Guilty von WeißeWölfinLarka (Schuldig - Kann ich es je wieder gut machen?) ================================================================================ Kapitel 7: Zurück "zu Hause" ---------------------------- Kai fuhr in Richtung Fährhafen. Er wusste, das Tala eigentlich Hilfe benötigte, doch wusste er auch, dass er Ärzte hasste. Die Verletzungen, die er sich zugezogen hatte, waren schlimm und vor allem wegen dem Blutverlust machte er sich Gedanken, doch Tala bewegte sich noch in dem Pensum einer Blutspende. Mehr hatte er, jedenfalls soweit Kai es einschätzte, noch nicht verloren. Also musste er sich beeilen, dass Tala so schnell wie nur irgend möglich irgendwo unterkam. Der Graublauhaarige war noch weit, sehr weit entfernt vom Hafen und er bog in eine andere Richtung ein. "Wohin fahren wir?", fragte Tala angespannt. Doch Kai antwortete nicht. Erst als ein großes Gebäude auftauchte, das allen Anschein nach Kais Ziel war, sagte er: "Du brauchst einen Arzt. Du hast Blut verloren, vielleicht zu viel und..." "Nein! Kein Arzt!" Tala griff nach Kais Arm und drückte in Panik fest zu. "Kein Arzt!!" Kai schwieg nun. Er fuhr weiter und hielt vor dem Eingang des Krankenhauses. Der Rothaarige drehte sich zu ihm um und sah ihn an. "Ich bin gesund! Ich muss da nicht rein!" Sein ohnehin schon bleiches Gesicht wurde durch die Panik noch weißer. "Tala, ich bleib die ganze Zeit bei dir! Versprochen! Ich lass dich nicht allein, aber du musst dir helfen lassen! Du brauchst dringend Hilfe, und wenn es nicht wirklich nötig wäre, hätte ich dich nicht hergebracht, das weißt du!" Tala nickte schwach. Kai stieg ab und half ihm ebenfalls vom Motorrad. Leicht wankend erreichten sie die Rezeption in der Eingangshalle. Tala wurde immer unruhiger, als sie inmitten diesem unbehaglichen und ungewohnten Gebäude standen, umgeben von weißen Wänden und herumrennenden Menschen in ebenso weißen Kitteln. "Notfall! Ich brauche unbedingt einen Arzt!!" Die Schwester am Schalter schaute kurz auf. Beim Anblick der beiden blutbeschmierten Jugendlichen, der eine davon auch noch kaum bei Bewusstsein, stieß sie einen leisen Schrei aus. Sie griff zu ihrem Telefon und rief ein paar Ärzte aus. "Notfall in der Eingangshalle! Zwei..." Sie berichtigte sich, als Kai den Kopf schüttelte und auf Tala zeigte. "Ein Jugendlicher mit stark blutenden, äußeren Verletzungen." Kai schwankte untern der Last von Talas Gewicht und zog ihn noch ein Stück mehr auf seinen Rücken. Dabei stöhnte der Rothaarige auf und krallte sich vorne an Kais Mantel fest. Dann, nach endlosen Minuten, wie es den beiden schien, kam endlich ein Arzt angerannt. Ein Pfleger schob eine Rolltrage hinter ihm her. Mit äußerster Vorsicht wurde Tala darauf gelegt und sofort in einen Behandlungsraum geschoben. Kai war dabei immer an Talas Seite, denn dieser wurde sichtlich nervös, als er so viele Weißkittel auf einmal sah. "Oh mein Gott, was habt ihr denn gemacht?! Das muss sofort genäht werden!" Der Pfleger schnitt eilig Talas Hosenbein auf. "Das Knie blutet ja auch! Was ist passiert?" Kai und Tala suchten verzweifelt nach einer Ausrede. Dann meinte Kai: "Er ist beim Klettern abgerutscht und unglücklich an einem Metallzaun vorbeigeschrammt." Der behandelnde Arzt sah ihn durchdringend an. "Meistens ist es hilfreicher, die Wahrheit zu sagen, das erleichtert die Behandlung..." "Ok, ok, ich hab mich geprügelt! Die hatten Messer dabei!", gab Tala dann resignierend zu. "Aha. Gut, wir werden das jetzt nähen. Warte bitte draußen", wies der Doktor Kai an, doch dieser wehrte sich. "Nein!!" "Du darfst hier jetzt nicht bleiben", versuchte eine Schwester ihn herauszuscheuchen, "Dein Freund wird behandelt und dann darfst du ihn besuchen." "Nein, ich bleibe hier!!!" Kai nahm Talas Hand. "Nichts wird mich davon