Remember the promise you made von Ulysses (San Francisco Love Stories) ================================================================================ Kapitel 14: Everyone has a little dirty laundry ----------------------------------------------- "Der Ausblick ist wunderschön!" Emily Cunningham rückte ihren Stuhl ein wenig mehr in Richtung Fenster. Die Sonne strahlte durch die hohen Glasfronten hinein und brach sich in den Gläsern auf dem Tisch. Das "Seaview Cafe" bot einen unglaublichen Blick auf die Bay und die Golden Gate Bridge. Die perfekte Lage und die sehr gute Küche hatten es zu dem momentanen Restaurant de jour gemacht, einer In-Adresse von San Francisco. Dementsprechend voll war es auch, aber Jason hatte zum Glück die glänzende Idee gehabt, schon Wochen im Voraus einen Tisch zu bestellen. Das Sekt-Frühstück, das den Cunninghams und Chris hier geboten wurde, war seinen Preis und die lange Warteliste aber auf jeden Fall wert. "Ihr habt Glück, dass das Wetter im Moment so herrlich ist und heute noch nicht einmal Nebel aufgezogen ist, sonst wäre der Blick nicht ganz so umwerfend." Chris biss ein Stück von seinem Croissant ab. "Na ja, der Nebel hat seinen ganz eigenen Charme, finde ich." Jason trank noch einen Schluck Kaffee. "Auch wieder wahr." "Ihr beiden liebt diese Stadt wirklich abgöttisch, was?" "Ja, Dad, nirgends ist es schöner als in San Francisco." Emily wandte ihren Blick wieder von der Bay ab und lächelte Chris an. "Was ich schon die ganze Zeit fragen wollte. Wie habt ihr beiden euch eigentlich kennen gelernt?" Der letzte Bissen des Croissants blieb Chris beinahe im Hals stecken. Er hustete und nahm einen gierigen Schluck von dem halbtrockenen Sekt, der in einem eleganten Glas vor jedem stand. Jason musterte plötzlich interessiert die dunkle Oberfläche seines Kaffees. Keiner von beiden wusste, was er nun sagen sollte. Wie brachte man seiner Mutter bei, dass man seinen Freund als Freier kennen gelernt hatte? Und in Chris' Fall: Wie brachte man den Eltern seines Freundes bei, dass man früher auf den Strich gegangen ist? In diesem Moment kam ihnen der Zufall zu Hilfe und zwar in unerwarteter Form. "Darf ich Ihnen noch Kaffee einschenken?" Chris sah erst seine leere Tasse und dann den jungen Kellner an, der ihm diese Frage gestellt hatte. "Sly!" Jetzt erkannte ihn der andere mit einer schwarzweißen Kellneruniform bekleidete Mann und plötzlich hellte sich sein Gesicht auf, er strahlte regelrecht. "Chris! Was für eine schöne Überraschung!" Und in einem etwas weniger enthusiastischen Ton: "Jason, schön dich zu sehen!" "Was machst du denn hier?" Sly lächelte Chris an und hob die edel aussehende Kanne mit frischem Kaffee, die er in der Hand hielt. "Ich bin hier Kellner." Erst jetzt schien er zu merken, dass Chris und Jason nicht allein am Tisch waren. "Das sind meine Eltern. Jeffrey und Emily Cunningham, das ist Sly McGrey, ein Freund von uns." "Schön Sie kennen zu lernen." Sly deutete eine Verbeugung an. "Ganz unsererseits." erwiderte Jeffrey. "Hast du kurz Zeit für mich?" fragte Chris. "Ich wollte dich nämlich eh sprechen und ich hab deine Telefonnummer nicht." Sly sah sich ein wenig unsicher um. "Die sehen es nicht gern wenn ich quatsche, aber einen Moment hab ich, das klappt schon. Nur am besten nicht hier am Tisch." "Entschuldigt ihr mich kurz?" "Aber natürlich!" nickte Emily. "Bin gleich wieder da." Chris stand auf und folgte Sly. Jason sah ihm nach und spürte wie sich sein Magen verkrampfte. Jetzt war er auch noch allein mit der ausstehenden Frage. "Ein netter junger Mann, woher kennt ihr ihn?" wollte seine Mutter wissen. "Wir haben ihn über meinen neuen Partner kennen gelernt." "Ach ja, das hatte ich fast vergessen, du hast ja einen neuen Partner bekommen, nachdem dein letzter damals gestorben ist." Sein Vater nippte an seinem Sekt. Jason nickte. Er kam nicht dagegen an, der Gedanke an Randy versetzte ihm einen schmerzhaften Stich im Herzen. "Ja, hab ich..." "Wie läuft es denn momentan so? Kommt ihr gut miteinander aus? Ich bin so stolz darauf, wie du deinen Weg machst." Jason lächelte seinen Vater an, dankbar dafür, dass er vom Thema Randy ablenkte. Und noch besser, ohne das es ihm sicher bewusst war, waren sie auch von der Kennen lernen Thematik weggekommen. In Gedanken dankte er Sly, dass er sie unterbrochen hatte. Alles auf einmal wollte er seinen Eltern nun wirklich nicht zumuten. Also begann er von seinem Arbeitsalltag zu erzählen. Sly führte Chris in einen Winkel des Lokals, den man nicht so gut einsehen konnte. Er hatte schon Ärger fürs Reden bekommen als Coop ihn besucht hatte und er wollte kein Risiko eingehen. Er hoffte, dass man sein Herz nicht schlagen hörte, es pochte so heftig, dass er das Gefühl hatte, seine Brust würde beben. Chris ging dicht hinter ihm, er nahm sogar das Parfum des blonden Mannes wahr und der Duft raubte ihm fast die Sinne. Chris sah heute morgen umwerfend aus. Die Haare trug er offen, sie reichten ihm jetzt schon fast bis an die Schultern. Und sie glänzten im Licht wie pures Gold, fand zumindest Sly. Sein Outfit war gut gewählt, Jeans, ein weißes Hemd, eine dezente Kette, genau auf dem Grat zwischen leger und elegant. Er war einfach wunderschön. "Ich bin ja baff, ich hätte nie erwartet, dass du in einem so edlen Restaurant kellnerst. Ich dachte, du machst das nur so nebenbei..." Chris machte eine Pause. "Entschuldige, das klang jetzt etwas arrogant. Aber du weißt, ich bin bei IHOP in der Lombardt Street." "Ich bin auch nur Hilfskellner, kein großes Licht." "Aber du läufst wenigstens nicht in einer blauweißen Uniform mit dem IHOP Logo auf der Brust rum!" lachte Chris. In einer Ecke, hinter einem großen Palmengewächs, dass sie vom Rest des Lokals abschirmte, hielt Sly an. Das wäre der perfekte Ort für einen Kuss, aber er wagte es noch nicht einmal, Chris auch nur zu berühren. Er musste sich zusammenreißen, das war ja kein Zustand! Der Mann war vergeben. "Was wolltest du von mir?" "Ich hab mit Jason über die Sache mit dem Schulabschluss geredet und er findet die Idee toll. Also will ich das durchziehen, sobald Jasons Eltern wieder weg sind. Und ich dachte, ich könnte auf dein Angebot zurückkommen, dass du mir helfen willst und wir hier und da zusammen lernen." Slys Herz machte einen Sprung und er fürchtete, es würde jeden Moment aufhören zu schlagen. Chris wollte mit ihm Zeit verbringen! "Aber gern! Natürlich!" Er musste sich bremsen um nicht zu enthusiastisch zu klingen. "Danke. Das ist wirklich lieb von dir." "Für dich tu ich das gern." Kaum waren die Worte raus, bereute er sie schon wieder, das klang eindeutig zu vertraut. Aber entweder hatte Chris das nicht registriert oder er überging es schlichtweg. "Ich bin froh, dass ich dich kennen gelernt habe." "Das kann ich nur zurückgeben." "Ich bin fast erleichtert, dass du mich mal kurz von dem Tisch weg geholt hast. Ich bin immer noch total nervös, Jasons Eltern sind sehr nett, aber ich habe trotzdem Angst, etwas falsch zu machen." Sly hatte plötzlich einen Kloß im Hals. "Dann ist es wohl was ernstes, wenn er dich seinen Eltern vorstellt, was?" "Das kann ich nur hoffen. Er hat sich sogar extra wegen mir vor seinen Eltern geoutet." Den Ablauf des Outings verschwieg Chris lieber. "Ich