Die Revolution von fany10 ================================================================================ Kapitel 16: Katzenjammer ------------------------ Haha! Endlich bin ich scheinbar wieder in der Lage meine nicht zu ernst zu nehmenden Versprechen zu halten. Wenn dieses Kapitel nicht verhältnismäßig schnell nachgerückt ist, dann weiß ich auch nicht. Bin gerade irgendwie in einem Schreibfieber (welches hoffentlich noch eine Weile anhalten wird^^) darum nehme ich einfach mal an, dass der nächste Teil auch nicht sehr lange auf sich warten lassen wird. Hoffe wie immer, das Kapitel wird euch gefallen. Diesmal habe ich auch nicht ganz so gemein aufgehört ;P Viel Spaß also und eine Menge Grüße, Fany Das wichtigste P.S. überhaupt: Vielen Dank an die Kommentarschreiber! ********************************* "Miau." Beinahe wäre ein simpler Herzinfarkt Lillis Ende gewesen. Bis zur Unendlichkeit angespannt lag sie da, wartend auf eine Besserung der Situation, wie die auch aussehen mochte und dann quietschte sie eine Katze blöd von der Seite an. Diese Idioten vom Orden hatten den Waggon mit den Tierkäfigen beschädigt. Dafür hatte sie nun wirklich keinen Nerv. Man konnte Dank des flachen Landes sogar noch die Umrisse des langen, stillgelegten Zuges und die Lagerfeuer sehen, von denen es jetzt vier gab. In ihrer Furcht war die Mieze wohl so zielstrebig wie sie selbst geflüchtet. Mit dem kleinen Unterschied dass man sie nicht um die Ecke oder wenigstens vor das hauseigene Gericht für Hochverrat bringen wollte. Lilli überging die Anwesenheit der Katze. Vorerst. Das Tier schien sie als Mount Everest zu missbrauchen und dachte nicht daran zurückzugehen. "Ach geh weg" ,maulte Lilli die kleine Bestie an, weil sie schon jetzt wusste, sie würde es nicht allein hier zurücklassen können. Dorthin würde sie es jedoch auch nicht bringen können. "Verschwinde! Immer den Lichtern nach, Mieze, oder eine Familie wird demnächst untröstlich sein über deinen Verlust. Sicher weint sich ein kleines blondes Mädchen mit Zöpfen schon jetzt die Augen aus. Willst du das?" Die Katze schien keine besonders große Bindung zu solch einem Mädchen zu haben, denn sie machte sich weiter geschäftig daran über Lillis Hüfte zu kraxeln und dabei die süßen kleinen Krallen als Bergsteigerwerkzeug zu nutzen. Schade nur, dass die süßen kleinen Krallen besonders scharf durch die Jeans drangen und einige Kratzer hinterlassen würden. "Miau." Die Katze ließ ihre Haken widerstandslos von Lilli aus deren Fleisch ziehen und nach vorne zu ihrem Kopf zu heben. "So, nun lass dich wenigstens mal ansehen, wenn du mir schon so unter die Haut gehst." Sie streichelte das dunkle Fell. Man konnte nicht erkennen welche Farbgebung es genau hatte, aber es war weich und gepflegt. Auch abgemagert war sie nicht, wie vermutet eine geliebte Hauskatze. "Alles scheiße gelaufen! Sie sind hinter mir her! Kannst du dir das vorstellen? Hinter mir! Als befürchten sie, ich könne zu einer Atombombe werden. Bloß weil ich nicht fürs Abknallen von Vampiren bin. Nicht dass die Sorte sehr umgänglich ist, aber nun mal im Ernst. Wie viele schwer umgängliche Leute trifft man in seinem Leben? N' haufen. Und macht man sie gleich einen Kopf kürzer? Nein!" Es tat ihr seltsam gut sich mit einer Katze zu unterhalten, die wollte nicht wissen warum genau sie einem Monstervampir mit ziemlich weltlichen Gelüsten geholfen hatte. Und das, obwohl es vielleicht noch nicht einmal etwas gebracht hatte. Sie wusste es ja selbst nicht. Aber kalt war es, das wusste hier jeder. "Ich hoffe bloß, er hat sich gerettet! Sonst wäre ja alles umsonst gewesen und ich läge hier für nichts und wieder nichts im Staub vor Unwana und ihrer Crew. Valentin hat mich verpetzt, wie findest du das, hä? Das bekommt er noch ab, das sag ich dir und wenn ich ihm seinen Ohrring abreiße!" Lilli hustete und machte sich um Frostbeulen überall an ihrem Körper ziemliche Sorgen. Bald würde sie ihre Finger nicht mehr spüren können. Lillis Nase lief, sie putze sie zum hundertsten Mal mit ihrem Ärmel ab. So konnte das nicht weitergehen. Entschlossen packte sie die Katze und schob sie unter ihren Rollkragenpulli bis er so präpariert war, dass ihr Kopf neben dem Hals des Mädchens herausschaute. Tief im Inneren war ihr klar, dass sie das Tier weniger um dessen Willen als viel mehr ihretwillen mit sich nahm. Lilli würde jemanden oder etwas brauchen in diesen schwer werdenden Stunden, auch wenn sie jemandem das Haustier stahl. Es war eine egoistische Handlung durch und durch. Tief seufzend richtete Lilli wieder einen Blick zu den Feuern. Unwana würde heute Nacht sicherlich nicht mehr abziehen und bis zur