Die Revolution von fany10 ================================================================================ Kapitel 7: Abfahrt ------------------ Hallo alle zusammen und ja, wer hätte es gedacht: Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr! Wahrscheinlich das unzähligste Mal, dass ihr so etwas oder zumindest Ähnliches zu hören bekommt, aber es ist doch immer wieder nett. So einmal im Jahr ;-) Tja, wie erhofft habe ich das nächste Kapitel noch vor Heilig Abend hochgeladen, fragt sich nur noch, wann Animexx es frei schalten wird -.- Wir werden sehen. Hoffe natürlich dass es euch gefallen wird und Ilias bei einigen von euch nicht für immer in Ungnade fällt (so schlimm is' er ja gar nicht! ;p) Um hier ganz offiziell Namen zu nennen, vielen Dank an : Sarora-chan, Star, Endellion, Rie_chan, ajiato, Oceana, Tasumi, Krylia_9, zoe-san, fiZi, und tarantula88!!!!!!!!!!!!! Für die Kommentare natürlich. Aber auch sonst ;-) P.S.: Das Kapitel ist wiedereinmal verboten lang. Bis demnächst würde ich dann sagen und bis dahin, viele Geschenke und.....ähhh, viele Geschenke ;p Schöne Feiertage!! Grüße, Fany **************************** So weit war es also gekommen. Es hätte ihr klar sein müssen, von dem Moment an, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Augenblick, es war ihr klar gewesen, nur ihren Vorgesetzen nicht. Das wäre leider maßgebend gewesen. 18.35 Uhr, an einem unglücksbringenden ersten Tag des Novembers 2004, saß Lilemour so niedergeschlagen wie niemals zuvor in einer königlichen Badewanne und starrte vor sich auf den reichlich vorhandenen Schaumberg. Ab und zu schlich sich ein Tropfen aus dem Wasserhahn und platschte geräuschvoll in die randvolle Wanne. Lilli hörte, und sah es nicht. Sie dachte daran, vielleicht nicht mehr nach Hause zu kommen, nicht wieder Emilie zu sehen und selbst als was zu enden? Ilias' Aussagen über ihre Zukunft sowie sein genaues Vorhaben in Russland waren mehr als wage. Was er auch von sich gab, war gleichfalls so verschieden zu interpretieren wie die Vorahnungen Nostradamus. "Gott, gib mir Kraft!" Lilli tauchte mit dem Kopf unter Wasser. Warum sie das Recht haben sollte Gott anzurufen wusste sie auch nicht. Viel gläubiger als der Durchschnittsbürger war sie nicht und tat was sie alle taten. Wenn es ihnen dreckig ging, dann war Gott plötzlich wieder relevant. Sie wäre geflohen, heute nach Sonnenaufgang. Das Schicksal hatte bestimmt, dass sie nicht einmal mehr alleine zu ihrem Zimmer gekommen war. Georg hatte sie gefunden. Hatte sie nichts gefragt und getan, als pflücke er tagtäglich ein paar Mädels von den Treppenstufen. Vielleicht tat er das ja. Genauso wie alles andere was Ilias ihm auftrug, er brauchte dafür kaum mit der Wimper zu zucken. Vor nicht ganz einer Stunde hatte sie beim Staubwischen (mehr traute sie sich noch nicht zu) beobachten können, wie der Vampir dem bereits wartenden Diener die schlafende Sophie wortlos in die Arme drückte. Der verschwand mit ihr. Lilli konnte nur erahnen, dass die Erinnerungen der Blonden an ihn und alles hier gelöscht worden war. Falls Ilias sie nicht hatte auf die Reise mitnehmen wollen. Danach sah es glücklicherweise nicht aus. Mit lautem Geplätscher tauchte Lilli wieder auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Eines nur war so sicher wie dass es im Winter keine Tomaten gab. Irgendwie musste sie, koste es was es wollte, den Orden benachrichtigen. Zu aller forderst sollten sie sich gefälligst um ihre Freilassung kümmern, denn ihre Arbeit war hiermit hinfällig geworden. Sie war nicht mehr Bewacher, gesendeter Nachtwächter. Gefangen, das war die neue, klangvolle Tätigkeit, der sie höchst unfreiwillig nachging. Danach würde Lilli im Beisein Evgenis, Jean-Lucs, Trudis, Robertas und Garreths möglicherweise noch das gestrige Gespräch der beiden