Am Anfang war das Schulprojekt von Autumn (JoeyxSeto) ================================================================================ Kapitel 34: Dritte Woche, Mittwoch (Teil 2) ------------------------------------------- Und das nächste Kapitel...tja...höchstwahrscheinlich hättet Ihr mich gelyncht, wenn's nicht weitergegangen wäre, hm? Nach dem Cliffhanger des letzten Kapitels hätte ich natürlich gemein sein können, aber nach der langen Durststrecke wollte ich Euch das denn doch nicht antun! *zwinker* Möchte nicht vielleicht irgendjemand da draußen mal ein Fanart zu dieser FF zeichnen? Ich würde mich wahnsinnig darüber freuen! *lieb schau* Kapitel 17, Zweiter Teil: Dritte Woche, Mittwoch Die Zeit war eingefroren, um das junge Paar herum existierte nichts mehr. Wie hypnotisiert starrten sie einander in die Augen und waren unfähig, sich voneinander zu lösen. Joey überbrückte die letzte Distanz zwischen ihnen und küsste ihn leidenschaftlich. Seto erlag der Versuchung praktisch sofort; er tastete sich mit seiner Zunge vor und strich über die herrlichen Lippen, die sich ihm bald öffneten. »Hmmm....das habe ich so vermisst....sein Feuer, seine Küsse....« »Sein Geschmack ist immer noch derselbe....ein wenig herb, aber reizvoll....oh Seto....!« „Meine Herren? Wo stecken Sie denn!?" Den Göttern sei Dank hatte der Mathelehrer zuerst in die entgegengesetzte Richtung geblickt, sodass den beiden Jugendlichen nach dem ersten Schreck die Möglichkeit blieb, den Kuss zu unterbrechen und eine halbwegs unbeteiligte Miene aufzusetzen. Nichtsdestotrotz waren ihre Wangen gerötet und ihre Atmung hatte sich auch noch nicht normalisiert. Die Züge des Paukers hatten sich indessen erhärtet, denn er war in eine der Wasserlachen am Boden getreten. Er schoss herum und maß die Schuldigen ab wie ein Feldwebel seine untauglichsten Soldaten. „So, eine Wasserschlacht mitten im Flur!! Bei Ihnen ist das ja nichts Neues, Mr. Wheeler, aber dass Sie bei so etwas mitmachen, ist empörend, Mr. Kaiba! Eine Stunde Nachsitzen, das wird Ihr Mütchen schon kühlen!!" In diesem Moment klingelte es und der Herr Oberst der Algebra rauschte mit zackigem Schritt von dannen. Die Verbannten durften in die Klasse zurückkehren - freilich erst, nachdem sie die Sintflut der zweiten Arche Noah beseitigt hatten. „Nachsitzen! Noch nie in meinem ganzen bisherigen Schulleben musste ich nachsitzen!" murmelte der Brünette ungläubig vor sich hin und erdolchte den anderen mit eisblauen Blitzen. „Hättest du mich nicht abgelenkt, hätte ich die Sauerei aufgewischt, bevor sie dieser Armee-Verschnitt von einem angeblichen Pädagogen gesehen hätte!" „‚Abgelenkt‘, ja? Ich habe nicht bemerkt, dass es dir unangenehm war. Du schienst es eher zu genießen, und wenn du jetzt was anderes behauptest, schneide ich dir den Kopf ab!" „Ich....ich habe es genossen", gab er zu, wenn auch zögerlich. „Aber dass ich deswegen nachsitzen muss, ist eine Frechheit! Das habe ich nur dir zu verdanken!" „Kein Grund, gleich einen Nervenzusammenbruch zu erleiden, du Mimose! Warten wir ab, wer die Extra-Stunde beaufsichtigt, wenn es zum Beispiel Mrs. Sagami oder Miss Aldin sind, können wir mit unserem Projektbericht beginnen." „Wir haben heute noch eine Doppelstunde Sozialkunde. Eine weitere Stunde mit dieser Verrückten ertrage ich vermutlich nicht." „Ach komm, so übel ist Sagami-san nun auch wieder nicht. Ein bisschen merkwürdig manchmal, aber nur halb so merkwürdig wie Miss Aldin." „Soll mich das irgendwie aufbauen?" „Nein!" Kaiba seufzte und setzte sich an seinen Platz. „Was den Bericht betrifft - du hast recht, wir müssten allmählich daran denken, der Abgabetermin ist am Freitag. Wer weiß, vielleicht müssen wir in der Sozialkundestunde damit anfangen, sie hat am Montag so komische Andeutungen