wünsche mir so sehr, dass es etwas für immer ist... du glaubst gar nicht wie glücklich ich mit ihm bin." "Das freut mich so sehr für dich." Sly hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, etwas zu zerschlagen oder in Tränen auszubrechen und das obwohl er wirklich froh war, dass Chris glücklich war. Er erkannte sich langsam selbst nicht wieder, das war ja schon schizophren. "Ich denke, ich sollte zum Tisch zurück, die warten sicher schon auf mich." "Ja, aber natürlich." Sly nickte. "Ich schreibe dir meine Telefonnummer auf die Rechnung, dann kannst du dich bei mir melden und wir können alles besprechen." "Du bist ein Schatz! Bis später!" Chris lächelte ihn an und kehrte ins Lokal zurück. Sly ließ sich gegen die Wand sinken, seine Knie waren weich. Chris Lächeln war wie die aufgehende Sonne, strahlend, warm, wundervoll. Er trat hinter der Pflanze hervor und sah zu, wie Chris sich wieder an den Tisch setzte und eben dieses Lächeln, das er vorhin noch ihm geschenkt hatte, nun Jason gab, nur noch viel intensiver, voller Liebe. Sly ballte die Fäuste, so sehr das es schmerzte. Das Schlimmste an der Sache war aber, dass er Jason sehr nett fand. Er konnte diesen Mann, der zwischen ihm und Chris stand, noch nicht einmal hassen. Jason war ein freundlicher und ehrlicher Mensch, das merkte man sofort. Und er liebte Chris über alles, das war offensichtlich. Chris war glücklich und das war die Hauptsache... Schweren Herzens machte Sly sich wieder an die Arbeit. Zur gleichen Zeit schwebte Marcus im siebten Himmel. Garys Hände lagen um seine Hüften und hielten ihn fest... na ja, eigentlich hielt er sich an ihm fest. Gary ließ sich lachend ein Stück von Marcus mitziehen. Der blonde Junge trug seine Rollerskates, während Gary auf dem Skateboard unterwegs war. Dank der Rollen unter dem mit einer Schlange verzierten Brettes konnte Marcus Gary mühelos ziehen und dabei die Berührung des älteren Jungen genießen. Aber der Moment währte viel zu kurz, schon lösten sich Garys Hände wieder von ihm. Es war herrlich warm an diesem Herbsttag, die Sonne schien mit einer Intensität, als wolle sie den Menschen der Küstenstadt sagen, dass sie noch lange nicht kapituliert hatte und dem Winter das Feld nicht kampflos überlassen würde. Wobei in Kalifornien der Winter eh keinen großen Unterschied machte, verschneite Palmen hatte es das letzte mal vor Jahrzehnten gegeben. Wie jeden Tag war in der Gegend um Pier 39 und Fisherman's Wharf eine Menge los, doch die Hauptsaison war vorbei. In der Bay spiegelte sich die Sonne und verstärkte noch das Gefühl, dass es sich hier um einen Sommertag handeln würde, am Himmel zogen kreischende Möwen ihre Kreise und gerade machte sich eine Fähre auf den Weg nach Alcatraz Island. Marcus hatte sich vorgenommen, die trübseligen Gedanken von letzter Nacht und besonders diesen einen verdammten Satz von Gary vollkommen zu ignorieren und einfach den Tag zu genießen. Obwohl ihm diese eine Aussage, die leicht das Ende all seiner Träume darstellen konnte, immer noch im Kopf herum spukte. Er war so Gedanken, dass er den plötzlichen Warnruf Garys viel zu spät registrierte, ebenso wie das Hindernis in Form eines Mannes, das sich plötzlich vor ihm aufbaute. Er stieß mit diesem zusammen und wäre wahrscheinlich gestürzt, wenn der Mann ihn nicht geistesgegenwärtig festgehalten hätte. "Entschuldigung, Sir, das wollte ich nicht... tut mir leid..." stammelte er und sah auf. Im nächsten Moment wünschte er, er hätte es nicht getan, denn das hier war einer dieser teuflischen Zufälle, die es eigentlich nur in Seifenopern und schlechten romantischen Komödien geben dürfte aber doch nicht im richtigen Leben! Zuerst hatte er ihn im Anzug mit Krawatte und geöffnetem Sakko nicht erkannt, so ganz ohne Blattwerk, aber er lag eindeutig in den Armen von David, Jasons bestem Freund, der ihn schelmisch angrinste. "Na, was ist mir denn da in die Arme geflogen? Nette Anmachtaktik, Marcus, muss ich mir merken." Marcus befreite sich so schnell es ging aus Davids Armen und stolperte auf seinen Skates einen Schritt zurück. Gary war von seinem Skateboard heruntergestiegen. Wenn er jetzt was sagt, dann fliege ich auf... "Ähm... Gary... da...das ist David... du weißt schon, Jasons bester Freund... das i...ist Gary, Jasons jüngerer Bruder." David lächelte Gary an. "Diese Ähnlichkeit, verblüffend. Wie eine jüngere Fassung von Jason." Gary kratzte sich am Kopf, er wurde rot. Ihm schien aufzugehen, wen er vor sich hatte und offenbar wusste er nicht so recht wie er reagieren sollte. "Ich... ähm... schön, Sie kennen zu lernen... ich wollte mir eigentlich... gerade ein Eis holen, willst du auch eines, Marc?" Marcus nickte, froh um die Möglichkeit, Gary für ein paar Minuten loszuwerden, obwohl er das selbst nicht fassen konnte. "Ja gern." David zog seine Brieftasche hervor und hielt Gary einen zehn Dollar Schein hin. "Hier, bring mir auch eines mit, Jason II, welches überlasse ich dir. Dein Bruder hat auch immer meinen Geschmack getroffen." Mehr als ein Nicken und ein leises "Danke" brachte Gary nicht hervor. Er nahm den Schein, nickte Marcus zu und verschwand in Richtung eines Eisstandes, an dem sie gerade vorbei gekommen waren. Marcus sah ihm einen Moment nach, dann wandte er sich wieder David zu. "Was machen Sie hier, Mr... äh..." "Nichts Mister, nenn mich einfach David, okay? Ich komme mir sonst so alt vor. Und falls du erlaubst, ich komme gern in der Mittagspause hierher." Er schaute in die Richtung, in die Gary verschwunden war. "Das war beinahe unheimlich." "Was denn?" "Wenn man euch beide so sieht. So müsste es ausgesehen haben, wenn Jason und Chris sich schon auf der Highschool getroffen hätten. Obwohl ich glaube, Chris hat mal erwähnt, dass er damals Football gespielt hat. Das machst du nicht, oder?" "Nein..." gab Marcus zu und schämte sich ein wenig dafür, dass er kein Sportass war, wie scheinbar jeder sonst auf der Welt. "Ist doch auch kein Verlust. Du siehst doch klasse aus." Jetzt wurde Marcus endgültig rot. "Da...danke..." "Bist du auf der Pirsch? Ich meine, dieser Jason look-alike ist wirklich sehr sexy, vor allem für sein Alter!" Marcus seufzte. "Ja und leider hören da die Ähnlichkeiten mit Jason auch schon auf." Plötzlich hatte er das Bedürfnis, sich David anzuvertrauen, er hatte das Gefühl es zu können, besonders da er ihn schon auf der Party als sehr nett empfunden hatte. "Wissen Sie... weißt du, was er letzte Nacht im Bett gesagt hat?" "Du willst mir wirklich erzählen, was ihr so im Bett macht?" grinste David. "Weiß Jason, dass du seinen Bruder flachlegst?" Für einen Moment geriet Marcus aus dem Takt, bis er an Davids Grinsen erkannte, dass dieser ihn neckte. Er stemmte die Hände in die Hüften. "Ja, immer kräftig Salz in die Wunde. Wäre schön wenn es so wäre, aber der Satz "Ich bin froh, dass du nicht schwul bist" kann ein echter Liebestöter sein..." "Autsch!" David legte ihm die Hand auf die Schulter. "Das ist hart. Heißt das, Gary ist ein Hetero? Schade, sehr schade, viel Potenzial verschenkt... du hast ihm also verschwiegen, dass Chris, Jason und du auf dem gleichen Ufer steht?" Marcus nickte nur. "Und jetzt hoffst du auf eine Möglichkeit, dem Blinden die Augen zu öffnen und ihm zu zeigen, was er