Remember the promise you made von Ulysses (San Francisco Love Stories) ================================================================================ Kapitel 5: Found and lost a.k.a. House of cards ----------------------------------------------- Kapitel 5... ein neuer Chara taucht auf, jemand der speziell ObiWan besonders gut gefiel, schon als er nur ein Bild kannte *g* Ich muss mich mal wieder ein wenig auf den Fall mit dem Serienmörder konzentrieren, vor allem um ihn endlich loszuwerden *lol* Keine Angst, ich werde es würdig beenden, nur nicht so ausweiten wie ich es eigentlich vorhatte, weil ich bessere Ideen habe *lol* Kurzes Vorwort diesmal, aber man muss ja nicht immer lange Reden halten ^^ Ach ja, das Kapitel endet mit einer Szene, die ich bei Sex and the City entliehen habe. Diese Szene in Staffel 6 ist eine meiner liebsten überhaupt, auch wenn sie dort in einem völlig anderen Zusammenhang ablief. Viel Spaß beim nächsten Kapitel ^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Jason warf sich eine Handvoll eiskaltes Wasser ins Gesicht. Er war allein im Männerwaschraum des Departments. Am liebsten wäre er im Stehen eingeschlafen, er war hundemüde. Und trotzdem fühlte er sich unglaublich wohl. Er hatte Tausend Schmetterlinge im Bauch, wie ein verliebter Teenager, er bemühte sich der Versuchung zu widerstehen sein Handy zu nehmen und Chris anzurufen, nur um seine Stimme zu hören. Seine Hand glitt in seine Tasche und umfasste sein Mobiltelefon. Aber schließlich hatte er Chris ja ausdrücklich gebeten nicht ans Telefon zu gehen. In diesem Moment öffnete sich die Tür und Randy kam hinein. Als hätte er sich an seinem Handy verbrannt zog Jason die Hand zurück. "Ach hier bist du! Ich dachte schon, du hättest dich wieder verzogen. Was hast du dir dabei gedacht so spät zu kommen?" "Ich hab es doch schon erklärt, Randy, ich hab verschlafen!" Sein Partner ging an eines der Pissoirs, zog den Reißverschluss runter und erleichterte sich. Jason grinste in sich hinein. Ob Randy auch so freimütig seine Männlichkeit präsentieren würde, wenn er gewusst hätte, weswegen er wirklich zu spät gekommen war? Aber er wandte den Blick schnell wieder ab, nicht nur das er nicht wollte, dass Randy etwas merkte, wenn man in einer Beziehung war, tat man so etwas schließlich erstrecht nicht. Eine Beziehung... er hatte tatsächlich eine Beziehung, zumindest hoffte er, das Chris das auch so sah. Das Gefühl war wirklich nicht schlecht und viel besser als damals in New York, obwohl auch hier Schatten über seinem Glück lagen. Doch im Moment hatte er ein solch euphorisches Hoch, er würde mit allem fertig werden. "Du konntest wohl nicht pennen, was? Verstehe ich. Heilige Scheiße, ich hätte wahnsinnige Angst, so einen Typen in der Wohnung zu haben. Ich glaube ich würde mich nur noch mit dem Rücken zur Wand bewegen, weil ich Angst hätte, der würde sich an meinem Arsch vergreifen wollen!" unterbrach Randy seine Gedanken. Jason schüttelte den Kopf und verkniff sich nur mit Anstrengung einen Kommentar dazu. "Was gibt es denn jetzt so wichtiges neues?" Randy verstaute seinen ganzen Stolz wieder in seiner Hose, schloss den Reißverschluss und ging hinüber zu den Waschbecken um sich die Hände zu waschen. "Ach ja, du weißt es ja noch nicht. Wir haben den Fall nicht mehr, zumindest nicht mehr allein." "Bitte?" Jason konnte es nicht fassen, sollte ihm wirklich der Fall entzogen werden? "Haben wir irgendeinen triftigen Grund geliefert um uns den Fall wegzunehmen." "Hör mir richtig zu, wir haben den Fall nicht weggenommen bekommen, wir bearbeiten ihn nur nicht mehr allein. Irgendwas an dem Fall hat wohl die Aufmerksamkeit des FBI geweckt und die haben so einen arroganten Agent geschickt, der die Sache jetzt in die Hand nimmt." Jason lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und sah Randy dabei zu, wie er sich die Hände unter dem ohrenbetäubenden Heißluftgebläse trocknete. Dieses Vorkriegsmodell war eine Zumutung, empfand zumindest Jason. Wenn man die Hände zu nah an das Gebläse hielt, wurden sie nahezu geröstet. "Arrogant?" nahm er das Gespräch wieder auf. "Hast du den Kerl schon kennen gelernt?" "Nein, bisher nicht, aber diese Knallchargen von FBI sind doch allesamt unglaublich stolz auf das was sie sind." "Randy, du bist ein wandelndes Vorurteil! Schwule, FBI-Agenten, kannst du eigentlich irgendwas leiden?" lachte Jason. Randy schenkte ihm ein anzügliches Grinsen. "Weiber! Das Mädel das ich gestern hatte war erste Sahne. Du solltest auch öfter mal was neues ausprobieren, würde dir sicher gut tun, Jungchen." Randy ging auf die 40 zu, was man ihm allerdings keineswegs anmerkte oder ansah. Aber er hatte es sich angewöhnt, Jason von Zeit zu Zeit Jungchen zu nennen. "Wenn du das sagst, Randy, wird das wohl stimmen." "Genau. So eine fesche Mieze ist genau das richtige für eine erholsame Nacht!" Die Tür des Waschraumes öffnete sich und ein junger Deputy steckte den Kopf hinein. "Ach hier seid ihr! Kommt in die Puschen, der Chef wartet auf euch! Außerdem tuscheln die anderen schon, weil ihr beiden so lange zusammen im Waschraum seid!" Sein Gesichtsausdruck offenbarte seine Worte als Scherz, Jason kannte den jungen Mann und verstand sich gut mit ihm, weswegen sie auch per du waren, ebenso wie Randy, doch sein Partner schien das gar nicht witzig zu finden. "Verzieh dich, Mayer!" knurrte er. Der Deputy grinste und zog die Tür zu. Jason klopfte Randy auf die Schulter. "Dann komm, sonst macht uns der Alte noch die Hölle heiß, wenn wir den Agent warten lassen." Jason hielt Randy die Tür zum Vorzimmer ihres Vorgesetzten auf. Der Raum war hell und freundlich eingerichtet, Mrs. Hoover, die Sekretärin des Chefs sorgte stets dafür, dass ihre diversen Pflanzen genug Wasser und Licht bekam. Diese dankten es ihr mit einem derartigen Wachstum, dass Jason mit jedem Mal mehr fürchtete, bald nur noch mit einer Machete durch das Dickicht kommen zu können. Er erwartete jede Minute tropische Schmetterlinge, Affen und die eine oder andere Schlange zu entdecken. Doch heute waren weder die tropische Fauna noch Mrs. Hoover da. Statt der ältlichen, stets etwas knurrigen Dame, stand eine junge Frau am Fenster und sah hinaus. Im Sonnenlicht bot ihre schlanke Figur eine wirklich wundervolle Silhouette. Sie hatte schulterlanges, braunrotes Haar. Als sie sich umdrehte sprang den beiden Männern ein weiteres Detail quasi direkt ins Gesicht. Selbst Jason, der sich eigentlich für so etwas nicht interessierte, musste sich