Vampire um den Pakt erwähnen. Oh ja, das Abenteuer ging unzweifelhaft los. Wie nur würde sie es anstellen eine Nachricht zu senden, bevor...... "Die Spuren des Bisses werden sich nicht wegwaschen lassen, gleichgültig wie lange du dich badest." Das warme Wasser schlug Wellen, so sehr war das Mädchen zusammengezuckt, als ihr rechtes Auge nur noch schwarz wahrnehmen konnte. Eiligst sammelte sie den verbliebenen Schaum um die wichtigsten Partien und richtete ihren wutentbrannten Blick demonstrativ auf die zu ihren Füßen hängenden Handtücher. "Ich kann dir nichts wegschauen, wo sich nichts befindet" ,gab Ilias weiterhin gelangweilt von sich, während er sich so hinstellte, dass Lilli ihn einfach ansehen musste. "Sie schrecken wohl vor gar nichts zurück, was?" ,vermutete sie, wobei sie wie automatisch immer tiefer in die häuslichen Fluten sank. "Nein" ,antwortete er wahrheitsgemäß, "schon gar nicht in meinem eigenen Anwesen." "Ich habe es mir nicht ausgesucht hier zu sein." "Doch du bist es, die Umstände sind unwichtig." "Sie haben mir erlaubt zu baden." "Jetzt erlaube ich dir damit aufzuhören." So nahm er ein Handtuch, dass ihm nur so zuzufliegen schien und breitete es vor sich aus. Meinte er das etwa im Ernst ernst?! Glaubte er, sie würde sich wie selbstverständlich von ihm einwickeln lassen?! Sein Gehirn musste bei seinem Tode einen echten Schaden erlitten haben. Lilli war der Gedanke wohl anzusehen, denn erlächelte wie ein Dieb, der mit einer Million Euro davon gekommen war. "Ein Fingerschnipp und du küsstest mir die Füße. Versuchen wir es zu Beginn anders. Ich bleibe hier stehen bis deine Hülle sich in Elefantenhaut verwandelt hat, du verhungerst, oder an Vergiftung zu Grunde gehst, solltest du das Seifenwasser trinken." "Irgendwann wird es Tag werden" ,flocht Lilli zufrieden ein, nur um einen weiteren Schlag hinnehmen zu müssen. "Siehst du hier ein Fenster? Kein Sonnenstrahl wird mich treffen. Dachtest du, ich verbringe alle Tage meines Todes in einem Sarg? Wozu habe ich ein Haus mit den dichtesten Vorhängen die man auf unehrliche Weise erstehen kann?" "Was wollen Sie eigentlich?! Was habe ich Ihnen getan?! Gestern hatten Sie noch jede Menge Wichtiges zu tun. Das hier ist das überhaupt Überflüssigste und......gehen Sie doch einfach!" "Um chronologisch der Reihe nach zu gehen" ,setzte Ilias an, "ich habe Spaß daran, du hast das Pech aus einem mir unsympathischen Orden zu stammen, gestern hatte ich in der Tat noch einiges zu tun, heute sieht es wieder anders aus. Ich habe nicht vor zu gehen. Wenn du weitere Fragen hast, drücke die Eins." "Bitte" ,konnte sich Lilli nicht verkneifen, "dann sterbe ich eben hier." "Nur zu." "Sie werden den Zug verpassen." "Ich habe alle Zeit der Welt." "Ich dachte, Staw -noch etwas wartet nicht gerne." "Wer wartet schon gerne. Aber warum sollte ich ihm entgegenkommen?" Für einen kleinen Moment spielte Lilli tatsächlich mit dem Gedanken, einfach aufzuspringen und ihm die Augen auszukratzen. Leider war sie in jeder Hinsicht im entscheidenden Nachteil und sie war nicht verblendet genug, das nicht zu erkennen. "Meister!" Lillis Kopf schoss bei Georgs vertrauter Stimme sofort in die Höhe, während Ilias gelassen das Handtuch zusammenfaltete und es mitten in die Wanne schleuderte, so dass ganze Wasserwellen über den Rand schwappten. "Noch einmal unverdientes Glück gehabt." Er war gegangen, bevor sich das Mädchen überlegen konnte, weshalb der Vampir seinem Diener stets so viel Bedeutung zumaß. Noch niemals zuvor in ihrem Leben war Lilli so schnell aus einem so herrlichen Badezimmer gerannt. Als sie an den großen Fenstern vorbeihechtete, konnte die draußen vor dem Eingang einen Polizeiwagen ausmachen und hätte am Liebsten laut gejauchzt. Ihr Freund und Helfer! Wer sagte, dass die Menschen zu blöd waren? Sie