verpasst!" Wieder ein Nicken. "Aber meine Hoffnung ist nicht groß..." "Willst du ihn wegen seines knackigen Hinterns oder ist da mehr?" "Ähm..." "Du bist verknallt, nicht wahr?" "Sieht man mir das so genau an?" "Nein, keine Angst, du tarnst dich gut." Marcus seufzte und sah auf seine Füße. "Ich weiß echt nicht mehr weiter... Jason ist dagegen, Chris ermutigt mich und Gary könnte kein heterosexuelleres Verhalten an den Tag legen..." "Ich sag dir jetzt mal was: Sein Bruder hat erst Mitte zwanzig wirklich eingesehen wie er tickt und wollte das vorher nicht wahrhaben. Wer weiß, vielleicht ist er es, vielleicht nicht, aber wenn du meinen Rat hören willst, Angriff ist die beste Verteidigung. Horch ihn aus, lern ihn näher kennen." David zwinkerte ihm zu. "Du bist doch ein süßer Junge, du schaffst das schon. Chris hat Jason ja auch zu einem bekennenden Schwulen gemacht, selbst wenn du nicht mit ihm verwandt bist, ihr seid doch fast wie Brüder. Und wenn nicht gibt es auch noch genug andere Fische im Meer. " "Stimmt!" nickte Marcus. "Na siehst du." Er lächelte plötzlich. "Ah, Gary ist wieder da." Marcus wandte sich um und sah Jasons jüngeren Bruder, der mit dem Skateboard unter dem Arm und drei Hörnchen mit Eis in der Hand balancierend auf sie zu kam. "Hier, das Eis. Für dich, Marc," Er gab ein Hörnchen an Marcus weiter. "und für Sie." David nahm sein Eis an und musterte es mit einem Grinsen. "Vanille und Chocolate Chip, du bist deinem Bruder sehr ähnlich." Dabei zwinkerte er Marcus ein weiteres mal zu. "Ich lasse euch beide dann mal allein, meine Mittagspause neigt sich eh dem Ende zu und ich muss noch zur Kanzlei zurück. Viel Spaß noch, die Herren!" Er tippte sich mit der freien Hand an die Schläfe und ließ die beiden dann allein zurück. "Bye!" rief Marcus. "Ihr Wechselgeld!" erinnerte Gary. David winkte nur über die Schulter. "Geschenkt, sieh es als Trinkgeld." Marcus glaubte daraus zu hören, dass er grinste. "Warum hat der mich so angeguckt?" Marcus schleckte an seinem Eis und setzte ein unschuldiges Gesicht auf. "Wer weiß, vielleicht fand er dich niedlich! Komm, da drüben ist eine Bank frei, direkt am Wasser, ich will mich setzen." Damit fuhr er los. Gary sah erst in die Richtung in die David verschwunden war, dann Marcus hinterher. "Was soll das heißen?! Er fand mich niedlich?!" Er folgte Marcus, der seine Frage nur mit einem Lachen quittierte und in Gedanken David für die Unterstützung dankte. "Wow! Schau dir die mal an!" Marcus schreckte aus seinen Gedanken hoch. Sie hatten eine Zeit lang still auf der Bank nebeneinander gesessen und auf die Bay hinaus gesehen und dabei war er irgendwie in eine Traumwelt abgeglitten. Er hatte sich verloren in dem Anblick der kleinen Härchen auf Garys Unterarmen, die vom angenehmen Wind ein wenig bewegt wurden. Ihm waren Dinge aufgefallen wie die sauber rasierte Achselhöhle des linken Armes, den Gary hinter dem Kopf verschränkt hatte, die langen Wimpern an Garys geschlossenen Lidern, wenn er das Gesicht der Sonne zuwandte, der leichte Bartschatten auf seinen Wangen, der kaum sichtbare Leberfleck auf dem Nasenflügel. Jedes noch so kleine Detail an Gary fand er wunderschön und konnte sich nicht satt sehen daran. Jetzt zuckte er beinahe zusammen, als Gary ihn ansprach. "Was? Entschuldige, ich war in Gedanken." "Da, schau mal." Gary nickte mit dem Kopf nach links und Marcus folgte der Bewegung mit dem Blick. Dort stand ein junges Mädchen, etwa in Garys Alter, lange blonde Haare, die sanft in Wind wehten, eine gertenschlanke Figur, eingehüllt in eine schon fast obszön enge Jeans und ein bauchfreies, schwarzpinkfarbenes Top. Sie hatte ein hübsches schmales Gesicht, das perfekt zu ihrem bezaubernden Körper passte. Als er die Art sah, wie Gary sie anschaute, mit diesem leichten Funkeln im Blick, hasste Marcus sie auf der Stelle. Was findest du an dieser kleinen Schlampe? wäre ihm beinahe herausgerutscht, im letzten Moment begnügte er sich mit einem "Sieht gut aus." "Das kannst du laut sagen." In diesem Moment schaute das Mädchen zu ihnen hinüber und als sie erkannte, dass Gary sie ansah, lächelte sie ihn an. In einer Weise, dass Marcus plötzlich Lust verspürte, Gary einfach an die Hand zu fassen oder noch besser zu küssen, damit dieses kleine Luder gleich wusste was Sache war. Gary brauchte so etwas wie sie nicht! Offensichtlich sah sie das anders, denn nicht nur das sie ihn anlächelte, nein, jetzt kam sie auch noch zu ihnen hinüber. Leichtfüßig und mit einem beschwingten Schritt. Kann nicht unter ihr der Pier durchbrechen. Vielleicht kann sie nicht schwimmen. Gibt es hier eigentlich Haie? Na ja, die würden dieses dürre Gerippe eh gleich wieder ausspucken und bessere Kost verlangen! Gott, bin ich gehässig, wusste überhaupt nicht, dass ich das kann! Marcus grinste innerlich bei der Vorstellung, dass dieses Mädchen ins Wasser fiel. Er erkannte sich selbst kaum wieder, aber dieses Miststück war eine potenzielle Bedrohung der übelsten Sorte. "Hi!" Hi! Ich bin blond und blöd, aber stört euch nicht dran! äffte Marcus sie in Gedanken nach. "Hi!" erwiderte Gary die Begrüßung. "Du bist nicht von hier, oder? So jemand wie du müsste mir schon aufgefallen sein." Warum? Bist du jeden Tag hier? Vielleicht ist sie eine Nutte! Obwohl ihm selbst da eigentlich kein Urteil zustand, gefiel Marcus der Gedanke, dass diese Zicke vielleicht eine billige Hure sei, obwohl das eher unwahrscheinlich war. "Nein, ich bin nicht von hier. Bin nur im Urlaub." "Du bist New Yorker, oder?" "Woran hast du das gemerkt?" "An deinem Akzent, ich hab meine Hausaufgaben gemacht, bin fleißiger Sex and the City Zuschauer." Ach Gottchen, wie originell. Holt sich ihre Bildung aus dem Fernsehen... blöde Kuh! "Verstehe! Ach ja, ich bin Gary." "Mein Name ist Holly!" lächelte sie. Okay! Vergesst mich ruhig! Bin ja unwichtig... Marcus starrte Holly an, in der Hoffnung, dass Blicke töten könnten. "Also, ich will ja nicht, dass du mich für aufdringlich hältst..." Nein! Natürlich nicht! Du bist ja sicher auch eine Klosterschülerin! Du hast nur aus Versehen ein Outfit gewählt, das förmlich "Nutte!" schreit... "...aber ein paar Freunde von mir geben morgen Abend eine Party und vielleicht hast du Lust zu kommen." fuhr sie fort und lächelte Gary an. Ha! Als würde Gary auf so eine plumpe Anmache reinfallen! Gary kratzte sich am Hinterkopf. "Lädst du immer wildfremde Leute ein? Ist das nicht etwas riskant?" Sie lachte glockenhell (Marcus fand es eher schrill). "Ja, da hast du vielleicht Recht, aber jemanden wie dich konnte ich nicht einfach wieder verschwinden lassen. Vielleicht könnten wir uns ja etwas näher kennen lernen. Die Party wird sicher cool." Marcus fixierte Garys Hinterkopf und hoffte, das er plötzlich telepathische Fähigkeiten entwickeln würde. Gary musste einfach ablehnen! Doch alles was er tat, war sich zu ihm umzudrehen und mit seinem unvergleichlich schelmischen Grinsen zu sagen: "Hört sich doch gar nicht schlecht an, was, Marc?" Marcus' Verstand setzt für einen Moment aus, anders konnte er es sich nicht erklären, dass er angesichts von Garys Lächeln sofort nickte. Doch nicht ganz, denn in seinem Hinterkopf formte sich der hämische Gedanke, dass das eh nichts werden würde, dafür würden Jason und seine Eltern