bemühen, nicht die Augen beim Anblick der beachtlichen Oberweite der Dame aufzureißen. Randy pfiff bewundernd durch die Zähne. "Guten Morgen, die Herren." "Wow, hat der Alte sich endlich mal eine richtige Tippse angeschafft!" flüsterte Randy zu Jason und bevor dieser etwas sagen konnte, fuhr er laut fort. "Morgen, Schätzchen, würden Sie uns einen Kaffee machen?" "Wie meinen?" "Schätzchen, ich weiß, das gehört nicht zu Ihrem Beruf, aber ich denke, Sie können doch Kaffee kochen." "Randy!" zischte Jason. In diesem Moment öffnete Mrs. Hoover die Tür des Büros und kam zusammen mit Jasons und Randys Chef heraus. Sie nahm eine Gieskanne zur Hand, nickte kurz als Begrüßung und widmete sich dann der Pflege ihrer Lieblinge. "Ah, Detective Cunningham, Detective Forbes, da sind Sie beide ja. Darf ich Ihnen Special Agent Claire Wentworth vorstellen. Sie ist uns als Unterstützung zugeteilt worden." Jason beobachtete amüsiert, wie mit jedem Wort seines Chefs die Farbe aus Randys Gesicht wich. So hatte er seinen Partner noch nie erlebt. Nur mit Müh und Not unterdrückte er das Lachen, dass sich seinen Weg bahnte, als Randys Augen offenbar verzweifelt nach einem Loch suchten, in dem er versinken könnte. Auch Special Agent Wentworth schien mehr als amüsiert, dem Lächeln nach zu urteilen, das ihre vollen Lippen umspielte. Sie war wirklich eine betörend schöne Frau stellte Jason fest. Jemanden wie sie erwartete man auf einem Laufsteg oder im Fernsehen, aber sicherlich niemals in der Position eines Special Agent des FBI. Na ja, Dana Scully, die FBI-Agentin aus "Akte X" war ja auch ausgesprochen hübsch gewesen, aber um einiges zugeknöpfter als Claire Wentworth den Eindruck machte. "Ich überlasse Agent Wentworth dann mal in Ihrer Obhut, ich denke Sie sollten Detective Cunninghams Büro für die Besprechung nutzen." Jason wusste sofort warum sein Chef diesen Vorschlag machte. Er wollte vor dem FBI einen guten Eindruck hinterlassen und nachdem der Agent nun schon in diesem Vorzimmer das mehr Ähnlichkeit mit einem Dschungel aufwies hatte warten müssen, wollte er ihr nicht noch das Büro von Randy zumuten, das eher einer Müllkippe ähnelte. Er beeilte sich Agent Wentworth die Tür zu öffnen. Sie trat an ihm vorbei und bedachte ihn mit einem so freundlichen Lächeln, dass Jason nicht umhin konnte, diese Frau sofort sympathisch zu finden. "Vielen Dank, Detective, es gibt also tatsächlich noch Gentlemen auf dieser Welt. Ach, und Detective Forbes!" Sie drehte sich um und sah Randy an, während der Spott schier aus ihren Augen funkelte. "Ich trinke meinen Kaffee gern mit etwas Milch und Zucker, ich weiß das ist nicht Ihr Job, aber Sie werden ja sicher wissen, wie man einer Dame einen Kaffee holt." Jetzt war es mit Jasons Selbstbeherrschung vorbei, trotz Randys finsterem Gesicht hielt er sich den Bauch vor Lachen. Das Lachen verging ihm aber recht schnell wieder. Agent Wentworth hatte sich in seinem Büro vor dem Schreibtisch auf einem Stuhl niedergelassen, er hatte ihr gegenüber Platz genommen und Randy lehnte an einem Aktenschrank. Die Sonne schickte ihre Strahlen ins Zimmer, doch trotzdem schien es Jason, als würde ihn Dunkelheit einhüllen. Mit jedem Wort das Claire sprach, fühlte er sich schlechter. Und er musste sich bemühen, der hübschen Agentin überhaupt richtig zu zuhören, denn die Angst um Chris klammerte ihre eiskalten Finger immer fester um sein Herz. "Ich verstehe, meine Herren, dass Sie wahrscheinlich momentan nicht einsehen, warum sich das FBI in Ihrem Fall einmischt, aber ich denke, nach meiner Erklärung wird vieles in einem anderen Licht stehen. Ihr Fall, Ihr Mörder, ist kein normaler Serientäter, sofern man diesen Begriff überhaupt gebrauchen will. Er ist dem FBI schon länger bekannt, aber er ist auch ein Meister der Tarnung. Wir sind ihm noch nie nah genug gekommen, um ihn zu schnappen und stets war er uns einen Schritt voraus und verließ den Ort seiner Taten." "Ich dachte, ihr Jungs, Verzeihung, Jungs und Mädels vom FBI würdet so etwas mit links machen!" sagte Randy in die entstandene Pause hinein. Agent Wentworth überging die Beleidigung. Ihren Augen waren auf die von Jason gerichtet und er hatte das Gefühl, dass sie mit ihren blauen Pupillen direkt in die Geheimnisse blickte, die sich hinter seinen grünen verbargen, doch er hielt dem Blick stand. "Aber hier ist die Lage anders. Hier hat er einen entscheidenden Fehler auf seinem Pfad Gottes gemacht. Unser Profiler hat ihn als einen extrem gefährlichen, wahrscheinlich religiös fanatischen Psychopathen klassifiziert, müssen Sie wissen. Er sieht in seinen homosexuellen Opfern Sünder, die er reinigt und auf den Pfad des Lichtes zurückführt. Das sie dabei sterben ist ihm egal. Unser Problem war, dass er es bisher fertig gebracht, niemals gesehen zu werden. Es gibt keinerlei Zeugen, keine Fingerabdrücke, auch keine DNA, weil er sich an seinen Opfern nicht vergeht. Sie meinen zwar, dass er mit ihnen schlafen will, aber er tötet sie bevor es zum Verkehr kommen kann. Aber jetzt sind wir ihm so nahe wie noch nie und zwar durch Christopher Fairgate." Bei der Erwähnung von Chris' Namen fühlte Jason einen Stich im Herzen. Er wollte ihn am liebsten ganz aus der Sache raushalten. "Mr. Fairgate hat den Täter gesehen und konnte uns eine Beschreibung geben, doch wir müssen damit rechnen, dass er sich vielleicht verändert oder schon längst wieder abgesetzt hat. Aber wir glauben, dass er in Mr. Fairgate eine zu große Bedrohung sieht um ihn nicht beseitigen zu wollen. Und da setzt unser Plan an..." "Moment!" Jason spürte wie er sich verkrampfte, seine Finger schlossen sich fest um die Armlehnen seines Bürostuhls. Er wusste in welche Richtung diese Unterhaltung gehen würde. Und das sagte er auch. "Mir gefällt die Richtung nicht in die dieses Meeting führt, mir gefällt nicht, was Sie vorhaben." Claire sah ihm unverwandt in die Augen, keineswegs verunsichert wegen seiner Reaktion. Im Gegenteil, sie lächelte. "In welche Richtung denken Sie denn, dass ich gehen möchte, Detective?" "Sie wollen Chris..." Ihm wurde klar das er schon wieder vergessen hatte Chris beim Nachnamen zu nennen und ebenso das er schon zu weit gesprochen hatte um es noch schnell zu tun, "...topher," der ganze Vorname war zumindest weniger verfänglich, "als Lockvogel für den Killer benutzen." "Ich sehe, Sie haben sich ihre Karriere verdient. Ich hatte schon beinahe befürchtet, mit einem Cop arbeiten zu müssen, dessen Werdegang nur auf seinem Vater beruht, aber ich bin wirklich