gemacht...." „Auch wieder wahr. Na jedenfalls, lass dich nicht hängen, Seto-chan, du wirst es überleben, wenn du einmal nachsitzt! Da fällt dir kein Zacken aus der Krone! Apropos - findest du nicht, wir sollten unsere Uniformen ein bisschen trocknen?" „Und wie? Es ist Sommer, da sind die Heizungen im Gebäude abgestellt. Auswringen hat auch nicht übermäßig viel genützt. Wir müssen so sitzen bleiben." „Na toll...." „He, das ist schließlich deine Schuld! Du hast angefangen!" „Das bestreite ich ja gar nicht, aber niemand hat dir angeschafft, es mir nachzumachen!" „Ich lasse dir solche Unverschämtheiten nicht einfach durchgehen, das ist dir doch klar?" „Yep." „Dann beschwer dich nicht!" Es klingelte und die dritte Stunde begann. In der vierten rauschte Mrs. Sagami herein, fröhlich, gut gelaunt und wie immer voller Enthusiasmus. Tatsächlich verlangte sie von ihren Schülern heute, ihr zu zeigen, was sie bisher für ihre Berichte zusammengestellt und aufgeschrieben hatten. Die meisten hatten bereits die Gliederung fertig und hatten über die Hälfte der Punkte ausformuliert, in der Regel fehlten nur noch die Reflexion und die Schlussbemerkung. Sie würden ohne Probleme bis zum Abgabetermin fertig werden. „Mr. Kaiba? Mr. Wheeler? Wie ist das mit Ihnen? Sie sehen so....unvorbereitet aus." „Äh....wir haben noch nicht angefangen...." „Wie bitte?! Meine Herren, ich bin perplex. Sie haben lediglich zwei Tage Zeit, um einen kompletten Bericht über den persönlichen Verlauf des Experiments zu verfassen, ist Ihnen das bewusst? Was hat Sie denn davon abgehalten, sich auf Ihre Arbeit zu konzentrieren?" „Hm, tja....eh....wir hatten ein paar....Schwierigkeiten...." „Oh? Na, bei Ihnen habe ich ja befürchtet, dass nicht alles so gemütlich ablaufen würde, aber nach dem Fragebogen zu urteilen, den ich letzte Woche ausgeteilt habe, haben Sie durchaus neue Erfahrungen gesammelt und einander viel besser kennen gelernt. Vorher konnten Sie sich nicht leiden, und jetzt mögen Sie sich, das haben Sie jedenfalls geschrieben. Ihr Bericht müsste eine der interessantesten des ganzen Projektes werden, und nun erzählen Sie mir, dass Sie noch nicht einmal angefangen haben? So geht das nicht! Ich werde mit der Klasse in den Computerraum gehen und Sie werden dort damit beginnen, ihren Bericht zu tippen!" „Das ist nicht nötig", entgegnete Kaiba kühl und holte aus seiner Schultasche seinen Laptop hervor. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werden Joseph und ich an meinem Laptop arbeiten und versuchen, so weit als möglich zu kommen. Immerhin sind wir nicht die einzigen, die noch nicht angefangen haben." „Das stimmt. Also gut, wie Sie wollen." Mrs. Sagami teilte die Schüler in zwei Gruppen: jene, die ihre Berichte fast vervollständig hatten und denen sie im Sozialkundebuch ein paar Texte zum Lesen und Untersuchen an die Hand gab, und jene, die sich entweder in den Computerraum verdrückten, um zu schreiben, oder die es handschriftlich machten. Seto und Joey bildeten mit dem Laptop mal wieder eine Ausnahme. Während sie die Entwicklung ihrer Beziehung im Rahmen des Experiments notierten, achteten sie peinlich genau darauf, nicht über die Schilderung von freundschaftlichen Gefühlen hinauszugehen, denn ihre Lehrerin musste das nun wirklich nicht wissen. Da es eine Doppelstunde war, kamen sie relativ weit und Mrs. Sagami war sehr zufrieden mit ihrer guten Zusammenarbeit, denn bis dato war nie etwas Vernünftiges dabei herausgekommen, wenn sie die beiden Jungen zusammengesteckt hatte. Der Rest des Schultages verlief ermüdend normal, bis für Seto und Joey das Nachsitzen anfing. Ihre Aufsicht war Mr. Matsuda, der aussah wie hundert, obwohl er das Pensionsalter noch nicht erreicht hatte. Er war sozusagen ein Domino-City-High-School-Urgestein, seit