schon sorgen. Gary drehte sich wieder zu Holly. "Aber wenn dann gibt es uns nur im Doppelpack. Marc muss auch eingeladen werden." Holly sah an Gary vorbei und musterte Marcus, als wäre er ein abstoßendes Insekt, aber vielleicht bildete er sich das auch ein, denn sie lächelte ihn an und nickte. "Aber klar, du kannst auch kommen." Fahr doch zur Hölle, Miststück! "Vielen Dank, gern!" "Dann wäre das ja geklärt. Hast du ein Handy?" "Klar!" Sie griff in ihre kleine Handtasche, eines dieser quietschrosafarbenen Dinger, in die gerade mal ein Kuli und ein Handy passten, zog einen Zettel und tatsächlich auch einen Kuli hervor und schrieb etwas auf. "Hier, das ist die Adresse. Werdet ihr das finden? Für den Notfall habe ich meine Handynummer drauf geschrieben, falls ihr euch verlauft." Wir sind ja nicht so blöd wie du! "Danke, aber wir finden das schon, Marc kennt sich hier aus!" nickte Gary und nahm den Zettel entgegen. "Cool. Dann sehen wir uns morgen um acht, okay?" "Wir sind da!" lächelte Gary. Marcus hätte am liebsten gekotzt. Dieses Miststück wickelte seinen Gary um den Finger und er konnte nichts tun als daneben zu sitzen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen, dabei löste Garys Lächeln, das er diesem verdammten Mädchen schenkte, in ihm den Wunsch aus, sie zu erschlagen. Er hatte bis heute nie gewusst, wie sich rasende Eifersucht anfühlte, aber jetzt war es ihm klar. Er würde Gary sicher nicht kampflos diesem Luder überlassen! "So, ein Lemonsoda für dich." Ash stellte das kleine Tablett mit dem Getränk auf dem eleganten Glastisch in seinem Wohnzimmer ab. Er bewohnte ein hübsches Apartment in der Innenstadt, das Haus hatte einen guten Ruf, einen Portier und Nachtwächter, sicherer konnte man kaum leben. Als seine Eltern verstorben waren, sein Vater war leidenschaftlicher Segler gewesen, zu leidenschaftlich, sonst hätte er die Sturmwarnung sicher ernster genommen, als er mit seiner Frau noch einmal hinausgesegelt war, hatte er eine beachtliche Summe geerbt, zusätzlich zu der Lebensversicherung und außerdem das Haus in Boston, das er gewinnbringend verkauft hatte. Manchmal fragte er sich, warum es ihm so leicht gefallen war, all die Erinnerungen an sein Leben einfach zu verkaufen und in San Francisco neu anzufangen, aber er führte es darauf zurück, dass er es seinen Eltern, besonders seinem Vater nie hatte recht machen können. Egal wie gute Noten er mit nach Hause brachte, welche Erfolge er im Sport feierte, wie gut er sich bei den Marines schlug oder mit welchen Auszeichnungen er seine Ausbildung zum Cop absolvierte, niemals hatte er auch nur ein Wort des Lobes gehört. Manchmal hatte er seine Eltern sogar für ihre snobistische Art gehasst. Sein Vater hatte es nie akzeptieren wollen, dass sein Sohn kein Interesse daran hatte, eine Karriere an der Börse zu verfolgen, sein Vater war damit reich geworden. Aber er musste ihm auch dankbar sein, denn auf diese Weise konnte er sich einen guten Lebensstil leisten und musste sich keine Sorgen um Geld machen. Das Wohnzimmer war in hellen Farben gehalten, verströmte aber eine leicht kühle Atmosphäre, dunkles Holz und schwarzes Leder als Kontrast zu den hellen Wänden, moderne Dekoration, alles minimalistisch und gleichzeitig sehr angesagt. Eine Wand nahm ein modernes Bücherregal ein, das vor Lesewerk beinahe überquoll. Ash war stolz darauf, jedes dieser Bücher gelesen zu haben und es handelte sich bei weitem nicht nur um Romane. Er hatte immer etwas gegen das Image des dummen Schönlings gehabt. Auf dem Tisch lag ein Werk von Hemingway, das er gerade las, Sly hatte ihn mit seinem überraschenden Besuch dabei unterbrochen. Ash war ihm aber deswegen nicht böse. Er mochte Sly sehr gern, noch mehr als damals, als sie noch ein Paar gewesen waren. Ash war immer der Beschützer gewesen, der Fels in der Brandung, der für Sly da war, wenn es gefährlich wurde, der ihn teilweise nächtelang im Arm gehalten und getröstet hatte, wenn dieser mal wieder versucht gewesen war zur Flasche zu greifen. Sly war ein lieber Kerl, aber besonders in der Anfangszeit als er endlich trocken war, sehr labil. Mittlerweile hatte er sein Leben im Griff, aber trotzdem hatte Ash immer noch Angst, er könnte rückfällig werden. Er ließ sich neben Sly auf die Couch fallen. Kurz bevor sein Freund gekommen war, hatte er geduscht und es sich dann nur im Bademantel bekleidet zum Lesen gemütlich gemacht, aber vor Sly störte ihn das nicht, zumal sie hier und dort eh noch miteinander schliefen, auf die alten Zeiten sozusagen. Sly nahm das Glas mit dem Soda und trank einen Schluck, er seufzte als er es zurückstellte. "Was ist los, du siehst aus wie sieben Tage Regenwetter!" "So schlimm?" Ash nickte. "Ja, wirklich nicht gut." "Ach, Coop, ich bin echt fertig." Er schaute in Ashs erschrockenes Gesicht und lächelte schnell. "Keine Panik, schau mich nicht an, als hätte ich die Flasche schon angesetzt! So schlimm ist es nun auch nicht." "Sorry, aber du kennst mich, ich mache mir schließlich immer Sorgen um dich." "Keine Angst, Dad, ich gehe stets brav um zehn ins Bett und putze mir immer meine Zähne!" "Spinner!" lachte Ash und knuffte ihn in die Seite, er wusste genau wo Sly kitzelig war, so etwas lernte man in einer Beziehung schnell. Schneller noch als die erogenen Zonen des Partners, obwohl er die bei Sly auch allesamt kannte. "Was ist denn nun los?" "Ich glaube ich drehe durch..." "Warum? Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!" "Also..." Er nahm einen Schluck von seinem Soda. "Chris war heute im Seaview..." "Ah, jetzt verstehe ich..." "Ja? Tust du? Das ist toll, denn ich verstehe mich nicht mehr! Wenn ich in seiner Nähe bin, habe ich das Gefühl durchzudrehen. Ich bin so nervös, meine Hände schwitzen, ich zittere sogar... ich hab ihn doch erst zweimal getroffen, auf der Party und heute... aber ihn heute zu sehen hat mich vollkommen aus der Bahn geworfen..." "Es hat dich wirklich schwer erwischt, was?" Sly nickte. "So was habe ich zuletzt gefühlt, als wir uns kennen gelernt haben..." "Du hast ihm doch nichts gesagt, oder?" "Nein!" Sly hob die Hände, so abrupt, dass ein bisschen Soda auf seine Hose spritzte. "Das könnte ich nicht, niemals! Eine Chance habe ich eh nicht. Er war mit Jason da... und dessen Eltern. Dein Partner hatte sein Coming out vor seinen Eltern... extra für Chris..." "Ach, deswegen hat er sich Urlaub genommen. Wegen seiner Familie. Er hatte mir nicht gesagt warum." "Ich kann ihn nicht leiden..." "Jason ist ein wirklich netter Kerl." "Das ist es ja!" Sly stellte sein Glas zurück. "Er ist furchtbar nett! Er ist sympathisch und das ist scheiße! Ich möchte ihn hassen, aber ich kann es nicht, weil er viel zu nett ist. Und außerdem tut er Chris so wahnsinnig gut, er ist so glücklich. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich Chris so glücklich machen könnte." "Das könntest du sicher." Sly sah Ash mit hochgezogenen Brauen an. "Dein Ernst?" "Natürlich. Du bist wunderbar, Sly, du würdest ihn glücklich machen, vor allem weil ihr wirklich gut zusammen passt, finde ich." "Du und Jason, ihr würdet auch gut zusammenpassen!" grinste Sly. "No way! Jason ist ein Freund und wir arbeiten zusammen, da läuft nichts." "Nicht einmal Interesse? Er ist sexy." "Merk dir: Don't fuck around in the company! So etwas schafft nur Ärger. Nein, selbst wenn Jason sehr gut aussieht und sehr nett ist, ich gedenke es bei Kollegen Schrägstrich Freunden zu belassen." "Ich verstehe schon, eigentlich hab ich ja auch nur Mist geredet. Ich will ja gar nicht, dass du Jason Chris ausspannst, das würde Chris nur verletzen." "Eben. Ich finde sowohl Jason als auch Chris sehr nett und ich hab nicht vor, einen von beiden zu verletzen. Obwohl Chris gewisse Ressentiments mir gegenüber zu haben scheint." Sly lachte. "Was erwartest du?" Er griff rüber und zog Ashs Bademantel an der Brust auseinander um seine Muskeln freizulegen. "Du bist schließlich genau so ein Adonis wie sein Freund!" "Muss ich mir da etwas drauf einbilden?" Ash war durchaus stolz auf seinen Körper, aber er hasste jegliche Art von Körperkult und der Ansicht, dass es eher auf das Aussehen als auf die inneren Werte ankam. Natürlich war auch er für visuelle Reize empfänglich. Und auf eben solche sprach Sly ihn nun an. "Ja, solltest du, sonst hättest du sicher nicht die Aufmerksamkeit von diesem David bekommen. Hat sich da eigentlich mittlerweile etwas ergeben?" Ash lehnte sich nach hinten. "Nichts. Aber es ist ja auch noch nicht lange her. Wer weiß, vielleicht steht er ja eher auf diesen kleinen Rothaarigen, der uns gestört hat. Aber er war schon verdammt sexy." "Hat es gefunkt?" "Nein. Das wird es auch nicht, der Kerl ist einer von der Sorte, der nur vögelt, das hab ich gleich gemerkt. Manchmal mache ich das auch ganz gern, ohne Verpflichtungen, ohne Gefühl, einfach einen guten Fick, aber dauerhaft..." "Ich war immer fasziniert, dass du der Typ für Beziehungen bist... warum hat es eigentlich zwischen uns nicht funktioniert? Diese Frage stelle ich mir oft." "Bereust du es?" "Nein, nicht wirklich, wir sind uns jetzt näher als je zuvor, aber ich frage mich trotzdem, warum wir es nicht geschafft haben, eine funktionierende Beziehung auf die Beine zu stellen." Er stand auf und ging zum großen Wohnzimmerfenster, hinter dem der Balkon lag. Ashs Wohnung war von der Bay abgewandt, man blickte auf die Innenstadt, auf das Meer der Millionen von Lichtern. "Na siehst du!" hörte er Ashs Stimme von der Couch her. "Dann ist doch alles okay. Und das warum nicht wird unwichtig." Sein Freund stand ebenfalls auf und dann vernahm er das Rascheln von Stoff, der zu Boden glitt. Sly bekam eine Gänsehaut. Er hatte sich schon mehrmals Gedanken darüber gemacht, ob das irgendwie merkwürdig war, eine Freundschaft und gleichzeitige eine sexuelle Beziehung zu seinem Exfreund zu unterhalten, aber als sich Ashs kräftige Hände um seine Hüften schlossen, ihn gegen seinen muskulösen Körper zogen und dabei umdrehten, verlor er den Gedanken wieder. Erstrecht als er in den intensiven Kuss eintauchte, der seinen ganzen Körper in Flammen zu setzen schien. Ashs wusste, wie er ihn von trüben Gedanken ablenken konnte... und er machte es gut... Marcus schwelgte in trüben Gedanken. Selbstmitleid war etwas in dem man sich herrlich suhlen konnte. Den ganzen Heimweg hatte er sich Gedanken darüber gemacht, wie er diese Party boykottieren könnte, wie er Gary davon abhalten konnte dorthin zu gehen. Es gab nur eine Möglichkeit. Er musste es Jason stecken. Der würde niemals zulassen, dass er, Marcus, allein auf eine Party ging, während Chris und er die Verantwortung für ihn hatten. Aber der Schuss konnte auch gepflegt nach hinten los gehen. Gary war neunzehn und, viel wichtiger, kein ehemaliger Junkie. Es konnte ebenso gut passieren, dass er die Erlaubnis erhielt, auf die Party zu gehen... allein. Dann wäre er schutzlos diesem Biest ausgeliefert und Marcus würde nichts tun können, um ihre Krallen von seinem Gary fernzuhalten. Außerdem würde das automatisch auf ihn zurückfallen, denn woher sonst sollte Jason das schon wissen? Warum fiel es den Darstellern in einer Fernsehserie immer so leicht zu intrigieren? Warum merkte niemand, wenn Joan Collins in ihrer Paraderolle als Miststück Alexis im Denver Clan (Marcus hatte mal mit seiner Mutter eine Wiederholung der Serie gesehen) ihre Netze webte und sich jeder hoffnungslos darin verfing? Wahrscheinlich weil es so im Drehbuch stand... Wenn er nichts unternahm, würde Gary diesem Miststück weiterhin schöne Augen machen und niemals merken, dass die bessere Alternative, nämlich er, direkt vor ihm stand, bereit alles für ihn zu tun und ihm jederzeit, auch im Bett, jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Immer wieder ertappte sich Marcus dabei, wie er sich vorstellte, wie es wäre Gary zu berühren, ihn zu küssen... ihm einen zu blasen. Meine Güte, ich bin nun mal ein Teenager... In seinem Alter kochten die Hormone schon mal über und wenn man dann auch noch einen heißen Typ wie Gary ständig vor Augen hatte, ohne eine Möglichkeit ihm nahe zu kommen, war das die reinste Tortur. Gary stellte sich aber auch zu blöd an! Er schien keines der unterschwelligen Signale zu empfangen, die Marcus ihm mit aller Vorsicht gab. Dabei war er sicherlich tief in seinem Inneren schwul (zumindest bi!), er wusste es nur noch nicht! Zumindest war Marcus davon überzeugt. Aber irgendwie hatte sich alles gegen ihn verschworen. Nicht nur, dass er ohne Gefahr für sein Verhältnis zu Gary nichts gegen die Partyeinladung unternehmen konnte, nein, zu allem Übel war die Party auch noch morgen, wenn Jason und Chris mitsamt Eltern in die Aida gingen. Und das würde dauern, zumal sie auch noch beschlossen hatten, danach Essen zu gehen. Vor Mitternacht würden sie nicht wieder da sein und die Party fing schon um acht an. Damit hatte diese kleine Hure genug Zeit, sich noch mehr an Gary ranzuschmeißen! An seinen Gary, wohlgemerkt! Sein Gary saß gerade mit Jason und Jeffrey Cunningham vor dem Fernseher und sah sich ein Football Spiel an. Marcus hasste Football. Er hasste Sport im Allgemeinen. Zum Glück hatte er schon vor der Drogensucht nie Probleme mit der Figur gehabt, er war trotz kultivierter Unsportlichkeit stets schlank bis schlaksig gewesen. Football... was war daran schon so toll? Mehrere schwitzende Muskelberge, die sich auf einem Haufen im Dreck wanden. Wenn man es von dem Standpunkt aus betrachtet, hat es doch einen gewissen Reiz... Marcus musste trotz allen Trübsals grinsen. Ja, wenn die nackt wären, dann würde er das auch schauen, aber so... langweilig! Chris spielte mal wieder Hausfrau mit Emily Cunningham, sie machten das Abendessen in der Küche. Marcus wollte nicht gehässig Chris gegenüber sein, das hatte er nicht verdient, nur weil er sich um den Haushalt kümmerte war er noch lange keine Hausfrau, irgendjemand musste es ja machen und Jason hatte in der Küche zwei linke Hände, dem brannte sogar Wasser an, zumindest hatte ihm Chris das mal erzählt. Außer Pfannkuchen, die konnte er gut. "Touchdown!" Die drei Männer vor dem Fernseher brachen in kollektiven Jubel aus und Marcus verdrehte im Affekt die Augen. "Ich geh mal eben in die Küche..." Keine Reaktion. Wie konnte eine dämliche Sportübertragung drei normale Männer zu solchen Idioten machen? Aber selbst das würde er Gary nachsehen. Er stand auf, ging in den Wintergarten und von dort aus in die Küche. In der Küche roch es herrlich nach Lasagne. Chris mischte mit zwei großen Löffeln