Der Anfang vom Ende von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 22: Ruhe sanft! ----------------------- Harry lag regungslos am Boden und unaufhaltsam floss das Blut aus seiner Narbe über sein Gesicht. Remus, der neben Harry hockte, hielt dessen schlaffen Oberkörper im Arm. "Harry, halt durch, mach jetzt ja nicht schlapp!" Er versuchte dessen Puls zu ertasten. Mit weiten geschockten Augen sah er auf. Charlie stürmte auf beide zu und versuchte ebenfalls Harrys Puls zu finden. Erleichtert atmete er nach wenigen Minuten auf, die Hermine und den anderen wie qualvolle Stunden vorkamen. Harrys Puls war flach und raste. Auch seine Atmung war zu schnell, doch sah man kaum, dass sich sein Brustkorb bewegte. "Mach ja keine Dummheiten, Harry! Bleib bei uns!", warnte Charlie den bewusstlosen jungen Mann vor sich. Harrys Haare waren mittlerweile von seinem Blut verklebt. Immer blasser wurde er, und von Fawkes war nichts mehr zu sehen oder zu hören. Hermine war nicht in der Lage auch nur einen Ton von sich zu geben. Wacklig stand sie auf und humpelte einige Schritte mit ihrem verletzten Bein in Harrys Richtung. Mit leerem Blick ließ sie sich neben Harry sinken. Die Schmerzen, die von ihrem Fuß ausgingen, ignorierte sie nun völlig. Apathisch sah sie Harry an und stumme Tränen liefen an ihren immer blasser werdenden Wangen hinunter, um vom Stoff ihres Rockes aufgefangen zu werden. Selbst der Wind schien die immer größer werdende Trauer zu spüren. Einen Augenblick später führte sie zögerlich, aus Angst ihm noch mehr Schmerzen zuzufügen, ihre Hand an seine Stirn. Sein warmes Blut wollte selbst unter ihrer lindernden Hand nicht zum Stehen kommen. Immer fahriger und aufgeregter wurde sie dadurch. Krampfhaft versuchte sie die Blutung zu stillen, doch ohne Erfolg. Tonks zog die zitternde Hermine von Harry weg und schloss sie beruhigend in ihre Arme. "Ganz ruhig, Hermine! Er lebt, du wirst ihn bald wieder haben." Tonks wollte sicherlich aufbauend klingen, jedoch schlug dieser Versuch dermaßen fehl. Zittrig und viel zu hell klang ihre Stimme - niemand hätte je geglaubt, dass die Aurorin ihre Worte erst meinen könnte. Hermine befreite sich aus den Armen der jungen Aurorin und kniete schluchzend auf der kalten Friedhofserde. Kopfschüttelnd betrachtete sie ihre blutverschmierten Hände. Plötzlich waren ihre Tränen allesamt getrocknet. Nichts war mehr zu sehen, außer leicht geröteten Augen - als hätte sie nie geweint. Wie von Sinnen wischte sie mit ihren Händen an ihrem Rock entlang und versuchte sie von Harrys Blut zu befreien. "Bleib ruhig, Hermine, bitte! Es wird alles gut, du musst nur fest daran glauben!" Remus war zu ihr gegangen und redete mit Engelszungen auf sie ein, aber jedes Wort schien einfach so ungehört von ihr abzuprallen... als wäre sie immer noch von Harrys Schutzschild umgeben. Harrys Blut klebte wie Teer an Hermines Händen. Immer hektischer wurden ihre Bewegungen. Resignierend schüttelte Tonks ihren Kopf und sprach einen Schlafzauber über sie. Nur führte dieser nicht zum gewünschten Erfolg. Verwundert sah sie Remus an. Dieser probierte anschließend einen weitern Schlafzauber an Hermine aus, welcher ebenfalls versagte. "Und nun?", fragte Tonks leise. "Vielleicht wenn wir beide zusammen...?" Er nickte und beide sprachen gleichzeitig einen Schlafzauber. Nur einen Augenblick später hielt sie eine schlafende, ruhig und gleichmäßig atmende Hermine im Arm. "Sie steht unter Schock", meinte Tonks bedrückt, während sie von Bill getröstet wurde. Es blieb für ihn nicht unbemerkt, dass dies seiner Freundin sehr nahe ging. Mit einem ermutigenden Lächeln nahm Bill Hermine auf. Die Anwesenden sahen sich fragend an: ,Was nun?' stand auf jedem Gesicht geschrieben. "Fast", flüsterte Remus und nahm Harry ebenfalls auf. "Los, lasst uns hier verschwinden, bevor sie doch noch mal zurückkommen! So wäre er ein gefundenes Fressen für diesen Abschaum." "St. Mungo?", fragte Kingsley Shaklebolt. "St. Mungo!", antworte Remus und verzauberte mit dem Wort "Portus" einen Stein in einen Portschlüssel. Dieser Stein leuchtete kurz blau auf während er leicht in Remus' Hand zitterte. Nur kurz, aber es war zu spüren - der Zauber war also gelungen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, den Ort, an dem sie Harry bringen wollten, nicht laut genannt zu haben. Wer weiß, vielleicht hat einer der alten Grabsteine ja plötzlich Ohren bekommen. Möglich wäre alles. Ein endloses Durcheinander und kaum auszuhaltende Hektik herrschte im St. Mungo. Noch immer saßen dort Zauberer - Ordensmitglieder - in Bandagen, die zusammen mit Harry und seinen Freunden den Fuchsbau befreit hatten. Als Remus, Kingsley und Charlie mit dem bewusstlosen Harry im Krankenhaus ankamen, stürmten gleich mehrere Personen auf sie ein und bombardierten sie mit unzähligen Fragen. "Das ist doch jetzt unwichtig!", bellte Kingsley sie an. Es waren keine Ordensmitglieder, Heiler oder Schwestern, die die nervigen Fragen stellten, sondern Reporter, die dringend ein Foto und Artikel für ihr Titelblatt brauchten. Remus sah das Titelblatt des Tagespropheten schon vor sich: ,Harry Potter, der Held der Zauberwelt geschlagen durch den Dunklen Lord. Harry Potter hat versagt - unsere Welt am Abgrund.' Oh ja, diese Schlagzeile würde etwas auslösen, was keiner von ihnen gebrauchen konnte. Für Voldemort und seine Speichellecker wäre es DAS Fest geworden. Endlich mal ein greifbarer Triumph seitdem sie Harry jagen. "Wir brauchen dringend ein Bett für ihn! Nun machen Sie endlich, es ist ernst!", rief Remus in die Masse. "Passiert hier mal bald was?", brüllte nun wieder Kingsley. Die Worte von Remus und Kingsley und deren barscher Ton trugen nicht gerade dazu bei, dass sich die Aufregung um sie herum legte. Man sollte glauben, dass wenigstens die Angestellten hier im St. Mungo etwas professioneller mit der Situation umgehen könnten, oder zumindest die Unruhestifter unter Kontrolle hätten. Aber anscheinend war das nicht der Fall. "HEY!", kam es von Charlie, dessen Stimme den ganzen Flur erzittern ließ. "Soll er sterben?", keifte er eine Schwester in der Nähe an. "Wenn Sie nicht bald etwas tun, wird er das! Wenn er stirbt, mache ich Sie dafür verantwortlich!" Die Schwester stand wie versteinert vor ihm und sagte nichts. Erst jetzt, viel zu spät, bemerkte er, dass es gar keine Schwester war, die er eben so unbeherrscht angeschrieen hatte, sondern Luna Lovegood. Fassungslos starrte sie auf das blasse blutverschmierte Gesicht von Harry Potter. "Ist er... Ist er etwa..." "Nein, Miss Lovegood, er lebt noch. Und Charlie meinte es nicht so. Er wollte Sie nicht so anschreien", antwortete Kingsley etwas sanfter als zuvor. Luna war immerhin nicht irgendeine junge Frau, sondern sie gehörte genau so zu Harrys Freunden wie Neville. Ein Heiler, der nicht im Geringsten aufgeregt wirkte, kam auf Remus und die anderen zu. Er wirkte eher kalt und viel zu gelassen. "Folgen Sie mir bitte!" Sie gingen den Flur entlang bis zum letzten Zimmer. "Warum nicht gleich hier vorne? Hier ist doch ein Zimmer frei!", fragte Remus misstrauisch. "Folgen Sie mir einfach, die Patienten aus diesen Zimmern sind nur zur Untersuchung. Es sind alle belegt." Angekommen am letzten Zimmer des Ganges meinte der Heiler: "Legen Sie ihn bitte hier aufs Bett, Mr Lupin, ich werde mich sofort um Mr Potter kümmern!" Woher kannte der Heiler Remus' Namen? Er hatte sich nicht vorgestellt und gesehen hatte er diesen Heiler auch noch nie, dass sie sich kennen müssten. Sein Misstrauen wuchs von Minute zu Minute. Doch um sich darüber jetzt Gedanken zu machen, woher der Heiler ihn kennen könnte und was so eigenartig an ihm war, dafür war jetzt keine Zeit. Remus war gerade dabei Harry auf das besagte freie Bett zu legen, als dieses kurz, aber nicht zu übersehen, aufflackerte. Auch Charlie war aufgefallen, dass etwas nicht stimmen konnte. Er war auch der Meinung, dass dieser Heiler sich eigenartig benahm. "Was war das?", fragte Remus und sah seine Freunde an. "Spinn ich, oder habt ihr das eben auch gesehen? Das Bett hat geflackert!" "Du spinnst nicht, alter Freund!", brummte Kingsley - er hörte sich schon fast wie Moody an. Mit schmalen, aber wachsamen Augen beobachtete Kingsley das Verhalten des Heilers. Schon vorhin im Flur war er ihm merkwürdig gelassen vorgekommen - zu gelassen für Kingsleys Geschmack. "Leg Potter nicht aufs Bett, irgendetwas stimmt da nicht!" "Was soll hier nicht stimmen, es ist ein normales Krankenbett! Wollen Sie nun, dass ihm geholfen wird oder soll er sterben? Es ist Ihre Entscheidung!" Nun wurde auch der Heiler leicht nervös und begann Fehler zu machen. Remus überlegte wieder. Hatte der Heiler sich ihnen gegenüber nun vorgestellt oder nicht? Er konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern. "Was sagten Sie noch gleich, wie heißen Sie?" "Ich?", fragte der Heiler immer unsicherer werdend. "Ich bin... Dr. Bright. Sam Bright - Chefheiler der Abteilung für Fluchgeschädigte. Bitte legen Sie Mr Potter aufs Bett, damit ich mit meinen Untersuchungen beginnen kann! Sie möchten doch nicht wirklich, dass er stirbt?" Nein, das wollte keiner von ihnen. Bright... Bright. Irgendwie sagte Charlie der Name was, aber er wusste nicht genau woher; und bekannt kam ihm der Heiler auch nicht vor. Nicht mal im Entferntesten. Es gab sicherlich etliche, die Bright hießen. Hin und her überlegte er, doch kam er zu keinem Ergebnis. Einen Augenblick zögerte Remus, bevor er Anstalten machte Harry aufs Bett zu legen. "Remus, STOPP!", rief Charlie. Jetzt sah man es deutlich, und da half auch keine Ausrede. "Haben Sie noch mehr so niedlich flackernde Betten?", fragte Kingsley sarkastisch und zog gleichzeitig seinen Zauberstab hervor, den er auf den nun ängstlichen Heiler richtete. "Was war das?" "Was meinen Sie, was für ein Flackern?", versuchte Dr. Bright sich rauszureden. "Ich weiß nicht was Sie meinen, ich habe kein Flackern gesehen." "WAS DAS WAR, WILL ICH WISSEN!", schrie der Auror und ging auf den Heiler zu - den Zauberstab genau auf dessen Herz gerichtet. Nicht mal im Ansatz zitterte Kingsleys Hand. Ein hinterhältiges und überhebliches Grinsen breitete sich nun wieder auf dem Gesicht des Heilers aus. Seine Nervosität und Unsicherheit, die er zuvor noch an den Tag gelegt hatte, war verschwunden, als hätte sie nie existiert. "Halluzinationen sollte man nicht leichtfertig hinnehmen. Haben Sie sich schon mal untersuchen lassen? Damit ist nicht zu scherzen. Waren Sie vielleicht zufällig irgendwelchen giftigen Gasen ausgesetzt?" Das war zu viel! Mit Kingsley Shaklebolt spielt man nicht, jedenfalls nicht so und auch nicht, wenn man den Raum gesund wieder verlassen wollte. Vielleicht hatte der Heiler eine Antwort auf seinen Kommentar erwartet, und war daher nicht vorbereitet gewesen, als Kingsley einen starken Schockzauber auf ihn los ließ. Noch immer hatte der angebliche Heiler das selbstgefällige Grinsen auf seinem Gesicht, als er bewusstlos zu Boden fiel. "So, jetzt wollen wir doch mal testen, ob die Pritsche auch gut genug für unseren Harry wäre. Mobilcorpus!", rief Kingsley. Wie von unsichtbaren Seilen getragen, schwebte der schlaffe, bewusstlose Körper des angeblichen Dr. Brights aufs Bett zu. "Soll ich?" Das schiefe Grinsen auf seinem Gesicht ließ Kingsley fast fanatisch aussehen. "Aber immer!", gab Charlie zurück. "Harry soll doch nur das beste Bett haben. Und wie sollen wir wissen, ob es bequem genug für ihn ist, wenn wir es vorher nicht testen? Ich finde es nett, dass sich Dr. Bright dafür zur Verfügung stellt. Ich bin sicher, Harrys Dank wird ihm ewig nachschleichen!" "Ja, und doch nie erreichen!", zischte Remus. "Wir sollten endlich aufhören mit dem Zirkus - die Zeit rennt! Los, Kingsley, lass ihn runter!" Gerade als Kingsley den Schwebezauber aufheben wollte, folg die Tür auf. "Was ist hier los?", platze ein weiterer Heiler ins Zimmer. Ihm fielen fast die Augen aus dem Gesicht, als er einen seiner Kollegen (zumindest dachte er, es sei einer seiner Kollegen) über dem Bett schweben sah und neben ihm Kingsley, der seinen Zauberstab auf diesen gerichtet hatte. "Wie können Sie es wagen..." Weiter kam der zweite Heiler nicht. Charlie kam mit erhobenem Zauberstab auf ihn zu. "Was... Ich..." Die Augen des Heilers huschten ängstlich durch Zimmer - von seinem Kollegen zu Kingsley, dann zu Remus und Harry, und dann wieder zurück zu Charlie. Sein Kopf wollte gar nicht mehr stillstehen. Wieder fing er an irgendetwas vor sich herzustammeln und versuchte zu fliehen. "Petrificus Totalus!" Charlie war es, der den Fluch ausgesprochen hatte und somit den Heiler an der Flucht hinderte. Er war nicht zu Boden gefallen; die Wand hatte seinen Sturz abgefangen. Seine Augen waren vor Angst und Entsetzen weit aufgerissen. Remus musterte Harry besorgt. "Wir haben keine Zeit mehr, er stirb uns hier weg! Er atmet kaum noch." Da hatte er Recht! Schon vorhin auf dem Friedhof konnte man das kaum noch als atmen bezeichnen, aber jetzt schnappte er nur noch. Was war mit diesem Jungen auf dem Friedhof nur passiert? Was war das für ein Zauber von Voldemort, dass es Harry jetzt so schlecht ging? Oder war es gar nicht der Zauber von Dunklem Lord gewesen? War es vielleicht allein Harrys Schuld? Was wäre passiert, wenn er nicht versucht hätte, Hermines Schutzschild aufrechtzuerhalten? Immer noch lief ihm das Blut seiner Narbe unaufhaltsam übers Gesicht und versickerte in Remus' Umhang, der am linken Arm schon völlig durchtränkt war. "Los, wir bringen ihn ins Hauptquartier! Hier ist es eindeutig zu gefährlich!" Charlie wandte sich vom Heiler