froh, dass es offenbar nicht so ist." Und sie lächelte und zwar so entwaffnend, dass Jason den Satz noch nicht einmal als Beleidigung auffassen konnte. Und er war sich sicher, dass er auch nicht so gemeint war, sondern eher als Kompliment. Es kostete ihn einige Kraft, die spontane Dankesäußerung die ihm auf der Zunge lag wieder zu schlucken und beim Thema zu bleiben. "Nun, ich halte das für keine gute Idee." "Und weshalb genau?" Zack! Jasons Hals fühlte sich mit einem Mal wie ausgedörrt an, kein Wort kam über seine Lippen. Er wusste, dass er sich schnell eine sehr gute Erklärung einfallen lassen musste, aber die einzige die ihm einfiel war absolut untragbar. Wäre er jetzt David, hätte er dieser bezaubernden Dame und seinem Partner einfach die Karten auf den Tisch gelegt und ein lässiges "Weil ich ihn liebe!" angeführt. Nun gut, David hatte es nicht so mit der Liebe, aber die Überlegung war ja auch rein hypothetisch. Und außerdem war er nicht David, er war Jason und kam sich in diesem Moment furchtbar feige vor. Aber er brachte es einfach nicht übers Herz. Die Begründung die er zustande brachte war dementsprechend fadenscheinig. "Ich halte das für zu gefährlich." "Detective Cunningham," sie sprach vollkommen ruhig und dabei mit unglaublicher Überzeugungskraft, "ich verfolge diesen Fall nun schon eine ganze Weile und ich kann Ihnen eines sagen: Diesen Kerl zu schnappen ist jedes, wirklich jedes Risiko wert. Er hat nicht nur die paar armen Männer hier in San Francisco auf dem Gewissen, insgesamt gehen an die 40 Morde auf seine Kappe. Und es ist nicht so, dass wir wirklich von jedem Opfer wüssten. Er sucht seine Opfer vornehmlich im Bereich der männlichen homosexuellen Prostituierten. Ich denke Sie können sich die Dunkelziffer vorstellen, die dort existiert. Wir sind uns beinahe sicher, nicht jedes Opfer dieses Verrückten gefunden zu haben. Und wenn wir auch nur die kleinste Möglichkeit haben, diesem Kerl das Handwerk zu legen, glauben Sie dann nicht, dass wir sie ergreifen sollten?" Jason wusste nicht mehr was er erwidern sollte. Alles was er noch fertig brachte war ein kleinlautes "Ja..." "Detective!" Jason hielt in der Bewegung inne. Er hatte gerade die Fahrertür seines Wagens aufschließen wollen, als er die Stimme von Claire Wentworth hörte, die zwischen den Wagenreihen in der Tiefgarage auf ihn zugehastet kam. Jason musste mit Bewunderung feststellen, wie sicher und schnell sie sich auf ihren hochhackigen Schuhen bewegen konnte. "Special-Agent?" "Oh, lassen wir das doch, wir sind beide doch gerade nicht dienstlich hier. Ich bin Claire." "Jason." Eine solche Verbrüderung hatte Jason eigentlich nicht erwartet. "Jason, würde es Ihnen etwas ausmachen, mich ein Stück mitzunehmen. Ich habe noch keinen Leihwagen und in dieser Gegend ist es schwer ein Taxi zu kriegen." "Natürlich." Jason hasste sich selbst dafür, dass er so kurz angebunden war, er kam sich unhöflich vor, doch er fühlte sich nicht wirklich wohl bei dem Gedanken, für die nächste Zeit Smalltalk mit Agent Wentworth zu führen. Seine Gedanken waren längst woanders. Und genau das erriet Claire offensichtlich, als der Wagen aus der Tiefgarage in das Licht des frühen Abends einbog. "Ich fühle gewisse Ressentiments gegen mich, Jason. Irre ich mich da?" Jason nahm seine Augen nicht von der Straße. "Ich weiß nicht, was Sie meinen, Claire." "Ich meine, dass Sie kurz angebunden sind, seid ich Ihnen und Ihrem reizenden Partner gesagt habe, was ich vorhabe um diesen Fall endlich beenden zu können. Hören Sie, Jason, ich bin nicht nur beim FBI, ich bin auch eine Frau. Und ich spüre, wenn etwas im Busch ist." Eine Ampel schaltete auf Rot und Jason trat so hart auf die Bremse, dass beide in ihren Sitzen nach vorn ruckten, er hätte beinahe bei Rot die Kreuzung überfahren, etwas was ihm noch nie in seinem Leben passiert war. "Ich glaube Sie wissen sehr wohl was ich meine." nahm Claire das Gespräch wieder auf, während sie sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht strich, ansonsten Jasons verkehrstechnischen Fauxpas aber vollkommen überging, "Ich habe absichtlich nichts vor ihrem Partner gesagt, aber ich habe eindeutig das Gefühl, dass ihr Problem mit dem Einsatz von Christopher Fairgate als Lockvogel weitaus tiefer geht. Er ist kein Kronzeuge in einem Mafiaprozess oder so. Und Sie wissen, das jede erdenkliche Vorkehrung getroffen wird um für seine Sicherheit zu garantieren." "Niemand kann für seine Sicherheit garantieren, Sie sprechen hier nicht mit einem Frischling, Claire." "Ein kleines Restrisiko bleibt, aber warum nimmt Sie das so mit? Dieses kleine Risiko würde bedeuten, dass wir viele weitere Leben retten können. Und Sie wissen, dass solche Aktionen fast zum Standartprogramm bei der Polizei gehören. Viele Kollegen waren schon Lockvögel und..." "Viele Kollegen sind aber nicht Chris!" Hätte Jason nicht fahren müssen, hätte er wohl in diesem Moment die Hände vor den Mund gerissen. Oder sich selbst eine geknallt für soviel Dummheit. Claire aber lächelte nur. "Ich denke wir sollten uns mal unterhalten." Wenige Minuten später stellte Jason ein Tablett vor Claire Wentworth ab. "Cheeseburger, Pommes, Coke light, klassischer geht es wohl nicht?" "Ich bin eben ein klassisches Mädchen." Sie blickte auf das Tablett. "Oh, Sie sind also der Chicken McNuggets Typ?" "Eigentlich bin ich der BigMäc Supersize Menü Typ, aber ich wollte nicht verfressen wirken. Und ich achte auf meine Linie." "Das denke ich mir, wobei an Ihrer Linie sicher nicht das geringste auszusetzen ist. Aber ich könnte mir vorstellen, das hören Sie öfter." Sie nahm einen Zug aus ihrem Strohhalm. "Wenn auch wahrscheinlich nicht so häufig von Frauen." Jason verschluckte sich an seinem Pommes und hustete. Für ein paar Sekunden bekam er keine Luft, dann bewegte sich das fettige Kartoffelstäbchen endlich in Richtung seines Magens. Ungefähr die gleiche Richtung nahm sein Herz in diesem Moment. Es rutschte ihm sprichwörtlich in die Hose. Claire lächelte mal wieder und legte ihm fast schwesterlich ihre zarte Hand auf den Unterarm. "Jason, Sie mögen ihre Kollegen täuschen können, aber nicht mich. Sie sind galant, Sie sehen umwerfend aus, Sie sind gebildet, wissen sich zu benehmen, diese Kombination schreit förmlich schwul. Solche Männer wie Sie gibt es leider nicht mehr auf dem freien Markt für Frauen, glauben Sie mir, ich spreche aus Erfahrung." Jetzt konnte Jason nicht mehr anders als zu lachen und Claire stimmte ein. Nachdem er sich beruhigt