Kosma_Atum von HasiAnn (Wie die Digiritter lernten, wie klein ihre Welt eigentlich ist) ================================================================================ Kapitel 1: Die Liebe zu einer kleinen, inkommerziellen Serie ------------------------------------------------------------ Die Liebe zu einer kleinen, inkommerziellen Serie Es war wieder mal einer dieser Montage, an denen man sich fragt, warum man nicht im Bett geblieben ist. Da hätte ich mich doch lieber noch dreimal in die warmen Kissen gekuschelt und hätte noch mal mein Lieblingsplüschtierchen zerquetscht, als dass ich jetzt hier an meinem Schreibtisch hocke und mich selbst für bescheuert halte, weil ich Idiot mich doch tatsächlich dazu bereit erklärt habe, heute in die Schule zu gehen. Die ersten zwei Stunden Mathe-Leistungskurs hatte ich ja schon mehr oder minder erfolgreich hinter mich gebracht. Kommt nur darauf an, wie man "erfolgreich" definiert. Wenn "erfolgreich" bedeutete, in einer verschlafenen Klasse zu sitzen, die alle paar Sekunden im Chor gähnt, weil die gestrige Party - auf die ich so schlau war nicht zu gehen - doch etwas ausgedehnter war, als vier Uhr nachts, und einer völlig entnervten Lehrerin zuzuhören, die sich erneut über die unterbezahlte Lehrergewerkschaft aufregt, dann waren meine ersten zwei Unterrichtsstunden dementsprechend "erfolgreich". Demzufolge hatte ich von dem durchgesprochenen Stoff vielleicht soviel mitgekriegt, dass es für einen halben Punkt bei der nächsten Kursarbeit reicht. Aber da ich vor einer Woche erst eine geschrieben hatte, werde ich mir wegen der nächsten Kursarbeit sicher noch nicht den Arsch blutig machen. Zumal ich dazu ja nun mehr so überhaupt nicht motiviert war. Ich hatte zwar gerade das Glück eine Doppelstunde Ausfall zu haben - einer der Bio-Lehrer konnte wohl wieder nicht die Finger vom Gras lassen - und da ich gerade mal fünfzig Meter neben der Schule wohnte, konnte ich demnach meinen Heimvorteil nutzen und mich nach Hause bequemen. Aber bei jedem noch immer verschlafenen Blick meinerseits aus dem Fenster, wo mir diese graue, kalte, nasse Suppe des Novemberanfangs entgegengrinste, stellte ich mir ernsthaft die Frage, ob es sich noch lohnen würde, mich durch die noch auf mich wartenden Unterrichtsstunden zu quälen. Lieber fresse Sand... Ich drehte mich auf meinem Drehstuhl ein paar mal um die eigene Achse und versuchte darin einen Sinn zu sehen, da ich im Moment nix besseres zu tun hatte. Aber das wollte mir nicht so recht gelingen. Weil mir letztendlich nichts anderes mehr einfiel, rutschte ich von dem Stuhl und warf mich mit einem eleganten Sprung in mein Bett. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich auch gleich 'n Nickerchen machen. Ich schloss die Augen. Aber mit dem Entspannen wurde das nicht so richtig was. Ich musste die ganze Zeit an die nächsten Unterrichtsstunden denken, zu denen ich mich in gut einer Stunde schleppen muss und die ich nur allzu gern schwänzen würde. Die Lehrer werden uns sicher wieder mit vollkommen sinnlosem Mist zukäsen, den eigentlich niemand hören will, mich mit eingeschlossen. Ach, mann, wie sehr ich die Schule doch hasste. Und jetzt in diesem grau-diesigen November, wo es frühs draußen noch so dunkel und kalt ist, dass man überhaupt nicht aus dem Bett kommt, ist die Motivation entsprechend im Keller. Ich öffnete meine Augen wieder und betrachtete die Stofftierchen, die sich in der rechten Ecke meines Bettes gehäuft hatten. Wer hat eigentlich Plüschtiere erfunden? Ich meine, sowas unrealistisches. Ich geh doch auch nicht raus in die Prärie und knuddle die nächste zwanzig Zentimeter große, grüne Giraffe. Oder eine Maus, die zweimal so groß ist, wie der daneben liegende Elefant. Wer auch immer Kuscheltiere erfunden hat, muss wohl ein paar Meter neben dieser Welt gestanden haben. Doch dann fiel mein Blick auf dieses eine schon halb zerknautschte Plüschtier. Es hatte die Form eines rosa Balls, dem zur Hälfte die Luft ausgegangen war. Dann hatte es noch zwei lange Bänder aus dem Bereich, der wohl als oben galt, herausragen und in der Mitte stierten mich zwei riesige, rote aber trotzdem zuckersüße Augen an, die der Marke "Ooooch - is' das süüüß" entsprachen. Das, was den Mund dieses seltsamen Plüschtieres darstellen sollte, war lediglich eine schwarze, krumm aufgezeichnete Linie, aus der mal nach oben mal nach unten kleine Zähne herausragten. Dieser zerknautschte rosa Luftballon nannte sich Koromon, so jedenfalls die Herstellerfirma, und es ist ein Digimon. Naja, eigentlich war "Digimon" der Name eines Animes, der mal vor gut zwei Jahren auf RTLII lief. Als ich "Digimon" das erste Mal gesehen hatte, habe ich es wie die Pest gehasst, weil ich es nur für eine billige Nachmache hielt. Aber irgendwie, ich weiß den Grund selbst nicht mehr, habe ich mir das Teil immer öfter angesehen und es wie keine andere Fernsehserie lieben gelernt. In dem Anime geht es, um's mal grob zusammenzufassen, darum, dass auserwählte Kinder zwischen neun und zwölf Jahren in der Digiwelt landen, dort die Freunde ihres jeweiligen Digimonpartners werden und nach mehreren qualvollen, anstrengenden und gefährlichen Aktionen die Welt retten. Die zweite Staffel von "Digimon", die drei Jahre nach den Ereignissen der ersten Staffel spielt, läuft in etwas genauso ab. Es kommen halt neue Charaktere und Digimon hinzu. Und die jeweiligen Spielfilme haben eine ähnliche Basis. Aber wie gesagt, das ist nur eine grobe Zusammenfassung. Die Serie an sich, die von außen eher was für Kinder ist, ist tiefgründiger aufgebaut, als es scheint und wenn man hervorragend interpretieren kann - was im Übrigen gerade in meinem Deutschunterricht durchgenommen wird... Schon wieder - dann entdeckt man in den Geschichten weitaus mehr psychischen Hintergrund, als man es vom Hörensagen wiedergeben könnte. Ich liebe "Digimon" einfach über alles. Wer sich einmal in die Geschichte vertieft hat, kommt da so schnell sicher nicht wieder raus. Ich grinste ganz zufrieden dem Plüsch-Koromon entgegen, dass mich durch seine roten Schulmädchen-Augen noch immer anstarrte. Schade, dass die Serie nicht mehr lief. Ich meine, von der hatte doch jeder was. Wenn ich nur daran denke, wie viel Geld durch "Digimon" schon allein nur mit Merchandising gemacht wurde, oder wie viele tausend Fansites ich im Internet schon besucht habe, oder mit wie vielen Digimon-Fans ich schon Boykott-Anschläge gegen die RTLII-Studios geplant hatte, damit sie "Digimon" wieder senden. Und ich muss dazu sagen, viele von diesen Fans waren älter als ich und ich lebe immerhin schon seit mehr als siebzehn Jahren. Mal ganz abgesehen von den Schwärmereien über Matt, die ich ebenfalls mit Fans ausgetauscht hatte. Matt oder besser Yamato Ishida, sein bürgerlicher Name - der Nickname Matt stammt ja von den Amerikanern - ist mein absoluter Lieblings-Chara der Serie. Schade, dass es solche perfekten Kerle nicht auch in dieser Welt geben kann. Diese Welt ist ja nur voller Schlappschwänze, Machos und Weicheier. Da hat man nicht viel von. Aber wie dem auch sei. Ich griff nach dem rosa Koromon, zog es aus dem Plüschtierberg und knuddelte es ein wenig. Dabei dachte ich noch ein bisschen über meinen Lieblingsanime nach. Er lief zwar nicht mehr, aber immerhin kann mir keiner meine Erinnerungen an ihn nehmen. Wenigstens konnte ich mich jetzt etwas entspannen und ich schloss die Augen. Noch 'n kleines Nickerchen bevor mich wieder die harte Realität der Schule am Wickel hat. Hoffentlich verpenne ich nicht... ...Hätte mir 'n Wecker stellen sollen.... Ach, scheiß drauf. Lieber einmal zu viel gepennt, als sich einmal zu viel Stress gemacht... Ach, ja... Digimon is' echt... ...geil... ...zzz... ...Koromon... ...Träume ich schon?... ...zzzz... ...piepsss, piiepss... ...Was war das?... ...piepsss, piiepss... ...hört sich an, wie... ...zzz... ...ein... ...piepsss, piiepss... ...wie ein... ...z... ...DIGIVICE... "Hey!!! Du erdrückst mich!!!" Ich riss die Augen wieder auf. Eine quietschige, mir aber wohl bekannte Stimme riss mich aus meinem gerade noch so angenehmen Dämmerschlaf. "Würdest du... Autsch.... Hmpf.... Würdest du mich bitte loslassen!!!" Ich blickte an mir herunter und hielt daraufhin ungewollt die Luft an. "Bitte..." Das Plüsch-Koromon, schon halb lila angelaufen von meinem Knuddelgriff, versuchte sich nach Leibeskräften aus meinem Arm zu winden. Ich verstand die Welt nicht mehr. Halluziniere ich etwa? Moment, ich war doch gerade eingeschlafen. Womöglich träumte ich ja noch. Zumindeste wäre das die einzige logische Erklärung, die mir für den Moment einfiel. Das war doch alles zu konfus. Ich ließ das rosa Digimon endlich los, was dann notgedrungen nach Luft schnappte. Ich richtete mich auf, beugte mich aber sofort zu diesem zerbeulten Gummiball runter, um ihn zu begutachten. Das Digimon, das so langsam wieder seine gewohnte Hautfarbe angenommen hatte, sah mich genauso erstaunt an, wie ich es. "Was ist?", fragte es mich und erst jetzt bemerkte ich, wie groß das Maul des Wesens wirklich war. Es nahm ja fast die gesamte Breite des Gesichtes ein, vorausgesetzt, das, was ich als Gesicht interpretierte, war auch dementsprechendes. Ungläubig pikste ich das kleine Koromon mit meinem Finger an. "Bist du echt?!", fragte ich dazu. Das Knautsch-Vieh machte einen gekränkten Eindruck. "Natürlich bin ich echt. Ich bin Koromon. Was soll ich denn sonst sein?", warf es mir entgegen. "Tja, also, normaler Weise werden bei mir die Plüschtiere nicht lebendig. Schon gar nicht, wenn es Digimon sind und eigentlich nur gezeichnte..." "Gezeichnet?!? Sehe ich etwa aus, wie gezeichnte?!?" "Öhm...", aber es hatte Rechte. Es sah wirklich nicht gerade aus, wie aus Tusche und Akrülfarbe. Es sah richtig wirklich echt aus. Ich hatte noch nie ein echtes Koromon gesehen. Aber es sah irgendwie überhaupt nicht anders aus, als wenn es gezeichnet wäre, nur halt irgendwie... ...echt. "Und, was machst du hier... ...Koromon?", Gott, klang das bescheuert. Ich rede mit einer nicht existierenden Figur aus einem Anime. Meine Liebe zu "Digimon" schien mich wohl langsam völlig den Verstand verlieren zu lassen. "Ich dachte, du wüsstest das. Ach so... ...stimmt. Sorry, aber ich weiß langsam nicht mehr, wo hinten und vorne ist. Die Reisen in die reale Welt sind immer so furchtbar anstrengend." Das Koromon machte einen verwirrten Eindruck, der aber bei Weitem nicht so verwirrt war, wie meiner. "Es gibt Ärger. Schon wieder." "Hä?!" "In der Digiwelt." "In der WAS?!?", soll das jetzt ein Scherz sein? Existiert die Digiwelt etwa tatsächlich?!? Irgendwie sinnlos, das zu fragen, nachdem ich ein echtes Koromon gesehen hab', das mich auch noch anquatscht. "Es gibt Ärger in der Digiwelt. Malomyotismon wurde doch nicht vernichtet." "Ach, nein?", ich erinnerte mich an die letzt Folge der zweiten Digimonstaffel. Myotismon, der Oikawas Körper missbrauchte, um die Umstände in der realen und in der Digiwelt unter seine Kontrolle zu bekommen, digitierte oder besser mutierte zu Malomyotismon und drohte alles im Dunklen verschwinden zu lassen. Aber ich konnte mich nicht wirklich an die Lösung des Problems erinnern. Ich hab' die Serie einfach zu lange nicht mehr gesehen. "Ja, er ist gerade drauf und dran sich die Digiwelt zu unterwerfen und wenn er damit fertig ist, ist auch der Untergang der realen Welt nicht weit." Stimmt, in der ersten Staffel wurde doch erwähnt, dass die reale Welt ohne eine intakte Digiwelt nicht funktionieren kann. "Und was hab' ich jetzt damit zu tun?", die Frage ist doch berechtigt. "Das weiß ich auch nicht ganz genau. Gennai hat gesagt, ich soll ein Mädchen suchen gehen, dass sich Kosma nennt. Dann hat der Alte noch was von einer Prophezeiung gefaselt. Da war irgendwas mit einer verschlungenen Sonne und weißen und schwarzen Flügeln. Und was von einem Digimon. Und noch irgendwas von einem Schoen. Aber den Zusammenhang weiß ich nicht mehr. Hab' nicht aufgepasst.", Koromon machte beim Sprechen dieser provisorischen Prophezeiung einen ehrwürdigen Eindruck, aber mit dem, was es da von sich gab, konnte ich nicht viel anfangen. "Ich weiß immer noch nicht, was ich zu tun hab'.", resümierte ich schließlich. "Du sollst endlich deinen Hintern hier her bewegen, verdammt, uns läuft die Zeit davon!!!", hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Mir schoss sofort ein Gesicht in den Kopf, als ich diese Stimme erkannte. "TAI?!?", ich fuhr auf meinem Bett herum und starrt entgeistert auf den Bildschirm meines Computers. Kann mich gar nicht daran erinnern, ihn je eingeschaltet zu haben. Um so mehr schockierte mich die ernste Mine des Jungen auf dem Bildschirm, den ich eigentlich nur von fünfundzwanzig Minuten täglichen Fernsehens her kannte. "Bist du Kosma?", rief mir der fünfzehnjährige Junge zu und ich kam mir ein bisschen blöd vor mit meinem Computer zu reden, als ich unsicher antwortete: "J-ja..." "Dann komm endlich her. Die Kuwagamon sind mir schon auf den Fersen." "Wie denn?" "Na, sie fliegen. Wie denn sonst?" "Das meine ich doch nicht.", ich verdrehte die Augen. Das war ohne Zweifel Tai. "Ich meine, wie ich zu dir kommen soll." "Mit deinem Digivice. Ich dachte, das wüsstest du." Na klar, Digivice. Mit so 'nem Ding sind die Kids in der Serie ja auch immer in die Digiwelt gekommen. Aber woher nehmen und nicht klauen? "Ich hab' doch keins.", sagte ich daraufhin. "Und was ist dann das?", fragte mich der brünette Junge entnervt. Er deutet auf mich, explizit auf meine Hose und mein Blick fiel sofort auf selbige. Am Hosenbund auf der rechten Seite meiner Hose hing tatsächlich so ein kleines Tamagotchi-ähnliches Dings. Aber es hatte seltsamer Weise nicht das Design eines D3-Digivices, wie es die Kinder der zweiten Staffel benutzten, sonders es war des gleiche alte Digivice, das die Kinder der ersten Staffel erhielten. Aber zum darüber philosophieren hatte ich nicht gerade viel Zeit, da der Junge, von dem ich dachte er sei Tai, voller Ungeduld vor meinem Bildschirm rumhopste. Und auch Koromon fing an, mich zu drängen. Es sprang mir auf den Arm und quietschte: "Jetzt aber schnell!" Ich wusste nicht ganz, ob das, was ich tat auch das richtige war - mal ganz abgesehen davon, dass ich diesem rosa Knäul und dem brünetten Jungen vollkommen vertraute und ich das selbst nicht richtig verstand - doch ich erinnerte mich daran, was Yolei immer getan hatte. Ich richtete also mein Digivice gegen den Bildschirm des Computers und rief: "Tor zur Digiwelt, öffne dich!!" Ob das genau Yoleis Worte waren, wagte ich zu bezweifeln, da ich "Digimon" wie gesagt eine Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte und meine Erinnerungen über solche Details dementsprechend lückenhaft waren. Doch meine Aktion zeigte erwartete Wirkung. Mein Digivice fing an zu leuchten und der Computerbildschirm ebenfalls. Das Licht wurde immer heller und schließlich war es so extrem grell, dass ich meine Augen zukneifen musste. Ich spürte plötzlich einen starken Sog, der mich in Richtung Computer zerrte. Ich bekam auf einmal Angst. Das was hier passierte konnte doch alles nicht wirklich passieren. Um Gottes Willen, es war doch nur eine Fernsehserie und nicht die Realität. Aber wenn das hier nicht die Realität ist, was zum Geier ist es dann?... Kapitel 2: Taichi?!? -------------------- Taichi?!? "Hey, Kosma! Mach die Augen auf, los!!", wurde ich unsanft aufgefordert. Ich öffnete die Augen und hob meinen Kopf. Ein bisschen schwindlig war mir schon und ich wusste nicht ganz, was eben passiert war. Mir wurde eine Hand hingehalten, nach der ich aus Reflex griff und ich stand auf. Als allererstes sah ich in zwei braune Augen. "Is' alles klar mit dir?" Ich konnte es nicht fassen. Die dunkle Haut, die wilden, braunen Haare, die braunen Augen, der kämpferisch entschlossene Blick. Das war er. Hundertpro. Taichi Yagami. Aber wie ist das denn nur möglich? "Komm schon! Uns bleibt nicht viel Zeit .", sagte der Junge und rannte sofort los. Ich hatte ganz vergessen, dass er ja immer noch meine Hand hielt und war demzufolge erschrocken, als er mich hinter sich herzog. "Agumon, kommst du?" Ich warf einen Blick über meine Schulter. Koromon war anscheinend zu Agumon digitiert bei der Reise von der realen Welt in die... Digiwelt. Ich war tatsächlich in der Digiwelt. Das gibt's ja nich'. Sie existiert wirklich. Diese seltsamen subtropischen Pflanzen, der besprenkelte Himmel, die riesigen Blüten. Genauso war die Digiwelt auch in der Serie immer dargestellt. Und jetzt stand ich mitten drin. Und der Junge? Tai? Mann, real gesehen sieht er ja noch viel niedlicher aus, als gezeichnet. Wahnsinn. Zumal ich immer dachte, dass seine unmögliche Frisur im Realen total bescheuert aussehen muss. Aber das tat sie nicht im Geringsten. Es sah ein bisschen eigen aus, aber nicht bescheuert. Doch das Gefühl, das ich gerade hatte, war voll seltsam. Alles, was ich sah, war so neu und ich hatte es in dieser Form zuvor noch nie gesehen, aber es kam mir auf eine merkwürdige Art vertraut vor. Als ob ich schon immer ein Teil davon war. Doch plötzlich riss mich ein lautes Knattern aus meinen Gedanken, die sich in meinem Kopf häuften. Hatte ich dieses Geräusch nicht schon einmal gehört? Und erst jetzt wusste ich, warum Tai es so eilig hatte. Eine Gruppe von fünf Kuwagamon brach durch die Kronen der Bäume und verfolgte uns. Aha, so sehen die also aus. Aber ich muss auch dazu sagen, dass sie gezeichnet nicht halb so bedrohlich wirkten, wie wenn sie jetzt in rasendem Tempo hinter mir herjagten. Mann, erst jetzt merkte ich, was das für ein Schock für die ersten sieben Digiritter gewesen sein muss, als eines von diesen roten, käferartigen Virus-Digimon hinter ihnen her war. Und jetzt, wo ich wusste, dass es ihnen tatsächlich passiert sein musste, war ich nur noch mehr schockiert. "KLEINE FLAMME!!!", vernahm ich Agumon hinter mir brüllen und ein gewaltiger Feuerball schoss aus dem Maul des kleinen, gelben Dinosauriers. Mann, das war wirklich hammer beeindruckend. Ich hatte schon gedacht, im ersten Kinofilm sei es extrem dargestellt, aber in echt überstieg Agumons Angriffsmacht meine Vorstellungskraft bei Weitem. Der Feuerball erwischte eines der Kuwagamon volle Breitseite, rang ihm aber nicht mehr, als ein kleines Taumeln ab. "Nein, Agumon, lass das!", rief Tai vor mir. "Es hat keinen Sinn. Verschwende deine Kraft nicht unnötig! Wir müssen erst zum Stützpunkt zurück, dann sehen wir weiter. Hauptsache Kosma ist erstmal hier." Ich schien wohl ziemlich wichtig zu sein. Doch was für einen Stützpunkt meinte Tai? Plötzlich aber griff eines der Kuwagamon von hinten mit seiner Attacke Scherenarme an. "RUNTER!!!", schrie Tai und zog an meinem Arm, sodass ich auf den Boden stürzte. Kuwagamon flog nur knapp über meinem Kopf hinweg. Autsch! Das war volle Kanne. Jetzt wusste ich ganz genau, dass das kein Traum war, so sehr, wie mir mein linker Wangenknochen weh tat, auf den ich eben draufgeknallt bin. "Hast du dir weh getan?", wurde ich von Tai gefragt, der sich besorgt zu mir umdrehte. "Wonach sieht's denn aus?", fragte ich genervt zurück, stand dann auf, rannt los und zog dieses Mal Tai hinter mir her. Das war eine vollkommen neue Situation für mich und ich hatte dem entsprechend eine noch nie zuvor da gewesene Todesangst. Immerhin stand hier mein Leben auf dem Spiel. Wenn ich daran denke, dass die Digiritter jeden Tag ihr Leben riskiert haben. Und die waren gerade mal elf Jahre alt. Die Digiritter taten mir auf einmal tierisch leid. Sowas kann man doch so kleinen Kindern nicht antun. "Da müssen wir rein!", rief Tai hinter mir. Da fiel mir erst auf, dass ich gar nicht wusste, wohin ich rannte. Hauptsache erstmal vor den Kuwagamon flüchten. Tai deutete auf einen Höhleneingang. Ich steuerte darauf zu und gerade bevor uns die Kuwagamon endgültig erreichen konnten, schafften Tai, Agumon und ich es in die Höhle. Drinnen angekommen verschnauften wir erst einmal. Erst jetzt merkte ich, wie fertig ich war. Das war ja nicht gerade eine kurze Strecke, die wir gerannt sind und das Tempo war auch nicht gerade langsam. Tai dürfte das sicher nicht so schwer gefallen sein, wie mir. Er spielte ja schon seit Jahren Fußball. Aber mal ganz davon abgesehen, in Todesangst ist der Körper ja zu mehr fähig, als die normale Leistungsfähigkeit. Dennoch war ich jetzt ganz schön geschafft. "Alles in Ordnung?", kam Tai auf mich zu und ich lehnte mich gegen seine Schulter. "Nicht wirklich. Sag mal, wie macht ihr das nur immer?" "Was denn?" "Digiritter sein?" "Was meinst du?" "Ihr habt doch fast jeden Tag dem Tod ins Auge geblickt. Wie habt ihr das nur durchgehalten?" "Tja, Augen zu und durch..." Ich sah zu Tai auf - der Junge is' immerhin einen Kopf größer als ich, OBWOHL ich knappe zwei Jahre älter bin, als er - und er lächelte mich daraufhin an. Mann, jemals von Tai angelächelt zu werden. Davon träumt doch jeder Digimon-Fan. "Komm jetzt. Die anderen warten nicht gern." Die anderen?!? Ach, ja, wenn es einen Tai gab, dann musste es sicher auch einen Davis geben und einen Ken und eine Sora und einen Matt.... ...Oi!... Na, das kann ja was werden. Tai nahm wieder meine Hand und führte mich tiefer in die Höhle hinein. Ich betrachtete die Wände interessiert genauer und war mir nicht ganz sicher, aber das musste die Höhle sein, in der Tai damals das Digi-Amorei des Mutes gefunden hat und Veemon das erste mal aufgetaucht ist. Tai bliebt schließlich irgendwann stehen. Der Gang in der Höhle weitete sich und endete in einem kleinen Raum. Dieser Raum kam mir wieder bekannt vor und ich war mir im Bezug auf die Höhle wirklich sicher. "Und was machen wir hier?", fragte ich Tai. "Das hier nennen wir den Stützpunkt, da es hier das einzige noch offene Tor gibt, durch das wir zwischen der realen und der Digiwelt hin und her reisen können." "Was ist denn mit den anderen Toren passiert?" "Malomyotismon hat alle in Beschlag genommen." "Und warum dieses hier nicht?" "Er weiß nicht, dass es existiert. Wir haben es ja auch nur durch Zufall gefunden." "Aber was war denn mit dem Tor, durch das ich gekommen bin?", ich glaub, ich stelle zu viele Fragen. "Das war auch nur Zufall, dass ich es überhaupt gefunden habe. Aber Gennai hat mir einen Hinweis gegeben, dem ich einfach nachgegangen bin." "Ganz allein? Ist doch gefährlich, wie wir gerade gesehen haben..." Tai drehte sich zu mir um und grinste mich an. "Hey, ich bin's. Tai. Ich hab' vor gar nix Angst." Ich hob daraufhin eine Augenbraue. "Ja, und seit Neustem ist die Welt eine Scheibe." Der brünette Junge sah mich gekränkt an. "Du hörst dich schon an, wie Matt." Ich errötete. Sollte ich das jetzt als Kompliment oder als Beleidigung auffassen. "Und wie geht's jetzt weiter.", fragte ich, um mal schnell das Thema zu wechseln. Tai antwortete nicht, aber ich erhielt meine Antwort, als ich ihn beobachtet, wie er sein Digivice in die Richtung des Lochs in der Decke richtete, aus dem ein wenig Licht fiel. "Letztes noch offenes Tor zwischen den Welten. Gib den Weg frei.", rief er nach oben. Ein helles Licht erstrahlte, gleich dem Licht, das ich vor meinem Computer gesehen hatte. Es hüllte Tai und mich vollständig ein und ich spürte erneut diesen eigenartigen Sog. Das Licht allerdings wurde mir wieder zu grell und ich schloss die Augen. Komme ich jetzt etwa wieder nach Hause. Wenn ja: Schade... Kapitel 3: Und die Digiritter?!? -------------------------------- Und die Digiritter?!? "Alles klar, Kosma. Wir sind schon da." Ich machte die Augen wieder auf und stand - oh Wunder, oh Wunder - in einem Zimmer. Nein, halt, ich glaube sogar, dass das Tais