Vergasung nach etwas suchen, dass sie würde umbringen können. Nur wo sollte sie hin? Nahm jemand streunende Mädchen und Katzen auf, wenn es hier überhaupt Häuser gab? Zu sehen waren noch keine, das Gebiet war steppenartig leergefegt. Trotzdem machte sie sich auf den Weg frei nach Schnauze und kraulte dabei die Katze um zumindest ihre Finger vor dem Absterben zu bewahren. "Warum schnurrst du eigentlich nicht? Du bist eine recht undankbare Katze! Ich trage dich hier durch die Gegend und sehe dabei aus wie ein schwangeres Frettchen, während du dir gemütlich die interessante Landschaft ansiehst." "Ich würde sagen dass du deine Wanderstunden für heute beenden kannst und mir in die Bruchbude zehn Minuten östlich folgst." Lillis armes Herz musste einen gewaltigen Sprung gemacht haben als Valentin vor ihr auftauchte, denn die Katze sah mit ihren leuchtenden Augen zu ihr hoch. "Wie kannst du es wagen mich auch nur anzusprechen?!" Trotz eiskalter Nase war Lilli nahe daran, außer sich in lodernden Zornesflammen aufzugehen. "Ich werde einen Teufel tun und Ihnen auch nur einen Schritt folgen! Die hätten mich eben gerade töten können und Sie wussten nichts Gescheiteres als mich ihnen auszusetzen!" "Ja und wenn du jetzt nicht mitkommst wirst du auf jeden Fall über kurz oder lang den Löffel abgeben." Sie verspürte große Lust dem blonden Racheengel an die Kehle zu springen. Nicht zuletzt weil sie merkte, dass sie auf eine geheimnisvolle Weise mit Ilias gerechnet hatte, der sie fand. Es ärgerte sie maßlos, denn er wäre der Logik nach keineswegs besser gewesen! Dennoch musste sie einsehen, wie Recht Valentin hatte und das ärgerte sie fast noch mehr. "Und eins sag ich Ihnen, die Katze gehört mir! Ich habe sie gefunden und werde sie behalten, ganz egal was Sie dazu sagen!" Ansonsten wortlos ging sie hoch erhobenen Hauptes in die gewiesene Richtung. Am Liebsten hätte sie fragen wollen, weshalb er ihr half. Sie war schließlich das Spielzeug seines Intimfeindes. Oder war es gewesen. "Manchmal muss ich Ilias' Unverfrorenheit schon bewundern" ,lachte der Blonde leise, worauf Lilli keine Antwort gab. In Wirklichkeit jedoch, hoffte sie auf jedes weitere klärende Wort. Sie hatte doch gewusst dass er nicht gänzlich tot war, es wäre auch viel zu einfach gewesen, wenn sie es sich gut überlegte. "Seine Dummheit in mancher Hinsicht macht das allerdings wieder wett" ,hängte er an. Das Mädchen fing an ihre Katze zu streicheln, da diese es sich aus dem Stehgreif wohl vorgenommen hatte, ihr ein bisschen Haut vom Körper zu fetzen. Vielleicht hatte sie Hunger. "Jetzt reg dich nicht gleich so auf" ,beschwichtigte Valentin. Lilli hatte keine Ahnung wie er darauf kam dass sie sich aufregte, sie war in Daueraufregung und das nicht erst seit ein paar Minuten. "Obwohl ich es natürlich genieße dich in dieser haarigen Verfassung zu sehen." Vielleicht hatte Unwana samt ihrem Gefolge Valentin aufgespürt und er hatte nur mit einer schweren Gehirnerschütterung plus Wahnvorstellungen entkommen können. Lilli entgegnete mit der nötigen Bitterkeit. "Ich danke Ihnen so redlich wie ich kann, denn wie wäre es ohne Ihre Hilfe so weit mit mir gekommen? Ich hätte es nie alleine geschafft. Merci, das es Sie gibt!" Ob er die Werbung kannte? Wohl nicht, er ging seine eigenen Diskussionswege. "Hat es dir ein Loch in die Rippen geschlagen?" Oh, er war mit seinem selbstgefälligen Lächeln ganz eindeutig hinüber. Tatsächlich, wenige Minuten später betrachtete sie die Unterkunft, die mit dem Betreff "Haus" absolut übertrieben war. Es war eine Scheune. Verlassen von vor Jahren. Sie sah ungemütlich aus, aber immerhin schien sie wind und wasserfest zu sein. "Hast du das Stroh aus dem Weg geräumt?!" Grunzend kletterte das sabbernde Vieh an einem Vordach herunter. Es war also auch da, na dann war die Nachtruhe ja gesichert. Es fühlte sich nicht verpflichtet darauf zu antworten. Lilli war es ohnehin ein Rätsel wie und wieso der äußerlich um einiges schwächer wirkende Valentin das Vorrecht hatte, Quasimodo etwas zu sagen. In der Scheune war es wie erwartet unwohnlich karg. Verfaulte Latten lehnten an den Wänden, Stroh war in der hintersten Ecke Meterhoch aufgetürmt. Es war viel besser als draußen. "Miau." "Ach, ich weiß schon dass du Angst vor den Beiden ungeheuren Gesellen hast" ,flüsterte Lilli ihrer Katze lieb und verständnisvoll zu, "aber glaube mir, dich bekommen sie nur über meine Leiche!" Dieses Versprechen gab sie laut genug, um Valentin zu verdeutlichen wie wenig sie sich aus seinen permanenten Einschüchterungsversuchen machte, denen sie in Wahrheit einige graue Haare verdankte. Mit offen gezeigter Furcht jedoch, würde sie ihn