und sich selbst und der Agentin die Zeit für ein Chicken McNugget mit süßsaurer Soße bzw. einem Bissen vom Cheeseburger gegeben hatte, gab er auf. "Ich bitte Sie inständig, behalten Sie das für sich. Sie haben meinen Partner kennen gelernt. Er ist ein netter Kerl wenn man ihn zu nehmen weiß, aber wenn er würde niemals damit klar kommen, wenn er wüsste das ich schwul bin, da bin ich mir sicher." "Meine Lippen sind versiegelt, da können Sie sich sicher sein, Jason." "Vielen Dank." Claire kaute genüsslich ein weiteres Stück Cheeseburger, bevor sie weitersprach. "Allerdings erklärt die Tatsache das Sie schwul sind noch nicht ihren Ausbruch vorhin. Entschuldigen Sie, das klingt jetzt lächerlich, ich kann mir das sehr wohl zusammenreimen, aber ich möchte keine voreiligen Schlüsse ziehen." "Sie ziehen keine voreiligen Schlüsse. Es ist alles verdammt kompliziert, aber die Kurzfassung ist: Ich kenne Chris schon länger, ich habe ihn aus den Augen verloren, wiedergefunden, wir sind wieder zusammen und, verdammte Scheiße, entschuldigen Sie den Ausdruck, ich liebe ihn. Und jetzt soll ich zusehen, wie er sein Leben riskiert. Verdammt, ich sperre ihn quasi in mein Apartment um ihn zu schützen und jetzt soll er sich da wieder draußen rumtreiben und einen gefährlichen Killer auf sich aufmerksam machen? Wenn etwas schief geht, dann verliere ich ihn und so pathetisch das klingen mag, das würde ich nicht durchstehen... ich kann nicht fassen, dass ich Ihnen das erzähle." "Tut es denn nicht gut? Und fürs Protokoll: Das war keineswegs pathetisch sondern zeigt nur wie sehr Sie ihn lieben." "Schon, aber es ändert doch nichts. Die ganze Situation ist verfahren. Ich hätte diese Beziehung gar nicht beginnen dürfen, aber sehen Sie, mein Herz rast jetzt schon vor Vorfreude das ich gleich zu ihm nach Hause komme. Und wenn ich mir vorstelle, dass er sterben könnte... diesen Gedanken ertrage ich nicht..." "Ich kann das verstehen, aber Sie müssen auch mich verstehen. Ich wäre sicherlich die letzte, die Liebe verurteilt oder Ihnen sagen würde, dass Sie einen Fehler gemacht haben, denn Liebe kann nie falsch sein, zumindest nach meiner Meinung. Aber Chris ist unsere einzige Hoffnung diesen Dreckskerl in die Finger zu kriegen. Ich kann nicht anders. Und Sie ebenfalls nicht, so unfair das auch klingen mag." Jason lehnte sich im Stuhl zurück. Sein Blick ging an Claire vorbei auf eine überlebensgroße Abbildung von Ronald McDonald, dem grinsenden Maskottchen der Fastfood Kette. Er hatte auf einmal nicht übel Lust dem rothaarigen Clown einen in die grinsende Visage zu geben. "Okay... aber ich werde es ihm sagen..." "Es tut mir leid, Jason, das müssen Sie mir glauben." Jason nickte, denn ihre Stimme klang mehr als aufrichtig. "Was glauben Sie, wie leid es mir erst tut..." seufzte er und steckte sich einen mittlerweile kaum noch warmes Stück Hähnchenfleisch in den Mund. Ihm war eh der Appetit vergangen... Chris wandte den Kopf in Richtung der Wohnungstür als er den Schlüssel im Schloss klacken hörte. Er lag auf der Couch, der Fernseher lief und er hatte in Ermanglung eines guten Programms die Playstation eingeschaltet. Jason besaß eine Vielzahl von verschiedenen Spielen, was Chris einigermaßen überrascht hatte, er hatte Jason nie als den videospielenden Typen gesehen. Er selbst hatte sich nie eine dieser Videospielkonsolen leisten können, aber er lernte schnell damit umzugehen. Auf dem Tisch lag eine angebrochene Tafel "Hershey's Cookies'n'Cream" Schokolade, herrliche Milchschokolade mit "Oreo Cookie" Stückchen darin, und eine angetrunkene Flasche "Snapple Old Fashioned Lemonade" mit Zitronengeschmack, beides köstliche Fundstücke aus Jasons Küche. Er hatte den Nachmittag über diverse Spiele ausprobiert und war am Ende bei "Prince of Persia" hängen geblieben. Das Spiel gefiel ihm fast so sehr wie der Hauptdarsteller. Es wirkte zwar ein bisschen erbärmlich, einen virtuellen Mann sexy zu finden, aber ein bisschen Spaß musste doch mal sein. Als sich die Tür öffnete legte er den Controller auf den Tisch und stand auf. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er nicht genau wusste wie er reagieren sollte. Die Euphorie vom Morgen war verflogen und nun hatte er Angst, dass Jason es sich vielleicht wieder anders überlegt hatte. Er stand da und sah den brünetten Mann unsicher an. Jason hielt einen Blumenstrauß aus roten Rosen in der Hand und ihn schien etwas zu bedrücken, doch als er Chris erblickte, umspielte ein Lächeln seine Mundwinkel und nach einer Sekunde des Zögerns breitete er die Arme aus. Diese einfache Geste schob sämtliche Unsicherheit weg. Chris flog regelrecht in Jasons Arme, tauchte in die Sicherheit seiner Umarmung ein. Als ihm der Geruch von Jasons Parfum in die Nase stieg, hatte er das Gefühl, nach Hause zu kommen. "Ich hab dich vermisst..." flüsterte er in Jasons Ohr. "Ich dich auch... du glaubst gar nicht wie sehr." Erleichtert trat Chris einen Schritt zurück und musterte seinen Freund. "Hast du etwas?" Jason öffnete den Mund, für einen Moment schien es, als wolle er etwas sagen, doch dann schloss er ihn wieder und griff stattdessen in seine Jackentasche und zog etwas hervor. Als Chris die Tüte erkannte, strahlte er übers ganze Gesicht. "Ich hab dir auf dem Heimweg etwas gekauft, ich hab mich erinnert, dass du das mochtest." Chris hüpfte wie ein kleines Kind auf der Stelle. "Reese's Cups! Ich würde töten für diese Dinger!" "Reese's Cups" waren eine Art Schokoladentaler mit Erdnussbutterfüllung. Jason hatte sich daran erinnert, dass Chris die schon in New York leidenschaftlich gern gegessen hatte. "Ich weiß! Und die hier," er hielt ihm den Strauß hin, "sind auch für dich, ich weiß, das ist vielleicht etwas dick aufgetragen, aber..." "Ach was, die sind wunderschön!" Er nahm die Tüte und die Blumen mit einem leuchtenden Gesicht entgegen, dass wie Sonnenstrahlen durch die dunklen Wolken brach, die sich um Jasons Gedanken ballten. Er zog Chris an sich und küsste ihn. "Ich möchte dich um etwas bitten..." sagte er leise. "Alles was du willst." "Ich möchte, dass dieser Abend, diese ganze Nacht nur uns gehört. Dir und mir. Da draußen gibt es ab jetzt keine Welt mehr, nichts mehr das uns stören könnte. Es gibt nur noch uns beide und wir tun, was immer wir wollen, Hauptsache wir tun es zusammen." Chris sah ihm einen Moment lang in die Augen als suche er darin nach einem Grund für diese Bitte, doch dann nickte er. "Gern, das hört sich gut an." "Gibt es etwas, was du gern tun würdest?" Chris