Zimmer war. Cool. Es ist wirklich so klein, wie ich immer angenommen hatte. "Bist wohl 'n bissl durcheinander." "Kann man wohl sagen." "War bei mir ja anfangs auch nicht anders, als ich das erste Mal in der Digiwelt war." "Muss ja der Horror gewesen sein." "Naja, ich lebe doch immer noch, oder?" "Und das sagt schon alles." Tai und ich lachten erstmal. Es schien mir auf einmal das Normalste der Welt zu sein, mit einer nicht realen Figur zu sprechen. "Hey, was ist denn hier los?", ein fröhlich dreinblickender, brünetter Kopf schob sich durch die Tür. "Kari!!", rief ich begeistert, da ich dieses Mädchen ja so gesehen kannte. Die Kleine kam zu mir, musterte mich von oben bis unten und lächelte dann. "Du bist doch bestimmt Kosma." "Richtig. Woher weißt'n das?" "Gennai hat dich uns beschrieben. Blaue Augen, kurze, schwarz-violette Haare, Sommersprossen. Trifft doch genau auf dich zu." Kari lächelte ganz glücklich. Woher wussten die so viel über mich? Geben die heimlich Fahndungsfotos von mir rum? "Komm schon! Wir diskutieren gerade die Situation aus. Es sind zwar nicht alle von uns da, aber das macht ja nix." Kari ging voraus. Ich blieb noch ein paar Sekunden unsicher in Tais Zimmer stehen. Die anderen? Heißt das, dass ich jetzt die anderen Digiritter sehen werde?!? Mein Gott. Das ist doch... Ich weiß gar nicht... Nee... Ich hab'... Und da war doch. Meine Gedanken überschlugen sich förmlich, sodass ich das Laufen völlig vergaß. "Geh nur.", Tai legte mir seine Hand auf die Schulter. "Sie werden dich schon nicht beißen...", er grinste seine gewohnte ausgelassen naive Grinse. Ich schmunzelte ein wenig, da ich mich früher über seine Grinse königlich amüsiert hatte. Dann ging ich los, folgte Kari aus der Tür ins Wohnzimmer. Als ich um die Ecke bog, klopfte mein Herz so stark, dass ich meinte, die Vibration könnte das nächst größere Erdbeben dieser Generation auslösen. "Darf ich vorstellen.", wurde ich von Kari angekündigt. "Das ist Kosma." Ich betrat das Wohnzimmer und blickte in eine Runde voller freundlicher, teils begeisterter Gesichter und war total geplättet. Das waren sie. Das waren die Digiritter. Sie waren zwar alle nicht gezeichnet, sondern sahen vollkommen real aus, aber ich erkannt jeden einzelnen von ihnen - hauptsächlich an den Haaren - und hätte vor Glück am liebsten angefangen zu heulen. Mit einem chorhaften "Hi!", wurde ich von ihnen begrüßt und ich wusste gar nicht, was ich darauf sagen sollte. "H-hi...", stotterte ich daher zurück. "Oh, mann, das is' ja so cool.", fing ich dann plötzlich an zu labern. "Die Digiritter. Ich glaub's ja nicht. Hätte ich gewusst, dass ich euch heute noch mal sehe, hätte ich mir was anderes angezogen und meine Haar noch mal durchgekämmt. Aber schon allein nur hier zu sein ist der Wahnsinn. Am liebsten würde ich euch um ein Autogramm bitten. Aber ich schätze mal, dass das nicht angebracht ist." Die vor mir sitzenden Kinder schauten etwas verdutzt drein und mir war mein Gesagtes etwas unangenehm geworden. "Na, das ist doch nett, was?", durchbrach Tai schließlich die Stille, die entstanden war. "Also, dann will ich dir diese komischen Leute mal vorstellen. Das ist..." "Ist nicht nötig. Ich kenne euch doch schon alle. Du bist Taichi Yagami, der große Held und Anführertyp, der in allen Lebenslagen nicht seine Klappe halten kann. Hikari, oder Kari, wie ihr sie immer nennt ist deine kleine Schwester und eines der zwei Sensibelchen. Das zweite Sensibelchen ist Ken, der sich dort gerade in der Sofaecke verkrochen hat und es immer noch nicht lassen kann, so süß zu gucken." Der dunkelblauhaarige Junge, der mich vom Sofa aus ansah, errötete etwas. "Das daneben ist Yolei, die liebenswerte Nervensäge." Das Mädchen mit der Brille sprang auf: "Nervensäge?!?" "Yoleis Vorbild ist Mimi, die ihre Frisur wechselt, wie ihre Unterwäsche. Der frech dreinblickende Junge dahinten ist Davis, der berechtigter Weise als Tais Erbe angesehen werden kann. Das Mädchen auf dem Stuhl ist Sora, die vielleicht endlich mal lernen sollte, an sich selbst zu denken. Der Junge, der da grad vom Klo kommt...", hinter mir stand plötzlich ein rothaariger Junge. "..., ist Izzy, der es noch nie geschafft hat, sich auf zehn Schritte von seinem Computer zu entfernen. Und der blonde Junge zu meiner Rechten ist TK. Matts Bruder.", ich grinste ganz zufrieden, war aber überrascht, dass die anderen nicht überrascht waren. "Gennai hatte Recht.", sagte Ken. "Du weißt anscheinend wirklich über alles Bescheid. Dann weißt du doch sicher auch von den vergangenen Ereignissen." "Ja, sicher. Aber leider nur noch bruchstückhaft. Hab' die Hälfte schon wieder vergessen." "Also Wissen hin oder her.", fing Yolei an, mich böse anzusehen. "Aber mir passt es nicht so richtig, dass sie so viel über unser-eins weiß." Alle sahen mich erwartungsvoll an. "Naja, ich hab' mal eine Charakterisierung über jeden von euch geschrieben. Ihr seid echt interessant. Wisst ihr das eigentlich?" Ich erntete nur verständnislose Blicke. "Ich...äh...find' euch einfach nur genial. Eure Charaktervielfalt ist Wahnsinn. Aber besonders tiefgründig konnte ich auch nicht ins Detail gehen. Ich weiß quasi genauso viel, wie ihr." Es war noch immer still im Raum. "Ich glaub', ich sollte einfach meine Klappe halten, was?" "Nein, das ist doch OK.", sagte TK. "Es ist nur nicht gerade üblich, wenn wir dich erst seit ein paar Sekunden kennen und du schon fast alles über uns weißt. Aber Gennai hat ja gesagt, wenn wir dich kennen lernen, würden wir feststellen, dass du unnatürlich viele Informationen über alles hast, was uns betrifft.", er lächelte mich an und ich fühlte mich dabei nicht mehr ganz so unwohl, wie wenn mich alle anschweigen. "Danke. Aber manchmal ist mein Mundwerk einfach schneller als mein Kopf." "Das kennen wir doch von jemandem.", sagte Kari und sah dabei auffällig zu Davis hinüber. "Was glotzt ihr denn alle mich an?", versuchte der sich zu verteidigen, weil er wusste, dass es wieder gegen ihn ging. Alle fingen an zu lachen. Ich mochte Davis für seine Naivität. Das machte ihn so sympathisch. "Ach, da fällt mir ein.", bemerkte ich dann. "Da fehlen doch noch Joe, Matt und Cody." "Die haben schon wieder was anderes zu tun, das sie unmöglich schwänzen können. Als ob die Rettung der Welt nicht wichtiger wäre.", Davis verdrehte die Augen. "Lasst mich raten. Cody hat 'ne Kendo-Stunde, Joe sitzt in der Nachmittagsschule und schreibt an irgendeiner Arbeit und Matt...", das konnte ich nicht mal aussprechen, denn nur an ihn zu denken machte mich schon ganz wirr. "..., hat eine Bandprobe.", beendete Sora meinen Satz. Ausgerechnet die. Ich antwortete darauf nicht, sondern schaute ein wenig betrübt zum Boden. "Aber wie dem auch sei. Können wir uns jetzt dem Wesentlichen widmen? Schon vergessen? Wir werden alle sterben.", Tai setzte sich zu den anderen an den Tisch. Ich wollte mich dazusetzen, aber Kari hielt mich auf. "Sag mal, tut das nicht weh?", sie deutete auf meine linke Wange. Ach, stimmt, da hatte ich mich doch bei Kuwagamons Angriff verletzt. "Ja schon, ist aber nicht so schlimm." "Aber das muss doch behandelt werden. Es könnte sich sonst entzünden.", das Mädchen sah mich ganz besorgt an und ich war von so viel Fürsorge total berührt. "Da hinten ist das Badezimmer..." "Ich geh mit und helf' dir.", Tai stand wieder auf und ging voraus. Ich folgte ihm wortlos. Kapitel 4: Kein Spiel --------------------- Kein Spiel "Autsch!!! Pass doch 'n bisschen auf.", knallte ich Tai an die Birne, der mir eigentlich nur helfen wollte. Ich saß auf dem Badewannenrand im Bad von der Wohnung der Yagamis. Tai kniete vor mir und fuhr mit einem mit Desinfektionsmittel besprühtem Wattestück über die linke Wange. Das brannte ganz schön und ich wusste, dass es von Seiten Tais nur gut gemeint war, aber wenn das nun mal so weh tut. "Sorry. Is' gleich vorbei.", versuchte er meinen finster genervten Blick zu entschuldigen. Aber ich mit meinem Zicken-Image machte ihm das Leben ja auch nicht gerade leicht. Ich meine, er hat sich ja immerhin die Mühe gemacht und hat sich in Gefahr begeben, nur um mich zu holen. "Muss ganz schön schmerzhaft sein, wenn man ein Digiritter ist.", überwand ich mich dann endlich und machte ein freundlicheres Gesicht. "Naja, hast schon irgendwie recht.", Tai klebte mir gerade ein Pflaster auf meine Verletzung. "Aber ich muss auch sagen, der körperliche Schmerz ist nichts im Gegensatz zum seelischen Schmerz.", er machte dabei ein etwas bedrücktes Gesicht. Shit, ich hatte eigentlich nicht beabsichtig, ihn jetzt traurig zu machen. "Oh, 'schuldige, wenn ich jetzt damit anfange.", tolle Entschuldigung. "Ach, das ist schon OK. Mach dir keine Sorgen.", er war nun damit fertig mich zu verarzten. "Du hast dir ja ordentlich weh getan.", wollte er jetzt vorsätzlich das Thema wechseln? "Ja, war 'n ganz schöner Schock. Das war das aller erste Mal, dass mein Leben auf dem Spiel stand. Krasse Erfahrung." Tai antwortete darauf nichts. "Aber, was mich interessieren würde. Was ist das denn jetzt für ein großes Problem, das ihr mit Malomyotismon habt?", oder wollte ich jetzt das Thema wechseln? "Viel Informationen haben wir auch nicht gerade. Wir wissen nur, dass dieses Digimon plötzlich aufgetaucht ist und alle anderen Digimon durchdrehen." "Das muss ich jetzt verstehen?" "Vor etwa einer Woche erreichte uns Gennais Nachricht, dass bald etwas schlimmes passieren würde und prompt einen Tag später kam Agumon in mein Zimmer geschneit, völlig fertig, und berichtet, dass Malomyotismon wieder an der Tagesordnung steht." "Apropos Agumon. Wo ist der eigentlich hin?" "Der ist am Stützpunkt geblieben. Is' auch egal. Jedenfalls haben wir alle uns sofort auf in die Digiwelt gemacht, um die genaue Lage der Situation auszukundschaften. Es war ein absoluter Reinfall. Kaum waren wir da, schon wurden wir auch von dem Meister der Dunkelheit alias Myotismon alias VenomMyotismon alias Malomyotismon angegriffen. Ein Rückzug war unumgänglich." Hatte Tai schon immer so einen umfangreichen Vokabular oder bildete ich mir das nur ein? "Am Tag darauf kam eine neue Nachricht von Gennai, in der er uns von dir berichtete und das wir dich unbedingt holen müssen und noch was von einer Prophezeiung. Nur leider mussten wir feststellen, dass alle Tore zur Digiwelt geschlossen waren. Izzy hat dann ein paar Tage danach mehr aus Zufall noch dieses letzte offene Tor entdeckt, sodass ich mich dazu bereit erklärte, nach dir zu suchen." "Und mehr Informationen hast du nicht?", war ganz schön unverschämt, das zu fragen. "Leider nein. Deshalb konferieren wir ja auch jetzt." "Und was sitzen wir dann noch hier?", sagte ich, stand auf und wollte schon an Tai vorbei marschieren, doch er hielt mich fest. "Kosma, du bist dir doch hoffentlich im Klaren darüber, dass das hier kein Spiel ist. Diese kleine Verletzung an deiner Wange wird nicht die letzte bleiben.", er sah mir dabei so furchtbar ernst in die Augen, dass ich meinte, er meine es furchtbar ernst. Ich schwieg zunächst. Doch dann sah ich genauso ernst zurück und sagte: "Tai, ich müsste eigentlich seit einer halben Stunde wieder im Chemieunterricht sitzen und womöglich mich jetzt über meine Lehrerin aufregen. Glaubst du allen Ernstes, ich würde etwas für ein Spiel halten, was mich nur für ein paar Sekunden der grauen Alltagswelt entziehen kann?" Es war wieder still. "Ja...", sagte Tai dann schließlich. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen bei seiner Antwort. Was nimmt der sich eigentlich raus, so ein Urteil zu fällen? Ich sah den brünetten Jungen nicht länger nur ernst, sondern wütend an. "Du kannst mich mal...", schmiss ich ihm noch vor die Füße. Dann ging ich schnurstracks ins Wohnzimmer, wo der Digiritterorden tagte. Kapitel 5: Fressen oder gefressen werden ---------------------------------------- Fressen oder gefressen werden "Alles klar jetzt?", wurde ich gefragt, als ich das Zimmer betrat. "Ja, ich stehe noch aufrecht, sehe keine Farbverfälschungen und von Verdopplungen ist auch nix in Sicht. Ihr könnt also davon ausgehen, dass ich noch nicht ins Klinikum eingewiesen werden muss." Alle lachten. Ich war ein Super-Entertainer. "Also, los. Vielleicht schaffe ich es dann noch zur Abiprüfung." Ich setzte mich an den Tisch. "Wir waren gerade dabei,...", fing Izzy an mir zu berichten. "..., darüber zu diskutieren, wie es sechs Digiritter und sechs Digimon schaffen, zu Gennai durchzudringen, ohne von diesen anderen bösen Digimon angegriffen zu werden, oder zumindest zehn Meter vorwärts zu schreiten, ohne dabei draufzugehen." "Wieso denn nur sechs? Warum gehen wir nicht gemeinschaftlich? Je mehr desto besser." "Das ist leider nicht mehr möglich.", sagte Yolei. "Malomyotismon hat es bereits geschafft, der Hälfte von uns die Digivices wegzunehmen." "Is' nich' dein Ernst.", gab ich ungläubig zurück. "Doch! Er benutzt UNSERE Digivices, um die restlichen Digimon zu kontrollieren. Sie hören nur noch auf ihn und machen alles, was er sagt." Ich drehte mich entnervt zu Tai um: "Und du hieltest es nicht für nötig, mir von diesem kleinen Detail zu berichten." "Naja....", der Schuldige griff sich an den Kopf. Aber ich hatte auch keinen Bock mehr, mich darum zu kümmern. "Wessen Digivices sind denn noch da?" "Das von mir, von Ken, Davis, Matt, Tai und von Kari.", antwortete mir Yolei. "Besser als gar nichts." "Aber das Problem ist, dass wir glauben, unsere Angriffstruppe ist nicht stark genug. Es würden sich uns permanent Digimon in den Weg stellen und ein Kampf wäre unvermeidbar. Und das letzte was wir wollen, ist, dass wir ein Digimon zur Strecke bringen müssen." "Das Problem hattet ihr doch schon mal." "Ja, aber da löste es sich von selbst, als wir erkannten, dass diese Digimon nicht wirklich Digimon waren, sondern schwarze Türme. Aber in diesem Fall liegt es ganz klar auf der Hand." "Also hab' ihr einfach nur Schiss euch die Hände schmutzig zu machen.", auf meinen Kommentar hin war es plötzlich ganz still im Zimmer. Mit so einer Antwort hat wohl niemand gerechnet. "Das ist doch jetzt nicht dein Ernst.", fing TK leise an. "Doch, das ist mein voller Ernst. Ich meine, schaut euch doch an. Ihr habt mit euren Partnern schon die stärksten Digimon besiegt, die sich diese Welt vorstellen kann. Und deren Blut klebt schon des Längeren an euren Händen.", die Digiritter machten ein etwas betroffenes Gesicht. "Es liegt mir fern euch zu kritisieren, aber ich finde, wenn man für die Verantwortung, ein Digiritter zu sein, ausersehen wurde, dann muss man auch damit rechnen, dass man sich mal die Hände schmutzig machen muss. Das hat mir schon früher missfallen, dass ihr euch immer so arscheckig habt, wenn es darum ging, ein Digimon zu töten. Was habt ihr denn nur für ein Problem?", jetzt erntete ich nur noch wütende Blicke, aber das musste wirklich mal gesagt werden und meine Meinung werde ich jetzt sicher nicht widerrufen. "Entschuldige mal!", Tai stand plötzlich auf. "Hast du sie noch alle, dass du dich hier einfach so reinsetzt und uns anscheißt, nur weil wir nicht bereit sind, unschuldige Lebewesen zu töten? Das verstößt gegen unsere Moralansichten." "Eure Moralansichten sind doch total bekloppt.", ich stand ebenfalls auf, um ihm wenigstens annäherungsweise in die Augen zu sehen, obgleich das natürlich sinnlos ist, weil er viel größer ist als ich. "Töten oder getötet werden. Entweder man kämpft oder unterliegt und ich habe sicher keine Lust zu unterliegen, schon gar nicht, wenn es um so eine wichtige Sache geht, wie die reale und die Digiwelt." "Und du wärst dafür bereit Unschuldige leiden zu lassen?" "Wenn es den Frieden aller Welten bedeutet, dann ja. Meint ihr etwa, dass es richtig ist, dass eure Moralansichten eine höhere Priorität haben als eine Welt? Opfer müssen nun mal sein. Lieber ich töte einen Unschuldigen, als das hundert Unschuldige für ihn sterben müssen." "Wir wollen aber keine Opfer bringen. Jedes Leben ist wertvoll und wir haben die Aufgabe, alles Leben zu schützen und zu verteidigen." "Auch auf das Risiko hin, dass ihr durch eure Schwäche, Unschuldige zu verschonen, unterliegen werdet? Ihr seid einfach viel zu weich. Wenn ihr gegen das Böse gewinnen wollt, dann solltet ihr endlich aufhören, euch wie feige Weicheier zu benehmen." Das langte Tai. Er kam ein paar Schritte auf mich zu, holte mit seiner Hand aus und feuerte mir eine. Durch den überraschenden Schlag taumelte ich etwas zurück, konnte mich aber noch rechtzeitig fangen. Ich war zugegebener Maßen ein bisschen verwirrt, schaute aber Tai böse an. Kein anderer gab auch nur einen Mucks von sich. Es schien fast so, als würden alle die Luft anhalten. Ich rieb mir meine Wange. Tai hatte einen ganz schönen Schlag drauf. "Und du bist der größte Feigling der Gruppe. Wenn dir was nicht passt, kannst du auch nur drauflos prügeln.", giftete ich ihn sarkastisch an. Ich sah Tais verletzten Gesichtsausdruck und fühlte mich dabei mieser, als ich nach außen zeigte. "Tai, das war grad überhaupt nicht in Ordnung.", Kari zog an seinem Hemdärmel, aber ihr großer Bruder reagiert gar nicht drauf. "Lass sie doch reden, aber geschlagen wird sich nicht." "Außerdem hat sie irgendwie Recht.", Izzy hob kleinlaut den Kopf. Tai drehte sich zu dem rothaarigen Jungen um und sah ihn entgeistert an. "WAS? Diese Göre meint, dass wir unschuldige Digimon töten sollen." "Ja, schon, aber es ist wirklich eine Schwäche, wenn wir die Unschuldigen immer beschützen wollen." "Es geht nicht nur um einen kleinen Streit oder Kampf. Es geht um die gesamte Digiwelt und um unsere Welt. Und wer weiß, welche Welten bei einer Niederlage noch mit reingezogen werden können.", pflichtete Mimi dem rothaarigen Jungen bei. "Dieses Mal müssen wir vielleicht wirklich Opfer bringen und wir können nicht auf alle Rücksicht nehmen.", Yolei stand ebenfalls auf meiner Seite. "Habt ihr denn jetzt alle den Verstand verloren?", schrie Tai seine Freunde an. "Nein, wir müssen nur langsam anfangen, uns um mehr zu kümmern, als unser Gewissen. Und Kosma kann uns zeigen, wie wir es anstellen können. Wir dürfen dieses Mal einfach nicht verlieren.", selbst Davis gab mir Recht. Tai wandte seinen Blick wieder zu mir. Ich sah einerseits vernünftig, andererseits noch immer ernst zurück. Er drehte sich von mir weg und ging schnurstracks auf die Wohnungstür zu. Kurz bevor er den Raum verließ, warf er uns noch ein paar Worte hin: "Ihr könnt mit ihr machen was ihr wollt. Nehmt sie mit in die Digiwelt, ernennt sie doch gleich zu eurem Anführer.", dann sah er mich direkt an. "Aber eines verspreche ich dir, Kosma. Du wirst schon noch lernen, wie schmerzvoll es ist, wenn man ein totes Digimon vor sich liegen hat und man weiß, dass man zum Mörder geworden ist.", er verließ gänzlich das Zimmer. Ich wusste gar nicht, was ich jetzt tun sollte. Ich stand etwas betroffen im Zimmer und hätte am liebsten losgeheult. Es tat mir so furchtbar leid, aber zeigen konnte ich das jetzt nicht. Dann hätte ich mich wirklich blamiert. "Mach dir keine Sorgen, Kosma.", Kari blickte zu mir auf. "Er muss sich nur abreagieren und ehe du dich's versiehst seid ihr die besten Freunde." Naja, das glaube ich eher weniger. "Lasst uns lieber jetzt wieder zum eigentlichen Problem kommen." "Und Tai?", fragte Davis. "Der kommt schon zurück.", beruhigte ihn Kari und lächelt den Stachelkopf dabei lieb an. Der lief sofort rot an und benahm sich wie gewohnt, wie der letzte Depp. Die nächste Stunde besprachen wir die Lage und was wir des Weiteren tun werden. Ich wurde in jeden Plan integriert, so als ob ich schon ewig zum Team gehören würde. Um so schlechter fühlte ich mich, als ich daran dachte, wie sehr ich Tai verletzt hatte und wie ich die anderen gegen ihn aufgestachelt habe. Er hatte es nicht wirklich verdient, aber dafür, dass meine Ansichten richtig sind, war sein Ausraster nicht gerade gerechtfertigt. So ein sturer Bock. Kapitel 6: Kleine Schwester --------------------------- Kleine Schwester "Ich sage es noch mal und diese Mal hätte ich gerne eine Antwort, mit der ich auch was anfangen kann: WO, - ZUM - TEUFEL, - IST - MATT!?!" "Ahhh, meine Ohren...", jammerte ich, als Davis auf seine berühmt nervige Art in die kleine Gruppe brüllte. "Zum neuntausendsten Mal.", krähte Yolei nah an der Verzweiflung. "Er ist verdammt noch mal noch bei einer Bandprobe und wird wohl ein wenig später kommen. Warum geht das nicht in deinen Schädel rein?" "Weil ich langsam glaube, dass das nur eine Ausrede ist. Der drückt sich doch nur, dieser Feigling." "Hey!!!", drehte sich Tai plötzlich zu seinem jüngeren Ebenbild um und sah diesen böse an. "Er ist kein Feigling. Er kommt nur etwas später, also reiß dir nicht gleich 'n Bein aus." "Würde ich wegen dem schon gar nicht machen.", sagte Davis leise. "Wie war das?", und Tai hatte das anscheinend gehört. "Gar nichts...", jetzt spielte Davis wieder den kleinen Unschuldsengel, der er sowieso nicht war. "Mann, ihr habt euch ja gern.", entgegnete ich, denn solche Streitereien waren mir angesichts der auf immer und ewig ein Herz und eine Seele seienden Digiritter doch etwas fremd. "Die sind schon die ganze Zeit so gereizt.", antwortete mir Gatomon. "Wenn der Weltuntergang bevor steht, drehen sie durch." "Das hab' ich gehört!!!", fing Davis an zu keifen. "Mein Gott, entspannt euch doch mal.", sagte ich. "Entspannen? ENTSPANNEN?!? Spinnst du? Wir werden alle sterben." "Jetzt mach mal halblang, Davi", sagte sein kleiner Digimonpartner, Veemon. "Das ist überhaupt nicht gut für deinen Blutdruck." "Was weißt du schon von Blutdruck? Haben Digimon eigentlich einen Blutdruck?" "Keine Ahnung. Hab' noch nie drüber nachgedacht.", Veemon dachte angestrengt nach, aber da es nicht viel schlauer war, als dessen Partner, konnten wir wohl noch bis zum Weltuntergang auf eine Antwort warten. "Ich glaube,", Ken setzte seine Denkerstirn auf. "Wenn Digimon nur aus Bits und Bytes besteht, wird da nicht viel mit Blutdruck sein." Sehr geistreich. "Warum ist es eigentlich so wichtig zu wissen, ob Digimon einen Blutdruck haben?", fragte Hawkmon, Yoleis geflügelter Digimonpartner. "Das ist doch mindestens genauso bescheuerte, wie zu fragen, ob der Weihnachtsmann Jungfrau ist." Alle starrten das kleine Digimon an. "Das wird man ja mal sagen dürfen.", fügte dieses dann kleinlaut hinzu. "Woher weißt du, was der Weihnachtsmann ist.", fragte Yolei ihren Partner. "Ich weiß nicht. Kari fängt doch ständig damit an." "Kari?!?", Tai sah seine Schwester überrascht an. "Naja, es muss doch nicht jeder wissen, dass ich mich auf Weihnachten freue.", verteidigte sich diese. "ES IST ANFANG NOVEMBER!!!", Tai schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Das war wohl der Wink mit dem Zaunpfahl. Na, eher mit dem Stahlbolzen. "Und? Da haben wir doch noch genug Zeit, um Weihnachtsgeschenke zu besorgen." Also, entweder, ich bin jetzt zu blöd mich zu erinnern, oder die Digiritter drehen wirklich langsam durch. Das verwirft mein gesamtes Weltbild... Oder was auch immer. "Würdet ihr euch endlich mal wieder einkriegen.", rief Agumon. "Wir kriegen Besuch." "Meine Omi?!?", fragte Davis. "Naja, wenn deine Omi neuerdings in Flammen aufgegangen ist, dann wird es wohl deine Omi sein.", das war wohl der überflüssigste Kommentar, den ich je gegeben habe. "Das ist Meramon.", gab dann Wormon, Kens Digimonpartner, den noch überflüssigeren Kommentar. "Ist?!? Du meinst wohl eher sind. Wenn ich das Zählen nicht verlernt habe, dann sind das doch mindestens 'n Dutzend.", gab Kari von sich, aber sie war nicht die einzige, der der Kiefer runterklappte, wohlwissend, dass diese Herde von aus Flammen