Guilty von WeißeWölfinLarka (Schuldig - Kann ich es je wieder gut machen?) ================================================================================ Kapitel 4: Elternsprechtag ohne Eltern - Wie soll das gehen? ------------------------------------------------------------ Klassenlehrer Hasegawa betrat den Raum. Sein Blick fiel auf Kai, der zwei Tage gefehlt hatte. "Dir scheint es ja wieder besser zu gehen, Hiwatari. Mir wurde gesagt, dass du krank warst?" Der Graublauhaarige sah erstaunt zu Ray herüber, der ihm zunickte. Daraufhin bestätigte Kai die Frage seines Lehrers. "Gut. Also, ich habe hier eine Einladung zum Elternsprechtag, der nächste Woche Freitag feststeht. Zu morgen will ich alle Unterschriften zurückbekommen. Ray, deine Eltern leben in China, darum hast du Zeit bis spätestens nächste Woche Donnerstag. Ein Fax reicht auch aus. Es steht euch wie immer frei, eure Eltern zu begleiten, doch ihr müsst den Eltern natürlich den Vortritt lassen. Schließlich könnt ihr uns Lehrer jederzeit sprechen und mündlich einen Termin mit uns machen. Der Elternsprechtag ist normalerweise freiwillig, aber die Eltern folgender Schüler sollen bitte unbedingt kommen: Edwin, Tyson, Marlene und Kai." Der zuletzt Genannte schaute seinen Lehrer erschrocken an. "Und ich sage es noch mal: Bringt die Zettel morgen von euren Eltern unterschrieben wieder mit. Ich weiß, dass das in dieser Klasse gern vergessen wird, aber es ist wichtig." Dann verteilte er die Zettel. Kai las ihn durch und schluckte schwer. Wie sollte er das denn schaffen? Ihm blieb nur eine Wahl: Er musste die Unterschrift fälschen. Was sollte er denn sonst machen? Er konnte nur hoffen, dass es niemand merken würde. Während des Rests der Stunde versuchte er sich fieberhaft daran zu erinnern, wie sein Vater einmal einen Vertrag unterschrieben hatte. Als kleiner Junge hatte er über die Tischkante geschaut und so kurz die Unterschrift gesehen. Aber auch wenn es ihm im Moment nicht klar vor Augen stand, wie diese ausgesehen hatte, er würde am Nachmittag viel Zeit haben, darüber nachzudenken. Ungestört. Und dann fiel ihm plötzlich mit Schrecken ein, dass seine Eltern da ja zu erscheinen hatten! "Scheiße..." "Wie bitte? Ich hoffe, ich habe mich verhört, Hiwatari!" Kai hatte das Wort, das seine missliche Lage genau auf den Punkt brachte, mitten in die Pause zwischen zwei Sätzen von Herrn Hasegawa kundgetan. "Entschuldigung..." Endlich klingelte die Pausenglocke. Kai kramte wieder einmal in seinen Hosentaschen nach Kleingeld. Da er für die Telefonzelle der Schule aber zu wenig dabei hatte, nahm er ausnahmsweise sein Handy. Der Graublauhaarige ging aus der Klasse und rannte dann die Treppen zum Schulhof hinunter, um ungestört telefonieren zu können. "Tala? Ich bin es. Du, ich hab ein Problem." "~"Ja, das weiß ich! Weißt du eigentlich wie spät das ist? Ich bin in der Schule verdammt, zum Glück war nur Vibrationsalarm, der Lehrer hätte mich geköpft!!"~" "Häh, wie kannst du dann telefonieren?" "~"Ich sitz aufm Klo."~" "Oh, ach so... Na ja, ich hab nicht viel Zeit, bin auch in der Schule, es ist grade kleine Pause. Jedenfalls... Wir haben nächste Woche Elternsprechtag, und meine Eltern müssen kommen!" "~"Ja, aber...! Das geht doch nicht!"~" "Das weiß ich selber. Ich werde wohl selber hingehen müssen. Hast du eine gute Ausrede?" "~"Hm.. Deine Eltern liegen im Koma? Nee... Ja, ich hab's. Glaubwürdiger wäre, wenn du sagst, dass sie irgendwo ganz weit weg, von mir aus in Wien oder so, arbeiten und nicht so kurzfristig kommen können, weil ihre Arbeit es nicht erlaubt."~" "... Ja, vielleicht klappt das..." "~"Kai, ist alles in Ordnung? Du hörst dich so seltsam an."~" "Nein, alles ok, wirklich. In einer Wochen sind Ferien. Vielleicht komm ich dich besuchen." "~"Ja, komm vorbei. Kai, du hörst dich trotzdem... Weinst du?"~" "NEIN! Ich weine nie, das weißt du!!" "~"Ok! Tut mir leid. Gut, noch was?"~" "Net." "~"Ich würde ja so gern mal wegfahren aus Russland... aber na ja... Übrigens hab ich für uns schon wieder einen neuen Auftrag annehmen müssen, die brauchten uns dringend in..."~" "Shhhh! Nicht am Handy!" "~"Ach ja, sorry. Ähm, Handy? Wird das nicht teuer?"