grünen Salat in einer Schale mit Vinegrette, Emily schaute gerade in den Ofen um festzustellen, wie weit das Nudelgericht voran geschritten war. Marcus blieb in der Tür stehen. Als Chris ihn bemerkte, lächelte er ihn an. "Marcus, ich dachte du schaust fern." "Nein... ich... kann ich dich mal sprechen?" Chris wandte sich zu Emily, die nickte. "Geh ruhig, ich komme hier auch allein klar. Die Lasagne ist im Ofen und der Salat fertig." "Okay. Komm, wir gehen in den Wintergarten." "Können wir nicht lieber nach oben gehen?" "Wie du meinst." Chris legte die Löffel weg und verließ zusammen mit Marcus die Küche in Richtung Treppenhaus. Marcus steuerte das Schlafzimmer der beiden Männer an. Seufzend ließ er sich aufs Bett nieder. Chris schloss die Tür hinter sich und setzte sich dann neben ihn. "Was ist denn los?" Marcus lehnte sich mit dem Kopf an Chris' Schulter. "Ich brauche deine Hilfe." "Ist etwas passiert?" Marcus sah Chris an. Für einen Moment war er versucht ihm alles zu erzählen. Von Holly, von der Party, aber dann entschied er dagegen. "Nein, nichts... ich weiß nur langsam nicht mehr weiter..." "Wegen Gary?" "Ja... er ist furchtbar! Er ist so süß und lieb, aber gleichzeitig scheint er vollkommen immun gegen meine Signale zu sein... vielleicht gebe ich ja auch keine richtigen Signale. Chris, bitte hilf mir! Wie hast du Jason damals verführt?" Chris lachte leise. "Marcus, du weißt doch was ich war, oder? Für unserer ersten Sex sollte Jason eigentlich bezahlen, ich musste ihn nicht verführen." Marcus schlug sich mit der Hand an die Stirn. "Shit! Das hilft mir auch nicht weiter." "Vielleicht soll es nicht sein, was denkst du?" "Nein! Sogar David fand das wir ein schönes Paar sind!" Chris schaute ihn an, als hätte er gerade die Existenz von Außerirdischen zweifelsfrei bestätigt. "David? David hat... gesagt ihr wäret ein schönes Paar?" "Ja!" "Wann?" "Heute Nachmittag, wir haben ihn am Fisherman's Wharf getroffen." "Und er hat dir Mut gemacht?" "Hast du doch auch!" Chris ließ sich nach hinten sinken und sah zur Decke. "Ja und allmählich glaube ich, dass es keine gute Idee war." "Doch! Das war es! Du warst doch der einzige, der mir Mut gemacht hat!" "Ja, deswegen ja... ich habe vielleicht falsche Hoffnungen in dir geweckt." "Nein, hast du nicht! Schließlich besteht doch Hoffnung, oder nicht? Ich meine, ist nicht jeder Mensch für Bisexualität angelegt?" Chris verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lächelte. "Wenn das so einfach wäre, gäbe es auf dieser Welt keine Intoleranz Schwulen gegenüber, ebenso wenig wie diese bescheuerte Angst einiger Männer vor Homosexualität. Natürlich ist die Anlage dazu da und besonders Jungs haben doch erwiesenermaßen eh meistens ihre ersten sexuellen Erlebnisse mit dem besten Freund oder einem Kumpel, gemeinsames Wichsen, Küssen ausprobieren, was weiß ich. Aber das war es dann auch schon. Du kannst nicht erwarten, dass du Gary von jetzt auf gleich umpolen kannst, wenn er kein Interesse an Männern hat. Das geht nicht." "Gestern hast du aber noch anders geredet!" Marcus schien beleidigt zu sein. "Ich habe dir nie gesagt, dass du ihn umkrempeln kannst! Ich habe nur gesagt, dass es ja vielleicht sein könnte, dass er auch wie Jason tickt oder zumindest bi ist, das war alles. Weil es eben auch vorkommen kann, dass Brüder ihre sexuelle Orientierung teilen." "Aber ich..." Marcus spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. "Ich liebe ihn..." Jetzt fing er wirklich an zu weinen. Die Tränen flossen einfach, er konnte nichts dagegen tun. All die aufgesetzte Coolness, der Sarkasmus, der grenzenlose Optimismus, fiel von ihm ab. Chris stemmte sich hoch und nahm ihn in den Arm. "Marcus... Schatz, beruhig dich doch." Er strich ihm sanft über das Haar. "Nicht weinen oder willst du, dass Gary sieht, dass du geheult hast?" "Was macht das schon für einen Unterschied?" schluchzte Marcus. "Ist doch eh alles egal..." "Ich weiß, dass der erste Liebeskummer weh tut, Marcus, aber da muss jeder mal durch. Gary ist doch ein netter Kerl und ihr habt eine gute Zeit zusammen. Versuch das doch wenigstens zu genießen. Du findest auch noch den Richtigen. Ich war auch mal unglücklich verliebt. So etwas geht vorbei." "Ich will aber nicht, dass es so endet." "Das kannst du aber leider nicht beeinflussen." Marcus schnaubte. Jetzt ließ ihn auch noch Chris im Stich. Er hatte sich Tipps und Kniffe erhofft und nicht eine weitere Ernüchterung. Gut, Chris meinte es nicht böse, er wollte ihm nur helfen, damit er nicht traurig war, wollte ihn davor bewahren, sich noch weiter da hinein zu steigern, das wusste Marcus alles. Aber es war ihm auch genauso egal. Denn in einer Hinsicht hatte ihm Chris Mut gemacht. Gary war noch einige Zeit hier und die würde er nutzen. Selbst wenn dieses kleine blonde Miststück sich an ihn heran schmiss, er konnte ebenso ein Miststück sein, das nahm er sich in diesem Moment fest vor. Er würde Gary kriegen, koste es was es wolle! Die Überzeugung flammte in ihm auf und verbreitete sich wie ein loderndes Buschfeuer. Er sah Chris an und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Okay, ich werde versuchen ihn mir aus dem Kopf zu schlagen... auch wenn es mir sehr schwer fallen wird." Chris nickte. "Gut, es tut mir wirklich leid, wenn ich falsche Hoffnungen in dir geweckt haben sollte. Aber ich bin froh, dass du es einsiehst. Genieß wirklich einfach deine Zeit mit Gary und dann geh voran. Du wirst eines Tages auch den Richtigen finden, schau wie lange es bei mir gedauert hat." "Nicht gerade ermutigend!" Chris schnappte ihn sich und kitzelte ihn. "Sei nicht so frech!" "Ist ja gut!" lachte Marcus, er strampelte bis Chris endlich aufhörte. "Ich gebe auf!" "Gut!" grinste Chris. "Ich geh schon mal runter und schaue, ob ich Emily noch etwas helfen kann. Wirf dir etwas kaltes Wasser ins Gesicht, damit deine Augen nicht verweint aussehen." "Mach ich." Chris stand auf und ging zu Tür. Er drehte sich noch einmal um. "Wieder gut?" Marcus nickte. "Mach dir keine Sorgen." "Okay, aber ich bin da, wenn du reden willst." "Ich weiß." Chris schloss die Tür hinter sich und Marcus ließ sich nach hinten aufs Bett kippen. Er schloss die Augen und lächelte. Der kleine Moment der Schwäche sollte ihn nicht aus der Bahn werfen. Noch war die Schlacht nicht verloren. Er würde mit Gary auf die Party gehen und er würde seine gute Miene nicht fallen lassen. Aber er würde weiterhin auf jede Chance lauern, die sich bot. Wäre doch gelacht. Es war ihm nicht leicht gefallen, Chris derartig zu beschwindeln, aber was sein musste, musste eben sein. Entschlossen erhob er sich vom Bett und ging ins Badezimmer hinüber. Von eben dort kam Sly in diesem Moment. Er betrat Ashs geräumiges Schlafzimmer mit dem großen Bett, auf dem sein Freund lag. Ash lag einfach auf der zerwühlten Bettdecke, ungeachtet der Tatsache, dass er immer noch vollkommen nackt war. Slys Blick glitt über den Körper des anderen Mannes, von den kräftigen Beinen über die schlanken Hüften, den muskulösen Bauch und die Brust bis hin zum markanten Gesicht seines Freundes. Ash hatte ein Gesicht, wie es sich wohl jeder Mann wünschte. Seine schon fast unnatürlich blauen Augen umgab ein Antlitz, dass am ehesten an eine perfekte