Guten Feinden gibt man(n) ein Küsschen von Azra ================================================================================ Kapitel 1: Mehr oder weniger idyllisch -------------------------------------- Disclaimer: Alles meins, ich besitze die Rechte- und wer das jetzt geglaubt hat, ist selber Schuld *zwinka*. Vorwort: Ach ja, da hat es mich doch schon wieder gepackt, eine neue Idee. Eine der Sorte, die sich nicht mehr verscheuchen lässt. Eines vorweg: Diese Geschichte dient allein und ausschließlich der Unterhaltung, soll den einen oder anderen zum Lachen bringen und hat gar nicht den Anspruch, nachdenklich zu stimmen. Ich werde mich auch nicht scheuen, das ein oder andere Klischee zu bedienen. Wer solche "leichte Kost" nicht mag, ist leider falsch beraten. Allen anderen wünsche ich viel Spaß! Guten Feinden gibt man(n) ein Küsschen 1. Mehr oder weniger idyllisch "Ah, nicht... das tut weh!" Blaue Augen blitzten mich an. "Jetzt hab dich nicht so." Ich verzog das Gesicht. , Hab dich nicht so', das sagte sich natürlich einfach. ER hatte ja keine Schmerzen. Wütend entzog ich mich seinem Griff. "Seit wann verstehst du eigentlich was von Medizin, du Hobbyarzt?" "Seit du zu dusslig zum Laufen bist", kam es prompt zurück. Ich hätte wissen müssen, dass es ein Fiasko werden würde, aber nein, ich konnte meine große Klappe wieder einmal nicht halten. Warum auch? Ich hatte ja nicht schon genug Schwierigkeiten, da konnte ich mich auch noch verirren. Und wo ich schon dabei war, mich so richtig in die Misere zu reiten, machte ich das natürlich am besten in Gesellschaft von Seto Kaiba. Anerkannter Erzfeind meinerseits und der wohl unangenehmste Mensch, den unser Jahrgang zu bieten hatte. Bravo Joey, das hast du wieder wunderbar hinbekommen. Dafür hätte ich einen Preis verdient... wahlweise auch eine Kopfnuss. "Ich will dir doch nur helfen." Er streckte eine Hand nach meinem Fuß aus. "Ja, so siehst du aus. Dir macht es doch Spaß, mich zu quälen." Ich zog beide Beine an und umklammerte mit den Händen meinen lädierten Knöchel. Der war bestimmt ausgekugelt, wenn nicht gar gebrochen und davon brachte mich nichts und niemand auf dieser Welt ab, auch wenn der selbsternannte Doktor anderer Meinung war. "Quatsch "gebrochen", du bist einfach nur über deine Quadratlatschen gestolpert und hast ihn dir vertreten", hatte seine Diagnose gelautet. Blöder Idiot! Der konnte einem wirklich nichts gönnen, noch nicht einmal den Schmerz. Bitte, ich trat meinen gerne an ihn ab! Wie ich überhaupt zu der Ehre- eine zweifelhafte Ehre, wenn man mich fragte, doch das tat natürlich niemand- kam, in seiner Begleitung kreuz und quer durch die Pampa zu irren? Das war eine geniale Idee von meinem angeblich besten Freund gewesen. Woher hätte ich auch wissen sollen, dass dieses kleine Aas auch den jungen Firmenleiter einlud? Yugi hatte ein zu gutes Herz, das würde sich eines Tages noch ganz bitterlich rächen, spätestens, wenn er mir das nächste Mal zwischen die Finger kam! Ich hätte jetzt gemütlich in meinem Bett liegen und die Klassenfahrt genießen können, aber nein, meine Freunde mussten den wahnsinnig tollen Vorschlag unterbreiten, die Gegend zu erkunden. Okay, ich gebe zu, anfangs dachte ich noch nicht ganz so schlecht davon, aber als klar wurde, wer uns noch mit seiner Anwesenheit beglücken wollte, war mir ziemlich schnell bewusst, dass ein Desaster im Anmarsch war und zwar mit gewaltigen Schritten. Doch als mich diese Erkenntnis traf, saß ich bereits in dem kleinen, lauten Zug und rumpelte durch die Heide. "Endstation" verkündete ein altes, rostiges Schildchen am Bahnhof und wir wagemutigen Entdecker brachen auf in Welten, die kein Teenager vor uns betreten hatte. "Ist das nicht idyllisch hier?" flötete Thea und hakte sich bei Duke unter. Wie mir dieses liebeskranke Geseiere auf den Senkel ging. Ja, ja, ja, ich gebe es ja schon zu, ich war eifersüchtig. Warum hatte ich keine Freundin? Und warum waren alle Mädchen bloß so... so... na, so kompliziert halt? Manchmal bestreite ich alle rassenbedingte Verwandtschaft mit diesen Wesen! Das ist bestimmt eine eigene Gattung und sie entzieht sich meinem Fassungsvermögen. Jungen ticken viel einfacher... na gut, bis auf DEN DA. Mein Blick glitt unauffällig zu Kaiba, der immer noch vor mir hockte und es sich anscheinend in den Kopf gesetzt hatte, mich als Versuchskaninchen für seine medizinischen Kenntnisse zu missbrauchen. Ein Vorhaben, das ihm zu gelingen schien. Ich, beschäftigt mit meinen Gedanken, war einen Augenblick unaufmerksam gewesen und plötzlich spürte ich wieder diesen schraubstockartigen Griff um meinen Fuß. "Wehe dir, wenn du... AUA!" Weiterer Protest ging in einem schrillen Schmerzensschrei unter. Es knackte, meine Nerven schienen in flüssiges Eisen getaucht zu sein. Vor meinen Augen explodierte ein roter Nebel und einen Moment glaubte ich ernstlich ohnmächtig zu werden. Doch so gnädig war das Schicksal selbstverständlich nicht. "Das hätten wir, Mensch, bin ich gut." Er klopfte sich die Hände ab, als hätte er in etwas Schmutziges gefasst. Arrogantes Arschloch! Normalerweise hätte ich ihn ganz schnell von seinem hohen Ross herunter geholt, doch ich war zu sehr damit beschäftig, mir die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen, ohne dass er es mitbekam. Er merkte es, wie konnte es auch anders sein, trotzdem. Aber anstatt ein bisschen Mitgefühl zu zeigen, schnaubte er bloß verächtlich. "Jetzt fang nicht auch noch an zu heulen, Wheeler. Könntest dich ruhig mal bedanken." Oh dieser... dieser versnobte, egozentrische, eingebildete... Gebt mir eine Keule und ich ramme ihn ungespitzt in den Boden! Im Moment hielt mich jedoch mein Knöchel von größeren Racheakten ab. Ein dumpfes Pulsieren war der unfassbaren Qual gefolgt. Lästig, doch erträglich. "So, du hast genug untätig herumgesessen, ich wäre gern noch vor Anbruch der Dunkelheit wieder in der Jugendherberge." Als ob ich freiwillig auf dem harten Boden sitzen würde. "Entschuldige, mit gebrochenem Knöchel läuft es sich eben etwas schwieriger", fauchte ich und rappelte mich gleichzeitig hoch. Er verdrehte die Augen. "Der war nicht gebrochen." "Nicht? Dann ist er es jetzt, nach deinen "Heilkünsten"!" "Red keinen Schwachsinn, du kannst stehen, oder?" Überrascht hielt ich inne und schaute an mir herunter. Er hatte Recht, ich stand. Noch ein bisschen wacklig, aber immerhin. "Bild dir bloß nichts darauf ein!" Wütend wand ich mich ab und stiefelte wahllos davon. Er folgte mir nicht sofort, aber wenn es etwas gab, das ätzender war, als in seiner Begleitung durch diese, wie Thea sie betitelt hatte, "idyllische" und gottverlassene Gegend zu latschen, dann war es, das allein zu tun. Ungeduldig drehte ich mich zu ihm um. "Was ist? Bist du festgewachsen?" Er zögerte, schien sich zu fragen, ob er darauf eine blöde Antwort geben sollte, dann kam er mir ein paar Schritte entgegen. "Woher weißt du, dass wir da lang müssen?" "Weiß ich nicht", zischte ich, "aber es ist so gut wie jede andere Richtung." "Die Erde ist ja rund, wenn dein Orientierungssinn genauso stark ausgeprägt ist, wie deine Fähigkeit zum Laufen, kommen wir ja irgendwann wieder hier vorbei", der Sarkasmus troff ihm geradezu von den Lippen. "Du brauchst mir nicht hinterher zu kommen." Insgeheim hoffte ich jedoch, dass er es trotzdem tat. Und selbst Kaiba schien es unheimlich zu sein, einsam den Weg zurück zu suchen. "Irgendjemand muss ja auf dich aufpassen, wenn du selber zu dämlich dazu bist." Eine lahme Rechtfertigung und das war ihm wohl auch bewusst, denn seinen Worten fehlte der Biss. Wir beließen es dabei. "Und du bist dir sicher, dass wir hier durch müssen?" fragte ich zwei Stunden später zweifelnd. Die sanft geschwungenen Hügel waren einem dichten Wald gewichen. Dutzend Meter über uns schaukelten die mächtigen Kronen uralter Bäume im Wind, der jedoch zu schwach war, um bis zu uns an den Boden vorzudringen. "Du bist dir wirklich SICHER, dass das der richtige Weg ist?" hakte ich nach, als ich keine Antwort erhielt. Er blieb so ruchartig stehen, dass ich beinahe in ihn hineingerannt wäre. "Nerv mich nicht, Wheeler! Ich habe nicht einen verdammten, blassen Schimmer, wo wir sind, zufrieden?" Eine steile Falte hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet, auf den sonst so leichenblassen Wangen befand sich sogar ein bisschen Farbe. Ob die vom Schreien oder vom vielen Hin- und- Herwandern kam, wusste ich allerdings nicht. "Nein, ganz und gar nicht", gab ich patzig zurück, "ICH wollte nicht hierein. Lass uns lieber im offenen Gelände bleiben, sag ich noch aber nein, der Herr wusste es natürlich besser! Was, wenn es hier wilde Tiere gibt, hm?" "Unfug", doch es kam nicht halb so überzeugend rüber, wie ich mir das gewünscht hätte. "Wenn wir einem Wolf begegnen, sag ich ihm, er soll dich zuerst fressen." "Eher dich, du bist süßer." ... Was? Was. War. DAS?? Kaiba, DER Kaiba, machte mir ein Kompliment? Obwohl es für einen Jungen nicht wirklich schmeichelhaft war, "süß" zu sein, aber immerhin, es war ein Kompliment. "Schade, dass ich keine Kamera dabei habe", meinte er plötzlich. "Hm?" entgegnete ich sehr intelligent. Ein gemeines Grinsen verzerrte seine Mundwinkel unnatürlich. "So ein blödes Gesicht machst du selten." "Idiot", knurrte ich halbherzig, noch zu sehr mit dem "süß" beschäftigt. Das muss man sich mal vorstellen. Ich? Süß? Und von wem bekomme ich das zu hören? Nein, nicht etwa von einem niedlichen Mädel, von KAIBA! Grausame Welt! Ein kleiner Vogel lenkte meine Aufmerksamkeit von diesem brisanten Thema auf ein noch wichtigeres. Als er mit einem schrillen Schiepen in den Himmel flog, fiel mein Blick auf dessen verdächtig rötliche Färbung, einfacher ausgedrückt: Die Sonne ging unter. Das durfte ja wohl nicht wahr sein! Ich wollte die Nacht nicht in diesem unheimlichen Dickicht verbringen, egal, ob es hier Wölfe gab oder nicht! Mami! Ich mag nicht! "Was starrst du Löcher in die Luft?" wurde ich zum x-ten Mal von der Seite angefahren. "Die Sonne geht unter." Er brauchte eine Weile, bis ihm die Konsequenz meiner Worte bewusst wurde, dann vernahm ich etwas, von dem ich nicht geglaubt hätte, es jemals zu hören: Kaiba fluchte. Leise und wahrscheinlich war es auch nur für seine Ohren bestimmt gewesen, doch er fluchte. Als er meinen entgeisterten Blick bemerkte, räusperte er sich vernehmlich und meinte mit gespielter Gelassenheit: "Dann müssen wir uns eben ein gemütliches Plätzchen für die Nacht suchen. Ich wollte schon immer unter freiem Himmel schlafen." Das hielt ich für eine glatte Lüge. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er jemals den Wunsch gehegt hatte, das sichere Obdach seiner Villa gegen einen gruseligen Wald einzutauschen. "Was redest du da, wir werden doch wohl noch vor Einbruch der Dunkelheit das Heim wieder gefunden haben, oder?" Er schaute mich nur komisch und beinahe bedrückt an, antwortete aber nicht. "Oder?!" Meine Stimme hatte einen fast flehenden Ton angenommen. "Jetzt mach dir mal nicht in die Hose, könnte schlimmer kommen." "Wie denn?" ich war laut geworden, ohne es eigentlich zu wollen. Allerdings bot er ein hervorragendes Ventil für meine angestauten Aggressionen. "Ich habe mich verlaufen, ich werde die Nacht in einem beschissenen, dunklen Wald verbringen müssen und als wäre das alles nicht schon fürchterlich genug, das alles auch noch mit DIR! Ausgerechnet, was habe ich verbrochen, dass ich mit so einem Egomanen bestraft werde?!" Seine hellen Augen verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen. Bildete ich mir das ein, oder war er verletzt? "Fühlst du dich jetzt besser, Köter?" Eine wirkliche Frage, er erwartete eine Antwort. Ich blieb sie ihm schuldig, denn plötzlich fühlte ich mich schlecht, als hätte ich etwas Unrechtes getan. Dabei war das gar nicht der Fall. DER kannte keine Gefühle, DEN konnte man nicht treffen... oder doch? War vielleicht sogar ein Eisblock empfindlich, wenn man nur an der richtigen Stelle rührte? "Ich hab dich was gefragt!" seine Stimme bebete vor Wut. So kannte ich ihn ja gar nicht, so emotional. "Wenn du es unbedingt wissen willst, nein, ich fühle mich nicht besser!" Wie zwei Raubtiere standen wir uns gegenüber, jederzeit bereit, auf den anderen loszugehen. Kaiba atmete einmal tief ein, gezwungen langsam wieder aus und entspannte sich schließlich. "Wir sollten uns etwas zum Übernachten suchen", wiederholte er und wechselte damit das Thema. Ein knappes Nicken meinerseits. Bis zum Sonnenuntergang streiften wir ziellos umher, hielten nach einer Höhle oder Ähnlichem Ausschau, wurden aber nicht fündig. Was vielleicht auch ganz gut war, denn ich hätte mich geweigert, in die mögliche Behausung eines Bären einzudringen. Erwähnte ich schon, dass ich am Leben hänge? Nicht? Also schön, ich hänge an meinem Leben! "Wie wäre es damit?" Ich deutete auf eine Gruppe dicker Stämme, die im Halbkreis standen. Zwischen ihnen gab es nur wenig Platz, gerade genug für ein Kind, aber das Licht schwand immer schneller und alles war inzwischen besser, als der blanke Boden ohne jeglichen Schutz. Kaiba