bestehenden Gestalten auf uns zusteuerte. "Nein, ein Dutzend ist nicht ganz richtig. Es sind dreizehn.", sagte Ken. Heute ist anscheinend der Tag der überflüssigen Kommentare. "Das ist doch egal. Macht euch bereit.", sagte der ehemalige Anführer, Tai. "Aber Matt ist doch noch gar nicht hier, genauso wenig, wie Gabumon.", brachte Davis in die Runde ein. "Willst du jetzt hier auf sie warten und dich von diesen brennenden Dingern da noch kurz zum Kaffeekränzchen einladen lassen?!?", sagte Agumon, der sich schon bereit machte, zu digitieren. "Ich mein' ja nur. Los, Veemon!" Alle anwesenden Digiritter hielten ihre Digivices ihren Partnern entgegen. Ich kam mir dabei etwas überflüssig vor, da ich ja kein Digimon hatte. Aber mit dem Digitieren kamen die Digimon nicht weit. Die auf uns zurasende Meramon-Herde stoppte. Sie formierten sich zu einem Pulk und ließen dann keiner weiteren Aktion mehr vorlieb nehmen. Sie starrten uns nur noch an. "Was soll'n das jetzt?", fragte Yolei. Aber so richtig wusste keiner von uns eine Antwort. "Die haben doch irgendwas vor." "Na, was du nich' sagst, Ken. Soweit waren wir auch schon." "Und was machen wir jetzt?", Gatomon schaute zu Kari. "Keine Ahnung. Wir können ja auch einfach nur warten und hoffen, das nichts schlimmes passiert.", sagte diese. "Toller Plan. Hoffen, dass nichts schlimmes passiert. Da können wir auch gleich hoffen, dass Malomyotismon ein rosa Tüttü anzieht und Ringelpietz mit Anfassen tanzt.", sagte ich. Aber ich hätte wohl besser meine Klappe halten sollen, denn wenn man vom Teufel spricht... Malomyotismon trat plötzlich aus dem Meramon-Pulk heraus. Die Digiritter überwunden den ersten Schock und konzentrierten sich wieder, damit sie ihre Digimon zum digitieren bringen konnten. Doch dazu kam es nicht. Malomyotismon machte den ersten Schritt. Aber es griff nicht an, sondern schrumpfte und veränderte seine Form. Es digitierte zu Myotismon zurück. Dann kam es auf unsere Gruppe zu. "Los, digitiert endlich!!", befahl Tai. "Lass es lieber sein.", sagte Myotismon leise, während es sich noch immer auf uns zu bewegte. "Hallo, Digiritter. So sehen wir uns wieder.", es grinste uns an. "Warum digitiert ihr nicht?!", rief Tai. "Wir können nicht.", sagte Agumon verzweifelt. "Warum?!?" "Weil ihr zu schwach seid.", kamen mir plötzlich die Worte aus dem Mund, ohne, dass ich wirklich mitgekriegt habe, was ich da sagte. Alle drehten sich zu mir um. "Du meinst die Digimon sind zu schwach?", fragte mich Davis. "Nein. Ich meine ihr seid zu schwach. Ihr Digiritter." "Was soll denn das jetzt bedeuten?" Ich erinnerte mich an die erste Digimon-Folge, in der Agumon Tai erklärt hat, warum es so froh war, dass Tai endlich bei ihm war. "Die Digimon sind von euch und euren Digivices abhängig. Sie können nicht ohne eure Kraft digitieren. Nur, wenn ihr bei ihnen seid und ihnen eure Kraft gebt, können sie digitieren. Aber jetzt scheint eure Kraft durch irgendetwas blockiert zu sein." Gott, beschütze mich, wenn meine Theorie richtig war. "Aha...", wurden ich von Myotismon unterbrochen, der nun nur noch wenige Schritte von uns entfernt stehen blieb. "Wie ich sehe ist eure Gruppe gewachsen. Wie geht es dir denn, Kosma?" Mein Herz schlug augenblicklich höher, als ich Myotismon meinen Namen aussprechen hörte. Irgendwas begann gerade furchtbar weh zu tun, aber ich wusste nicht, was. "Du kennst sie?", erlaubte sich Ken zu fragen. "Natürlich. Schließlich ist dieses kleine Mädchen..." Myotismon kam auf mich zu. "Hey, lass sie in Ruhe.", rief Tai und war schon kurz davor, sich auf Myotismon zu stürzen. Doch das große, schwarze Digimon ließ sich davon nicht abhalten. Als es dann vor mir stand, kniete es sich zu mir herunter, fuhr mit seinem Gesicht ganz nah an mein Ohr und flüsterte dann so leise, dass es die anderen nicht hörten: "..., meine Schwester." Ich riss die Augen auf und hielt die Luft an. Seine Worte drangen kälter als Eis in meinen Körper und lösten dort ein seltsam quälendes Gefühl aus Schmerz und Erinnerungen aus, das nicht zu beschreiben, aber noch viel weniger zu ertragen war. Mein Körper war ganz steif, aber ich spürte, dass dieser Zustand nur noch für ein paar Momente anhalten konnte. Und wie vorhergesehen, gaben meine Beine nach und ich brach zusammen. Das letzte, an das ich mich erinnern konnte, war, wie ein blonder Junge auf einem großen, blauen Wolf angeritten kam, bis ich dann völlig das Bewusstsein verlor. Kapitel 7: Mein Schwarm, na und? -------------------------------- Mein Schwarm, na und? Ich öffnete meine Augen. Mir tat mein Kopf weh und fühlte mich, als hätte mich ein Zug gestreift. Das war echt ein irrer Traum. Ich hab' geträumt in meiner Lieblingsfernsehserie zu sein. Das war witzig. Ich sah mich um. Doch irgendwie sah mein Zimmer ganz komisch aus? Ich erinnerte mich zwar daran, dass ich gestern aufgeräumt hatte, aber ich habe meine Möbel doch nicht umgestellt. Litt ich jetzt an Gedächtnis- oder Geschmacksverirrung? "Hi, schön, dass du wieder wach bist!" Wer hat'n das jetzt gesagt? Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor. Die klang genauso, wie die Stimme von Robin Kahnmeyer, dem deutschen Synchronsprecher von... "MATT?!?", ich saß mit einem Mal aufrecht im Bett, hätte mich dabei fast an dem Bett über mir gestoßen, weil ich nicht bedacht hatte, dass das ja ein Doppelstockbett war, und starrte den Jungen, der neben besagtem Bett kniete, teils entgeistert, teils geschockt an. Spinn ich jetzt? "Oh, hast du dir weh getan." Ich fass es nicht. Das ist Matt!!! Das ist verdammt noch mal Matt!!! Das ist doch... Oh, mein Gott. Das ist mein absoluter Lieblings-chara. Ich hatte noch nie so eine Mega-Schwärmerei aufgebracht, wie für ihn. Das ist der helle Wahnsinn. "Ich hab' dich was gefragt, oder hat's dir die Sprache verschlagen?", fragte mich der blonde Junge freundlich. Mann, seine Augen sind ja noch blauer, als ich mir vorgestellt hatte. "Mir geht's gut. Mach dir keine Sorgen.", sagte ich dann endlich. Wow, und jetzt rede ich auch noch mit ihm. Hoffentlich blamiere ich mich nicht. "Dann is' ja OK. Du hast ziemlich lange geschlafen." "Is' nich' wahr. Wo bin ich eigentlich?" "Du bist wieder in der Wohnung von Tai und Kari." "Dann ist das sicher Tais Bett." "Ja, natürlich." "Na, großartig. Jetzt lieg' ich auch noch in der Hängematte von diesem Idioten." "Du kannst ihn wohl nicht sonderlich leiden." "Wie man's nimmt.", ich lächelte meinem Schwarm zu und hoffte ihm damit auch ein Lächeln abringen zu können. Und es gelang mir natürlich. Hach ja... *seufz* Doch dann ging die Tür auf und es kam die Person rein, die ich in so einem Moment am wenigsten sehen wollte. Sora. Matts tolle Freundin. Was der nur an ihr findet. Mein Lächeln rutschte in sich zusammen. "Du bist endlich wach. Prima.", sagte das Mädchen mit den karottenfarbigen Haaren freundlich. "Danke.", gab ich zurück und grinste dabei so gut es meine Anwiderung zuließ. "Was ist denn eigentlich passiert?", wendete ich mich wieder zu Matt, obwohl meine zuckersüße Liebelei in einen Tick Eifersucht umgeschlagen war. "Tja, nachdem du weggetreten warst, ist auch Myotismon verschwunden und die Meramon haben angegriffen. Sie haben sich Karis Digivice geholt. Jetzt sind wir nur noch zu fünft." Matt blickte etwas niedergeschlagen daher. "Hat sich denn irgendwer verletzt?" Matt schaute mich kurz an, so als hätte er mit dieser Frage nicht gerechnte. Dann schaute er zu Sora, die wiederum traurig zu ihm zurück blickte. "Ihm geht's immer noch nicht besser.", sagte sie. "Wem?" "Ken..." "Oh..." "Er hat schlimme Verbrennungen.", sagte Matt, um es Sora zu ersparen, mir die folgenden Details zu schildern. "In seinem Zustand konnten wir ihn nicht mehr in diese Welt transportieren. So schwach, wie er war hätte er bei der Reise gleich den Löffel abgegeben." "Dann ist er jetzt immer noch in der Digiwelt?!? Spinnt ihr? Da ist der doch Angriffsziel Nummer eins für die Geier." War wohl alles doch kein Traum... "Die anderen sind noch bei ihm geblieben und Joes Vater gibt ihnen durch den Computer Anweisungen, was sie tun müssen." Ach, ja, Joes Vater ist ja Arzt. "Ich finde es trotzdem nicht richtig, Ken in der Digiwelt zu lassen. Wenn ich an die momentane Situation denke, dann wird das nächste eine Beerdigung sein. Ich geh da jetzt hin!", ich versuchte vom Bett aufzustehen, doch ich hatte tierische Kopfschmerzen, die sich jetzt nur noch mehr bemerkbar machten. Außerdem hielt mich Matt auf. "Das kannst du doch nicht machen. So, wie's aussieht, scheint Malomyotismon irgendwas mit dir vorzuhaben. Es war sicher kein Zufall, dass du vorhin zusammengeklappt bist." "Is' mir egal. Ich werde garantiert nicht einfach hier brav liegen bleiben, wenn da draußen ein gewisser jemand wieder mal zu blöd ist, auf seinen Arsch aufzupassen." "Du wirst nirgendwo hingehen." Matt packte mich an den Schultern und drückte mich in die Kissen zurück. "Was soll das?", protestierte ich. "Ich sagte, du gehst nirgendwo hin.", und er schaute mich dabei mit so einer Entschlossenheit an, dass es mir kalt den Rücken runter lief. "Weißt du was?", und ich sah meinem großen Schwarm wütend in die Augen. "Das ist mir scheißegal. Sag, was du willst, aber du wirst mich nicht aufhalten können." "Du wirst schön tun, was ich dir sage." "Den Teufel werd' ich tun. Jetzt lass mich endlich los."..., oder ich gerat noch in Ekstase. Gott, ich liebe diesen Jungen. "Jetzt sei vernünftig.", schaltete sich Sora ein. "Du bist doch noch viel zu schwach. Was ist, wenn du wieder zusammenbrichst, oder wenn du in der Digiwelt bist und Malomyotismon dich in die Finger kriegt." Also, jetzt konnte ich erstrecht nicht mehr liegen bleiben. Wenn ich mir sowas jetzt auch noch von meiner "Erzrivalin" anhören muss, dann ist selbst bei mir Feierabend. "Jetzt reicht's. Ihr seid ja nicht mehr bei Trost. Jetzt lass mich endlich los. Ich will verdammt noch mal einen FREUND RETTEN!!!", bei den letzten Worten, die ich geschrien hatte, dachte ich mit aller Kraft daran, wie sehr ich Ken helfen wollte, und plötzlich setzte das einen Energiestoß in mir frei, der sich mit einem gleißenden, weißen Licht und einem lauten Knall äußerte. Matt fetzte es dabei von mir weg und ich konnte endlich aus Tais Bett aufstehen. Ich dachte über das eben Geschehene gar nicht nach, sondern zog meine Schuhe an, stürzte ins Nebenzimmer auf den Computer zu, an dem die anderen standen und mitverfolgten, wie Joes Vater gerade mit Tai redete, zog mein Digivice und war, die anderen in Verblüffung zurücklassend, auf der Reise durch den Computer in die Digiwelt. Kapitel 8: Strafe für ein vermiedenes Opfer ------------------------------------------- Strafe für ein vermiedenes Opfer "Autsch!!! Geh von mir runter!!!", hörte ich eine Stimme unter mir. Ich war wohl bei der Ankunft in der Digiwelt auf Tai gelandet. Jedenfalls saß ich gerade grazil auf seinem Rücken und ihm schien das nicht wirklich zu gefallen. "Oh, sorry. War nur Absicht.", ich stieg von ihm runter und half ihm dann auf. "Wenn du das nicht mal aushältst, bist du ja 'n größeres Baby, als ich gedacht hatte." Tai sah mich böse an, antwortete aber auf meine Spitzellei nicht. "Was willst du hier? Ich hatte Matt doch gesagt, dass du unter allen Umständen im Bett bleiben sollst." "Die Umstände haben sich eben geändert.", sagte ich noch kurz und ging dann an ihm vorbei. "Was soll das heißen?", der brünette Junge kam mir hinterher. "Wo ist er?", ich machte mir nicht die Mühe auf seine Frage zu antworten. "Wer?" "Ken! Wer denn sonst." "Krieg ich erstmal eine Antwort?" "Ich will wissen, wo Ken ist.", ich lief weiter, ohne mich zu Tai umzudrehen. "Und ich will erst wissen, was du hier zu suchen hast!", er ergriff meinen Arm und drehte mich zu sich hin. Er sah mich finster an, aber ich hatte nicht wirklich Lust, mich mit ihm jetzt auseinanderzusetzen. Ich hatte nur noch Ken im Kopf. "Wo ist Ken, verdammt noch mal?!", fragte ich wieder. "Hörst du mir überhaupt zu?", schrie Tai mich an. Dann ließ er meinen Arm los und schubste mich gegen die nächste Wand. Wir standen ja wie gehabt in der Höhle, dem Stützpunkt. "WAS WILLST DU HIER?" Ich knallte gegen die Wand und das tat nicht schlecht weh. Aber ich war mir zu hübsch, um Tai die Genugtuung zu geben, zu zeigen, wie sehr mir mein Rücken weh tat oder dass er mich erfolgreich eingeschüchtert hat. "Wann schaffst du es eigentlich mal, deinen Dickschädel ohne Gewalt durchzusetzen?", sagte ich leise und sah ihn dabei mit einem entschlossen ernsten Blick an. Tais Betroffenheit, die sich in seinen Augen widerspiegelte, blieb mir natürlich nicht fern. Und um ehrlich zu sein, war das keine große Befriedigung, dass ich dem großen Anführer das Maul gestopft hatte. Es tat eher weh, ihn so verletzt zu sehen. "Ich will nur zu Ken. Matt hat mir erzählt, dass etwas schlimmes mit ihm passiert ist und ich will ihm helfen." Tai machte noch keine Anstalten irgendwas zu antworten. Doch dann zeigte er aus der Höhle hinaus. "Ein paar Meter von hier ist ein Felsvorsprung. Da ist es für andere Digimon schwer, uns zu erreichen. Dort sind auch die anderen." "Dankeschön!!!", sagte ich dann überglücklich. Tai sah plötzlich etwas verwirrt zu mir auf. Er hatte wohl mit soviel Dankbarkeit gar nicht gerechnte. Genauso wenig, wie ich. Aber ich war ihm für diese kleine Information wirklich unheimlich dankbar. Dann rannte ich los. "Hey, warte!", rief Tai und kam mir hinterher. Es dauerte nicht lange und ich fand die Stelle, die mir Tai beschrieben hatte. Die kleine Dreiergruppe aus Digirittern inklusive deren Digimon sahen allerdings wenig begeistert aus, aber sie waren überrascht, als ich in deren Mitte aufkreuzte. "Kosma? Was suchst du denn hier?", wurde ich von Yolei gefragt. Aber genau, wie bei Tai, antworte ich ihr nicht, sondern suchte eher nach dem Grund, weswegen ich wirklich hier war. Ich entdeckte Ken, schon halb der Ohnmacht verfallen und kaum noch ansprechbar lehnte er an der Wand. Ein Teil seiner grauen Schuluniform war an der Brust weggebrannt und darunter sah ich einen riesigen Fleck verbrannter Haut, ersten oder zweiten Grades. Diese Verletzung hatte ihn anscheinend wirklich sehr in Mitleidenschaft gezogen, da die anderen Digiritter ständig versuchten, ihn wach zu halten. Ken tat mir furchtbar leid. "Mitten im Kampf mit den Meramon ist das passiert.", sagte Wormon und sah dabei seinen Partner traurig an. "Und ich konnte ihn nicht beschützen.", es war schon kurz davor einfach loszuweinen. Die anderen anwesenden waren nicht weniger betroffen. "Wir haben schon versucht, seine Verletzung irgendwie zu behandeln,", sagte Yolei. ", aber uns wäre mit einem richtigen Arzt mehr geholfen." "Ich hätte ihn besser beschützen müssen.", beteuerte Wormon nochmals. "Es ist alles meine Schuld. Ich hätte für ihn da sein müssen." Die Stimmung unter dem Felsvorsprung war mehr als gedrückt. Nicht nur, dass Ken kurz vor dem Schritt ins Jenseits war, wenn ihm nicht schleunigst geholfen wird, die anderen machten sich jetzt auch selbst Vorwürfe. "Es ist nicht eure Schuld.", sagte ich schließlich und kniete mich zu Ken hinunter. Ich sah ihn ernst an, dann betrachtete ich mir seine Verletzung. "Kosma, was hast du vor?", wurde ich von Agumon gefragt. "Es ist nicht eure Schuld.", wiederholte ich leise und sah noch immer fast tranceartig auf Ken. Er war ganz blass und als ich ihm mit der Hand über das Gesicht fuhr, spürte ich auch, wie ihm der Schweiß die Wangen hinunter lief. Ich meinte, ihn etwas zittern zu fühlen. "Es ist nicht eure Schuld.", flüsterte ich fast. Es war nun ganz still. Ich glaubte nur noch, Kens leises Atmen zu hören. Der Anblick des völlig entkräfteten Jungen erweckte auf eine seltsame Art eine Erinnerung in mir. Die Bilder waren alle verschwommen und sie zuckten nur so vor meinem geistigen Auge daher. Aber wie ich so durch Kens dunkelblaue Haare streichelte, glühte eine Kraft in mir auf. Die Kraft aus einer Erinnerung. Es war keine Erinnerung an das, was in der Serie irgendwann mal passiert ist. Es war eine Erinnerung an das, was davor passiert ist. "Es ist nicht eure Schuld... Es ist meine..." Ken öffnete zaghaft die Augen und sah mich an. Es war nur ein schwacher Blick und doch reichte er aus, um die Kraft in mir noch zu verstärken. "Ken?", sprach ich den Jungen direkt an. "Mhm...", bekam ich zurück. "Du musst mir jetzt vertrauen." Ken nickte mir zu. "Das wird jetzt weh tun, aber ich verspreche dir, dass ich bei dir bin. OK?" Er schloss wieder die Augen. Ich rückte etwas näher zu ihm hin. Dann legte ich meine Hand auf seine Verbrennung. Der Junge zuckte augenblicklich zusammen und stöhnte etwas. Aber ich ließ nicht locker. Dann erinnerte ich mich wieder. Ich erinnerte mich an einen Kampf, an Hilfeschreie, an Blut, das mir über die Hände läuft. Und ich erinnerte mich an die Angst, die ich hatte. Angst, einen Menschen zu verlieren. Einen geliebten Menschen. "Nie wieder sterben... Es ist meine Schuld...", flüsterte ich und unter meiner Hand fing es an zu leuchten. Das Licht wurde immer heller und Ken schien immer mehr Schmerzen zu verspüren. Ich merkte, dass die anderen langsam in Panik gerieten, doch ich wusste genau, dass das, was ich tat richtig war. Ken, halte durch. Manchmal gibt es nur den einen Weg... Der Junge schrie plötzlich auf und ich spürte auf einmal einen Schmerz in meinem rechte Schulter... Und dann gar nichts mehr... Das war die Strafe... Für alles... Und für nichts... Für ein vermiedenes Opfer... Ich hob meinen Kopf und blickte in blaue Augen. "Buenas nochas, senior espanol Kennez. Qúe tal?", ich lächelte den Jungen an. Er lächelte zurück. "Bien... Muy bien. Gracias, senora Cosmata. Y tú?" "Yo tabien. Tomamos algo?" Ken fing daraufhin furchtbar an zu lachen. Der konnte sich fast nicht einkriegen. Doch sagte er noch: "Vale..." "Ken, dir geht's ja wieder gut!", sagte Davis freudig. In der Tat; seine Verbrennung war verschwunden und seinen Schuluniform hatte nicht einen einzigen Kratzer. "Sieht so aus...", aber er war noch ein wenig kraftlos. Dann sah er mich wieder an. "Hab' ich dir das zu verdanken?" "Sicher nicht." "Wie hast du das gemacht?" "Wenn ich das wüsste...", doch dann merkte ich, in was für einer Position ich mich überhaupt befand. Ich muss wohl kurz das Bewusstsein verloren haben, auf jeden Fall lag ich gerade eher lasziv in Kens Armen. War mir 'n bissl unangenehm, zumal der Junge fünf Jahre jünger ist als ich - und fast genauso groß wie ich. Doch Kens freundlicher Blick schlug plötzlich in einen schockierten Blick um. "Kosma, du blutest.", und er deutete auf meine Schulter. Eine riesige Wunde klaffte dort und blutete sehr stark. Die anderen schauten mich nicht weniger geschockt an. "Ach, das macht nichts.", versuchte ich sie zu beruhigen. "Bin ja hart im Nehmen. Ich würde sagen, wir bringen Ken lieber nach Hause. Er dürfte jetzt für eine Reise stark genug sein.", ich versuchte aufzustehen, doch das erwies sich als schmerzhafter, als angenommen. Aber ich bekam unerwartet Hilfe. Tai nahm meinen linken Arm und legte ihn sich über die Schulter. "Scheint so, als ob du es doch nicht ganz allein schaffst...", grinste er mir zu. "Ach, halt die Klappe.", grinste ich zurück und ließ mir von ihm helfen. Noch währen wir zum Stützpunkt liefen hörte ich hinter mir, wie Davis Ken fragte: "Was habt ihr denn da vorhin gefaselt?" "Das war Spanisch, du Dummi. Sie hat mich gefragt, wie's mir geht." "Und warum hast du bei diesem tomanus aglo so gelacht?" "Es heißt tomamos algo. Naja, sie hat mich gefragt, ob ich mit ihr einen trinken gehen will..." Kapitel 9: Ein Spiel ohne Regeln -------------------------------- Ein Spiel ohne Regeln "MATT!!!! Hatte ich dir nicht ausdrücklich gesagt, dass Miss Ich-krieg-alles-hin im Bett bleiben soll?!", keifte Tai seinen besten Freund an. Wir waren wieder in Tais Wohnung. Joes Vater war damit beschäftig, Ken durchzuchecken, während sich die anderen noch immer über mein soeben vollbrachtes Kunststückchen wunderten. Mit Ausnahme unserer zwei Streithähne. "Das hab' ich ja versucht, aber, wie ich schon erklärt habe, hat sie irgendwas seltsames gemacht und das nächste, an das ich mich erinnern kann, ist, dass sie weg war." "Jungs, entspannt euch mal.", stellte ich mich zwischen den Brünetten und den Blonden. "Ich bin halt ausgebüxt. Matt trifft keine Schuld." "Da hast du's.", sagte dieser, mir zustimmend. "Und außerdem ist ja nix passiert.", fügte ich noch hinzu. "Von wegen nix passiert.", Tai sah mich böse an. Dann griff er nach meinem rechten Arm. "Und was ist dann das?" "Autsch, hey hey hey hey... Ganz vorsichtig. Da bin ich gerade etwas empfindlich." "Was ist eigentlich passiert?", fragte Matt. Tai seufzte kurz, dann sah er sich um: "Davis. Beweg seinen Arsch hier her!" Der Angesprochene kam angetrottet. "Geht's nicht 'n bissl freundlicher?" "Sorry, bin gerade von dieser dunkelhaarigen Invalidin ein bisschen genervt." "DUNKELHAARIGE INVALIDIN?!?! Was erlaubst du dir?", fuhr ich Tai an. Doch das schien ihn nicht wirklich zu kümmern. "Hätte hochwohlgeborene Majestät Daisuke die unaussprechliche und unübertroffene Freundlichkeit und Güte, Hofmarschall Ishida von den eben verstrichenen widrigen Umständen, von denen wir soeben Vorlieb hatten, sie wahr zu nehmen, Bericht zu erstatten?", fragte Tai seinen Erben mit gespielter Höflichkeit. "Wie bitte?", fragte dieser nur. "Mann, du sollst Matt erzählen, was vorhin in der Digiwelt passiert ist." "Ach, so, sagt das doch gleich." "So, Kari, herkommen!" "Was denn, Bruderherz.", das kleine Mädchen kam ins Zimmer. "Sieh zu, dass du aus Ken rauskriegst, ob er uns irgendwelche genaueren Informationen über das vorhin Erlebte geben kann. Ob er irgendwas gefühlt hat oder was gesehen hat." "Klar, mach ich..." "Matt!" "Was?" "Du steht's Schmiere am Computer. Lass das Tor zur Digiwelt offen und schrei, wenn du irgendwas siehst!" "Is' gut, oh, furchtloser Anführer..." "Mein Kopf...", Tai rieb sich die Stirn. "Also, Davis erzählen, Kari fragen, Matt aufpassen, du Klappe halten und mitkommen.", und Tai zerrte mich am Arm uns dem Zimmer und ins Bad. Ja, er war wirklich der geborene Anführer. Nichtmal Davis würde es fertig bringen, in so kurzer Zeit, so viele Personen zu beschäftigen. "Pflanz deinen Arsch darauf!", befahl er mir und deutet auf einen Hocker neben der Badewanne. "Sag mal, musst du immer so durch die Gegend kommandieren?", fragte ich Tai, der gerade damit begonnen hatte, in einem Schrank nach Verbandszeug zu suchen. "Ich bin Löwe. Das liegt mir im Blut." "Ach, jetzt schiebst du auch noch alles auf dein Sternzeichen." Er holte gerade eine Rolle Bandagen heraus. "Is' auch so 'ne Eigenschaft von Löwen.", und er kniete sich zu mir runter. "Man macht sich nie selbst zum Sündenbock." "Na, im andere Beschuldigen bist du ja Nummer eins." Er zog einmal kräftig an meinem Arm. "Autsch, spinnst du?" "Ich würde meine Klappe nicht so weit aufreißen." "Wollen wir wetten?", ich grinste ihn sarkastisch an. "Zieh dein Shirt aus!" "Jetzt drehst du wohl vollkommen durch. Einen Scheiß werd' ich tun." "Ach, verdammt, JETZT TU DOCH ENDLICH MAL, WAS ICH DIR SAGE!!!" Ich hielt augenblicklich meinen Mund und zog mein Shirt aus. Das war mir nicht mal peinlich jetzt nur noch im Sport-BH vor ihm zu sitzen. Er sah sich die Verletzung an meiner Schulter an. Au, Backe... "Das sieht aus, wie eine Platzwunde.", sagte er ernst. "Aber wie, zum Teufel, ist das passiert?", dann sah er zu mir hoch. Ich blickte ihn unsicher an. Ich wusste nicht ganz, ob ich ihm keine Antwort geben wollte oder gar keine Antwort hatte. Doch dann lächelte er. "Jetzt sitzt du schon