lediglich weiter herausfordern. "Ich bin mir sicher und wenn ich sicher sage, dann meine ich absolut sicher, dass ich an medizinballgroßem Magengeschwür zu Grunde gehen würde, sollte ich dieses verlauste Vieh auch nur anknabbern" ,wusste der Blonde zu beruhigen. Mit zurückgelegten Ohren und gefletschten kleinen Reißzähnen, kämpfte sich der Vierbeiner ohne sichtbaren Grund aus Lilemours Pulli, wobei er ihn fast vernichtete und sprang den Vampir bedingungslos an. Das Mädchen hielt die Luft an, dies war das kurze Leben Garfields gewesen. Hätte sie sie doch festgehalten! Doch wie vorausschaubar das nächste Bild auch war, es kam ganz anders. Der feminine Valentin wich nicht zurück, doch sein Blick verriet nicht die Coolness auf die er doch sonst so zählte. Er ertrug zu Lillis grenzenlosem Erstaunen vorerst das aggressive Verhalten der Katze, die sich nicht zu fein war sich in hohem Bogen an dem Hosenbein des Vampirs zu erleichtern. "Das war zuviel!" Gut, vielleicht ertrug er es doch nicht so ritterlich. In weniger als zwei Sekunden hatte er sich mit einer der halbverfaulten Latten bewaffnet und schlug unter Lillis Protestschrei schonungslos auf die Stelle, an der kurz zuvor noch die Katze stand. Ruhig saß diese zwischenzeitlich auf einem Balken während sie sich äußerst elegant die Pfote leckte. "Eines Tages bring' ich dich um" ,drohte Valentin, dessen feiner Rotschimmer auf den Wangen seine Weißglut verraten würde, hätte man ihn in der Dunkelheit erkennen können. Lilli, die schnell ihre arme Katze auf den Arm nahm und mit ihr angesichts der misslichen Lage noch viel schneller eine trockene Ecke der Scheune bezog, verstand nicht wie sich der Übermächtige an etwas Kurzlebigem wie einem Haustier dermaßen aufregen konnte. Das Stroh auf dem sie lagen und mit dem sich Lilli notdürftig zudeckte, war ungemütlich stechend und roch nach der Einfuhr von 1900. Sie war zu erschöpft um noch über irgendetwas nachzudenken. "Und die? Ich meine, woher haben die gewusst dass einer von zig Zügen auf dieser Strecke ein paar Vampire beherbergt? Zufall?!" Es war bereits mitten am Tag. Valentin und das Vieh, welches sich wieder in den Räumlichkeiten befand als Lilli erwacht war, konnten von Glück sagen, dass die Scheune, bruchfällig wie sie war, einem dunklen Loch glich und sie damit hervorragend vor dem Sonnenlicht bewahrte. Lilemour hatte nach Entbehrung eines Frühstücks angefangen, den Blonden endlich auszufragen. Schließlich hatte auch sie ein Recht auf Aufklärung, und wenn dies nur in ihren Augen bestand. Er hatte vor sie zu ignorieren. "Guten Tag, Mister" ,reizte das Mädchen ihn mutig, wobei sie als seelische Unterstützung dem Kater (ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt und erkannten so manches mehr als zuvor) fast alle Luft aus den Lungen drückte. "Wie haben die uns da gefunden und was wollten sie überhaupt? Wissen sie von Ihnen und Ilias?" Noch immer hatte Valentin keinen Hinweis darauf fallen gelassen wo sich sein alter Feind befand. So war Lilli guter Dinge, durch recht häufige Erwähnung derselben Person etwas aus ihm herauszuquetschen ohne dass es zu offensichtlich klang. Nun, er war ein eiserner Gegner, aber er antwortete. "Woher zum Kuckuck soll ich das wissen? Bin ich Satan?! Das ist dein Orden, weshalb weißt du es nicht?!" "Weil mich gewisse Geschöpfe davon abhalten den dafür notwendigen Kontakt zur Außenwelt zu haben!" "Dann lass dich überraschen. Wir werden es erfahren sobald wir in Novgorod ankommen." "Bei Stawrogin?!" "Nein, beim Christkind." Lilli hätte nicht gedacht dass Valentin sich für Humor erwärmen könnte. Es war schwer sich nicht davon entmutigen zu lassen, aber Lilli gewann den Kampf gegen sich. "Und wie werden wir dahinkommen? Trampen? Ich habe kein bewohntes Dorf in der Nähe gesehen und wenn es eines gibt dann bezweifle ich, dass irgendwer hier ein Auto besitzt. Wahrscheinlich gibt es hier nur Nomaden in Zelten, die es dann auf ihre Esel laden." "Gut dass du es ansprichst." Der Vampir sah aus als hätte er sich endlich an etwas erinnert, dass er lange Zeit für vergessen geglaubt hatte. "Du wirst dich jetzt mit deinen entzückenden Menschenfüßen auf den Weg machen und genau dieses Problem lösen. Wenn du nicht völlig blind bist wirst du fündig werden, oder denkst du diese Hütte wurde ohne Bezug freistehend ins Nichts gebaut?" "Woher soll ich wissen in welche Richtung ich gehen muss, Sie sind ja total verrückt!" Lilli hatte keine Ahnung, dass er unter Realitätsfremde litt. "Komm her" ,diktierte er daraufhin dem Vieh, dass nach einigem Überlegen und Gesabber tatsächlich seinem Wunsch folgte. "Hast du Hunger?" "Ich habe und werde keine zehn