hatten offenbar erkannt, dass hier etwas nicht stimmte und wie Recht sie hatten! Ihre nassen Haare klatschten Lilli ins Gesicht, als sie sich hinter das Treppengeländer kauerte um vielleicht den ein oder anderen Gesprächsfetzen unten in der Eingangshalle aufzuschnappen. Äußerst befriedigend konnte man es jedoch nicht nennen, denn die zwei Beamten, korrekt in ihr leuchtendes Grün gekleidet, klebten mit den Augen nur so an Ilias' Lippen. Der machte eine galante Geste und die Bullen fingen herzlichst zu lachen an. Der Dicke klopfte dem Vampir sogar freundschaftlich auf die Schulter, während der andere lautstark die Inneneinrichtung lobte. Etwas lief nicht so wie es sollte! "Wenn Sie nicht aufpassen, meine Dame, dann holen Sie sich noch eine Erkältung." "Georg!" Lilli wandte sich mit rasendem Herzen um. "Erschrecken Sie mich nie wieder so! Ich dachte schon..." Ja, was dachte sie? Dass Ilias an zwei Orten zeitgleich sein konnte und sie auf einmal Siezen würde? Der Hausdiener führte sie in das geräumige Wohnzimmer, in dem sie schon einmal die Ehre gehabt hatte, den lokalen Ofen anzufeuern. "Was hat das zu bedeuten?" "Herr Valentin wird sie geschickt haben" ,antwortete Georg, dem auf der Stelle bewusst war, um wen die Rede ging. "Valentin...." ,zweifelte Lilli, der nicht klar war, worin der Sinn liegen dabei sollte. Der alte Mann griff den Faden bereitwillig auf, wobei er hier und dort säuberlich die Teppichfransen kämmte. "Nun, der Meister hat einen ......Hang dazu, sich unter Seinesgleichen mehr Gegenspieler als Freunde zu schaffen und...." "Nicht nur unter Seinesgleichen! Aber schon geschnallt" ,lachte Lilli, kindisch stolz auf ihren fixen Verstand. "Sie stänkern sich an wo es nur geht und legen sich Haufenweise ganze Steinschläge in den Weg. Der eine droht dem anderen ihm das Herz rauszureißen, während eben dieser gleich das Auge des Gesetzes schickt." Sie seufzte, "völlig umsonst wie ich befürchte." "Im Praktischen ja, im Theoretischen nein" ,stimmte Georg halb zu. "Er ist einer der wenigen, die es wagen Meister Ilias die Stirn zu bieten und wenn es nur auf banalster Ebene geschieht. Es sind nichts weiter als kleine Störungen, die beleidigen. Ein Kreislauf, denn......" ".....denn jetzt muss Ilias den nächsten Zug machen" ,vermutete Lilli richtig und kam dabei sogleich auf ein anderes Thema. Eines, dass sie um ein Vieles mehr beschäftigte als auf Missgunst basierende Streitereien. "Er....Ilias....er hat gesagt, dass ich mit euch nach Russland fahren muss. Dass......dass ich nicht länger meiner Familie verpflichtet bin, dass er mit dem Pakt endgültig gebrochen hat und ich.....ich keine andere Wahl habe, als......" Das Wort 'Geißel' lastete schwer auf ihrer Zunge, doch sie wollte es nicht aussprechen. Georg nickte verständnisvoll, aber doch so, als hätte er selbst die ganze Chose mit Ilias ausgeheckt. "Ich weiß", gab er zu, "trotzdem bin ich überzeugt davon, der Meister wird Ihnen nicht das Leben nehmen, wenn es das ist, was Sie befürchten." "Sie haben gut reden!" Lilli spielte mit einem gigantischen Windspiel, welches in seinem Ton die Glocken von Notre Dame hätte ersetzen können. "Er wollte mich gerade eben in der Badewanne langsam dahinsiechen lassen." Dass er sie am Tage zuvor gebissen hatte, ließ sie aus, wenn Georg es nicht längst wusste. "Ich kann.....habe keine Möglichkeit zu fliehen, oder?" Die Antwort war erwartet gewesen und dennoch schnürte es Lilli die Kehle zu, als sie den Diener mitleidig seinen Kopf schütteln sah. Wäre Valentin nicht einer dieser abscheulichen Blutsauger, bei Gott, sie würde ihm Tür und Tor öffnen, um Ilias die CIA, das FBI, die Kriminalpolizei, die Mafia, oder Van Helsings Nachfahren auf den Hals zu hetzen! Mühselig verbannte sie den Gedanken an ihre liebe Emilie, die nicht einmal erfahren würde, was