griechische Statue erinnerte. Markant ohne hart zu wirken. Wenn Ash lächelte, bekam er niedliche Grübchen, die ihm einen jungenhaften Charme verliehen. Sly hat ihn öfter gefragt, warum er nie auf die Idee gekommen war, mit seinem guten Aussehen Geld zu verdienen, aber Ash hasste alles was mit Models und dem schönen Schein ihrer Welt zu tun hatte. Er wollte nicht, dass man ihn an seinem Aussehen maß, er tat es manchmal mit einer Gleichgültigkeit ab, die schon an Undankbarkeit erinnerte, keine Spur von Eitelkeit. Und dabei war er sich seines Aussehens durchaus bewusst und pflegte es, aber nie um einen persönlichen Vorteil daraus zu schlagen, zumindest sagte er das. Das Problem, in Anführungszeichen, bei Ash war, dass ihn Mutter Natur zusätzlich zu dem tollen Äußeren auch noch mit einer Menge Grips ausgestattet hatte, Sly hatte ihn in der Zeit, die er nun die Abendschule besuchte, schon öfter um Hilfe gebeten, besonders im Naturwissenschaftlichen Bereich war er eine absolute Niete, Ash dagegen schien das alles einfach zu zufliegen. Aber neiden konnte er ihm weder das Aussehen noch die Intelligenz, dazu mochte er Ash viel zu sehr. Auch wenn es längst keine Liebe mehr war, so hinterließ das gemeinsam durchgemachte doch sehr viel Zuneigung. Ash war immer für ihn da gewesen, selbst in ihren schlimmsten Zeiten, in denen sie sich manchmal furchtbar gestritten und beide mehrere Seitensprünge hatten. Einer von denen hatte Sly beinahe wieder an die Flasche gebracht, weil er ihm Alkohol unterjubeln wollte, was er Gott sei Dank im letzten Moment gemerkt hatte. Ein Schluck reichte bei einem Alkoholiker schließlich vollkommen aus. Ash hatte den Kerl windelweich geprügelt dafür. So rasend vor Wut hatte er ihn noch gesehen und danach auch nie wieder erlebt, er musste ihn damals zurückhalten, damit er diesen Scheißkerl nicht gleich umbrachte. Beim Anblick seines Freundes wanderte Slys Hand unwillkürlich zu seinem Bauch. Er begriff bis heute nicht wirklich, was jemand wie Ash an ihm erotisch finden konnte. Sly hatte Zeit seines Lebens gegen einen kleinen Bauchansatz zu kämpfen gehabt, der trotz aller guter Ernährung, Jogging und ähnlichem nicht ganz weg ging. Er war nicht dick, bei weitem nicht und Ash hatte ihm oft genug gesagt, dass er sich den Bauchansatz den er zu sehen glaubte nur einbildete, aber mit dem vielen Alkohol hatte er sich eine Menge an seiner Figur verbockt, wofür er heute noch büßte. Seine Kondition war auch nicht mehr die gleiche wie vor dem Alk und sein Interesse für Sport ließ eh zu Wünschen übrig. Ash hatte ihm einmal zu Weihnachten ein großes Set Hanteln geschenkt, das er sich gewünscht hatte, und damit hatte er es dann doch fertig gebracht, sich ein wenig ausgeprägte Brustmuskulatur und kräftige Arme anzutrainieren, aber das Durchhaltevermögen um sich einen Waschbrettbauch wie Ash ihn hatte zu erkämpfen, das hatte er nicht. Aber Ash liebte auch jegliche Art von körperlicher Ertüchtigung, Sport war für ihn ein Ventil um alles abzulassen, um einfach zu entspannen. Sly zog sich das Handtuch von den Hüften und stieg wieder ins Bett. Das Licht im Raum war herunter gedreht und leise Musik kam aus der Anlage in der Ecke. Ashs Schlafzimmer war eine gemütliche Oase in Grüntönen, warm und geborgen, Sly liebte diesen Raum. Er legte seinen Kopf auf Ashs Bauch und fühlte für einen Moment, wie sich die perfekt definierten Muskeln unter der Haut bewegten, wenn er atmete. Er drehte sich auf die Seite, so dass er über die Brust hinweg in das Gesicht seines Freundes sehen konnte. "Ist das eigentlich normal?" "Was?" "Das wir immer noch miteinander schlafen, obwohl wir kein Paar mehr sind." "Na ja, so oft tun wir das ja nun auch nicht." "Es war zweimal innerhalb der letzten drei Tage..." "Eine Ausnahme!" zwinkerte Ash. "Mach dir nicht immer so viele Gedanken. Wir haben doch Spaß miteinander, also was willst du mehr? Und ich wollte dich ein wenig ablenken, obwohl du sicher eh an Chris gedacht hast, als du kamst." "Na ja... vielleicht... obwohl er sich sicher nicht so anfühlt wie du, er ist ja eher so wie ich..." "Das klingt als sei das etwas schlechtes!" "Ich bitte dich!" Sly strich über seinen Bauch. "Wo du einen Waschbrettbauch hast, habe ich einen Waschbärbauch! Und wo du tolle Brustmuskeln hast, hab ich eine Hühnerbrust!" "Fängst du schon wieder damit an? Ich hasse es, wenn du dich selbst so herunter machst. Vielleicht hast du keinen Waschbrettbauch, na und? Darauf kommt es doch nicht an!" "Das sagt der Richtige! Nämlich der, der sich auf der Party gleich auf den schärfsten Mann dort gestürzt hat. Du stehst doch auf Muskeln." "Ja, sie sind ganz nett, aber verliebt hab ich mich damals in dich, oder? Und du hattest noch nie einen Waschbrettbauch." "Aber du hast gesagt, Chris sei okay, wenn man auf schmächtige Typen steht." "Chris ist ja auch schmächtiger als du, würde ich sagen. Außerdem hatte ich was getrunken und war frustriert, weil mein erster Sex nach mehreren Wochen von diesem Jeremy kaputt gemacht worden ist. Ich hab mir solche Mühe gegeben und extra den verruchten Verführer raushängen lassen und dann so etwas. Da sagt man schon mal Sachen, die man nicht so meint." "Das musst du mir nicht extra erklären, ich hab schließlich Erfahrung!" lachte Sly. "Meinst du Sachen wie die Aussage, dass kein Glück ewig hält?" Ash seufzte. "Ja, das vielleicht auch. Obwohl ich das bisher nur bestätigen kann." "Bist du unglücklich?" "Nein, du?" "Nein." "Aber eine Beziehung haben wir beide nicht und ganz ehrlich, ich wünsche mir mal wieder eine. Genauso wie ich mir wünsche, dass du endlich den Richtigen findest." "Den hab ich gefunden..." Sly lächelte verträumt. "Ja, genau, den Freund meines neuen Partners, du hast wirklich ein Händchen für die Richtigen." "Du doch auch! Erst einen Alkoholiker, zuletzt einen Casanova." "Hey! Ich bin nicht in David verliebt, er wäre eine gute Nummer, sonst nichts. Ich sagte doch schon: Mit so einem hat man keine Beziehung, vor allem würde er keine wollen. Ich kenne diese Typen. Er ist sicher so einer, der denkt, dass Schwule keine festen Beziehungen brauchen!" "Eigentlich bin ich doch unglücklich..." Ash sah ihn verwundert ob des plötzlichen Themawechsels an. "Wegen Chris?" "Wegen wem sonst? Ich glaube, ich liebe ihn." "Wirklich ohne den geringsten Zweifel?" "Mehr als sicher... wie gesagt, so heftige Gefühle hatte ich zuletzt für dich..." "Mach dich nicht unglücklich. Ich bezweifle, dass Chris der Typ ist, der sich auf einen Seitensprung einlässt." "Will ich ja auch gar nicht." "Hätte ich auch nicht von dir erwartet!" lächelte Ash. "Na ja, wenn ich an damals denke... das war so eine Art Pingpong zwischen uns. Du einen Seitensprung, ich einen, dann wieder du, ich..." "Hattest du einen mit einem Kerl, der eine Beziehung hatte?" Sly überlegte kurz. "Nein. Du etwa?" "Ne, nicht das ich wüsste. Das waren alles Singles." "Na ja, ich hab ja auch Chris gesagt, dass du dich nicht in Beziehungen drängst." Ash setzte sich auf, so abrupt, dass Sly mit seinem Kopf in den Schoss des blonden Mannes glitt. Er stemmte sich hoch. "Was hast du gemacht?" Sly kniete sich neben Ash aufs Bett. "Er war sauer auf Jason, glaube ich, weil er ihm nicht gesagt hatte, dass du schwul bist." "Das wusste er auch