ab, den er zuvor hatte mit der Ganzkörperklammer erstarren lassen, und suchte sich einen Gegenstand, den er in einen Portschlüssel verwandeln konnte. Er entschied sich für den Krug, der auf einem kleinen Tisch stand. Das Wasser, was sich darin befand, entleerte er einfach rücksichtslos auf dem Boden. Dem "Portus" folgte erneut der bläuliche Schimmer und das leichte Zittern wie schon zuvor auf dem Friedhof. "Hier, Remus! Kingsley und ich kommen gleich nach, wir bringen das hier" - er zeigte mit seinem Kopf in die Richtung des erstarrten Heiler - "nur noch zu Ende." Remus nickte und nahm den Krug entgegen. Kurz darauf spürte er wieder das bekannte Ziehen hinter seinem Nabel und verschwand in einer farbenfrohen Spirale. Das Reisen mit dem Portschlüssel war zwar für den bewusstlosen Harry auf Grund seiner Verletzungen nicht ganz ungefährlich, aber es gab keine andere Möglichkeit. Apparieren fiel flach und auf Fawkes konnten sie nicht hoffen. Ein paar Zauber, die sie bereits auf dem Friedhof über Harry gesprochen hatten, sollten Schlimmeres verhindern. Immer noch schwebte der erste Heiler über dem Bett. Charlie und Kingsley sahen sich an. Ein Kopfnicken von Kingsley und Charlie hatte verstanden. "Möchten Sie uns vielleicht etwas sagen?", fragte er den zweiten Heiler und erlöste zumindest seinen Kopf aus der Erstarrung. Kaum hatte Charlie den Zauber teilweise aufgehoben, schnauzte der Heiler auch gleich los: "Was gibt Ihnen das Recht so zu handeln? Und wer ist das überhaupt?" Mit seinem Kopf zeigte er in die Richtung des ersten angeblichen Heilers. "Wir handeln so, wie wir es für richtig halten!", giftete Kingsley zurück. "Und wer das ist? Das müssten Sie doch eigentlich wissen! Das ist einer Ihrer netten und sehr hilfsbereiten Kollegen, der so wie es aussieht Mr Potter mit Hilfe eines Portschlüssels" - er zeigte auf das Krankenbett - "zu Voldemort schicken wollte." Auf den Blick des zweiten Heilers sagte Kingsley: "Nun ja, wir vermuten mal, dass es ein Portschlüssel ist, denn normale Betten flackern nicht einfach mal auf, oder? Aber warum lange grübeln? Probieren wir es doch einfach aus!" "Das ist nicht einer meiner Kollegen, ich habe ihn noch nie gesehen!" Jetzt war er sich sicher, dass es keiner seiner Kollegen war. In seiner Starre hatte er genug Zeit diesen zu beobachten. "Warum haben Sie das mit ihm getan?" Ohne auf die Frage des Heilers einzugehen, meinte Charlie: "Und noch ein Beweis!" "Wer sind Sie?", wandte Kinsley sich an den an der Wand gelehnten Mann. Mit seinem Zauberstab hielt Charlie immer noch den Petrificus Totalus aufrecht. Nun ja, eine Ganzköperklammer war es nicht mehr - den Kopf hatte er ja schon erlöst. "Ich bin Dr. Sam Bright - Chefheiler der Abteilung für Fluchgeschädigte." "Ach, sieh einer an!", rief Charlie. "Noch einer. Wie viele gibt es von Ihrer Sorte?" Der Heiler verstand nicht ganz. Er sah die beiden Männer vor sich nur entgeistert an. "Wie meinen Sie das? Von was für einer Sorte überhaupt? Ich verstehe Sie nicht ganz. Ich arbeite seit fast zwölf Jahren hier in dieser Abteilung!" "Darf ich Ihnen vorstellen, Dr. Sam Bright?" Mit seiner freien Hand zeigte Kingsley auf den über dem Bett schwebenden bewusstlosen Körper. "Dr. Sam Bright! Sie verstehen uns sicherlich, wenn wir dem gegenüber etwas misstrauisch sind. Vor allem dann, wenn jemand versucht Mr Potter etwas anzutun, beziehungsweise vorhat, ihn an Voldemort auszuliefern." Der Heiler sah zum Bett und schüttelte erneut seinen Kopf. "Nein, das ist mit Sicherheit nicht Sam Bright. Ich habe diesem Mann wirklich noch nie in meinem Leben gesehen. Jedenfalls nicht das ich wüsste. Und er arbeitet auch nicht hier im St. Mungo." "Das wird mir hier langsam zu blöd!" Ohne auf eine Reaktion auf seine Äußerung zu warten, ließ Kingsley den angeblichen ersten Heiler aufs Bett sinken. Kaum hatte dieser das weiße Laken berührt, verformte sich das Bett und war nur Sekunden später inklusive Inhalt verschwunden. "Sag ich doch - Portschlüssel und Voldemort!" Gehässig fügte er noch hinzu: "Er wird sich sicherlich rührend um ihn kümmern. Versagen wird von ihm nicht geduldet." Keinen Funken Mitleid konnte man in Kingsleys Augen erkennen. Mitleid? Wofür auch? Für einen Todesser? "So, und nun zu Ihnen!", ging er nun mit erhobenem Zauberstab auf den übrig gebliebenen Heiler zu. "Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen. Lassen Sie mich gehen, ich habe Ihnen nichts getan!" "Ach hören Sie doch auf!", fauchte Charlie ihn an. Sein Tonfall war hart. So kannte man Charlie eigentlich nicht. "Wer sind Sie wirklich, und wer war das eben? Keine Ausflüchte, ich will die Wahrheit wissen! Langsam werde ich ungeduldig! Und glauben Sie mir, dass wollen Sie nicht erleben!" "Ich bin Sam Bright, so wie ich es Ihnen bereits gesagt habe. Und diesen Mann" - er zeigte auf den freien Platz, wo zuvor noch das Bett stand - "kannte ich nicht. Wie oft soll ich das denn noch sagen? Warum glauben Sie mir nicht? Holen Sie einen Kollegen oder eine Schwester! Sie können bestätigen, dass ich die Wahrheit sage!" Die Angst, die der Heiler hatte, konnte man förmlich riechen. Er war sich sicher, diese beiden würden ihn umbringen. Nur warum wusste er nicht. Die Vermutung, die Charlie noch vor wenigen Minuten hatte, dass ihm der Name bekannt vorkam, war aus seinem Kopf verschwunden. Plötzlich platzte Luna unverhofft ins Zimmer. Mit weiten Augen blieb sie im Türrahmen stehen. Hatte sie doch gehofft, Harry hier zu finden. Jedes verdammte Zimmer auf diesem Flur hatte sie bereits nach ihm abgesucht, nur noch dieses war übrig beblieben. "Miss Lovegood, was machen Sie hier?", rief Kingsley ärgerlich über ihr plötzliches Auftauchen. "Ich... ich ähh... ich habe Harry gesucht. Was machen Sie dort mit Dr. Bright?" Charlie lief auf sie zu und zog sie unsanft ins Zimmer. Die Tür schloss er mit seinem Zauberstab. "Was tust du da?", wehrte Luna sich. "Was soll das?" "Luna, kennst du diesen Mann?", fragte er, ohne sich bei ihr für seine unsanfte Art zu entschuldigen. "Ja natürlich kenn' ich ihn", antwortete Luna eingeschüchtert. "Das ist Dr. Bright!" "Woher kennst du ihn?" Immer noch hatte Charlie den rauen Ton an sich. "Was soll das hier alles? Er arbeitet hier im St. Mungo!" "Und weiter?" "Er.. Er hat meinem Vater geholfen, als ihn eine hysterische alte Hexe einen seltenen Fluch auf den Hals gejagt hat. Außerdem..." Tränen wurden in ihren Augen sichtbar, "betreut er Neville Longbottoms Eltern." Luna wurde immer ruhiger, bis sie irgendwann gar nichts mehr sagte und nur noch den Heiler ansah. Charlie nahm den Fluch vollständig vom Heiler. "Onkel Sam!", umarmte Luna diesen plötzlich und weinte in seinen Kittel. Onkel? Nicht ungerechtfertigt wütend sah er den Auror und Charlie an. Man hatte das Gefühl, dass er schreien wollte, aber er blieb ruhig. Stattdessen fragte er nur: "Was haben Sie mit Mr Potter gemacht? Sie können nicht einfach so einen Patienten von meiner Station entführen! Das wird Konsequenzen für Sie haben! Wer sind Sie überhaupt?" Noch hatte keiner der beiden ein schlechtes Gewissen - nicht Kingsley und auch nicht Charlie. Aus der Situation heraus haben sie richtig gehandelt. Beide glaubten zumindest, aus ihrer Sicht richtig gehandelt zu haben. Kingsley begann zu erzählen, aber nur so viel wie nötig, als Arthur Weasley auf wackligen Beinen aufgeregt das Zimmer betrat. "Charlie, Kingsley!", erkannte er seinen Sohn und den Auror. "Sam - was ist hier los? Warum seid ihr..." Er sah sich um. "Wo ist Harry? Man sagte mir, er sei in diesem Zimmer. Was ist passiert?" "Arthur, was machst du hier? Warum bist du schon auf?", drehte sich der Heiler um. "Sam, wo ist Harry? Nun sag schon, wie geht es ihm?" Es schien ganz so, als würden sich der Heiler und Arthur Weasley kennen. "Dad!", ging Charlie auf seinen Vater zu. In Lunas Richtung sagte er: "Geh, Luna! Und zu niemandem ein Wort! Du weißt... Du gehörst noch ins Bett! Wer hat dir erlaubt aufzustehen?", fragt er nun wieder seinen Vater "Das interessiert doch gar nicht!" Arthur wollte nur eins - wissen was geschehen war. Jetzt ging es nicht um ihn, sondern nur um Harry. "Dad, du bist..." "Stopp, Charlie, ich bin alt genug und weiß was für mich gut ist und was nicht! Ich möchte endlich wissen was mit Harry ist!" Arthur hatte sichtlich zu kämpfen. Schweißperlen standen wie Seen auf seiner Stirn. Dr. Bright wandte sich an ihn und versuchte ihn zur Vernunft zu bringen. Nur einen Sturkopf zur Vernunft bringen, war keine leichte Aufgabe. Es grenzte schon fast an ein Wunder. Nur wenige Augenblicke später stürmte eine aufgelöste Schwester ins Zimmer. "Mr Weasley, Sie können nicht einfach die Anweisungen ignorieren! Sie kommen sofort... Oh, Da... Dr. Bright. Ähm... Mr Weasley ist einfach aufgestanden. Ich konnte ihn nicht aufhalten!", entschuldigte sich die Schwester beim Heiler. "Er hat zufällig mitbekommen, wie ich mich mit Sandy über Mr Potter unterhalten habe, dass ich ihn verletzt auf dem Flur gesehen habe. Ich konnte ja nicht wissen, dass er gleich..." "Schon gut!", unterbrach der Heiler sie. "Ich habe wirklich alles versucht, sogar gedroht!" "Ist doch gut!", versuchte es der Heiler erneut, bevor er sich wieder an Arthur wandte. "Arthur, geh bitte wieder zurück ins Bett, du hast noch Bettruhe!" "Sam, ich gehe nicht wieder zurück ins Bett! Ich will endlich wissen, was los ist! Wo ist Harry hin?" Er sah in die zermürbten Gesichter der anderen. "Ist er etwa... tot? Charlie, sag mir bitte, dass er lebt! BITTE!", flehte Arthur. Auch wenn er es nicht wahr haben wollte, Arthur ging es alles andere als gut. Er hatte zu tun, um aufrecht zu stehen. Erschöpft ließ er sich auf einem Stuhl in der Nähe nieder und ließ den Kopf in seine Hände sinken. Charlie kniete sich neben seinen Vater. "Dad?" Keine Reaktion von Arthur. "Dad? Dad, bitte sieh mich an!" Bedrückt sah dieser seinen Sohn an. Charlie glaubte Tränen in den Augen seines Vaters erkennen zu können. Er versuchte sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal seinen Vater hatte weinen sehen - zu Ginnys Geburt. Aber das waren Freudentränen gewesen, und keine der Trauer. "Er lebt... noch!" Das ,noch' kam sehr zögerlich. Hoffte er zumindest, dass Harry noch leben würde. "Remus hat ihn zurück zum... hat ihn dort hingebracht, wo er Hilfe bekommt." "Arthur", bat der Heiler inständig, "bitte werde vernünftig! Wenn Molly das mitbekommt - sie lyncht mich!" Er hörte gar nicht auf die Stimme seines Freundes, sondern wandte sich an Kingsley: "Wo er Hilfe bekommt? Nell hat erzählt, dass er... schlimm zugerichtet aussah. Warum habt ihr ihn nicht hier gelassen? Sam ist der beste Heiler den ich kenne!" Jetzt sah er Dr. Bright fragend an. "Arthur, ich hatte keine Chance ihn hier zu behalten. Dein Sohn - leider habe ich ihn erst jetzt erkannt - hat mich daran gehindert." Kingsley erzählte was geschehen war, bevor Arthur ins Zimmer kam. Kopfschüttelnd hörte Arthur zu. "Poppy schafft das nicht allein! Seid ihr von Sinnen?" Er glaubte sich verhört zu haben, hätte er den dreien doch etwas mehr Verstand zugetraut. Aber was hätten sie tun sollen. "Wer ist Poppy?", fragte der Heiler irritiert. "Doch nicht etwa... Madame Pomfrey? Nein, das glaube ich jetzt nicht! Sie ist Krankenschwester in Hogwarts. Ich zweifle nicht an ihren Fähigkeiten, aber DEM ist sie nicht gewachsen! Das kann ich nicht zulassen! Wenn Sie Mr Potter nicht doch noch verlieren wollen, dann müssen Sie ihn wieder hier her zurück bringen, auch wenn der Transport allein schon unvorstellbare Risiken für ihn birgt!" "Er bleibt wo er ist!", schnarrte Kingsley. "Keine Angst, er wird die Hilfe bekommen, die er braucht. Hier her kommt er jedenfalls nicht mehr zurück! Wir wissen nicht wem wir vertrauen können." Wem sollten sie auch noch glauben? Vielleicht arbeitete dieser Heiler - ein angeblicher Freund von Arthur (wenn er wirklich ein Freund wäre, warum hat Charlie ihn dann nicht erkannt?) - ebenfalls für den Dunklen Lord. Es war alles möglich! Es könnte ja auch sein, dass Arthur sich in all den Jahren hatte täuschen lassen in denen sie ,befreundet' waren. Es war zwar eine Erklärung, aber die reichte dem Heiler nicht. "Wenn Sie das zulassen, haben Sie ein unschuldiges Menschenleben auf dem Gewissen!", keifte er zurück. "Es sei denn, er hat den Tod verdient. Aber wer hat das schon?" Diese Aussage klang mehr als zynisch. Kingsleys Blick konnte man nur eins entnehmen - Wut. Der Heiler kannte Kingsley Shaklebolt nur vom Hörensagen, aber das reichte ihm aus, um zu wissen, dass er zu weit gegangen war. Erstaunlicher Weise blieb dieser ruhig. Das Einzige was er sagte, war: "Sie müssen uns schon die Entscheidung überlassen!" Ohne Dr. Bright noch einen Blick oder eine Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten zu geben ging er in Richtung Tür. "Arthur, du gehst wieder ins Bett! Charlie und ich erledigen das hier und dann verschwinden wir. Wir wollen doch nicht, dass hier die ganze Mannschaft aufschlägt und uns retten will." Auch Charlie stand auf. "Dad, bitte tu' uns den Gefallen! Ich schaue morgen noch mal rein und erzähl dir was es Neues gibt." "STOPP!", rief der Heiler. "Nicht so schnell! Was heißt: Sie erledigen das hier?", fragte er an Kingsley gewandt. "Entweder Sie bringen Mr Potter hier her zurück oder Sie nehmen mich mit - wohin Sie auch gehen!" Seine Worte klangen entschlossen, jegliche Furcht war verschwunden. Arthur, sein Sohn und der Auror sahen sich an. Was sollten sie tun? Die Hilfe vom Heiler könnten sie wirklich gut gebrauchen... aber ihn einfach so mit ins Hauptquartier nehmen? Hatten sie eigentlich eine Wahl? Dass