grummelte unwillig, entsprach wohl nicht so ganz den Erwartungen des Meisters, kam mir allerdings hinterher. Umständlich kletterte ich in die kleine Mulde und versuchte in der fahlen Dämmerung etwaige Krabbler auszumachen. Ich entdecke keine, war mir allerdings recht sicher, dass es welche gab. Aber na ja, was sollte ich tun? "Rück mal 'n Stück." Bevor ich protestieren konnte, quetschte er sich neben mich. Ich ächzte. "Nimm deinen Ellenbogen aus meinen Rippen!" Nachwort: Da ist es nun, das erste Kapitel und ganz ohne Cliffi *selbst ganz baff ist*. Das Teil ist gebetat, also alle Beschwerden an meine Beta *alle Schuld von sich weist*. Allein für den seltsamen Kontext... dafür bin ich wohl allein verantwortlich *hust*. Die unglücklichen (für den Leser und mich natürlich eher positiven) Umstände, unter denen Seto und Joey die anderen verloren haben, werden im nächsten Kapitel näher erläutert. Kapitel 2: Ungeküsst? --------------------- Vorwort: Ich weiß, das hat ein bisschen gedauert, verzeiht ihr mir? *glubschi* UNGEKÜSST? "Mach dich nicht so breit." "Entschuldigung! Soll ich mich vielleicht in Luft auflösen?" "Wäre doch mal ein Anfang." Er grinste mich unverschämt an. Ich grummelte ein paar Beschimpfungen in meinen nicht vorhandenen Bart und drückte mich so fest gegen die raue Borke, dass meine Schulter schmerzte. Das hatte ich nun von meinem losen Mundwerk, denn diesem allein hatte ich es überhaupt erst danken, dass die anderen plötzlich verschwunden waren. Wann genau wir sie aus den Augen verloren, konnte ich nicht mehr sagen, ich war zu sehr damit beschäftigt, mich mit Kaiba zu streiten. Ein vollkommen sinnloses Unterfangen, das hätte mir klar sein müssen, aber die Macht der Gewohnheit war stärker als ich. Wahrscheinlich war es wieder eine Belanglosigkeit, die uns gegeneinander aufstachelte. Ein blödes Kommentar von ihm, ein falscher Blick von mir, irrelevantes Zeug, das sich hervorragend aufblasen lies, bis es nichts Wichtigeres mehr gab. Und dann, ja dann waren meine Freunde plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Zurück blieben Mister Ich-bin-zu-cool-für-diese-Welt und Meinereiner. "Hey, Köter, wo ist denn dein Kindergarten?" Schon für seinen verächtlichen Tonfall hätte ich ihn würgen können, sah ja gerade niemand zu. "Vielleicht ist ihnen die viele heiße Luft, die du fabrizierst, nicht bekommen", gab ich unfreundlich zurück. "Wärst du nicht so traurig, wäre es zum Lachen. Aber ernsthaft, wo sind die?" Suchend schaute ich mich um, zuckte ratlos mit den Schultern. "Müssen wohl einen anderen Weg genommen haben." Unentschlossen standen wir da und starrten Löcher in Theas "idyllische" Landschaft. "Weit können die noch nicht sein, haben ja den Zwerg dabei." Damit spielte er vermutlich auf Yugi an. Also SO ja nun nicht! Vor meinen Augen... pardon, meinen Ohren meinen besten Freund zu beleidigen, da hörte es ja auf! "Nimm das zurück!" Irritiert und sich offenbar keiner Schuld bewusst, zog er eine Augenbraue hoch. "Bitte?" "Ich sagte: Nimm das zurück!" Demonstrativ machte ich einen Schritt auf ihn zu. Kaiba stieß mit einem leisen Zischen die Luft zwischen den Zähnen hervor, wie eine Schlange. "Da kriegt man ja richtig Angst, Köterchen." "Die sollest du auch haben", knurrte ich. "Ach? Bekomme ich Tollwut, wenn du mich beißt oder sollen deine Flöhe diese Arbeit erledigen?" Er verschränkte die Arme vor der Brust und kam sich anscheinend unheimlich toll vor. Das würde ich ihm schon noch austreiben! Mit einem Schrei der Empörung stürzte ich mich auf ihn und... hatte meine Rechnung ohne den kleinen Erdhügel gemacht. Vom eigenen Schwung getragen torkelte ich zwei hilflose Schritte in seine Richtung, dann streckte ein herumliegender Stein mich endgültig zu Boden, wo ich dann auch vorerst blieb. Mein linker Fuß schmerzte wie die Hölle. Mit fest aufeinander gebissenen Zähnen krempelte ich mein Hosenbein hoch und begutachtete den Schaden. Nichts zu erkennen, doch was ich nicht sah, das spürte ich umso deutlicher. Ein Stechen und Reißen, es war nicht mehr feierlich. "Das ist tragisch, sogar zum Laufen bist du zu dämlich", kam es von irgendwo über mir. "Halt einfach deine Klappe, ja?" brachte ich unter Aufbietung aller Willenskräfte hervor. Er musste ja nicht unbedingt merken, wie dreckig es mir ging. So vergingen einige Minuten, in denen ich mit den Fingerspitzen meinen Knöchel abtastete. Auf einmal schob sich ein brauner Schopf in mein Blickfeld und blasse Hände griffen nach meinem Schuh. Ehe ich widersprechen konnte, lag er neben mir auf der Erde. "Nimm deine Flossen da weg, ich kann nichts sehen", forderte er mich barsch auf. "Einen Teufel werde ich tun." Mit meinem gesunden Bein trat ich ihm in die Seite. Unter einem Keuchen, das wohl eher von Überraschung, denn von Schmerz rührte, kippte er nach hinten und landete samt seinem weißen Mantel auf der grasgrünen Wiese. "Bist du bescheuert?" schimpfte er los, nachdem er den herrlich grünen Fleckenzwerg auf dem guten Stück entdeckt hatte. "Die Reinigung kannst du bezahlen." Trotz meiner unbeschreiblichen Qual musste ich grinsen. "Gerne, du wirst nur die nächsten drei bis vier Jahre auf das Teil", ich deutete auf den Mantel, "warten müssen, vorher werde ich mir das nämlich kaum leisten können." Einen Augenblick schien es, als wollte er mich bedauern, dann kehrte der gewohnt blasierte Zug auf sein Gesicht zurück. "Ein Grund mehr, aufzupassen, was du beschädigst." "Ich bin untröstlich." Zwei blaue Augen spießten mich auf, doch er verkniff sich weitere, blöde Sprüche. "Zieh das stinkende Ding da aus!" sein Finger deutete auf meinen Socken. Widerwillig leistete ich der Aufforderung Folge. Hätte man mich gefragt, wie ich dazu kam, ich hätte es nicht sagen können, doch irgendwie erschien es mir albern, mich mit ihm um einen gebrochenen Knöchel zu streiten. Nicht, dass unsere sonstigen Streiterein sinnvoller gewesen wäre, mir war nur gerade nicht danach. Vermutlich hatte der Schmerz mein Hirn vollkommen vernebelt. "So, Herr Doktor, was nun?" Er hockte sich vor mich. Diese Position hatte durchaus etwas für sich, denn so war es endlich einmal ich, der auf ihn hinab sah. Daran könnte ich mich glatt gewöhnen. Ein eisenharter Griff riss mich im nächsten Augenblick aus meinen Gedanken. "Der ist ja noch nicht einmal verstaucht." Dass er mein Leid derartig herunterspielte, passte mir nun gar nicht. "Nein, der ist gebrochen!" Er tippte sich nur an die Stirn. "Bei dir ist auch so einige gebrochen, höchstens vertreten, mehr nicht." Mehr nicht, als ob das hier ein Spaziergang wäre. "Halt still, das könnte ein bisschen wehtun", wurde ich gleich darauf belehrt. Ohne mir Zeit zu geben, die Worte zu verarbeiten, zog er so heftig an meinem armen Bein, dass mir schlecht wurde. "Ah, nicht... das tut weh!" Na ja, und den Rest kennt ihr. Dunkelheit umschloss uns. Wie ein dicker, alter Mantel senkte sie sich über den Wald, erstickte alle Farben, was meine Ohren dazu brachte, nur noch genauer hinzuhören. Rascheln, Knistern, Fiepen und Knurren. Knurren?! "Sag mir, dass das dein Magen war", raunte ich Kaiba zu. "War er nicht, obwohl das gut möglich wäre, ich habe Hunger", kam es zurück und das in einem derart beleidigten Ton, als wartete er auf ein Dreigängemenü, das einfach nicht eintreffen wollte. "Wart mal ne Sekunde." Umständlich befreite ich meinen linken Arm und begann in meinen Taschen herumzuwühlen. Meine Ausbeute konnte sich sehen lassen, oder auch nicht. Du lieber Himmel, was schleppte ich nur alles mit mir herum? Ich beförderte zwei Kaugummis, einen alten Schokoladenriegel, ein Stückchen Garn, zwei Knöpfe, ein paar Yen, Einkaufszettel und sonstigen Plunder ans Tages... na ja, ich hielt die in beiden Händen, denn von Licht konnte keine Rede sein. Allerdings schienen meine Augen sich entweder an das Zappenduster zu gewöhnen, oder der Mond war im Anmarsch, zumindest konnte ich Kaiba als Schatten neben mir ausmachen. Beinahe noch umständlicher versenkte ich den Krempel wieder in den Tiefen meiner Jacke und behielt einzig den Riegel und die Kaugummis draußen. Jetzt, wo er einmal damit angefangen hatte, fiel mir auch ein, dass meine letzte Mahlzeit bereits eine geraume Weile zurücklag. Ich hatte jetzt zwei Möglichkeiten, entweder, ich war ein Schwein und aß alles allein, oder aber, ich teilte meine kargen Vorräte mit meinem Feind, was unweigerlich dazu führen würde, dass wenige für mich blieb. Säße ich hier mit einem anderen als Seto Kaiba, wäre das überhaupt keine Frage gewesen und ich hätte mich ohne zu zögern für die zweite Variante entschieden, doch mein kostbares "Essen" an ihn zu verschwenden, das bedurfte einer gründlichen Überlegung. Schließlich siegte meine Menschlichkeit und das schlechte Gewissen. Ich würde keinen Bissen genießen können, wenn ich wusste, dass er auch Hunger hatte und ich ihm nichts abgab. Wir mochten uns vielleicht nicht, aber so gemein war ich dann doch nicht, obwohl ich nicht daran zweifelte, dass er nicht das Gleiche für mich getan hätte, Egoist, der er war. Das Papier knisterte, als ich es aufriss. "Was zum Teufel tust du da, Wheeler?" wurde ich sofort von der Seite angefahren. "Sei mal ein bisschen netter zu mir, ich teile soeben meinen einzigen Schokoriegel mit dir." Ein Moment der Stille, dann sehr melodramatisch und völlig überzogen: "Du bist so gut zu mir, womit habe ich das nur verdient?" Das fragte ich mich allerdings auch. "Da." Ich hielt ihm den zerbrochenen Riegel entgegen. Die Teile waren nicht gleichgroß, weil ich kein Messer zur Hand hatte, doch ich hoffte stark, dass er genügend Anstand besaß, sich das kleine Stück auszusuchen, immerhin gehörte die Süßigkeit mir und ich war auch noch höflich genug, ihm beide Teile anzubieten. Jeder normale Mensch musste jetzt einfach das kleinere nehmen. Nicht so Seto Kaiba. Ohne das geringste Zeichen von Reue griff er nach dem Größeren. Soviel Dreistigkeit plättete mich erst mal und bevor ich protestieren konnte, verschwand es in seinem Mund. Wie unverfohren durfte man eigentlich sein? Kauen, Schlucken. "Bäh, das ist ja widerlich, wie lange schimmelte der bei dir schon vor sich hin?" Das war doch... also das war doch... mir fehlten die Worte. Da nahm ich mir an St. Martin ein gutes Beispiel, teilte meine karge Ration, bekam selbst davon nur den kleineren Teil ab und dann wagte dieses undankbare Subjekt auch noch, sich zu beschweren! "Hat dich niemand gezwungen, ihn zu essen", antwortete ich gereizt. "Wenn es etwas Schlimmeres gibt, als dich aushalten zu müssen, dann ist es das auf leeren Magen zu tun." Der Kerl war wohl auch nie um eine dämliche Bemerkung verlegen. Grummelnd schob ich mir die Schokolade zwischen die Lippen und pflichtete Kaiba im Stillen bei. Der Riegel war anscheinend wirklich ein wenig zu alt, er schmeckte ungefähr so gut, wie vertrocknetes Toastbrot. Aber besser, als gar nichts! Mit dem Verschwinden der Sonne war es auch merklich kühler geworden. Natürlich hatte ich die großartige Idee gehabt in meiner Sommerjacke wegzugehen, was eigentlich auch ganz logisch war, wir hatten schließlich dem Kalender nach Mitte Juli, allein das Wetter ließ sich davon eher mäßig beeindrucken. Ergo: Ich fror und das nicht zu knapp. "Mir ist kalt", nörgelte ich. "Mir nicht." Natürlich war ihm nicht kalt, er hatte schließen einen langen, grasbefleckten Mantel an. Zitternd kuschelte ich mich etwas tiefer in die Mulde, was augenblicklich mit einem "Kannst du nicht mal stillsitzen?" quittiert wurde. Dieser Mensch machte mich fertig! Wenn ich wirklich eine ganze Nacht mit dem in einem einsamen Wald verbringen musste, wachte morgen nur noch einer von uns beiden auf! Das Leben war doch wirklich ungerecht! Dabei war ich so ein lieber Junge, womit verdiente ich es, mit Mister Frosty höchstpersönlich im selben Boot zu sitzen? Waren meine diversen Flüche, die ich je gen Himmel gesandt hatte, in der Hoffnung, man möge mich von DEM erlösen, denn nicht bis zur guten Schicksalsfee vorgedrungen? Vielleicht machte sie auch gerade Urlaub und ihre böse Stiefschwester besetzte momentan diesen Posten. Das würde einiges erklären. "Köter?" "Ich habe einen Namen!" Ich hörte ein überraschtes Händeklatschen. "Ist nicht wahr!" "Joey", fauchte ich gereizt. "Hm?" "Sag einfach Joey, okay?" Wie kam ich eigentlich dazu ausgerechnet ihm meinen Spitznamen anzubieten? So nannten mich sonst nur meine Freunde und Kaiba war ja nun wahrlich alles, nur kein Freund. "Passt zu einem kleinen Niemand wie dir." "Ach, leck mich doch." "Ich kann mich gerade noch beherrschen", entgegnete er herablassend. "Das war nicht ernst gemeint!" zischte ich böse zurück Ich konnte den verächtlichen Blick zwar nicht sehen, aber FÜHLEN umso besser. "Du scheinst es ja wirklich ganz schön nötig zu haben", fuhr er fort, als hätte er meine Worte nicht gehört, "findest du keinen, der dich verlaustes Ding anfassen will?" Der versuchte mich nur zu provozieren! Aber warum? Im Moment hatte er doch rein gar nichts davon, wenn wir uns stritten, immerhin galt es noch gemeinsam den Rückweg zu finden. "Ich habe es nicht nötig und selbst