Schritte gehen, ohne etwas im Magen zu haben" ,versicherte Lilli, die so tat als hätte sie die Anspielung nicht bemerkt. Dies bedurfte geradezu unverschämtes Können, denn der animalische Vampir -der nicht verstanden hatte worum es Valentin ging- machte vor Vorfreude und Verlangen beinahe zirkusreife Saltos. Er wurde enttäuscht. "Ach ja." Gelangweilt und ansatzweise genervt kramte er unter seiner seltsam blauen Jacke, von der er nicht zu wissen schien dass sie aus der Damenabteilung war, einen Beutel hervor und warf ihn ihr vor die Füße. Darin ein zermalmtes Brötchen mit Frischkäse und Gurkenscheiben, deren Frische eindeutig zu wünschen übrig ließ. Alles in allem sehr unappetitlich. "Selbstverständlich bekommst du auch etwas ab, Schneckchen." Lilli wollte ein Stück des Brotes für ihre Katze abreißen und hielt inne. Für einen Moment war es ihr, als verstumme die Scheune samt Insassen vor Perplexivität. "Was ist? Soll ich's nun essen oder nicht?" War sie nun auch verrückt oder hatte Valentin ein Lächeln auf den Lippen als wäre er just heilig gesprochen worden? "Tu damit was du willst, doch ich nehme an, Schneckchen wird das Zeug nicht akzeptieren." Als hätte er je in einer Tierhandlung gearbeitet um zu wissen was Katzen mögen und was nicht. Doch er sollte Recht behalten, der Kater wandte sich beinahe beleidigt von dem ab, was sie ihm geben wollte, da half alles schön reden nichts. Das Vieh hatte sich zwischenzeitlich noch nicht von dem Gedanken erholt, Lilli nun doch nicht anzapfen zu dürfen und strich wie ein verzweifelter Panther in seinem Käfig wieder und wieder um sie herum. "Ich habe es nicht nötig zu leugnen dass ich es hasse den Nachrichtenübermittler zu spielen, aber er befiehlt dass du dich sofort auf den Weg machen sollst um nicht zu viel Zeit zu verlieren", sagte Valentin. Es war schlimmer um den Vampir bestellt als Lilli es gedacht hatte, er nahm Befehle eines Phantoms an. "Also gut" ,beschwichtigte sie ihn zaghaft, "also gut, wir werden gehen und schauen was sich machen lässt." Valentin lachte nur, die darin lauernde Boshaftigkeit war nicht zu verkennen. "Lass dir gesagt sein, dass es uns keinerlei Schwierigkeit kostet die Gestalt zu ändern und doch ist dieser Vorgang unter uns verpönt. Sein menschliches Äußeres wandelt nur, wer keine andere Möglichkeit mehr sieht, wer zu schwach ist seinen eigenen Körper zu tragen." Valentins blutender Arm durch einen unvorhergesehenen Angriff des Katers ließ das Vieh gierig aufstöhnen. Es fehlte nicht mehr viel und es wand sich auf dem strohigen Boden vor lauter unbefriedigter Lust auf das satte Rot. Lange würde es sich bestimmt nicht mehr hinhalten lassen, schon gar nicht bei einem verrückt gewordenen Vampir der von Gestaltwandlung sprach. Diagnose: Eine Überdosis Harry Potter. Hastig wollte Lilli mit Schneckchen nach Draußen um dem zwei Vampiren wenigstens für einige Zeit zu entkommen, aber es kam anders. "Ja, bitte, geh nur. Ilias liebt Sonnenbäder, auch wenn er es für gewöhnlich nicht zugeben mag. Tu seiner blassen Nase etwas Gutes." Lilli hörte auf. Was hat er gesagt? Ilias? Wo? Natürlich konzentrierte sie sich peinlichst genau auf das Kraulen der Katze, während sie besonders uninteressiert tat: "Ihm etwas Gutes tun? Das wird schwerlich gehen ohne die Anwesenheit desjenigen, aber darüber kann man hinwegsehen, schätze ich." Jetzt hatte sie ihn, nun würde er ihr sagen müssen wo Ilias sich aufhielt. "Stumpfsinniger Mensch! Sperr jetzt gut deine Lauscher auf." Da war der Punkt an dem Valentin gemeingefährlicher werden könnte als er es so oder so schon war. "Ilias, in seiner grenzenlosen Torheit wohlgemerkt, befand es als besonders erstrebenswert in einer Nacht wie gestern eine vollkommen sinnlose Aktion zu starten." Lilli drückte die Ohren des Katers etwas zu liebevoll an dessen zierlichen Kopf, "haben die ihn geschnappt?" Sie konnte eine leicht besorgt klingende Frage nicht verhindern. Würde es nicht so unvorteilhaft aussehen, hätte sie sich dafür längst in den Hintern getreten. "Ich an seiner Stelle, wäre dich schon vor langer, langer Zeit losgeworden, wohlgemerkt. Frag mich nicht warum er es tat, denn dafür gibt es keine logische Erklärung, aber er rettete dein jämmerliches Leben." "Er war natürlich der Schatten der das bärtige Ordensmitglied tötete" ,verstand sie. "Er war vor allem der Tor, der den Schuss abfing." Mit einem Mal fühlte sich Lilli schlecht. Abgrundtief schlecht und böse. Sie war Schuld an seinem Verschwinden und schlimmer noch, an seinen Verletzungen. Möglicherweise lag er nun irgendwo hilflos in einem Graben, schrie, jammerte, fluchte und weinte. Lilli schüttelte energisch den Kopf. "Wenn.....wenn