aus ihr geworden war. Ob sie überhaupt noch lebte, oder nicht. Ob sie sich mit Baldrian doch noch endgültig eingeschläfert hatte. Der Orden würde sich erst einschalten wenn eines seiner Mitglieder mehr als drei volle Tage und Nächte ohne Nachricht nicht zurückgekommen war. So die Vorschriften. Bis dahin waren sie doch schon über alle Berge, gerade mal ein Tag war verstrichen. Wie die Dinge standen, war es nicht einmal gesichert, ob man ihr Hilfe senden würde. Zu wichtig waren die einzelnen Kräfte für die Überwachung der nicht mehr zu ignorierenden Unruhen und zu unwichtig ihre Person. "Wann müssen wir gehen?" Lilli versuchte sich auf das Unweigerliche zu konzentrieren, denn wenn man etwas zu denken hatte, lief man weniger Gefahr sich in einen tränenden Sturzbach zu verwandeln. "Der Meister und Sie werden in zwei Stunden am Bahnhof in Stockach erwartet." Wie viele Schocks auf einmal konnte man eigentlich verkraften? "Sie gehen nicht mit!?" "Nein. Ich bedauere aufrichtig, aber der Meistern wünscht das Haus nicht unbeaufsichtigt." So ein Nein hatte ihr das letzte Mal ins Herz geschossen, als es ihr verboten wurde, sich die Abenteuer der Gummibären im Fernseher anzusehen. "Bitte!" Fest nahm Lilli Georgs, von Altersflecken übersäte Hand und drückte sie vielsagend. "Lassen Sie mich nicht mit ihm allein! Bitte!" Die kindliche Kaiserin aus der unendlichen Geschichte hätte nicht flehender um einen neuen Namen beten können. Nur drehte es sich hier nicht um eine Fantasiewelt, sondern um die harte Realität. Die ihr plötzlich zärtlich anmutend über den Kopf strich. Ohne sich umzusehen wusste sie wessen Hand da lag, deren Fingernägel sich bei einer kleinsten Bewegung in ihren Schädel bohren könnten. "Georg" ,rügte Ilias gespielt eingeschnappt, "was hast du dem armen Kind erzählt? Dass ich Vertreter ihrer Art zum Abendessen verspeise? Oh Georg, wusstest du nicht, dass die Wahrheit ein schnelles Pferd braucht?" Er ließ etwas in Lillis Schoss fallen und zeigte sich dabei, als hätte er einen stinkenden Fisch in die Biomülltonne befördert. Es handelte sich um Samson, ihr kameliges Kuscheltier aus Kindertagen. "Was ist?" ,fragte der Vampir indolent, "ich hoffe du kannst unter dem Schutz dieses Stoffbeutels Schlaf finden. Kleinkinder haben die unglaubliche Fähigkeit......." "Was kramen Sie in meinen privaten Sachen herum?" Lilli presste Samson an ihre Brust und war mehr als peinlich berührt über diesen Auftritt. Sie wollte nicht dass jemand fälschlicherweise dachte, sie schliefe mit einem Kuscheltier. Obgleich es Ilias so aussehen ließ, war es doch nur einen Erinnerung. Eine Erinnerung an weit aus bessere Zeiten. "Mein Haus, meine Zimmer, meine Einrichtung, mein Stoffbeutel." Er leierte den Satz herunter, als ginge es um nicht viel mehr als einen Einkaufszettel und zog Lilli unsanft am Arm hoch. "Nimm mit was du für unerlässlich hältst. In zehn Minuten bist du Haupteingang. Eine Verspätung und dem Tier werden die Innereien abhanden kommen." Fort war er. so schnell und geräuschlos wie der Wind, der mit den Vorhängen des gekippten Fensters flirtete. "Bahngleis Vier, Ankunft Zug Stockach, Richtung München." Die Computerstimme hallte durch die belebte Halle des Provinz Bahnhofs. Keiner zollte ihr Aufmerksamkeit, sie gehörte dazu. Die meisten Leute wussten ohnehin wann und wo sie einzusteigen hatten. Es war kalt. Lilli seufzte auf, ihr Atem tanzte weiß in der Luft vor ihr. Beladen mit einem Koffer, der wirklich nur das Notwendigste beinhaltete, plus Samson dem Kamel, stand sie vor den Schienen. Rieb sich die Hände, die trotz Handschuhe fast abgestorben waren und verfolgte das makabere Schauspiel, dass aus einem schlechten Film zu stammen schien. Oder aus einem Drei Groschen Roman. Zwei Männer, die wie die Leibgarde des spanischen Königs aussahen, hieften