der Gründung der Schule mit von der Partie und er war selbst mit den boshaftesten Klassen fertiggeworden. Mittlerweile aber waren seine Augen und sein Gehör nicht mehr so gut wie früher und er neigte dazu, in seinen eigenen Gedanken zu schwelgen und alles andere um sich herum zu vergessen. Kein Wunder, dass man sich darum riss, bei ihm Nachsitzen zu müssen, sofern es nicht vermeidbar war, denn er nahm es nicht wirklich genau, ob denn nun der Stoff eingepaukt und wiederholt wurde oder nicht. Der Jungmillionär und das Model waren nicht die einzigen, die heute eine zusätzliche Stunde über sich ergehen lassen mussten, Kato Yorimura, einer von Joeys Verehrern, ein gutaussehender Sportler mit einem hellbraunen Lockenkopf und blitzenden grünen Augen, sass ebenfalls im Zimmer und scherte sich einen Dreck um die Englischübersetzung, die er eigentlich erledigen sollte. Statt dessen begnügte er sich damit, den Blondschopf mit den Augen aufzufressen, was Kaiba überhaupt nicht gefiel. »Sag mal, Zuckerhase, was ist denn das für ‘ne Mördermiene?! Gehst du jetzt unter die Berufskiller, oder was? Du hättest bei André-san so schauen sollen, das hätte ihn sofort verscheucht, jede Wette!« »Der Kerl ist es nicht wert, dass ich mich über ihn echauffiere!« »Was hat das mit deinem Chauffeur zu tun???« »So ein ungebildeter Idiot wie du ist ein Teil von mir? Ihr Götter, was habe ich euch bloß getan, dass ich dermaßen leiden muss?« »Jetzt werd‘ gefälligst nicht melodramatisch, du tust gerade so, als würdest du mich nicht mögen!« »Ich mag dich auch nicht!!!« »Wie du meinst....und was das mit dem Chauffeur angeht, bei André-san müsstest du dich viel eher chauffeuren als bei dem da! André-san ist nämlich garantiert in Joey verknallt und wird nicht besonders entzückt sein über deine Funktion als sein Geliebter!« »Ich bin nicht mal mehr mit Joey zusammen, also nenn mich nicht seinen Geliebten! Und außerdem hat echauffieren nichts mit ‚Chauffeur‘ zu tun! Es bedeutet ‚sich aufregen‘!« »Ehrlich? Dann regst du dich gerade ziemlich auf, wenn du mich fragst!« »Ich frage dich aber nicht!!« „Joey-kun....", säuselte das Sportler-As in diesem Moment und der Sechzehnjährige wandte sich seelenruhig zu seinem Anbeter um, einer von vielen, mit denen er ohne Probleme fertig wurde, wenn sie in ihrer Begeisterung die Regeln der Höflichkeit mal eben so ins Nirwana der Nicht-Existenz beförderten, um blöde Anmachen herunterzuleiern. „Was gibt‘s, Yorimura-kun?" „Bist du immer noch solo, mein Süßer?" „Ja, ich bin noch solo - mit Betonung auf ‚noch‘, hast du kapiert? Ich habe jemanden, auf den ich warte. Also vergiss es." „Du....du wurdest erobert?! Das ist ja schrecklich!" „Na hör mal...." „Wer ist es?!" „Ich glaube nicht, dass dich das was angeht! Jetzt fang mit deiner Englischübersetzung an und denk an den Grammatikteil. Miss Jenkins kann furchtbar unleidlich sein, wenn man den Unterschied zwischen simple past und past present progressive nicht sofort zu erklären weiß." „Ich muss es aber wissen! Hätte ich eine Chance gegen ihn?" Der Blondschopf schmunzelte und warf einen Seitenblick auf den Firmenchef, der mit erstarrtem Gesicht an seinem Pult hockte und überhaupt aussah, als wolle er sich jede Sekunde auf diesen lästigen Mitschüler stürzen. „Nein, ich bezweifle es. Er hat zwar einen miesen Charakter, aber dafür auch einen Haufen Geld und fährt teure Autos." „Joey-kun! Auf solche materiellen Dinge hast du doch noch nie geachtet! Wie kannst du dich da einem arroganten Kerl an den Hals werfen, und wenn er noch so viel Kohle hat?!" „Zufälligerweise ist es genau diese Arroganz, die ihn so sexy macht!" erwiderte er grinsend und registrierte zufrieden, dass Seto bei dieser Erklärung ein wenig rot wurde. Der arme Kato glotzte seinen Gegenüber an, als wäre er total übergeschnappt. „Ist dir eigentlich klar, dass du mir das Herz brichst?" »Auweia....