. Und er war es ja auch, jedenfalls bei diesem Auftrag. Nun trat er auf den Gang hinaus. Eine Überwachungskamera schwenkte gerade in seine Richtung. Kai huschte in den Schatten, dort, wo er nicht mehr im Blickwinkel der Kamera war. Da sah er auch schon eine Klappe des Lüftungsschachts. Behände kletterte er hinein. Nachdem er den Schacht wieder verschlossen hatte, kroch er weiter. „Du wirst jetzt auf eine Art Kreuzung kommen, da musst du links!“, erklärte ihm Tala durch den Minikopfhörer. Der Rothaarige seinerseits überwachte die ganze Aktion gewissenhaft. Er hatte den Lageplan, die Kameras und das Gebäude gleichzeitig im Blick. ~War zwar teuer, aber die Anschaffung dieser Geräte hier hat sich sehr gelohnt!~, dachte er. Zielsicher lotste er seinen Freund durch die Gänge. „So, du müsstest jetzt direkt darüber sein!“ Kai nickte. Er stieg aus dem Schacht hinab auf den Gang und stand vor einer Tür. Sie war durch Netzhauterkennung und Sicherheitscode geschützt. Der Junge nahm einen Draht zur Hand, machte das eine Ende am Gerät für die Netzhaut, das andere in einer Steckdose fest. Es gab einen Kurzschluss, ein Schutz fiel schon mal weg. Jetzt galt es, den Code einzugeben. Das war Talas Metier. Kai beschrieb ihm die Konstruktion, die er vorgefunden hatte. Es dauerte nicht lange, da hatte Tala eine Zahlenkombination herausgefunden, die Kai eintippen konnte. Die Tür ging auf. Ab hier war für das Team alles ganz einfach. Kai hackte sich in den Computer ein. Nun hatte er Zugriff auf den Hauptrechner. Er durchforstete die Dateien nach verschiedenen Stichwörtern. Das, was er fand, speicherte er auf einem USB-Stick. Als er sicher war, dass er alles hatte, was er wollte bzw. brauchte, steckte er seinen Datenträger ein, verwischte seinen Spuren, die er im Laufwerk des Rechners hinterlassen hatte, wie Tala es ihm sagte, und verließ den Raum wieder. Erleichtert, dass ihre Aktion doch einfacher ablief als erwartet, schlenderte Kai den Gang entlang. Gerade wollte er wieder in den Lüftungsschacht klettern, da sah er einen Lichtpegel über den Boden huschen. Es war zu spät, um sich zu verstecken, denn schon blendete ihn das Licht einer Taschenlampe in der Hand eines Wachmannes. „Sie da! Stehen bleiben! Keine Bewegung!“ Kais linke, unverletzte Hand wanderte langsam zu seiner Pistole am Bein. „Lassen Sie das!“ Seine eigene Waffe im Anschlag ging er auf den Jungen zu. Anscheinend widerstandslos ließ dieser sich die Arme auf den Rücken drehen, bereit, abgeführt zu werden. Doch bevor der Wachmann ihm Handschellen anlegen konnte, bückte Kai sich blitzschnell. Mit einem gezielten Tritt vor das Knie machte er sich los und ließ den Mann keuchend zu Boden gehen. Kai dachte, das würde reichen, also lief er wieder zur Schachtöffnung, sprang hinauf und stemmte sich hoch. Nur noch seine Beine schauten heraus. Unerwartet wurde er aber gepackt und mit roher Gewalt auf den Boden geworfen. Der Mann kniete über ihm und drückte ihm den Lauf seiner, wie Kai feststellte, Walther PP7 auf die Brust. „Lassen Sie mich gehen, dann muss ich Ihnen auch nicht weh tun“, meinte Kai höflich. Verdutzt darüber lockerte der Ältere seinen Griff. Das nutzte Kai aus, schlug dem Wachmann die Waffe aus den Händen und stieß ihn mit den Beinen von sich. Er sprang auf, wollte fliehen, ohne den Mann zu verletzen. Doch wieder wurde er an seinen Füßen gefasst und dadurch zu Fall gebracht. Keuchend kroch der Wachmann auf die sich wehrende Person zu. Er fischte mit einer Hand nach seiner Walther. Kai drehte sich auf den Rücken, um ihn im Blick zu haben. ~Er ist nah, viel zu nah!~, schoss es dem Jungen durch den Kopf, als sich der Körper vor ihm bewegte, sich auf seine Beine setzte und seine Arme festhielt. „So, nun halten Sie still, damit ICH Ihnen nicht weht tun muss!“, schnaufte der Mann. Er war schon etwas älter und anscheinend für solche Eskapaden nicht mehr geeignet. „Verzeihung...“ Kai schlug ihm mit der linken Faust hart ins Gesicht. Es gelang ihm so, den Wachmann umzuwerfen. Sie rollten gemeinsam über den Flur, jeder von ihnen bemüht, Herr der Lage zu werden. Kai versuchte, die Pistole an sich zu nehmen. Aber sein Gegner war hartnäckig. Da knallte es. Ein Schuss hatte sich gelöst. Kai sah, wie der Mann über ihm ein erschrockenes Gesicht machte und zusammensackte. Schnell fasste er nach dessen Schultern und legte ihn behutsam auf den Rücken. „Kai? Hey, lebst du noch? Kai?!!“ Talas Stimme vibrierte in seinem Ohr. Aber er hatte die Wunde entdeckt, aus der unheimlich viel Blut quoll. „Verd – Es tut mir leid, das wollte ich nicht!“ Er drückte das Einschussloch in der Brust mit beiden Händen fest zu, bedacht, die Blutung zu stoppen. Das Gesicht des Mannes nahm einen seltsamen Ausdruck an. „Ich gehör doch zu euch, verstehen Sie? Halten Sie durch, ich ruf einen Krankenwagen...