Madame Pomfrey mit Harrys Zustand überfordert sein würde, daran hatte niemand gezweifelt. Auch wenn die Krankenschwester bisher schon viel für Harry getan hat, war dies eine ganz andere Situation. Schon damals, nach Voldemorts Blutzauber, hatte sie alle Hände voll zu tun und war an ihre Grenzen gestoßen. Nur durch Fawkes Hilfe und Harrys starken Überlebenswillen hatte sie es schließlich geschafft. Auch jetzt war Fawkes bei ihm - nur dank ihm schlug sein Herz noch. Arthur meldete sich als erstes wieder: "Sam, er hat so viel für uns getan, er darf einfach nicht sterben! Ich liebe ihn, wie jedes meiner eigenen Kinder!" Schon fast verzweifelt klang das Oberhaupt der Weasleys. Jetzt ging sein verzweifelter Blick weiter zu Kingsley und Charlie: "Kingsley, wir brauchen ihn; wir können ihm trauen! Ich lege für Dr. Bright meine Hand ins Feuer!" Kingsley schien kurz zu überlegen, bevor er seine Antwort gab. Er sah zu Charlie und dann wieder zu dessen Vater. "Du hast das zu entscheiden!", erwiderte er schließlich. Nun lag es bei Arthur! Er war Mitglied des Rates. Auch wenn dieser zurzeit nur noch aus vier Personen bestand, hatte er seine Funktion nicht verloren. Arthur nickte. "Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, die wir dir bereitet haben! Wir brauchen dringend deine Hilfe, Sam!" Auch der Heiler nickte. "Aber", begann Arthur wieder, "es gibt ein Problem bei der ganzen Sache... Du wirst nicht erfahren wohin wir gehen und anschließend, wenn es Harry hoffentlich besser geht, werden wir dein Gedächtnis soweit verändern, dass du dich an all das, was hier geschehen ist, nicht mehr erinnern kannst. Nun ja, sagen wir es mal so: Es liegt allein an Harry, in wie weit wir dein Gedächtnis verändern werden, aber ich denke, wir handeln in seinem Sinne. So Leid es mir tut, aber es geht nur unter der Bedingung!" "Einverstanden!", mehr sagte der Heiler nicht. Nur ein Augenzwinkern in Richtung der jungen Krankenschwester. Es war ihm im Moment nicht wichtig, wohin sie ihn bringen würden - er vertraute Arthur - sondern dass er Harry damit helfen konnte. Er hatte keine Gelegenheit gehabt, den jungen Auroren hier im St. Mungo zu untersuchen, aber man konnte selbst mit bloßem Auge sehen, dass Harry mit seinem Leben rang. "Gut, Sam, alles weitere erfährst du wenn wir angekommen sind!" "Wir?", meldete sich Charlie wieder zu Wort. "Du wirst schön hier bleiben und dich versorgen lassen!" Arthur setzte zum Protest an, doch sein Sohn war schneller. "Dad, sei doch wenigstens ein Mal vernünftig! Du kannst Harry jetzt eh nicht helfen. Die Krankenschwester wird dich auf dein Zimmer bringen! Schwester...?",versuchte er dessen Namen zu erfahren. Er merkte nicht, wie sein Vater zu schmunzeln anfing. "Nell", antwortete die Angesprochene und sah dabei ängstlich zum Heiler, der ihr beruhigend zunickte. "Schwester Nell, wir müssen Ihr Gedächtnis ebenfalls verändern!" Mit weiten Augen sah sie Charlie an, als hätte sie ihn nicht richtig verstanden. "Sie werden es nicht mal merken, es geht ganz schnell." Diesmal sah sie Kingsley entgeistert an, als wenn sie Hoffnung hatte, dass dieser Charlie ebenfalls für verrückt hielt. Nur leider zersprang die Hoffnung auch gleich wieder wie eine Seifenblase. "Es geht nicht anders!" "Niemals!", kam es plötzlich lauthals von der Krankenschwester. "Ich lasse niemanden an meinem Gedächtnis rummanipulieren und meinen Vater lasse ich auch nicht allein! Entweder Sie nehmen mich mit oder er geht nirgendwo hin! "Nell? Die Nell?", fragte Charlie verwundert, wobei er doch leicht peinlich berührt wirkte. "Ich habe dich gar nicht erkannt; du hast dich mächtig verändert!" Erst jetzt hatte es bei Charlie klick gemacht. Jetzt wusste er wieder, woher er den Namen kannte. Zwar hatte er die Familie Bright seit seinem Hogwartsabschluss nicht mehr gesehen, aber er und Nell waren dort recht gute Freunde gewesen. Wie konnte er sie nur nicht erkennen? Wenn er genau hinsah, hatte sie sich gar nicht so sehr verändert, außer dass sie noch hübscher geworden ist. Er konnte nun kaum die Augen von ihr lassen. "Das du mich nicht erkannt hast, habe ich bereits mitbekommen", lächelte sie, was Charlie die Röte ins Gesicht trieb, doch wurde sie nur Sekunden später wieder ernst und entschlossen. "Ich könnte ihre Hilfe gut gebrauchen, denn Madame Pomfrey wird genug mit den Schülern von Hogwarts zu tun haben. Und ich denke, dass Mr Potters Genesung nicht mit ein oder zwei Tagen abgetan ist", lenkte Dr. Bright die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Leicht genervt, da sie eindeutig schon viel zu viel Zeit verschwendet hatten, knurrte Kingsley: "Gut, einverstanden! Aber nun los, sonst ist alles zu spät!" Zum dritten Mal wurde ein Portschlüssel erschaffen. Kingsley nahm den Stein, mit dem sie im St. Mungo ankamen, und bei drei waren er, Charlie, der Heiler und dessen Tochter verschwunden. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend machte Arthur sich auf den Weg zurück in sein Zimmer. Unterdessen herrschte im Hauptquartier des Phönixordens Totenstille. Aufgeregt und ängstlich lief Molly Weasley im Salon auf und ab. Deren Söhne - abgesehen von Charlie, der mit Kingsley noch im St. Mungo war - saßen auf dem Sofa. Niemand sagte etwas, ihre Gesichter deuteten ihre Gefühle gut genug, es bedarf keiner Worte. Nachdem Remus mit Harry im Grimmauldplatz ankam, hatten sie erfahren, was im St. Mungo geschehen war. Zuvor hatte Bill ihnen berichtet, wie sie Harry und Hermine auf dem Friedhof vorgefunden hatten und was dann geschehen war. Das erste was Molly einfiel war: "Warum habt ihr ihnen nicht geholfen? Wie konntet ihr sie dort allein lassen?" Doch Bill antwortete darauf nichts. Er nahm seine Mutter nur tröstend in den Arm, die daraufhin zu weinen anfing. Tonks, die mit Bill zusammen Hermine ins Hauptquartier gebracht hatte, saß noch immer oben neben ihrem Bett. Noch war Hermine nicht wieder aufgewacht. Natürlich hätten sie den Schlafzauber mit einem ,Finite Incantatem' wieder aufheben können, aber dem was ihr noch bevorstand sollte sie lieber ausgeruht entgegentreten. Tonks wurde bei dem Gedanken an das Geschehen speiübel. Das Bild von Harry, wie er fast tot vor ihnen lag, ging ihr nicht aus dem Kopf. Und dann noch Madame Pomfreys entsetzter Blick nachdem sie Harry untersucht hatte: ,Als die Krankenschwester aus dem Zimmer kam, war ihr Blick versteinert, als wenn jemand das Entsetzen auf ihrem Gesicht eingemeißelt hätte. Erst nach mehrmaligem Betteln fing sie an zu reden. Mit jedem Wort wurden auch die Gesichter der anderen blasser. Tonks, Remus, Bill, Ron, Parvati und Molly konnten, besser gesagt wollten nicht begreifen, was sie hörten. Selbst Dumbledore schüttelte in seinem Portrait ungläubig seinen Kopf. Was Madame Pomfrey da von sich gab, durfte einfach nicht wahr sein. Jedoch schien alles darauf hinauszulaufen. Das Letzte was sie von der Krankenschwester hörten, war: "Warum haben sie ihn hergebracht? Er gehört ins St. Mungo, hier wird er sterben!" Allen war klar, warum Harry nicht ins St. Mungo zurück konnte - Remus Worte hatten sie noch nicht vergessen. Er hatte Harrys Freunde zu sich gerufen, da sie im Moment sowieso nichts für ihn tun konnten. Molly sollte eigentlich ins St. Mungo gehen und nach ihren Mann sehen, aber sie ließ nicht mit sich reden. Remus war sich sicher gewesen, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Arthur im Hauptquartier auftaucht. So wie er seinen Freund kannte, würde dieser mit Sicherheit nicht in seinem Bett bleiben. Und... er sollte Recht behalten!' Bill wollte eigentlich bei seiner Freundin bleiben - er hatte bemerkt, dass Tonks sich nur verstellte, alles nur überspielte, um ihn zu beruhigen - wollte sie doch stark sein für ihn. Immer hin war sie eine Aurorin, und Auroren zeigten keine Schwäche und Ängste. Tonks wurde aus ihren Gedanken gerissen; sie hörte Stimmen vom Korridor her. Nach einer Weile - wie lange konnte Tonks nicht sagen - begann Hermine sich zu regen. Wie als wenn sie gerade aus einem erholsamen Schlaf aufwachen würde, reckte sie ihre Gliedmaßen in alle Himmelsrichtungen und knurrte genüsslich. Besorgt nahm Tonks ihre Gesten wahr. Wusste Hermine etwa nicht mehr was geschehen war? Wenn das wirklich so sein sollte, wie sollten sie ihr nur beibringen, was mit ihrem Harry geschehen ist? Eigentlich war es nur ein gewöhnlicher Schlafzauber gewesen. Na gut, vielleicht etwas stärker als gewöhnlich, aber nicht so stark, dass er gleich das Gedächtnis verändern könnte. Verwundert darüber, warum Tonks so bedrückt und mitgenommen aussah, fragte Hermine noch immer verschlafen: "Was ist passiert, wie siehst du überhaupt aus?" Sie sah aus dem Fenster - es war noch hell. Warum lag sie hier im Bett, wenn es draußen immer noch Tag war? Nachdenklich musterte sie Tonks, welche sich versuchte zusammenzureißen und dabei ihre Worte genau überlegte. "Tonks, ist etwas mit dir und Bill, habt ihr euch gestritten? Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst!" Noch einmal reckte sich Hermine ausgiebig. "Ein Mal recken, ist wie eine Stunde Schlaf", meinte sie lächelnd und zwinkerte Tonks zu. Diese versuchte zurück zu lächeln, während Hermine sich an die Bettkante setzte. Zumindest versuchte sie es. Das mit der Bettkante wollte nicht so ganz klappen, irgendwas hinderte sie daran. "Autsch!" Mit verzogenem Gesicht rieb sie ihr rechtes Bein. "Warum tut mir das Bein weh?", fragte sie mehr sich selbst. Sie konnte es bewegen, aber irgendetwas war damit nicht in Ordnung. "Und wie sehe ich überhaupt aus?" Sie sah an sich herunter. Stück für Stück kamen plötzlich die Erinnerungen an den Tag wieder. Mit jedem Gedanken wurde sie unruhiger. "Harry", flüsterte sie und sah Tonks mit angsterfüllten Augen an. "Wo ist er?" Tonks antwortete nicht. Sie konnte es selber kaum fassen. "Wo ist er Tonks? WO?" Jetzt schrie sie fast. Aus Verzweiflung griff sie sich an ihre Kette; jedenfalls dorthin wo sie hätte sein müssen, doch stattdessen griff sie nur an ihren nackten Hals und spürte unter ihrer Hand ihr pochendes, fast rasendes Herz. Sie begann sich wieder daran zu erinnern, wie Voldemort ihr die Kette abnahm. Dieses fiese, kalte und gehässige Grinsen auf dem bleichen, fahlen Gesicht des Dunklen Lords sah sie genau vor sich; auch hörte sie sein abartiges Gelächter. Seine Worte, als er ihr die Kette förmlich vom Hals riss - Gier und Übelkeit konnte sie in seinen hässlichen roten Augen erkennen - hallten immer noch in ihren Ohren nach. Ganz nahe war er mit seinem Kopf an ihrem gewesen - sie konnte sein Atem auf ihrem Hals spüren. Zischend dankte er ihr für ihre Hilfe: ,Ich danke dir, meine Liebe! Du hast mir mehr als geholfen! Dank dir wird unser Goldknabe gleich hier auftauchen und ich bekomme was mir zusteht. Liebe ist so was von lächerlich - sie behindert nur und führt ins Verderben. Sieh dich an! Es war ein Leichtes, dich zu manipulieren. Du rennst für Potter in den Tod. Nun ja, er wird auch für dich in den Tod gehen, da bin ich mir sicher. Es sollte dir schmeicheln, dass er für dich stirbt! Es wird nicht mehr lange dauern, und er wird hier auftauchen. Er wird zusehen, wie du stirbst und dann ist er dran! Das habe ich ihm versprochen. Ganz langsam wird er sterben. Leiden soll er! Ich will jeden Tag, den er mir gestohlen hat, wieder haben; jeden verdammten Tag! Er ist mir schon viel zu lange auf der Nase rumgetanzt. Hier und heute geht es zu Ende!' ,Mit dir geht es zu Ende!', hatte Hermine es gewagt, ihn in seinem Redeschwall zu unterbrechen. DAS mochte der Lord gar nicht - er duldete keine Unterbrechung. Von niemanden, erst recht nicht von einem Schlammblut wie Hermine. Noch immer spürte sie Voldemorts lange knochige Finger in ihrem Gesicht: Grob drückte er ihre Wangen zusammen und zwang sie, in seine hässlichen roten Augen zu sehen. ,Sei nicht so vorlaut, Schlammblut! Dein Potter wird kommen und sterben!' Er sah in den Himmel. ,Ein perfekter Tag zum Sterben! Also, wenn ich es mir recht überlege...' - er sah zu seinen Todesser herüber - ,Weißt du was Schmerzen sind?', fragte er wieder Hermine. Ihre Augen weiteten sich bei Voldemorts Frage. ,Ja, das ist gut! Ich kann Angst in deinen Augen erkennen, ich kann sie förmlich riechen.' Symbolisch steckte er seine Nase in den Wind und atmete tief durch. ,Ich liebe diesen Geruch!' Er ließ sie los und entfernte sich wenige Meter. Grinsend richtete er seinen Zauberstab auf sie. Das waren kaum auszuhaltende Schmerzen. Noch nie hatte sie so etwas erleben müssen. Sie hatte sich gefragt, wie viele verschiedene Schmerzflüche Voldemort und seine Todesser beherrschen würden. Die Erleichterung kam erst, als alles um sie herum schwarz wurde... "Hermine, geht es dir gut?", holte Tonks sie aus ihren Gedanken. Zitternd saß Hermine vor ihr. "Ich will endlich wissen was mit Harry ist! Wo ist er?", lenkte sie von sich ab. "Hermine, bitte beruhige dich erstmal!", bat Tonks. Sie hatte keine Ahnung, wie sie anfangen sollte. Was sollte sie auch sagen? Vielleicht dass Harry sterben wird? "Ich werde alles andere tun, aber mich nicht beruhigen, solange ich nicht weiß wo er ist und wie es ihm geht!", schrie Hermine jetzt. "Ich... er ist...", begann Tonks zu stottern. "Harry ist... er ist... tot?" Eine verzweifelte Frage von einer verzweifelten jungen Frau an eine beinahe genauso verzweifelte Aurorin. ,Nein', wollte Tonks antworten, doch wollte kein Wort mehr über ihre Lippen. Sie öffnete und schloss ihren Mund, ohne etwas von sich zu geben. Das war völlig falsch! "Nein! NEIN!!! Sag dass das nicht wahr ist!" Beide sahen sich an. "Tonks, SAG DASS DAS NICHT