~" "Boah, ich sag dir, wenn Mr. D. wieder so dumm kommt wie beim letzten Mal, ne... Ich bin ja wohl alt genug, um mit Geld umzugehen! Wir sind erwachsener als der Rest des Kindergartens der sich Bladebreakers nennt!" "~"Tja, was wohl an unserer guten Erziehung liegt. "~" Kai schnaubte verächtlich und Tala lachte kurz verbittert auf. "Ok, ich mach Schluss. Will dich ja auch nicht zu lange aufhalten. Ich danke dir, dass du für mich da bist!" "~"Dafür nicht! Aber trotzdem gern geschehen."~" Nachdenklich legte Kai auf. Er hatte ganz vergessen, dass auch Tala viel hatte zurückstecken müssen. Der Rothaarige hatte nicht wie er die Möglichkeiten, mal eben schnell in ein anderes Land zu reisen, nicht nur aus finanziellen Gründen. Das Geld, was sie zusammen bei ihren Aufträgen verdienten, teilten sie sich gerecht auf, obwohl Kai immer wollte, dass Tala mehr bekam, weil es für den Älteren schwieriger war, allein klarzukommen und das bei den Verhältnissen, die zur Zeit in Russland herrschten. Doch Tala meinte, er käme schon klar, er hätte aus seinen Beybladezeiten genügend gespart, sozusagen ein finanzielles Polster angelegt. Beyblade... Noch etwas, bei dem Tala hatte kürzer treten müssen. Kai ging langsam und innerlich geknickt die Treppen hinauf. Beyblade war Talas ganze Freude gewesen, er hatte es geliebt wie nichts anderes auf der Welt. Aber er kam kaum noch zum Training, da er keine Zeit hatte. Das einzige, was ihm immer zur Seite stand, war sein Bit Beast. Wolborg war für Tala das, was Dranzer für Kai war: ein ständiger Begleiter, ein Freund, der jederzeit da war, dem man all seine Gefühle anvertrauen konnte. Und ein Beschützer. Während Kai so nachdachte, wurde etwas für ihn immer klarer: Eigentlich hatte er so einen guten Freund, wie Tala es war, gar nicht verdient. Er war ja so egoistisch gewesen! Hatte nur an sich selbst gedacht! Und nur weil er sein Ziel verfolgen wollte, um es endlich zu erreichen, musste Tala nun auf so vieles verzichten... Wieder einmal war er schuld am Schicksal eines von ihm geliebten Menschen... Kai war auf den Flur gelangt, auf dem sich sein Klassenzimmer befand. Er hielt an. "VERDAMMT!!!!!!!!" Sein Ruf hallte über den Flur, über den Korridor, in alle offenstehenden Klassen. Sofort steckten alle Schüler den Kopf aus der jeweiligen Tür. Kai stand dort, mit gesenktem Kopf, die Faust, mit welcher er gegen die Wand geboxt hatte, immer noch an dieser anliegend. Auch seine Freunde sahen nach, was da vorging. Die Bladebreakers quetschten sich irgendwie an den anderen Mitschülern vorbei. Aber sie wagten es nicht, Kai anzusprechen. Es sah aus, als würde er gleich explodieren. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Innerlich war er kurz davor, zu zerbrechen. Am liebsten wollte er heulen. Ja, richtig heulen! Aber er konnte nicht. Sein einziger Gedanke war, dass er wieder einmal schuldig war. ~Nein! Nicht schon wieder!~ Unfähig sich zu bewegen verharrte er in seiner Haltung. In seinem Kopf hallten immer die gleichen Worte wider: Schuldig. Schuldig. Schuldig. "Geh mal hin, Ray! Frag ihn, was er hat!" "Wieso denn ich? Ich kann das nicht!", gab der Schwarzhaarige flüsternd zurück. Da nahm sich Max ein Herz und ging auf seinen Teamleader zu. "Hey... Du Kai, ist alles in Ordnung?" ~In Ordnung? Oh nein Max, nichts ist in Ordnung! Aber das würdest du sowieso nicht verstehen!~ "Ich weiß ja nicht, was dir fehlt, aber...", der Blonde sah sich kurz um, "vielleicht solltest darüber reden. Es hilft wirklich, wenn man redet! Und wir sind doch deine Freunde! Du kannst uns alles erzählen!" ~Pah! Alles erzählen! Würde ich euch alles erzählen, würdet ihr wohl nicht mehr meine Freunde sein wollen!" Kai seufzte schwer. Er zog seine Faust von der Wand zurück. Feiner Putz rieselte auf den Boden und eine kleine Delle blieb zurück. Er wusste, dass Max es nur gut meinte. Theoretisch konnte er froh sein, solche aufmerksamen Teamkameraden zu haben. Doch praktisch war es schwierig, Geheimnisse vor ihnen zu verbergen. Kai hob den Kopf, sah aber nach einem kurzen Blick in Max' blaue Augen sofort wieder zur Seite. In diesem Moment sah er müde aus. Sehr müde. Und viel zu alt für einen Jungen seines Alters. "Es ist nichts. Ich... habe mich nur aufgeregt, weil... ich meine Eltern nicht erreichen kann..." Damit ging er an seinen Mitschülern vorbei und setzte sich an seinen Platz. Den Rest des Schultages bekam er kaum mit. Er saß nur noch teilnahmslos im Unterricht. Das war der Tag, an dem sein Team begann, sich ernsthafte Sorgen um ihren Teamleader zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)