er mich nicht gezwungen hätte ihm zu folgen" ,versuchte sie sich vor Valentin und sich selbst zu rechtfertigen, "dann hätte er mich auch nicht abschirmen müssen. Und überhaupt hat ihn keiner darum gebeten!" Ihr war zum Heulen zu Mute. Sie hob die Katze hoch und kuschelte ihr Gesicht in deren weiches Fell (nur falls sich besonders ungestüme Tränen einen Weg bahnen wollten, die nicht gesehen werden sollten). "Er ist ganz allein daran schuld." "Richtig" ,gab Valentin zu ihrer Überraschung zu, "er hat viel zu lange auf heilsames und stärkendes Blut verzichtet. Andernfalls wäre dieser Schuss nahezu spurlos an ihm vorübergegangen." Lilli sah auf. Es hatte beinahe so geklungen, als empfände er gewisse Ehrfurcht für seinen Widersacher. Tatsächlich zuckte sie bei seinem folgenden, abfälligen Geschnaube zusammen, "aber du bist ja dabei ihm die Zeit der Schwäche so angenehm als möglich zu gestalten. Man kann damit rechnen, dass er in einigen Tagen seine wahre Gestalt zurückerlangen wird. So lange kannst du ihn betütteln bis kein einziges Haar mehr auf seinem Körper wächst." Im ursprünglichen Sinne ruckartig, schob Lilli, deren Brett vor dem Kopf sich zumindest weiter von ihr entfernt hatte als die vergangenen Stunden, die Katze von sich und konnte nichts anderes tun, als sie äußerst misstrauisch anzusehen. Misstrauisch blieb sie nicht lange. Nun da es ihr dämmerte, schienen die Augen des Tieres unverkennbar die höhnischen Augen Ilias' zu sein, ihr Fell so schwarz und weich wie seine Haare. Natürlich war er es, und war es die ganze Zeit gewesen. Sie ließ ihn wie ein Stück heißestes Eisen fallen, unfähig den nächsten Zug zu machen, unfähig überhaupt zu sprechen. Nach einiger Erholungszeit, die ihr keiner hatte nehmen wollen, stand sie ansatzweise paralysiert auf, und verließ die Hütte. "Hallo?" Keiner reagierte. "Hallo?!" Lilemour klopfte mit einer Brutalität an die morsche Haustür, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß. Anders war die Wut, die in ihrem Magen und eigentlich in ihrem kompletten Sein waberte nicht zu verarbeiten. Endlich öffnete jemand zögernd und Lilli sah in das runzlige Gesicht einer alten Frau, die aus der gleichen Zeit wie das Stroh in der Hütte zu kommen schien. Und wenn sie aus der Steinzeit käme, Lilli würde nach zwanzigminütiger Suche an der freien Luft, welche sich als nicht wesentlich weniger kalt wie in der Nacht herausstellte, ihre Aufgabe erfüllen. Sie tat es nur für sich. Hatte sie erst was sie wollte, würden die Verdammten (in welcher Form auch immer) höchstens noch den Staub ihres Verschwindens in die Augen bekommen. Zuckersüß kreierte sie ein Lächeln, dass sogar den von Geburt aus misstrauischen Evgeni hätte täuschen können, "Hello! Can I....." Nach weiteren zwanzig Minuten, in denen die Alte nicht den westlichen Anstand hatte, Lilli in das sicherlich wärmere Haus zu beten, hatten sie sich mit Händen und Füßen so weit verständigt, dass die Frau verstanden hatte wo das Mädchen herkam. Aus einem Zug. Darum konnte es als glückliche Fügung betrachtet werden, als der Mann des eher schäbigen Anwesens von irgendwo zurückkehrte, wohin Lilli nie würde gehen wollen. Seine Kleider waren von der Sorte, die man in Europa in Altkleidersäcken für wirklich unpassable Stoffe finden würde. Das Hemd war Neongrün, verziert mit Aufdrucken allerlei Hamburger die es jemals in Mc Donald gegeben hatte. Seine ausgewaschene Hochwasser Hose passend in militärischen Tarnfarben gab ihm ein höchst respektvolles Aussehen. Es mussten seine einzigen Kleider sein. Ein grauer Vollbart, seine schmutzigen Hände, die ein paar tote Hasen an den Ohren hielten und überhaupt seine faltige, dunkle Haut, ließen ihn wie einen durchgeknallten Alpen- Extrem- Bergsteiger mit schlechtem Modegeschmack wirken. Einer, der wundersamer weise ein paar Brocken ihrer Sprache konnte. "Ahhh, Mädel, Mädel, von weit weit her!" Lächelnd schwang er die Hasen in einem makaberen Kreis zum Gruß. Er musste sofort begriffen haben worum es geht. "G...genau..." ,grinste Lilli unsicher, womit ihre stockende Unterhaltung eine ehrbare Einleitung fand. Ganz im Gegensatz zu seiner noch immer argwöhnischen Frau, lotste der Alte, der sich wenig später als Irwin von der Apfelplantage in München vorstellte, Lilli in die kleine Küche. Kein Floh hätte außer ihnen Dreien noch hineingepasst. "....und darum wollte ich Sie bitten, mich ein Stück mitzunehmen, wohin auch immer es sie in der nächsten Zeit treibt" ,endete Lilemour mit einer simplen Lüge um einen Zug, der sie bei einer kleinen, nicht weiter erwähnenswerten Panne einfach vergessen hatte. "Glück" ,versicherte er ihr ausschweifend, "Glück