überhaupt nicht." "Ich weiß. Auf jeden Fall hatten die beiden Zoff und da hab ich später die Wogen geglättet." "Hat er dich über mich ausgefragt?" "Nein, ich hab mit dem Thema angefangen. Ich wollte nicht, dass er und Jason Streit haben, wegen nichts und wieder nichts. Bist du jetzt sauer?" Ash schüttelte den Kopf. "Nein, bin ich nicht. Ich war nur überrascht. Ich hab gerade gedacht, dass Chris halt hinter mir herschnüffelt. Das wäre nämlich etwas zuviel des Guten, wenn er andere über mich ausquetscht. Wenn soll er mit mir selbst reden, wenn er ein Problem mit mir hat." "Hat er ja nicht." "Wenn du das sagst." "Du?" Sly wechselte das Thema indem er mit dem Zeigefinger über Ashs Brust strich. "Was denn?" grinste Ash. "Darf ich heute hier pennen? Ich will nicht allein sein." Ash lächelte ihn an. So kannte er Sly. Lieb, harmonie- und nähebedürftig. "Klar, natürlich darfst du. Ist kein Problem. Ich muss aber morgen früh weg, ist eine Menge zu tun, jetzt wo Jason Urlaub hat." "Kein Problem, ich hab morgen frei, aber ich muss noch lernen, ich lasse mich selbst raus." "Na dann ist das Problem ja gelöst." lächelte Ash. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte mittlerweile 01.30 Uhr. Ash lag da und hörte dem gleichmäßigen Atem von Sly zu. Der junge Mann war fast auf der Stelle in seinem Arm eingeschlafen. Wer sie so da liegen sah, könnte sie glatt für ein Paar halten. Aber das war lange passé, Ashs Liebe zu Sly hatte sich in eine innige und besondere Freundschaft verwandelt. Ash genoss jede Minute mit Sly und auch die erotischen Entgleisungen, denen sie sich manchmal hingaben. Aber das war wohl ein Echo ihrer Beziehung. Wenn sie im Streit auseinander gegangen wären, wäre es sicher anders verlaufen, aber die Beziehung war in beiderseitigem Einverständnis beendet worden und das war gut gewesen. Aber was sprach dagegen, wenn man im Bett ein eingespieltes Team war, das nicht hier und dort mal zu genießen, so lange beide solo waren? Ash drehte sich auf den Rücken und starrte zur Decke. Er konnte nicht abschalten und fand einfach keinen Schlaf. Dabei würde die Nacht schon bald vorbei sein und er den nächsten Arbeitstag sicher als Zombie verbringen. Ganz leise glitt er unter der Decke hervor, stand auf und ging ins Wohnzimmer hinüber. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, schaltete die Lampe darauf ein und klappte den Laptop auf. Im letzten Moment dachte er daran, die Lautstärke herunter zu regeln, bevor sich das Betriebsystem hochgefahren hatte. Er ging kurz in die Küche und holte sich ein Glas Wasser, bevor er sich ins Internet einloggte. Mit wenigen Klicks war er in der Personenkartei der Polizei. Seine Finger huschten über die Tastatur und in dem Suchfenster erschienen Buchstaben. Fairgate, Chris Der Bildschirm wechselte und dann erschien ein älteres Foto von Chris vor bläulichem Hintergrund. Daneben ratterten Daten herunter. "Na also..." flüsterte Ash zu sich selbst. Seine Augen glitten über die Zeilen, während er leise mitlas. "Name: Christopher Samuel Fairgate. Geboren in Dallas, Texas. Geburtstag: 4. Juli 1977, Nationalität: Amerikaner..." Er stockte. Was er da gerade las, war etwas, das er nicht unbedingt erwartet hatte. "Aber hallo, da haben wir aber einiges an schmutziger Wäsche, Chris..." Er las weiter, Zeile für Zeile. Sollte er Sly sagen, was er da gerade herausgefunden hatte? Sollte er ihn über die Vergangenheit seiner neuen großen Liebe aufklären? Als er die Akte über Chris durchgelesen hatte, schloss er seinen Browser und klappte das Notebook zu. Er lauschte einen Moment dem Geräusch des Herunterfahrens bis die grüne Kontrollleuchte an der Frontseite erlosch. Dann schaltete er die Schreibtischlampe aus und ging zurück ins Schlafzimmer. Als er ins Bett stieg, gab Sly ein schmatzendes Geräusch von sich und sah ihn an. "Wo warst du?" fragte er, seine Stimme war kratzig, da er häufig mit offenem Mund schlief und er schien Mühe zu haben den kurzen Satz vor lauter Müdigkeit zu formen. Ash legte ihm die Hand auf den Oberarm. "Ich hab mir nur was zu trinken geholt, schlaf weiter." "O...okay..." flüsterte Sly und kuschelte sich ein wenig an Ash. Dieser drehte sich auf die Seite und nahm ihn in den Arm. Bald schon atmete Sly wieder ruhig und gleichmäßig, er fing sogar ein bisschen an zu schnarchen. Das war es aber nicht, was Ash noch über eine Stunde wach hielt. Es war das, was er eben über Chris Fairgate erfahren hatte. Er fragte sich ob Jason das alles wusste, aber davon war auszugehen, schließlich stand das in einer polizeilichen Akte. Chris machte auch nicht den Eindruck, als ob man Sly vor ihm beschützen müsste und offenbar hatte er diese Vergangenheit hinter sich gelassen. Also musste Sly auch nichts davon wissen, beschloss Ash. Warum schlafende Hunde wecken? Über all diese Überlegungen glitt er irgendwann endlich hinüber in den Schlaf. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So *g* Letztes Mal meinte Kathi, das Kapitel könnte ruhig länger sein, also ist es diesmal länger *g* In Word füllt es statt der bisher durchschnittlichen 10-11 Seiten nun 15 Seiten *g* Und wieder mal ein Experiment ^^ Die "Gedanken des Marc" sind auch hier wieder zu finden, so ganz konnte ich mich davon nicht trennen, weil ich da einen Sarkasmus einbauen kann, der sonst nicht unbedingt möglich wäre. Das andere Experiment ist das Mischen von Handlungssträngen, das hier allerdings nicht so extrem ausfällt, weil die Handlungen von Marcus und Sly ja in den Grundzügen die gleiche Thematik, unerfüllte Liebe, haben. Eigentlich wollte ich Stück für Stück die Handlung abarbeiten, aber vielleicht ist dieses Seifenoperartige Prinzip besser. Mal abgesehen von dramatischen Höhepunkten der Story ;-) Vor allem ist es praktisch, dass man sich, wenn man die Handlung für einen Chara z.B. Marcus für ein Kapitel festgelegt hat, nicht noch Szenen aus den Fingern saugen muss, nur weil der Chap sonst zu kurz wird. Die Ideen für die anderen Leute habe ich schließlich auch im Kopf. So konnte ich hier nicht nur David (der ja etwas kurz kommt) sondern auch Sly und Ash einbauen und den beiden mehr Tiefe geben. Ich weiß, ihre Beziehung ähnelt der von David und Jason vor Chris, aber ich hoffe man merkt den Unterschied. Nicht nur, dass sie vorher ein echtes Paar waren, ich will auch nicht, dass Ash zu einem David II mutiert, so wie es vielleicht in dem Partykapitel rüber gekommen ist ;-) Der Titel dieses Kapitels, mit Bezug besonders auf die letzte Szene aber auch auf die Geheimnisse die Marcus vor Gary und Jason und Chris vor Jasons Eltern verstecken, ist das Motto der megaerfolgreichen Serie "Desperate Housewives", neben "Sex and the City" die absolute Lieblingsserie des Autors *g* Die Mischung aus schwarzer Komödie, Mystery und Drama läuft am 12.04.05 auf Pro7 an (ich kenne die Episoden 1-15 in der OV durch die Ausstrahlung bei Premiere) und wer es nicht schaut ist selber schuld ;-) Dann verpasst er nämlich die geilste Serie, die das Fernsehen seit langem zu bieten hat. Watch it! *g* Das musste mal gesagt werden ;-) Bis zum nächsten Chap! ^^ Euer Uly ^^ PS: Update bei den Charafiles, ein neues Bild von Chris ;) Nur eine Vorabversion, schlechter BG ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)