wieder hier und ich verarzte dich. Kannst du nicht einmal selbst auf deinen Hintern aufpassen?" Ich lächelte ihm zurück. Dann machte er sich drauf und dran, meine Wunde so professionell, wie er nur konnte, zu versorgen. Es war dabei die ganze Zeit still. "Ich... Ich bin auch Löwe. Und ich habe gelesen, dass ein Mensch, der als Löwe geboren ist, mit einem zweiten Löwen überhaupt nicht auskommt. Der Streit ist vorprogrammiert." Tai lächelte. "Da haben wir doch unseren Sündenbock. Wenigstens haben wir jetzt was gemeinsam.", er war nun damit fertig und meine Verletzung tat auch nicht mehr so sehr weh. "Kosma, ... Was ist vorhin passiert? Und ich will eine ehrliche Antwort." Der brünette Junge sah mich bei diesen Worten mit einer unglaublichen Entschlossenheit an, sodass es mir direkt unangenehm wurde, dass ich keine wirkliche Antwort hatte. "Ich enttäusche dich nur ungern, aber ich weiß es selbst nicht. Ich hab' mich nur an irgendwas erinnert und da war plötzlich eine große Kraft in mir. Auch, als ich noch in deinem... Äh... Bett lag und Matt nicht zulassen wollte, dass ich gehe. Ich habe mir nichts mehr auf der Welt gewünscht, als Ken zu helfen und da war wieder diese Kraft. Und wie ich Ken da so liegen sehen hab', wurden die Erinnerungen immer stärker, genau, wie meine Kraft. Aber ich weiß selbst nicht, woher diese Kraft kommt oder warum ich sie habe...", ich sah Tai unsicher an. Ich weiß gar nicht, ob ich mir jetzt eine Antwort von ihm erhoffte. "Naja, früher oder später werden wir sicher herausfinden, was mit dir los ist. Wir versuchen später noch mal zu Gennai zu kommen. Hoffentlich finden wir dann eine Lösung. Aber tu mir einen Gefallen... Handle bitte nie wieder auf eigene Faust.", und er lächelte mich dabei so süß an. "Das werde ich dir nicht versprechen können...", ich lächelte zurück und zog mein Shirt wieder an. Die Situation zwischen uns zweien war irgendwie in die falsche Richtung geraten, hatte ich so das Gefühl. Obwohl mein Gefühl auch nicht mehr das Wahre ist. "Tai, ich hab' noch eine Frage." "Was denn?" "Du hättest vorhin Joes Vater fragen können, ob er sich um meine Wunde kümmert. Technisch gesehen wäre seine fachmännische Beratung sicher besser gewesen. Aber trotzdem hast du das gemacht. Warum?" Die Antwort war schon fast überflüssig, als ich sah, wie sich Tais Gesicht leicht rot färbte. Na, toll, als ob ich nicht so schon genug Probleme hätte. Doch durch einen Schreck, weil jemand unerwartet die Tür eintrat, wurde die Stille zwischen mir und Tai augenblicklich unterbrochen. "Tai, du hast doch gesagt, ich soll schreien, wenn was nicht stimmt...", Matt stand mit einem etwas übereiltem Gesichtsausdruck in der Tür. "Ja, natürlich. Und?" "AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHH!!!" "Meine Ohren...", jammerte ich wieder einmal. "Was ist denn los?", fragte Tai. "Was soll schon los sein? Es ist kalt draußen, ich habe meine Hausaufgaben nicht gemacht, das Handtuch ist grün, Myotismon kommt gerade zu einem Kaffekränzchen hier her. Du weißt ja wie das ist..." "WAS?!? Myotismon ist hier?", und kaum hatte Tai diese Worte ausgesprochen, flog plötzlich eine Schockwelle durch den Flur und zerrte Matt von der Tür weg, sodass er gegen die nächste Wand knallte und bewusstlos in einer Ecke liegen blieb. "Das hört sich nicht gut an.", murmelte ich. "Was du nicht sagst.", Tai nahm meine Hand. Myotismon stand plötzlich in der Tür und grinste uns auf seine erhabene, großkotzige Art an. "Was willst du hier?", mann, Tai war mutiger als ich dachte. Ich hatte gerade so viel Angst, dass ich kein Wort 'raus brachte. "Dann veranstalten wir ein kleines Quiz. Was werde ich wohl wollen?", gab Myotismon von sich. "Was soll der Scheiß?" "Was sagt die Jury dazu? EEEEEHHH, falsch geraten. Dieser Kandidat ist leider ausgeschieden. Aber sie bekommen einen kleinen Trostpreis. Einen Trip in die Hölle. GRUSELFLÜGEL!!!", und das große, bösartige Virus-Digimon schleuderte seine Attacke gegen Tai, sodass es ihn durch das ganze Bad fetzte. "So, Kandidat eins ist nun mehr raus aus dem Spiel. Wie steht's denn jetzt mit Kandidat zwei?", Myotismon kam auf mich zu und bei jedem seiner Schritte schlug mein Herz vor Angst ein wenig lauter. "D-du willst mich, hab' ich recht?", sagte ich zaghaft. "Ding-ding-ding-ding-ding!!! Wir haben eine Gewinnerin. Was darf's denn sein? Suchen sie sich einen ihrer Preise aus. Wen von den hier anwesenden darf ich als Erpressungswerkzeug benutzen, um dich zu zwingen mit mir zu kommen?" "Das wagst du nicht." "Wieso nicht? Du hast den Preis gewonnen. Aber wenn du so unentschlossen bist...", Myotismon sah sich kurz um, doch dann entdeckte er in der nächsten Ecke Matt liegen, packte ihn am Hals, zerrte ihn zu sich heran und warf ihn mir dann vor die Füße. "Dieser hier erscheint mir wohl am geeignetsten für dich, weil du ihn doch schon immer sooooooo sehr gemocht hast." Das Digimon fuhr seine langen, spitzen Krallen aus und kniete sich zu dem blonden Jungen runter um sie genau über seinen Rücken zu halten. "Matt...", flüsterte ich, da ich vor Angst nicht mehr richtig sprechen konnte. "Und jetzt entscheide dich. Entweder du kommst mit mir oder der kleine Junge hier wird's nicht mehr lange machen.", Myotismons Krallen rückten immer näher und stachen den Jungen bereits ansatzweise. Was sollte ich denn jetzt tun? Warum ich? Warum ausgerechnet ich? Was habe ich getan, dass ich jetzt hier bin und so eine Entscheidung treffen muss? "Kosma...", Matt kam plötzlich wieder zu sich. "Tu's nicht.", sagte er schwach. "Er hat was mit dir... ... vor und ich glaube... ...nicht, dass er nur ein kleines Schwätzchen... ... mit dir veranstalten will." "Matt, das kann ich doch nicht machen." "Und wie du das kannst." Oh, Gott, das darf doch nicht wahr sein. Jetzt erfahre ich zum ersten Mal am eigenen Leib, wie es ist, sich für sein oder für ein anderes Leben entscheiden zu müssen. Ich hab' keine Ahnung, was dieses miese Virus-Digimon mit mir vor hat, aber ich bezweifle, dass es mich sofort umbringen wird. Das hätte es schon längst tun können. Außerdem würde es mich nicht erpressen, wenn es mich nicht lebend braucht. Ich gehe lieber mit. Für Matts Tod verantwortlich zu sein, wäre gerade zu ironisch. Vielleicht kann ich sogar so den Digirittern ein bisschen Zeit verschaffen. Und wenn ich drauf gehe? Mein Blick fiel wieder auf den hilflosen Matt. Tja, dann gehe ich eben drauf. Lieber sterbe ich als ein Held, als ein Feigling... Typisch Löwe, halt. "Nun, was ist?", fragte mich Myotismon noch einmal. "Ich komme mit." "Nein...", hörte ich noch von Matt, aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. "Gute Entscheidung!!!", rief Myotismon, ergriff meinen Arm und zerrte mich zu sicher heran. "Obwohl ich eigentlich gerne noch jemanden getötet hätte.", er holte nochmals aus und bohrte Matt dann seine Krallen in den Rücken. Der Junge schrie auf und ich hätte Myotismon am liebsten erwürgt. "Das ist gegen die Regeln.", brüllte ich. "Ich hab' mich noch nie an die Regeln gehalten. Schlaf schön!" Ich fühlte plötzlich eine starken Stich in meiner Schulter. Auf jeden Fall muss da Gift mit im Spiel sein, denn mir wurde schlagartig schwarz vor Augen. Ich hoffte nur noch, dass Matt nicht wirklich tot war, bis ich völlig das Bewusstsein verlor... Ich wollte ihnen doch nur helfen... Kapitel 10: Fake? ----------------- Fake? "Guten Morgen, Kleines..." "Mama?!" "Du musst zur Schule." "Ach, wo?" "Ja, es ist schon spät." "Ich bin schon wach.", ich öffnete meine Augen. Da lag ich wieder in meinem Zimmer, noch komplett angezogen, das Koromon-Plüschi in meinem Arm. Habe ich etwa die ganze Zeit geschlafen? Da habe ich ja gestern den restlichen Unterricht geschwänzt. Cool. Gut, dass mir meine Mama deswegen nicht die Hölle heiß macht. Vielleicht weiß sie's auch gar nicht. Schlafende Hunde soll man ja nicht wecken, also halte ich lieber meine Klappe. Ich stand auf und zog mich um. In den zerknitterten Klamotten konnte ich unmöglich in die Schule gehen. Während ich mein Shirt auszog, sah ich zu meinem Bett rüber. Darauf lag der rosa Plüschball. Das Koromon sah mich wieder mit den roten Schulmädchenaugen ganz unschuldig an. Es war doch alles nur ein Traum. Das war wohl der genialste, den ich je hatte. Ich als Mitglied der Digiritter. Wahnsinn. Ob Matt jetzt wirklich tot ist? Ach, was fragte ich mich das eigentlich? War doch nur ein Traum und die Digiritter gibt es sowieso nicht wirklich. Dann sah ich in den Spiegel. Mein Spiegelbild sah zu mir zurück. Doch plötzlich fiel mein Blick auf eine Bandage an meiner Schulter. Ich starrte fassungslos darauf. Das war die Verletzung!?! Sag' mir bitte, dass das nicht die Verletzung war. Aber wie kommt die dahin und warum und wieso und weshalb?!? Das ganze kam mir etwas verdächtig vor. War der Traum vielleicht so extrem real? Is' mir alles ein bisschen schleierhaft. Und aus einem seltsamen Grund ging mir Matt nicht aus dem Kopf. Wenn er jetzt wirklich tot ist. Ich wusste zwar, dass es nur ein Traum war, aber ich hatte auch das Gefühl, dass ich mir es nie verzeihen würde, wenn er wirklich stirbt. Matt... So langsam hielt ich die Realität nicht mehr für real. Ich fühlte mich auf einmal so unwohl hier in meinem sonst so vertrauten Zimmer. Es kam mir alles so unecht vor. Als ob alles nur aus Styropor wäre. Ich versuchte diesen Gedanken zu vergessen und zog mich weiter an. Doch auch in der Schule war das Gefühl, nicht wirklich hier her zugehören, noch immer da. Ich versuchte dem Unterricht zu folgen, aber immer wieder rasten mir die Bilder von Matt durch den Kopf, wie er von Myotismon verletzt wird. Das machte mir langsam aber sicher Kopfschmerzen. Ständig musste ich mich zwingen, auf die Tafel zu sehen und nicht aus dem Fenster. Das machte mich halb wahnsinnig. Es war, als ob ich ständig versuchen würde, durch eine unsichtbare Mauer zu rennen. Es war unheimlich und machte mir Angst. Gegen Ende der ersten zwei Stunden war dieses Gefühl einfach nicht mehr zu ertragen. Das war doch nicht normal. Das konnte nicht normal sein. Diese Welt erschien mir auf einmal so klein. Es kam mir vor, wie in einem leeren Raum zu stehen, der von allen Seiten geschlossen ist. Ich meinte sogar, meine Schritte in diesem Raum widerhallen hören zu können. Meine Schritte klangen viel lauter, als die der anderen Schüler, die alle gestresst durch das Schulgebäude liefen. "Hey, was ist denn los? Nicht einschlafen da vorn!", wurde ich von hinten angesprochen. "Hä?!", ich drehte mich um. Da stand meine beste Freundin. "Hallo, Kati." "Woher kennst du meinen Namen?" "HaHa, sehr witzig." "Nein, ehrlich!" "Ach, red doch keinen Scheiß, Kati, du bist meine beste Freundin. Woher sollte ich sonst deinen Namen kennen. Du kennst meinen doch auch." "Oh, vielleicht verwechselst du mich mit jemandem, denn ich sehe dich heute zum ersten Mal. Ich kenne deinen Namen nicht." Wie bitte? Spinn ich?!? Das kann doch nicht wahr sein. Hat mir meine beste Freundin gerade gesagt, dass sie meinen Namen nicht kennt? "Aber Kati. Ich bin's, Kosma." Das dunkelhaarige Mädchen sah mich immer noch so an, als würde ich eine fremde Sprache sprechen. "Wir sind seit der Siebten zusammen in einer Klasse und seit Februar sind wir die besten Freunde. Schon vergessen?" "Tja, also einer von uns beiden ist wohl nicht mehr ganz auf der Höhe.", meine vermeintliche Freundin lächelte mich an. Und dieses Lächeln kam mir auf eine seltsame Art bekannt und vertraut vor, aber es war nicht das Lächeln, das ich sonst von ihr gewohnt war. "Das ist doch jetzt keine Verarsche, oder?" "Nein, ich weiß wirklich nicht, wer du bist. Sorry. Aber das macht nix. Wir können uns ja noch mal kennen lernen.", sie reichte mir ihrer Hand. "Ich bin Kati.", sagte sie nun freudig. Ich war mir nicht ganz sicher, da ich noch immer glaubte, dass man mich nur verscheißert. Aber dennoch sagte ich: "Ich bin Kosma.", und griff nach ihrer Hand. Dabei zuckte Kati stark zusammen, sah mich mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck an und sagte dann: "Matt ist in Gefahr...", aber noch im selben Augenblick fing sie sich wieder und machte einen verwirrten Eindruck. "Was habe ich gerade gesagt?", brachte sie heraus. "Du hast gesagt, dass Matt in Gefahr ist. Was hast du damit gemeint?", und plötzlich war die Fremdheit und die Unnatürlichkeit dieser Welt, die ich die ganze Zeit im Gefühl hatte, vergessen und ich sah das Mädchen erwartungsvoll an. "Wer ist Matt?", fragt sie mich. "Du hast eben gesagt, Matt wäre in Gefahr." "Das hab' ich gesagt? Kann mich gar nicht daran erinnern." So langsam wurden meine Zweifel an dieser Realität immer berechtigter. "Kati, welche Sportart spielst du am liebsten?" Das Mädchen zuckte erneut zusammen und antwortete: "Fußball..., ich meine Volleyball." Jetzt war ich mir sicher. Ich packte das Mädchen bei den Schultern, zog es zu mir heran und umarmte es. Dabei schrie sie kurz auf, doch dann sagte sie, was ich hören wollte: "Matt lebt noch, aber sicher nicht mehr lange. Hilf uns. Wo bist du?..." Ich ließ sie wieder los. "Was war denn das eben?", fragte mich Kati. Aber jetzt wusste ich, dass das nicht Kati war und deswegen entsprang meinen Lippen nur noch das eine: "Tai?"... Plötzlich wurde alles um mich herum gleißend hell und meine Schulter fing an zu schmerzen. Was passierte jetzt? "Verdammt noch mal...", hörte ich eine tiefe Stimme fluchen. "Wie hat sie das nur gemerkt?" Das Licht wurde langsam schwächer. Als ich meine Augen öffnete, haute mich mein momentaner Standpunkt fast um. Ich hing an Armen und Beinen gefesselt an einer Wand in einer dunklen, großen Höhle und vor mir schien sich gerade Myotismon furchtbar über etwas zu ärgern. Ich fand das ganze schon etwas seltsam, denn das sonst so erhabene und böse Myotismon stakste nun wie das Rumpelstielschen durch den Raum und machte einem Gott-ist-das-Vieh-bescheuert-Image alle Ehre. "Warum bist du wieder wach?", keifte er mich dann an. Dann drehte er sich zu einem neben ihm fliegenden, schwarzen Ball mit gelben Augen und Fledermausflügeln: "Hat dein Gift etwa seine Wirkung versagt?" "Aber nein, Meister.", versuchte sich dieser Ball, den ich letztendlich als Demidevimon identifizieren konnte, zu entschuldigen. "Mein Gift hat sonst auch immer gewirkt. Warum es das jetzt nicht tut, weiß ich nicht." "Äh, hallo...", meldete ich mich. "Werde ich hier ignoriert?", von Angst war bei mir gerade keine Spur. Ich fragte mich eher, was hier vor sich ging. Und obwohl ich gerade so ziemlich Myotismon hilflos ausgeliefert war, war ich doch ganz froh, dass das eben Erlebte nicht die Realität war. War wohl nur eine Halluzination. "Nein, es war keine Halluzinationen." Kann Myotismon jetzt auch noch Gedanken lesen? Wie erschreckend. "War es nicht?" "Es war deine Welt, in die ich dich eigentlich geschickt habe." "Ach, wo!" "Ja, aber aus irgendeinem Grund hat es nicht geklappt.", doch das Gesicht des menschenähnlichen Digimons verwandelte sich von einer düsteren Mine ganz schnell in ein sarkastisches Grinsen. "Na, macht nichts. Damit bringe ich zwar die Welten aus dem Gleichgewicht, aber wenn ich erstmal Herrscher über alles und jeden bin, ist es ja egal, was passiert." "Was meinst du?" "Ich werde dich jetzt töten." "Was?!?" "Du hast schon ganz richtig gehört.", Myotismon fuhr wieder seine Krallen aus und bewegte sich dann langsam auf mich zu. "Äh, können wir das nicht mal bei einem Kaffe ausdiskutieren?", schlechter Kommentar. "Ich hasse Kaffe." "Dann eben Tee. Der ist gesund und auch gut für deine... Äh... Figur?!?", anscheinend rede ich in Todesangst immer so einen Mist. Das Virus-Digimon stand nun vor mir. "Du verschwendest nur deinen Atem." "Ich weiß, meine Mutter hat mir schon mal gesagt, dass ich zu viel rede... Hehe...", jetzt will er mir wirklich die Kerzen auspusten. Und ich wollte Matt doch noch retten. "Das macht nichts. Ich kann dir das Reden ganz schnell abgewöhnen.", und er hielt mir seine Krallen gegen den Hals. "Geht ganz schnell. Du spürst überhaupt nichts, bis auf die quälenden Minuten, in denen du mit dem Tod ringen wirst." "Deine Therapiemethoden sind aber sehr radikal." "Radikale Therapie ist mein Spezialgebiet.", dann fing er langsam an, mir ins Fleisch zu schneiden. "Aaaahh, bitte nicht...", flehte ich und ich spürte, wie mir das Blut am Hals herunter lief. Das kann es doch jetzt nicht gewesen sein... "HEY! SCHLUSS DAMIT!!!", hörte ich eine Stimme. Myotismon hörte augenblicklich damit auf, meinen Hals in Sushi zu stückeln und ich atmete erleichtert auf. "Paildramon, los Angriff!!!", ein riesiges Digimon kam plötzlich aus der Versenkung und griff Myotismon an. Dieses war durch den Angriff so überrascht, dass es von mir abließ und erstmal mit Paildramon beschäftigt war. Ken, Davis und Yolei kamen auf mich zu. "Du bringst es aber auch nicht wirklich fertig, auf dich aufzupassen.", grinste mich Davis an. Ich war schon irgendwo froh, dass die drei gekommen sind, um mich zu retten, aber diesen Kommentar hätte sich der rothaarige Stachelkopf ruhig schenken können. "Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte mich Ken. "Sehe ich denn so aus?", fragte ich zurück. Die drei befreiten mich dann endlich. "Und was machen wir jetzt?" "Abhauen! Was denn sonst?", schrie Yolei und rannte voraus. Wir anderen hinterher. "Paildramon! Rückzug!", rief Davis noch. Paildramon ließ von Myotismon ab und kam uns hinterher gerannt. Dabei digitierte es wieder zurück und zerteilte sich in XV-mon und Stingmon, welche daraufhin erneut zu Veemon und Wormon zurückdigitierten. Der Angriff blieb natürlich nicht unbestraft und wir hörten noch, wie Myotismon ein paar Frigimon die Anweisung gab, uns zu töten. Schon wieder ums Leben rennen. Langsam gewöhnte ich mich daran. "Na, das haben wir doch ganz gut hingekriegt.", sagte ich. "Ja, aber diesmal scheinen unsere Chancen sehr begrenzt, denn unsere Digimon sind durch den Kampf eben völlig ausgepowert und auf dem Weg hierher mussten sie ja auch noch kämpfen.", rief Yolei. "Außerdem ist es noch ein weiter Weg bis zum Stützpunkt und zum Wegrennen ist die Strecke wohl ein bisschen weit. Die Digimon dahinten werden uns platt gemacht haben, bevor wir angekommen sind.", sagte Davis. "Na, toll, gibt's noch mehr schlechte Nachichten?", fragte ich und hoffte, dass die anderen ihre Klappe hielten. Aber das nächste Mal schlage ich Ken lieber die Fresse ein, bevor er wieder mit schlechten Nachrichten kommt: "Ja, Matt und Tai sind nicht gerade wohl auf." "Wundervoll.", gab ich ironisch von mir. "Was ist denn passiert?" "Das erzähl ich dir, wenn wir nicht mehr um unser Leben rennen müssen." "Was rennen wir überhaupt noch?", jammerte Yolei. "Nicht mehr lange und wir sind sowieso ein Fall für die Fische!!!" "Fische?!?", ich blieb plötzlich stehen, weil mir was geniales eingefallen ist. "Leute, mir ist was geniales eingefallen. Kommt mit.", und wechselte die Richtung und steuerte genau auf einen Wald zu. "Bist du sicher, dass du weißt, was du tust?", fragte mich Davis. "Ich weiß immer, was ich tue. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, als die Digiritter der ersten Generation zu Gennai eingeladen wurden, um einige Antworten zu kriegen. Und ich weiß noch ganz genau, wo sich Gennais Sitz befindet." "Wo denn?" "Er befindet sich in einem See." Und genau in diesem Moment machte ich halt. Der Wald, durch den wir die ganze Zeit gehetzt waren, endete und es erstreckte sich vor uns ein riesiger, blauer See. "Und wie kommen wir jetzt darunter, ohne zu ertrinken?" "Ganz einfach. Hey, Gennai, es gibt PROBLEMEEEE!!!", rief ich dem See entgegen. Es dauerte nicht lang, da verschwand das Wasser an einer Stelle und gab eine steinerne Treppe frei. Die anderen staunten nicht schlecht, doch ich fand es angebracht, jetzt ein bisschen Stress zu machen. "Los, bewegt euch. Schon vergessen? Wir werden von todbringenden Digimon verfolgt." Und alle folgten mir die Treppe hinab... Kapitel 11: Weiße Flügel ------------------------ Weiße Flügel "Ganz große Klasse!", motzte Davis. "Jetzt sind wir schon mal hier und Gennai ist nicht da. Frechheit." "Jetzt reg dich ab. Wenigstens sind wir erstmal vor den Frigimon sicher.", versuchte Ken seinen besten Freund auf den Boden zurückzuholen. "Sei doch wenigstens froh, dass wir jetzt wissen, wo Gennai lebt.", er wandte sich zu mir. "Wir wussten das nämlich gar nicht und standen ziemlich blöd da, als Tai und Matt nicht mehr zur Verfügung standen." "Also, was ist nun passiert mit ihnen?", wechselte ich das Thema. "Tja, Matt wurde durch Myotismons Aktion sehr in Mitleidenschaft gezogen. Wir haben's noch geschafft, ihn in ein Krankenhaus zu stecken, aber die Ärzte haben nicht viel Hoffnung, dass er die nächste Nacht überlebt. Und Tai... Als Myotismon Demidevimons Giftspritze in deinen Körper gejagt hat, wurdest du sofort bewusstlos. Er hat dann die Spritze fallen lassen und ist abgezogen. Und Tai hat irgendwie nicht lange gefackelt, sondern die Spritze gegriffen und hat sich damit selbst gestochen. Damit war auch er weggetreten. Was seine Aktion für einen Sinn hatte, weiß ich nicht. Jedenfalls hat er uns damit einen tierischen Schreck eingejagt." "Moment mal. Ganz kurz zum Mitschreiben. Sagtest du gerade Demidevimons Gift?" "Ja." "Myotismon sprach vorhin auch von Demidevimons Gift. Und in der Welt, in der ich war... Tai hat mich da wieder rausgeholt. Das bedeutet, er wusste es." "Er wusste was? Was war denn eigentlich los?" "Als ich wieder zu mir kam, wachte in meinem Bett in meiner Welt wieder auf und ging zur Schule. Dort hat mir dann meine beste Freundin gesagt, dass sie mich nicht kennt. Aber dann habe ich herausgefunden, dass das gar nicht meine Freundin war. Es war Tai. Durch das Gift konnte mich Myotismon zurück in meine Welt schicken. Tai hat das gewusst und ist mir auf dem selben Weg hinterher, um mich zurückzuholen." "Aber das würde ja bedeuten..." "...dass Tai immer noch in meiner Welt ist, im Körper meiner besten Freundin." "Deswegen ist er also nicht ansprechbar. Sein Geist ist nicht mehr in seinem Körper. Er ist nicht mal mehr in dieser Welt. Aber ich frage mich, warum dich Myotismon in deine Welt zurückgeschickt hat. Wenn er dich aus dem Weg haben wollte, hätte er dich doch einfach nur töten müssen." "Naja, er hat vorhin irgendwas gefaselt, dass sonst die Welten aus dem Gleichgewicht geraten könnten, aber im Endeffekt war ihm das dann doch egal, wie man so schön sieht.", ich fasste mir an den Hals. "Vielleicht sollten wir da erstmal was unternehmen. Gennai wird hier sicher irgendwo ein Taschentuch oder sowas haben.", und Ken machte sich auf die Suche. Ich hingegen war wegen meiner Verletzung wenig besorgt. "Du machst dir Sorgen um Tai und vor allem um Matt.", sprach mich Wormon an. Ich hockte mich zu ihm hinunter. "Ja, da hast du recht.... ... Ich liebe euch alle sehr und will euch nicht verlieren, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass alles nur meine Schuld ist. Wäre ich hier nicht aufgetaucht, hätte ich euch vielleicht alle nicht in Gefahr gebracht." "Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen.", sprach mir das grüne, wurmartige Digimon ein wenig Mut zu. "Du hast getan, was du konntest." "Und was war das? Ich habe doch bis jetzt noch gar nichts getan, außer euch in Gefahr zu bringen." "Aber du hast Ken gerettet. Du hast meinen besten und liebsten Freund gerettet. Wärst du nicht gewesen, wäre er jetzt sicher schon tot." "Ach, Wormon..." "Du hast dir nichts vorzuwerfen. Ich weiß ganz genau, dass du für uns alle noch sehr bedeutsamer wirst, als du es jetzt schon bist." "Ich