WAHR IST!", schrie Hermine sie wieder an und schüttelte sie. Tränen flossen aus den Augen der noch jungen Aurorin. "Tonks, verdammt, sag endlich was!" In ihr Flehen mischte sich ein ängstliches Schluchzen und auch aus ihren Augen schlichen sich Tränen. Remus, der gerade am Zimmer vorbei kam, bemerkte den Krach und betrat es, ohne anzuklopfen. "Hermine, Tonks!" Die beiden Frauen sahen den niedergeschlagenen Werwolf mit roten Augen an. Ohne Vorwarnung sprang Hermine plötzlich auf und lief in Richtung Tür. Kurz vor Remus hielt sie an. Er machte keine Anstalten etwas zu sagen, hinderte sie nicht mal am Gehen, als sie das Zimmer verließ. "Ist er...?", fragte Tonks leise, während sie auf Remus zuging und ihm anschließend weinend um den Hals fiel. Beruhigend strich er ihr über den Rücken. "Noch nicht", flüsterte er kaum hörbar. Remus stand so in der Tür, dass er den Flur im Blickfeld hatte. Bill kam langsam den Flur entlang. Gerade wollte Remus fragen, warum er nicht mehr im St. Mungo bei seinem Vater war, als Kingsley die Treppe hoch gelaufen kam und ihm etwas hinterher rief; noch hatte Bill Tonks und Remus nicht entdeckt. "Ich dachte, du bist mit deiner Mutter bei deinem Vater im St. Mungo!" "Der und im St. Mungo?", schnaubte Bill über den Flur. "Er ist so was stur! Er hat im St. Mungo einen Aufstand gemacht. Wenn wir nicht da... Mann, hat Dad geschrien!" "Und jetzt habt ihr ihn mitgebracht, ja?", wollte Kingsley wissen. "Ja, obwohl drei Heiler meinten, er solle im Bett bleiben. Er ist unten." Augenrollend schüttelte Bill seinen Kopf und ging weiter. "Tonks?", stoppte er wieder. Remus winkte ihn zu sich herüber. "Übernimmst du?" Er wartete nicht erst Bills Antwort ab, sondern übergab ihm die aufgewühlte Tonks. Unaufhörlich schluchzte Tonks an Bills Schulter. Nichts war mehr von der starken Aurorin zu sehen. "Sccchhh... ist doch gut!", versuchte nun Bill sie zu beruhigen. "Ich bin bei dir!" "Geht in ein Zimmer und ruht euch aus. Wenn etwas ist, werde ich euch holen!" Remus nickte den beiden aufmunternd zu und folgte Kingsley runter ins Erdgeschoss. Hermine stand vor Harrys Zimmer und kam nicht weiter. Charlie, der zusammen mit Kingsley, Dr. Bright und dessen Tochter vor kurzen im Grimmauldplatz ankam, stellte sich ihr in den Weg. "Du kannst da jetzt nicht rein!" "Wieso soll ich da nicht rein können? Ich möchte endlich Harry sehen! Lass mich durch, Charlie!", blaffte sie ihn an. "Bitte, Hermine, Dr. Bright kümmert sich gerade um ihn. Es kann jetzt keiner zu ihm." Charlie wollte Hermine festhalten und sie von der Tür wegziehen, doch sie wehrte sich energisch. "Charlie, lass mich los! Was soll das alles; warum lasst ihr mich nicht zu ihm; warum sagt ihr nicht was los ist?" Charlie ließ sie los, jedoch versperrte er ihr weiterhin den Weg. "Wir wissen auch nichts Genaues. Wir müssen warten bis der Heiler fertig ist." "Hermine, komm!", kam Remus auf sie zu. "Bitte beruhige dich doch wieder!" "Beruhigen? Ich kann mich nicht beruhigen! Mein Verlobter ist da drin, und ich darf nicht zu ihm! Ich weiß nicht wie es ihm geht, geschweige denn, ob er überhaupt noch lebt. Sag du mir ja nicht, dass ich mich beruhigen soll!" Wütend giftete sie Remus an. Sie war außer sich. Beruhigen - auf was für Ideen kam er überhaupt? Wie würde er reagieren, wenn in diesem Zimmer jemand liegen würde, den er mehr als alles auf dieser Welt liebte? In ihrer ganzen Aufregung merkte sie gar nicht, dass sie nicht die Einzige war, die sich sorgen um Harry machte. "Hermine, bitte", startete Kingsley nun einen Versuch. "Lass es gut sein. Es hilft nichts, wenn du dich jetzt hier verausgabst; wir dürfen noch nicht rein. Dr. Bright und Madame Pomfrey sind bei ihm. Sie werden ihr Bestes geben." Hermine sah den Auroren mit weit aufgerissenen Augen an. "Du... ihr..." Sie verstand nicht. Warum ließ er ihn unbeaufsichtig? Kingsley war doch nach Moody der nächste, der ständig überall Gefahr witterte und misstrauisch wurde. "Wo wart ihr?", fing sie auf einmal wieder an zu schreien. "Er hätte euch gebrauchen können! Warum habt ihr ihm nicht geholfen? Ich... ich..." Sie kniff ihre Augen zusammen. "Ich konnte ihm nicht helfen - er hat es nicht zugelassen." Sie wurde immer leiser. Ihre Tränen liefen unaufhaltsam. "Warum hat er das nur getan? Er hätte sich retten sollen, aber stattdessen... Warum?" Fragend sah sie in Remus' traurige Augen, als hätte nur er eine Antwort auf ihre Fragen. Immer wieder schüttelte sie ihren Kopf und frage: "Warum?" Langsam ging Remus auf sie zu. Vielleicht wollte er so verhindern, dass Hermine zurückschreckte. Ohne Aufforderung ließ sie sich in seine Arme fallen und weinte bitterlich, wobei sie mit ihren Fäusten gegen seine Brust schlug. "Warum hat dieser blöde Kerl das nur getan; warum lässt er sich von ihm umbringen? Er opfert sich für ein Schlammblut!" Diese Worte aus Hermines Mund zu hören, war angsteinflößend. Die Anwesenden glaubten sich verhört zu haben. "Es reicht, Hermine, reiß dich zusammen! Du müsstest dich mal reden hören! Warum sagst du so etwas?" Remus hielt sie etwas von sich weg und versuchte sie zur Vernunft zu rütteln - Worte halfen ja anscheinend nichts. "Red' nicht so einen Müll zusammen; komm wieder zu dir! Was glaubst du wohl, warum er das getan hat, hä? Die Frage müsstest du dir eigentlich selbst beantworten können!" Er nahm sie wieder tröstend in den Arm und senkte seine Stimme. "Du bis sein Ein und Alles; nichts ist ihm wichtiger, nichts liebt er mehr auf dieser Welt." Beruhigend strich er ihr bei diesen Worten über den Rücken. "Wie oft hat er dir schon gesagt, dass er dich liebt und dass er alles für dich tun würde...? Selbst wenn wir da gewesen wären - wir hätten ihn nicht davon abhalten können... Möchtest du uns erzählen, was auf dem Friedhof passiert ist?" Ganz vorsichtig und bedächtig kam der letzte Satz über Remus' Lippen. "Du musst nicht, wenn du nicht möchtest!" Hermine hatte vor Anspannung die Luft angehalten. "Du kannst dir damit Zeit lassen, es drängt dich niemand!" Hermine sah auf und wischte sich ihre Tränen fort. "Später, Remus, ich möchte erst Harry sehen. Bitte!" Sie klang so flehend und verzweifelt, dass Remus schließlich nachgab. "Natürlich darfst du zu ihm, aber warte bitte noch bis Dr. Bright mit ihm fertig ist!" "Einverstanden! Aber wer ist dieser Dr. Bright überhaupt?" Sie hatte noch nie von ihm gehört. Arthur kam auf die Gruppe zu: "Er ist ein sehr guter und äußerst fähiger Heiler aus dem St. Mungo, und außerdem ein guter alter Freund von Molly und mir. Anscheinend hatte er einen Teil des Gespräches mitbekommen. Du kannst ihm vertrauen!" Stillschweigend kamen sie überein, Hermine nichts von dem Vorfall im St. Mungo zu erzählen - jedenfalls jetzt noch nicht. Jedoch wurde dieser Vorsatz von Hermine gleich auf die Probe gestellt. "Warum habt ihr ihn nicht ins St. Mungo gebracht? Er braucht richtige Hilfe!" Remus war es, der auf ihre Frage antwortete. Er erzählte ihr aber nur, dass es im St. Mungo nicht sicher genug für Harry wäre, da sie nicht wüssten, wem sie vertrauen können. "Wird das je ein Ende haben?", ließ Hermine sich an der Wand zu Boden gleiten. " Was machen wir, wenn er..." "Daran darfst du nicht eine Minute denken!", setzte Charlie sich neben sie auf den Boden. "Er ist stark, Hermine, er schafft das schon. Außerdem hat er noch Fawkes. Er wird ihn nicht im Stich lassen." Die Tür zu Harrys Zimmer ging auf und eine völlig erschöpfte Madame Pomfrey und ein besorgter Dr. Bright betraten den Flur, um in erwartungsvolle und angespannte Gesichter zu blicken. Eine Weile sagte niemand etwas, bis sich der Heiler endlich dazu durchrang den ersten Schritt zu machen, auch wenn das was er zu sagen hatte nicht das war, was sie hören wollten. "Es sieht nicht gut aus! Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand. Ich bin zwar immer noch der Meinung, wir hätten ihn im St. Mungo lassen sollen, jedoch hätte ich auch dort nicht mehr für ihn tun können. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll... So oft wie ich das schon getan habe, es fällt mir immer noch nicht leicht." Es war ihm wichtig, dieses gesagt zu haben. "Wenn Mr Potters Zustand sich in den nächsten Stunden nicht stabilisiert, sehe ich keine Chance für ihn. Ich befürchte allerdings, dass er es nicht schafft - selbst mit seinem Phönix nicht - er wird sterben. Kaum hatte er den letzten Satz ausgesprochen, fuhr Hermine hoch wie eine Furie. Rücksichtslos schoss sie am Heiler und Charlie vorbei in Harrys Zimmer und verriegelte von innen die Tür mit einem starken Zauber. Die Versuche der anderen, diese aufzubekommen, schlugen alle fehl. Sie selbst bemerkte nicht mal, dass sie dies stablos bewirkt hatte. Schon vorher hatten Kingsley und Remus den Heiler über Harrys Verbindung mit Fawkes aufgeklärt, denn ihm war es eigenartig vorgekommen, dass Harry diesen Hinterhalt bis jetzt überlebt hatte. Derzeit sah wirklich alles danach aus, als würde er sterben. Dr. Bright und Madame Pomfrey erzählten ihnen was sie alles versucht hatten, um ihn zu stabilisieren. Mehrere Analysezauber hatten sie durchgeführt, doch konnten sie nur geringe Spuren vom Phönix erkennen. Während sich draußen auf dem Flur über das Unvermeidliche unterhalten wurde und Remus fieberhaft versuchte die Tür zu Harrys Zimmer aufzubekommen, kniete Hermine an seinem Bett. Immer wieder hörte sie die gleichen Worte in ihrem Kopf, während Voldemorts kaltes Lachen im Hintergrund hallte: ,Er wird sterben!' Sie bekam nicht mit, wie sie von einer gewissen jungen Krankenschwester beobachtete wurde. Hermine hatte auch keine Ahnung, dass diese im Hauptquartier war, ihr wurde nur vom Heiler berichtet. Nell rührte sich nicht, traurig beobachtete sie die schluchzende Hermine. Minuten vergingen, in denen sich die Krankenschwester nicht von der Stelle bewegte. Sie wollte Hermine in ihrer Trauer nicht stören. Erst flehte Hermine Harry an, bei ihr zu bleiben; sie liebte ihn doch und würde ihn brauchen, und nur kurze Zeit später beschimpfte sie ihn, was ihm einfiel sich einfach so für sie zu opfern, ob er nicht auch mal einfach nur an sich denken konnte. Trauer, Angst und Wut wechselten sich nacheinander ab, immer und immer wieder. Erst jetzt bemerkt Hermine, dass über Harry eine Art magische Schrift stand, die seinen Zustand verriet. Plötzlich rief sie: "Was du hier veranstaltest, das verzeihe ich dir nie!" Wie der Zufall es so wollte, schlugen die Zauber, die Harrys Zustand überwachten Alarm - er hatte sich drastisch verschlechtert. Blitzschnell lief Nell auf Harry zu, um zu sehen was der Zauber anzeigte. "Öffnen Sie die Tür!", rief sie Hermine zu, ohne sie anzuschauen. Hermine konnte nicht erkennen, was Nell da tat. Sie war zu überrascht, dass noch jemand im Zimmer war. "Die Tür öffnen, verdammt!", schrie Nell jetzt. Hermine realisierte nichts mehr. Geschockt sah sie auf Harrys Bett. "Was soll das? Sind Sie irre?", fragte die Krankenschwester. "Er braucht Hilfe! Sehen Sie zu, dass Sie den Zauber von der Tür nehmen! DAD!" Mit einem gewaltigen Knall zersplitterte die Tür und der Heiler eilte auf Harry zu. "Verlassen Sie das Zimmer! SOFORT!" Doch immer noch blieb Hermine wie angewurzelt stehen - als wäre sie erstarrt. Charlie war als erster bei ihr und versuchte sie auf sich aufmerksam zu machen. Jedes Wort ihrer Freunde prallte an ihr ab, als wäre sie eine Wand aus Stahl und die Worte nur unwichtige Gummibälle. Doch plötzlich brach sie wie in Zeitlupe zusammen. "Bringen Sie Miss Granger in ein Zimmer, ich komme so schnell wie möglich nach!", rief Sam Bright Charlie zu. "Ich habe es geahnt", murmelte er vor sich her. Geschlagen sah er seine Tochter an. "Du schaffst das, Dad, gib dein Bestes!" Sein Bestes? Er hatte alles Mögliche getan, und es hat nichts gebracht. Einen Stabilisierungszauber nach dem anderen legte er über Harry, doch noch immer gab es keine Besserung. Charlie, Kingsley und Remus hatten Hermine mit ins Wohnzimmer genommen. Immer noch bewusstlos und leichenblass lag sie auf dem Sofa. Auch Arthur, Molly, Bill und Tonks hatten sich zu ihnen gesellt. Schweigend saßen sie im Wohnzimmer verteilt. Nach etwa einer Stunde erwachte Hermine und sah in sieben ernste Gesichter. "Wie geht es dir, mein Kind?", fragte Molly, und wollte dabei beruhigend klingen, jedoch flatterte ihre Stimme dermaßen, dass jeder ihre Unruhe bemerken musste. "Gut, denke ich." Hermine zögerte einen Moment, bevor sie fragte: "Was ist mit Harry... lebt er noch? Was soll ich nur ohne ihn machen? Ich kann ohne ihn nicht existieren..." Bekümmert und in sich gekehrt senkte sie ihren Kopf. "Harry lebt - er ist stark, er hat bis jetzt jeden Angriff irgendwie überstanden. Er lässt sich nicht so leicht unterkriegen!", meinte Molly tröstend, doch klang sie immer noch nicht überzeugend. "Wir müssen auf alles gefasst sein! Dr. Bright meint, dass wir uns von ihm verabschieden sollten, jeder auf seine Weise. Es besteht kaum noch eine Chance, dass er überlebt." Hermine bemerkte, dass Remus jedes seiner Worte weh tat und mit jeder Silbe etwas in ihm zerstört wurde. "Entschuldigt mich bitte!", rief er plötzlich und sprang auf. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ er das Wohnzimmer. Hermine versuchte aufzustehen; sie wollte hinterher. "Ich gehe! Bleib du hier und ruh dich noch aus!", hielt Molly sie davon ab. Sie ging ihm nicht gleich hinterher, sondern erst in die Küche. Bei einer heißen Tasse Tee konnte man sich viel besser unterhalten. "Ich habe vergessen, dass Remus auch Angst hat - wie ihr alle. Toll, nicht wahr? Wie immer denke ich nur an mich selbst - eigensinnig und ungerecht!" Wieder fing Hermine an zu weinen, obwohl sie die ganze Zeit versuchte, es zu unterdrücken. "Erst schicke ich Harry in den Tod und dann denke ich, dass ich als Einzige das Recht habe zu trauern..." "Hermine, bitte hör auf dir immer für alles die Schuld geben zu wollen! Es reicht wenn einer diese Angewohnheit hat! Das ist Harrys Job, nicht deiner." Es hörte sich nicht forsch an - es war ungewohnt Kingsley so einfühlsam zu erleben. Selten, zu selten bekam man die Gelegenheit. "Wir alle haben Angst, dass er stirbt, und nicht nur du, dass stimmt - aber niemand, keiner von uns, würde dich als eigensinnig und ungerecht bezeichnen. Und Remus... Er und Sirius haben Lily und James bei ihrem Leben geschworen, Harry zu beschützen falls sie - wie es ja leider auch geschah - sterben sollten. Nachdem nun auch Sirius tot ist, hat er allein diese Aufgabe. Er wollte sich um Harry kümmern... jedenfalls soweit er dies zuließ. Ab dem sechsten Schuljahr hat sich Harry kaum noch jemanden geöffnet, gesagt wie es ihm wirklich geht, nur dir und Ron." Er startete einen kleinen Versuch zu lächeln, auch wenn ihm das in dieser Situation nicht gerade leicht fiel. "Im letzten Jahr ist er wie ein Sohn für ihn geworden... Außerdem musste er Harry für den Kampf mit Voldemort und seinen Todessern ausbilden. Ich stelle es mir so vor, als wenn man seinen eigenen Sohn in den Kampf schicken würde und genau wüsste, dass er vielleicht nicht heimkehrt. Er macht sich Vorwürfe, versagt zu haben. Er hätte Harry sofort geholfen, aber du weißt ja, wie stur dein Verlobter sein kann - er ist einfach allein los, um dir zu helfen. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann..." "Ja, er wusste dass es eine Falle war!", unterbrach Hermine ihn. "Er hat es genau gewusst und ist trotzdem gekommen!" "Du hättest ihn mal im Fuchsbau erleben sollten; er hat sie alle allein aufgemischt!" Charlie stand auf und setzte sich neben Hermine. "Er hat Ron vor den Avada Kedavra gerettet." Doch wie genau verschwieg er. Mit Hilfe der anderen erzählte er, was im Fuchsbau geschehen war. "... dann ist er einfach disappariert." Von ganz allein fing Hermine an zu erzählen, was sie gesehen hatte und von dem sie glaubte, dass es wahr war. Auch wie Snape versucht hat, sie aufzuhalten. Stockend erzählte sie vom Friedhof. Die blassen Gesichter ihrer Freunde wurden noch blasser. Erst jetzt wussten sie was Harry wirklich durchmachen musste. Irgendwie hatten sie das Gefühl, dass Hermine gewollt einiges ausließ - besonders das was sie selbst betraf. Einige der Flüche, die Hermine aufzählte, hatte Dr. Bright bereits mit Hilfe eines Zaubers analysieren können, doch das ganze Ausmaß... "Wir müssen Sam sagen, was Voldemort" - Hermine überlegte, seit wann Arthur Weasley den Dunklen Lord bei seinem ,Namen' nannte - "mit ihm angestellt hat! Vielleicht gibt es ja doch noch eine Chance, wenn er jede Einzelheit kennt und sich nicht nur an Vermutungen festhalten muss." Auch er verließ das Wohnzimmer eilig. Sie durften nicht noch mehr wertvolle Zeit verlieren! Hermine sah in die fahlen Gesichter der restlichen Anwesenden. Unglaube statt Zuversicht stand auf jedem, ohne Ausnahme, auch wenn einige versuchten dies zu verstecken. Keiner von ihnen glaubte so richtig daran, dass es für Harry noch eine Chance geben würde - nicht nach dem was passiert war. Zwar war noch Hoffnung vorhanden, aber nicht ausreichend, um sich damit aufzubauen. Auf dem Friedhof hatte er keinen Schutz durch Fawkes gehabt, alles musste er aus eigener Kraft schaffen, und nun war diese bis auf den letzten Funken aufgebraucht. Auch war Fawkes immer noch nirgends zu sehen oder zu hören. Ja, Fawkes könnte ihnen wieder etwas Hoffnung geben, aber nichts dergleichen. Wo war der Phönix? Seit dem Friedhof wurde er nicht mehr gesehen. Hermine hoffte inständig, dass er bei Harry ist, und er sich nur nicht zu erkennen geben könnte. Doch auch dieser Glaube war nur noch gering, er bestand nur noch aus dünnem, nicht greifbarem Rauch. Einer sah dem anderen an was er dachte. "Es hilft nichts, wenn wir hier nur rumsitzen und Trübsal blasen - wir müssen uns irgendwie beschäftigen! Hier sitzen und auf das warten, vor dem wir uns alle am meisten fürchten? Nein, das halte ich nicht aus! Ablenkung hilft momentan am besten", schlug Molly vor, die bereits wieder nach wenigen Minuten zurück im Wohnzimmer war. Remus hatte sie nicht gefunden, er war wie vom Erdboden verschluckt. Anscheinend wollte er nicht gefunden werden. Doch mit was sollte sie sich ablenken? Das Haus glänzte von oben bis unten, und zurück in den Fuchsbau wollte sie nicht. Sie wollte hier bleiben falls jemand ihre Hilfe bräuchte. "Ich werde uns etwas zu Essen machen, eine kleine Stärkung!", fiel ihr ein. "Hermine, möchtest du mir helfen?" Mütterlich lächelte sie ihr zu. "Ja, natürlich!" Hermine klang nicht gerade begeistert, aber vielleicht hat Molly ja Recht, und Ablenkung hilft tatsächlich. Überall im Haus war es totenstill. In der Küche konnte sich Hermine nicht mal ansatzweise konzentrieren. Einen Moment der Unachtsamkeit und sie ließ gleich mehrere Teller fallen, die sie eigentlich auf den Tisch stellen wollte. "Da gehören sie aber nicht hin, Liebes! Eiferst du jetzt Tonks nach?", versuchte Molly zu scherzen, was völlig daneben ging. Hermine konnte über Mollys Scherz nicht lachen, nicht mal ihre Mundwinkel zuckten. Nur ein leises "Entschuldigung" kam ihr über die Lippen, bevor sie sich auf einen der Stühle am Tisch niederließ. Alles, egal was, erinnerte sie an Harry. Selbst in den Porzellanscherben vor sich auf dem Boden glaubte sie sein Gesicht zu erkennen. Mit einem einfachen "Reparo" von der Weasleymutter waren die Teller wieder wie neu. "Vielleicht wäre es besser, du würdest deine Eltern besuchen; sie freuen sich bestimmt! Hermine?", fragte sie, da diese nicht reagierte. "Ich möchte zu ihm, Molly, ich halte es nicht mehr aus! Ich möchte bei ihm sein, wenn er.... Er soll nicht allein..." Hermine konnte es einfach nicht aussprechen. Schon die Vorstellung, dass Harry nie mehr bei ihr sein würde; sie nie wieder sein wunderbares Lächeln sehen könnte und seine atemberaubenden Augen sie kein weiteres Mal zum Schmelzen bringen würden; er ihr nie wieder sagen würde, dass er sie liebt, ließ Übelkeit in ihr aufsteigen. Ihr Herz begann erneut zu rasen und das Atmen fiel ihr immer schwerer. ,Er wird nicht sterben, er wird nicht sterben...', versuchte sie sich in Gedanken zu beruhigen. "Hermine, gib die Hoffung nicht auf! Bitte gib euch nicht auf!" Dieser kleine aber deutliche Satz von Molly trieb ihr wieder Tränen in ihre noch immer etwas geröteten und geschwollenen Augen. Noch mehrmals versuchte Molly Hermine dazu zu überreden, sich bei ihren Eltern auszuruhen, jedoch führte dort selbst mit Engelszungen kein Weg hin. Stumm saß Hermine an Harrys Bett und hielt seine linke Hand fest umklammert. Mit ihren Gedanken war sie nicht auf dem Friedhof - daran wollte sie sich nicht mehr zurückerinnern - sondern in der Zukunft, in ihrer erhofften Zukunft. Wie sehr wünschte sie sich eine Familie mit Harry. Schon so oft hat sie davon geträumt. Sie überlegte, was ihr lieber wäre - ein Mädchen oder ein Junge? Ein kleiner Bücherwurm wäre gar nicht schlecht. Bei dem Gedanken huschte ein leichtes Lächeln über ihr verweintes Gesicht. "Sein Zustand hat sich in den letzen drei Stunden nicht mehr verschlechtert, er ist stabil geblieben!", wurde Hermine aus ihren Gedanken gerissen. Erschrocken drehte sie sich um und blickte in das lächelnde Gesicht der jungen Krankenschwester Nell Bright. "Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt!", kam Nell auf sie zu. "Ich heiße Nell und bin die Tochter von Dr. Bright. Ich arbeite als Krankenschwester im St. Mungo auf der Station für Fluchgeschädigte." Hermine stand auf und reichte ihr die Hand: "Hermine Granger! Ich bin die Freundin von Harry" "Ah ja, seine Verlobte", verbesserte Nell. "Wenn sich sein Zustand nicht weiter verschlechtert, hat er es geschafft. Mr Weasley hat uns erzählt, was auf dem Friedhof passiert ist." Sie schüttelte ihren Kopf. "Dass ein Mensch so etwas aushalten kann, habe ich nie für möglich gehalten." Hermine sah wieder auf ihren Verlobten und fragte: "Konnten Sie erkennen, ob sein Phönix noch bei ihm ist?" "Oh ja, und das ist sein Glück! Wäre er nicht da gewesen, dann..." "Aber auf dem Friedhof war er nicht bei ihm gewesen!", unterbrach Hermine sie. "Das nicht, aber er ist gerade noch rechtzeitig gekommen. Mr Lupin meinte, dass Harry - oh, Verzeihung, Mr Potter meine ich natürlich! - das Kraftfeld irgendwie aufgehoben hat und sein Phönix dadurch zu ihm konnte. Nur einen Moment später und selbst Fawkes hätte ihm nicht mehr helfen können. Aber..." Die Krankenschwester zögerte. "Was aber?" "Nun ja... hätte er früher den Schutzschild von Ihnen genommen, dann wäre alles anders gekommen. Er hätte noch etwas Kraft gehabt und würde jetzt nicht hier halb tot vor uns liegen." Sie sah Hermines entsetzten Blick. "Miss Granger, bitte! Er allein hat sich dazu entschieden - auch wenn er nicht wirklich eine Wahl gehabt hat." "Doch, hätte er", murmelte Hermine leise. Die Krankenschwester hatte sie genau verstanden. "Sie hätten ihn bestimmt durch nichts davon abhalten können! Nachdem was ich alles von Ihren Verlobten gehört habe" - sie lächelte wieder etwas - "hat er seinen ganz eigenen Kopf. Was sich einmal darin festgesetzt hat, kann man dort nicht mehr so schnell vertreiben. Das waren die Worte von Charlie." Hermine nickte zustimmend. "Aber Voldemort war schon längst verschwunden, und trotzdem hat er es aufrechterhalten. Wozu nur?", seufzte sie und setzte sich wieder ans Bett. Abwesend fragte sie Nell: "Warum ist er nicht im St. Mungo? So schlecht ging es ihm noch nie. Wäre es nicht besser, wenn er dort behandelt werden würde?" "Ja, mit Sicherheit! Aber nachdem was dort vorgefallen ist..." Weiter kam sie nicht. "Vorgefallen? Was... was ist dort vorgefallen? Was war da los?" Nervös blickte Nell um sich, ob jemand in der Tür stand. Hätte sie doch bloß ihre Klappe gehalten! Sie verfluchte sich selbst dafür. "Sie wissen das nicht?", versuchte sie die Wahrheit hinauszuzögern. Allem Anschein noch nicht, denn sonst hätte Hermine sicherlich nicht nachgefragt. "NEIN!" Nell atmete tief durch. "Dann sollte Ihnen das lieber jemand anderes erzählen, ich bin nicht die Richtige dafür." Hermine ließ jedoch nicht locker, und Nell musste schließlich nachgeben. Kopfschüttelnd kniete Hermine am Bett. "Wie weit wird das noch gehen?" Nell ließ Hermine mit ihren Gedanken allein. Ihr Weg führte sie direkt zu ihrem Vater - sie musste ihm beichten, was sie Hermine aus versehen erzählt hatte. Sie hoffte nur, dass er Arthur und den anderen ihren Fehler beibringen würde. Aber warum Fehler? Irgendwann hätte Hermine es so oder so erfahren! Der Samstag ging und der Sonntag kam. Den ganzen Tag schon saß Hermine an Harrys Bett und wich nicht von seiner Seite - nicht eine Minute. Irgendwann war sie erschöpft neben ihm eingeschlafen. Sie saß zwar in einem großen Sessel, aber bequem sah es trotzdem nicht gerade aus. Plötzlich wurde sie unruhig. Hastig huschten ihre Augen unter den geschlossenen Lidern hin und her und ihre Hände zuckten. Sie schien zu träumen. Schreiend wachte sie auf: "NEIN, NICHT!" Aufgeregt blickte sie sich um sich und sah einen besorgten Remus in der Tür stehen. Er war kurz zuvor am Zimmer vorbeigekommen und hatte ihren Schrei gehört. Tränen, die sie sinnloser Weise versuchte zurückzuhalten, standen in ihren Augen. Sie war zurzeit nicht in der Lage auch nur einen Funken Stärke zu zeigen. So sehr sie es auch versuchte, jedes Mal scheiterte sie kläglich. "Geht es dir nicht gut, Hermine?", kam Remus auf sie zu. Was für eine Frage! Natürlich ging es ihr nicht gut! "Geht schon wieder, danke", flüsterte sie heiser und wischte sich ihre Tränen mit dem Ärmel fort, nur um sofort neuen Platz zu machen. Remus kniete sich neben den Sessel und nahm ihre Hand. "Rede mit mir!", bat er leise. Hermine schüttelte nur ihren Kopf. "Hermine, bitte!", bemühte Remus sich aufs Neue. Er blickte auf Harry und sagte: "Tu' es für ihn! Wenn er aufwacht und dich so sieht, bricht es ihm das Herz. Er hat das alles für dich getan." Und genau das war Hermines Problem - er hat es für SIE getan. IHRETWEGEN lag er hier bewusstlos im Bett; IHRETWEGEN wäre er fast gestorben. "Ich weiß", antwortete sie mit belegter Stimme. Für einen Augenblick sagte keiner der beiden etwas - stumm saßen sie an Harrys Bett und beobachteten ihn. Jeder ging seinen eigenen Gedanken nach. Remus war es, der als erster die Stille durchbrach: "Hattest du einen Alptraum?" Hermine traute sich nicht den Werwolf neben sich anzusehen. "Du hast ,Nein, nicht' geschrien. Was war los?" Eigentlich wollte sie nicht darüber reden, sie wollte es schnell wieder vergessen. Oder besser gesagt verdrängen, denn vergessen würde sie es bestimmt nie wieder. Noch ein Grund war, dass die anderen sich schon genug um sie sorgten. "Wenn ich meine Augen schließe, Remus, sehe ich den Friedhof vor mir. Ich kann die klamme Luft und die feuchte Erde selbst jetzt noch spüren - Voldemorts röchelnden Atem auf meinem Nacken fühlen." Sie kniff ihre Augen zusammen. Diese Erinnerungen waren so nah, als würde sie immer noch dort am Grabstein gefesselt sein. "Ich sehe Harry vor mir" - ihre Augen waren wieder geöffnet und ein mitleidiges Lächeln schenkte sie dem schlafenden Harry - "wie er all die Flüche von Voldemort und seinen Todessern aushalten muss, und..." Sie schluckte, riss sich aber wieder zusammen. "... und ich konnte ihm nicht