grinste verschmitzt. "Ja, da gibt es etwas..." Chris atmete genüsslich aus und blies etwas Schaum von seiner Hand in die Luft. Die Rollläden des Badezimmers waren herabgelassen und der Raum wurde nur von einigen Kerzen erleuchtet. Auf der Ablage unter dem Spiegel, auf der Fensterbank und dem Wannenrand strahlten ihre Flammen in der warmen Luft. Es duftete nach Vanille. Ab und zu fiel ein Wassertropfen aus dem Hahn in die volle Badewanne. Jason und Chris saßen sich gegenüber, zwischen ihnen Berge von wohlduftendem Schaum, die auf dem warmen Wasser langsam umherglitten. "Ist es so wie du es dir vorgestellt hast?" Chris ließ sich nach hinten rutschen und verschwand kurz unter Wasser. Als er wieder auftauchte, warf er den Kopf in den Nacken und sein blondes Haar klatschte auf seine Schultern. Ein paar Wassertropfen trafen Jason. "Nein, das ist es noch nicht ganz!" lachte Chris. "Was fehlt denn?" Statt zu antworten erhob sich der blonde Mann. Fasziniert beobachtete Jason, wie der Schaum über seinen nassen Körper nach unten glitt. Chris drehte sich um und setzte sich wieder hin, genau zwischen Jasons gespreizte Beine. Er schob sich ein Stück nach hinten und lehnte sich mit dem Rücken gegen Jasons Brust. Sofort wurde es noch wärmer, als sich die beiden eh schon aufgeheizten Körper so nahe kamen. Jason schloss Chris in die Arme und dieser legte den Kopf an seine Brust. "So ist es besser." "Ja, da kann ich dir nicht widersprechen." "Jason?" "Ja?" "Ich will ja nichts sagen, aber das drückt ein wenig im Rücken!" Jason spürte wie sein Gesicht rot wurde. Er fühlte sich wie ein pubertärer Highschool Schüler, aber er hatte seinen Körper einfach nicht unter Kontrolle wenn er Chris so nah bei sich hatte und dann auch noch nackt. "Tut mir leid..." "Ist nicht schlimm!" lachte Chris und sah ihn über seine Schulter hinweg ins Gesicht. "Aber sei mir bitte nicht böse, wenn ich jetzt nicht mit dir schlafen möchte, ich will diesen Moment einfach nur genießen, soviel Romantik hatte ich schon lange nicht mehr." "Hey, du musst dich doch nicht entschuldigen, ich hab mich schon soweit unter Kontrolle selbst jetzt." grinste Jason. Chris' rechte Hand glitt über seinen Arm und suchte ganz beiläufig die Berührung von Jasons linker. Er kam der Aufforderung nach und nahm sie. Eine Zeit lang saßen die beiden einfach nur mit geschlossenen Augen da. Chris fühlte Jasons gleichmäßigen, beruhigenden Herzschlag und die scheinbar unendliche Sicherheit die seine kräftigen Arme zu spenden schienen. "Komisch..." durchbrach Jason schließlich das Schweigen. "Was denn?" "Deine Hand... ich kann mich noch genau erinnern, damals in New York, wenn ich sie da gehalten habe, hast du immer total gezittert. Du hattest eine total unruhige Hand." Chris zog seine Hand weg und rückte ein Stück von Jason ab. Er hielt sich am Wannenrand fest und drehte sich zu Jason herum. "Willst du das wirklich wissen?" "Was meinst du?" "Jason... ich..." er senkte den Blick und starrte auf die Wasseroberfläche. "Damals in New York... du hattest mich doch damals gebeten, keine Drogen mehr zu nehmen und ich wollte auch nicht, dass du mich auf Drogen erlebst... also habe ich den ganzen Tag nichts genommen, wenn ich wusste, dass du kamst... aber das ging nicht spurlos an mir vorbei. Ich war auf Entzug... deswegen habe ich so gezittert... immer wenn du weg warst habe ich mir als erstes einen Schuss gesetzt. Bist du jetzt enttäuscht von mir?" Jason schob sich zu ihm herüber und strich ihm mit der Hand über die Wange. "Warum sollte ich enttäuscht von dir sein? Lass die Vergangenheit ruhen, ich will das auch so machen. Obwohl es eine Frage gibt, die mich beschäftigt seit wir uns wieder getroffen haben... warum hast du mich damals betrogen? Das du von den Drogen nicht die Finger lassen konntest verstehe ich ja, das ist furchtbar schwer... aber warum hast du damals etwas mit diesem anderen Mann gehabt?" Chris griff nach Jasons Hand und hielt sie an seiner Wange, bevor er in seine Augen blickte. "Ich weiß nicht, ob du mir das glaubst, aber das war damals nicht meine Schuld. Mein Dealer... Carlos... ich hab dir nie von ihm erzählt weil ich Angst vor ihm hatte... aber als es mit uns ernster zu werden begann, sagte ich ihm dummerweise, dass ich mit den Drogen aufhören wollte. Er lachte mich aus... und als er merkte, dass es mir wirklich ernst war, hat er alles in die Wege geleitet um mich aufs Kreuz zu legen. Ein Junge, den ich damals für meinen Freund gehalten habe, sprach mich an. Er hätte einen wichtigen Freier, allerdings ginge es ihm nicht gut und er flehte mich an, für ihn einzuspringen, ein allerletztes Mal. Ich Idiot habe zugesagt. Der Typ war so komisch... ich zog mich aus... ich dachte an dich und dann konnte ich nicht, ich wollte gehen. Aber dann hab ich einen Schlag abgekriegt und danach weiß ich nichts mehr. Nur das Carlos bei mir war, als ich wieder wach wurde und mir eröffnete, dass ich dich endgültig vergessen könne... und er hatte leider recht. Ich hatte deine Adresse nicht und bevor ich dich finden konnte, warst du längst aus New York verschwunden." Jason konnte nicht fassen, was er gerade hörte. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass es die Wahrheit war. Und das bedeutete, dass er vier Jahre seines Lebens einem furchtbaren Missverständnis aufgesessen gewesen war. Chris hatte ihn damals nicht betrogen! Und er war weggelaufen ohne ihn überhaupt noch einmal anzuhören, ohne ihm die geringste Chance zu lassen etwas zu erklären! "Doch Carlos hatte sich verrechnet," fuhr Chris fort. "Er hatte gewollt, dass diese ganze Sache mich noch tiefer in den Sumpf der Drogen zieht, aber das Gegenteil war der Fall. Durch den Schock, dich durch all das verloren zu haben und die Wut die sich in mir aufstaute, auf die Drogen, auf dich, weil du mich verlassen hattest... all das half mir, stark zu bleiben. Ich hab etwas geschafft, was man kaum einem Junkie zutraut. Ich habe es geschafft, allein von den Drogen loszukommen. Glaub mir, die erste Zeit war die Hölle, aber immer wenn ich soweit war, wieder rückfällig zu werden, dachte ich daran, was ich durch diesen Dreck verloren hatte. Ich ging zu Treffen von anonymen Selbsthilfegruppen, finanzierte mich durch Gelegenheitsjobs und als ich genug Geld hatte, hab ich die erste Möglichkeit genutzt New York zu verlassen. Ich hatte erfahren, dass du nach San Francisco gezogen warst, aber als ich dann über ein Jahr später auf dem Weg hierher war... war ich mir plötzlich nicht mehr