wenn, würde ich gerade DICH bestimmt nicht darum bitten, es mir zu besorgen, Saftsack!" "Das trifft mich aber tief." "Kann ich mir vorstellen, wer lässt sich schon gerne mit einem Idioten ein, dessen Ego so groß ist, dass es eigentlich schon platzen müsste!" "Ich habe wenigstens etwas, worauf ich stolz sein kann." Ach, und ich nicht, oder wie? Nur weil er eine Firma leitete, hieß das noch lange nicht, dass ihn das in meinen Augen zu einem bewundernswerten Menschen machte! Da gehörte noch ein bisschen mehr zu, als Geld wie Heu. "Weißt du, Kaiba, du reißt die Klappe ganz schön weit auf, solange es um Geschäfte und Betrügerein geht..." "Ich habe es nicht nötig, andere zu betrügen, du solltest nicht immer gleich von dir auf andere schließen", unterbrach er mich, was ich geflissentlich überging. "... aber von zwischenmenschlichen Beziehungen hast du keinen blassen Schimmer. Ich wette, du hast noch nie jemanden geküsst." Ich vernahm ein empörtes Schnauben neben mir. "Die Wetter verlierst du, Köter." "Glaub ich nicht", gab ich siegessicher zurück. Wer war bitte so bescheuert und ließ sich von diesem Mistkerl küssen? So dumm konnte ein Mensch gar nicht sein. Ich spürte, wie sich neben mir etwas bewegte. Er stemmte sich hoch und mit einem Mal hatte er sich über mich gebeugt, den rechten Arm neben meiner Schulter gestützt. Ich rutschte noch ein Stück tiefer in die kleine Baumgruppe. Seine Stimme klang amüsiert und lauernd zugleich. "Wenn du dir so sicher bist, warum probierst du es dann nicht einfach aus?" Nachwort: Ich denke, vom Stil her ähnelt die Geschichte sehr "Den Leiden des jungen Wheeler" aber dennoch sind Seto und Jo ein wenig anders. Seto ist nicht ganz so eingefroren und ich würde Jo gerne ein bisschen stärker machen *sich das ganz fest vornimmt, weil es sonst eh wieder nichts wird* Na ja, ich hoffe, dass man die Geschichte trotzdem als eigenständiges Geschreibsel sehen kann. Eure Resonanz war wirklich großartig *umarm*! Kapitel 3: Nicht mit dir und nicht ohne dich -------------------------------------------- Vorwort: Oh, oh ich will die Monate lieber nicht zählen, die ich für diese Fortsetzung gebraucht habe *seufz*. Es tut mir auch leid, dass es so lange gedauert hat, aber nein, ich muss leider einige enttäuschen, auch wenn ihr mir fünf Mal schreibt, dass ich schneller machen soll, ich werde trotzdem meine Zeit dafür brauchen. Also wäre es doch sehr lieb, wenn ich dieses verhasste Wort "schnell" ("bald" und "auf der Stelle" gehören in die selbe Kategorie) nicht mehr lesen müsste. *zwinker* Ansonsten finde ich gar nicht genug Worte, um mich für die liebe Unterstützung zu bedanken *umarm*! Viel Spaß mit dem neuen Kapitel :). Nicht mit dir und nicht ohne dich ,Schnell, Joey, schnell! Lass dir was Cooles einfallen, einen lockeren Spruch, den du ihm in sein selbstherrliches Grinsen schleudern kannst. Schnell, Joey, jetzt mach schon!' Doch mein Gehirn war anderweitig beschäftigt. Wie durch Teer zogen meine Gedanken sich dahin, tropften in langen, öligen Fäden in mein Bewusstsein. Im Gegensatz dazu registrierte ich blitzartig seinen Geruch: frische Wäsche, Gras, Wind und eines dieser Männerduschgels. Man konnte es auch kurz fassen und sagen, Kaiba roch gut. Wieso war mir das nie früher aufgefallen? Ganz einfach, antwortete ich mir selbst, weil ich ihm nie so nah gewesen war, aus gutem Grund, schließlich war ich nicht lebensmüde. Oder doch? Denn sonst hätte ich ihn nicht so provoziert... sonst würde ich mich nicht so provozieren lassen. Meine Lippen öffneten sich, haha, jetzt kam er gleich, mein supertoller Gegenschlag! "..." Ich wartete, er scheinbar auch, doch meine Stimmbänder sahen sich ganz und gar außer Stande, ihm darauf etwas zu entgegnen Mein armer Geist war einfach überfordert. So viele Eindrücke an einem Tag und dann die Stunden in Gesellschaft meines Lieblingsfeindes - wobei ich mir nicht sicher war, ob die Betonung auf Liebling oder besser Feind liegen sollte-, kein Wunder, dass ich verwirrt war. Ich spürte seinen warmen Atem, als er verächtlich die Luft zwischen den Zähnen ausstieß: "Memme." Wie bitte?! So ja nun nicht! "Nein, ich bin einfach nur fair." Tadaa, da war sie wieder, meine Stimme! Live und in Farbe... ähm, Dolby Surround. Den fragenden Ausdruck auf seinem Gesicht musste ich gar nicht sehen, ich konnte ihn HÖREN. "Wieso?" ,Fehler, Kaiba, Fehler, frag nie nach, wenn dein Gegner Andeutungen macht, die du nicht auf den ersten Schlag verstehst! Dann wirst du nur vorgeführt und stehst am Ende als der Dumme da. Wenn es etwas gibt, dass du mir in den letzten Jahren beigebracht hast, dann ist es das!' Ein gönnerhaftes Lächeln stahl sich auf meine Lippen, nachsichtig tätschelte ich den dunklen Schopf, was sicher einem Selbstmord gleichkam. Kaiba fasste man nicht an, wenn man es nicht darauf anlegte, ungespitzt in den Boden gerammt zu werden. Ich war ja sowieso der Meinung, dass der Junge ein echtes Problem hatte. Nicht mal einen freundschaftlichen Handschlag vertrug er. Er litt unter einer Berührungsphobie! Scheinbar war er zu geschockt über meine Dreistigkeit, als dass er auf meine Hand oder die herablassenden Worte reagieren konnte. "Ich möchte dir nicht deinen ersten Kuss stehlen, obwohl ich zugeben muss, dass es etwas Verlockendes hat. Dann müsstest du immer an mich denken, wenn du jemals wieder jemandem so nah kommst und wer kann sich schon damit brüsten, Seto Kaiba geküsst zu haben?" War das da ein ungläubiges Luftschnappen? Ja... ja.... JA! Tatsächlich hatte ich es geschafft, ihn wie einen Fisch auf dem Trockenen jappsen zu lassen. Und er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Meine Finger vergruben sich in dem kurzen Haar. Weich, schoss es mir durch den Kopf. Weich und warm und... was tat ich hier eigentlich? Dachte über Kaibas Haare nach, wie kam ich denn dazu? Und noch viel gruseliger, er stoppte mich nicht, ließ sich durch den Schopf wühlen, provozierende Worte an den Kopf werfen, ohne sich zu wehren. Anscheinend war ich hier nicht der Einzige, der sich untypisch, um nicht zu sagen, vollkommen abwegig verhielt. Mein Gott, wir konnten uns nicht einmal leiden und nun ließ er sich von mir streicheln. Ich musste mir eingestehen, dass es sich nicht einmal schlecht anfühlte, ihn zu berühren- um ehrlich zu sein, es war angenehm. "Wheeler?" brach seine Stimme schließlich die Stille zwischen uns. Meine Finger hielten inne, ich schaute hoch in den dunklen Schatten, der sein Gesicht sein musste. Nun war ich dankbar für eine Nacht ohne Laternen und elektrischen Strom, denn ich wusste nicht, was ein Blick in seine Augen verändert hätte. Sicher wäre ich nicht mehr so selbstbewusst gewesen. "Soll ich aufhören?" meine Stimme klang freundlich, ein wenig ausdruckslos vielleicht. Wieder senkte sich Schweigen über uns, bis er langsam den Kopf schüttelte, zumindest bildete ich mir ein, dass er es tat. "Nein." Ein grässlicher Schmerz in meiner Schulter weckte mich. Irritiert blinzelte ich; um mich herum war alles grau. Das Licht war so komisch, gar nicht der weiche, goldene Schein der Laterne vor meinem Fenster, eher blass, wie Nebel. Unerträglich kalt war es außerdem. Ich zog meine Decke höher, doch gleich wie ich auch zerrte, sie kam nicht näher. Frustriert ließ ich los, rieb mir übers Gesicht, vertrieb den Schlaf aus meinen Augen. Die Hände waren eisig, unterhalb meines Bauchnabels hatte ich kein Gespür mehr für meinen Körper und etwas Schweres drückte mich nieder, meinen Rücken näher in etwas Hartes, Unförmiges. Ein Gnubbel hatte sich in mein linkes Schulterblatt gebohrt und einmal des Schmerzes bewusst, fragte ich mich, wie ich vorher hatte schlummern können. Ich brauchte noch ein, zwei Sekunden, um wirklich zu registrieren, wo ich war, dann traf die Erkenntnis mich wie ein Schlag. Plötzlich machten auch die klirrende Luft und die Last um mich herum beziehungsweise auf mir Sinn. Kaiba, Wald, Nacht! Kaiba war es auch, der mich gegen den kratzigen Stamm des Baumes drängte. Sein Kopf ruhte auf meiner Brust, der gleichmäßige Atem strich über meinen Hals, seine Linke, mit der er sich gestern über mir abgestützt hatte, war kraftlos nach unten gerutscht, ruhte gar nicht weit von meiner eigenen Hand entfernt auf dem Waldboden. Das Herz setzte mir einen Moment lang aus, kam dann stolpernd wieder in Tritt, um mir in die Hose zu rutschen. Himmel, wie war das denn passiert? Entsetzt starrte ich auf die braunen Haare vor mir, dann packte ich ihn unsanft an den Schultern und schob ihn von mir, besser, wollte ihn von mir schieben, doch er ließ sich nicht so einfach fortdrängen. Zuerst reagierte er gar nicht, sein Körper hing ein bisschen schlaff aber vor allem schwer nach vorn. Dennoch schaffte ich es, mich ein Stück unter ihm hervorzuarbeiten. Zum ersten Mal an diesem Morgen gab er ein Geräusch von sich: ein unwilliges Grummeln. Dann kehrte das Leben in ihn zurück. Ich spürte, wie die Muskeln sich unter meinen Fingern spannten, seine Hand wanderte über den Boden, suchte eine Stütze, bevor er den Kopf hob. Die Lider flatterten und gaben schließlich ein paar verschlafene Eissplitter frei. "Wheeler?" seine Stimme war noch rau und kratzig vom Schlaf. "Was machst du in meinem Bett?" Vielleicht war er noch zu müde, um wütend zu werden, denn ganz sicher wäre Kaiba das, hätte er nur Recht gehabt. Und um ganz ehrlich zu sein, im Moment wäre ich sogar lieber in seinem Bett anstatt in diesem verdammten Wald gewesen. Soweit war es mit mir also schon gekommen... bedenklich! Höchst bedenklich, ich in seinem Bett... besser den Faden nicht weiter spinnen. Ich würde nie wieder einen Baum ansehen können, ohne rot zu werden- jedenfalls nicht in den nächsten vierundzwanzig Stunden. Aber zurück zur Realität und die sah ein bisschen anders aus, kein weiches Bett und auch keinen Kaffee für den kleinen Sandmann da. Mein freudloses Auflachen zerriss die klare, eiskalte Luft. "Was für eine Ehre, aber ich bin, vielleicht sollte ich sagen leider, nicht in deinem Bett, sondern in einem verflucht großen, beschissenen Wald. Meine Schulter bringt mich um und du schwerer Klotz hast die ganze Nacht auf mir gelegen, aber ansonsten... dir auch einen schönen guten Morgen." Er blinzelte, bewegte sich aber kein Stück von der Stelle. Anscheinend war Kaiba ein Morgenmuffel und brauchte ein bisschen länger, um meinen Worten einen Sinn abzuringen. Doch dann, und ich konnte förmlich sehen, wie der Groschen fiel, kehrte das altbekannte, kaltblütige Funkeln in seine Augen zurück. Ich ertappte mich dabei, es zu bedauern. Menschlich hatte er mir eigentlich ganz gut gefallen, nicht so der abgebrühte Geschäftsmann, den er immer zur Schau stellte. Aber ich hatte ihn ja selber provoziert, diese Regung mit meinen verächtlichen Worten geradezu aus ihm herausgekitzelt. Möglicherweise wollte ich es einfach nicht von ihm hören und zerstörte den seltsam magischen Moment, den wir gestern gehabt hatte, lieber selbst, als mich wieder gedemütigt am Boden zu sehen, wie sonst auch immer. Denn ich war einfach nicht naiv genug, um mir einzubilden, dass die gemeinsam verbrachte Nacht etwas verändert haben sollte. Auf eine bizarre Art und Weise war es schön gewesen, sein entspanntes Gesicht als Erstes gesehen zu haben auch, wenn mir Stellen meines Körpers wehtaten, von deren Existenz ich vorher gar nichts gewusst hatte. Außerdem, und ja, dieser Gedanke mochte verdammt wildromantisch anmuten, hatte er mich vor der Kälte beschützt... so mehr oder minder freiwillig. Wir wärmten uns gegenseitig, eine schöne Vorstellung ... nein, eigentlich doch nicht. Immerhin waren wir Joseph Wheeler und Seto Kaiba, da hatte solch ein Irrsinn keinen Platz. Zwischen Feinden gab es keine "magischen Momente" und ich sollte nicht weiterhin so von ihm denken. Unsere verkappte Beziehung, wenn man denn überhaupt von so etwas Hochtrabendem sprechen mochte, basierte doch auf ausgeglichenem Hass. Warum alles für eine riesengroße Enttäuschung, denn als nichts anderes konnte ein Freundschaftsversuch mit ihm enden, riskieren, wenn wir so vorzügliche Erzfeinde waren? Unsere täglichen Streitereien machten Spaß, sie härteten ab und schärften meine Zunge. Ich konnte viel von ihm lernen, wenn es darum ging, das gefühllose Arschloch zu spielen. Wenn man es recht bedachte, konnte man selbst die unschuldigen Berührungen von gestern wunderbar für einen richtig gemeinen Krach verheizen. Ähnliches musste auch ihm gerade durch den Kopf gegangen sein, denn er schnarrte böse: "Gestern Abend schienst du noch sehr erfreut über ein bisschen Aufmerksamkeit von mir, Köter." Ich grinste nur lustlos. Was sollte ich darauf schon antworten? Dass er Recht hatte und ich es hasste, wenn er mich ignorierte? Dass er gefälligst immer auf mich zu achten hatte, immer in Bereitschaft stehen musste, um sich wieder mit mir zu fetzen? Nicht, dass er sich oft weigern würde, aber manchmal, an jenen seltenen Tagen, an denn er einfach zu müde und abgespannt schien, um sich auch noch meiner Streitlust zu opfern, da fühlte ich mich unvollständig. Oder wenn er krank war, ich den ganzen Tag im Stillen