mit wichtigen Mienen einen recht schmucklosen Sarg in einen der Waggons. Er war so tief schwarz wie Ilias' Haar und genauso kühl, glatt und unheimlich wenn man ihn sich ansah. Doch nicht weniger edel und perfekt in seiner eigenen Schönheit. Einige Leute fingen zu tuscheln an, während sie verstohlene Blicke auf den Waggon mit der seltsamen Ladung warfen. Vielleicht beäugten sie aber auch nur den Besitzer selbst, der die ordentliche Einquartierung seines tragbaren Reisebettes überwachte. Einen siebten Sinn brauchte man allerdings nicht für eine klare Vermutung. Da es Vampire der umgreifenden Forschung gemäß jedoch nicht zu geben hatte, und die Welt nun einmal entzaubert war, sahen sie in Ilias nur den verqueren Wunsch zu sein was er gar nicht sein konnte. Ein schwarzer Romantiker. Womöglich ein Satanist. Trotzdem würden sie zu Hause allen erzählen, was sie da Witziges gesehen hatten. Die matten Laternen taten das Übrige. Wie abnormal musste er erst bei Tagesicht aussehen? Oh nein! Hatte er sie gerade angepeilt?! Wollte er etwa herkommen?! Auf dass alle sahen zu wem sie eigentlich nicht gehörte, aber momentan doch!? Sie war nicht da! Lilli tat so, als wäre sie besonders konzentriert mit ihrer Jackentasche und deren fehlendem Inhalt beschäftigt, da sie auch schon den Saum eines oberpeinlichen Mantels neben sich bemerken musste. Es war wohl schon zu spät den Schaffner anzuquaken. "Komm", sagte Ilias einfach und hakte sie bei sich unter, weil er mit seinen vampirischen Fühlern (oder auch so) natürlich merken musste wie unangenehm ihr die abschätzenden Blicke der anderen waren. Er nahm ihr zuvorkommend den Koffer ab und küsste ihre Hand. Eine Oma grunzte pikiert und zwei Kinder mit roten Bäckchen kicherten. Alles was noch fehlte war ein Heiratsantrag. Zumindest hatte er ihr gnädigst erlaubt, sich in ihre normale Kleidung zu werfen und das grausame Bedienstetenkleid am Haken zu lassen. Sie hatte sich schleunigst an neugierige Augen zu gewöhnen und hoffte nur, nicht zu oft umsteigen zu müssen. "Schneller! Schneller! Wozu sind sie denn Taxifahrer, wenn....." "Bleib doch locker, Emilie" ,riet Toni, der die blonde Frau davon abhalten musste, dem schwitzenden Fahrer auf den Schoss zu steigen. "Locker?! Locker?! Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so locker gewesen, wenn man das Verhältnis von Situation zu Gefühl nicht außer Acht lässt! Wir werden den Zug niemals erreichen!" "Wir haben noch vier Minuten" ,beschwichtigte Toni. "Siehst du! Siehst du! Du hast nicht gesagt 'ja, wir erreichen den Zug noch', du sagst mit nur zum hundertsten Mal wann er dort hält!" "Weil du mich die neunundneunzig Mal davor gefragt hast, Emi!" Der Vampir spanischer Herkunft (die er zumindest in seinem Verhalten nicht leugnen konnte) nahm Lillis beste Freundin und Stiefschwester, die gleichzeitig seine Geliebte war bei den Schultern und erbat still den Blickkontakt. "Entweder wir erreichen den Bahnhof bevor sie umgestiegen sind, oder eben nicht. Dann bleibt uns immer noch die Möglichkeit offen....." "......alle Anschlusszüge in alle Richtungen abzuklappern, ehe sie weiterfahren." Emilie lehnte sich in den Sitz abgewetzten zurück und ballte die Hände. "Ach Toni. Es sind....Dutzende Züge mit denen sie weiterfahren können, zu einem nächsten Flughafen, nach Frankreich, Italien, Bangladesh, Barcelona, Moskau, Istanbul, Yokohama, Alaska und was weiß ich wohin. Wäre aus diesem alten Knacker von einem Duckmäuserich nur mehr herauszuholen gewesen. Nicht einmal ihr Ziel wollte er uns verraten." "Es wundert mich" ,überlegte Toni laut, "dass er uns überhaupt etwas preisgegeben hat. Auf Verrat seinem Meister gegenüber, und vor allem diesem, steht nicht gerade eine gediegene Gehaltserhöhung." "Wären wir nur früher....." "Sind wir aber nicht, Emi. Was gelaufen ist, ist gelaufen!" Das Mädchen schüttelte wild ihre engelsgleichen Locken. "Der Orden! Wie konnten sie nur so stur bleiben und nichts vor der Zeit unternehmen. Wo sie doch genau wussten in welcher Gefahr sie schwebte? Ich hasse sie! Ich hasse sie und allen voran Evgeni. 