« »Wow, Honigbärchen, was bist du für ein Schlimmer! Wie viele gebrochene Herzen säumen schon deinen Weg?« »He, es ist nicht meine Schuld, dass sich ständig irgendwelche Leute in mich verknallen, ich habe keinen Einfluss darauf! Außerdem, hast du dir schon mal die Liste von gebrochenen Herzen angesehen, die Seto betrifft? Jedes Mädchen der Schule steht drauf, da wette ich mit dir! Wobei das nichts neues ist, die fallen ja schon in Ohnmacht, wenn er nur mal in ihre Richtung schaut oder brechen in hysterisches Schluchzen aus, sobald er ihre Liebesbriefe in den Aktenvernichter steckt! Was glauben die eigentlich, mit wem sie es zu tun haben? Er ist immerhin ein Kaiba - auch wenn er sehr süß sein kann, wenn er will.« »Das will er aber nur bei dir!« »Zugegeben.« „Ja, Yorimura-kun, das ist mir klar. Aber andere Mütter haben auch schöne Söhne, also schau nicht so verzweifelt!" „Ich werde das nicht verkraften! Ich kann nicht ohne dich leben!" „Bevor du mich kennen gelernt hast, konntest du das erstaunlich gut." „Wenn du mich nicht liebst, werde ich dieser Welt entsagen!" „Prima. Spring von der Domino-City-Bridge, im Fluss ist bestimmt noch Platz." „Joey-kun!!!" Kato erhob sich und rauschte erbost hinaus. Das Model blieb kopfschüttelnd zurück. Es war nicht das erste Mal, dass sein Verehrer behauptete, nicht ohne ihn leben zu können und der Welt zu entsagen, wenn er ihn nicht haben konnte, aber da er mit erstaunlicher Regelmäßigkeit all seine hoffnungslosen Liebeleien einmal pro Woche abzuklappern pflegte, war Joey weit davon entfernt, sich ernstlich Sorgen zu machen. Der Sportler war eben so; er flatterte von Blüte zu Blüte, gelobte jedesmal unsterbliche Liebe und zog bei Nicht-Erwiderung derselben eine tragische Show ab, die entweder lächerlich, peinlich oder beides war. „Manche Männer benehmen sich einfach idiotisch", murmelte Kaiba verächtlich. „Oh jaaaa...." „Deine Anspielungen kannst du dir sparen! Sag mal....meintest du das ernst?" „Was? Dass es deine Arroganz ist, die dich so sexy macht? Logisch war das mein Ernst! Pflegeleichte Schönlinge gibt es zuhauf, die sind uninteressant. Richtig spannend sind nur die, die schwer zu kriegen sind - Typen wie du! Hast du dich eigentlich schon entschieden? Yugi hat sich dir doch als Partner für das Duell angeboten!" „Ich habe mich noch nicht entschieden, aber vermutlich werde ich auf sein Angebot zurückkommen. Miller hat nun mal diese Bedingung gestellt, also muss ich mich fügen, wenn auch ungern. Und außer Yugi hat keiner das nötige Niveau, um sich an meiner Seite zu duellieren. Demnach wird meine Wahl auf ihn fallen müssen." „Ich hätte das nötige Niveau. Okay, ich bin nicht so super wie Yugi, aber ich bin ein guter Duellant. Ich war Zweitplatzierter im Königreich der Duellanten und bin ins Finale von Battle City gekommen. Erzähl mir bloß nicht, das wäre so einfach gewesen, schließlich hast du dieses Turnier veranstaltet. Und du weißt hoffentlich, dass ich dir sehr gerne dabei helfen würde, deine Firma zurückzugewinnen, zumal ich Miller Junior und Senior genauso wenig leiden kann wie du. Ich bin vielleicht keine Weltklasse, aber ich bin gut." „....Nicht gut genug." Joey schürzte verärgert die Lippen und schwieg beleidigt, während Seto die Rechnungen löste, die ihnen der Mathelehrer aufgebrummt hatte. Sein Gesicht war kühl und ernst und nichts ließ darauf schließen, dass er seine Meinung bezüglich der Duellierfähigkeiten des Jüngeren ändern würde. Er liebte ihn zwar, aber als ebenbürtigen Spieler konnte er ihn nicht akzeptieren. Dennoch....er erinnerte sich an das Finale von Battle City, als der Blonde mit diesem Verrückten namens Malik konfrontiert