hoffte, dass er sich nur verspätet hatte, während mein Blick immer wieder zu dem leeren Platz schräg vor mir glitt. Mit Kaiba kam ich nicht klar, aber ohne ihn fehlte mir etwas. Dieser heiße, brennende Punkt der mich zu immer neuen Gemeinheiten anstachelte, die ich nie einem anderen Menschen an den Kopf geworfen hätte. Denn immerhin hatte ich einen Ruf zu verteidigen. Ich war Joey, ein guter Freund, ein lieber, hitzköpfiger Kerl, aber ein erbitterter Gegner, wenn man mich nur richtig herausforderte und Kaiba forderte, jede Minute, die wir irgendwie gemeinsam zu verbringen gezwungen waren. Seine Anwesenheit reichte, um mein Hirn auf Hochtouren arbeiten zu lassen, immer neue, hässliche Sachen schossen mir durch den Kopf und irgendwann würde ich gut genug sein, um gegen ihn zu gewinnen. Nicht im Duell, aber im Streiten, denn darin wurde ich allmählich einsame Spitze. Alles dank ihm, ich sollte ihm eine Medaille gießen lassen. Kaiba stemmte sich hoch und ich fühlte ein irrationales Gefühl des Verlustes, als er sich entfernte. Dabei hatte ich ihn selbst dazu gedrängt. Aber es war besser, das war richtig so. Feinde waren sich nicht nah, nicht auf diese Art! Und er sollte auch nicht in meinen Armen, den Armen des Feindes, einschlafen. Übertrieben klopfte ich mir die Sachen ab, als müsse ich mich von etwas Schmutzigem reinigen. Er beobachtete mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Übertreib es nicht, Töle!" Ärgerlich schaute ich ihn an. "Es ist noch gar nicht so lange her, da hab ich dir meinen Namen gesagt." "Ich kann mir ja nicht alles merken." Oh, dieser Mistkerl. Als wüsste er nicht genau, wie ich hieß, als wäre ich es nicht einmal wert, dass er sich an so etwas Essentielles erinnerte. "Fein, vergiss es. Vergiss am Besten alles, was gestern passiert ist, ich werde nämlich auch nicht mehr daran denken!" Ich warf den Kopf zurück, rappelte mich dann so würdevoll wie möglich hoch und starrte arrogant zu ihm hinab. So gut wie er konnte ich das sicher noch nicht, aber ich lernte. "Beweg dich, Kaiba, ich will hier nicht versauern, schon gar nicht mit dir." Der Angesprochene ließ sich Zeit, provokant viel Zeit, bevor er sich ebenfalls ganz erhob, ein bisschen Erde und Blätter von seinem Mantel klopfte, der inzwischen ein ansprechendes Muster aus grünen und braunen Flecken aufwies. Die langen Finger nestelten an dem Kragen herum, zupften ihn zurrecht. "Und was", fragte er beinahe im Plauderton, "wenn ich es gar nicht vergessen will?" Irritiert sah ich ihn an. "Was meinst du?" Er blickte noch immer auf seine Finger, die mit akribischer Sorgfalt den hellen Stoff glatt strichen, dann hob er ruckartig den Kopf und ich sah mich mit zwei eisigen Kristallen konfrontiert. Gut, dass ich es gewohnt war, von ihm angestarrt zu werden als sei ich giftig und ansteckend noch dazu. Doch sein Blick hatte etwas Lauerndes, das mich vielleicht hätte vorsichtig machen sollen. Aber ich wäre nicht Joey Wheeler, wenn ich mir um Kaibas seltsames Gebaren Gedanken machen würde. Nicht, dass ich das nicht schon die ganze Zeit tat, aber irgendwann war ja mal gut. Er war eben ein komischer Kauz, das wusste ich doch. Und ein arrogantes, kleines, hochnäsiges, doofes, mieses, fieses, hinterhältiges... "Dass du Schiss vor mir hattest." Diese Worte rissen mich abrupt aus meiner kleinen Schimpftirade. "Bitte?" fragte ich fassungslos nach. Da hatte ich mich wohl verhört. "Wasch dir die Ohren, Köter, oder schneid dir das Fell, kein Wunder, dass du nichts mitbekommst, so wie das Unkraut wuchert." Erbost fuhr ich mir durch die Haare. "Ich höre sehr gut, aber du solltest etwas gegen deinen Sprachfehler unternehmen. Du hast doch eben tatsächlich behauptet, ich hätte Angst vor einem Windbeutel wie dir." Windbeutel passte sehr gut... passte sogar ausgezeichnet, produzierte er doch vor allem heiße Luft. Viel Wirbel um nichts, das war Kaiba. Er reckte das Kinn. "Gib's doch zu, Hundi, als es gestern ums Küssen ging, hast du den Schwanz eingezogen." "Stimmt ja gar nicht, ich nehme nur Rücksicht." Er lachte spöttisch auf. "Auf mich, gerade auf mich? Das glaubst du doch selber nicht." Nein, das glaubte ich selber nicht. Aber... was hätte ich denn machen sollen? Wir konnten doch nicht... allein die Idee trieb mir ja schon Ekelpickel ins Gesicht- na ja, vielleicht war es auch nur ganz normale Verlegenheit. Doch bevor ich mich wieder mithilfe eines gemeinen Spruchs aus der Affäre ziehen musste, schwenkte er um: "Wie geht es deinem Fuß?" Erstaunt blickte ich zu ihm. Hatte Kaiba sich gerade wirklich nach meinem Befinden erkundigt oder bekam die viele frische Luft mir einfach nicht? ... oder ihm, wahrscheinlich war er als notorischer Stubenhocker schon ganz geschockt von dem vielen Sauerstoff, sollte es ja geben. Möglicherweise war die Schokolade doch ein wenig alt gewesen... oder zu süß. Wahrscheinlich schüttete Kaiba literweise Kaffee und anderes bitteres Zeug in sich hinein (das würde auch sein ständig angesäuertes Gesicht, sowie den harten Zug um seinen Mund erklären) und seine Nerven erlitten einfach einen Zuckerschock. "Wheeler", meinte er gedehnt, riss mich aus meinen hochinteressanten Überlegungen. "Machst du das eigentlich mit Absicht oder vergisst dein Spatzenhirn tatsächlich alles in der Sekunde wieder, da man dir eine Frage stellt?" "Nein... und ich hab gar kein Spatzenhirn!" So, erst einmal verteidigen, ein bisschen erbärmlich vielleicht, aber immerhin, und dann konnte ich mir Gedanken um seine Frage machen. Kaiba hatte mich etwas gefragt? Angestrengt dachte ich nach. Es ging um den missratenden Kuss und... und... war da noch etwas gewesen? Ach ja! "Und meinem Fuß geht es miserabel." Besser spät als nie. Skeptisch zog er eine Augenbraue hoch. Eine Geste um die ich ihn zutiefst beneidete, ich wollte das auch können! Bei Gelegenheit würde ich vorm Spiegel üben. Nachwort: Hm, merkwürdiges Ende? Ihr habt vollkommen Recht, es ist kein richtiges Ende, weder ein böser Cliffhanger noch eine richtige Auflösung... *auf die Knie fällt* Verzeihung! Vielen Dank an Zebi *kuschelflausch* für's Betan (schreibt man das so?)! Kapitel 4: Badespaß mit Entengrütze ----------------------------------- Vorwort: Sonne, Strand und Meer... das hätte ich jetzt gern. Es ist hier sogar richtig heiß, aber irgendwie weigert der Asphalt sich krampfhaft, sich in eine weiße Mittelmeerküste zu verwandeln. Und so sitze ich bis zu den großen Ferien an meinem heißgeliebten Computer und schreibe, wenn es mir einfach mal wieder überkommt *smile*. Viel Spaß mit den beiden Süßen! Badespaß mit Entengrütze "Das ist alles deine Schuld." "Fängst du schon wieder damit an?" "Weißt du, wenn du nicht immer so eine große Klappe hättest, wäre ich gar nicht hier." "Oh, du bist also nur meinetwegen mitgekommen. Na, was für eine zweifelhafte Ehre." "Das einzig Zweifelhafte hier bist du." "Bitte?!" "Sein wir mal ehrlich, du bist absolut kontraproduktiv-" "Oh, schmeißen wir mit Fremdwörtern um uns?" "Lässt du mich ausreden! ... kontraproduktiv. Du bist klein, lästig und verpestest deine Umgebung. Es ist schon eine Zumutung, dass jemand wie ich die gleiche Luft atmen muss." "Oh, tu dir keinen Zwang an, Luft haben wir hier ja genug." Darauf reagierte er nicht mehr, starrte nur finster geradeaus. Warum schafften wir es gleich noch mal nicht, auch nur eine halbe Stunde nett zueinander zu sein? Ein Blick zur Seite war mir Antwort genug. Richtig, da lief er, der meistgehasste Mensch auf dieser ganzen , verdammten, großen Erde, wobei verdammt groß nochmals betont werden muss. Wie lange latschten wir nun schon durch Theas "idyllische" Landschaft? ZU lange! Wahrscheinlich hätte sie selbst diesen Wald noch märchenhaft gefunden, irgendwie verzaubert und... romantisch. Ich schüttelte mich. Romantisch? Na ja, vielleicht, wenn man hier als Pärchen war und nicht mit seinem Erzrivalen den Weg nach Hause suchte. Doch, doch. Vielleicht hätten die großen Bäume, der goldrote Horizont und das absolut lästige.. ich wollte sagen, melodiöse Gekräch... Gezwitscher unserer gefiederten Freunde tatsächlich ein wenig Ausreißerromantik haben können, wenn nur nicht, ja wenn nur nicht gerade ER diesen einmaligen Moment vollkommender Ruhe mit mir verleben müsste. Mit einem süßen Mädchen, kein Problem, da traute selbst ich mir zu, ein paar poetische Brocken zusammenkratzen zu können, doch bei DEM Anblick verging einem sämtliche Poesie. Kaiba und ich schafften es einfach, aus allem ein Schlachtfeld unserer verbalen Kleinkriege zu machen, da bildete dieser ruhige Ort keine Ausnahme. Er legte einen Schritt zu und ich könnte schwören, er tat das mit Absicht, wo er genau wusste, dass ich noch ein wenig fußlahm war. "Nicht so schnell, Kaiba", blaffte ich unfreundlich. "Bei Fuß, Köter, Zeit ist Geld." "Im Augenblick hast du aber beides im Überfluss und ich habe einen Namen, Blödmann!" Er grinste nur süffisant. "Muss mir doch glatt entfallen sein." Während ich mich unter ein paar tiefhängenden Ästen wegduckte zischte ich ungehalten. "Warum bist du nur immer so... so..." "Unwiderstehlich?" "Nicht ganz das Wort, das ich gesucht habe. UnAUSstehlich träfe es wohl besser." Er wurde langsamer. Aha, für einen guten Streit wartete der Herr also auch. Fein, das würde ich mir merken. "Nicht traurig sein, Hundi, nicht jeder kann so viel Charme besitzen wie ich." Ich nickte zustimmend. "Da hast du vollkommen Recht, nicht jeder hat den Charme einer tiefgefrorenen Baumwollunterhose." Verbittert stapfte ich durchs Unterholz, Kaiba dicht auf den Fersen. "Seit wann bist du so schlagfertig geworden, Köter?" War das da ein Kompliment? Also, nicht so offensichtlich, aber hatte er gerade zugegeben, dass ich eventuell ein richtiger Gegner für ihn sein konnte? ... Dieser Gedanke sollte mich jetzt nicht so glücklich machen, richtig? Dennoch konnte ich nicht verhindern, dass ein breites Grinsen meine Mundwinkel auseinander zog. "Ich hatte einen guten Lehrer." Wenn er mit seltsamen Halbkomplimenten anfing, konnte ich auch welche zurückgeben. "Na ja, an deiner Erziehung muss ich zwar noch ein bisschen arbeiten", stimmte er gönnerhaft zu. Feixend schüttelte ich den Kopf. "Und ich hätte schwören mögen, meine Eltern haben etwas damit zu tun." "Dann haben sie auf ganzer Linie versagt." Ich drehte mich zu ihm um, ein wütendes Funkeln in den Augen. "Redest du etwa schlecht über meine Eltern, du Sackgesicht?" Keine Regung ging durch sein glattes, kaltes Gesicht. "Ich wusste nicht, dass man Tiere jetzt auch schon beleidigen kann." "TIERE?!" Mein Klassenkamerad setzte ein absolut widerliches und scheinheiliges Lächeln auf. "Also hör mal, Hundi, um eine kleine Töle wie dich zu erzeugen, braucht es..." Das reichte! Mich immer als Straßenköter und was weiß ich noch alles zu beschimpfen, das war eine Sache und an sich schon schlimm genug, aber nun noch über meine Eltern herzuziehen, die er im Leben nicht gesehen hatte, die ihm nie etwas getan hatten, DAS GING ZU WEIT! Mit einem heiseren Wutschrei stürzte ich mich auf ihn. Vergessen war mein verletzter Fuß und dahin das letzte bisschen Selbstbeherrschung, sowie der feste Vorsatz, das Beste aus unserer verkappten Situation zu machen. Ich wollte ihm einfach nur wehtun und da ich das mit Worten niemals so gut konnte wie er, mussten eben die Fäuste sprechen. Und die sprachen ... und wie sie das taten, ein Goethe war an ihnen verloren gegangen. "Warum hast du nicht zugeschlagen?" Wir saßen am Rande eines kleinen Sees, Tümpel traf er vielleicht besser, aber die Entengrütze hatte sich noch nicht über die gesamte Wasseroberfläche erstreckt, so dass ich eine relativ klare Stelle gefunden hatte, um mein Taschentuch darin einzutauchen, welches ich Kaiba soeben auf die blutende Nase drückte. Er antwortete nicht, starrte mich nur finster an. Ich kam mir schuldig vor, besonders, wo er die letzten Minuten kein Wort mehr mit mir gesprochen hatte, nur das Blut mit einer Hand aufgefangen, damit es nicht weiter auf seinen Mantel tropfte. Der war ohnehin um ein paar rote Tupfer bereichert worden. Da blieb nur zu hoffen, dass Persil hielt, was es versprach. Zurück zu meinen irrationalen Schuldgefühlen, die ich eigentlich gar nicht haben sollte. Alles Recht der Welt stand auf meiner Seite, diesem arroganten Fatzke mal einen Denkzettel zu verpassen. In langweiligen Stunden hatte ich mir bereits ausgemalt, wie es sein würde, Kaiba bluten zu sehen, doch nun, da ich es endlich geschafft hatte, wollte sich das überwältigende Triumphgefühl einfach nicht einstellen. Noch schlimmer, stattdessen plagte mich ein schlechtes Gewissen. Warum hatte er sich nur nicht gewehrt? Ich wiederholte meine Frage, doch auch diesmal schlug mir nur vorwurfsvolle Stille entgegen, während er das Tuch umdrehte. Also den mochte verstehen, wer wollte, ich tat es nicht! Unsere ganze, behütete Feindschaft über hatte ich geglaubt, es wäre auch ihm ein inniges Bedürfnis, mir eine reinzuwürgen und nur sein Stolz hielte ihn davon ab. So à là ,An einem dreckigen Straßenköter mache ich mir nicht die Finger schmutzig, das ist unter meinem Niveau.' "Du hättest mich