für Mädel, das zu uns fand." "Ja....ja sicher. Also, wollen Sie mich nun mitnehmen?" "Draußen...schlimm!" "Ja, sicher doch, aber...." "Draußen....Tote, die töten." "Ja, das weiß ich doch, aber...was?!" Das brachte Lilli doch aus ihrem Konzept und Irwin kam sich angesichts dessen ausgesprochen informativ und wichtig vor. Er machte eine bedeutungsschwere Miene, die nach einer ausschweifenden Geschichte aussah. "Lange, lange Zeit vor meinem Vater" ,begann er fast träumerisch, "als noch keine Arbeit bei Äpfeln, nur Acker hier, da kamen sie. Jaaaaa." Er machte eine Pause um die Spannung zu steigern. Das wirkte wie das Gift der schwarzen Witwe, er zeichnete sich als eingefleischter Erzähler aus, für den Lilli jetzt keine Geduld aufbrachte. "Und da" ,er deutete mit einer knorrigen Hand hinaus in ihren mägerlich angebauten Garten, "da haben sie den Pakt geschlossen. Der Mensch und die Toten. Sie wollten sich vertragen und jedes Wochenende zusammen Wodka trinken, ja, ja und tanzten ganze Nacht mit viel Wein und Blut, ja, ja. Bis Sonne kam." Lilli klappte der Mund offen. Die alte Frau pellte seelenruhig Bohnen aus den Schalen, wobei sie Lilli jedoch nie aus ihren wachsamen Augen ließ. Natürlich hatte sie nicht verstanden was Irwin gesagt hatte und darüber konnte sie wahrscheinlich froh sein. Wie konnte er davon wissen? Niemand wusste von dem Pakt! Es war unmöglich! "Hahaha, kleines Mädel, angsti, angsti, he? Nein! Ist ein Sage von altem Tatterkreis der war mein Vater. Ahh, ein bisschen meschugge, ja, ja, meschugge." Und er lachte leise vor sich hin über das Gesicht des Mädchens, dass sich nicht im Geringsten sicher war, dass der Vater so meschugge war. Immerhin war nie ein Wort darüber gefallen, wo der Pakt geschlossen worden war. Dass hieß, sie wusste es nicht und das war nicht gerade eine gültige Messlatte, wo Geschichte doch ihr langweiligstes und gleichzeitig miserabelstes Fach gewesen war. "Och, komm! Nicht angsti, angsti! Nix is' da draußen, nur Hasen, schau!" Er hielt ihr grinsend einen der toten Karnikel hin, der sie aus leeren Glubschern anstarrte und sie wohl noch blasser machte, denn Frau Irwin schenkte ihr mit besorgtem Ausdruck etwas Heißes ein, dass sie wie automatisch hinunterleerte. Was auch immer es war, es bewirkte eine bessere Gehirntätigkeit. Angenommen, nur hypothetisch angenommen, Irwins Vater hatte aus einem Kern Wahrheit eine abenteuerliche Mär mit tanzenden und saufenden Vampiren und Menschen gemacht, die sich glücklich lallend in den Armen gehalten hatten, hier an diesem Ort, dann...... "Unwana" ,murmelte Lilli käsebleich vor sich hin. Vielleicht war es kein Zufall gewesen, dass sie den Zug gerade hier in der Nähe angehalten hatten. Vielleicht haben sie nach dem ganzen Durcheinander jeder Partei mit der Ankunft Unsterblicher gerechnet, die sich auf Grund der verwirrenden Tatsache, dass ihnen von Knall auf Fall keine Bewacher mehr auf den Versen waren an die einzige Adresse hielten, an der sie jemals zusammengetroffen waren. Nur um der Information willen, nur um zu sehen....zu verstehen. Was wenn sie wirklich.... "Ah! Unwana!" Ein Strahlen ging über das wettergegerbte Gesicht Irwins, dass den ganzen Raum erleuchtete. "Du kennst Unwana- Liebling?" Übelkeit wallte unwillkürlich in Lilli auf, das hörte sich nicht gut an. "Ja, nun, ich, ja. Ja, tatsächlich habe ich sie mal getroffen. Lange her, oh wirklich lange her!" "Wie wunderbares Schicksal!" Er klatschte so abrupt in die Hände, dass seine Frau launisch murrend eine Bohne fallen ließ. "Heute sie kommt her! Oft in letzte Zeit sie besucht uns, bringt Kuchen und Kaffee, will wissen wie es uns und unserem Dorf geht! Ist in der Nähe, ja, will uns heute besuchen! Wird sich freuen dich zu sehen, ja!" Irwin war der glücklichste Äpfelpflücker unter der trüben Novembersonne. Lilli war die unglücklichste Flüchtende in einem ausgebeulten Sessel, der nach Lammfell roch. Sie hatte also Recht gehabt mit ihrer Vermutung ins Blaue, schon hat sich der Orden auf die Einöde hier konzentriert. Der Zug war demnach nicht wegen Ilias oder gar Valentin gefilzt worden, nein, sie meinten dem nächsten Schritt der Vampire zuvorgekommen zu sein. Und vielleicht waren sie das. In ihrem Falle sicherlich. Der Orden war lange nicht so harmlos und schwach wie Emilie ihr versichert hatte, denn ihm waren ganz eigene, wirksame Mittel zur Hand. "Oh!" Lilli sprang auf, von einer plötzlichen Eile getrieben, "meine Katze, gütiger Himmel, ich habe meine Katze vergessen, die muss auch mit! Nun, ich bedanke mich vielmals bei Ihnen" ,erklärte sie dem verdutzten Ehepaar und verschwand unvermittelt Richtung Tür. "Moment!" Das war wohl