bin für euch jetzt schon bedeutsam?" "Sonst hätten wir sicher nicht versucht, dich zu retten.", Wormon lächelte. Mindestens genauso süß, wie sein Besitzer. "Dankeschön, dass ihr mich gerettet habt." "Das tut man eben für Freunde..." "Kosma!", rief Ken aus einem der hinteren Zimmer. "Kommst du bitte mal." "Bin schon da.", rief ich zurück und stand wieder auf. In der Tür empfing mich Ken schon mit einem weißen Tuch. "Hier, hab' ich gefunden. Drück dir das an den Hals." "Danke..." "Aber, was ich dir eigentlich zeigen wollte ist das...", Ken zog mich weiter in das große, unmöblierte Zimmer und deutet auf ein riesiges Gemälde an der Wand. Darauf waren zwei Wesen abgebildet. Eines stand auf der rechten Seite im Licht und hatte weiße Flügel. Doch in dem Schatten, den dieses Wesen warf, stand auf der linken Seite eine dunkle Gestalt mit schwarzen Flügeln. Das weiße Wesen schien irgendeinen Gegenstand vor der dunklen Gestalt zu beschützen, die danach gierig ihre krallenartigen Finger ausstreckte. Aber obwohl das weiße Wesen den hellen Gegenstand beschwörend mit den Händen umfasste, war der Gegenstand in der Mitte des Bildes, genau zwischen den zwei Figuren. Und trotz, dass das helle Wesen um einiges kleiner war, als die schwarze Gestalt, schien es keinerlei Angst zu haben, sondern mutig seiner Bestimmung Folge zu leisten. Als ich mir das Bild so betrachtete, wurde mir auf der einen Seite ganz kalt aber gleichzeitig wohlig warm. War 'n seltsames Gefühl. "Und sieh nur, was da unten steht.", Ken deutet auf ein paar kleine Buchstaben am unteren Rand des Bildes: "Wenn die Sonne wird verschlungen Von den schwarzen Flügeln, doch Wenn die weißen Flügel schlafen..." "Wenn die weißen Flügel schlafen...", sprach ich mit Ken mit, ohne die Schrift zu lesen. "Und sich ihre Hoffnung verkroch. Der letzte Weg ist nur der eine, Den die Liebe des Schoens erhört. Lasst weiße Flügel nicht länger schlafen Sonst die Sonne wird zerstört... Das ist die Prophezeiung..." "Woher kennst du den Text?", fragte mich Ken. "Ich... ...weiß es nicht. Die Worten kamen mir einfach so aus dem Mund." Ich betrachtete das Bild noch einmal. Dieses weiße Wesen kam mir so furchtbar bekannt vor. "Vielleicht hatte Wormon recht. Vielleicht bin ich für euch doch von größerer Bedeutung, als ich dachte." "Aber du bist auch so für uns von Bedeutung.", sagte Davis, der gerade mit Yolei und den Digimon ins Zimmer gekommen war. "Wie bitte?", ich drehte mich um. "Es wäre doch egal, was du für die ganze Aktion hier zu bedeuten hast. Du bist uns so und so wichtig." "Seid ihr sicher." "Wieso sollten wir da nicht sicher sein?", fragte Yolei. "Ich weiß auch nicht. Warum bin ich euch denn so wichtig?" "Liegt das nicht auf der Hand?" "Äh, nein." "Ganz einfach, weil wir dich lieben.", sagte Ken und legte mir seine Hand auf die Schulter. "Ihr liebt mich?" "Natürlich. Du bist uns wichtig, weil wir dich lieben." "Ich hab's dir ja gesagt.", zwinkerte mir Wormon zu. "Ihr liebt mich... ...liebt mich... ...Liebe...", plötzlich wurde es in mir ganz still. Es hatte alles nur mit einer lächerlichen Schwärmerei für meinen Lieblingsanime angefangen und jetzt sagen mir genau die Personen, die ich die ganze Zeit über bedingungslos geliebt habe, dass sie mich genauso lieben. Ich durfte sie nicht im Stich lassen. Niemals. In mir wuchs wieder die Kraft. Diese unglaubliche Kraft, die ich auch verspürte, als ich Ken das Leben rettete. Die Kraft brachte meinen Körper zum glühen und mir wuchsen auf einmal Flügel. "Mein Gott.", brachte Davis nur noch raus. "Hey, Moment mal, wo willst du denn hin?", rief Yolei, weil ich abhob und tun musste, was ich tun musste. "Wenn ihr mich so sehr liebt, habe ich keine Zeit zu verlieren. Vielleicht gibt es doch noch etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt. Ihr bleibt hier und wartet auf mich.", dann verschwand ich. Kapitel 12: Liebe ----------------- Liebe Mich riss es quer durch den Raum. An mir zuckten Lichter vorbei. Ich sah mal links mal rechts seltsame Bilder. Mein Zimmer war auch mit dabei und meine Schule auch. Aber ich sah außerdem auch die Bilder anderer Animes und Filme, die ich kannte und nicht kannte. Und ganz dicht daneben sah ich auch noch reale Personen mit gezeichneten Figuren und Schauspielern zusammen. Da hielt ein vierzehnjähriger Junge mit Dolly Buster Händchen und ein kleine Elfjährige jagte einem Pokémon hinterher. Ich sah sogar Kati, wie sie Will Smith küsste. Aber in den meisten Bildern waren nur Kinder zu sehen. Erwachsene eher selten. Es waren aber auch viele andere seltsame Welten dabei, die ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen habe. Ich hörte verschiedene Melodien von Kinderliedern und Popmusik, bis hin zu ganz seltsamen Klängen, die ich nicht zu beschreiben wusste. Es ging alles so schnell, dass ich gar nicht alles registrieren konnte. Meine wilde Reise war schließlich beendete, als ich volle Breitseite auf den Flur eines Gebäudes knallte. Ich schüttelte den Kopf, dann sah ich mich um. Kein Zweifel, ein Krankenhaus und zwar genau das, wo ich auch hin wollte. Meine Flügel waren verschwunden und so brauchte ich mir auch keine Sorgen zu machen, dass ich schief angeguckt werde. Schon beinahe meiner Intuition folgend betrat ich ein Zimmer, in dem ich auch fand, was ich suchte. Ein paar der Digiritter waren auch anwesend und standen teils in der Gegend rum und teils an einem Bett. Sie waren alle ziemlich überrascht, als ich zur Tür reingeschneit kam. "Kosma, was suchst du denn hier? Wir dachten schon, du seist tot.", kam mir Izzy als erster entgegen. "Freut mich auch, dich zu sehen, Izzy. Macht mal alle 'n bisschen Platz.", ich drängte die anderen zur Seite, die sich bereits tierisch einen Kopf darüber machten, wie ich hierher gekommen bin. Aber mich kümmerte das nicht. Ich konzentrierte mich lieber auf den blonden Jungen, der mit geschlossenen Augen und flacher Atmung in dem Bett lag. "Matt? Hey, du alte Schnapsdrossel. Pennen dulde ich jetzt nicht. Es gibt verdammt noch mal Probleme und wir brauchen dich alle dazu... Oh, und noch was: Ich liebe dich!!!" Alle starrten mich urplötzlich an. Ganz besonders Sora, oder bildete ich mir das nur ein? "Ich liebe dich über alles. Und das darfst du nicht vergessen, wenn du das nächste Mal für mich den Kopf hinhältst. Verstanden?", dann legte ich meine Hände auf seinen Körper und dachte immer wieder so stark ich nur konnte daran, wie sehr ich die Digiritter und die Digimon liebte und wie gerne ich sie beschützen würde. Ganz unwillkürlich erinnerte ich mich an die eine Folge aus der zweiten Staffel, in der Matt mit Ken nach Mexiko geflogen ist, um dort die restlichen Digimon wieder einzusammeln und den schwarzen Turm zu zerstören. Es war eine der wenigen Folgen, in denen Matt so stark aufgetreten war und auch eine der einzigen Folgen, in der Matt, der ja sonst so total cool und touhg ist, sich bis auf die Knochen blamierte, weil er kein Spanisch, ja nicht einmal Englisch kann. Ich liebte diese Folge über alles und hätte ich damals einen Videorecorder gehabt, ich hätte mir diese Folge sicher hundert mal angesehen. Unter meinen Händen begann es wieder zu leuchten, genau wie es bei Ken der Fall war. Mir wurde ganz warm und ich spürte, wie die Kraft in mir aufstieg. Es war ein unglaubliches Gefühl, weil ich endlich helfen konnte. Ich hatte eine wertvolle Bedeutung. Ich konnte heilen. Matt schlug die Augen auf und sah mich verwirrt an. "Quatsch mich aber jetzt bitte nicht auf spanisch an.", sagte er leise. "Ich kann kein Spanisch.", dann grinste er... "Oh, mann, mach das nie wieder...", sagte ich und fiel ihm um den Hals. Die anderen waren nicht weniger froh als ich. "Aber eins würde mich interessieren.", Matt sah mich erwartungsvoll an. "Was denn?" "Du hast gesagt: Ich liebe dich! Soll ich mir jetzt Sorgen machen? Du weißt schon, wegen..." "Ja, ich weiß! Sprich es bitte nicht aus, sonst spring ich aus dem Fenster. Also, willst du die lange Fassung hören oder die kurze?" "Tja, da ich jetzt wohl nicht mehr sterben muss, werde ich wohl Zeit für die lange haben." "Ähm, ich war schon immer in dich verliebt. Als ich dich vor drei Jahren das erste Mal gesehen habe - da warst du gerade mal elf - hab' ich mir gedacht, auweia, schon wieder blond. Versteh mich bitte nicht falsch, aber bezüglich blonden Jungs brennt bei mir immer irgendeine Sicherung durch. Aber bei dir war es irgendwie ein bisschen anders. Vor allem, als ich dich dann gesehen habe als du vierzehn warst. Da haben bei mir erst richtig die Alarmglocken geläutet. Mein Gott, hab' ich mir gedacht, wie kann man nur so unverschämt süß aussehen?" Matt wurde dabei etwas rot im Gesicht. "Und wie kann man dann nur... ...so tierisch bescheuert aussehen, wenn man nicht mal einen ordentlich englischen Satz Zustande bringen kann.", ich sah Matt ironisch an und er wurde nur noch roter im Gesicht. "Ich war noch nie wirklich gut in Englisch...", versuchte sich der Blonde zu entschuldigen. "Wie dem auch sei. Jedenfalls war ich wirklich hammer in dich verknallt, obwohl ich noch nie ein Wort mit dir gewechselt habe. Du wusstest ja noch nicht einmal, dass ich existierte. Und jetzt stehe ich hier vor dir und rette dir das Leben. Wenn das mal keine Ironie ist." "Kosma..." "Aber als ich sagte: Ich liebe dich!, meinte ich nicht die Liebe im eigentlichen Sinne. Ich meinte, dass ich dich als Freund liebe. Euch alle. Ihr seid mit alle furchtbar wichtig und ich will euch unter keinen Umständen verlieren. Deswegen will ich euch beschützen und alles in meiner Macht stehende tun, um eure Welt zu retten.", ich kam mir bei meiner Rede ein bisschen belämmert vor, da ich zuvor noch nie jemandem so eindringlichst meine Gefühle offenbart habe und schon gar nicht Trickfilmfiguren. Wir wollen ja immer schön auf dem Boden der Tatsachen bleiben. "Wir lieben dich auch, Kosma.", sagte Matt und knuddelte mich. "Aber da gibt's doch noch ein anderes Problem.", wollte ich gleich auf den Punkt kommen. "Wo ist Tai?" "Der liegt vier Zimmer von hier entfernt.", sagte Joe. "Danke...", und schon war ich aus dem Zimmer. "Tai?", ach, großartig. Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte. Aber nein, jetzt muss sich ja noch Mister Superheld für mich opfern, sich selbst in Gefahr bringen, nur um mich zurück zu holen. Jetzt sitzt er in der Tinte und kommt nicht mehr raus. Er ist echt ein Vollidiot. "Hey, Kosma.", Kari saß neben dem Bett, in dem ich nur einen Busch brauner Haare erkennen konnte. "Hi, kleine." Kari sah nicht gerade fröhlich aus, sondern schaute nur betrübt auf ihren großen Bruder. "Matt geht's wieder gut." "Wirklich?", sie versuchte sich zusammenzunehmen und lächelte mich an. "Das ist aber... ...schön...", doch lange hielt sie das gelogene Gesicht nicht durch. "Mir tut's auch leid um Tai.", ich kam zu dem kleinen Mädchen und kniete mich zu ihr hinunter. "Ich kann dich erstmal beruhigen.", ich hörte, wie die anderen Digiritter gerade langsam zur Tür reinkamen. "Tai ist nicht verletzt. Zumindest nicht sein Körper. Aber sein Geist ist durch Demidevimons Gift in eine anderen Welt transportiert worden. In meine Welt, um genau zu sein. Das galt ursprünglich eigentlich ausschließlich mir. Myotismon wollte mich aus irgendeinem Grund wieder in meine Welt schicken. Doch Tai ist mir auf dem selben Weg gefolgt und hat mich aus dieser Welt wieder befreit. Er hat mich gerettet.", ich schaute auf den schlafenden Jungen in dem Bett. Er sah so friedlich aus, als ob gar nichts passiert wäre. Aber angesichts der Situation war mir überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, dass ich absolut keine Ahnung hatte, wie ich diesem Vollidioten helfen konnte. "Aber was können wir denn nur tun?", fragte mich Kari den Tränen nah. "Ich weiß es nicht. Aber ich fürchte, ich muss erst da rein, um ihn wieder rausholen zu können." "Moment mal.", stellt sich Joe neben mich. "Was redest du denn von dir? Es klingt ja fast so, als ob du die einzige wärst, die ihn retten könnte. Was ist, wenn du selbst für immer dort bleiben musst?" "Von Können ist nicht die Rede, Joe. Ich muss. Es ist meine Schuld, dass er dort gefangen ist. Es ist nicht seine Welt. Er gehört hier in diese Welt. Es wäre doch sinnvoller, wenn ich wieder in meine Welt gehe und womöglich nicht zurück komme, als dass ihr Tai nie wieder seht." Es herrschte erstmal Schweigen. Doch dann sagte Sora: "Ja, aber wir wollen doch auch nicht, dass wir dich nie wieder sehen..." Tja, so schön Liebe unter Freunden auch sein mag und so gut sie auch mir dabei hilft, die Menschen zu heilen, die ich liebe, so erdrückender ist sie auch, wenn es darum geht, jemandem im Stich lassen zu müssen, oder im Stich gelassen zu werden. Liebe ist etwas seltsames... Aber im Endeffekt habe ich sowieso keine Wahl. Ich bin für das alles verantwortlich und muss die Suppe halt wieder auslöffeln. Ich strich Tai noch kurz durch seine braune Mähne, stand dann auf und verkündete: "Wie dem auch sei. Sagt, was ihr wollt, aber ich verpiss mich jetzt in die Digiwelt, such Myotismon und zwinge ihn dazu, mich wieder in meine Welt zu schicken. Dort bringe ich euch Taichi zurück." "Aber ich komme mit!", Matt stand plötzlich in der Tür. "Ja, sicher, und ich bin Klaus Bärbel. Du bleibst hier. Ich kann's mir nicht leisten, dass noch jemand auf meine Kosten leidet." Matt kam zu mir gestapft und stellte sich gaaaaanz dicht vor mich. "Weißt du was? Das ist mir scheißegal. Sag' was du willst, aber ich komme mit dir mit." "Das wirst du nicht!" "Und ob ich das werde." "Ma~att!!!" "Kosma!!!" "Du gibst wohl nicht auf, was?" "Hat mir Tai beigebracht." Ich grinste kurz. Mein Gott, so ein Digiritter zu sein, muss ja das Leben unheimlich prägen. Ein Wunder, dass sich daraus noch kein Kindheitstrauma entwickelt hat. "Fein. Da kommst du halt mit. Aber auf deine Verantwortung!" Kapitel 13: Ein Kompromiss unter sturen Eseln --------------------------------------------- Ein Kompromiss unter sturen Eseln "Warte mal. Du gehst doch in die falsche Richtung!" "Woher willst DU wissen, in welche Richtung wir gehen müssen?" "Intuition?" "Vergiss es. Sowas haben nur Frauen.", ich lief mit Matt und Gabumon streitend durch die Digiwelt. Naja, laufen war das nicht gerade. Es war eher ein Rennen, Verstecken, Gucken, dass keiner kommt und weiter Rennen. Wir mussten uns höllisch in Acht nehmen, denn ich kann mir vorstellen, dass Myotismon tierisch sauer auf mein Türmen ist und sicher an die tausend Suchtrupps in der Digiwelt verstreut hat. "Wo willst du denn dann hin?" "Ich will erst zu Gennais Anwesen. Ich hab' da vorhin Davis, Ken, Yolei und ihre Digimon gelassen. Sie sollten auf mich warten, bis ich wieder komme. Wenn wir sie gefunden haben, schicken wir sie nach Hause." "Vergiss das gleich wieder. Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass sich Davis davon abhalten lassen würde, wieder den Helden zu spielen." "Bei euch Digirittern hat man ständig das Gefühl, dass ihr den Helden spielen wollte. Jeder deckt immer den Rücken des anderen. Ist das nicht ganz schön belastend?" "Wir sind Freunde. Und Freunde passen immer aufeinander auf." "Also da, wo ich herkomme fallen solche Traumfreundschaften nicht gerade vom Himmel. Meine Welt ist voller Egoismus. Wäre so eine Situation in meiner Welt passiert, hätte sich Tai sicher nie Demidevimons Spritze in den Körper gejagt, nur um mich zu retten. Der hätte sich gesagt: oh, schade, das ist aber jetzt blöd. Und dann hätte er meinen Tod beweint, aber was dagegen getan hätte sicher niemand." "Mann, deine Welt ist ja furchtbar." "Is' mal ganz angenehm, wenn man noch sieht, dass es irgendwo eine Welt mit echter Freundschaft und echter Aufopferung gibt. Das ist fast schon zu schön, um wahr zu sein." Matt und ich liefen noch eine ganze Weile und ich konnte in der Zeit nicht aufhören, an Tai zu denken. Ich fragte mich, was er wohl gerade im Körper meiner Freundin so trieb. Wenn ich jetzt schätzen würde, dann müsste er im Chemieunterricht sitzen. Der Arme. Ich hoffe nur, dass er davon nichts mitkriegt, denn meine Chemielehrerin ist um einiges schlimmer, als Hunderte von Malomyotismon. Ich sah auch ein paar Mal zu Matt rüber. Ich dachte daran, wie sehr ich ihn früher immer geliebt habe. Er war unter allen Jungs aller Welten meine absolute Nummer eins. An ihm stimmte einfach alles. Das Aussehen, der Charakter und das Talent. Ich wünschte manchmal immer noch, er wäre mein fester Freund und nicht der Freund von Karottenkopf. Zu Schade, aber da lässt sich ja nix machen. Ich kann ja keine ganze Welt upsidedown stellen, nur um meinen Kopf durchzusetzen. Das wäre extra blöd. Aber für ihn...? "Was ist denn? Was guckst du denn so?", wurde ich plötzlich von dem Blonden gefragt. "Wenn ich das wüsste. Sag mal, eins würde mich interessieren. Wie, zum Geier, bist du eigentlich auf deinen Bandnamen 'Teenage Wolves' gekommen?" "Ach, das war 'ne ganz witzige Geschichte. Sie fingt damit an, dass Gabumon das erste Mal Alkohol bei mir zu Hause getrunken hat und dann völlig besternt durch die Gegend getorkelt ist. Dabei ist er aus einem unerfindlichen Grund zu Garurumon digitiert und hat fast die gesamte Zimmereinrichtung ruiniert. Und dann hat er angefangen, dieses Lied zu singen, dass ich ihm mal beigebracht habe: Zwei kleine Wölfe geh'n des Nachts im Dunkeln Man hört den einen zu dem ander'n munkeln Warum geh'n wir denn immer nur des Nachts herum? Man tritt sich an den Wurzeln ja die Pfoten krumm Wenn's nur schon heller wär' Wenn's nur schon heller wär' Wenn nur der Wald mit Sternenlicht beleuchtet wäre Badubadum... Es hat sich total schief und falsch angehört, aber wie ich ihn da so das Lied der zwei Wölfe hab' singen hören, ist mir plötzlich dieser Name 'Teenage Wolves' eingefallen." "Aha, und ich dachte, der Name hätte eine etwas tiefere Bedeutung, als ein betrunkenes Champion-Level-Digimon. Wir sind übrigens gleich da.", sagte ich bestimmt. "Ja, ich weiß." Der Wald lichtete sich, doch was wir dann sahen, entsprach nicht wirklich unseren Vorstellungen. "Was ...zum Geiser ...ist hier ...passiert?", stammelte ich daher, als ich nur noch geschockt in ein großes, tiefes Loch vor mir blickte. Matt war nicht weniger entgeistert, als ich. "Also, spinn ich jetzt, oder war das nicht irgendwann mal 'n See?" Vor uns, wo wir eigentlich mal den großen See in Erinnerung hatten, war nun das ganze Wasser verschwunden. Und es war nichts weiter zu sehen, als ein riesiger, schlammiger Graben, mit ein paar zerknickten Pflanzen und toten Fischen darin. Und in mitten dieser Matschgrube stand Gennais Anwesen. Aber meine Schockierung über diesen mehr als seltsamen Anblick verflog, als ich an Davis, Ken, Yolei und ihre Digimon dachte. "Scheiße!!!", schrie ich und machte mich, Matts Versuch mich zurückzuhalten ignorierend, auf dem schnellsten Weg in das Schlammloch hinunter. "Bitte, bitte, bitte, bitte...", betete ich. "Lass sie noch da sein, wo ich sie zurückgelassen habe!" "Kosma. Warte!", rief Matt hinter mir und sprang mit Gabumon hinterher. Als ob er mich in so einer Situation tatsächlich aufhalten könnte. Ich lach mich tot. Es war für mich ein ganzes Stück Arbeit, mich durch den schlammigen Boden zu kämpfen. Meine Kleidung tat mir ganz schön leid. Zuerst vollgeblutet, dann Löcher reingestochen und jetzt mit Schlamm verschmiert. Aber nach ein paar anstrengenden Minuten erreichte ich Gennais Grundstück und das grüne Gras des Vorgartens machte mir das Laufen um einiges leichter. Ungehalten rannte ich in das Haus und rief sofort nach meinen Freunden. Doch wie aus einer schlimmen Vorahnung, wusste ich schon, dass ich keine Antwort bekommen würde. Ich bekam hingegen allmählich Panik und hoffte, dass sich meine Vorahnung, dass Myotismon da mit drin streckt, nicht weiter bewahrheitete. Ich rannte durch das ganze Haus, suchte immer verzweifelter, Matt auch weiterhin ignorierend, nach den verloren Geglaubten. Ich bekam noch immer keine Antwort auf mein Rufen. Bis ich dann irgendwann wieder dieses unmöblierte Zimmer mit dem Bild der zwei Wesen und der Prophezeiung entdeckte. Doch was ich da sah, verschlug mir absolut die Sprache und ich blieb wie angewurzelt in der Tür stehen. Die Wände und der Fußboden des Raumes waren voll von Kratz- und Brandspuren und ebenso voll von Blutspritzern. Ich entdeckte sogar ein paar rote Federn, die ich von Hawkmon vermutete. Hier hat ein Kampf statt gefunden und es gab Verletzungen. Viele Verletzungen. Der Tür, in der ich stand, gegenüber hing das Gemälde. Voller Entsetzen starrte ich darauf. Ich trat ein paar Schritte in das Zimmer hinein und sowie ich an den Blutspritzern vorüberschritt, meinte ich, die Leiden und die Schreie zu hören und die Schmerzen zu fühlen, die aus dem Kampf hervorgegangen waren. Und es war nicht Myotismon, den ich vernahm. Jeder Schritt tiefer in das verwüstete Zimmer tat so unendlich weh, dass ich am liebsten wieder geflüchtet wäre. Aber ich wollte oder musste mir das Gemälde an der Wand näher betrachten. Doch mein Entsetzen wurde nicht besonders geändert, als ich vor der Malerei stand. Sie war auf das Grausamste entstellt. Der Körper des weißen Wesens war durch mehrere Krallenspuren gezeichnet und Blut floss an ihrem weißen Kleid hinab. Der Teil, an dem ihr Gesicht zu sehen war, ist herausgerissen worden und mit Blut an der rechten Hand der schwarzen Gestalt befestigt worden. Der helle Gegenstand, den das weiße Wesen einst beschützt hatte, schien ein Stück näher den Krallen des schwarzen Wesens gerückt zu sein. Aber das Schlimmste waren die Worte, die mit Blut über die Prophezeiung geschmiert wurde: "Sie sind NOCH nicht tot. Willst du sie wieder, Schwester?" Als ich die Malerei vorhin das erste Mal sah, hatte ich noch das Gefühl, halb glücklich zu sein und halb Angst zu haben. Doch jetzt drückte sie für mich nur noch den blanken Horror aus. Ganz besonders das letzte Wort. Schwester. Wieso bezeichnet mich Myotismon als Schwester? Ich verstehe das alles nicht. Ich will es nicht. Ich kann nicht mehr. Das ist unfair. Warum passiert das mir? Warum mir? Was habe ich gemacht, dass man mir sowas antut? Es waren so viele verzweifelte Fragen in meinem Kopf, dass ich vergaß, noch einen Körper zu haben. Die Anspannung in mir lockerte sich mit einem Schlag und meine Beine gaben unter der erdrückenden Last meines Körpers, aber auch meiner vielen panischen Fragen, nach und ich brach erschöpft zusammen... "Kosma?" Ich öffnete schwach die Augen und blickte in eine erleichtertes Gesicht. "Ist alles in Ordung?" "Si! Gracias, Mazew... Una botella de sangria, porfavor?", sagte ich leise. Matt grinste. "Ich hab' dir schon mal gesagt, dass du mich nicht auf spanisch anquatschen sollst." Ich grinste zurück. "Ja, aber du hast wenigstens verstanden, dass es Spanisch war. Ich geb' dir zusammen mit Ken Unterricht und dann fahren wir alle nach Mexiko." "Sollten wir nicht zuerst die Welt retten? Wenn wir uns nicht aufraffen, wird es kein Mexiko mehr geben, wo wir hinfahren können." "Du hast recht...", ich versuchte aufzustehen, aber ich war noch immer ganz schön fertig. "Wie lang war ich denn weg?" "Nicht sehr lang.", antwortet mir Gabumon. "Du bist nur kurz weggetreten. Aber Matt hat dich wieder wachgeküsst..." "WIE BITTE?!?!", ich saß ganz plötzlich kerzengerade und starrte das kleine Reptilien-Hunde-ähnliche Digimon entgeistert an. Dieses sah eingeschüchtert zurück und beteuerte damit: "War doch nur 'n Scherz." Schlechter Scherz. Schleeechteeer Scheeerz!! Aber wenigstens war ich jetzt wach und wenn sich das mal nicht gelohnt hat. Obwohl mir die Vorstellung durchaus gefällt