schlagen können", merkte ich vorsichtig an. "Und dann?" Seine Stimme klang gedämpft und er näselte ein bisschen, doch das änderte nichts an seinem stechenden Blick, bei dem mir mehr als unbehaglich wurde. "Wie und dann? Na einfach so." "Warum sollte ich?" "Weil du es gekonnt hättest." Kaiba richtete sich ein bisschen auf, runzelte die Stirn, während die eisblauen Augen (Kaiba hatte eisblaue Augen? Schon immer gehabt? Oder warum war mir das vorher nicht aufgefallen?) es sich zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, mich in Grund und Boden zu starren. Sie machten ihre Arbeit gut, ich kam mir tatsächlich vor, als würde ich ein bisschen schrumpfen und die Erde unter meinen Knien schien verdächtig unsicher zu werden. "Sag mal, willst du, dass ich es nachhole?" Es klang nicht einmal so bedrohlich, wie man hätte meinen können, eher ungläubig. Hastig hob ich beide Hände, wedelte abwehrend damit herum. "Nein, nein!" Gott bewahre, auf eine Ohrfeige von Seto Kaiba war ich sicher nicht scharf! Ich ließ die Hände in den Schoß fallen, legte fragend den Kopf schief. "Ich würde es nur gern verstehen." "Gib's auf, ich werde auf ewig der Unbekannte in deiner Gleichung bleiben." War das da so etwas wie ein überhebliches Grinsen? Na, so gefiel er mir doch gleich wieder viel besser, da waren auch die Schuldgefühle wie weggewischt... welche Schuldgefühle? Seinetwegen?! Pff, dass ist nicht lache! Vorsichtig ließ er sich zurücksinken, noch immer verdeckte mein weißes Taschentuch seine Nase und den halben Mund, er schloss die Augen und das gab mir Gelegenheit, sein Gesicht näher zu betrachten. Ein tiefhängender Zweig hatte eine rote Schramme auf seiner linken Wange hinterlassen. Auch sonst sah Kaiba ziemlich mitgenommen aus, die Schatten um seine Augen schienen dunkler als sonst- logisch, ich hatte diese Nacht auch nicht besonders viel geschlafen- seine Augenbrauen waren ernst zusammengezogen. Ungewöhnlich hübsche Augenbrauen, nur mal so angemerkt. Fein geschwungen, nicht zu buschig und nicht zu dünn, außerdem sahen sie aus, als würden sie gezupft werden... oder war es möglich, dass jemand von Natur aus so perfekt war? ... Momentchen mal, dachte ich gerade wirklich über Kaibas Augenbrauen nach?! Vielleicht hatte er mich doch erwischt. Ein übler Schlag auf den Kopf, weshalb sonst, sollte ich diesen Blödsinn denken! Trotz aller Flüche schaffte ich es nicht, meinen Blick von ihm zu lösen. Okay... verbuchen wir das unter einem seltenengünstigen Zeitpunkt. Vielleicht bot sich mir nie wieder die Chance, Kaiba zu ungestraft zu betrachten (anzustarren wäre vielleicht treffender gewesen). "Hör auf zu gaffen, Welpe, sonst bekommst du noch Stielaugen." Ertappt zuckte ich zusammen. Woher wusste er, dass ich... na gut, nennen wir das Kind beim Namen, dass ich ihn begafft hatte? Die Lider waren nach wie vor geschlossen, die dunklen Wimpern warfen sanfte Schatten auf seine Wangenknochen, die... Schluss jetzt Joey!' ermahnte ich mich selbst. "Ich gaffe gar nicht!" erwiderte ich patzig, schaute demonstrativ auf das Wasser hinaus. Beim Anblick von so viel H²O wurde ich mir meiner trockenen Kehle umso mehr bewusst, und mein Magen grummelte laut. So laut, dass mein Klassenkamerad eine der, wie eben festgestellt, außergewöhnlich perfekten Augenbrauen hob und mich spöttisch anblinzelte. "Ist etwa schon Fütterungszeit, Köter?" Verächtlich schnaubte ich, beschloss aber, mich nicht wieder von ihm provozieren zu lassen. "Hast du etwa keinen Hunger?" "Doch, aber zur Not fresse ich einfach dich." Meine Augen wurden tellergroß. Ein Kaiba, der an mir herumnagte? Ein Kaiba, der mir überhaupt so nahe kam... Mami, ich will nach Hause! Meine Panik schien ihn unglaublich zu amüsieren, denn er legte noch eins drauf: "Mit Haut und Haaren, Wheeler." Bildete ich mir das ein, oder klang seine Stimme irgendwie dunkler als sonst? Unsinn, wahrscheinlich litt ich bereits unter Hungerphantasien, ich armes, abgemagertes Ding ich! Seit 48 Stunden hatte ich nun schon nichts Anständiges zwischen meine Beißerchen bekommen, kein Wunder also, dass ich nicht mehr klar denken konnte und Kaiba plötzlich attraktiv fand. ... okay, das habe ich eben nicht wirklich gedacht! Etwas zu essen, aber pronto, wer wusste, wo meine Hirngespinste sonst noch hin abschweiften. Ich schüttelte mich. Nicht daran denken, einfach nicht daran denken! "Hey, vielleicht sind in dem Teich Fische", meinte ich optimistisch. Er lachte kurz und trocken auf. "Selbst wenn, werden sie sicher nicht doof genug sein, sich von einem kleinen Welpen ohne Krallen fangen zu lassen." "Hey", langsam reichte es mir, dass er mich wie ein vertrotteltes Hundebaby behandelte, "dieser, kleine Welpe' hat dir soeben eine blutige Nase verpasst und wenn du nicht gleich mit den Stichelein aufhörst, lege ich noch ein blaues Auge drauf!" Mein Gegenüber zeigte sich nicht im Geringsten beeindruckt. Aber schließlich stemmte er sich auf die Ellenbogen hoch, das mittlerweile rote Taschentuch fiel ihm dabei auf die Brust. Auffordernd nickte er mit dem Kopf in Richtung Entengrütze. "Na los, das möchte ich nicht verpassen." Wild entschlossen, ihn von meinen Fähigkeiten als Jäger und Sammler zu überzeugen, erhob ich mich, machte drei feste Schritte zum Wasser, bevor ich mich zögerlich zu ihm umdrehte. Abwartend lag er da, sah mir mit milde interessiertem Blick zu. "Schau weg!" orderte ich. Überrascht war er im ersten Moment sogar versucht, meinem Befehl nachzukommen. Doch er wäre nicht Kaiba, hätte der Junge sich nicht sofort wieder gefangen. "Warum?" "Weil ich nicht mit Sachen in diese Pfütze steige." Er schien noch nicht zu begreifen, vielleicht stellte er sich aber auch absichtlich dumm, denn sein Lächeln schien mit mehr als nur köstlich amüsiert. "Und?" "Ich werde mich vor dir ganz sicher nicht ausziehen!" Jetzt lachte er sogar. "Oh bitte, da gäbe es sicher nichts, was ich nicht schon gesehen hätte." "Ist mir scheißegal!" "Nicht doch, nicht doch, Hundi, du wirst ja vulgär." Ich wurde gleich noch ganz anders, wenn er nicht auf der Stelle aufhörte, so widerlich zu grinsen! "Spanner", fluchte ich, wobei ich mir die Schuhe von den Füßen kickte, Socken und Hose folgten. Mein Shirt blieb, wo es war, immerhin hatte ich nicht vor, baden zu gehen. Einige Sekunden hielt ich die Luft an, wartete auf einen blöden Kommentar, doch als keiner kam, riskierte ich einen Blick über die Schulter. Unverändert lag mein Erzfeind da, erwiderte ihn gelangweilt. "Und deshalb machst du so einen Aufstand? Wenn ich magere, zu groß geratende Insekten sehen will, kann ich auch in den Zoo gehen." Mir klappte die Kinnlade runter. Also JETZT hätte ich sicher keine Schuldgefühle, wenn ich ihn schlug, zu viel Zorn brodelte in mir und auch verletzte Eitelkeit. Dass ich ihm nur ein zu groß geratendes Insekt wert war, traf mich tief. Und ich Idiot hatte mir gerade noch überlegt, ob ich Kaiba eventuell, nur mal so angenommen und rein theoretisch, hübsch finden könnte. Würde es ihn umbringen, wenn er nur einmal ein bisschen nett zu mir wäre? War das denn echt so schwer und ich so wenig liebenswert? Ich seufzte grottentief, für Kaiba vermutlich schon. "Sollte ich etwas fangen, bekommst du nichts ab", wetterte ich böse, dann watete ich bis zu den Knien ins kalte Nass. Und kalt war das hier wirklich, erstaunlich, wie ein stehendes Gewässer im Sommer noch so kühl sein konnte. Vielleicht hatte es sich aber auch nur Kaiba angepasst und leitete bei seinem Anblick spontan die nächste Eiszeit ein, so wie ich. Oder aber, und das schien mir doch ein bisschen wahrscheinlicher, es war einfach nur ein sehr tiefer See... Tümpel... Pfütze. Während meine Adleraugen nach einem Fisch Ausschau hielten, war mein Geist dabei, sich in den wildesten Farben auszumalen, wie tief ,sehr tief' sein könnte. Möglicher Weise befand sich in der Mitte ein schwarzes Loch, das alles Wasser aufsaugte und ich geriet in eine andere Raum-Zeit-Dimension, wenn ich ihm zu nahe kam. Dann wäre ich verschwunden und alle würden glauben, Kaiba hätte mich doch gefressen ... vorausgesetzt sie fanden ihn überhaupt. Und dann brachte man ihn zu einem Richter und ... und ich dachte schon wieder Schwachsinn! Der Boden unter meinen nackten Füßen war weich und glitschig, ich mochte mir gar nicht vorstellen, worauf genau ich da herumlief. Ein eiskalter Schauer krabbelte mir über den Rücken, als etwas Kaltes, Schleimiges meinen Knöchel streifte. Wo befanden wir uns doch gleich? Vielleicht war das hier Loch Ness und das Ding eben die Schwanzspitze von dem sagenumwobenen Ungeheuer. Gleich machte es ,Happs' und Kaiba musste sich eine andere alternative Nahrungsquelle suchen. Inzwischen hatte ich sämtlich Fische total vergessen, stand zitternd in diesem verdammten, arschkalten See und wagte nicht, mich vom Fleck zu rühren, in der Befürchtung, irgendwelchen Seeungeheuern auf den Schlips, oder besser auf den Schwanz zu treten. Böse Welt! Ich mag nicht mehr, ich steige aus, außerdem bin ich noch viel zu jung zum Sterben. Soviel hatte ich doch noch erleben wollen und die große Liebe war mir auch noch nicht über den Weg gelaufen. Verdammt noch mal, ich hatte ein Recht auf die große Liebe! Das durfte mir niemand nehmen, auch kein frustriertes, altes Seeungeheuer! Etwas berührte von hinten meine Schulter. Ich stieß einen erschrockenen, unnatürlich hohen Schrei aus, war das wirklich meine Stimme, den Stimmbruch hatte ich doch eigentlich hinter mir, alles Weitere war nicht mehr klar definierbar. Wahrscheinlich rutschte ich auf dem schmierigen Untergrund aus, es gab ein lautes PLATSCH, dann rauschte Wasser in meinen Ohren. Kaaaaalt! So kalt, dass mir die Luft wegblieb. In Panik sperrte ich Augen und Ohren und leider auch den Mund auf. Abgestandenes Wasser drang in meine Kehle. Na gut, wie Limonade schmeckte es zwar nicht gerade, aber immerhin war mein Trinkproblem damit gelöst. Diese banale Erkenntnis gab mir auch die nötige Ruhe, mich hochzustemmen, den Kopf über die Wasseroberfläche zu strecken. Nun sah ich auch meinen Angreifer und der schien ebenso verblüfft wie ich. Kaiba blickte zu mir hinunter, als hätte er eine Erscheinung, dann, langsam, ganz langsam, breitete sich ein unheilvolles Grinsen in seinen Mundwinkeln aus, es wuchs und wuchs, wie die Zauberbohnen im Märchen, bis es zu einem schallenden Lachen wurden. Es schüttelte ihn richtig, dass er beide Arme vor den Bauch presste. Zornig funkelte ich ihn unter meinem nassen Pony hervor an, während mir das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Halse stand. Es dauerte noch ein wenig, bis Kaiba sich soweit beruhigt hatte, dass er wieder gerade stehen konnte, dann reichte er mir eine Hand. Vollkommen perplex griff ich zu. "Ich dachte, du wolltest etwas Nahrhaftes aus dem Wasser ziehen", er beförderte mich zurück an Land, "sieht beinahe so aus, als hätte ich mehr Glück gehabt." Mit einem raubtierhaften Lächeln bleckte er die Zähne. Wenn der mir nicht augenblicklich mit dieser "Rotkäppchen und der böse Wolf"- Nummer aufhörte, vergaß ich mich! Ungehalten machte ich mich los, stapfte wütend ein paar Schritte von ihm fort. Blöder Idiot! Das war mal wieder alles seine Schuld! Hätte er mich nicht so erschreckt, wäre ich nicht hingefallen und das alles nie passiert. Ich ging sogar so weit, zu behaupten, dass es erst Kaiba gewesen war, wegen dem ich mich verlaufen hatte. Es hätte so ein netter, entspannter Tag mit meinen Freunden werden können, aber nein, er musste ja mitkommen und sich mit mir streiten. War doch krank, wie er immer an mir klebte! Beim Gedanken, an meine Freunde, wurde meine Laune noch mieser, als sie ohnehin schon war. Ob sie sich Sorgen machten? Sicher! Ganz gewiss hatte man schon einen Suchtrupp nach uns ausgesandt. Ich vermisste sie und wollte zu ihnen zurück. Hinter mir raschelte es. "Hey, Wheeler, alles in Ordnung?" "Nein!" blaffte ich sauer, drehte mich nicht um zu ihm. Ein schöner Rücken kann auch entzücken und mein Rücken war wohl preisverdächtig. "Nichts ist in Ordnung, ich bin nass, mir ist kalt und ich..." "Ja?" fragte er interessiert nach, es klang beinahe ein wenig mitleidig. Ob ich Kaiba Leid tat? Pah, bestimmt nicht. Das war pures Selbstmitleid, was ich da zu hören glaubte! "Ich bin nass!" wiederholte ich schroff, weil mir gerade kein anderer Begriff einfiel, um die ganze Tragweite meines Elends zu erfassen. "Das sagtest du schon", kam es kühl und analytisch zurück. Doch kein Mitgefühl, ich hatte es ja geahnt und mir trotzdem Hoffnungen gemacht, ich Dummkopf. Einen bitterbösen Blick warf ich ihm über die Schulter zu. "Umdrehen!" "Weil ... ?" "Ich mich umziehen will!" "Oh das..." "DREH DICH UM!" Er verstummte schlagartig. Sicher war Kaiba nicht der Typ, der Befehle entgegen nahm, im Gegenteil, er pflegte sie durch die Gegend zu bellen, in der Erwartung, dass alle kuschten, doch wahrscheinlich sah man mir meine Wut an und auch, dass ich nur noch wenig von einem kompletten Nervenzusammenbruch entfernt war. Und einen heulenden Wheeler wollte selbst er sich nicht leisten, obwohl es wohl die Krönung aller Demütigungen