abhalten! Ich hab's versprochen, ich darf jetzt nicht gehen!" Tala dankte Kai insgeheim, er wollte jetzt nicht alleine sein. Beide hatten schlechte Erfahrungen mit Leuten solcher Professionen gehabt, daher konnte man es ihnen nicht verübeln. Langsam beruhigte der Rothaarige sich und lag nicht mehr so verkrampft da. Kai indes weigerte sich weiterhin strikt, Tala allein zu lassen und hielt dessen Hand fest. Nach einigen erfolglosen Versuchen, ihn aus dem Raum zu schaffen, gaben die Ärzte es auf, denn der Junge musste bald behandelt werden. Also begannen sie ihre Arbeit im Beisein Kais. Dieser hatte ein scharfes Auge auf jeden ihrer Handgriffe. Beiden waren Ärzte nicht geheuer, und schon gar nicht, wenn sie Spritzen aus großen Ampullen verschiedener Flüssigkeiten aufzogen. "Was geben Sie ihm da?" "Das sind handelsübliche Beruhigungs- und Schmerzmittel." Kai schien beruhigt, doch beobachtete er ihr Handeln immer noch mit Misstrauen. Besonders, als Tala eingeschlafen und er nun den Händen der Ärzte sozusagen schutzlos ausgeliefert war. "He, was machen Sie jetzt?" "Ich desinfiziere die Wunden und vernähe sie!" "Ich warne Sie, wenn sie ihm auch nur eine falsche Arznei geben!" "Hören Sie, lassen Sie uns bitte unsere Arbeit machen. Schlimm genug, dass Sie bei der Behandlung dabei sind, aber seien Sie nun bitte still, so können wir nicht arbeiten, wohlmöglich machen wir noch eher Fehler! Also, könnten Sie sich jetzt bitte ruhig da vorn am Kopfende hinstellen, damit wir fortfahren können? Danke!" Dem behandelnden Arzt war der Kragen geplatzt und wies Kai nun zurecht. Widerwillig machte dieser dem Arzt Platz. Er wollte schließlich, dass Tala wieder gesund wurde. "Hach, total entspannt die Ferien..." seufzte Max entzückt und lehnte sich auf seiner Liege im Schwimmbad zurück. Vor ihm stand Kenny und trocknete sich ab, als Tyson aus dem Becken, das einige Meter von ihrem Liegeplatz entfernt war, stieg und sich wie ein nasser Hund schüttelte. "Mensch Tyson, pass doch auf!", meckerte Kenny und Max schlug mit dem Handtuch nach ihm. "Ey, ich war gerade trocken, du Nase!" Grinsend setzte sich Tyson auf seine Liege. "Ne tolle Idee, herzufahren, find ich sehr gut! Super Vorschlag von Ray!", meinte er. Die vier Freunde hatten überlegt, was sie tun sollten, und der Schwarzhaarige hatte empfohlen, schwimmen zu gehen. Dies war einstimmig angenommen worden. "Mal nebenbei, wo ist Ray überhaupt?", fragte Max. Tyson sah sich um. "Ah, er sitzt an der ,Beach Bar'! Scheint mit der Barkeeperin zu flirten...", feixte er. Das Hallenbad war sehr weitläufig. Es war lagunenartig angelegt, das Becken glich einer Bucht und im Bereich der ,Beach Bar' war künstlicher Sand ausgestreut worden, um einen Strand anzudeuten. Palmen und andere Grünpflanzen säumten den Weg dahin und umgaben auch die einzelnen Plätze mit den Liegen. Das Bad war sehr populär, und es erfreute sich hoher Besucherzahlen, so wie heute. Mittlerweile war Ray zu seinen Freunden zurückgekehrt, mit einem alkoholfreien Cocktail in der Hand. "Na, was sagt sie? Wollte sie ein Autogramm?", fragte Max grinsend. "Wovon bitte sprichst du?" "Von dem Mädchen hinter der Bar!" "Ach so, das... Na ja, in der Tat hat sie gesagt, dass ich einem von den Bladebreakers sehr ähnlich sehe...", gab Ray leicht belustigt zurück. "Und als ich ihr meinen Namen sagte, meinte sie: ,Was für ein Zufall, der, dem du ähnlich siehst, heißt genau so!' Tja, Zufälle gibt's..." Seine Freunde brachen in schallendes Gelächter aus. "Echt jetzt? Sie hat dich nicht erkannt?", fragte Tyson, noch immer kichernd. "Nein, aber das ist auch nicht weiter schlimm, oder? Hättet ihr denn Bock, ausgerechnet heute Autogramme zu schreiben? Heute sind viele Familien mit Kindern hier, wir hätten doch in Nullkommanichts einen Krampf in der