worden war. Wäre er nicht bewusstlos geworden, er hätte ihn besiegt....und es war ein ziemlich risikoreiches und gefährliches Duell. Damals war er tief beeindruckt gewesen von Joeys Mut und seiner Willensstärke, und hatte ihn erstmals wirklich ernstgenommen, sowohl als Duellanten wie auch als Menschen. Er dachte an das seltsame, undefinierbare Gefühl, das sich seiner bemächtigt hatte, als der Blondschopf seine Schmerzen hinausschrie und letztendlich zusammenbrach. Was konnte das gewesen sein? Angst? Besorgnis? Eine Mischung aus beidem? Und das, bevor er auch nur annähernd begriffen hatte, dass da schon seit langem eine Bindung zwischen ihnen bestand, die sich in ihren Streitereien und Provokationen äußerte. Ja, Joey war gut, aber nicht die richtige Wahl für ein Partnerduell, bei dem es um seine Firma ging! Mr. Matsuda stand auf, um nach dem flüchtigen Kato zu suchen und fand ihn am Schulkiosk, wo er sich gerade eine Schokowaffel kaufte und staubte ihn ins Nachsitzzimmer zurück, wo er eine demonstrative Leidensmiene in sein Gesicht manövrierte und aus Frust die Schokowaffel verspeiste. Aber da das Model angefressen war, beachtete es ihn nicht im geringsten und die Stunde verlief ohne weitere Unterbrechungen. Serenity hatte ihn auf seinem Handy angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie sich nicht bei ihrer Mutter mit ihm treffen wollte, weil die liebe Mama gerade großen Waschtag zelebrierte, sondern in einem netten kleinen Café mit dem klangvollen Namen „Antartica". Sie verabredeten sich für fünf Uhr und Joey war auf die Minute pünktlich, was man von seiner Schwester leider nicht behaupten konnte. Da sie um zehn nach fünf immer noch nicht erschienen war, beschloss er, noch ein paar Notizen für den Projektbericht anzufertigen, aber eine alte Frau, die sich an seinen Tisch setzte, wollte es nicht. Sie war seit drei Jahren Witwe und bezog Pension, ihr Mann war zu Lebzeiten was Höheres in der Stadtverwaltung gewesen. Nach einer halben Stunde entdeckte sie ihre Kränzchenfreundin vor dem gegenüberliegenden Kaufhausfenster, trommelte gegen die Scheibe des Cafés, vollführte eine treffliche Pantomime und rauschte von dannen. Wo zum Teufel blieb Serenity?! Sein Martyrium war noch nicht beendet. Nach der Witwe vom seligen höheren Verwaltungsbeamten hockten sich zwei vornehm gekleidete Damen zu ihm. Die eine von ihnen, Frau Dr. Kaneda, hatte einen titelreichen Bekanntenkreis und der junge Mann hatte das zweifelhafte Vergnügen, eine Menge über diesen Bekanntenkreis zu erfahren - er hörte von Frau Senatsrat a. D., Frau Professor h. c., Frau Amtsgerichtsrat und ihrer Schwägerin, Frau Erste Bergrat. Einzig ihre Haushaltshilfe nannte sie schlicht Teramoto-san und nicht etwa Frau Saubermach. Als die elitären Ladys sich verabschiedeten, tauchte endlich auch Serenity auf, der anzusehen war, dass sie dem großen Waschtag nicht hatte entkommen können, obwohl sie es garantiert versucht hatte. Sie entschuldigte sich wortreich bei ihrem Bruder, bis ihr dessen betrübter Gesichtsausdruck auffiel. „Fehlt dir was, Onii-san?" „Ja. Ein Titel. Ich möchte einen Titel. Alle Freundinnen von Frau Dr. Kaneda haben einen gut klingenden Titel von ihrem Mann. Es gibt sogar eine Frau Erste Bergrat. Ich kann mich doch nicht ‚Mr. Frisch-von-Millionär-getrennt‘ nennen lassen! Ich meine, wie klingt denn das!" „Joey", antwortete das Mädchen nach einer Weile unsicher, „....kannst du mich mal anpusten? Ich möchte prüfen, ob du was getrunken hast." „Vergiss es. Sag mir lieber, warum du so spät dran bist!" „Ich musste Mama bei der Buntwäsche helfen und bei den Vorhängen. Eigentlich wollte ich mich davonstehlen, aber das hat nicht geklappt. Hat Yugi dir von unserem Plan erzählt?" „Nicht direkt. Ich weiß nur, dass Mokuba, du, er und