gewesen wäre, die ich je unter ihm auszustehen hatte. Mit einem gespielt gleichgültigen Schulterzucken wand er sich ab und ich machte, dass ich so schnell wie möglich aus meinen nassen Klamotten raus und in die trockenen wieder reinkam, was sich einfacher anhört, als es in Wirklichkeit war, da der Stoff mir wie eine zweite Haut am Körper klebten. Aber schließlich hatte ich mich in meine Hose gezwängt und zog den Reißverschluss meiner Jacke zu. Die triefenden Sachen legte ich ins Gras, dann atmete ich dreimal gezwungen ruhig ein und aus. Alles nicht so schlimm. Nur, weil wir uns verlaufen hatte und nebenbei keine Aussicht auf Rettung, mein Magen knurrte und ich zu allem Übel auch noch mit Kaiba diesen Survivaltrip durchstehen musste, hieß das noch lange nicht, dass ich nicht trotzdem Spaß haben könnte. Woran auch immer. "Fertig? Oder musst du dich noch schminken und frisieren, bevor du mir wieder unter die Augen treten kannst?" Er war ja so ätzend! Konnte er nicht für einen kleinen Moment die Klappe halten, mich mit seinen zynischen Kommentaren verschonen? Anscheinend nicht. Wie es aussah, war ich Kaibas einziges Amüsement. Ein Posten, auf den ich nicht viel Wert legte. Dabei war er heute Nacht noch so friedlich gewesen... schlagartig verpuffte meine Wut, als ich daran dachte, wie ich ihm durch den dichten Schopf gewuschelt hatte. Er war mir so gelöst, beinahe zutraulich vorgekommen und zum wahrscheinlich ersten und letzten Mal menschlich. "Ja", machte ich also nur lahm, anstatt ihn anzuraunzen. Er drehte sich um, die hellen Augen wanderten von mir zu den nassen Sachen am Boden, dann schaute er direkt in mein Gesicht und brachte beinahe so etwas, wie ein freundliches Lächeln zustande, aber eben auch nur beinahe. Immerhin handelte es sich um Seto Kaiba. "Eigentlich hatte ich gar nicht vor, dass du dich hinlegst, auch wenn ich so etwas geahnt habe." "Wieso?" machte ich empört. "Nun ja, wer", er schien nach einer netten Formulierung zu suchen, "mit zwei linken Füßen gesegnet ist, so wie du, der neigt dazu, ein wenig tollpatisch zu sein." "Ich bin gar kein bisschen tollpatschig", verteidigte ich mich hitzig. "Jedenfalls wollte ich dich nicht erschrecken, nur aufwecken, du sahst so weggetreten aus." Erst zog ich verblüfft beide Augenbrauen in die Höhe, dann grinste ich breit, freudig, ein wenig übermütig. "Hast du dir etwa Sorgen um mich gemacht?" Das wäre doch zur Abwechslung mal was! "Natürlich", erwiderte er vollkommen ernst, "immerhin wüsste ich nicht, an wessen Minderwertigkeit ich mich sonst ergötzen sollte." Gut, es war eine Beleidigung, aber ich wollte sie nicht hören, für mich zählte nur sein "natürlich", alles andere blendete ich geschickt aus. "Das ist aber nett von dir", gab ich zuckersüß zurück, bevor ich mich rittlings ins Gras fallen ließ, neben mich klopfte. Diese Einladung schien ihn gehörig zu verwirren, um ehrlich zu sein, war mir selbst nicht so ganz klar, was ich da gerade tat, doch ich wollte ihn gern in meiner Nähe haben. Auch wenn das hieß, dass ich mich von ihm beleidigen und verletzen lasse musste. Vielleicht entlockte ich ihm am Ende doch noch eine kleine Nettigkeit und damit wäre ich sicher der erste Mensch- nun ja, von Mokuba einmal abgesehen. Zögernd setzte er sich neben mich, betrachtete mich argwöhnisch, als wäre ich etwas Giftiges. "Warum hast du nicht zugeschlagen?" Er sollte nur nicht denken, dass ich das so einfach auf sich beruhen ließ. Ein schweres, entnervtes Seufzen war alle Antwort, die ich bekam. "Warum?" bohrte ich weiter. "Nerv nicht, Töle!" Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen, ließ er sich zurückfallen. Sein Gesicht lag nun ungefähr auf meiner Höhe. Ich rappelte mich ein wenig auf, um hineinschauen zu können. Eventuell legte er seine Maske aus Gleichgültigkeit ja mal für einen Moment ab und ich konnte in seinen Augen lesen. Angestrengt starrte ich, der zweifelnde Blick, der ich dafür kassierte, war mir egal. So sehr ich mich auch bemühte, Kaiba weigerte sich strikt, von mir gelesen zu werden. "Waru~huum?" "Möchtest du gehauen werden, Wheeler? Dann sag es doch einfach." Vorsichtig zog ich mich ein Stück zurück. "Nein, möchte ich nicht. Aber was ich sehr wohl möchte, ist eine Antwort." "So ist das eben, man kann nicht immer alles haben." "Gib's zu, du hast mich nicht geschlagen, weil du mich eigentlich doch gern hast." Ein spöttisches Grinsen zuckte über die schmalen Lippen. "Oh, bin ich so leicht zu durchschauen?" sein Ton triefte nur so vor Sarkasmus. Wagemutig beugte ich mich zu ihm. "Du bist ein offenes Buch... wie geht's deiner Nase?" Er verdrehte die Augen. "Ließ es mir doch an den Ohren ab." "Irgendwas gebrochen?" fragte ich besorgt, wohl wissend, wie schmerzhaft gebrochene Körperteile sein konnten, ich kämpfte ja immer noch mit meinem Knöcheln. Er schnaubte verächtlich. "Dazu hast du wohl kaum genug Kraft." Eklige Bemerkungen hin oder her, ich musste mich selber davon überzeugen. Langsam näherte ich mich seinem Gesicht, mit fachmännischem Blick begutachtete ich den schmalen, geraden Knochen, der sein Nasenbein darstellte. "Nö", meinte ich schließlich sehr professionell, "siehst genauso doof aus wie vorher." "Ach", diesmal bildete ich es mir nicht ein, durch seine Augen ging eindeutig ein bedrohliches Funkeln! "Dafür, dass du mein Äußeres so ,doof' findest, hast du ganz schön gestarrt. Aber vielleicht... ", eine Hand schob sich in meinen Nacken. Die hatte da absolut nichts zu suchen! Ksch, weg mit dir, sage ich! "... hast du auch nur nicht richtig hingeguckt." Er zog mich zu sich hinunter, bis ich seinen warmen Atem auf meinen Lippen spürte, lange Finger gruben sich in meine Haare, bewegten sich sacht und dennoch entsetzlich aufregend darin. War das eigentlich normal, dass wir uns ständig so nahe kamen? Nachwort: *ächz* War das viel, mein armes Zebi, musste sich alles noch mal durchlesen *kuschel*. Vielen Dank für die lieben und aufbauenden Kommentare, das spornt wirklich ungemein an! *alle umflausch* Kapitel 5: Liebe geht durch den Magen ------------------------------------- Vorwort: *ganz gerührt ist* Vielen Dank für die lieben Kommis! *Taschentuch rauskramt* Bevor ich meine letzte Ferienwoche auswärts genieße, wollte ich euch noch ein neues Kappi schicken, ganz frisch aus der Tasta, sie qualmt quasi noch ^^° Viel Spaß damit. Liebe geht durch den Magen "Ah... ich...", war das meine Stimme, die da so fipsig und ganz und gar unmännlich klang? Anzunehmen, aber ich konnte einfach nicht anders. Konnte nicht anders, als wie ein hochgradig pubertierender Teenager herumzuquietschen... Moment mal, ich WAR ein hochgradig pubertierender Teenager. Nur bedenklich, dass ich meine Hormonschübe in Seto Kaibas Gegenwart bekam. Und beunruhigend noch dazu! Doch ich erhielt Hilfe von gänzlich unerwarteter Seite, meinem Magen, denn der grummelte laut und deutlich in diese- eventuell, unter Umstände und nur ganz vielleicht- romantisch anmutende Szene hinein. "Ich werde uns was zu Essen besorgen." Mit diesen (leicht panisch hervorgestoßenen) Worten löste ich mich aus Kaibas Griff, rollte zur Seite und stand in einiger, SICHERER Entfernung wieder auf. Ein spöttisches Augenzwinkern begleitete mich. "Du hast doch nur Schiss, Wheeler", seine Stimme war widerwärtig süß. "Pah", fauchte ich ungenießbar und auffallen laut, damit er meinen hektischen Herzschlag nicht hörte, "vor dir? Nie im Leben!" "So", machte er gedehnt, seine Raubtieraugen funkelten mich herausfordernd an, während er neben sich auf den Boden klopfte, "dann komm doch wieder her." Statt seiner Einladung... nein, eigentlich war es eher eine Aufforderung Folge zu leisten, wich ich zwei Schritt nach hinten, reckte trotzig das Kinn. "Um was mit mir machen zu lassen?" "Ich habe auch Hunger." So ganz war mir nicht klar, worauf er hinaus wollte. Das sah man mir wohl auch an, denn mein Klassenkamerad führte weiter aus: "Und da du nichts Anständiges gefangen hast, werde ich jetzt leider, leider dich fressen müssen." Das spöttische Lächeln war ihm zu einem ganz und gar wölfischen Grinsen verkommen. Ärgerlich drehte ich mich von ihm weg, zuckte gezwungen lässig mit den Schultern, obwohl es mich eine gehörige Portion Mut kostete, ihm JETZT den Rücken zu kehren. "Zu viel Rotkäppchen gelesen, was? Also ICH geh jetzt in den Wald und DU rührst dich nicht von der Stelle, damit ich dich nachher auch wieder finde." "Jäger und Sammler, hm?" "Wer?" "Was, Wheeler, was. Die Rangordnung in der Steinzeit", und mit einem süffisanten Hochziehen der rechten Augenbraue fügte er hinzu: "Die Jäger haben den Hauptanteil bekommen." "Auch wenn sie nichts gemacht haben?" War doch ungerecht! "Dafür riskieren sie Leib und Leben." "Schön", versetzte ich schnippisch, "aber das Höchste, was du hier riskierst, ist ein Sonnenbrand und deshalb kriegst du nichts ab!" "Wo nichts ist, kann man auch nichts abgeben." Arroganter, verwöhnter Bengel! Der würde Augen machen, wenn ich mit meinem Ersammelten zurückkam. Die machte Kaiba tatsächlich, als ich neunzig Minuten später wieder auf unserer kleinen Lichtung auftauchte Wie befohlen hatte er sich nicht von der Stelle gerührt, schien zu dösen, bis ich wiederkam. Jetzt lag sein skeptischer, und zu meiner übergroßen Freude recht neugieriger Blick auf meiner Jacke, die ich vorn eingerollt und zum Beutel missbraucht hatte. Ein Beutel voller Beeren. Toller, roter, saftiger Beeren. Kein Dreisternemenü, aber sie füllten den Bauch- so ansatzweise. ,Ätsch, da staunst du, was?' hatte ich ihm gerade schadenfroh in das kalte Lächeln schmeißen wollen, da kam er mir zuvor. Aber wie! Als hätte ihn etwas gebissen, sprang Kaiba plötzlich auf, machte drei große Schritte auf mich zu und griff in meinen Beutel- ich kam mir vor, wie ein unsittlich betatschtes Känguru. "Hast du die etwa gegessen?!" Er klang so zornig und vorwurfsvoll, dass ich allein aus Reflex den Kopf schüttelte, doch der rote Saft um meinen Mund strafte meine Worte sofort Lüge. Seine Miene verfinsterte sich zusehends und bald hatte Kaibas Gesicht Gewitterwolkencharakter. Er schlug so ruppig gegen meine Jacke, dass sich unter meinen Finger wegrutschte. All meine Arbeit von 1 1/2 Stunden kriechender, krauchender Weise im Unterholz ergoss sich auf den Waldboden. Jetzt fühlte ich mich wie ein misshandeltes Känguru. "Hey!" protestierte ich gekränkt. Hatte er überhaupt eine Ahnung, was er da gerade wegwarf? "Das war anstreng-", weiter kam ich nicht. "Spuck sie aus!" blaffte er mich an. "W... wie bitte?" Schockiert starrte ich ihn an. "Sie sind giftig, übergeb' dich!" "WAS?" Ich wusste nicht genau, was mich mehr erschrecken sollte, die Tatsache, dass ich giftige Beeren gefuttert hatte, oder dass Kaiba verlangte, dass ich ihm vor die Füße kotzte. "I-ich kann nicht", wandte ich dann vorsichtig ein. "Außerdem waren sie ganz lecker, die sind bestimmt nicht gif-" "DISKUTIERE NICHT, TU WAS ICH DIR SAGE!" Überrascht stolperte ich nach hinten. Kein Grund laut zu werden! ,Tu was ich dir sage!' Oh, das war ja so typisch für ihn! Schon aus Protest würde ich keine einzige der roten Kugeln freiwillig wieder hergeben. Dieser Fatzke sollte sich bloß nichts einbilden! Ich kotzte, wann ICH wollte, nicht wenn er pfiff. Unter seinen Stiefeln zerplatzten die kleinen Früchte, als er auf mich zukam. Irgendwie- und ich hätte mir eher die Zunge abgeschnitten, als ihm das zu sagen- wirkte er bedrohlich, so wie er sich förmlich an mich heranpirschte. "H-hey", ich rang mir ein Lachen ab, von dem ich hoffte, dass es optimistisch und versöhnlich klang, "wenn ich sage, dass du zum Kotzen bist, dann meint ich eigentlich nicht..." "JETZT, JOEY!" Huh, wie ungewohnt, von ihm mit dem Vornamen angesprochen zu werden... dabei hatte ich es ihm selbst erlaubt. Trotzdem merkwürdig. Zeit zur Flucht... nein, keine Flucht, dass käme ja einer Kapitulation gleich. Nennen wir es lieber einen strategischen Rückzug. Ich wirbelte auf dem Absatz herum, beschloss, ihm nicht mehr zu nahe zu kommen, bis er von seinem "Onkel Docktor"-Trip runter war. Es reichte mir, einmal für seine nicht vorhandenen, orthopädischen Experimente hergehalten zu haben. Wenn Kaiba sich als Arzt verwirklichen wollte, dann an einer anderen, bemitleidenswerten Kreatur. Doch weder das Schicksal noch mein Klassenkamerad waren mir gnädig. Anscheinend hatte er sich mich als Versuchskaninchen ausgesucht und würde mich in nächster Zeit auch nicht mehr hergeben. Arme wickelten sich von hinten um meine Taille, rissen mich zurück, bevor ich ganz entkam. Ich prallte gegen ihn, schnappte überrumpelt und empört nach Luft. Was bildete sich dieser ... dieser... dieser Kerl eigentlich ein? Ich war keiner seiner kleinen Angestellten, die er rumzotteln konnte, wie er wollte. "Pfoten weg!" zischte ich wütend, zappelte. Doch diesmal glich sein Griff mehr einem Schraubstock, als einem Menschen. "Wenn du nicht willst, muss ich dich eben zwingen." Das klang wie ein Versprechen, ein sehr unangenehmes Versprechen. Schmerzhaft war es außerdem. Ich spürte, wie seine Faust an meinem Bauch ein Stück höher rutschte, bevor er sie