'Sollen wir das Militär rufen, nur weil das Kind einen Tag nicht nach Hause kam? Sie wird dort Holzhacken müssen.'" ,wiederholte sie in einem harten Akzent die Worte des Ungar. Sie waren außerdem das Erste was Toni zu hören bekam, als er an diesem Abend erwachte. Emi hatte mit verweinten Augen an seinem Bett gesessen und ihm von Lillis dauernder Abwesenheit und von der ihrer Meinung nach gleichgültigen Reaktion der Ordensvorsitzenden erzählt. Toni hatte ihr zuvor geraten, die Dinge nicht zu überstürzen, entgegen seiner eigenen negativen Vorahnung. Dieses mal war er auf der Stelle mit Emi zur Leonardenstraße aufgebrochen. Ihr zu Liebe, denn Lilli kannte er nur im halben Delirium. Dort angekommen, war nur der ältliche Diener zu finden, der sie weniger erstaunt, als vielmehr erwartungsvoll ansah. Wäre der Hausherr anwesend gewesen, Tonis Schicksal wäre am seidenen Faden gehangen. So kam es schließlich, dass sie seit über zwei ein halb Stunden in einem Taxi nach München saßen, um das ungleiche Duo am Umsteigen auf der Reise nach wohin auch immer hindern wollten. Mussten, wenn er sich Emi jemals wieder reinen Gewissens nähern wollte. Toni verdrehte die Augen. "Verdammt man. Heute wäre die perfekte Nacht zum Chillen gewesen." "...." "...." Lilli konnte es nicht lassen, zu den nebenliegenden Sitzen zu schielen. Wie der Zufall es wollte, teilten sich vier Damen, gekleidet nach dem letzten Modeschrei, eine Tüte gebrannte Mandeln. Das, wenn sie nicht gerade grinsend Ilias von der Sohle bis zum Scheitel musterten. Der würdigte sie keines Blickes, denn er war vornehmlich damit beschäftigt Lilemour anzusehen. Gerade so als wäre sie ein Fernseher, der die neuesten Bilder eines Terroranschlages zeigte. "Was ist?" ,flüsterte sie mit scharfem Unterton, aber so leise, damit ihre Stimme im allgemeinen Gemurmel nur ihren Gegenüber erreichen konnte. "Nichts." "Dann starren Sie mich nicht so an!" "Ich starre nicht, und wenn ich es tät, so wäre das meine Sache. Ich tue was mir beliebt." "So möchte ich den Herrn höflichst darum bitten, seinen Blick von meinem Antlitz zu wenden" ,zirpte Lilli in altmodisch gängigem Ton, aber nicht ohne Spott. "Sehen Sie doch mal nach links, zu den Tuss....zu den Frauen da! Die würden sich zweifelsohne freuen! Sie machen sich gerade über ihren Mantel lustig, von dem sie glauben er würde aus den Hochzeiten der Pest stammen." "Falsch" ,lächelte Ilias, lehnte sich zurück und schlug seine zugegebenermaßen wohlgeformten, schlanken Beine übereinander. "Sie fragen sich wie alt ich bin, ob ich mit dir liiert bin und ob sie es wagen können, mich nach meiner Adresse zu fragen, falls nicht, oder falls doch." "Sie Angeber! Schneiden Sie nicht so auf, mich müssen Sie ganz sicher nicht beeindrucken" ,stellte Lilli klar, obwohl sie nicht an der Wahrheit seiner Worte zweifeln konnte. Zu deutlich war die teils bewusste, teils unbewusste Körpersprache der jungen Frauen. Binnen einem Wimperschlag saß Ilias direkt neben ihr und eines der Mädchen keuchte erschrocken auf. Wie schön, dass Lilemour zwischenzeitlich nur noch einen halben Herzschlag bekam, wenn er seine High Speed Bewegungen einsetzte. Warum verwandelte er sich nicht gleich in einen Wolf mit fletschenden Zähnen, damit die Modevictims auch etwas geboten bekamen. "Ich weiß, denn du bist bereits beeindruckt. Außerdem, kann ich sie hören" ,wisperte er ihr ins Ohr, was ihr unwillkürlich einen Schauer über den Rücken jagte. "Sie reden über die Möglichkeit in mir einen Nachfolger des verunglückten Roys für Siegfried zu sehen