helfen. Ich höre seine Schreie und Voldemorts kaltes Lachen, sehe seine wütenden und zugleich ängstlichen grünen Augen genau vor mir. Ja, Remus, er hatte Angst! Aber nicht um sich, sondern um mich. Er wäre fast für mich gestorben!" Hermine nahm all ihren Mut zusammen und erzählte weiter. Irgendwann würde es sicherlich leichter werden. Doch irgendwann war eine lange Zeitspanne. Irgendwann ist halt irgendwann, und es hört sich nicht nach naher Zukunft an. "Er muss unvorstellbare Schmerzen gehabt haben. Seine Augen hatten kaum noch Hoffnung, doch trotzdem hat er nicht aufgegeben." Jetzt lachte Hermine auf: "Voldemort hat ihm ein Angebot gemacht - er hätte das alles nicht ertragen müssen. Er hatte ihm angeboten, sich ihm anzuschließen, aber Harry hat abgelehnt nur weil ich ,Nein' gerufen habe." "Nicht, Hermine", unterbrach Remus sie, "er hätte es auch ohne dein ,Nein' abgelehnt! Niemals würde Harry sich ihm anschließen." "Auch nicht, wenn er mich damit retten würde? Glaube mir, er hat überlegt, ob er..." "NEIN, niemals!" Hermine hatte Remus und den anderen zwar am Vortag bereits erzählt, was auf dem Friedhof geschehen war, aber das, was sie ihm eben erzählt hat, hatte sie gewollt ausgelassen. Auch jetzt hatte sie noch nicht alles erzählt. "... und der Angriff auf den Fuchsbau... war nur ein Test!" Remus glaubte sich verhört zu haben: "Ein Test?", fragte er ungläubig. "Ja, Remus, ein verdammter Test! Er wollte wissen, welche Kräfte und Fähigkeiten Harry noch so hat." Auf so etwas Abartiges konnte auch nur ein selbsternannter Dunkler Lord kommen. "Und eins hat er damit noch geschafft." Remus sah sie fragend an. "Mit dem Kraftfeld - so hat Voldemort es jedenfalls erzählt - wusste er genau, wie er Harry und Fawkes trennen konnte. Deshalb konnte Fawkes nicht zu ihm." "Warum hast du uns das nicht gestern schon erzählt, es ist wichtig - verdammt wichtig!" "Warum? Ich habe es in der ganzen Aufregung einfach vergessen!" Und das war nicht mal gelogen. Erst als sie anfing mit ihm über das Ganze zu reden, fiel es ihr wieder ein. Die ganze Zeit über hatte sie sich gefragt, warum Fawkes ihnen nicht zur Hilfe kam. Hier war die Antwort, und diese war nicht weniger erschreckend und traf sie auch nicht weniger heftig, als auf dem Friedhof. Wieder stieg Übelkeit in ihr auf. Allein schon der Gedanke daran, dass Voldemort es noch einmal versuchen könnte reichte aus, um hysterisch zu werden. "Hermine, wir werden einen Weg finden! Voldemort wird es nicht noch mal schaffen, das verspreche ich dir! "Es tut mit Leid, dass ich so eigensinnig war und nur an mich gedacht habe! Ich habe nicht mal bemerkt, dass es euch auch schlecht geht." "Schon gut, Hermine!" Sanft strich Hermine Harry durchs Haar und gab ihm erst einen Kuss auf die Stirn und dann auf den Mund. "Wach wieder auf, bitte!", flüsterte sie ihm zu, wobei sie ihm über die blassen Wangen strich und erneut küsste. "Hermine?", machte Remus wieder auf sich aufmerksam. "Ja?", kam es zaghaft zurück, ohne das sie ihre Augen von Harry abwandte. "Wissen deine Eltern schon was passiert ist? Vielleicht solltest du für ein paar Tage zu ihnen gehen. Du brauchst Abstand, damit du dich ausruhen kannst!" "Ich? Abstand? Ich brauche keinen Abstand!", protestiere sie. "Ich brauch nur Harry! Meine Eltern wissen nichts von alledem hier, und das bleibt auch so!", sagt sie energisch. Wieder etwas friedliebender fügte sie hinzu: "Sie machen sch schon genug Sorgen um mich. Es ist besser, wenn sie es nicht erfahren!" "Aber...", versuchte diesmal Remus dagegen zu reden. "Remus, bitte!" Er nickte zustimmend. Immerhin war es ihre Entscheidung, auch wenn er anders entschieden hätte. Er runzelte die Stirn - irgendwoher kannte er den Gedanken bereits... Es klopfte an der Tür und Remus und Hermine schreckten aus ihren Gedanken hoch. Molly Weasley stand lächelnd in der Tür und betrat das Zimmer. "Ich wollte euch zum Essen holen, es steht alles auf dem Tisch!" "Wir kommen sofort!", entgegnete Remus und stand auf. Er reicht Hermine seine Hand, doch diese verneinte seine Geste. "Ich habe keinen Hunger, geht ohne mich!" "Hermine, Kind, du musst aber endlich mal was essen! Du hast seit Freitag nicht einen Bissen mehr angerührt. Komm, es riecht köstlich!" Hermine schüttelte entschieden ihren Kopf. "Ich habe keinen Hunger - mir ist schlecht! Ich möchte wirklich nicht!" Immer weiter versuchte Molly ihr Glück, doch nach dem dreizehnten Mal gab sie es schließlich auf, Hermine zum essen zu bewegen. Nicht mal hier an Harrys Bett wollte sie etwas essen. Am Abend konnte Molly mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinbaren, dass Hermine noch immer nichts im Bauch hatte. Damit, dass sie nicht von Harrys Seite wich, hatte sie sich abgefunden, aber verhungern lassen, konnte sie das Mädchen nicht. Sie beschwor einen kleinen Beistelltisch und stellte ihn neben Hermine. "Was glaubst du, sagt Harry, wenn er dich halb verhungert vorfindet? Was denkst du, ist das Erste, was er tun wird? Mich lynchen, da ich dich nicht zum essen gezwungen habe. Und genau das werde ich jetzt tun - du wirst essen! Wenn nicht, werden wir einen anderen Weg gehen müssen; ich habe schon mit Dr. Bright gesprochen. Iss und ich überlege mir meine Entscheidung noch mal!" Entsetzt sah Hermine sie an. "Ich tue es nicht gern, Hermine, aber anscheinend geht es bei dir nicht anders. Also, ich werde so lange hier sitzen bleiben, bis du aufgegessen hast. Ich will den Teller krümelfrei sehen!" Molly duldete keine Widerrede mehr. Sich schüttelnd quälte Hermine sich die Schnitten, die auf dem Teller lagen hinunter. "Danke! Es tut mir Leid, dass ich so mir dir umgehen musste, aber du wolltest es anscheinend nicht anders!", versuchte Molly ihr Verhalten zu rechtfertigen. "Spiel dich nicht selbst kaputt!" Mit diesen Worten verließ Molly mit dem leeren Teller in der Hand das Zimmer. Bevor sie die Tür zuzog, drehte sie sich noch einmal um und sagte: "Wenn du etwas brauchst, wir sind unten." Nur ein Nicken bekam sie als Antwort. Wieder vergingen die Tage fast unbemerkt. Der Heiler besuchte seinen Patienten fast stündlich - nur nachts ließ er größere zeitliche Abstände zwischen seinen Besuchen. Noch immer war Harry nicht wach, aber ein Lichtblick gab es trotzdem - sein Zustand war weiterhin stabil. Jedes Mal sagte er: "Wenn es so bleibt, wird er bald wieder unter uns sein." Auch Nell hatte Hermine am Samstag schon gesagt, dass wenn sein Zustand sich nicht verschlechtern würde, es Hoffnung gäbe und er durchkommen würde. Sie hatte sie also nicht belogen, nur um sie zu beruhigen. Dankbar lächelte Hermine den Heiler an. "Danke, Dr. Bright! Das was Sie für Harry getan haben, war..." "Bitte danken Sie mir nicht, Miss Granger! Es ist meine Aufgabe zu helfen. Außerdem habe ich nicht viele Aktien an seiner Genesung, es ist sein Phönix." Er sah sich Hermine genau an. "Aber Sie sehen viel zu blass aus. Ich würde Sie gern noch einmal untersuchen wollen!" "Nein, mir geht es gut, ich bin nur etwas müde und geschafft, mehr nicht. Wichtig ist nur, dass Harry bald wieder gesund wird!" "Das wird er, geben Sie ihm noch ein paar Wochen und alles ist wieder beim Alten! Wenigstens fast. Seine seelischen Wunden werden nicht so schnell heilen." Wochen? Hatte Hermine da richtig verstanden? Gerade wollte der Heiler wieder gehen, als Hermine ihn aufhielt: "Dr. Bright?" "Ja, Miss Granger?" "Was macht Ihre Familie... Ich meine, Sie haben doch sicherlich eine. Ihre Tochter ist auch hier, aber wo ist Ihre Frau? Weiß sie wo Sie sind?" Er wirkte nachdenklich. "Jain - sie weiß nur, dass es uns gut geht und wir für einige Zeit nicht nach Hause kommen werden. Mehr darf ich ihr nicht sagen. Ich habe auch noch eine kleine Tochter, sie heißt Tegla." Ein bedrücktes Lächeln huschte über sein Gesicht. "Sie ist neun Jahre alt. Aber wenn das alles hier vorbei ist, es Ihrem Verlobten wieder gut geht und er mich nicht mehr braucht, werden Nell und ich so oder so alles vergessen haben, was seit Freitag passiert ist." Hermine sah ihn irritiert an. "Nur unter der Bedingung durften wir mit", erklärte er. "Ich hätte Ihren Verlobten gern im St. Mungo behalten, aber es ging nicht." "Aber warum werden Sie alles vergessen haben, wie meinen Sie das?" "Ganz einfach - ein kleiner Vergessenszauber und alles ist weg." Hermine wollte nicht so ganz glauben, was ihr der Heiler da erzählte. Immer noch ungläubig sah sie ihn an. "Meine Familie und ich sind keine Mitglieder des Phönixordens, und wir haben auch nicht vor welche zu werden. Ich helfe gern, aber kein Eintritt. Da nehme ich doch lieber den Vergessenszauber." "Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb Sie nicht dem Orden beitreten wollen?", fragte sie direkt heraus. "Nicht heute, Miss Granger!" Wieder wollte er gehen. "Aber man vermisst Sie doch sicherlich im St. Mungo. Wie wollen Sie ihr Verschwinden erklären?" Der Heiler zuckte mit den Schultern. "Wir haben auf unbestimmte Zeit unbezahlten Urlaub eingereicht." Draußen war es nass und unangenehm geworden - richtig typisches Herbstwetter für England. Genau eine Woche war vergangen, doch Harry war immer noch bewusstlos. Zwar gab es keinerlei Zwischenfälle mehr, aber Anstalten aufzuwachen, machte er trotzdem nicht. Blass und noch immer von den Spuren des Kampfes gekennzeichnet, lag er in seinem Bett. Dr. Bright und seine älteste Tochter waren seit einer Woche nicht mehr bei ihrer Familie gewesen. Beide vermissten Frau und Mutter sowie auch die kleine Tegla, jedoch hatte sich keiner von ihnen beklagt. Hermine hingegen hatte ein schlechtes Gewissen dem Heiler und Nell gegenüber. Fern von der Familie und ohne Bezahlung kümmerten sie sich um Harry. Sie fasste den Entschluss mit Arthur, Remus und Professor McGonagall darüber zureden. Die beiden sollten bekommen, was ihnen zusteht! "Ich bin gleich wieder bei dir, Harry, mach ja keine Dummheiten!", sagte sie, küsste ihn zum Abschied auf den Mund und verließ das Zimmer. "Remus!", rief sie ihm nach. "Warte bitte auf mich, ich muss mit dir reden!" Der Gerufene hatte sich gerade seinen Mantel übergezogen und wollte disapparieren. "Remus, hast du einen Moment für mich? Es dauert auch nicht lange!" Der Werwolf legte seinen Mantel wieder ab und schlug ihn über seinen linken Arm. "Für dich habe ich immer Zeit! Ich wollte nur gerade nach Hogwarts, Minerva möchte gern wissen, was es Neues von Harry gibt." "Gut zu wissen!", zwinkerte sie ihm zu. "Das tut richtig gut!" Hermine sah ihr Gegenüber mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Was tat gut? Was hatte sie nur getan, dass es Remus gut ging? Nicht dass sie nicht wollte, dass es ihm gut ging. "Was tut gut?", sprach sie laut aus. "Dein Lächeln", bekam sie als Antwort von ihm. "Endlich wieder ein Lächeln von dir. Ich dachte schon, ich würde es nie wieder auf deinem Gesicht sehen... Was hast du denn auf dem Herzen?" Wieder musste Hermine über Remus' Aussage leicht schmunzeln. "Ihr braucht euch um mich keine Sorgen machen! Aber was ich von dir wollte... Ich würde gern mit dir, Arthur und Professor McGonagall sprechen - es geht um Dr. Bright und Nell." Diesmal war es Remus, der sie mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah: "Professor McGonagall? Hat Minerva dir nicht das Du angeboten? Ich denke so etwas irgendwann mal gehört zu haben. Immerhin seid ihr Kollegen und außerdem hält sie sehr viel von dir." "Ja, aber sie ist die Schulleiterin und ich..." "STOPP!", hielt Remus sie auf. Sein Ton war wohl nicht gerade der ruhigste, denn Hermines Augen weiteten sich schlagartig um das Doppelte. "Denk das ja nicht zu Ende! Entschuldige bitte, ich wollte nicht so laut werden!" "Schon gut!", winkte Hermine ab. "Wann kann ich mit euch sprechen? Können wir uns heute irgendwann zusammensetzen?" Remus schlug vor, McGonagall zum Abendessen mitzubringen: "Nach dem Abendessen können wir dann in Ruhe reden." "Ihr lasst auch keinen Versuch aus, mir Essen unterzuschieben, was?" "Erwischt! Bis heute Abend, Hermine!", verabschiedete sich Remus. In der Zwischenzeit hatten sich Bill und Charlie dazu entschlossen, Harry einen Besuch abzustatten. Charlie ging auf Nell zu, die gerade für ihren Vater an Harry noch einige Tests durchführte und anschließend die noch verbliebenen Wunden mit einer gelben Tinktur versorgte. Bill hingegen blieb kopfschüttelnd und gedankenversunken am Türrahmen gelehnt stehen. Noch einmal ging ihm der Vorfall im St. Mungo durch den Kopf, wo er Harry zu Unrecht zusammengestaucht hatte. Jedes einzelne Wort tat ihm Leid, welches er ihm so unbedacht und voller Wut an den Kopf geknallt hatte. Doch getreten ist getreten! Charlie bemerkte, dass mit seinem Bruder irgendwas nicht stimmte. Er glaubte auch zu ahnen, was Bill gerade durch den Kopf ging. "Er weiß, dass du nicht du selbst warst!", holte Charlie ihn zurück. Nell schreckte hoch. Sie hatte nicht bemerkt, dass jemand bei ihr war, und auch nicht, dass sich jemand an sie herangeschlichen hatte. So sehr war sie in ihre Arbeit vertieft gewesen. "Was?", fragte sie und erkannte Bill und Charlie. "Das ist keine Entschuldigung für das was ich ihm an den Kopf geballert habe! Wie konnte ich so etwas nur sagen!? Und das Schlimmste ist, Tonks weiß es nicht mal! Er scheint es ihr nicht gesagt zu haben. Warum nicht?" "Das wird er auch nicht", ging Charlie auf Bill zu und legte seinem Bruder seine Hand auf die Schulter. "Wenn du möchtest, dass sie es erfährt, dann musst du es ihr wohl selbst sagen! Aber wenn Harry es nicht getan hat, dann nimmt er es dir nicht übel. Warum also quälst du dich unnötig damit? Lass es doch gut sein! Tonks muss es nicht unbedingt erfahren." Bill sah Charlie entschlossen an. "Ich habe einen Fehler gemacht, den ich vielleicht nie wieder gut machen kann. Ich wollte ihr helfen, habe aber versagt. Also habe ich meine Unfähigkeit an Harry ausgelassen. Er konnte doch nichts dafür, dass sie... Er hat uns doch nicht gehört." Immer größere Schuldgefühle redete er sich ein, doch schaffe er es nicht, sein Gewissen damit zu entlasten. "Warum nie wieder?", mischte sich Nell ein. "Er wird bald wieder aufwachen. Auch wenn es noch einige Wochen dauern sollte, aber er wird gesund. Ich kenne Harry zwar nicht, aber ich denke auch, dass er es ihr nicht sagen wird. Wenn er es gewollt hätte, dann wüsste sie es bestimmt schon - Gelegenheiten hatte er sicherlich schon genug, es ihr zu erzählen. Ich glaube, sie arbeiten zusammen, oder nicht? Wenn du wirklich so verbissen darauf bist, es ihr zu erzählen und dein Gewissen damit beruhigt bekommst, dann musst du wohl deinen Mund aufmachen!" Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte Bill sich um und verschwand mit wehendem Umhang. Nell und Charlie sahen sich an. "Eine Tasse Tee? Es ist so kalt, die wärmt bestimmt durch. Draußen wird es immer ungemütlicher." Nell sah auf ihre Uhr: "Gern, aber wir könnten es auch gleich mit dem Abendbrot verbinden." Sie hielt sich ihren Bauch. "Ich habe tierischen Hunger!" "Könnten wir theoretisch", erwiderte Charlie, "aber..." "Was aber?" Charlie sah verlegen zu Boden. "Ich meine... Ich wollte..." "Na?" "Ich wollte eigentlich mit dir allein sein." Darauf wusste Nell keine Antwort. Die sonst so schlagfertige Nell fand einfach keine Worte. Charlie musste grinsen: "Hey, wo ist die sonst so kecke Nell Bright hin, die ich so..." Charlie stoppte sich selbst. "Jaaaaaaa?" "Die ich kenne, mein ich." "Charlie Weasley!", mahnte Nell. "Was denn, möchtest du nun oder nicht?", fragte er leicht gereizt. Obwohl, gereizt konnte man das nicht nennen, eher verlegen. Verlegen daher erwischt worden zu sein. Schon als Kinder zu Hause und auch in Hogwarts hatten die beiden viel Zeit miteinander verbracht, bis sie sich schließlich nach dem Abschluss aus den Augen verloren hatten. Nachdem sich Nell noch einmal vergewissert hatte, dass es Harry gut ging, meldete sie sich bei ihrem Vater ab und holte sich zusammen mit Charlie etwas aus der Küche. Molly rief ihnen hinterher, warum sie nicht wie alle anderen auch in der Küche essen könnten, doch bekam sie keine Antwort von den beiden. Ihr Sohn winkte ihr nur frech zu. "Den bekomme ich auch nicht mehr groß!", meckerte sie vor sich her. Wie besprochen trafen sich nach dem Abendbrot Remus, Arthur und McGonagall im Salon - nur Hermine fehlte noch. Wie jeden Abend hatte sie an Harrys Bett gegessen. "Entschuldigt bitte, ich habe die Zeit vergessen!", betrat Hermine den Salon. "Dafür brauchst du dich nicht bei uns zu entschuldigen!", meinte die Direktorin und klopfte mit ihrer linken Hand aufs Sofa. "Setzt dich!" Mit seinem Zauberstab schloss Arthur die Tür. "Was wolltest du mit uns bereden? Remus sagte, du hast Sam erwähnt?", fragte er. "Ja, stimmt. Es geht so nicht weiter, er..." "Was ist mit ihm?", fragte Arthur dazwischen. "Wir können ihm vertrauen, ich bürge für ihn." "Nein, Arthur, ganz ruhig! So meine ich das doch gar nicht. Ich vertraue ihm auch, es geht nur darum, was Nell und ihr Vater für uns tun. Ich möchte den beiden gern etwas dafür geben. Es wäre auch in Harrys Sinne, denke ich." "Schon, aber er macht es freiwillig", erklärte Arthur. "Ich kenne ihn, er würde nie etwas dafür nehmen." "Aber Arthur, sie haben dafür auf unbestimmte Zeit unbezahlten Urlaub genommen. Wer weiß, wie lange das Ganze hier dauert, seine Familie muss doch vorn irgendwas leben. Wir können nicht verlangen, dass sie ihr Erspartes angreifen!" "Unbezahlt und auf unbestimmte Zeit?", fragte Remus. Anscheinend wusste er nichts davon. Und auch Arthur sagte: "Das wussten wir nicht! Kingsley hat nur gesagt, dass Sam ihm einen Brief für die Verwaltung des St. Mungo mitgegeben hat." "Außerdem", sagte Hermine weiter, "machen die beiden das alles, obwohl sie nicht im Orden sind. Ihr könnt sie nicht hier festhalten und nachher einfach mal so ihr Gedächtnis verändern!" "Woher weißt du das alles?", fragte McGonagall. "Dr. Bright hat es mir erzählt, besser gesagt, ich habe es ihm entlockt. Das könnt ihr mit den beiden nicht machen!" "Zerbreche dir darüber nicht deinen Kopf! Harry wird entscheiden was wir tun. Wir werden das machen, was er für richtig hält. Und wenn er meint, ein Vergessenzauber ist das Richtige, dann ist es so." Remus' Aussage duldete keine Gegenrede. So hatte sie ihr Gegenüber noch nicht erlebt - kaltherzig war das Wort, welches Remus momentan am besten beschrieb. "Aber... woher wollt ihr so genau wissen, was Harry meint und was er für richtig hält?" "Nein, Hermine, wir haben mit den beiden alles besprochen, sie wussten, auf was sie sich einlassen." Hermine stand erzürnt vom Sofa auf. "Dann gebt den beiden wenigstens etwas Lohn für ihre Arbeit! Das könnt ihr hoffentlich ohne Harry entscheiden!" Sie wartete nicht erst auf die Antwort der drei. "Wenn nicht, bezahle ich sie von meinem Geld!" Das war das Letzte, was sie von ihr zu hören bekamen. Wütend verließ sie den Salon. "Sie hat Recht!", durchbrach McGonagall die Stille. "Ja", entgegnete Remus etwas weniger aufgebracht als zuvor, "aber wir können erstmal nichts daran ändern. Was soll Sam sagen, wenn jemand mitbekommt, dass trotz des unbezahlten Urlaubes Geldbeträge auf sein Konto eingehen? Wir regeln das schon irgendwie - Harry wird ja zum Glück nicht ewig schlafen." Den Rest des Abends, den kompletten Samstag und Sonntag bekamen die drei Hermine kaum noch zu Gesicht - gekonnt mied sie den Rat. Sie waren nicht länger als eine Minute mit ihr zusammen in ein und demselben Raum. Irgendwann gaben sie den Versuch auf, mit Hermine reden zu wollen. Alle drei waren der Meinung, dass sie Zeit bräuchte und sie sich schon wieder beruhigen würde. Zumindest hofften sie es. Am Montagvormittag machte Hermine sich von den anderen unbemerkt auf den Weg in die Winkelgasse. Niemand sollte wissen was sie vorhatte, schon gar nicht Remus, Minerva und Arthur. Ihre Wut auf die drei war übers Wochenende nicht ein Stück gewichen. Sie nutzte ihre Verbindung zu Gringotts und überwies den Brights einige hundert Galleonen. Gleichzeitig wies sie an, dass die Kobolde Stillschweigen bewahren sollten, wer diese Überweisung getätigt hat. Allerdings lehnten sie ab, diese Anweisung zu befolgen. Auch Hermines Bitten half nicht, sie konnte die Kobolde nicht umstimmen. "Es tut mir Leid, Miss Granger, aber das ist uns nicht möglich. Wir können unseren Kunden so etwas nicht vorenthalten." Hermine überlegte: "Ist es Ihnen vielleicht möglich, da irgendetwas dran zu drehen?" "Nein, wehrte Miss Granger, wir haben da wirklich keine Möglichkeit. Stillschweigen gegenüber anderen Personen ist selbstverständlich, aber gegenüber dem Verliesbesitzer - keine Chance. Aber..." - der kleine alte Kobold lächelte - "... wenn Sie mir vielleicht auftragen" - er sah nach links und rechts, ob niemand sie belauscht - "dass das Geld von diesem Konto nicht auf Ihr Konto zurück überwiesen werden darf, könnte Ihnen das zufällig auch helfen? Wenn Sie mir dies auftragen würden, könnte ich es veranlassen." Nicht nur gegenüber dem Heiler und seiner Tochter hatte Hermine ein schlechtes Gewissen, auch gegenüber Snape. Seit einer Woche war sie nicht mehr in Hogwarts gewesen. Severus hatte jede Stunde von ihr übernommen und sie hatte sich noch nicht mal dafür bedankt. Erst sah sie im Lehrerzimmer nach, ob er sich vielleicht dort aufhielt. Doch Fehlanzeige, hier war niemand. Sie sah auf ihre Uhr - es war kurz nach zwölf. Bestimmt waren alle beim Mittag; nur in die Große Halle wollte sie nicht. Erstens wollte sie den Fragen und Blicken der Lehrer und einiger Schüler nicht ausgeliefert sein und zum anderen war mit Sicherheit auch Minerva McGonagall dort. Und dieser wollte sie nun wirklich nicht über den Weg laufen! Ihr war schon klar, dass sie der Schulleiterin nicht ewig aus dem Weg gehen konnte, aber noch war es möglich. Stattdessen ging sie runter in den Kerker. Auch wenn sie vor Snapes Büro auf ihn warten müsste, das war immer noch besser, als die Alternative. Vielleicht hatte sie ja Glück und er war tatsächlich in seinem Büro. Auf ein eher zaghaftes und schüchternes Klopfen folgte ein genervtes: "Ja, herein!" Erleichtert atmete sie auf - sie hatte nicht wirklich vorgehabt auf ihn zu warten. Plötzlich schlug sie sich mit ihrer Hand gegen die Stirn. "Wie blöde kann man eigentlich sein?", fragte sie sich selbst. Warum ist sie nicht in ihr Büro gegangen und hat mit ihm durch den Kamin Kontakt aufgenommen? "Herein habe ich gesagt!", wurde Hermine aus ihren Gedanken geholt. "Wer ist denn da? Ich habe keine Zeit für Spielchen!" Snapes Stimme kam immer dichter und im gleichen Moment, indem Hermine die Klinke herunter drücken wollte, riss er die Tür auf und starrte in ihr erschrockenes Gesicht. "'tschuldigung", murmelte Hermine, "Ich war in Gedanken!" "Oh, Hermine!", wurde Snape wieder freundlicher. "Was führt dich zu mir?" "Darf ich reinkommen?", fragte sie. "Es ist nicht gerade gemütlich hier unten." "Oh ja natürlich! Wie konnte ich nur? Komm, nimm platz!", bat er. "Danke! Sei nicht sauer, aber wie kann man sich hier in den Kerkern nur so wohl fühlen?" "Man(n) kann!", zwinkerte Snape ihr zu. "Zumindest hat man(n) hier unten seine Ruhe - für gewöhnlich jedenfalls, denn die Meisten sind deiner Meinung. Selbst unsere geschätzte Schulleiterin." "Nun ja", entgegnete Hermine schulterzuckend. "Das kann man(n) sich auch einreden! Wenn ich es lange genug versuchen würde, gefällt es mir vielleicht auch, aber zum Glück habe ich dafür keine Zeit", scherzte sie. "Ich kann zu meiner Verteidigung nur sagen, dass ich rot und gold nicht gerade leiden kann... Aber wie ich sehe, geht es dir besser. Gibt es Neuigkeiten oder was führt dich hier runter in die kalten, ungemütlichen Gemäuer Hogwarts?" Hermine wurde wieder ernst. "Entschuldige bitte, habe ich etwas Falsches gesagt? Ist etwas..." "Nein, nein, Harry geht es soweit gut, zumindest hat sich sein Zustand nicht wieder verschlechtert", lächelte sie matt. "Ich wollte mich bei dir bedanken, dass du für mich den Unterricht übernommen hast. Wie hast du das alles nur geschafft? Ist alles gut gelaufen oder hattest du Ärger mit den Schülern?", sprudelte es aus ihr heraus. Sie wollte ihn auf keinen Fall mit dieser Frage kränken oder beleidigen. Snape nahm es nicht als Beleidigung oder Kränkung auf, sondern eher als Scherz. "Nun mach dir mal darüber keine Gedanken, das war gar nicht so schlimm. Deine Schüler waren zwar nicht gerade begeistert mich - Wie war das Wort noch mal? - schleimige Fledermaus zu sehen, aber sie haben es allesamt überstanden!", grinst Snape. "Ach ja, ich glaube, einige der Gryffindors, vielleicht auch der Ravenclaws und Hufflepuffs - aber bei den Gryffindors bin ich mir sicher - werden sich bei dir beschweren. Ich habe einige Klassen zusammenlegen müssen, da sie sich sonst mit meinem Zaubertränkeunterricht überschnitten hätten, und ich wollte keine ausfallen lassen. Aber... auch dabei ist keiner umgekommen." "Sag mir, wie ich mich bei dir revanchieren kann!", bat Hermine. "Ich möchte es wieder gut machen." Snape setzte sich aufs Sofa, welches direkt neben der Tür an der Wand stand. "Indem du dich mit Remus, Arthur und Minerva wieder verträgst!" Mehr sagte er nicht. "War Minerva hier? Hatte sie die glorreiche Idee, du könntest mich dazu bewegen, wieder mit ihnen zu reden?", fragte Hermine schnippisch und sprang vom Sessel auf. "Hermine, bitte setzt dich wieder! Lass uns in Ruhe darüber reden!" "Ich möchte aber nicht darüber reden, mit niemandem! Ich habe alles gesagt!", spie sie ihm wieder wütend entgegen. Eigentlich hatte sie sich soweit im Griff gehabt, dass sie ihre Wut auf die drei beherrschen konnte, aber nun, da Snape wieder anfing... "Stopp, du brauchst auf mich nicht wütend zu sein!" Hermine hatte zu tun sich wieder zu beruhigen und die Kontrolle über sich zurück zu bekommen. Sie spürte förmlich, dass ihre Wut immer stärker wurde und fast greifbar war. Aber warum? Solche Ausbrüche hatte sie sonst nicht gehabt - so schnell jedenfalls nicht. "Weshalb bist du überhaupt wütend?", stand nun auch Snape auf und ging auf Hermine zu. "Doch nicht etwa wegen dem, was am Freitag zwischen euch vorgefallen ist? Das kannst du mir nicht erzählen!" Da hatte Snape den Nagel auf den Kopf getroffen. Stumm und mit weiten Augen sah Hermine ihn an. "Ich warte, Hermine! Warum? Sag es, dann wird es dir besser gehen! Glaube mir, das hilft!" "Ich... ich bin... Ich bin auf Harry wütend! Warum hat er das getan? Warum hat er mir das angetan?" Keine Träne war zu erkennen. Es war tatsächlich die Wut auf Harry, die sie fast zerfraß. "Was fällt diesem Kerl ein? Er kann sich doch nicht hinstellen und sich für mich umbringen lassen!" Sie würde immer lauter. "ER HÄTTE... Mein Gott, warum?" Nun lösten sich doch einzelne Tränen. In erneut aufkommender Trauer sah sie Snape an. Ganz leise sagte sie: "Er wäre für mich gestorben. Ich kann es immer noch nicht begreifen. Jeden Tag überlege ich, warum und wieso. Ich versuche mir klarzumachen, dass ich ihn nicht hätte davon abhalten können, aber trotzdem... ich..." Snape nahm sie tröstend in eine Umarmung und erstickte ihre schluchzenden Worte. "Sccchhh, es wird alles wieder gut! Du wirst sehen, er ist bald wieder bei dir!" "Ich könnte mir nicht verzeihen, wenn er..." "Du könntest es