mir mit aller Gewalt in die Magengegend drückte. Erstickt keuchte ich auf. Für ein paar Beeren schlug er mich, aber wenn ich ihn zu Boden rang, blieb er kalt wie ein Fisch. War das nun seine verspätete Rache, oder wollte Kaiba etwa allen Ernstes erreichen, dass ich ihm auf die Designerschuhe kübelte? Ein zweiter Schlag, noch besser gesetzt, mir wurde schlecht. "Nicht!" fauchte ich schwach, trat nach ihm, versuchte ihm meinen Ellenbogen ins Gesicht zu rammen, aber ich hatte den Arm noch gar nicht erhoben, da rammte er mir seine Faust ein drittes Mal in den Magen. Die Luft wurde mir aus dem Leib gepresst, ich klappte nach vorn über, wäre gefallen, hätte er mich nicht gehalten. Ein Halt, auf den ich liebend gern verzichtet hätte. "Komm schon", Kaiba, der kühle, arrogante, gefühlsarme Kaiba, klang angespannt, beinahe flehend. Konnte es sein... ? Sagte er mir die Wahrheit und ich hatte mich mit meiner Mahlzeit tatsächlich selbst vergiftet, während er nun darum rang, das Zeug wieder aus meinem Körper zu bekommen? Zumindest war sein Vorhaben von Erfolg gekrönt. Bittre Galle und ein bisschen saure Beerensauce stiegen mir die Speiseröhre hinauf. Nein! Ich wollte nicht! Das war so eklig! Einen letzten, verzweifelten Befreiungsversuch startete ich noch, doch als auch dieser nicht den gewünschten Effekt zeigte, ergab ich mich meinem Schicksal. Zu etwas anderem war ich inzwischen auch gar nicht mehr fähig. Netter Weise hatte Kaiba mir den Pony aus dem Gesicht gehalten, während ich hemmungslos vor mich hinreiherte. Jetzt lag ich vollkommen erschlagen am Seeufer, fühlte mich dreckig, elend und misshandelt. Verdammter Sammlerschänder! Wenn das bei den Urmenschen auch so abgelaufen war, hätte ich mich ja freiwillig dem nächsten T-Rex in den Rachen gestürzt. Obwohl... waren Dino und Co da nicht lange ausgestorben? Mitten in diese steinzeitlichen, hochwissenschaftlichen Gedanken schob sich eine kühle, nasse Hand. Kaibas Hand... ich halluzinierte, ganz eindeutig. Ich meine, das KONNTE einfach nicht der widerwärtige, großkotzige - nicht ans Kotzen denken!- überhebliche Firmenchef sein, der mir soeben mit einem kalten Lappen über den Mund wischte. Moment, kalter Lappen? Woher... mein schönes Shirt! "Ich hasse dich", krächzte ich heiser, sobald er sich zurückzog. "Weiß ich", kam es ruhig und kein bisschen getroffen zurück. Vielmehr klang er, als nehme er mich nicht ganz ernst. "Ich meine das ernst." "Okay." War dieser Mensch denn durch nichts aus der Reserve zu locken? Ätzend! Ätzend wie... Magensäure... nicht dran denken, Joey, einfach nicht dran denken. Müde schloss ich die Augen, mein Kopf ruhte schwer auf meinem Unterarm. Schlafen, einfach nur schlafen und vielleicht nie wieder aufwachen. Im Moment schien mir diese Aussicht richtig verlockend. "Glaubst du, dass wir hier sterben?" flüsterte ich nach Minuten des drückenden Schweigens. Stille. Kaiba schien zu überlegen, sein Kopf lag leicht schräg, die hellen Augen hatte er auf einen mir nicht erkenntlichen Punkt in der Ferne gerichtet. Jetzt könnte er seinen Röntgenblick doch einmal nützlich einsetzen und einfach durch Wald und Strauch hindurchschauen bis zu unserer Herberge. "Nein", antwortete er schließlich fest und irgendwie gefiel mir dieses Nein extrem gut, es klang tatsächlich, als meinte er, was er sagte. "Mit dir hätte ich auch nicht sterben wollen", ein blasses Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Zu meiner Überraschung erwiderte er es schwach und wie immer ein wenig ironisch. "Seltsam, ich könnte mir keine bessere Sterbebegleitung vorstellen. Wenn ich dich so ansehe, komme ich mir selber nicht mehr so armselig vor." "Arsch", fauchte ich unleidlich, im Augenblick jedoch zu erschöpft, um mich richtig mit ihm zu streiten. Das sah mein Klassenkamerad wohl auch, denn er beließ es dabei, ließ sich nach hinten fallen und stützte sich auf den Ellenbogen ab. Wie er so halb dalag, wirkte er beinahe entspannt. Auch sonst entsprachen der fleckige Mantel, das zerzauste Haar und sein schmutziges Gesicht so ganz und gar nicht dem Bild, dass ich sonst von ihm hatte. Wie so ein bisschen Grün aus einem Bürohengst einen Naturburschen machen konnte. Fehlte nicht mehr viel, und er kehrte zurück zu den Wurzeln. Kaiba im Lendenschurz? ... huh! Es gab Dinge, die wollte man sich einfach nicht vorstellen. Andererseits- Aus, Joseph! Pfui, böse Gedanken! "Wheeler?" "Hm?" "Wir müssen weiter." "Aber", träge hob ich den Kopf, "doch nicht jetzt." "In drei Stunden geht die Sonne unter, da will ich eigentlich wieder im Heim sein." Ich fuhr auf, ein bisschen zu schnell, denn die Welt schoss Kabolz vor mir. Stöhnend presste ich mir den Handrücken gegen die Stirn, glaubte, im Augenwinkel zu sehen, wie seine Hand für den Bruchteil einer Sekunde vorschoss, als wollte er sie stützend nach mir ausstrecken. Unsinn! Er doch nicht, der eben noch dafür gesorgt hatte, dass ich auf den Waldboden ge... nun ja. "Du weißt, wo wir lang müssen", presste ich aufgeregt hervor, auch wenn bunte Schleier vor meinen Augen tanzten. "Natürlich", ich horchte auf, "nicht." Enttäuscht sackte ich wieder zurück. "Aber wir müssen weiter", drängelte mein unfreiwilliger Begleiter, "wenn wir hier rumsitzen, kommen wir nie zu den anderen und ich weiß nicht, wie lange ich dich noch davor bewahren kann, dich selbst umzubringen", fügte er mit beißendem Spott hinzu. Danke, du Mistkerl, genau das hat mir jetzt noch gefehlt. Mach mich fertig, ich liege ja nur schon am Boden, wortwörtlich. "Dann geh doch", fauchte ich giftig und beleidigt, "ich brauche dich nicht! Geh doch und such die anderen, ich bleibe hier." Einen winzigen Moment lang sah er tatsächlich aus, als sei er entrüstet genug, aufzustehen und auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden, dann packte er mich an den Schultern, zog mich auf seine Höhe. "Jetzt hör mir mal gut zu, du selbstmordgefährdeter, unfähiger Trottel." Oh, hatten wir heute unseren ganz besonders Freundlichen? "Sobald wir hier raus sind, siehst du mich nie wieder näher, als aus drei Metern Abstand, das werde ich gerichtlich durchsetzen lassen." Zuviel der Mühe, ich würde ihn nicht einmal mit einer Kneifzange anfassen! "Aber wir haben das hier angefangen und wir werden es bis zum Ende durchhalten- zusammen!" Gegen meinen Willen beeindruckten mich seine letzten Worte. Kaiba konnte ja richtig vernünftig und erwachsen klingen, wenn er wollte. Von der Sache mit dem Gerichtsurteil mal abgesehen. Dennoch schob ich trotzig die Unterlippe vor, drehte demonstrativ den Kopf weg. "Pah!" "JO- WHEELER! Jetzt sei doch nicht blöder, als du aussiehst." "Ich hab genug von dir. Von dir, mit deiner hochtrabenden, arroganten Art, deinen ständigen Beleidigungen und es geht mir echt gegen den Strich, dass du auf alles, das ich tue, mir einem spöttischen Grinsen antwortest! Hau doch ab und sieh zu, wie du allein klarkommst, ICH komme prima allein zurecht." Noch schöner wäre es natürlich mit meinen Freunden. Dann könnte Tristan dämliche Witze reißen, Yugi um unser Abendbrot fürchten du Thea pragmatische Betrachtungen unserer Lage anstellen. Dann wäre ich nicht allein mit dem da! War es nicht besser, auf sich gestellt zu sein, als mit seinem Feind durch die Gegend zu tapern? Tief in mir sagte eine kleine Stimme, dass sogar das sinnvoller wäre, als auf gut Glück einsam wie Hänsel und Gretel durch das Dickicht zu stapfen. Denn ich war weder Indianer Jones noch Lara Croft und höchstwahrscheinlich hielt ich keine zwei Tage mehr durch, bevor ich entweder an einer giftigen Pflanze oder einem Wolf zu Grunde ging. Aber ich mochte nicht sterben! "Nein", entgegnete er nach einer halben Ewigkeit, sehr schlicht und unmissverständlich und eigentlich war ich ihm dafür verdammt dankbar. Denn ich wollte nicht wirklich allein sein. Nur weiterhin beleidigen durfte er mich auch nicht, nicht nachdem er sich so was geleistet hatte, gleich ob es für meine Gesundheit war, oder nicht. "Na komm, sei einmal nicht der sture Esel, für den ich dich halte." Kaiba stand auf, klopfte sich umständlich den Mantel ab. Nicht, dass es wirklich was gebracht hätte. Er war in ungefähr so dreckig, wie ich mich fühlte... na ja, vielleicht nicht ganz. Unmotiviert blieb ich liegen, drehte ihm den Rücken zu. "Ach, geh doch hin, wo der Pfeffer wächst." Er ging tatsächlich, allerdings vor mich, starrte eine Weile kühl auf mich herab. Den Blick kannte ich schon, da legte Kaiba alle Verachtung rein, die er aufbringen konnte und bei mir schien das eine ganze Menge zu sein. "Was?" murrte ich trotzig, als er auch weiterhin nichts sagte, mich nur stumm in Grund und Boden stierte. "Ich werde keine Schuldgefühle bekommen!" informierte ich ihn, "So gemein, wie du immer zu mir bist, darfst du dich nicht wundern, wenn ich auch... wenn ich auch... verdammt, schau mich nicht so an, es tut mir nicht leid, okay! Es tut mir nicht leid, es... ach fuck", frustriert schlug ich mit der Faust auf den weichen Boden, "Entschuldigung." Sein Gesicht hellte sich schlagartig auf, die Schlechtwettermiene wurde zu dem überheblichen Grinsen, dass ich hassen gelernt hatte. Aber irgendwie war mir selbst das noch lieber, als der eisige, wütende Blick. "Na geht doch, Hundi, und jetzt sei ein braves Köterchen und komm bei Fuß." Und dann tat Kaiba, der fiese, miese Kaiba, etwas, mit dem ich nie gerechnet hätte: Er streckte mir dir Hand entgegen. Nachwort: Herzlichsten Dank an mein Lieblingszebi für's Betan! *umflausch* Ansonsten hoffe ich, es hat euch ein bisschen eure lange Ferienzeit vertrieben und die armen Socken, die noch Schule haben, hatten auch ein bisschen Spaß ^^. Bis zum nächsten Kappi, ihr Lieben! Kapitel 6: Hobbies ------------------ Vorwort: Bitte seid nicht böse, dass es so lange gedauert hat, ich brauchte die Zeit wirklich, um ein paar neue Sachen auszuprobieren. Für mich war diese Auszeit wichtig und es ist schöner, wenn ich mit neuem Elan an ein nächstes Kapitel gehen kann, als lustlos eines hinzuklatschen, nicht wahr? Ich möchte mich ganz herzlich bei all den treuen Lesern bedanken, die so viel Geduld mit mir hatten. Ihr seid wirklich wunderbar und ohne euren Enthusiasmus und eure liebe Unterstützung wäre ich vor diesem Mammutprojekt schon längst in die Knie gegangen. Insofern gebührt dieses Kapitel einzig und allein euch! *umarmt alle* Falle? Achtung Kamera? Wo war der Trick? Zögernd, ganz vorsichtig hob ich die Hand, wagte es, die seine mit den Fingerspitzen anzustupsen. Nichts geschah, er zog sich noch nicht einmal zurück, musterte mich nur mit einem Ausdruck höchster Belustigung. „Sie beißt nicht, Köterchen“, seine Stimme hatte etwas Lockendes… Lauerndes? Säuerlich schaute ich zu ihm hoch. ,Beißt nicht- hahahaha’... ich aber gleich! Trotzig ignorierte ich die ausgestreckten Finger, stemmte mich aus eigener Kraft hoch. „Hast du, von meiner ständigen Demütigung mal abgesehen, kein anderes Hobby? Gymnastik, oder so?“ „Nein“, kam es ungerührt zurück. Missmutig verschränkte ich die Arme vor der Brust. Zugegeben, die Vorstellung von Seto Kaiba im hautengen Fitnessdress war schon ein wenig… gewagt. „Aber jetzt mal ehrlich, was machst du gern?“ „Ich leite eine Firma, was soll die dumme Frage?“ Der Typ war zum Haareausreißen! Seine natürlich, nicht meinen heißgeliebten Wischmopp. „Ja, ich weiß, du bist von Beruf aus Mistkerl, aber das mal weggelassen: Was tust du in deiner Freizeit?“ „Hab keine.“ Als wäre er giftig, wich ich einen Schritt zurück, knurrte ärgerlich. Warum musste er nur aus allem, das seine Person betraf, so ein riesengroßes Mysterium machen? „Was soll das heißen? Jeder Mensch hat Hobbies, du kannst nicht keine haben!“ „Um was wollen wir wetten?“ „Aber... aber“, irritiert und irgendwie beleidigt sah ich ihn an, „es muss doch etwas geben, das du gern tust.“ Auf seltsame Art und Weise verletzte es mich, dass er mir so wenig vertraute. … klar, rational gesehen gab es keinen Grund, warum er mir von sich erzählen sollte, warum Kaiba riskieren könnte, auch nur ein winziges Fitzelchen seiner ach so streng geheimen Privatsphäre preiszugeben, aber Himmel Herr Gott noch mal!, ich hatte doch nur nach seiner Freizeitgestaltung gefragt, nicht nach seiner Unterwäsche- die mich im Übrigen auch gar nicht interessierte... obwohl... Boxer oder... Joseph, Schluss damit! Auffordernd schaute ich Kaiba an, wartete, dass er mir antwortete, doch der Herr zog es vor, sich in Schweigen zu hüllen. Wie ich das hasste! „Wenn ich es errate, nickst du dann wenigstens?“ Mein Gott, wie albern war ich und zu was ließ ich mich hier herab? Konnte mir doch egal sein, ob er gern Schmetterlinge mit Nadeln erdolchte oder bei Regen dreimal nackt um seine Riesenvilla joggte... auch wenn ich das gern mal gesehen hätte... aus rein wissenschaftlichem Interesse natürlich! Und vielleicht, um einen kleinen Schnappschuss zu machen, mein Sparschwein musste dringend mal wieder gefüttert werden und mir fielen aus dem Stand mindestens drei große Zeitungen ein, deren Reporter sich den linken Arm für ein Akt von Kaiba abhacken würden. Der neigte den Kopf hin und her, was so ziemlich alles heißen konnte. Ich war gewillt, es als "Ja" aufzufassen. „Briefmarken?