und befürchten, dass ich dich jetzt küssen werde." Erschrocken stieß Lilli gegen die harte Brust des Vampirs und brüllte beinahe zu ihrem maskenartig geschminkten Publikum. "Ihr könnt ihn haben. Ich gehöre sicher nicht zu ihm! Aber raten würde ich es euch trotzdem nicht, falls ihr nicht auf Sado- Maso abfahrt!" Nach einem ersten perplexen blöd aus der Wäsche schauen, drehten sich die Angesprochenen überheblich lachend um. Man konnte die Sätze a la "wie ist die denn drauf? So ein Mauerblümchen! Glaubst du die sind verwandt?" ,oder gar, "die ist doch nur so spleenig, weil sie bei ihm abblitzt" ,deutlich hören. Es war Lilli herzlich egal. "Sado- Maso" ,warf Ilias ungefragt ein, "zur Hälfte zurückzuführen auf einen gewissen Donatien Alphonse Franscois Marquis de Sade, der die schon im normalen Geschlechtsverkehr enthaltene sadistische Nebenkomponente in seinen Praktiken verstärkte. Festgehalten in seinen grausam-perversen Romanen, während er im Zuchthaus saß. Einige seiner Ideen sind ganz brauchbar und auch er war in jedem Diskurs ganz unterhaltsam, seine Zeche konnte er deshalb trotzdem nie bezahlen." Die Frauen packten eiligst ihre reichlich vorhandenen Einkaufstüten der teuersten Labels und wechselten das Abteil. Lilli presste ihre Stirn mit geschlossenen Augen gegen das heilsam kühle Fenster. Bei diesen Romanen musste es sich um die Bibel des Vampirs handeln. "Nächste Haltesstelle, München Hauptbahnhof." Die monotone, immer ein wenig näselnde Stimme des Lokführers, sorgte für Ablenkung. Der Koffer Lillis befand sich gut verstaut über den Sitzen und sie hatte ihre liebe Mühe den da runter zu bekommen, ohne sich selbst oder einen anderen Fahrgast zu erschlagen. Da realisierte sie, dass von Ilias nicht mehr die geringste Spur geblieben war und ihr unterdrückter Fluchtinstinkt holte sie mit unglaublicher Kraft ein. Natürlich, er musste sich um seine schmucke Holzkiste kümmern! Plötzlich schien wieder alles möglich. Plötzlich schienen alle Wege offen, ohne Hindernisse. Frei, wohin sie auch sah. Konnte es am Ende so einfach sein? Gehetzt begann Lilli ihre Chancen auszurechnen, sich den geschicktesten, naheliegensten Ausweg zusammenzustellen. Nur ganz cool bleiben. Noch war der Zug nicht zum Halten gekommen, obgleich man die quietschenden Bremslaute deutlich zu hören vermochte. Es war durchaus möglich, dass er in weniger als zwei Sekunden wieder auf der Matte stand, mit seinem anrüchigen Lächeln, oder der ausdrucklosen Kassiermiene kurz vor Ladenschluss. Ihre Hoffnung aber lag auf..... Entschlüsse mussten im rechten Augenblick gefasst werden und so ließ Lilemour ihr Gepäck ohne Rücksicht auf Verluste (Samson, finde einen netten neuen Besitzer!) fallen und rannte Hals über Kopf in die entgegengesetzte Richtung von der sie wusste, dass der Waggon mit dem Sarg lag. Keuchend vor innerer Anspannung sprang sie über andere Koffer, schob Leute zur Seite, riss Schiebetüren auf und zu, wobei das Mädchen die empörten Worte der in Mitleidenschaft gezogenen Passagiere überhörte. Sie würden ihr verzeihen, wüssten sie von ihrer anfänglich auswegslosen Situation. Die Schattenumrisse der Menschmassen auf den gut beleuchteten Bahngleisen wurden deutlicher, stetig langsamer zogen die noch gesichtslosen Köpfe an den reflektierenden Fenstern vorbei, bis der Zug schließlich zischend zum Stehen kam. Lilli achtete auf nichts, als sie die Türe in die erhoffte Freiheit aufdrückte um sich hinauszustürzen. Ob die Leute, die ihr interessiert oder misstrauisch hinterher sahen sie nun für einen äußerst schnellen Taschendieb hielten, oder für ein armes Schwein dass seinen Zug verpassen würde, sie musste hier weg! Wohin spielte noch keine Rolle, einfach nur fort so weit es ging. Am Besten aus München raus, oder die nächste Mitfahrgelegenheit direkt zurück nehmen. Fort