sicher wie gut die Idee war. Ich hatte plötzlich Angst, dass eine Beziehung die so schwierig war wie unsere damals... alles wieder verschlimmern würde. Also suchte ich nicht nach dir und versuchte hier ein neues Leben zu beginnen, mit mäßigem Erfolg wie du weißt. Ich baute eine Mauer um mich auf und blockte jeden Gedanken, jedes Gefühl für dich ab, bis ich selbst anfing zu glauben, dass ich dich nicht mehr liebte, sogar hasste... ich hatte Probleme Jobs zu finden und irgendwann bin ich wieder da gelandet, wo ich angefangen hatte, auf dem Strich... aber eines ist geblieben und darauf bin ich wirklich stolz: Ich bin seit New York clean..." Jason wusste nicht was er erwidern sollte. All das war ein kleiner Schock für ihn und er hatte mit einem Mal wahnsinnige Schuldgefühle. Statt etwas zu sagen zog er Chris an sich und schloss ihn fest in die Arme. So abrupt, dass Wasser über den Wannenrand schwappte und auf den Boden klatschte. "Es tut mir leid..." flüsterte er. Chris schmiegte sich an ihn und ließ seine Hand über seinen Rücken gleiten. "Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Das ist alles Vergangenheit. Lass es dort wo es ist, kein Grund alte Geschichte aufzuwärmen." "Dann will ich wenigstes eines tun..." "Was?" "Ich weiß noch, dass ich dir damals versprochen habe, dir zu helfen ein neues Leben zu beginnen. Damals habe ich mein Versprechen gebrochen, aber ich habe es nicht vergessen. Wenn diese ganze Sache vorbei ist, helfe ich dir dabei ein neues Leben zu beginnen. Aber nur unter einer Bedingung?" "Und die wäre?" Jason lächelte und küsste ihn auf die Stirn. "Das ich ein Teil dieses Lebens sein darf." "Nichts lieber als das!" strahlte Chris und presste sich noch fester an den brünetten Mann. "Ich liebe dich." "Ich dich auch!" antworte Jason aus tiefstem Herzen. "Ich dich auch!" Chris hielt den Fön auf seine Haare und betrachtete im Spiegel wie die blonden Strähnen im Luftstrom tanzten. Jason war vor ihm aus der Wanne gestiegen und hatte ihn gebeten noch ein bisschen drin zu bleiben und sich dann erst fertig zu machen, er habe eine Überraschung. Als er sich die Haare trocken gerieben und sich abgetrocknet hatte, war Chris nicht umhin gekommen zu bemerken, wie schön sein Freund war und hatte sich alle Mühe geben müssen, ihn nicht direkt anzustarren. Sein Freund. Das klang gut, wirklich gut. Sogar geradezu herrlich. Chris hatte das Gefühl zu schweben. Als seine Haare getrocknet waren zog er die Sachen an, die Jason ihm bereitgelegt hatte und verließ das Badezimmer. Der Wohnraum war leer und dunkel, es hing ein leichter Geruch nach Tomatensoße in der Luft, aber auch in der Küche war kein Licht. Die Vorhänge waren zugezogen. "Jason?" "Auf dem Balkon!" kam die Antwort. Chris ging zur Balkontür, schob den Vorhang zur Seite, schlüpfte hinaus und erstarrte. Es war mittlerweile dunkel geworden und San Francisco war ein leuchtender Ozean aus Lichtern. Die gesamte Dachterrasse war von Kerzen erleuchtet, deren Flammen sich im leichten Nachtwind wiegten. Der Tisch war feierlich gedeckt und das Besteck glänzte im Licht der Kerzen. Auf einem Servierwagen daneben standen zwei abgedeckte Schüsseln und ein Sektkühler mit einer Flasche. Der Pool war von innen heraus beleuchtet und zauberte flackernde Lichter auf die Palmen und Pflanzen. In einer Wind- und Regengeschützten Ecke stand ein kleiner CD-Player den Chris noch gar nicht bemerkt hatte. Als er auf den Balkon getreten war, hatte Jason ihn wohl mit einer Fernbedienung eingeschaltet und die Klänge von "Falling" der Titelmelodie von "Twin Peaks", eine der romantischsten Melodien die Chris kannte, erfüllten die Luft. Jason stand neben dem Tisch und lächelte ihn an. Chris war vollkommen sprachlos, er öffnete den Mund, aber kein Ton kam hervor. So etwas hatte er noch nie im Leben gesehen. "Was ist?" "Ich bin nur platt... entschuldige... du weißt wie ich das meine... das ist umwerfend... wie hast du das so schnell hinbekommen?" "Mein Geheimnis!" lächelte Jason und zwinkerte ihm zu. "Magst du erst essen... oder erst tanzen? Das Essen bleibt auch noch einen Moment warm." "Hast du gerade tanzen gesagt?" Jason streckte ihm die Hand entgegen. "Ja, aber nur wenn du willst." Chris trat auf ihn zu und nahm seine Hand. "Gern..." Jason zog ihn sanft näher an sich und legte ihm die Hände um die Hüften. Chris schmiegte sich an ihn, als sie anfingen, sich langsam im Takt der Musik zu bewegen. Chris fühlte sich beinahe berauscht von Jasons Geruch, von der Nähe zu ihm und der romantischen Stimmung. Er spürte wie ihm unwillkürlich eine Träne über die Wange rann. "Jason?" "Hm?" "Ist das alles nur Traum? Ich hab das Gefühl, ich würde jeden Moment allein in meinem Bett aufwachen..." "Das einzige Bett in dem du aufwachen wirst ist meines und das erst morgen früh..." hauchte ihm Jason zärtlich ins Ohr und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Ein Glück..." "Warum weinst du?" Chris' Wangen erröteten, weil er sich ertappt fühlte. "Es ist nichts... nur ist das alles so wundervoll, so etwas hat noch nie jemand für mich gemacht. Und ich muss immer daran denken, dass wir soviel Zeit verschwendet haben..." "Wir haben jetzt alle Zeit der Welt, nichts wird uns mehr trennen..." antwortete Jason und in diesem Moment glaubte er seine Worte sogar beinahe selbst. Mit aller Kraft drängte er die aufkeimende Angst vor dem morgigen Tag zurück, verdrängte, dass er von geborgter Zeit lebte und das diese Idylle wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen drohte. Es gab kein Morgen! Chris sah ihm in die Augen und Jason wäre am liebsten in das klare Blau eingetaucht. Sein blondes Haar glänzte im Licht der Kerzen, er sah aus wie ein Engel. Wieder kam die Angst, ihn zu verlieren, an die Oberfläche seines Bewusstseins zurück. "Wollen wir essen?" fragte er, nur um die dunklen Stimmen zu vertreiben, die ihn an seine Angst erinnern wollten. Chris blickte zum Tisch hinüber und dann wieder Jason ins Gesicht. "Bist du böse, wenn ich darauf keinen Appetit habe? Oder hattest du viel Arbeit damit?" Jason schüttelte lachend den Kopf. "Nein, das ist mit einer Fertigmischung gemacht, zu mehr hatte ich keine Zeit! Was magst du sonst essen, wir können uns was bestellen." Chris strich ihm sanft über die Brust. "Eigentlich hab ich gar keinen Hunger... zumindest nicht auf Essen..." Seine Hand glitt über Jasons Bauch um deutlicher zu machen was er meinte. "Dieses Shirt..." "Was ist damit?" grinste Jason. "Nichts, es ist schön, aber es ist doch etwas