von Matt... Naja, lassen wir das. "Also, was machen mir jetzt?", fragte Matt, als ich so langsam wieder den Eindruck macht, unter den Lebenden zu weilen. "Was fragst du mich das?", gab ich irritiert zurück. Hm, das kam mir doch bekannt vor. "Weil ich glaube, dass du irgendwie mehr Ahnung hast, als ich. Also, wie geht's jetzt weiter?" "Kann es ein, dass du mich gerade zum provisorischen Anführer machts?" "Sieht so aus.", der Blonde grinste ganz zufrieden und verunsichert mich damit nur noch mehr. "Das heißt, du legst alle Entscheidungen in meine Hände und ihr zwei macht, was ich euch sage?" Digimon und Partner nickten. "Ob das so 'ne gute Idee ist?" "Ach, jetzt hab' dich doch nicht so." "Du klingst wie 'n Achtjähriger." "Und du benimmst dich wie 'ne Zweijährige. Reiß dich mal zusammen. Wir vertrauen dir doch und stehen hinter dir, also hab' dich nicht so arscheckig, um's mit deinen Worten zu sagen." Ich verdrehte kurz die Augen. "Ich frag mich immer noch, wie ich mich auf so einen Scheiß hier einlassen konnte. Aber wenn ihr meint...", ich seufzte. "Also, rekapitulieren wir: Myotismon will die Weltherrschaft der Digiwelt und der realen Welt und welcher Welt auch immer an sich reißen. Er hat drei unserer Freunde inklusive deren Digimonpartner entführt und wir haben keinen blassen Dunst, was er mit ihnen angestellt hat oder noch anstellen wird. Aber ich schätze einfach mal, dass er ihnen als erstes ihre Digivices weggenommen hat.", ...und sie, den Blutspuren zufolge, sehr verletzt hat. Aber das brachte ich einfach nicht über die Lippen. "Das bedeutet, die einzigen, die jetzt noch im Besitz ihrer, ich sag mal, vollen Kräfte sind, bist du und Tai. Aber Tai steht nicht wirklich zur Verfügung. Ergo ist dein Digimon als einziges einsatzbereit. Ganz schön wenig angesichts unserer Situaiton." "Aber, wenn ich mich recht erinnere, hast du doch auch noch ein Digivice." "Ja, aber was nützt mir das, ohne Digimonpartner? Is' ja auch egal. Wie's jetzt weitergeht weiß ich nicht wirklich.", ich dachte kurz nach. "Naja, vielleicht hab' ich doch einen Plan, aber der wird dir nicht gefallen." Matt sah mich erwartungsvoll an. "Du gehst mit Gabumon wieder zurück zum Stützpunkt "Das kommt überhaupt nicht in Frage!!", rief Matt, wie ich's erwartet hatte. "Ich gehe zu Myotismon und versuche die anderen zu holen. Dann komme ich zurück und wir machen einen neuen Plan." "Du bist ja vermessen zu glaube, dass ich dich allein in die Höhle des Löwen lasse, ohne Hilfe und ohne Verteidigung." "Und du bist vermessen zu glauben, dass ich auf dich höre." "Wann hörst du überhaupt mal auf mich?" "Nie!" "Das merk ich. Aber diesmal wirst du auf mich hören. Entweder wir gehen zusammen, oder du gehst gar nicht." "Und entweder, du machst jetzt, was dein Anführer dir sagt, oder du kriegst 'n paar aufs Maul. Was ist denn nur los? Ich dachte, du vertraust mir und erkennst jede Entscheidung an, die ich treffe.", gutes Argument. War aber nur Zufall, dass mir das eingefallen ist. Doch Matt hatte ich damit doch aufs Kreuz gelegt. Jetzt sagte er gar nix mehr. Ich bin gut. "Ich dachte, du vertraust mir.", wiederholte ich noch mal. "Du hörst dich schon genauso an, wie Tai." "Seltsam, Tai hat gesagt, ich höre mich genauso an, wie du.", ich grinste. "Wie lange wollen wir uns jetzt noch über diese Sache streiten." "Also, wenn du nur halb so stur bist, wie ich dich in Erinnerung habe, dann werden wir wohl morgen noch hier stehen." Matt seufzte. "Und was machen wir jetzt?" "Ich bin Löwe. Ich bin so stur geboren. Ich kann nichts dafür." "Ich bin Stier. Sturheit ist auch eine meiner Schwächen. Aber zu irgendeinem Ergebnis müssen wir kommen." Ich überlegte kurz. Doch dann sagte ich: "Schließen wir einen Kompromiss: Du kommst mit, aber du wirst unter keinen Umständen den Kopf für mich hinhalten. Egal, was passiert, ich will dich nicht für mich bluten sehen. Solltest du es wagen, dich wegen mir in Gefahr zu begeben, dann bist du bei mir unten durch, klar?" Matt grinste mich blöd an. "Ja, du kannst einfach nur Löwe sein. Genau, wie Taichi." "Was ist jetzt?" "Alles klar. Schlag ein." Wir reichten uns die Hand und ich war froh, dass wir das Thema endlich hinter uns hatten. So sture Esel, wie wir beide waren, habe ich uns noch den nächsten Weltuntergang miteinander diskutieren sehen. Was für eine Zeitverschwendung. Wir rafften also unsere sieben Sachen zusammen - quasi Gabumon und ein bisschen Würde - Matt schickte noch kurz eine Nachricht an die anderen, was hier alles passiert ist und dann machten wir uns auf den Weg. Ich weiß nicht, was uns da erwarten wird, aber angesichts dessen, dass ich als Mensch in der Digiwelt bin, dass ich die Fähigkeit habe, zu heilen, dass mir Flügel wachsen, dass ich ein Digivice habe, aber kein Digimon, dass mich Myotismon als Schwester bezeichnet und dass in fernerem Sinne völlig unreelle Freunde von mir in Lebensgefahr schweben, wäre es wohl irgendwie total bescheuert zu wissen, was mich erwartet. Ich bin auf alles und nichts gefasst, denn schlimmer als jetzt kann es doch gar nicht mehr kommen, auch wenn man aus Erfahrung weiß, dass, wenn man genau diese Worte gesagt hat, es auf jeden Fall noch schlimmer kommt. Ich hoffe nur, dass das alles bald vorbei ist und ich endlich nach Hause kann. Und ich frage mich noch immer: Warum ausgerechnet ich? Kapitel 14: Ein Mensch ---------------------- Ein Mensch "Das ist sie. Das ist die Höhle, in der ich wieder aufgewacht bin.", berichtete ich Matt, als wir vor dem gewaltigen Höhleneingang eines schwarzen Berges standen. Der lange Tunnel, der sich dahinter erstreckte, verlor sich schon nach ein paar Metern im Dunklen und ein eisiger Wind wehte aus dem Loch heraus. Mich durchfuhr eine Gänsehaut, als ich in das Dunkel vor mir sah und dachte daran, was Myotismon grausames mit Matt angestellt hat, wollte mir aber nicht vorstellen, was er dann mit Ken, Yolei und Davis gemacht hat. Sie haben ja immerhin einmal erfolgreich gegen ihn gekämpft. Nicht auszudenken, welche Rachepläne Myotismon schmieden könnte. Dieses Digimon hat unvorstellbar viel Macht. Nicht nur, dass es die Digiritter der ersten Generation schon einmal versucht hat, zur Strecke zu bringen, nein, seine Macht reichte sogar soweit, dass es einen unschuldigen, leidenden Menschen als Wirt für seine dunklen Pläne missbraucht hat. Es scheint fast so, als ob man dieses Digimon niemals töten könnte. Aber woher, zum Geier, hat ein Digimon unter tausenden so unverschämt viel Macht. Als ob ihm jemand dabei helfen würde. "Hab' keine Angst.", Matt nahm meine Hand. "Ich pass schon auf dich auf.", er lächelte mich an. "Aber vergiss unseren Kompromiss nicht.", mahnte ich ihn. "Jaja..." Dann betraten wir die Höhle. Ich erwartete schon so etwas wie einen Empfangstrupp. Drei oder vier Ultra-Level-Digimon als Gegner kämpften schon in meiner Vorstellung mit uns. Aber es war weit und breit nichts von einer Gefahr zu sehen. Es war einfach nur dunkel, kalt und vor allem still. Es herrschte eine solche erdrückende Stille in dem düsteren Tunnel, dass ich regelrecht froh war, als Matt wohl vor Angst ein kleines Liedchen summte. Es war das Lied von den zwei kleinen Wölfen und Gabumon wurde daraufhin ganz rot. Ich musste schmunzeln, weil die Vorstellung eines sturzbetrunkenen Garurumon einfach nur köstlich war. Wir gingen noch ein paar Minuten vor uns hin, als wir plötzlich vor uns eine kleine Lichtsäule entdeckten. Wir rannten sofort darauf zu, als wir erkannten, dass Davis bewusstlos in dem Lichtstrahl lag. Wir hatten ihn fast erreicht, als mich ein seltsam kaltes Gefühl davon abhielt, weiter zu laufen. Ich wurde immer langsamer und blieb letztendlich stehen. Matt und Gabumon hatten Davis bereits erreicht und kümmerten sich sofort um ihren Freund. Aber mich beschlich noch immer das kalte Gefühl, als ob jemand hinter mir stehen würde und mit kaltem Atem ein paar unverständliche Worte in meinen Nacken hauchen würde. Das machte mir verdammt noch mal Angst, bis ich dann irgendwie erahnen konnte, worauf mein Gefühl hinaus wollte. "Matt, hier stimmt was nicht.", sagte ich zögerlich zu dem blonden Jungen, der vor Davis kniete und mich auf mein leises Warnen nur trocken ignorierte. "Matt, hörst du nicht?" Wieder keine Reaktion. War ja auch bescheuert dem Träger des Wappens der Freundschaft zu sagen, dass er sich jetzt nicht um seinen Freund kümmern soll, sondern um mich. Ich hörte nur ein erleichtertes: "Zum Glück, er lebt noch.", von Matt. Doch Gabumon drehte sich dann schließlich zu mir um. "Was ist denn, Kosma?", es kam auf mich zu und ich kniete mich zu ihm hinunter. "Ich weiß auch nicht, aber ich habe irgendwie ein ganz komisches Gefühl." "Was denn für eins?" "Kennst du das Gefühl, wenn ein furchtbar heftiger Sturm geweht hat und man, wenn er vorbei ist, sich nicht wirklich freuen kann, sondern irgendwie weiß, dass das noch nicht alles gewesen sein kann. Und dann kommt der Tornado..." "Reingefallen...", rief Davis plötzlich ganz laut, öffnete die Augen und als ich erkannte, dass seine Iris rotglühend war, wusste ich mit Sicherheit, dass ich mit meinem Gefühl vollkommen richtig lag. Doch viel Zeit zum Denken war nicht, da "Davis" blitzschnell mit der Hand nach Matts Hals fasste und dann zudrückte. "Matt!!!", schrie ich. Als ob ich nicht schon ohnehin genug Angst gehabt hätte. Ich stürzte auf meinen Freund zu und versuchte ihn, von "Davis" zu befreien. Gabumon half mir, doch es hatte keinen Sinn. "Davis" änderte seine Form, wurde größer, bedrohlicher, und nun war es nicht mehr der kleine, dunkelrothaarige Junge, der meinen Schwarm würgte, sondern es war Myotismon. "Reingefallen, du Schwachkopf...", wiederholte er nochmals. "Hey!!! Das kann ja wohl nicht angehen. Lass ihn los.", schrie ich das große schwarze Digimon an. Doch es ließ nicht locker. Gabumon griff zwar des Öfteren mit seinem kleinen Feuer an, doch das würde vielleicht etwas bewirken, wenn Myotismon kitzlig wäre. Aber lachen kann dieses miese Vieh auch nur, wenn es jemanden leiden lassen kann. "Du sollst ihn endlich loslassen.", schrie ich wieder und zog mit aller Kraft an Myotismons Arm. Ich bekam allmählich Panik, als ich sah, dass sich unter Matts Augen bereits ein leichter, blauer Schatten gelegt hatte. Bei diesem Anblick platzte selbst mir der Kragen. Ich war nicht länger ängstlich, ich war stinksauer. Ich ließ von Myotismon ab. "Sag mal, bist du taub oder bringst du's einfach nicht fertig, dir mal die Ohren zu waschen?", rief ich dem Henker meiner Freunde entgegen. Der Angesprochene ließ seine krallenartigen Finger um Matts Hals ein wenig lockerer, sodass ich Matt für einen kurzen Moment aufatmen sehen konnte. Doch Myotismon hielt ihn noch immer fest. Dabei sah er mich interessiert an. "Du bist ganz schön frech.", er grinste. "Und du bist zum kotzen!", ich machte ein angewidertes Gesicht. Aber wie's aussieht, fruchten Beleidigungen bei einem solchen Digimon nicht, da es mich noch immer grinsend ansah. "Hört sich so an, als ob du mich hasst, Schwesterchen." Schon wieder. Er hat mich schon wieder Schwester genannt. Aber mehr als ein kleines Wimpernzucken rang er mir damit nicht ab. Ich blickte ihn nur mit dem finstersten Blick an, den ich mir in meiner Position erlauben konnte. "Nun, wie's aussieht, ja. Pass auf, gleich wirst du mich noch mehr hassen." Hinter Myotismon wurde es hell, aber das, was ich dann sah, zerschlug den festen Blick in meinem Gesicht völlig. Ich sah den echten Davis, Yolei und Ken stark blutend in den Fängen je zweier Andromon. Alle am Leben und alle das Debakel hier miterlebend. Ihr Digimon lagen bewusstlos unter Aufsicht eines Monzaemon. "Die Andromon erwarten nur noch meinen Befehl." Jedes Andromon setzte mit seinen spitzen Finger an die Körper der drei Digiritter an. "Und dann, ...sag' bye bye zu deinen lächerlichen Freunden." "Gibt's irgendeine Alternative?", fragte ich nun nicht mehr ganz so selbstbewusst, wie noch eben. "Natürlich...", Myotismon machte einen Deut zu Demidevimon hin, welches mit einem langen Schwert angeflattert kam und es mir vor die Füße warf. "Du willst, dass ich mich töte?", fragte ich leise und richtet dabei meine Augen auf das glänzende Schwert, welches trotz der dunklen, finsteren Umgebung, hell und majestätisch wirkte. "Ich hab' es dir bei unserem letzten Plausch vorgemacht, bis wir unfreundlicher Weise unterbrochen wurden. Jetzt brauchst du es nur noch einmal zu wiederholen..." Ich kniete mich zu dem leuchtendem Metall hinunter. "...und der ganze Albtraum ist vorbei." Ich blickte zu Myotismon auf. "Was meinst du damit, der Albtraum sei vorbei?" "Was glaubst du denn?", es grinste höhnisch. "Meinst du etwa allen Ernstes, das hier sei die Realität?" Ich riss die Augen auf und starrte das Virus-Digimon entsetzt an. "Ist es das nicht?" Es lachte. "Wo denkst du hin? Du bist ja nicht mehr ganz bei Trost. Alles, was du hier siehst, ist nichts weiter, als eine Illusion. Es passiert zwar alles, aber es ist nicht die Realität, von der du denkst, dass sie es ist. Diese ganze Höhle? Illusion." "Nein...", flüsterte ich. "Deine Verletzungen und die der anderen? Illusion!" "Das ist nicht wahr..." "Deine ganzen ach so tollen Freunde und die Liebe zu ihnen? Auch Illusion." "Du lügst!" "Und Taichi Yagami?..." "Nein, du lügst. Hör auf damit, mir so etwas zu erzählen!!!", schrie ich. "Illusion.", er ließ Matt los und auf den Boden fallen, der da regungslos liegen blieb. Dann kam er auf mich zu und kniete sich zu mir. "Mein Schwesterchen, wir sind eine Familie. Ich würde dich doch nie belügen." Ich sah diesem grässlichen Digimon in seine Augen. Egal, wie sehr ich mich auch gegen seine Worte gewehrt hätte, in seinen Augen erkannte ich, dass er die Wahrheit sagte. "Und die ganzen Schmerzen? Das viele Leid? Die sich ständig häufenden Fragen? Die Probleme, die Aufgaben, die Erwartungen, die Bedeutung? Es ist alles nur Illusion. Nur ein einziger kleiner Stoß mit diesem Schwert direkt in dein Herz und du bist aus dieser Welt befreit. Du wachst in deiner Welt auf, bei deinen Eltern, bei deinen Freunden und deinen Kuscheltieren. Du wirst dich an nichts erinnern, was dir in dieser Welt je passiert ist. Du wirst dein tristes, kleines, langweiliges Vorstadtleben ganz einfach weiterleben.", Myotismon legte mir seine Hand auf den Kopf und streichelte mich. Ich kam mir so erniedrigt vor. "Also, wie ist deine Entscheidung?" "Warum bezeichnest du mich als deine Schwester?", meine Stimme zitterte und ich konnte mich nicht zurückhalten, ein paar Tränen ihren Weg zum Boden zu lassen. "Warum bezeichnest du mich nicht endlich als deinen Bruder? Du bist das selbe, wie ich und ich bin das selbe wie du. Uns trennt lediglich eine Welt und wenn du tust, was ich dir gesagt habe, dann wird uns auch weiterhin diese Welt trennen und du brauchst dir um nichts mehr Sorgen zu machen." "Und sie sind wirklich nur Illusion? Matt und TK und Sora und Ken...? Gomamon und Veemon und Tentomon...? Ihre ganze Liebe...? Meine ganze Freundschaft...? Alles nur...", ich langte nach dem Griff des Schwertes. "Illusion, ganz recht.", Myotismon stand auf und entfernte sich auf zwei Schritte von mir. Ich stand ebenfalls auf mit gesenktem Kopf und Tränen im Gesicht. "Und ich werde mich an nichts mehr erinnern?" "Nie wieder. Der ganze Albtraum wird vorbei sein." Ich hob das Schwert an und richtet die Klinge auf meinen Körper. In meinem ganzen Leben, dass ich bis jetzt gelebt hatte, konnte ich keinen Ansatz einer Bedeutung sehen. Alles ist so passiert, wie es passieren sollte, ohne dass ich je Einfluss darauf hatte. Ich wurde geboren, kam in die Kindergrippe, später in den Kindergarten und dann in die Grundschule. Nicht viel Arbeit und ich kam, wie vorhergesehen auf das Gymnasium. In meinem ganzen Leben hatte ich nie irgendwelchen Einfluss auf Geschehnisse. Ich hatte niemals für jemanden eine Bedeutung. Aber seit ich in der Digiwelt war, hatte ich endlich diese Bedeutung. Ich war fähig, selbst etwas ändern zu können, die Situation nach meinem Willen drehen zu können. Und jetzt erkenne ich, dass das alles nur Illusion war? In diesem einen Moment, in dem ich den Tod noch nie so nah neben mir hab' spüren können, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass ich mich ein einziges Mal in meinem Leben irrte, dass mich mein Gefühl trügt. Ich wollte nicht wieder zurück, aber für eine Illusion wollte ich nicht leben. Doch wenn es nur einen einzigen Beweis gegen meine Theorie geben würde... "Nein, Kosma, tu das nicht!!!", hörte ich Matt plötzlich schreien. Er kam auf mich zugerannt und riss mir das Schwert aus den Händen. Ich war noch immer völlig verwirrt und eingeschüchtert und registrierte ihn gar nicht richtig. "Geh mir aus dem Weg, du Idiot!", Myotismon griff nun mehr Matt an und ließ kein gutes Haar an ihn. Ich hörte ihn schreien, aber mein Körper war durch die eben gewonnene Erkenntnis noch völlig gelähmt. Ich betrachtete die Szene, die sich vor mir abspielte. "Kosma! Kannst du... Ach, scheiße!... Kannst du dich noch daran erinnern, als Ken und ich nach Mexiko geflogen sind, um dort die... ...die verlorenen Digimon wieder einzufangen und um den schwarzen Turm zu zerstören?", rief Matt mir zu, während er versuchte, sich gegen Myotismon zu wehren. Gabumon unterstützte ihn dabei so gut das kleine Digimon es konnte. Doch meine Mine wurde etwas aufmerksamer. Ja, ich erinnerte mich. Ich liebte diese Folge, da es mitunter einer der wirklich wenigen Folgen der zweiten Staffel war, in der Matt so präsent auftrat. "Als du mich vorhin geheilt hast, mir das Leben gerettet hast, bin ich mir hundertprozentig sicher, dass du dich dabei an diese Bilder erinnert hast, da das eigentlich die einzige Situation war, in der ich mich als... Autsch!!! ...als der absolut coole und unnahbarer Typ völlig blamiert habe. Ich kann kein Wort spanisch sprechen. Nicht einmal englisch bekomme ich wirklich auf die Reihe." So langsam realisierte ich die Situation wieder. "Es mag ja sein, dass dir das alles hier wie eine Illusion vorkommt, aber kannst du nicht einfach mal... ...stolz darauf sein, selbst in einer Illusion einem Menschen das Leben gerettet zu haben. Nicht, weil du für mich so eine extreme Schwärmerei aufgebracht hast, sondern ganz einfach, weil du mich liebst und mir vertraust... bedingungslos..." Ja... Ja, ich vertraue ihm. Und nicht nur ihm. Ich vertraue ihnen allen. Illusion hin oder her, aber mein Vertrauen lässt sich nicht so einfach durch ein paar Worte meines... Bruders erschüttern. Zumindest nicht mehr. Ich fühlte mich wieder stark, so stark, wie ich mich fühlte, seit ich hier bin. Die Kraft wuchs in mir, wie eine Efeupflanze und äußerte sich durch das Hervortreten meiner Flügeln. Myotismon war durch meine Aktion entsprechend überrascht, ließ von Matt endlich ab, der bereits auf dem letzten Loch pfiff - es ist halt nicht so leicht für einen Menschen, gegen ein Digimon zu kämpfen - und stellte sich mir gegenüber. "Du willst also tatsächlich für eine Illusion kämpfen.", sagte er mit einem finsteren Blick. Er schien zu wissen, dass er mich nicht mehr so einfach in der Hand hatte. "Für mich fallen aufrichtige Gefühle nicht in die Kategorie Illusion." "ACH, DU BIST EINFACH NUR ZU DUMM!!!", schrie Myotismon, ließ einen wahnsinnig, wahnsinnig kräftigen Stoß seiner Attacke gen Höhlendecke, die daraufhin explodierte und in einem gewaltigen Donnern und Krachen nach allen Seiten hin zerstört wurde und wegbrach. Ich stand nun im Freien und erst jetzt erkannte ich, dass ich mich nahezu auf dem Gipfel eines Berges befand. Ringsherum konnte ich alle Teile des Kontinents Server erkennen. Doch die ganze Umgebung sah überhaupt nicht mehr freundlich aus. Der Himmel war pechschwarz und es zuckten an einigen Stellen rote Blitze aus ihm hervor. Es wehte stark und ich hatte Mühe mich auf den Beinen zu halten. Am Fuß des Berges konnte ich eine Schar Digimon erkennen, die Myotismon scheinbar huldigten. Doch ich blieb standhaft. "Den Versuch, mich einzuschüchtern kannst du dir sparen. Lieber sterbe ich im Kampf, als dass ich mich selbst umbringe, nur weil mir jemand einredet, es sei alles nur Illusion.", sagte ich bestimmt. "Du willst also tatsächlich kämpfen, Schwester." "Wenn das bedeutet, dir endlich dein ätzendes Maul zu stopfen, Bruderherz." Myotismon kam auf mich zu, wieder höhnisch grinsend. Ich wusste schon, dass er noch irgendeine Trumpfkarte hatte, die er jetzt ausspielen wollte, aber ich ließ mir meine Unsicherheit nicht anmerken. "Aber hast du nicht eine Kleinigkeit vergessen?" "Was denn?" Er legte seine Hand hinter meinen Kopf, beugte sich zu mir hinter und zog mich zu sich heran. "Wie wär's denn mit... Verletzlichkeit?", und ich spürte, wie Myotismon plötzlich und mit voller Wucht mir irgendeinen spitzen Gegenstand in die Magengegend rammte. Ich riss die Augen auf und hielt die Luft an. "Und jetzt sag mir: Warum hast du dich nicht verteidigt?" Ich fühlte das Blut an mir hinabfließen und Myotismon drückte mir den Gegenstand noch tiefer in meinen Körper. Mein Atem wurde stockender. "Beantworte mir endlich meine Frage, du Mensch!", sagte er scharf. "Weil... ...nh... Weil du mein... ...Bruder bist.", sagte ich langsam und leise. "Richtig.", er zog den Gegenstand wieder aus meinem Körper und ließ mich fallen. Ich schlug auf dem Boden auf und konnte mich weiter nicht mehr bewegen. "Denk erst darüber nach, bevor du wieder mit mir kämpfen willst. Ihr Menschen mit euren voreiligen Entschlüssen..." Ich sah noch einmal zu Myotismon auf, dabei erkannte ich, womit er mich verletzt hatte. Es war das helle Schwert, mit dem ich mich vorhin noch selbst töten sollte. Mein Blut hing nun daran, tropfte auf den Boden, als sich Myotismon von mir entfernte, und hinterließ eine Spur. Doch ich hatte zuvor noch gar nicht bemerkt, wie sehr das Schwert leuchtete. Das war kein gewöhnliches Schwert. Aber das werde ich jetzt wohl nie herausfinden. Ich schloss die Augen und hörte Myotismon noch sagen: "Ich gebe dir 24 Stunden. Noch bist du nicht tot. Es besteht also die Chance für dich, deine Freunde, deine Ehre, deine Welt und dein Leben zu retten. Enttäusche mich nicht, Schwester." Dann verlor ich das Bewusstsein. Kapitel 15: Atenetamon ---------------------- Atenetamon Geruch? Es roch... Nach verbranntem Holz. Feuer? Es war warm. Ich fühlte mich wohl. Kaminfeuer. Ich schlug die Augen auf. Doch das erste, was ich erkannte, war ein verschwommenes Bild aus Braun- und Grüntönen mit einem leuchtend Gelb-Orangen Punkt in der Mitte. Ich atmete schwer und mir tat alles weh, was nur wehtun konnte. Mir schmerzten sogar Körperteile, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie hatte. Doch sowie ich mich an die vergangenen Moment erinnerte, die sich noch in letzter Sekunde in mein Gedächtnis gekrallt hatten, war ich froh, dass ich überhaupt noch etwas fühlte. "Oh, gut. Sie ist wach. Ich dachte schon, sie bewegt gar keinen Muskel mehr. Wäre schade um sie." Ich hörte eine zittrige, weibliche Stimme. Doch durch all den unerwarteten Schmerz in mir, verstand ich sie gar nicht richtig. "Wie bitte?...", fragte ich daraufhin, doch das Sprechen tat so sehr weh, dass ich es gleich wieder ließ. "So, wie ich sie gefunden habe, fürchtete ich, sie noch sterben zu sehen und sie ist doch ein so hübsches Mädchen." Ich versuchte noch immer krampfhaft das unscharfe Bild vor mir zu erkennen. "Strenge sie sich nicht so doll an. Mit aller Gewalt etwas zu erzwingen führt doch zu nichts..." Ich hörte auf das Geplapper der Stimme und ließ es sein, etwas auf Teufel komm raus erkennen zu wollen. Und so schloss ich meine