Hand!" Der Schwarzhaarige strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht und nahm einen Schluck von seinem Cocktail. "Kommt jemand mit zu den Rutschen? Es soll hier einen ,Nachttunnel' geben, den will ich unbedingt ausprobieren!" Sofort sprangen die anderen drei Jungen auf. Zusammen liefen sie lachend zur Fun-Area des Schwimmbads, welche aus einer Extrabucht im hinteren Teil gleich neben dem Sprungbecken angelegt war. Niemand der sie sah, hätte gedacht, dass sie sich Sorgen machen. Sorgen um ihren Teamleader, der sich schon seit mehr als einer Woche nicht bei ihnen gemeldet hatte. Besonders Ray machte sich Gedanken, er stand Kai noch am nächsten und da er mit ihm ein Zimmer teilte, hatte er mehr von dem Graublauhaarigen mitbekommen, als diesem vielleicht lieb war. Zum Beispiel wusste Ray, dass Kai manchmal in der Nacht Albträume hatte, dass er sich im Schlaf unruhig hin und her wälzte und dann keuchend erwachte. Doch er hatte es immer vermieden, Kai darauf anzusprechen, auch hatte er es niemandem erzählt. Aber jetzt nagten Schuldgefühle an ihm, vielleicht hatte Kai schwerere Probleme als sie alle annahmen, und die Albträume waren eventuell der Schlüssel dazu. Andererseits wollte er Kai auch nicht in den Rücken fallen. Eine verdammt verzwickte Situation. Im Moment jedoch versuchten sie alle, die Ferien zu genießen. Sie redeten sich ein, Kai wäre wirklich in Urlaub gefahren und käme sicher bald zurück. "Kommt, wir machen eine Kette!", rief Max vergnügt und setzte sich auf die Rutschbahn. Ihm folgten Kenny, Ray und Tyson, sie hielten sich fest und sausten hinunter. Sie platschten in das Auffangbecken ein und tauchten prustend wieder auf. Rays Haare hingen ihm platt ins Gesicht, er war so förmlich blind. Er tauchte abermals unter und wischte sie nach hinten. "Sehr reizend Ray, du solltest deine Haare öfter so tragen", frotzelte Tyson, als der Schwarzhaarige wieder aufgetaucht war. Zur Antwort streckte dieser ihm die Zunge raus. Am Abend saßen die Bladebreakers zusammen im Wohnzimmer, ein angenehmer Geruch von Pizza lag im Raum, und auf dem Tisch, um den herum die Sessel und das Sofa arrangiert waren, stapelten sich die Pizzapappen. "Ein gelungener Abschluss für die Ferien, findet ihr nicht auch?", fragte Kenny die anderen drei. Sie hatten es sich gemütlich gemacht, im Hintergrund lief Musik aus dem Radio. "Abschluss? Wir haben noch vier Tage Zeit!", gab Tyson entrüstet bekannt. "Ja, aber die wirst du wohl für die Hausaufgaben brauchen, die du meines Wissens noch nicht gemacht hast, und außerdem sind diese vier Tage gut für die Vorbereitungen auf die Schule zu gebrauchen", belehrte Kenny seinen Freund lächelnd. Ray und Max grinsten sich an. Typisch Kenny, aber er hatte Recht. 10 Tage waren schon vergangen, und damit auch 10 Tage seitdem Kai abgehauen war. Max sprach diesen Gedanken als erster aus: "Kai hätte heute auch hier sein sollen, es war echt lustig... Warum hat er sich nicht ein einziges Mal gemeldet?" "Und warum haben wir uns nicht mal bei ihm gemeldet?", fragte Kenny nüchtern. "Er hatte doch sein Handy dabei!" "Er hat aber nie abgenommen, und seit vier Tagen ist nur noch die Mailbox dran...", sagte Ray betrübt. "Warum erzählst du uns denn nicht, dass du ihn angerufen hast?!" Max starrte Ray durchdringend an. "Weil die Ergebnisse immer so ernüchternd waren... Ich wollte euch das ersparen..." Schweigen senkte sich nun über die Freunde, sie sahen betreten zu Boden. Da ließ sie das Geräusch eines Schlüssels, der im Haustürschloss umgedreht wurde, aufschrecken. "Was war das?", wunderte sich Tyson. "Wahrscheinlich Mr. D., er hat sich neulich einen Ersatzschlüssel geliehen. Vielleicht kommt er uns besuchen.." Die Tür ging auf. "...und dann suchen wir dir ne Wohnung, ich hab da schon so eine Idee..." Eine