nicht zu vermeiden gewesen. "Nun bleib, bleib" ,bat Irwin verständnislos, "Unwana jeden Moment hier, dann holt ihr zusammen Katzi, Katzi, he?" "Ähm, wissen Sie....." Wo hatte sie sich da wieder rein geritten?! Von etwas dass dem Gefühl Panik an den Gedanken einer fuchsteufelswilden Unwana und Ratlosigkeit sehr nahe kam getrieben, drückte Lilli fest die Hand des Alten, bedankte sich noch einmal und rannte davon. Wohl wissend dass das seltsame Mädchen aus dem Zug bei Brot und Wein Gesprächsthema Nummer Eins sein würde und den Alten daraufhin die verlockende Gesellschaft Unwanas entreißen würde. Hastig schlug Lilli den Weg zu Hütte ein, die Sonne war bereits unter gegangen und zeigte sich nur noch als rote Linie über dem Horizont. Sehr gut, sie konnten handeln. Ihren Plan alleine zu fliehen konnte sie jetzt voll und ganz über Bord werfen. Sie hatte weder eine Art sich weit genug fort zu bewegen bevor der Orden sie aufgespürt hatte, noch die Rücksichtslosigkeit Ilias und Valentin unwissend zurückzulassen. Keuchend bog sie um eine verlassene Ecke in einer verlassenen Straße. Die Zeit war hier wahrlich stehen geblieben, keiner der sicherlich unter zweihundert Einwohner begab sich jetzt noch nach draußen und dies bestimmt nicht aus begründetem Aberglauben- bis jetzt war es nicht begründet. Es wurde wieder kälter, der Wind schnitt ihr ins Gesicht und Lilli verfluchte wie so oft, dass sie keine winterfeste Jacke hatte. Die frische Erinnerung an Unwanas gnadenloses Gebaren beschleunigten ihre Schritte als sie aus heiterem Himmel mit jemandem zusammenstieß. Jemand der der Arnold Schwarzenegger des Dorfes sein musste. "Sorry..." ,murmelte Lilli geistesabwesend, in Gedanken längst bei der Überlegung wie man hier verschwinden konnte. Dies war so ungefähr der letzte Vernünftige, den sie zu Stande brachte. Ein Mann, so schön und voller vollendeter Grazie wie es nur ein Engel fertig bringen konnte, hielt ihren Arm fest. Mit Händen, die zierlicher geformt und weicher waren als die eines Fingerringmodels. Seine Augen in der aufkommenden Dunkelheit leuchteten sie geradezu mit einem Versprechen auf etwas an, dass sie unbedingt und auf der Stelle haben wollte. Die feinen, goldenen Haare wehten in einer sanften Brise um seine unsterblichen Gesichtszüge. Er sagte etwas in einer ruhigen, doch festen Stimme, die alles Harmonische übertraf, dass sie jemals gehört hatte. Lilli lächelte selig, erwiderte aber nichts, denn sie konnte seine Sprache nicht verstehen. Eine unsichtbare Magie schlich sich darauf den Weg in ihr Gehirn um alles abzutasten, wie auf der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen, die sie offenbar auch gefunden hatte. Plötzlich verstand sie diesen Gott und sein fast perfektes Deutsch. "Wohin des Weges? Gehören hübsche Mädchen wie du es bist nicht längst in die Sicherheit des Schoßes der Familie?" "Hmmh" ,nickte sie zustimmend, während sie immer noch lächelte. Bei ihm würde sie viel sicherer sein. Auch das Wunder einer verbotenen Vollkommenheit schenkte ihr ein verhaltenes verziehen der Mundwinkel. Mehr brauchten sie sich auch nicht zu sagen um genau zu sein, sie verstanden sich ganz ohne Worte. Ohne wirklich zu wissen, was sie tat, lehnte sich Lilemour an die (tadellos trainierte) Brust des Mannes, dem sie mit Haut und Haaren gehören wollte. Sie seufzte glücklich, als sie spürte, wie er sich zu ihr hinunter beugte, wohl um sie endlich zu küssen. Das war nur Recht, nach der langen Zeit in der sie sich nun kannten. "Oh, Stawrogin" ,wisperte sie in höchster euphorischer Erwartung, die nicht erfüllt werden sollte. Der Russe zog sich langsam zurück. Es dauerte einige Sekunden bevor sie die Augen öffnete und enttäuscht bemerkte, dass er sich mit dem Kuss ein bisschen mehr Zeit ließ als es üblich war. Forschend sah er sie an wobei Lilli fühlte, wie sich eine verräterische Hitze in ihren Wangen ausbreitete. Er hatte so wunderbare Röntgenaugen! "Du kennst mich?" "Wie könnte ich dich je vergessen?" ,wollte sie träumerisch wissen und presste sich wieder an ihn als würde sie andernfalls nicht mehr stehen können, oder überhaupt noch weiter existieren. "Woher?" "Sie riechen einfach fabelhaft nach Sandelholz!" "Woher kennst du mich, Mädchen?" Sanft aber bestimmt schob er sie von sich. Lilli wusste dass sie eine Ewigkeit auf einen Kuss würde warten müssen, wenn sie ihm nicht befriedigende Antworten gab. Also lächelte sie wieder. "Erinnern Sie sich denn nicht? Ilias und ich, wir waren doch auf ihrem wundervollen Ball, auf dem ich endlich ihre Bekanntschaft machen durfte. In Wien. Sie erscheinen mir fast noch schöner als damals...Ich möchte....." Lilemour senkte ihren