Ryo irgendwas vorhabt, von dem ich ein Bestandteil sein könnte. Du würdest mir alle sonstigen Details erklären. Also? Um was handelt es sich?" „Tja...." Währendessen war Seto seinen kleinen Bruder besuchen gegangen. Solange das Experiment noch lief - nur noch zwei Tage, den Göttern sei Dank! -, war die Kaiba-Villa nicht sein Zuhause und so blieb ihm nichts anderes übrig, als bei Roland anzufragen, ob der junge Master zu sprechen sei. Das war er allerdings und Mokuba freute sich sehr auf die gemeinsamen Stunden mit seinem Nii-san. Sie würden auch zusammen zu Abend essen. Der Kleine hatte sich bereits genau überlegt, was er alles tun wollte und das erste auf seiner Liste war Inline-Skaten. Der Brünette betrachtete diesen Sport als unter seiner Würde (was gab es alberneres, als auf Schuhen mit Rollen wie blöd durch die Gegend zu flitzen?). Domino Citys öffentliche Sporthalle verfügte über einen Parcours speziell für Skater und mit seinen schicken Inlinern an den Füßen betätigte sich der lebhafte Springinsfeld als rasende Gefahr für die anderen Personen auf der Bahn. Kaiba beobachtete die Kapriolen des Schwarzhaarigen und zählte in Gedanken von zwanzig an rückwärts. Bei Null vernahm er zwei hohe Schreie und erblickte das, was er bereits im Stillen prophezeit hatte: Mokuba stand mit hochrotem Kopf vor einem weiblichen Knäul, aus dem vier hübsche Beine mit schicken Skates herausragten. Das Knäul schimpfte wutentbrannt auf den armen Jungen ein und der Siebzehnjährige trat dazwischen. Er tadelte seinen Ototo für seine wilden Kurven und die beiden Mädchen, die sich mit viel Mühe wieder erhoben hatten, starrten ihn erst erstaunt und schließlich lächelnd an. Eine von ihnen strich dem fassungslosen Mokuba durchs Haar und ihre Stimme jubelte durch zwei Oktaven, als sie sagte: „Oh, das macht fast gar nicht. Er ist so ein süßer Junge." Dabei sah sie Kaiba an. Er quittierte dieses Anhimmeln mit kalter Nichtachtung und marschierte mit ausgreifenden Schritten zu seinem Sitzplatz zurück, dicht gefolgt von dem Zwölfjährigen. „So ein Mist....ich wollte sie wirklich nicht umhauen, aber ich hab zu spät gebremst. Aber dein tolles Aussehen hat mich vor Ärger bewahrt!" Er grinste unverschämt breit für sein zartes und unbedarftes Alter. Halt mal, unbedarft? »Da haben wir doch mal wieder eine hervorragende Einleitung! Jetzt kannst du ihn nach Joey ausquetschen! Los, Frontalangriff!« »Was denn, du lebst immer noch?!« »Moki, ich bin dein Gewissen, und solange du lebst, werde ich auch leben!« »Schreckliche Vorstellung....« »HE!!!« Trotzdem wagte er einen Vorstoß. „Du, Onii-san....was ist nun mit deiner Beziehung zu Joey? Er hat dir ein Ultimatum gestellt, so viel ich weiß. Ich persönlich würde es vorziehen, wenn du dich dafür entscheidest, auch öffentlich zu ihm zu stehen. Ich meine....wenn ihr ein Paar seid, kannst du nicht von ihm erwarten, dass er sich ständig in der Villa versteckt und nur herauskommt, wenn du es für sicher hältst. Das bringt doch nichts. Außerdem bist du ein Millionär, du könntest die Leute dafür bezahlen, nur das zu drucken, was du zu sehen wünschst! Dein Privatleben geht niemanden was an! Und du liebst ihn doch, verflixt noch mal!!" »Jawoll, knall‘s ihm vor die Nase, er hat‘s nötig!« »Halt die Klappe!« »Warum? Ich hätte noch allerlei zu dieser Sache zu sagen!« »Eben drum.« »Du bist echt fies....!« »Vererbung.« »Och nö....!« „Ich....ja, ich liebe ihn, aber....es ist so schwer, über seinen eigenen Schatten zu springen." „Das ist richtig. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ihr füreinander bestimmt seid. Das Schicksal wird euch zusammenführen, ganz sicher." Dass dieses Schicksal „Mokuba Kaiba und Co." hieß, verriet er allerdings nicht.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)