von diesem Bahnhof, nur, wo ging es lang? "Hier ist sie auch nicht!" Emilie sprang aus einem schicken ICE, hatte jedoch keinerlei Augen für den zuvorkommenden Schaffner, der sie nach ihrem Vorhaben fragen und ihr wenn möglich helfen wollte. Achtlos überging sie seine Frage zu diesem Thema und lief wie mental in einem Horrorstreifen gefangen an dem verdutzen Mann vorbei. Toni schüttelte kurz den Kopf, "hab auch nichts gefunden." Das Taxi und der Fahrer, der nach diesem James Bond reifen Ritt wohl einige Tage Urlaub brauchen würde, hatte die Beiden vermeintlicher weise rechtzeitig an den Bahnhof gebracht. Der Zug mit dem Ilias und Lilli angekommen sein mussten, war kaum zum Stehen gekommen, als sie sich von beiden Seiten hineinwarfen. Über Koffer sprangen, Leute zur Seite schoben, Schiebetüren auf und zu machten, Motze bezogen. Bis sie sich wieder gegenüberstanden. Keiner mit Wissen über die Gesuchte. Das war die letzte Hoffnung gewesen. Ihre darauf folgende Selbstkasteiung, sich alle Züge vorzunehmen die im Begriff waren abzufahren, diente ausschließlich dem Wunsch, alles getan zu haben, was getan werden konnte. Denn es war nicht möglich alle unzähligen Züge, ober-, wie unterirdisch zu durchkämmen und genauso unwahrscheinlich, Lilli gerade in einem der Kontrollierten zu finden. Emi war den Tränen der Verzweiflung nahe. "Kannst du sie....ich weiß nicht, kannst du sie nicht irgendwie....hören, riechen? Oder..." Die junge Frau raufte sich die Haare, "oder die Aura des anderen Vampirs ausfindig machen? Etwas in der Art! Hokuspokus und so!" "Hey" ,antwortete Toni lässig, "bleib mal auf'm Teppich! Hast du schon mal gesehen, wie Antonio Banderas den Boden abschnuppert, Brad Pitt unter Tausenden zwei Stimmen, von denen ihm eine völlig unbekannt ist, heraushört, oder Tom Cruise seine Gegner paranormal erkennt?" Die Basisidee Tonis war es gewesen, Emilie ein wenig aufzuheitern und genau die scheiterte kläglich. Seine Freundin fing mitten im Getümmel an, ihr Leid lautstark zu bekunden. Der Vampir versuchte den wildgewordenen Menschen zu beruhigen, was sich als äußerst schwierig herausstellte, wenn der einem immer wieder die Hand wegschlug. "Belästigt Sie dieser Mann, meine Dame?" Der nette Schaffner von vorhin hatte das blondgelockte Mädchen nicht aus den Augen gelassen und die Szenerie mit gewisser Anteilnahme verfolgt. Wenn er auch nicht alles vollkommen verstanden hatte. "Emi" ,warf Toni versöhnlich ein, während er den Beamten geflissentlich übersah. "Ich bin einfach noch zu jung, Emi." "Ja" ,stimmte der Schaffner redselig zu. "Sie sollten ihr Herz nicht an Grünschnäbel hängen, meine Dame! Ich war immer der Meinung, dass Frauen mit reiferen Männern besser bedient sind!" Toni hob lächelnd Emis Kinn an, "ich muss die Fähigkeiten erst mit den Jahren erwerben. Das kommt nicht von Heute auf Morgen. Verzeih mir." "Meine Rede" ,nickte der Bahnbeamte, "meine Rede. Gut, dass ich diese Jahre schon hinter mir habe." Keiner nahm den Wink auf. "Aber..." ,schluchzte Emilie, "aber du bist doch schon achtundsechzig." Da wurde der Schaffner ganz Ohr. "Wir sollten das Fräulein auf die Krankenstation bringen. Das wäre wohl das Beste, sie scheint nicht völlig bei sich zu sein. Kommen Sie!" Er machte einige Schritte allein in Richtung Hauptgebäude, als er Tonis nächste Worte vernahm. "Diese Leistungen stellen sich frühestens nach hundertfünfzig bis zweihundert Jahren nach dem Tode ein, Emi, und dann ist es noch nicht einmal sicher ob wir mit ihnen umzugehen wissen." "Ich glaube nicht, dass Zeit nach dem Tod noch eine Rolle spielt" ,bestimmte der Schaffner für sich und errang damit zum ersten und letzten Mal Tonis Aufmerksamkeit. "Das kommt schwer auf die Umstände an, Opa, sehr schwer!" Fortsetzung folgt! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)