aber auch nicht verhindern. Harry weiß was er macht!" Snape war nicht der Einzige, der versuchte ihr dies beizubringen. Während Snape und Hermine noch über Harry redeten und über das, was auf dem Friedhof geschehen war, saß Remus an Harrys Bett und hielt Wache. Snape hatte es irgendwie geschafft, ihm unbemerkt von Hermine eine Nachricht zukommen zu lassen, dass sie bei ihm ist und es ihr gut ginge. Remus wusste zwar, dass Hermine vernünftig bleiben würde, aber er hatte sich trotzdem Sorgen gemacht. Sie hatte keine Nachricht hinterlassen, als sie früh das Haus verließ. "Du hast da eine sehr temperamentvolle Freundin, Harry!", begann Remus mit Harry zu reden. Auch wenn er ihn wahrscheinlich nicht hören konnte - genau wusste es niemand - Remus hatte das Bedürfnis, etwas zu sagen. Das Gefühl dieser Stille war unerträglich - fast so, als würde sie einen auffressen. "Mit ihrer Sturheit steht sie dir in nichts nach!" Er lächelte leicht. "Aber du wirst das schon schaffen! Ihr beide gehört einfach zusammen..." "Oh ja, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche", machte Arthur auf sich aufmerksam. Remus hat gar nicht mitbekommen, dass jemand rein kam. "Ist er endlich wach?", fragte Arthur hoffnungsvoll, da er Remus mit Harry sprechen gehört hatte, jedoch wurde seine Hoffnung sofort wieder zerschlagen. "Nein, immer noch nicht! Aber ich finde, es wird langsam Zeit. Auch wenn Sam meint, es wäre besser für Harry, wenn er noch schlafen würde, glaube ich nicht so richtig daran. Mit jedem Tag, den er hier liegt, wird meine Angst größer, dass er nicht wieder wach wird... Natürlich braucht er Ruhe und bestimmt viel Schlaf, aber ich will ein Zeichen von ihm, dass er das hier unbeschadet übersteht. Ein kleiner Strohhalm reicht, an dem ich mich festhalten kann. Er soll aufwachen, sagen, dass es ihm gut geht, und dann kann er meinetwegen wieder schlafen!" Arthur konnte Remus gut verstehen, auch ihm gefiel dieses lange Warten nicht, jedoch sagte er: "Vertrau Sam! Remus, er würde uns nicht belügen. Wenn Harry das hier nicht überstehen würde, hätte er es gesagt. Erinnere dich daran, was er uns am ersten Tag gesagt hat!" "Ich weiß, aber es dauert alles so lange. Es geht mir auch weniger um mich - Hermine macht mir große Sorgen." Arthur nickte: "Ich hoffe nur, sie macht keine Dummheiten!" "Nein, dafür ist sie viel zu vernünftig", entgegnete Remus. Das war momentan das Einzige, worauf er sich glaubte verlassen zu können. "Komm mit runter, Remus, du musst was essen! Molly wartet auf uns." "Warum hat er das nur getan?", fragte Remus plötzlich. Sein Blick haftete an Harry. "Was?", fragte Arthur ungläubig. Was faselte der Werwolf da? "Warum? Ohne ihn wäre Hermine mit Sicherheit tot!" Er verstand nicht; wie kam Remus nur darauf? "Nein, das mein ich nicht! Warum hat er es allein getan? Wie konnte er nur so dumm sein?" "Nein, hätte er nicht, aber er wird es immer wieder tun. Die Prophezeiung besagt, dass nur er allein ihn besiegen kann. Er wird immer wieder versuchen uns da raus zu halten, egal zu welchem Preis. Das hat er uns selbst gesagt und auch schon mehrmals bewiesen." Beide wurden in ihrer Unterhaltung unterbrochen. Harry fing an sich zu bewegen. Es waren nur winzige Bewegungen, aber man sah sie. Er wurde immer unruhiger und begann leicht zu zittern. Mit seinen Händen nestelte er an der Bettdecke, während er leise etwas murmelte. Was, das konnten sie leider nur schlecht verstehen, es war noch zu undeutlich. Harry bewegte seinen Kopf leicht hin und her. "Nein, nein!", konnte man jetzt verstehen. "Er hat Angst!", sprang Remus auf und kniete sich ans Bett. "Harry, ganz ruhig, wach auf!", flüsterte er. "Es ist alles gut, du bist in Sicherheit." Seine Worte schienen nicht bei Harry anzukommen. "Harry, es ist vorbei!", versuchte Arthur es, doch auch hier keine Reaktion auf das Gesagte. Remus nahm Harrys Hand und versucht ihm zu zeigen, dass er nicht allein war. "Harry, ich bin es, Remus!" Ein paar Mal wiederholte er den Satz, bis Harry endlich seine Augen öffnete. Zwar nur einen Spalt, aber er war wach. "Harry, kannst du mich sehen?", fragte er wieder. Ängstlich huschten Harrys Augen unter den halb geöffneten Lidern hin und her. Sie schienen etwas zu suchen. "Harry, hörst du uns?", fragte nun Arthur, der auch dichter ans Bett kam. Ganz leise, kaum zu verstehen, kam ein "He... Hem..." von Harry. Dann wieder nichts. Lautlos bewegten sich seine Lippen. Remus und Arthur verstanden nicht, was Harry von ihnen wollte. "Ich hole, Sam!", rief Arthur und rannte los. Immer wieder versuchte Harry etwas zu sagen, doch kamen nur nicht zu verstehende Laute heraus. Da ihn niemand verstand, wurde er noch unruhiger. Der Heiler kam gefolgt von Arthur ins Zimmer gestürmt. "Was ist passiert? Warum ist er schon wach?" Remus erzählte ihm, was geschehen war, wobei der Heiler seinen Kopf schüttelte. Glaubte er ihm etwa nicht? "Was, warum?", fragte Remus ärgerlich. "Harry ist wach, was ist daran falsch? Darauf haben wir doch gewartet, oder nicht?" "Nein, Remus, er sollte nicht wach werden - noch nicht jedenfalls. Er braucht den Schlaf. In ein, zwei Wochen hätte es sicherlich anders ausgesehen, aber jetzt ist es noch viel zu früh. Ich habe doch mit euch darüber geredet. Was habt ihr getan, dass er wach und so unruhig ist?" Auch Dr. Bright klang verärgert. Hatte er doch geglaubt, verstanden worden zu sein. "Nichts!", antwortete Arthur wahrheitsgetreu. "Er fing von ganz allein an, sich zu bewegen. Wir haben nichts getan, gar nichts." Warum versuchte Arthur sich zu entschuldigen? Harry fing an zu husten und verschluckte sich. "Ganz ruhig, Mr Potter, Sie werden gleich wieder schlafen!" Von weitem hörten sie Phönixgesänge; es klang fast wie Klagegesänge. "Sam, etwas stimmt nicht, er..." "Ja, da hast du Recht, Remus. Er dürfte noch nicht wach sein, das stimmt hier nicht! Hört ihr das? Sein Phönix spürt das auch", entgegnete der Heiler trotzig. "Nein, er hat Angst, er will uns etwas sagen!", rief Remus und versuchte wieder Harry zu beruhigen. Nell stürmte ins Zimmer: "Was ist passiert, Dad? Was habt ihr mit ihm gemacht?", fragte nun auch sie Remus und Arthur. "Nichts verdammt noch mal!", schrie Remus diesmal. Erschrocken über Remus' Lautstärke ging sie zu ihrem Vater. "Was machen wir jetzt?" "Er muss wieder schlafen! Hol bitte den stärksten Schlaftrank, den wir haben - beeil dich!" Kaum hatte er dies ausgesprochen, stand sie auch schon wieder neben ihrem Vater. "Er muss das trinken, Nell! Ich halte seinen Kopf und du gibst ihm den Trank!" "Nein", kam es auf einmal deutlich von Harry. Also konnte er sie verstehen. "He... Her... W... Wo... Wo ist..." Er brachte nur Silben hervor, und die auch nur brüchig. Er schaffte es einfach nicht. "Wo ist wer?", fragte Nell und beugte sich vor, damit sie ihn besser verstehen konnte. Er sah sie nicht an. "Herm... Hermi..." Wieder verschluckte er sich. "Es hört sich an wie Hermine. Ja, er möchte wissen, wo Hermine ist!", sagte sie. "Genau das ist es, er sucht Hermine." Ganz dicht an Harrys Kopf sagte sie: "Es geht ihr gut, sie ist in Sicherheit! Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Bitte nimm diesen Trank, damit es dir besser geht und du wieder schlafen kannst. Du brauchst dringend Ruhe!" Harry schüttelte nur seinen Kopf. "Herm..." Er schaffte es einfach nicht, ihren Namen auszusprechen. Er stammelte erschöpft irgendwelche Silben vor sich her. "Wo ist sie?", fragte schließlich der Heiler. "Bei Professor Snape in Hogwarts." "Wie schnell kann sie hier sein? Er muss dringend wieder zu Ruhe kommen, sonst war all die Arbeit umsonst und wir verlieren ihn doch noch! Er wird immer schwächer!" Er hatte Recht, Harrys Atem wurde immer schneller und flacher. "Ich hole sie; wir sind in spätestens zehn Minuten wieder zurück!" "Fünf, Arthur, danach gebe ich ihm den Trank, egal ob ihr zurück seid oder nicht!" Arthur Weasley nickte und verschwand hinaus auf den Flur. Er lief zum Kamin in der Küche, warf Flohpulver ins Feuer, sagte: "Hogwarts - Büro von Professor Snape!" und streckte seinen Kopf hinein. Nur wenige Sekunden später rief er: "Hermine, Harry! Komm schnell!" Kaum hatte er seinen Kopf zurückgezogen, trat Hermine auch schon aus dem Kamin gefolgt von Snape. "Severus!", begrüßte Arthur ihn. "Was ist mit Harry? Was ist passiert?", fragte Hermine aufgeregt. "Komm schnell, wir haben keine Zeit!" Ohne weiter etwas zu sagen, zog er sie mit sich. Mit rasendem Herzen und Angst, die ihr die Kehle zuschnürte, rannte sie gezogen von Arthur die Treppe hoch in Harrys Zimmer. Nell nahm sie in empfang und führte sie an Harrys Bett. Unsicher, was sie tun sollte, stand sie neben ihm. Erst als sie ihren Namen hörte, realisierte sie, dass er wach war. "Harry!", kniete sie sich neben sein Bett und nahm seine zitternde Hand. "Harry, ich bin bei dir!", sagte sie und küsste seine Hand und anschließend seine Stirn. Ein furchtbar klägliches und krächzendes "Hermine" kam über seine Lippen. "Ja, Harry, ich bin hier. Es ist alles in Ordnung, du brauchst keine Angst zu haben! Bleib ganz ruhig, alles wird wieder gut!" Der Heiler reichte ihr einen Becher: "Er muss das trinken, damit er weiterschläft!" "Aber..." Warum schlafen? Das war es doch was sie alle wollten - Harry war wach. Warum also sollte er wieder einschlafen? "Er muss schlafen, er erschöpft sich zu sehr. Wir verlieren ihn, wenn er nicht zur Ruhe kommt." "Harry, hörst du mich?", fragte Hermine traurig. "Du musst das trinken!", versuchte sie ihm mit brüchiger Stimme beizubringen. Wieder schüttelte Harry seinen Kopf. Schütteln ist gut gesagt - er versuchte es so gut es ging. Er wollte einfach nicht mehr schlafen. "Bitte, Harry, tu' es für mich! Ich möchte, dass du mich in einer Woche in den Arm nimmst und mir sagst, dass du mich liebst!" Wieder wollte Harry etwas sagen, doch sie hielt ihn davon ab. "Nicht, Harry! Das kannst du nur, wenn du jetzt den Trank nimmst. Bitte!", flehte sie ihn an. Es dauerte eine Weile, bis ein kaum merkliches Nicken von ihm kam. "Danke", hauchte sie und gab ihm einen liebevollen Kuss. Vorsichtig nahm Hermine Harrys Kopf hoch und setzte mit der anderen Hand den Becher an seine Lippen. "Trink!", bat sie. Er nahm einen Schluck, doch schluckte er nicht alles. Das Meiste lief ihm wieder aus seinen Mundwickeln und versicherte in seinen Haaren und im Kopfkissen. "Ganz langsam, es passiert dir nichts. Ich bleibe bei dir, versprochen!" Ein zweites Mal kippte sie den Becher. Diesmal klappte es besser. Ganz langsam, Schluck für Schluck leerte er den Becher. "Schlaf, Harry, mach die Augen zu und ruh dich aus! Ich bin hier, wenn du wieder aufwachst." Harry wandte den Blick nicht mehr von seiner Hermine ab. Er wurde zwar ruhiger und atmete auch langsamer, jedoch wollten seine Augen noch immer nicht zu fallen. Angestrengt versuchte er sie offen zu halten. Hermine nahm wieder seine Hand und führte diese an ihre Wange. Langsam wurden ihm seine Augenlider doch zu schwer. Immer wieder flackerten sie, bis sie zufielen. Doch dauerte es nur Sekunden, bis sie wieder offen standen. Nach zehnminütigem Kampf mit der Müdigkeit gab Harry schließlich auf. Noch einen letzten Blick in Hermines braune Augen und seine fielen endgültig zu. Er merkt nicht mehr, wie Hermines Tränen seine Hand befeuchteten. Sie sah zum Heiler und deutete auf die Phiole in dessen Hand. "Darf ich?", fragte sie ihn. Der Heiler verneinte dies - "Den nicht!" - und holte eine Phiole mit andersfarbigem Inhalt aus seiner Tasche hervor. Ohne auf die anderen im Zimmer zu achten, vergrößerte Hermine stablos Harrys Bett, nahm die Phiole aus der Hand des Heilers und legte sich neben ihren Verlobten. Mit einem Zug leerte sie die kleine Flasche. Hermine war eingeschlafen, bevor ihr Kopf das Kissen berührte. Mit offenen Mündern starrten die übrigen auf Hermine und Harry. Nur Snape hatte sich einigermaßen im Griff. Er nahm die zweite Decke vom Fußende und deckte Hermine mit den Worten "Schlaft gut!" zu. "Das geht nicht gut aus!", drehte Snape sich zu Remus und Arthur um. "Was? Wie meinst du das? Warum redest du so?" Arthur schüttelte verständnislos den Kopf. "Die beiden würden alles für einander tun. Ohne zu zögern, würden sie für einander in den Tod gehen. Meine Befürchtung ist, dass wenn Harry sterben sollte Hermine ihm folgen wird - und umgekehrt genauso." Da niemand darauf etwas erwiderte, sagte Snape: "Ich habe mich vorhin mit Hermine über Harry unterhalten - solch eine Gänsehaut hatte ich noch nie. Jedes Wort von ihr war ernst gemeint. Der letzte Satz war: ,Ich werde nicht ohne Harry leben!' Ihr hätte sie mal hören müssen!" "Nein, ich glaube nicht, dass Hermine so dumm ist!", rüttelte Arthur die Anwesenden wieder wach. "Dumm?", fragte Remus dazwischen. "Nein, Arthur, dass ist keine Dummheit, das ist Liebe!" "Liebe hin oder her! Wie fertig muss ein Mensch sein, um Selbstmord begehen zu können?", mischte sich der Heiler wieder ein. "Dad, wenn du wüsstest, was die beiden im letzen Jahr durchgemacht haben... Charlie hat mir alles erzählt." "Noch inniger wird die Verbindung der beiden, wenn sie verheiratet sind. Wenn sie dann... Eigentlich sollte man diese Hochzeit verhindern." "Hör auf damit, Severus!", rief Remus. "Keiner der beiden darf und wird sterben, dafür werden wir sorgen! Und Harry und Hermine werden heiraten..." Es klopfte an der Tür und eine aufgewühlte Tonks stürmte ins Zimmer: "Fudge - der tickt jetzt völlig aus!" _____________________________________________________________________________ Schreibt mir eure Meinung!!! Bis denn dann, bepa! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)