leise Stimme ließ sich vernehmen, dann fiel die Tür ins Schloss. Es war der Teamleader, den die Jungen so sehr vermisst hatten. Kai hängte seinen Mantel an der Garderobe auf, die links neben der Haustür hing. Dann verabschiedete er sich von Tala, mit dem er per Handy geredet hatte. Kenny, Tyson, Max und Ray sahen sich an. Konnte das wirklich wahr sein? Erwartungsvoll wanderten ihre Blicke zur Wohnzimmertür. Diese ging langsam auf. Kai seufzte leise und verstaute sein Handy in seiner Hosentasche. Plötzlich hielt er inne und bevor er überhaupt seine Teamkameraden ansah, drehte er sich auf dem Absatz um und rannte zur Toilette im Flur, auf der er sich erbrach. "Was zum...?" Die Freunde lugten neugierig zur Tür und reckten ihre Hälse. "Das war doch Kai, oder? Ihr habt ihn doch auch gesehen, oder nicht? Oder bilde ich mir das ein?", fragte Tyson verblüfft. "Ja, das war er. Ich seh mal nach ihm...", erklärte Ray und stand auf. Er nahm eine Packung Taschentücher von einem Regal an der Wandseite und ging auf den Flur. Die Tür zur Toilette war offen, Kai kniete vor der Porzellanschüssel und übergab gerade seinen Mageninhalt dem Abwasserkanal. Der Schwarzhaarige stellte sich hinter ihn und lehnte sich dann an die Wand zwischen Waschbecken und Tür. Als Kai die Spülung drückte, öffnete Ray die Packung und reichte ihm ein Taschentuch. Der Graublauhaarige nahm es und wischte sich damit den Mund ab. Dann klappte er den Toilettendeckel runter und setzte sich darauf. "Und, schönen Urlaub gehabt?", fragte Ray leicht spöttisch. Kai spuckte noch einmal in das Taschentuch, bevor er es dann wegwarf. "Na ja, insgesamt vier Tage Fahrt, dann nur Stress und die letzten drei Tage war ich im Krankenhaus, aber ansonsten war es recht schön, ja!", gab er sarkastisch zurück. "Krankenhaus? Aber wieso?" "Ich brauche ein Glas Wasser..." Leicht wankend erhob Kai sich und ging in das mit der Küche verbundene Wohnzimmer, woraufhin Ray ihm sofort folgte. Die letzte Woche hatte ihn doch arg mitgenommen und dieser Stress, verbunden mit dem ungewohnten Geruch der Pizzen, hatten in ihm einen Brechreiz ausgelöst, von dem er nun recht benommen war. "Kai! Du bist wieder da! Wo warst du? Was hast du getrieben?", begrüßte Max ihn. Der Graublauhaarige goss sich zunächst ein Glas Wasser ein und trank einen Schluck. Dann schaute er durch die Anrichte, die eine Art Fenster war und den Wohnzimmerbereich von der Küche trennte, jedoch an beiden Enden ein Durchgang hatte. "Wie gesagt, ich war im Krankenhaus..." "WAS? Warum das? Wieso sagst du uns nicht, dass du krank bist?" Kai verdrehte genervt die Augen, seufzte, nahm noch einen Schluck Wasser und kam dann um die Anrichte herum. Er setzte sich auf einen freien Sessel und drehte das Glas in seinen Händen. Doch er hatte irgendwie das dringende Bedürfnis, sich mitzuteilen. "Lasst mich doch mal ausreden... Es ging nicht um mich, sondern um Tala. Er... hatte einen Unfall..." "Wie? Tala? Was für einen Unfall? Erzähl!", unterbrach in Tyson gespannt. Es war für alle ein seltsames Ereignis, dass sie alle beisammen saßen, und ,alle' meinte in diesem Fall MIT Kai, und dieser sie auch noch ins Vertrauen zog. ~Tala muss es wirklich sehr schlecht gehen, wenn Kai uns davon erzählt~, dachte Ray bei sich. "Ich weiß nicht wie und was, nur, dass er einen hohen Blutverlust erlitten hat und die Wunden genäht werden mussten... Versteht ihr, ich musste zu ihm, ich konnte ihn nicht alleine lassen, wenn er draufgegangen wäre, er wollte ja nicht mal zum Arzt, ich musste ihn hinschleifen, obwohl die Ärzte in Russland gut sind, aber er wollte nicht, was ich auch verstehen kann, wir haben beide nicht gerade gute Erfahrungen mit diesen Leuten gemacht, aber es war einfach notwendig, wisst ihr, und er sah es dann auch ein..." Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus, er konnte diesen Vorgang nicht aufhalten, vielleicht brauchte er das, vielleicht lag ihm das schon länger auf der Seele. Die Angst vor dem Verlust seines besten Freundes, seinem einzigen Halt in seinem Leben, auf den er sich stützen konnte. Er konnte nicht immer für ihn da sein, und das machte ihn wahnsinnig. "Und das war der Grund für deine Abreise?", fragte Kenny sanft. "Warum hast du das nicht gleich gesagt?" "Ich... ich war viel zu durcheinander, es hätte fast zu spät sein können..." Kai fuhr sich mit der rechten Hand durchs Haar und senkte gleichzeitig den Kopf. "Die letzten Tage hab ich bei Tala am Krankenbett gesessen, er ist gestern entlassen worden." Er merkte, wie seinen Augen anfingen zu brennen und er einen Kloß im Hals bekam. "Entschuldigt, aber ich bin müde." Er erhob sich und verzog sich nach oben auf sein Zimmer. Stille trat ein, die vier Jungen mussten erst begreifen, was Kai ihnen erzählt und dass er ihnen überhaupt etwas erzählt hatte. Im gemeinsamen Bad von Ray und Kai stand Letzterer vor dem Spiegel und sah hinein. Er trug seine normale Kleidung, die er sich schon im Krankenhaus in Russland wieder angezogen hatte, denn sein schwarzer Pullover war zerrissen und die dazu passende Hose voller Blut. Dass er aus der Hölle, die er die letzte Woche mitgemacht hatte, bis auf ein paar kleinere Kratzer überlebt hatte, grenzte an ein Wunder. Er strich mit den Fingern zärtlich über das Amulett, das er nie ablegte. Sein Phönix, der seine Qual wie immer bemerkt hatte und wusste, dass Kai jetzt Trost brauchte, erschien. "Kai... Es war richtig, ihnen davon zu erzählen. Sie machen sich doch auch Sorgen um dich!" "Ja... Sie sollen sich aber nicht sorgen. Es soll ihnen egal sein..." "So darfst du nicht reden! Ich weiß, dass es dir gut tut, wenn du ihnen einen kleinen, wenn auch minimalen Einblick in deine Welt verschaffst. Und ich finde es nicht schön, wenn du immer alle Menschen auf Abstand hältst. Jeder braucht das Gefühl, zu wissen, dass da jemand ist, dem es nicht egal ist, wie dreckig oder gut es ihm geht, auch du, Kai!" Sanft strich Dranzer mit seinem Flügel über den Kopf seines Schützlings. Kai schloss die Augen. "Ich brauche dich, Dranzer, bitte geh nicht weg! Geh nie wieder weg!" Auf einmal war er wieder der kleine Junge aus der Abtei damals, der Angst hatte vor dem Alleingelassenwerden. Er krallte sich in Dranzers Gefieder fest. Es war nicht sehr schwierig für den Phönix, die richtigen Worte für Kai zu finden, denn sie kannten sich schon seit frühester Kindheit, aber in diesem Moment rang auch er mit der Fassung. Dieses Bild des sechzehnjährigen Jungen, der verzweifelt nach einem Halt suchte und von dem er wusste, dass ihn nur noch die Hoffnung aufrecht erhielt, seine Eltern irgendwann zu finden, war schwer zu ertragen. Dranzer legte seinen Flügel um Kai und eine einzelne Träne tropfte auf den Jungen. Sofort ließ dessen Verkrampfung nach. Phönixtränen wurde eine mächtige Heilwirkung zugeschrieben, und auch wenn er keine äußeren Verletzungen besaß, linderten sie die Schmerzen in Kais Innerem. Der Graublauhaarige drückte sich näher an Dranzer. Nach ein paar Minuten war er eingeschlafen. Der Phönix lächelte, packte mit seinem Schnabel Kai vorsichtig am Kragen und brachte ihn ins Schlafzimmer, wo er ihn auf seinem Bett ablegte. Mit beinahe mütterlicher Sorgfalt deckte er ihn zu und setzte sich neben ihn. Kai genoss die wohltuende Wärme, die sein Bit Beast ihm spendete und kuschelte sich in seine Decke ein. Als Ray eine halbe Stunde später den Raum betrat, lag Kai immer noch so da. Dranzer war schon wieder in seinem Amulett verschwunden. Kai aber hielt eine rote Feder in seiner Hand und lächelte leicht im Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)