Augen wieder. "Wer bist du?", frage ich und war überrascht, dass das Reden plötzlich überhaupt nicht mehr so weht tat, wie eben noch. "Hm, wenn ich mich recht erinnere, war mein Name Atenetamon. Aber sie kann mich Ateneta nennen." Atenetamon. Ich war also bei einem Digimon in Obhut. Fantastisch... "Was tue ich hier?" "Ich habe sie gefunden. Sie lag völlig bewusstlos auf der Spitze eines Berges und hat stark geblutet. Sie tat mir so leid und als ich sah, dass sie noch lebt, habe ich sie einfach mitgenommen und geheilt. Ich kann doch ein so hübsches, junges Mädchen nicht einfach in dieser gefährlichen Welt liegen lassen." "Du hast mir das Leben gerettet?" "Natürlich." "Danke...", ich schlug die Augen wieder auf. Das Bild war nun etwas schärfer, doch sehr viel erkennen konnte ich noch immer nicht. Mein Kopf tat mir weh. Und ansonsten eigentlich auch alles andere. Ich erinnerte mich daran, was passiert war. An Myotismon und an die verletzten Digiritter... Und an Tai. "Ah, Scheiße, ich hab' Tai völlig vergessen.", schrie ich und richtet mich auf. Doch der Schmerz in mir nahm überhand, sodass ich sofort wieder umkippte. "Nein! Mache sie das nicht! Sie darf sich nicht so sehr anstrengen. Noch nicht. Sie schadet sich nur selbst." "Aber ich habe... ...aaaautsch... Ich habe nicht viel Zeit. Myotismon hat mir nur 24 Stunden gegeben, um wieder fit zu werden. Ach, Herr Gott und geschlafen hab' ich ja auch noch. Wer weiß, wie viel Zeit ich jetzt noch habe. Ich muss wirklich weg.", rief ich aufgebracht und obwohl ich so gut wie blind war und mir alles weh tat, stand ich auf und rannte los. Und ich wusste nicht einmal, wohin ich rannte, aber Hauptsache was machen, die anderen retten. Ich musste einfach. "Halt! Meint sie etwa, dass sie in ihrem Zustand irgendwas gegen ihren Bruder ausrichten könnte?", rief mir Ateneta hinterher. Ich blieb daraufhin stehen. "Du weißt davon?!" "Ich weiß nur eins: Eile mit Weile. Jetzt setze sie sich wieder hin und warte die Zeit ab. Sie will ihre Freunde retten, aber so wird sie das sicher nicht schaffen." Ich wusste nicht warum, doch ich musste einfach tun, was mir Ateneta sagte. Und so setzte ich mich, egal, wo ich mich gerade auch immer befand. "Was weißt du darüber? Was weißt du über meinen Bruder?" "Hier, trinke sie das, dann können wir weiter reden." Mir wurde ein kleiner Becher gereicht. Ich roch erst skeptisch daran. Es roch noch einer seltsamen Mischung aus Kräutertee, Terpentin und Schlamm. "Was ist das?" "Sie ist halb blind, ihr tut alles weh und trotzdem wäre sie bedingungslos zur Rettung ihrer Freunde gestürzt. Und jetzt ist sie nicht einmal bedingungslos dazu bereit, meinen Tee zu trinken. Ist doch irgendwie widersprüchlich. Findet sie nicht?" Ich war zwar von einem wohltuenden Geschmack oder einer genauen Kenntnis, welcher Tee das ist, nicht wirklich überzeugt, doch ich überwand mich und trank. Als sich der Geschmack in meinem Mund ausbreitet, wusste ich nicht ganz, was ich davon halten sollte. Es war so, als ob ich jeden Geschmack, der jemals meine Sinne gereizt hat, aus diesem Getränkt herausschmecken konnte. Von Früchte-Tee, über Kartoffelbrei, bis hin zu Bananen und Toastbrot. Es war seltsam, wie wenn man sich auf einen Schlag an alles erinnert, was jemals passiert war. "Was ist jetzt? Was weißt du über meinen Bruder?" "Ach, Kind. Ich bin so alt. Ich kann mich nicht mehr so gut an ihn erinnern." "Wie alt bist du denn?" "Ich weiß es nicht genau. Ich bin immerhin das älteste Lebewesen in der Digiwelt. Als ich 1024 Jahre alt wurde, muss ich wohl mit Zählen aufgehört haben." "Das älteste Lebewesen der Digiwelt? Sogar älter als Gennai? Wie kommt's, dass du so alt bist?" "Nun, in erster Linie liegt es wohl daran, dass ich bei einem Kampf hier noch nie verloren habe." "Du hast mal gekämpft?" "Oh, ja, ich war mal eines der stärksten Digimon. Jedes andere Digimon der Digiwelt wurde irgendwann mal in einem Kampf getötet und in der Stadt des ewigen Anfangs wiedergeboren. Doch mir ist das nie passiert. Ich lebe hier, seit es die Digiwelt gibt." "Existierte die Digiwelt etwa nicht schon immer?", ich merkte, wie sich Ateneta neben mich setzte. "Wo denkt sie hin? Die Digiwelt existiert seit etwa fünf Jahren." "Aber wieso bist du dann so alt?" "Kind, weiß sie überhaupt, was die Digiwelt ist?" "Laut meinem Bruder ist sie nur Illusion.", sagte ich traurig und sah wieder die letzten, grausamen Bilder, die ich von ihm noch in Erinnerung hatte. "Dann sollte sie sich erst fragen, was Illusion ist. Sie hat sich doch früher immer voller Begeisterung ihren Lieblingsanime angesehen..." Ich riss die Augen auf und blickte Ateneta geschockt an. Doch mehr, als einen verschwommenen Fleck konnte ich nicht erkennen. "Du weißt davon?", spätestens jetzt wurde mir klar, dass das nie und nimmer ein ganz gewöhnliches Digimon war. "Sie beantworte meine Frage. Hat sie's nicht immer gern gesehen?" "Ja... Natürlich. Ich war süchtig danach." "Hat sie sich eigentlich jemals darüber gesinnt, was der Mensch, der den Grundgedanken der Serie Digimon gesetzt hat, gedachte haben muss oder gefühlt haben muss?" "Ich schätze mal, er dachte, es wäre 'ne gute Marktlücke und dass man mit Merchandise 'n Haufen Knete machen kann.", war ganz schön unverschämt so zu reden und so korrigierte ich mich selbst: "Aber andererseits... Um so eine furchtbar komplexe und umfangreiche Geschichte zu erstellen, muss man 'ne Menge Fantasie haben. Irgendjemand da draußen hatte eine Idee, einen Glauben im Hinterkopf, den er auch anderen vermitteln wollte. Zumindest glaube ich das." "Und was glaubt sie, wie deutlich er die Digiwelt wohl vor sich gesehen hat?" "Er war... ...der erste Mensch in der Digiwelt?" "Es war seine Welt!", Ateneta schlürfte zufrieden ihren Tee. "Seine... ...Welt?!?", mir kam plötzlich ein Gedanke, der eigentlich schon in mir steckte, seit ich in der Digiwelt war. "Ateneta, als ich die Prophezeiung gelesen habe, wuchsen mir Flügel und ich bin durch so etwas, wie einen Lichttunnel geflogen. Ich hab' so viele verschiedenen Bilder gesehen. Meine beste Freundin zusammen mit Will Smith zum Beispiel. Sie hätte mir sicher erzählt, wenn sie ihm jemals gegenüber gestanden hätte. Oder gar geküsst hätte." "Tja, dann hat sie ihr was verschwiegen." "Aber das ist doch Blödsinn. Wie sollte sie je Will Smith so nahe gestanden haben. Das ist doch gar nicht realistisch." "Wer redete denn auch von Realität?" "Meinst du etwa ...ihre Welt?" "Ach, die Kleine hat diesen Schauspieler, Sänger und Sportler schon immer angehimmelt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich mit ihm in ihre Welt verliert." "Willst du damit sagen, sie hat sich in eine andere Welt transportier?" "Nicht eine andere Welt. In IHRE Welt. Denke sie doch mal nach. Jeder Mensch hat doch seine eigene kleine Welt, in die er sich mal flüchtet, wenn er von der Realität die Schnauze voll hat." "Und die Digiwelt und das Meer Dragomons und die reale Welt der Digiritter sind auch so eine Welt, vermittelt durch die Medien der Realität. Das meinte mein Bruder also, als er sagte, es sei nur Illusion. Illusion in dem Sinne, dass es nicht die Realität ist, aber es trotzdem real ist. Und die ganzen Bilder, die ich in dem Lichttunnel gesehen habe, das waren alles die eigenen Welten der Menschen. Ob geheime oder für andere zugänglich. Ich hab' sie alle gesehen. Aber das muss ja bedeuten, dass ich die Fähigkeit habe, zwischen den Welten zu reisen." "Deswegen hattest du auch anfangs, bevor du deine Flügel entdeckt hast, noch das Digivice. Das Digivice dient für zweierlei. Erstens kann es mit Einfluss der Kraft des Digiritters die Daten eines Digimons mutieren lassen und zweitens erlaubt es seinem Besitzer, zwischen zwei verschiedenen Welten zu reisen. Das hört sich schon nach sehr viel an, aber wenn man nun bedenkt, wie viele Milliarden Welten es gibt...", Ateneta stellte ihren Becher auf den Boden. "Sie soll ihre Kinnlade wieder hochklappen, sonst fliegt da noch was rein." Das war gar nicht so leicht. So viele Informationen, so viele neue Tatsachen, mit denen ich mich gerade auseinandersetzte. "Aber wenn ich mich recht erinnere, war ich noch nie in irgendeiner anderen Welt. Ich stand immer mit beiden Beinen auf dem Erdboden." "Und trotzdem ist sie jetzt hier." "Stimmt... Ateneta? Ich bin kein Mensch, hab' ich recht?" "Glaubt sie denn, dass sie ein Mensch ist?" "Ich weiß nicht. Ich bin in der Realität aufgewachsen, hab' dort Freunde gefunden, gehe dort zur Schule. Und jetzt wachsen mir plötzlich Flügel, wie bei einem Vogel und Myotismon meint, ich sei seine Schwester, also ein Digimon? Alles irgendwie verwirrend. Ich weiß langsam gar nicht mehr, was ich bin. Kannst du mir nicht sagen, wer ich bin? Du scheinst ja gut bescheid zu wissen." "Ich weiß zwar viel, da ich sehr viel erlebt habe in meinem langen Leben, aber dir kann ich nicht sagen, wer du bist. Jeder muss für sich selbst wissen, was er ist und was er aus sich macht." Es war einen Augenblick still. Der Geruch des Tees stieg mir in die Nase. Mir war warm. "Wie geht es ihr jetzt?" "Hm, körperlich geht's mir ganz gut. Aber in meinem Kopf ist gerade die Hölle los. Weißt du, gestern war mein größtes Problem noch die Leistungskontrolle, die möglicher Weise in der Schule auf mich wartete. Und jetzt fürchte ich um den Untergang der Welt und darum, meine Freunde nicht retten zu können." "Sie will ihn unbedingt vernichten..." "Gibt es etwa eine andere Möglichkeit? Myotismons Macht ist so gewaltig, dass es ein Klacks für ihn ist, sich... Herr Gott, jetzt weiß ich, warum er den Digirittern ihre Digivices weggenommen hat." Gedankenblitz! "Nicht, um damit die Digimon zu kontrollieren. Er wollte damit zwischen den Welten reisen, um sich auch jede andere Welt zu unterwerfen. Nicht auszudenken, was er alles anrichten kann." "Erkennt sie nun, dass er wesentlich mehr Macht hat, als sie. Wie will sie ihn dann vernichten?" "Ich werde vielleicht zu schwach sein, gegen ihn zu gewinnen, aber ich kann ihm auf jeden Fall folgen und versuchen ihn aufzuhalten. Außerdem muss ich die anderen retten und Tai aus meiner Welt zurückholen. Er gehört da nicht hin." "Unter Einsatz ihres Lebens?" "Was erwartest du von mir?" "Eile mit Weile. Denke sie erst, bevor sie einen voreiligen Entschluss trifft." "Mein Bruder hat das auch gesagt." "Dann ist er schlauer, als sie." "Hey, was muss ich mir denn hier anhören?!?" "Tja, es ist ja auch nicht Myotismon, den ich halb tot auf dem Berg gefunden habe..." Da hatte sie recht. Myotismon wusste im Gegensatz zu mir, was er tat. Ich war auf nichts gefasst. "Kind, ich weiß doch, dass sie ihre Freunde retten will und das kann ich gut verstehen. Die Digiritter sind ihr mehr als alles andere ans Herz gewachsen. Ganz besonders dieser eine Junge mit den wilden Haaren." Meinte sie jetzt Matt oder Tai? "Aber sie wird sie nicht retten können, wenn sie überstürzt handelt. Sie muss erst die ganze Wahrheit erfahren, sonst wird sie nie in den Besitz ihrer vollen Kräfte kommen. Und sie braucht die Kräfte, um die Welten zu retten." "Ich habe aber nicht mehr viel Zeit. Ich habe Angst, dass meine Freunde sterben und das kann und will ich nicht zulassen.", ich stellte meinen Becher neben mir auf den Boden und stand auf. "Und deswegen gehe ich zu meinen Bruder und kläre das mit ihm." "Dann werde ich sie wohl nicht aufhalten können." Mir tat noch immer alles weh, aber wenigstens sah ich jetzt etwas schärfer, doch immer noch ansatzweise verschwommen. "Die Tür ist gleich vor ihr. Sie gehe einfach gerade aus, um aus meiner Höhle zu kommen. Ich hoffe für sie, dass sie es schafft." "Danke, Ateneta, für deine Hilfe." "Ich tue nur alles dafür, die Welten zu retten. Nicht nur sie leidet. Hier, nehme sie das mit.", das alte Digimon drückte mir ein Stück Papier in die Hand. "Das ist der letzte Ausweg. Der Weg, der ihr zeigt, wie man die Welten vernichten kann. Es wird ihr sicher bessere Dienste leisten, als mir..", die Stimme der Alten klang traurig, als ob sie wüsste, was passiert und dass das sicher nichts gutes sein wird. Aber ich musste jetzt da raus. Wenn ich noch länger hier sitzen bleibe, drehe ich noch durch. Und so schritt ich heldenhaft und todesmutig, wie es sonst immer in solchen bekloppten amerikanischen Dramenfilmchen dargestellt wird, nach draußen. Ob ich das überleben werde, weiß ich nicht, und der Gedanke, für die Welten die letzte Hoffnung zu sein, machte mich halb wahnsinnig. Ich wünschte echt, dass ich am Montag in der Freistunde Biologie nicht nach Hause gegangen wäre. Dann hätte Tai mich nicht rufen können. Er hätte mich gar nicht erst gefunden und ich würde jetzt wieder über meinen Hausaufgaben hängen. Fast ironisch, dass ich den langweiligen Alltag, den ich sonst immer so sehr verflucht hatte, mir jetzt ersehnte. Ich will wieder nach Hause. Tai hatte Recht. Ich hab' es am Anfang wirklich nur für ein Spiel gehalten und war mir über den Ernst der Lage nicht wirklich im Klaren. Selbst wenn es in der Serie in einer noch so aussichtslosen Situation so aussah, als ob alles den Bach runter geht, hat das Gute im Endeffekt doch noch gesiegt. Und ich hatte gedacht, dass wäre hier wieder der Fall. Ich dachte, dass sich die Digiritter schon um alles kümmern und ich nur ein kleiner Teil in dem ganzen System bin und fast gar nichts bewirken könnte. Wie man sich doch täuschen kann. Ich hab' so Angst. Am liebsten würde ich das jetzt gar nicht machen. Am liebsten würde ich mich in eine Ecke setzen und warten, bis jemand kommt, der die Sache für mich übernimmt. Wie feige. Ich kann das einfach nicht allein. Tai, wo bist du? Ich brauche dich. Ich will das nicht allein machen... Kapitel 16: Der Hüter und der Wächter ------------------------------------- Der Hüter und der Wächter Ich weiß nicht wie, aber anscheinen habe ich Myotismons Berg aus Zufall gefunden. Oder aus Intuition oder was weiß ich. Jedenfalls stand ich nach etwa einer knappen Stunde Fußmarsch wieder genau da, wo ich, ich nenn's mal, gefallen war. Zumindest glaube ich, dass ich ein knappe Stunde gelaufen war. Mein Zeitgefühl war auch nicht mehr das Wahre. Mit meiner Sehkraft sah's noch immer nicht gravierend besser aus. Auf dem Weg hierher hatte ich schon versucht, auf dem Stück Papier, das mit Ateneta gegeben hatte, was zu erkennen, aber mehr als eine verschwommene Fläche konnte ich auch nicht entziffern. Ich stand quasi ohne Waffen, ohne Vorbereitung, ohne Schutz und ohne Sehkraft auf der Spitze eines Berges und wartete auf den Angriff meines Bruders. Toll. Meine Position ist echt toll. Selbst der am schlechtesten vorbereitete Angriff in einem Krieg war sicher noch nie so spärlich ausgerüstete, wie ich es war. Und was ist, wenn Myotismon erst nach den 24 Stunden kommt? Ich weiß nicht, wie spät es ist. Nicht, dass ich jetzt hier 'ne Ewigkeit warten darf. Oder noch schlimmer; was ist, wenn ich zu spät bin und Myotismon meine Freunde bereits in handliche Stückchen zerhackt hat und mit den Digivices über alle Berge ist? Ach, verdammt, wenn ich wenigstens scharf sehen könnte. "Hab' dich!!!!", mir wurde plötzlich eine kalte Hand auf die Schulter geknallt. Ich erschrak und drehte mich um. "Hallo, Schwesterchen. Wie nett, dich wieder in einem Stück zu sehen." "Myotismon...", fauchte ich, meine Angst unterdrückend. "Na, na, ... Nicht so böse. Deine kleinen Freunde leben alle noch. Obwohl ich des Öfteren die Gelegenheit hatte, endlich meine Rachespielchen an ihnen zu üben." "Und was hast du jetzt vor?" "Damit hast du doch schon Bekanntschaft gemacht, oder?", mein Bruder ließ einen hellen, langen Gegenstand in seiner Hand erscheinen und ich vermutete schon, dass es das Schwert sein musste. Aber ich antwortete Myotismon auf seine Frage nicht, sondern sah ihn nur weiterhin böse an. "Zu dumm nur, dass ich es habe, obwohl es ja eigentlich dir gehört." Das Digimon holte aus und langte in einem kräftigen Hieb mit dem Schwert nach mir. Doch ich reagierte schnell genug, öffnete meine Flügel, die bis eben noch verborgen waren und flog so ein kleines Stück von meinem Angreifer weg. Zu mehr reichte meine Kraft nicht aus. "Aha, du lernst deine Kräfte zu kontrollieren. Sehr vorbildlich." Das war ein Vorteil. Myotismon wusste weder, dass ich nicht richtig sehen könnte, noch wusste er, dass ich mit meiner Kraft schon kurz vor dem Ende war. Ich kann echt prima schauspielern. Oder Myotismon ist einfach nur schwer von Begriff... "Das Schwert gehört mir?" "Und es hat sogar einen Namen. Eine Schande, dass du dich als Hüterin des Schoens nicht mehr daran erinnerst." "Die Hüterin des Schoens?" "Ja, warum, verdammt, erinnerst du dich nicht mehr?!!", schrie Myotismon und schlug erneut mit dem Schwert, welches den Namen Schoen trug, zu. Ich konnte wieder rechtzeitig ausweichen. Doch dieses Mal hatte ich das Gefühl, etwas Verzweifeltes in der Stimme meines Bruders zu hören. "Wie sollte ich mich denn erinnern? Mein ganzes Leben hab' ich in der Realität verbracht und nicht in der Digiwelt." "Ha! Glaubst du etwa, es geht um die Digiwelt? Es ging nie um die Digiwelt.", er schlug noch einmal zu. "Worum ging es denn dann?", ich hatte immer mehr Mühe, seinen Hieben auszuweichen. "Du warst immer da. Du warst da, wenn ich zu stark wurde. Du warst immer bei mir und hast mich so gut es ging unterdrückt, damit ich keine Dummheiten mache. Und dann warst du plötzlich weg! Du warst nicht mehr da. Wo warst du?!!" "Sag mal, wovon redest du eigentlich?", rief ich, passte dabei nicht richtig auf und war zusätzlich mit meiner Kraft vollständig am Ende. Ich verlor die Konzentration, stolperte und knallte auf den Rücken. Ich sah Myotismon nur noch, wie er auf mich zugestürzt kam und mir dann mit voller Wucht das Schoen in die rechte Schulter stieß. Der Schmerz raste vom Punkt des Einschlages durch meinen Körper in den Kopf und äußerte sich in einem spitzen Schrei. "Ich rede von dem Hüter und dem Wächter der Welten." Der quälende Schmerz schien wohl bei Weitem lauter zu sein, als die Worte meines Bruders, doch ich hörte ihn klar und deutlich. "Was ...meinst du damit?", fragte ich mit letzter Kraft. "Die Digiritter kämpfen, um die Welt zu retten. Bunny Tsukino auch und Marron Kusakabe und Kamui und Hikaru und Son-Goku und wer auch immer. Doch sie alle kämpfen nur für ihre Welt, in der sie erschaffen wurden. Sie werden niemals die Fähigkeit haben, das Ganze zu sehen, wegen ihrer Intoleranz und Engstirnigkeit, dass es noch weit aus mehr Welten zu beschützen gibt." "Woher ...sollen sie das ...denn auch wissen? Ihr Bewusstsein wurde ...durch den Schöpfer nur ...auf ihre Welt fixiert.", sagte ich bruchstückhaft. "Und warum haben WIR dann dieses Bewusstsein?!", brüllte Myotismon und drückte mir die Klinge des Schoens noch tiefer ins Fleisch. "Wenn alle anderen nur die Verantwortung einer einzigen Welt tragen müssen, warum haben wir dann die Verantwortung über ALLE Welten?" "Ich weiß ...nicht wovon du ...redest?" "Ich rede von DIR und KHEPRI, verdammt. Ihr seid beide so erbärmlich und erst durch mich, weiß Khepri, was er wirklich zu verlieren hat. Du bist die Hüterin und ich bin der Wächter des Schoens." "Was ist ...das Schoen?" "Es ist der Gegenstand, der über Gut und Böse entscheidet, der dafür kämpft, ob in der Welt Frieden herrscht oder sie im Chaos versinkt, oder der Beschützer der Welt lebt oder den Heldentod stirbt." "Ich bin ...die Hüterin ...des Guten ...und du..." "Ich bin der Wächter des Bösen!!!", Myotismon zog endlich das Schoen aus meiner Schulter. Ich war jetzt völlig entkräftet, doch ich riss mich zusammen und stand unter Schmerzen auf. Wenigstens war meine Sehkraft fast wieder vollständig hergestellt. Doch wie ich jetzt noch gegen den Wächter des Bösen kämpfen soll, war mir ein echtes Rätsel, da er seine ganze Kraft sammelte und zu Malomyotismon digitierte. Das riesige Digimon baute sich vor mir auf. "Scheiße...", flüsterte ich. Aber dieses Wort drückte nicht einmal im Ansatz meine aussichtslose Situation aus. Malomyotismon fing sofort an, wie wild mit so einer Art Lichtblitzen nach mir zu werfen und ich musste ihnen so gut ich eben konnte ausweichen. Es war sehr mühsam und mir tat meine Schulter unheimlich weh. Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. War es etwa so hoffnungslos? War jetzt die ganze Welt verloren? Ich hatte keine Kraft und Myotismon schien vor Kraft nur so zu strotzen. Sollte ich etwa jetzt aufgeben? Was wird dann aus der Welt? Was wird aus meiner Welt? Was wird aus den Digimon und den Digirittern? Was wird aus Tai? Nicht einmal Angst verspürte ich. Ich stürzte. Ich konnte nicht länger ausweichen. Es war unmöglich. Ich bliebt liegen und ertrug die Attacke meines Bruders. Bald muss es ja vorbei sein. Ich hatte so viel Hoffnung, dass ich die Welt retten könnte. Doch es ist unmöglich. "Es ist wohl das erste Mal, dass das Böse siegt...", hauchte ich. Dann schloss ich meine Augen. "Bin ich tot?" "Glaubst du, dass du tot bist?" "Ich weiß nicht. Ich spüre nichts." "Was wäre, wenn du tatsächlich tot wärst?" "Wer bist du?" "Beantworte meine Frage?" "Ich glaube, dann hat der Wächter des Bösen gewonnen." "Du glaubst?" "Ich bin nicht sicher." "Warum?" "Weil das Böse noch nie gewonnen hat." "Und das Gute?" "Das hat sich immer stark gemacht und nie aufgegeben." "Glaubst du, das Gute hat je gewonnen?" "..." "Was ist?" "Es hat noch nie gewonnen..." "Noch nie..." "Nicht einmal das Gute. Sonst würde das Böse gar nicht mehr hier sein." "Und?" "Weder das Gute noch das Böse darf gewinnen." "Ja." "Keines darf gewinnen. Das Gleichgewicht muss immer erhalten bleiben. Immer..." "Sonst?" "Egal, welche Seite gewinnt. Wenn auch nur eine Seite überwiegt, würde sie alle Welten zerstören. Das kann ich nicht zulassen. Das darf ich nicht zulassen. Ich muss dagegen kämpfen..." "Glaubst du, dass du tot bist?" "Nein!" .... Ich schlug die Augen wieder auf. Mein Wille war durch eine gewaltige Flut an Hoffnung gestärkt, meiner Bestimmung nachzukommen und die Welten zu retten. Ich stand auf, spürte keinen Schmerz und blickt in den Himmel - in den Schwarz-Roten Himmel. Er verhieß nichts gutes, aber ich war mir meiner Sache sicher und bewusst. Ich richtete meinen Blick auf das schwarze Wesen, das nun vor mir stand. Sein riesiger Körper in Gestalt Malomyotismons erhob sich vor mir und starrte mich an. Ich sah zu ihm auf. Er bewegte sich nicht, starrte mich nur an. Er hatte noch immer das Schoen in seinem Besitz. Das konnte ich nicht zulassen. "Tai!!!", rief ich. Ich bekam keine Antwort. "Tai!!!", rief ich daher noch einmal lauter. Ich bekam noch immer keine Antwort. Ich spürte, wie mir das Blut von der Schulter am Arm herunter lief. Es war warm. Ich erinnerte mich an ihn. An seine brauen Augen, an seine wilden Haare, an seinen Mut und seinen starken Willen, zum Kämpfen und Helfen und zum niemals Aufgeben. Ich atmete tief ein, schloss die Augen und sammelte alle Kraft, die ich in meinem geschwächten Körper noch zu finden glaubte. Und ich schrie: "TAAAAAAAAAAAIIIIIIII!!!!!!!!!" "Was ist?!?", wurde ich unsanft angestoßen. "Würdest du bitte aufhören so rumzubrüllen. Is' ja furchtbar." "Tai?!?" "Wen hast du erwartet? Den Osterhasen?" Ich saß plötzlich in einem Klassenzimmer, neben mir meine beste Freundin, die mir mit einer tiefen, männlichen Stimme zuflüsterte. "Oh, sorry, sehe ja nicht gerade aus, wie Tai." "Du bist es wirklich." "Sicher doch..." "Und dass du in Mädchenklamotten steckst, stört dich gar nicht." "Dass ich in einem Mädchen stecke stört mich ein bisschen mehr, als die Klamotten. Kannst du dir vorstellen, wie unbequem ein BH ist?!?", Tai sah mich blöd an. Ich sah blöd zurück. "Ich glaub', ich kann's mir vorstellen. Schon vergessen? Ich BIN ein Mädchen." "Oh, stimmt." "Hey, ihr zwei davorn!", die Lehrerin hatte unser Gespräch bemerkt. "Würdet ihr eure nette Unterhaltung bitte auf die Pause verschieben?", wurden wir unfreundlich von ihr aufgefordert. Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich die Lehrerin wieder zur Tafel. Doch Tai schien diese Mahnung nicht wirklich zu stören. "Wie sieht's nun aus?", flüsterte er mir zu. "Beschissen. Wie denn sonst?" "Wie beschissen." "Sehr beschissen." "Und das heißt?" "Das heißt, dass wir alle sterben werden. Matt, Ken, Davis und Yolei sind Gefangene Myotismons. Der ist wieder zu Malomyotismon digitiert, mir wachsen plötzlich Flügel und ich werde als Hüterin des Guten bezeichnet und Myotismon hat mir das Schoen weggenommen. Ich hab' keine Ahnung, was hier vor sich geht und ich hab' noch weniger eine Ahnung, was ich tun soll. Und noch viel weniger weiß ich, warum ich plötzlich hier bin. Ich wollte dich eigentlich nur zurückholen und nicht mich hierher transportieren." "Ich verstehe zwar nur Bahnhof, aber..." "Is' ja auch nicht so wichtig." "Hallo, habt ihr mir eben eigentlich zugehört? Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr den Unterricht nicht weiter stören würdet.", mahnte uns die Lehrerin wieder. Und wieder interessierte uns das herzlich wenig. "Nein, ich meinte, du hast doch irgendwas von Schoen gefaselt." "So weit ich mich erinnern kann." "Ich bin schon seit der ersten Schulstunde hier. Aber wenn ich die Zeit bedenke, in der noch das Bewusstsein deiner Freundin aktiv war, muss ich schon etwa seit gestern hier sein. Ich weiß auch nicht wie, aber irgendwann ist mein Bewusstsein an ihre Stelle getreten. War 'n ganz schöner Schock, als ich in den Spiegel sah und mein Gesicht darin nicht fand. Die Jungs auf dem Klo müssen wohl ziemlich blöde geguckt haben. Wie dem auch sei. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also hab' ich's mir in der Frühstückspause in der Bibliothek gemütlich gemacht. Gemütlich natürlich nur in Anführungszeichen. Und plötzlich fällt doch wie aus heiterem Himmel ein Buch aus dem Regal und öffnet sich an einer bestimmten Stelle. Es ist ein kleines Buch, dass eine MayaAnn verfasst hat. Auf der Seite, die aufgeschlagen war beschreibt sie, was ein Schoen ist." "MayaAnn? Noch nie gehört. Was sagt sie denn über das Schoen." "Sie sagt, es ist der Gegenstand, oder besser, die Kraft, die alle Welten zusammenhält und zwar mit der Macht, Gut und Böse immer im Gleichgewicht zu halten. Wenn in irgendeinem Kopf irgendeines Menschen eine neue kleine eigene Welt entsteht, dann sind die ersten zwei Dinge darin Gut und Böse, die sich seit der ersten Sekunde an gegenseitig bekämpfen. Und das Schoen hat den Nutzen wenn die eine Seite überhand nimmt, dass die jeweils andere Seite das Schoen an sich nimmt um die überwiegende Seite in Zaum zu halten." "Deswegen also kann weder Gut noch Böse gewinnen. Und deswegen hat mein Bruder auch gesagt, dass das Schoen mir gehört. Es gehört nicht mir, nur gerade in dieser Situation." "Ich komm schon wieder nicht mit. Wer ist dein Bruder?" "Myotismon ist mein Bruder." "Wie bitte?!?" "Ich sage es ein letztes Mal.", kam die genervte Lehrerin wieder auf uns zu. "Seid endlich still!!" Ein kurzer Blick, als würden wir auf sie hören, sie drehte sich wieder um und Tai sah mich wieder interessiert und irritiert zu gleich an. "Myotismon ist kein Digimon." "Ach nein?" "Myotismon ist der Wächter des Bösen und ich bin die Hüterin des Guten. Wir beschützen die jeweilige Seite, auf der wir stehen und die wir verteidigen müssen." "Ich verstehe... Wenn irgendwas schlechtes passiert, dann ist das Myotismons Schuld und wenn das Gute dagegen kämpft ist das deine Schuld." "So in etwa." "Aber eins verstehe ich nicht. Wenn das Schoen als Gegenstand des Gleichgewichts dient und Myotismon ihn hat, warum versucht er dich dann zu töten und die Macht über alle Welten zu gewinnen. Er ist doch auch nur dafür verantwortlich, dass alles seine Ordnung hat und nicht im Chaos versinkt. Warum ist er dann plötzlich darauf aus, alles zu zerstören?" Ich sah Tai ernst an. Ich hatte keine Antwort. Genau genommen, war mir das noch nie aufgefallen. Doch jetzt. Ich sah in Tais Augen. Eigentlich sah ich in Katis Augen, doch ich hatte das erschreckend reale Gefühl, Tais schokoladenbraune Augen zu sehen. Es war so echt. Und wie ich ihn so ansah, kam mir die Antwort wie aus allen Wolken gefallen. "Wegen dir!" "Jetzt reicht's mir aber!!! Raus, aber alle beide!!!", brüllte die Lehrerin und setzte Tai und mich vor die Tür. Doch das juckte uns weiterhin nicht. Und so redeten wir im Schulflur weiter, als hätte sich die Situation nicht geändert. "Was meinst du mit wegen mir?" Ich griff in meine Hosentasche. Ich zog zwei Dinge aus ihr. Mein Digivice und das Stück Papier von Ateneta. "Was ist das für ein Wisch?" "Den hab' ich von Atenetamon, dem ältesten aller Lebewesen in der Digiwelt. Sie sagte mir, da steht darauf, wie man alle Welten zerstören kann." "Wie denn?" Ich faltete das Papier auf und starrte fassungslos darauf. Auf dem vergilbten, zerknitterten Papier stand nur ein einziges Wort in wackeligen, verschmierten Buchstaben, als hätte sie ein Vierjähriger geschrieben: "Liebe". Ich begann zu zittern. Tai registrierte meine plötzliche Verängstigung und nahm mich in den Arm. "Was ist denn los? Hey, Kosma. Was hast du?" "Er... Er sprach davon, dass ich plötzlich nicht mehr da war. Ich war plötzlich weg und nicht mehr bei ihm..." "Was meinst du denn nur? Kosma, du machst mir Angst.", und Tai drückte mich noch etwas fester in seine Arme. "Es geht um die Liebe..." "Wieso denn um die... Liebe?!", Tais nervöser Blick verflog, änderte sich in die pure Erkenntnis, er legte seine Hand auf meinen Hinterkopf und zog mich zu sich heran. "Ich versteh zwar nur Bahnhof, aber wenigstens verstehe ich das...", und er legte seine Lippen auf meine. Ich dachte, mein Schwein pfeift. Küsse ich jetzt etwa ein Mädchen?!? Aber es fühlte sich doch genau wie Tai an. Schmeckte nach einer Mischung aus Schokoladenkuchen und Fitnessdrink. Jedenfalls wurde mir tierisch heiß und mir wurde noch heißer, als ich plötzlich aus einem unerfindlichen Grund seine Zunge in meinem Mund spüren konnte. Übertrieb er es nicht ein bisschen? Das haute mich regelrecht um. Und nicht nur das, aber genau das war die Antwort. Genau das war die Antwort, die Myotismon haben wollte. Ich schloss die Augen und wusste, was ich zu tun hatte. Jedenfalls hoffte ich, dass meine Theorie richtig war... Kapitel 17: Atum und Khepri... Und Tai -------------------------------------- Atum und Khepri... Und Tai Ein starker Wind wehte plötzlich. Ich machte die Augen wieder auf. Wie ich es mir gedacht hatte standen Tai und ich in der Digiwelt. Tai sah zwar noch etwas mitgenommen aus, doch ich schaute mich sofort nach meinem Bruder um. Ich erblickte ihn gleich vor mir und ließ den verwirrten Tai erstmal hinter mir. "Myotismon!!!", rief ich. "Ich weiß jetzt, was du willst." Malomyotismon sah mich nur starr an und reagierte nicht. "Du willst mich. Dir sind die Welten doch scheißegal. Die kannst du alle zum Teufel jagen. Du willst nur mich. Es geht dir nicht im die Macht über alle Welten, es geht dir lediglich um die Liebe!!!" "DAS IST NICHT WAHR!!!!", schrie der Wächter des Bösen. Die ganze Zeit über stand er nur stumm da und wartet geduldig auf eine Reaktion von mir. Doch jetzt fing er an zu kreischen und zu fluchen, wehrte sich gegen das, was ich gerade gesagt habe. Er fing an zu schwanken, das Gleichgewicht zu verlieren, das Gewicht seines Körpers nicht mehr tragen zu können. "Es geht dir um die Liebe. Um deine Liebe." "NEIN! HÖR AUF DAMIT!!!", er stieß eine Attacke in meine Richtung, doch ich war gestärkt, wie nie zu vor. "Du brauchst dich gar nicht erst zu wehren. Du wolltest es nicht einsehen, du hast es versteckt, verdrängt oder was weiß ich, aber ich weiß jetzt ganz genau, dass..." "NEIN, SPRICH ES NICHT AUS!!!" "Dass du mich liebst!" "NEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINN!!!!!!!!!!!!!" Ein helles Licht erschien, zerrte und riss an Malomyotismon, der sich nach Leibeskräften dagegen wehrte. Doch er war nahezu machtlos. Es kam mir fast so vor, als wehre sich Myotismon nicht gegen meine Worte, sondern gegen etwas in ihm selbst. Das Schoen, das sich noch immer in dessen Besitz befand, leuchtete auf und zwang meinen Bruder noch mehr in die Knie. Er schrie noch immer und wollte sich nicht den Tatsachen stellen. Doch es war zu spät. Das Licht nahm überhand und hüllte den Wächter des Bösen vollkommen ein. Es wurde so hell, dass sich das Licht über die gesamte Digiwelt auszubreiten schien. Ein starker Sturm zog auf und selbst ich hatte Probleme, mich noch auf den Beinen zu halten. Malomyotismons Kampf schien verloren. Er schrumpfte und digitierte zu Myotismon zurück, welcher völlig fertig zusammenbrach. Das Schoen fiel neben ihm auf den Boden. Ich stürzte sofort auf meinen Bruder zu. Doch ich blieb unweigerlich stehen. Myotismon, regungslos am Boden liegend, schien erneut die Form zu ändern. Als ob sein Körper aufplatzen und zerreißen würde, flogen mir plötzlich Fetzen von Kleidung und Haut um die Ohren. Als sich die Staubwolke um ihn herum verzog, sah ich erst, was da wirklich lag. Es war ein Wesen, eingehüllt in einen schwarzen, zerrissenen Umhang. Es war das Wesen, dass ich auf dem Bild in Gennais Haus gesehen habe. Ich trat an das Wesen heran und kniete mich zu ihm hinunter. "Myotismon?", frage ich zaghaft. "Wenn die Sonne wird verschlungen Von den schwarzen Flügeln, doch Wenn die weißen Flügel schlafen Und sich ihre Hoffnung verkroch. Der letzte Weg ist nur der eine, Den die Liebe des Schoens erhört. Lasst weiße Flügel nicht länger schlafen Sonst die Sonne wird zerstört...", bekam ich zurück. "Es tut mir leid, dass es so enden musste, Khepri." "Es muss dir nicht leid tun, Atum.", murmelte das schwarze Wesen. Dann hob es seinen Kopf. Unter der Kapuze konnte ich kein Gesicht erkennen. "Du hast nur deine Aufgabe erfüllt." "Khepri, wie konnte es nur dazu kommen?", ich sah den Wächter des Bösen besorgt an. "Es begann bei einem Kampf Gut gegen Böse in irgendeiner Welt, weit weg von hier. Der Kampf sah genauso hoffnungslos aus, wie dieser hier. Ich kämpfte gegen dich und du gegen mich. Ich hatte dich fast geschlagen und du lagst bewusstlos vor mir. Ich kann dich nicht töten, aber ich habe dich angesehen, wie du da lagst. Dein Blut rann dir über alle Körperteile. Dein Anblick war jämmerlich, doch genauso faszinierend. Das war das erste Mal, dass ich selbst vor mir meine tiefen Gefühle für dich nicht mehr verbergen konnte. Es war mehr als offensichtlich." "Aber ich dachte, das Böse kann nicht fühlen." "Du hast es auch einmal gewusst. Gut und Böse wurde nur von den Menschen und ihren Welten erschaffen und wie die Menschen fühlen können, so kann auch Gut und Böse fühlen." "Du hast dich in mich verliebt." "Ja, Atum, ich liebe dich. Doch in jenem Kampf hätte ich dich fast getötet. Ich wollte es mir nicht eingestehen, dass ich dich liebte, da ich wusste, es würde das Verhältnis aller Welten aus dem Gleichgewicht bringen. Selbst das Schoen bemerkte meine Gefühle zu dir und warnte mich noch, sollten sich je meine Gefühle bestätigen, würde das Konsequenzen nach sich ziehen. Liebe ist das einzige, was eine Welt zerstören kann. In diesen Kampf habe ich all meine Hoffnung gelegt, dass ich dich so sehr hasse und dich deswegen umbringen könnte. Doch als dein bewusstloser Köper vor mir lag, wusste ich, dass ich übertrieben hatte und dass es meine Liebe fast geschafft hätte, dir deine Unsterblichkeit zu nehmen. Um dich zu retten und dich nicht zu verlieren, legte ich meine Macht in deine Unsterblichkeit und machte dich zu einem Menschen, sodass du in der Realität als Kosma wiedergeboren werden konntest. Es gab keine andere Möglichkeit, dich am Leben zu halten. Doch ich wusste auch, dass ich dich in der Realität nie erreichen kann. In der Realität gibt es zwar auch Gut und Böse, aber auf einer realen Basis und unsere Existenz gründet sich nur auf einer fantastischen Basis. Du warst für mich nun unerreichbar. Als hätte ich mich selbst mit Einsamkeit bestraft. Doch als du vierzehn Jahre alt wurdest, erkannt ich deine Liebe in die Digiwelt. Ich sah eine Chance, dich so zu erreichen, schenkte, ohne darüber nachzudenken, meinen Körper Myotismon und konnte dich dadurch immer sehen. Doch Myotismon hatte auch in gewisser Hinsicht sein Bewusstsein und missbrauchte meine Macht. Und wenn das Böse sich mit dem Bösen verbindet..." "..., dann gibt es nur eine Möglichkeit, sich dem zu widersetzen. Durch Liebe. Ich habe mich in Tai verliebt. Liebe ist das größte und stärkste aller guten Gefühle und Menschen, die aus Liebe handeln, denen steht manchmal die Kraft zu, jeden ihrer Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen." Khepri hob seine Hand und strich mir damit über mein Gesicht. "Du bist so wunderschön, Atum. Ich verstehe nicht, warum wir uns immer bekämpfen." "Wir bekämpfen uns doch nicht, Khepri. Wir halten nur die Welten im Gleichgewicht. Sonst nichts.", ich wollte auch Khepri eine liebevolle Geste entgegen bringen und so zog ich die Kapuze von seinem Kopf. Zum Vorschein kam eine blonde Mähne und zwei blaue Augen. Ich lachte leise. "Hihi,... Was soll denn das?", grinste ich meinen Bruder an. "Naja...", der errötete. "Du hast doch so für Matt geschwärmt, also dachte ich, es wäre eine gute Idee, so auszusehen, wie er." "Kann man das wieder rückgängig machen?" "Ich weiß nicht." "Dann lass dir was einfallen. Es sieht schockierend aus.", ich und der Wächter des Bösen lachten. "Äh, hallo?!?", Tai tauchte plötzlich hinter mir auf. "Hab' ich was verpasst?" "Tai, das ist Khepri, der Wächter des Bösen.", Khepri reichte Tai die Hand. Der machte nur ein verwirrtes Gesicht. "Seit wann sieht der Wächter des Bösen aus wie mein bester Freund?!?" "Is' 'ne lange Geschichte." "Wenn du's sagst.", dann griff Tai nach der Hand des Wächters. "Hm, hätte nie gedacht, dass ich mal der Ausgeburt des Bösen die Hand schütteln würde." Wir lachten wieder alle. "Und was tun wir jetzt?", ich sah Khepri lieb an. Er sah etwas traurig zurück. "Ich muss zurück. Wir beide müssen zurück. In Mexiko stellt sich gerade ein kleines Mädchen vor, dass sie als Cutey Honey gegen einen lilanen Drachen kämpft." "Dann bist du der Drachen und ich Cutey Honey?", ich lächelte und seufzte ein kleines bisschen. "Ich bin froh, dass du wieder da bist." "Es ist geradezu ironisch, dass sich das Böse in das Gute verliebt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir zwei so allein zwischen den ganzen Welten sind." Khepri zuckte mit den Schultern. "Geh schon vor. Ich komme gleich nach. Aber lass das Mädchen noch lange genug am Leben." Mein Bruder grinste. "Ich kann für nichts garantieren. Das lass ich lieber hier.", er reichte mir das Schoen. "Du wirst es sicher brauchen, wenn du mich aufhalten willst." "Los, mach das du weg kommst, du alter Gauner!" "Ich liebe dich Atum." "Ich hab' dich lieb, Khepri." Mein Bruder erhob sich in die Lüfte und wurde auf seinem langen, schwarzen Umhang vom Wind davongetragen, bis ich ihn nicht mehr erkennen konnte. Ich sah noch etwas schwermütig auf den Fleck Himmel, an dem ich den Wächter des Bösen hab' verschwinden sehen. Das Böse verliebt sich in das Gute. Hätte Khepri nicht versucht, mich zu suchen und seinen Körper mit Myotismon geteilt, dann hätte das Böse nicht die Überhand gewonnen. Ateneta hatte Recht. Liebe ist tatsächlich das einzige, was einen Welt zerstören kann. Wie ich so in den nun wieder friedlich blauen Himmel der Digiwelt starrte, hatte ich wohl völlig vergessen, dass Tai ja noch immer hinter mir stand. "K-kosma?... Oder... Oder Atum?" Ich drehte mich zu ihm um und hätte bei seinem dumm-dämlichen Blick am liebsten lauthals angefangen zu lachen. Es sah so aus, als hätte man ihm im Schnellverfahren den Reaktionsmechanismus einer nucleophilen Substitution erklärt. "Mein Name ist Atum. Du kannst mich aber ruhig Kosma nennen.", ich grinste ihn an. "Atum... Aha. Ich glaub', die Namen Atum und Khepri sind in MayaAnns Buch auch gefallen." "Natürlich sind sie das. Ist doch klar. Das hier ist MayaAnns Welt, in die sie sich geträumt hat und die sie anderen vermitteln wollte. Jeder Mensch hat seine eigene Welt, in die er sich mal flüchten kann. Aber das einzige, was absolut weltenübergreifend ist, ist..." "...die Liebe. Die Liebe von einem Fan zum Popstar, von einem Otaku zur Mangafigur, von einem Fanatiker zum Videospiel, von einem Bewunderer zum Wissenschaftler; sie alle sind durch die Liebe mit ihrer Welt verbunden..." "Du weißt ja sehr gut bescheid." "Selbst du und ich... Durch Liebe verbunden...", Taichi lächelte mich auf das Niedlichste an dann legte er wieder seine Lippen auf meine. Aber jetzt hatte ich wenigstens die Zeit, das auch wirklich zu genießen. OK, Taichi war zwar aus der Sicht Kosmas zwei Jahre jünger als ich, aber wen interessiert das schon? Hmmmmmmm.... Schokoladenkuchen... "Ich dachte, du würdest uns nur als Freunde lieben...", hörte ich plötzlich Davis' geschaffte Stimme. "Oder hast du deine Meinung geändert?" Davis, Ken, Yolei, Matt und die vier aufs Ausbildungslevel zurückdigitierten Digimon tauchten hinter mir auf und rissen mich aus diesem affengeilen Kuss von Taichi. Alle waren ziemlich stark verletzt, doch wohl auf und noch immer Witze reißend, wie man so schön gehört hat. "Daisuke Motomiya. Kannst du nicht mal jetzt deine Klappe halten, wo ich doch endlich die ganze Welt gerettet hab'?", fragte ich. "Hey, ich bin's Davis! Wenn ich mal die Klappe halte, dann schlafe ich entweder, oder ich hab' keinen Kopf mehr." "Nein, das ist nicht ganz richtig.", bemerkte Ken. "Ich hab' ja schon mehrere Male bei dir geschlafen und da hast du nicht gerade den Anschein gemacht, selbst beim Schlafen die Klappe zu halten." Alle kicherten. Davis errötete, verteidigte sich aber komischer Weise nicht. "Du hast BEI ihm geschlafen? Ist das nicht die falsche Präposition?" Ken sah mich auf meinen Kommentar verdutzt an. "Was meinst du?" Und ich erkannte eine leichte Rotfärbung in seinem Gesicht. Scheinbar konnte er sich schon denken, worauf ich hinaus wollte. "Die richtige Präposition ist wohl eher >mit<...." Jetzt schlug Kens Gesichtsfarbe in ein lechtendes Knallrot um. "SAG MAL, WOVON SPRICHST DU EIGENTLICH? ICH BIN DOCH NICHT SCHWUL!!!", brüllte der sonst so zurückhaltende und freundlich Junge. "Nein, aber es gibt genug Welten, in denen du es bist." Ken regte sich daraufhin wieder etwas ab, aber sicher nicht deswegen, weil er eine vernünftige Antwort bekommen hatte, sondern weil er nicht wirklich verstand, wovon ich da redete. Ich könnte jetzt natürlich auch noch von diversen geheimen Beziehungen zwischen Tai und Matt erzählen, quasi Taito, wovon alle so schwärmen, aber das konnte ich mir auch schenken. "Ich will ja die allgemein nette Stimmung nicht kaputt machen...", meldete sich Yolei. "..., aber mir tut mein Arm tierisch weh. Kosma, könntest du also bitte..." "Schon klar. Ich heiße eigentlich Atum, aber Kosma tut's auch. So heiße ich eben in meinem menschlichen Körper. Aber ich glaube nicht, dass ich den jetzt noch brauche." "Und was ist dann dein nicht-menschlicher Körper?" Ich breitete meine Flügel aus und konzentrierte mich auf eine Transformation. Ein helles Licht erstrahlte im tiefen Grund meiner Seele und breitete sich in mir aus, bis es durch die Hülle meines menschlichen Körpers, Kosma, brach, ihn in Fetzen riss und mein wahres Äußeres, Atum, preis gab. Und plötzlich wurde alles dunkel um mich. Ich schien einzuschlafen... Sie war die Gestalt auf dem Gemälde in Gennais Anwesen. Ein menschenähnlicher Körper in weiblicher Form in einem perlfarbenen Kleid, mit blasser Haut, hellblondem langem Haar und weißen, reinen Flügeln. Die Digiritter starrte nicht schlecht auf ihre nun vollkommen andere Gestalt, als sie sie als Kosma hatte. "Sie ist... ...ein Engel...", stotterte Matt. Die Hüterin fühlte sich geschmeichelt. Das Schoen, dass sie noch immer in der Hand hielt, hielt sie nun vor sich und konzentrierte sich aufs Neue, um seine Kraft zu entfesseln. Wieder erschien ein gleißend weißes Licht, strahlte von dem Schwert auf die Digiritter und die Digimon. Es dauerte ein paar Sekunden, doch ihre Verletzungen verschwanden. Sogar die teilweise zerfetzte Kleidung fügte sich wie von unsichtbarer Hand wieder zusammen. Als dann alles repariert war, erlosch das Licht und Atum sank auf den Boden zurück. "Danke. Ich dachte schon, ich müsste mir den Arm amputieren lassen.", meinte Yolei erleichtert. "Ich muss jetzt." "Gehst du jetzt etwa?", fragte Tsunomon Atum etwas betrübt. "Ich bin die Hüterin des Guten. Ich muss doch darauf achten, dass mein verliebter Bruder keinen Blödsinn macht." "Tja, dann...", Davis trat vor die Hüterin. "War nett mit dir.", er sah ihr halb traurig und halb grinsend in die Augen. "Ach, Davis... Kleines Knuddelchen." "Kommst du denn auch mal wieder zurück?", fragte Ken. Atum blickte auf das Schoen, lächelte und schaute dann wieder den blauhaarigen Jungen an. "Wann immer MayaAnn oder irgendjemand da draußen mich wieder bei euch haben will, werde ich auch wieder bei euch sein." "Das reicht als Antwort. Geh uns nicht verloren!" Das blasse Mädchen breitete ihre Flügel aus und hob ab. "Kann ich doch gar nicht...", doch bevor sie wirklich fähig war, davon zu fliegen, packte sie Tai an der Hand. "Warte! Was wird denn jetzt aus mir?" "Sag den anderen einen schönen Gruß von mir. Ich liebe sie alle. Und danke auch Atenetamon, wenn du sie findest. Und du, Tai? Ich hab' dich lieb, aber wahre Liebe ist nur der letzte Ausweg. Ich muss damit vorsichtig umgehen. Wenn sich das Gute mit dem Guten verbindet, hat das genau den gleichen Effekt, wie wenn sich das Böse mit dem Bösen verbindet, nämlich dass die Welten aus dem Gleichgewicht geraten. Ich hoffe, du kannst das verstehen." "Ja... Sicher...", sagte Tai leise. Aber es hörte sich nicht so an, als ob er es wirklich verstand. "Sei nicht traurig. Ich wäre sowieso nicht die Richtige für dich. Ich würde dir nur Ärger machen." "Das wäre mir egal. Gib mir Kosma zurück!!!" Der brünette Junge sah zu Atum hoch und als sie in seinen Augen Tränen entdeckte, wäre sie beinahe wieder runtergefallen. Dieser Anblick versetzte ihr einen kräftigen Schlag. Sie wollte ihn doch nicht zum weinen bringen. "Tai..." "Bitte. Ich flehe dich an! Gib mir meine Kosma zurück. Ich brauche sie. Sie hat doch auch gedacht, ihr Leben hätte keinen Sinn, genau wie meins. Aber jetzt ist sie mein Lebenssinn. Gib sie mir zurück. KOSMA!!!" "Tai, versteh doch, dass ich nicht Kosma bin und das nicht verantworten kann." "Das ist mir sowas von scheißegal. Und wenn ich jede andere Welt ins Chaos stürzen würde, ich will dieses Mädchen nicht verlieren. Ich will, dass sie bei mir bleibt, Kosma" Jetzt fing Atum auch noch an zu heulen. Doch Taichis Liebe hin oder her, es war einfach unmöglich. Kosma ist verloren. Atum wusste, dass Tai niemals ihre Hand freiwillig loslassen würde, also stieß sie einen kleinen Lichtblitz in seine Richtung, sodass der zusammenzuckte, ihre Hand aus seiner rutschte und Atum in den Himmel aufsteigen konnte. "LIEBE DICH, KOSMA!!!", schrie ihr Tai hinterher. Ja, Kosma wusste das, aber was ist, wenn seine Worte seinen Wunsch irgendwann bestätigen und er die Kontrolle verliert? Was dann...? Ende 26.01.04 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)