“ „Schon erledigt, Kai, mach dir keine Sorgen, aber komm da jetzt raus! Ihr habt die Alarmanlage ausgelöst!“, meldete sich Tala wieder, erleichtert, als er die Stimme seines Freundes gehört hatte. Kai widerstrebte jedoch. „Nein, nein! Ich kann nicht weg, er blutet wie ne Sau – verzeihen Sie – hier gibt es nichts, was...“ Er brach ab, als er spürte, wie etwas seine Hand berührte. Der Wachmann sah ihn ernst an, ihm war bewusst, dass der Junge bei ihm sich ehrlich bemühte ihn zu retten. „Un... fall... ein Unfall...“, presste er hervor. Kai nickte. Er riss an dem Ärmel der Uniform, die der Wächter trug, um den Stofffetzen auf die Wunde zu drücken. Bereits nach kürzester Zeit war dieses blutdurchtränkt, wie schon davor Kais Handschuhe. Von weitem waren die Sirenen der Rettungswagen zu hören. In dem Moment schloss der Mann die Augen. Seine Muskeln entspannten sich. Ganz ruhig lag er da. ~Nein! Nicht schon wieder! Nicht wieder eine Blutlache...~ Kais Blick wurde leer. Wie in Trance stand er auf. „Junge, hau ab jetzt, das ist die letzte Gelegenheit! Verschwinde!“ Tala gab ihm einen mentalen Tritt in den Hintern. Und sein Freund gehorchte. Er kroch zurück in den Lüftungsschacht. Dabei merkte er nicht, wie ein rotes Licht heimlich seinen angestammten Platz verließ und zurück zum Ort des Geschehens schwebte. Kai kam auf selbem Wege zurück, wie er gekommen war. Und ohne ein weiteres Wort huschte Krowawaia Boinia in den Schutz des Dickichts, sie sahen noch, wie der Krankenwagen ankam, dann aber gingen sie fort. „Du hast schon so oft jemanden ins ewige Reich der Träume geschickt, zuletzt Kurai. Also, warum regst du dich jetzt so auf?“, fragte Tala, der sich zur Entspannung eine Zigarette anzündete. Es war eine lästige Angewohnheit, die er begonnen hatte, als er das erste Mal jemanden getötet hatte. Das war ungefähr ein oder zwei Jahre her. „Ja, aber er war einer von den Guten! Sonst hatten wir Drogendealer, andere Mörder oder sonstige Typen, aber nie einen Unschuldigen!“ Kai hatte angefangen, hinter Tala, welcher auf dem Sofa im Wohnzimmer saß, auf und ab zu gehen. Dann neigte er sich über die Rückenlehne der Couch und stützte seine Hände auf der Sitzfläche ab. Tala nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein, während er Kai seinen Glimmstängel hinhielt. Der Silberhaarige nahm ihn und zog einmal. Er blies den blaugrauen Rauch durch die Nase wieder aus, ohne zu husten. Die beiden Freunde teilten sich die Zigarette, bis sie aufgeraucht war und Tala sie in einem Aschenbecher auf dem Wohnzimmertisch ausdrückte. „Hast du auf die Kameras geachtet, als ihr euch geprügelt habt?“ „Machst du Witze? Natürlich nicht!“ „JA UND WARUM NICHT?!“, polterte Tala los. Er war aufgestanden. „Du hast weder eine Maske, noch einen Helm getragen! Dein Gesicht ist weltbekannt, du Meisterblader! Was werden wohl die Nachrichten sagen, wenn sie erfahren, dass KAI HIWATARI, Bladerstar am Himmel des Erfolges, nachts in das Gebäude der obersten Sicherheitsbehörde eingedrungen ist und einen Wachmann erschossen hat?!!!“ Jetzt hatte sich auch Kai erhoben. Sie standen sich nun nah gegenüber, fast Nase an Nase, und Kai funkelte Tala wütend an. „Hör auf, das weiß ich selber! Du hättest doch auch nicht daran gedacht, in so einer Situation!“, verteidigte er sich. „Und außerdem ist Tyson Weltmeister, schon vergessen?“ Tala schnaubte verächtlich. „Du kommst in die Klapse, das sag ich dir! Ach, ich vergaß: Da warst du ja schon fast!!“ Das war zuviel. Kai scheuerte seinem Freund die Hand ins Gesicht. Der Abdruck auf Talas Wange brannte und verfärbte sich rasch rot. „Du Arsch! Das ist nicht wahr! Ich bin nicht verrückt!! ICH BIN NICHT VERRÜCKT!!!“, schrie er und stürzte sich auf den Rothaarigen. Dieser packte ihn und warf ihn zu Boden. Kai trat und schlug um sich. Tala steckte einiges ein. Aber auch er war nicht zimperlich. Er verpasste Kai schallende Ohrfeigen und hieb ihm das ein oder andere Mal seinen Ellenbogen in den Bauch. Ihr Kampf war rau und hart. Kein Wort fiel während der Prügelei und als sie miteinander fertig waren, blieben sie keuchend und schnaufend rücklings auf dem Teppich liegen. Das hatten sie gebraucht. „Danke...“, murmelte Kai. „Kein Thema. Hat sogar Spaß gemacht!“ Tala grinste. Er drehte sich auf die Seite und beugte sich über Kai. „Oh, da hat aber jemand was abgekriegt, das wird ja jetzt schon ganz blau!“ Schuldbewusst setzte er sich auf. „Ein bisschen Schwund ist immer...“, zwinkerte Kai. Die Spannung zwischen ihnen hatte sich wieder gelöst. Eine beruhigende Atmosphäre breitete sich im Raum aus. Und sie genossen es. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)