zu viel Textil an dir für meinen Geschmack." "Was kann man da wohl gegen machen?" Jason hob die Arme und ließ zu, dass Chris ihm sein Shirt über den Kopf zog. Dann ließ er es zu Boden gleiten. Er legte seine Hand auf Jasons kräftige Brust und strich sanft darüber. "Du bist so unglaublich sexy... solche Muskeln habe ich noch nie berührt... keiner meiner Freier war..." Er zog die Hand weg und hielt sie sich erschrocken vor den Mund, bevor er sich beschämt umdrehte. "Tut mir leid... das hätte ich nicht sagen sollen..." "Ist doch schon gut. Ich hab kein Problem damit!" beteuerte Jason, obwohl ihm der Satz schon einen Stich versetzt hatte "Aber ich... du warst immer etwas besseres als ich und bist es immer noch. Warum gibst du dich überhaupt mit mir ab?" "Stellst du diese Frage im Ernst?" Jason wollte Chris' Hand ergreifen, doch dieser wich ihm aus und entfernte sich weiter. "Ja, denn ich verstehe es eigentlich nicht. Du könntest doch viel bessere Typen haben als mich, locker sogar!" "Sieh mich doch wenigstens an, wenn du mit mir redest." Chris drehte sich um und blickte Jason in die Augen. "Besser?" "Warum reagierst du so abweisend, hab ich dir einen Grund dafür gegeben?" "Nein, aber ich kann einfach nicht glauben, dass das alles so passiert. Jason, ich bin ein Stricher, vielleicht kein Junkie mehr, aber immer noch ein mittelmäßiger Callboy! Ich passe nicht in deine Welt, das würde nicht gut gehen... ich..." "Das ist doch schizophren, du warst doch bis eben so glücklich! Was ist denn nur los?" "Ich hab mich eben von diesem ganzen Romantikkram mitreißen lassen und habe für einen Moment meinen Platz in dieser Welt vergessen." Chris verschränkte die Arme vor der Brust. "Dein Platz ist bei mir..." sagte Jason leise und kam einen Schritt auf ihn zu. Er wollte ihn in die Arme nehmen, aber Chris versuchte dies zu verhindern, er trat nach hinten. Und ins Leere. Seine Augen wurden in einem geradezu grotesken Moment riesengroß, als ihm bewusst wurde, dass sein Fuß keinen Halt fand. Er ruderte hilflos mit den Armen und kämpfte mit dem Gleichgewicht. Jason griff im Reflex zu, doch auch für ihn kam es zu überraschend. Obwohl er eigentlich stark genug war Chris zu halten, geriet auch er durch die plötzliche Bewegung aus dem Gleichgewicht und wurde von Chris mitgerissen. Beide fielen rücklings in den Pool. Das Wasser spritzte auf und löschte diverse Kerzen. Als die beiden prustend wieder an die Oberfläche kamen, standen sie sich im aufgewühlten, zum Glück temperierten, Wasser des Pools gegenüber. Jason und Chris sahen sich an und brachen Sekunden später in schallendes Gelächter aus. Bevor er wieder flüchten konnte, zog Jason Chris an sich. "Du Verrückter, jetzt ist aber Schluss!" lachte er. Chris presste sich an ihn und sein Lachen vermischte sich nach und nach mit heftigem Schluchzen. "Tut mir leid... Jason... ich..." "Ist ja gut." "Nein!" widersprach Chris. "Nein, ist es nicht... ich hasse mich für so etwas. Weißt du, ich tue immer so selbstbewusst, aber in Wirklichkeit hasse ich mich für das was ich bin... der Tag in deiner tollen Wohnung, die viele Romantik, ich hatte mein Leben vollkommen verdrängt, aber als ich das eben gesagt habe... da ist mir das wieder klar geworden... ich will dir nicht zumuten mit einem Strichjungen zu leben..." Jason unterbrach seinen Redeschwall mit einem Kuss. Den Moment in dem Chris perplex über den Überfall war, nutzt der brünette Mann schnell aus. "Sei jetzt mal für einen Moment still und hör mir zu! Ich will niemanden sonst, nur dich! Ich liebe dich, egal was du bist. Ich habe dich geliebt als du drogensüchtig warst und ich liebe dich jetzt. Ich habe einen Fehler gemacht als ich dich verließ, aber ich werde nicht zulassen, das uns etwas trennt! Nicht schon wieder. Ich werde dir helfen ein neues Leben aufzubauen, du brauchst nie wieder auf den Strich zu gehen. Aber begreife endlich, dass ich dich genauso will, wie du bist! Ich liebe dich! Verdammte Scheiße, ich liebe dich mehr als alles auf der Welt! Ich würde all das hier aufgeben, dieses Apartment, dieses Leben und mit dir unter einer Brücke hausen, nur um bei dir zu sein! Stoß mich nicht weg und hör auf dich selbst zu zerfleischen! Du bist wundervoll und ich liebe dich so wie du bist und werde das immer tun!" Chris starrte ihn an, unfähig etwas zu erwidern. Das war aber auch gar nicht nötig. Stattdessen küsste er ihn leidenschaftlich. Als sich ihre Lippen lösten, flüsterte er nur ein Wort. "Danke..." Das Apartment lag ruhig und in völliger Dunkelheit da. Wenn man ganz still war konnte man das Ticken der Küchenuhr hören. Die einzige Lichtquelle in der Nähe des Bettes war die Zeitanzeige des Radioweckers, die soeben auf 01.00 Uhr wechselte. Jasons Augen hatten sich an die geringen Lichtverhältnisse gewöhnt. Er konnte Chris erkennen, der ruhig atmend neben ihm lag. Er war schon vor einer ganzen Zeit eingeschlafen, aber Jason kam nicht zur Ruhe. Die Angst vor dem morgigen Tag hielt ihn wach. Er streckte die Hand aus um Chris über den Kopf zu streicheln, zog sie aber im letzten Moment zurück. Er wollte Chris auf keinen Fall wecken. Warum konnte er nicht endlich einschlafen? Normalerweise war er nach einem solchen leidenschaftlichen Ausbruch wie dem, in dem der Abend geendet hatte, immer müde und auf diese angenehme Weise geschafft. Zumindest war es mit David meistens so gewesen und der Sex den er mit Chris gehabt hatte, musste sich dahinter sicher nicht verstecken. Nein. Er korrigierte sich. Das war kein einfacher Sex gewesen, sie hatten sich geliebt, voller Leidenschaft geliebt, noch viel intensiver als am Morgen. Langsam ließ er sich in die Kissen sinken und starrte die Decke an. Seit einer Stunde legte er sich Reden zurecht, mit denen er Chris erklären konnte, was auf ihn zukam. Und jedes Mal wenn er dachte er habe es, verwarf er den Gedanken wieder. Die Situation war einfach grauenvoll. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Warum immer er? Neben ihm lag ein wundervoller aber so verletzlicher Mann, der sich bei ihm sicher fühlte... und er sollte all das zerschlagen, indem er ihn in so eine Gefahr schickte? Er zuckte beinahe zusammen als Chris sich im Schlaf bewegte und seinen Arm um Jasons Brust legte. Mit einem zufriedenen Geräusche schmiegte er sich an ihn. Jason seufzte. Er hasste sich selbst für diese ganze Situation, Selbsthass war in den letzten Tagen offenbar sein steter Begleiter geworden. Und er hatte gedacht, sein Leben wäre kompliziert, weil er sich vor seinen Kollegen nicht outen wollte. Gegen die jetzige Situation war das ein Spaziergang gewesen... "Kannst du nicht schlafen?" Jetzt fuhr Jason wirklich zusammen. Chris hatte die Augen geöffnet und sah ihn an. "Hab ich dich geweckt?" "Nein... oder vielleicht doch, ich glaube ich habe gespürt, dass du mich ansiehst." "Tut mir leid, ich wollte das nicht." "Was hast du?" "Hm?" Chris setzte sich auf. "Du hast doch irgendetwas. Sag mir bitte, was dich bedrückt." "Ich... ich weiß nicht..." "Vertraust du mir nicht? Es kann doch nicht so schlimm sein." "Glaub mir, ich habe einen gesunden Schlaf, wenn mich etwas wach hält, ist es etwas schlimmes..." Chris nahm Jasons Hand. "Jetzt sag endlich. Bitte..." "Chris..." Jasons Stimme versagte für einen Moment. Er hatte einen Kloß im Hals. Nur mit Mühe konnte er weiter sprechen. "Ich wollte es dir erst morgen sagen... ich hab so lange darüber nachgedacht wie ich es tun sollte... aber ich glaube es gibt keinen wirklich guten Weg. Also versuche ich es einfach direkt... weißt du..." Seine Kehle fühlte sich plötzlich furchtbar trocken an. "Der Fall... der Mordfall... also der Mann den du gesehen hast... das war... fuck..." Er schloss die Augen und atmete tief ein. Am liebsten hätte er die Augen geschlossen gehalten, aber er fand das Chris ein Recht darauf hatte, dass er ihn ansah. "Es ist kein Einzelfall. Dieser Typ ist ein waschechter Serienmörder und er wird sicher wieder zuschlagen. Sogar das FBI ist mittlerweile an der Sache dran und der zuständige Agent meint, dass es noch nie eine so gute Gelegenheit gegeben hat, den Kerl zu kriegen. Er hat einen Fehler gemacht, er ist zum ersten Mal gesehen worden und diesen Fehler wird er korrigieren wollen. Und das ist unsere Chance. Allerdings würde das bedeuteten, dass..." "Das ich den Lockvogel spielen muss..." beendete Chris den Satz in einem derart emotionslosen Ton, dass Jason für einen Moment den Faden verlor. "Ich will das nicht... aber es gibt keine andere Möglichkeit... wenn es die gäbe, dann würde ich..." Chris beugte sich zum ihm und versiegelte seine Lippen mit einem sanften Kuss. "Ich weiß, dass du das würdest. Ich verstehe..." Er schmiegte sich zärtlich an Jason. "Du musst dich nicht entschuldigen. Es muss schwer für dich gewesen sein, dass die ganze Zeit mit dir herumzutragen." "Ich hab Angst um dich... deswegen wollte ich diesen Abend nur für uns. Ich wollte... ich meine, es gibt zwar ein Restrisiko, aber so etwas ist eigentlich fast eine Standartaktion der Polizei... ach, fuck, hör mich doch mal an... ich rede wie ein verdammter Bürokrat... ich will nicht das du das tust!." "Ich werde es tun..." "Was?" Jason glaubte für einen Moment, dass er nicht richtig gehört hatte. "Ich werde es tun. Allein schon für Luke. Er war ein guter Freund. Ich will aber noch nicht daran denken... du hast gesagt, die Nacht würde uns gehören. Und die Nacht ist noch nicht zuende." Er drängte sich näher an Jason. "Hältst du mich fest?" Jason lächelte. "Okay." Chris kuschelte sich in seinen Arm und schloss die Augen. "Schlaf gut. Ich weiß das du nicht zulassen würdest, dass mir etwas passiert. Ich weiß das, weil ich dich liebe..." Damit schloss Chris wieder die Augen. "Niemals!" bestätigte Jason. "Ich liebe dich auch." fügte er hinzu und genoss es ein weiteres mal, diese Wort auszusprechen. Jason zog die Decke über sich und Chris und schloss ebenfalls die Augen. Er konnte immer noch nicht fassen, wie sich die ganze Sache entwickelt hatte. Er hätte nie geglaubt, dass Chris einfach nur "Ja" sagen würde. Er hatte sich wirklich verändert, soviel Mut hatte er früher nicht gehabt. Und wenn er soviel Vertrauen in die Zukunft und in ihn haben konnte, warum dann nicht auch er selbst? Mit diesem Gedanken schlief Jason schließlich doch ein. Das typische Knacken kündigte an, dass der Radiowecker ansprang. "...kam es in der letzten Nacht zu mehreren Unfällen..." Der Nachrichtensprecher von WKFM Bay Radio riss Jason aus dem Schlaf. Er hatte den Wecker früher gestellt als sonst und deswegen gab es diesmal Nachrichten statt Musik. Jason angelte mit geschlossenen Augen nach dem Wecker und traf sogar den Knopf, der das Radioprogramm für die nächsten zehn Minuten stumm schaltete. Er drehte sich um. Was sprach schon dagegen, noch ein paar Minuten mit Chris zu kuscheln? Sein Arm sackte ins Leere. Er blinzelte und öffnete die Augen. Er war allein, die Seite neben ihm war zerwühlt, aber leer. Und als er die Hand darüber gleiten ließ, waren die Laken kühl. Chris musste schon länger wach sein, vielleicht hatte er nicht mehr schlafen können und ihn nicht wecken wollen. Jason stand auf und streckte sich. Vielleicht wollte Chris ihn mit Frühstück überraschen. Er lächelte unwillkürlich. Er hatte sich wirklich verändert, früher war er kaum aus dem Bett gekommen. Jason ging nackt wie er war die Treppe ins Wohnzimmer hinab. In der Wohnung war es still, die Vorhänge waren noch zu. Er nahm die Fernbedienung und ließ den Stoff vor den Fenstern zurückfahren. San Francisco begrüßte ihn mit einem noch herrlicheren Sommertag als es der letzte gewesen war, das Wetter wurde momentan von Tag zu Tag besser. "Chris?" Er bekam keine Antwort. Alles blieb ruhig. Jason stieß die Badezimmertür auf. Der Raum war leer, die Küche, die er danach inspizierte, ebenfalls. Jason ging ins Wohnzimmer zurück. Auf dem Tisch lag sein Laptop und die angebrochene Packung "Reese's Cups", die er Chris geschenkt hatte. In einer verzierten Vase aus Metall, ein Einzugsgeschenk seiner Mutter, standen die Rosen, ihre bordeauxroten Blüten glänzten im Licht. In diesem Moment streifte Jasons Blick noch etwas anderes, etwas weißes. Unter der Vase klemmte ein Zettel. Der junge Mann zog ihn hervor. Seine Augen überflogen die wenigen, offenbar schnell geschriebenen Zeilen in Chris' etwas unruhiger Handschrift. Es tut mir leid. Ich kann das nicht. Ich liebe dich, bitte hass mich nicht! Chris Jason las die Zeilen noch einmal. Dann noch einmal. Es war wie ein Schock. Er brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was er dort las. Der Zettel glitt ihm aus der Hand. Fassungslos blickte er den Rosenstrauß an. Dann holte er aus und schmetterte die flache Hand mit voller Wucht gegen die Vase. Das schwere Metallgefäß fiel scheppernd um. Die Blumen flogen durch die Luft und verteilten sich im Zimmer. Jason blickte schwer atmend auf die herumliegenden Pflanzen und das Wasser, dass vom Tisch auf den Boden tropfte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)