Kopf, sie hatte vergessen was sie hatte sagen wollen. Einer beunruhigenden Idee folgend, sah sie auf und in das ihr bekannte Gesicht Stawrogins, der sie an beiden Armen festhielt und ihren Blick erwiderte. Nicht böse, nicht neugierig, nicht lüstern, nicht nett. Nichts. Einfach nur erwidernd auf eine völlig anormale Weise. Dann erinnerte sie sich an die vergangenen Minuten. Sie war sehr beschäftigt damit purpurrot anzulaufen und sich zu fragen wie er es wiedereinmal geschafft hatte sie zu umgarnen in einer Heftigkeit, die ihr Bewusstsein komplett fraß. Die Erkenntnis dass er auf dem Ball in dieser Hinsicht noch gnädig gewesen war, hob ihre Stimmung nicht im Besonderen. "Ist Ilias hier?" Der Zauber war gänzlich verschwunden. Lilli sah den Vampir an und fühlte nicht das Geringste außer purer Erleichterung. Der Drang ihn zu küssen kam ihr auch bei seiner natürlichen Anziehungskraft, die er zweifellos besaß nicht in den Sinn. Er hatte den Bann fallen gelassen und sie somit zum ersten Mal sehen lassen, wer er wirklich war und was sie wirklich für ihn empfand. Nichts. Er hätte genauso gut Valentin sein können. Valentin! Ilias! Die Hütte! "Ja!" ,sagte Lilli aufgeregter als sie es vorgehabt hatte, "ja in der Tat und Unwana! Ich meine, kennen sie Unwana? Sie ist, boah, so riesig und sie kommt, sie kommt, weil da drüben, in dem.....dem Garten, da......" "Ich weiß" ,unterbrach Stawrogin sie gelassen, der den Wunsch verspürte ein wenig Ordnung in die Konversation zu bringen. "Ich weiß wer sie ist und ich weiß von welchem Ort du sprichst. Ich hatte sie früher oder später hier erwartet und ich muss zugeben, sie hat sich keine Zeit gelassen." "Die Vampire" ,keuchte das Mädchen, "sind Vampire hier?" Immerhin war er hier und das hatte nach allem was sie über ihn gehört hatte wohl einiges zu sagen. Der Russe sah sie mit einer undefinierbaren Miene an, die sie sonst nur an Ilias kannte und wandte sich, die Frage offen lassend zum Gehen. "Führe mich zu ihnen." Selbst wenn Lilli es nicht hätte tun wollen, sie hatte gar keine andere Wahl, die im Falle der Situation nicht die Schlechteste war. Schweigend gingen sie nebeneinander her. Ab und zu erwischte Lilli sich, wie sie mit einem ordentlichen Maß an Ehrfurcht zu dem so einflussreichen Vampir herüberschielte, der es nicht bemerkte oder wenigsten den Takt hatte so zu tun als würde er es nicht bemerken. "Weshalb haben Sie Ilias und Valentin nicht gespürt?" ,wollte Lilli in einem ihrer gefährlichen Neugieranflüge wissen. "Können Sie ihre Anwesenheit nicht irgendwie...naja....fühlen?" "Valentin?" Richtig, konnte er Ilias nicht orten, würde er den anderen auch nicht bemerken können. "Sie unterdrücken ihre Aura" ,antwortete Stawrogin auf seine Frage folgend, "sie müssen wissen, dass sie sich in potenzieller Gefahr befinden. Dennoch..." Er machte eine kaum sichtbare Geste mit den Händen, "dennoch gibt es noch etwas dass hier ist. Zu schwach oder zu dumm und ungebildet um seine Aura verstecken zu können. Er ist mir unbekannt, entzieht sich allen mentalen Kontakten." "Oh!" , grinste Lilli cool, wissend, dass sie in diesem Punkt etwas beisteuern konnte (nicht zu fassen dass sie das überhaupt wollte!) "Das Vieh, ganz klar." "Bitte?" Der Vampir hob leicht seine Augenbrauen. Schick war er eben doch. "Valentin hat ihn mitgebracht, aber ich glaube, keiner kann den anderen so richtig leiden, genau wie bei Valentin und Ilias. Sie sollten mal sehen wie die sich in Haare bekommen, DAS ist wirklich gruselig!" Kaum getroffen plauderte Lilli doch tatsächlich einfältig aus dem Nähkistchen. Sie realisierte es und fand es als vorteilhafter den Mund zu halten, bis auf eines noch. "Könnten Sie nicht eine Maus für mich fangen?" Sie schluckte, "tot, bitte?" Es schien, als husche ein kleiner Schatten an Unverständnis über Stawrogins Züge, während Lilli ihn ernst ansah und darüber nachdachte, ob sie nun zu dreist geworden war. Erstaunlicher weise tat er ihr den Gefallen, indem er sich einige Meter weiter wie ein nahezu unsichtbarer Pfeil zu einem Gebüsch hinunterbeugte und sehr offensichtlich etwas erwischt hatte. Desinteressiert an seinem Fang aber doch höflich, reichte er Lilli die verendete Maus am Schweif. Fingernägel von Vampiren waren wirklich lang, das stellte sie immer wieder neu fest, obwohl sie sie oft genug sah. Nachdem Lilli mehrmals versucht hatte ihr Tempo ein wenig anzukurbeln, da sie schon imaginäre, schreiende Ordensmitglieder hinter ihnen befürchtete und Stawrogin entschlossen seinen gemächlichen aber zielstrebigen Schritt beibehielt, erreichten sie die finstere Hütte. Fortsetzung folgt! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)