“ begann ich bei der langweiligsten Beschäftigung, die mir nur einfiel. Ein stummes Kopfschütteln. „Golfen?“ Passte eigentlich ganz gut zu einem versnobten Jungmillionär wie ihm. Kaiba schnaubte verächtlich. Dann eben nicht. „Hm, ich... warte, warte, gib mir ´ne Sekunde, wie wäre es mit... Filmen, ja, du magst doch bestimmt gute Filme!“ Keine Reaktion. War das ein gutes Zeichen? Ich beschloss, in der Richtung weiterzumachen. „Hey Kaiba, welchen Film hast du zuletzt gesehen?“ „Den Beutefang des Hechts.“ Deep blue sea? Ich suchte fieberhaft nach einem Film, der auch nur ansatzweise zu dem von Kaiba genannten Namen passen könnte und landete schließlich im Biologieunterricht des letzten Jahres. „Du verarschst mich“, knurrte ich angepisst. Das war gemein! Wenn er dem Spiel schon zustimmte -na ja, eigentlich hatte ich ja mehr beschlossen, dass er zustimmte, aber er hatte auch nicht Nein gesagt und das war fast so gut wie Ja-, dann musste er auch ehrlich sein. Merkwürdiger Weise schien jedoch auch er gekränkt zu sein. „Warum sollte ich? Du hast mich gefragt und ich hab dir geantwortet. Ist doch nicht meine Schuld, dass ich keine Zeit habe, für jede minderbemittelte Superman-Neuinterpretation ins Kino zu rennen, wie du und dein dämlicher Kindergarten!“ Hey, nichts gegen Superman! Der Film war klasse gewesen und Clark Kent mein großes Vorbild… na ja, er war nicht blond und ich nicht zwei Meter Zehn groß… und Löcher konnte ich mit meinem Zornesblick höchstens in meine Lehrerin, nicht aber in Stahlwände brennen, aber von all diesen Kleinigkeiten einmal abgesehen, waren wir uns verdammt ähnlich! Außerdem war er ein cooles Idol, schließlich hatte er alles, einen Job, Ruhm, Ehre und er bekam zum Schluss sein Mädchen. Obwohl ich es vorziehen würde, dafür nicht gegen ein ganzes Bataillon von Superschurken antreten zu müssen. Apropos Superschurke, das brachte mich doch wieder zu Kaiba. Skeptisch runzelte ich die Stirn, als mir ein ganz und gar unsinniger Gedanke kam. „Warst du etwa noch nie in einem Kino?“ Er schnaubte. „Mach dich nicht lächerlich, Wheeler, mir gehören fast alle Kinos dieser Stadt. So wie sämtliche andere Freizeiteinrichtungen, die sie auch nur entfernt für mein Spiel eignen.“ Alter Angeber! „Na und? Nur weil du sie besitzt, heißt das noch lange nicht, dass du sie auch kennst.“ „Ich war auf jeder Eröffnungsfeier.“ Unwirsch wedelte ich diese Anmerkung fort. „Das ist doch was ganz anderes. Ich wette, du hast dir noch nie einen Film angeschaut, wie es für normale Jugendliche üblich ist. Ich wette, du warst noch nie an einem Samstagabend vor einem Date so aufgeregt, dass du vor lauter Nervosität zwei verschiedene Schuhe angezogen hast.“ Ein spöttisches Lächeln machte sich auf seinen schmalen Lippen breit, doch ich ignorierte es gnädig und fuhr unbeirrt fort: „Ich wette, du hast keine Ahnung, wie frisch gemachtes Popkorn riecht, wenn man das sündhafte teuere Zeug in einen großen Pappbecher geschaufelt bekommt. Und sicher weißt du auch nicht, wie unglaublich nervig Kinowerbung werden kann, wenn man sie zum dritten Mal sieht und man doch nicht auf sie verzichten möchte, weil sie eben dazugehört.“ Ich wollte noch weiterreden, hatte mich richtig in Fahrt gequatscht, doch Kaibas gewohnt kühle Stimme unterbrach mich schnarrend. „Das ist ja alles sehr rührend, Wheeler. Aber ich sehe wirklich nicht, welchen praktischen Nutzen so ein Abend voller überzogener Dramatik und schlecht inszenierten Handlungen haben sollte.“ „Nutzen“, echote ich verächtlich, „es muss nicht alles einen Nutzen haben, Kaiba.“ „Das sehe ich aber anders.“ „Spaß ist das Gebot!“ Wieder so ein unwilliges Krausziehen der Nase. Sexy- wenn es nur nicht gerade Kaibas Nase wäre. „Ich weiß alles, was ich schon immer über Spaß wissen wollte: gar nichts.“ Entsetzte starrte ich ihn an. „Oh Gott, wie traurig!“ „Wie bitte?!“ „Na, das war so ne spontane Reaktion auf…“ „Mich etwa?“ Nicht direkt. Eher auf seine Art zu leben. Immer allein, immer in der Firma und, ich wagte kaum, es auch nur zu denken, ganz ohne Spaß. Wie grausam! Oft hatte ich Kaiba ja um sein Geld beneidet und ich hätte nach wie vor gern etwas davon abbekommen, aber nicht um diesen Preis. Nicht, wenn ich dafür all das Vergnügen aufgeben müsste, das man ja doch ab und an als Schüler hatte, ganz gleich, wie übel die Lehrer einem mitspielten und wie zickig Mädchen sich haben konnten, wenn man mal ein, zwei Stündchen zu spät kam. An sich, so von den kleinen und großen Katastrophen abgesehen, war ich zufrieden. Und wenigstens versauerte ich nicht hinter einem Schreibtisch von den Ausmaßen eines Bettes. … nein, ich tat das ganz gepflegt in der Pampa. Mit Kaiba an meiner Seite. Schöner hätte es eigentlich nicht kommen können. Oder doch, Malik fehlte eigentlich noch zu meinem Glück. Der und sein durchgeknalltes Psychogehabe inklusive Millenniumsgegenstand. Allerdings machte der Umstand, dass es noch ein wenig schlimmer hätte kommen können, Kaiba nur wenig erträglicher. „Wheeler, ich sage dir, wenn du es wagen solltest, dich über mich lustig zu-“ „Was?“ Richtig, ich war schon wieder so in meine düsteren Gedanken versunken gewesen, dass ich mein größtes Problem glatt vergessen hatte. „Ignorierst du mich?!“ „Nein! Nein, nein… vielleicht. Ich war gerade… ich habe nachgedacht.“ Er schnaubte, wollte zu einem ohne Zweifel hämischen Kommentar ansetzen, doch ich fuhr ihm dazwischen. „Du bist echt bedauernswert, dass du noch nie im Kino warst.“ „Ich war schon-“ Ich winkte ab. „Ja, ja. Aber du hattest keinen Spaß drin und das ist es, was beim Kino eigentlich zählt. Das werde ich dir auch beweisen!“ „Ach?“ Eine Augenbraue hob sich spöttisch. „Ja. Sobald wir hier wieder rausfinden, wenn wir denn hier rausfinden-“ „Natürlich tun wir das!“ „So optimistisch kennt man dich gar nicht“, Zeit für eine kleine, stichelnde Randbemerkung musste sein, „Also WENN wir denn hier rauskommen, gehe ich mit dir ins Kino. Und du kommst mit!“ Hau, Joey Wheeler hat gesprochen! Enthusiastisch fischte ich mein Shirt vom Boden und warf es mir sehr cool und James Bond, mein zweites, großes Vorbild, like über die Schulter. Kaiba betrachtete mich nur skeptisch und wie er so dastand, in seinem grün-braun gefleckten Mantel, den so ganz und gar nicht mehr kaibamäßigordentlichen Haaren und diesem gewissen Ausdruck in den Augen, als fürchtete er, vergiftet zu werden – und das, wo ich hier der Mann mit der Nahtoderfahrung war-, sah er beinahe ein bisschen verloren aus. Doch das behielt ich für mich, denn er hätte das natürlich ganz anders gesehen. Aufmunternd und ein wenig dreist grinste ich ihn an. „Die meisten Leute freuen sich, wenn sie von mir eingeladen werden.“ „Pff“, sofort kehrte dieser blasierte Zug um seinen Mund zurück, „ich bin eben nicht die meisten Leute.“ Wie wahr, wie wahr. Kaiba war wirklich ein Unikat. Das war auch ganz gut so, denn noch einen wie ihn hätten ich und die Welt wirklich nicht ertragen- zu nervenaufreibend. „Außerdem will ich dir nicht deine letzten, verflohten Kröten aus der Tasche ziehen. Wer weiß, was du für die alles machen musstest und wo die vorher überall waren.“ „Hey, Geld stinkt nicht. Das wussten schon die alten Griechen.“ „Römer, das hat ein Römer gesagt. Um genauer zu sein Kaiser Ves-“ „Siehst du, wenn die das schon wussten, dann muss das richtig sein.“ Er schüttelte nur stumm den Kopf. Was war das, dass Kaiba jedes meiner Worte automatisch für eine Riesendummheit hielt? … vermutlich was Persönliches. Trotzdem ungerecht. Ich wusste vielleicht nicht, wie viel Prozent Umsatz seine Firma im Jahr machte, oder wo genau nun Großbriwasauchimmer lag, aber so freundschaftsmäßig konnte er echt noch ne Menge von mir lernen! Wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen ging, war ich ganz groß und nur knapp hinter Yugi, aber das war auch in Ordnung. So selbstlos wie mein kleiner Freund konnte kein Zweiter sein. Und so einen verqueren Modegeschmack gab es auch nicht noch einmal auf dieser Welt. Überhaupt wollte ich mal wissen, warum Kaiba sich nicht an Yugis Lederoutfit, dafür aber ganz gewaltig an meinen Haaren störte. Nur, weil sie ein bisschen ungeschnitten waren. „Ich werde mich weigern“, gab Kaiba nach einem Moment des Schweigens zu bedenken. „Das macht nichts. Wäre ja nicht so, dass ich sonst auf dich hören würde“, optimistisch nickte ich ihm zu und tat schließlich etwas, für das er mir in einer anderen Situation, sprich nicht mutterseelenallein in diesem fremdem Stückchen Land, vermutlich alle Finger gebrochen oder mich zumindest bis ins Grab verklagt hätte: Ich schlug ihm kumpelhaft gegen die Schulter. Leider missverstand Kaiba diese freundschaftliche Geste gänzlich. Entsetzt fuhr er zu mir herum, hielt sich wie vom Donner gerührt die Schulter und starrte mich an, als wolle er mich fressen. „Hast du sie nicht mehr alle?!“ fauchte er. Abwehrend hob ich die Hände. „Jetzt reg dich nicht auf.“ „Du schlägst mich aus heiterem Himmel und ich soll mich nicht aufregen?“ „Das war kein Schlagen.“ Er schnaubte verächtlich. „Natürlich nicht, ich hab mir das eingebildet.“ „Das war ein kumpelhaftes Klapsen.“ „Ich glaube, bei dir klapst auch was.“ „Das macht man unter Freunden so.“ Für einen Moment ließ er die Hände sinken, starrte mich noch entgeisterter an, als er es bei dem vermeintlichen Schlag getan hatte. „Freunde?“ „Ja“, langsam wurde ich ungeduldig. Es wurde nicht besser davon, dass er alles wiederholte, was ich sagte und noch dazu in diesem Ton. „Das sind die Menschen, mit denen man seine Freizeit verbringt, mit denen man lacht.“ Kaiba verzog das Gesicht, als hätte ich etwas Unanständiges gesagt. „Ich dachte, wir hätten geklärt, dass ich für solchen Quatsch keine Zeit habe.“ „Du bist stinkreich! Wenn nicht du, wer hat dann noch Zeit für Freunde und Spaß?“ „Meine Firma…“ „Scheiß auf deine Firma, selbst wenn sie morgen Bankrott geht, können sich vermutlich noch deine Enkel von deinem Geld nen Bunten machen… dazu müsstest du allerdings erst einmal Kinder haben. Hey Kaiba, willst du Kinder?“ Er verdrehte die Augen gen Himmel und sah verdächtig danach aus, als würde er ein Stoßgebet zu selbigem schicken. „Um Gottes Willen, Wheeler! Kann man dich irgendwo ausschalten?“ Stolz warf ich den Kopf in den Nacken. „Nope, ich bin nicht aufzuhalten.“ Mein unfreiwilliger Begleiter seufzte leise. „Ich merk’s“, dann hob er fragend eine Braue- Neid!, „Was ist jetzt, können wir jetzt endlich weitergehen?“ und nachdrücklich, beinahe verzweifelt fügte er hinzu: „Bitte.“ Einen Moment lang zierte ich mich noch, dann nickte gnädig. „Ist gut, aber du musst dir bei jeder zweiten bösartigen Bemerkung auf die Zunge beißen!“ „Was für bösartige Bemerkungen?“ „Oh, nun tu nicht so unschuldig! Die, die du ununterbrochen von dir gibst.“ „Das ist doch nicht bösartig. Du weißt meinen Humor einfach nicht zu schätzen.“ „In der Tat, weil er nämlich andauernd auf meine Kosten geht!“ Missmutig verzog ich den Mund. „Dann solltest du vielleicht eher etwas an deinem Auftreten ändern.“ „Mein Auftreten“, patzte ich zurück, „ist perfekt, wie es ist. Und zu deiner Information, es gibt einen Haufen Menschen, die mich genau dafür schätzen!“ „Ich weiß“, sein Ton klang beinahe versöhnlich. Wahrscheinlich hatte er es einfach nur satt, mit mir rumzudiskutieren. Schlussendlich kamen wir dann doch noch dazu, den See mit seinem Rau-Zeit-Loch und allen Ungeheuern hinter uns zu lassen… das hieß, ein Ungeheuer hatte ich immer noch an meiner Seite, aber das war vorher auch schon da gewesen und im Augenblick verdächtig friedlich. Misstrauisch ließ ich ihn nicht aus den Augen, doch Kaiba antwortete auf meine bohrenden Blicke nur mit einem ruhigen, irgendwie abgeklärten Lächeln. Na schön, Kumpel, Waffenstillstand. Ich war ja immer mal für was Neues zu haben. „Wow, der Wahnsinn! Guck doch mal, Kaiba, nun guck doch mal!“ Wir standen auf einem kleinen Berg („Hügel“, hatte Frosty fachmännisch geurteilt, doch bei der Besteigung fühlte sich das ganz anders an… was natürlich auch an meinem ehemals gebrochenen Knöcheln liegen konnte) und blickten auf den Wald hinab. Oder den Teil, durch den wir zuvor stundenlang gelatscht waren. So weit waren wir also schon gekommen! Hinter uns versank langsam die Sonne und an sich war das alles auch ziemlich beeindruckend, vielleicht sogar romantisch, doch zu meinem Glück fehlte mir noch das Herbergshaus, von dem man auch auf der Anhöhe weit und breit keine Spur entdecken konnte. Vielleicht hatten sie es umgesetzt. Oder der See war nicht der einzige Ort mit einer Verhschiebung im Raum-Zeit-Gefüge. Möglicherweise waren wir, ohne es mitzubekommen, durch ein Dimensionsloch gewandert und befanden uns jetzt wieder im Mittelalter… oder so. Ich teilte meine Gedanken Kaiba mit, der sich heftig ein Lachen verbeißen musste. „Glaub mir, Wheeler, darüber musst du dir nun wirklich keine Sorgen machen.“ „Ich finde, dass diese Überlegung einen Gedanken wert ist“, beharrte ich. Ungeduldig schüttelte er den Kopf. „Hör auf zu spinnen und komm. Bis zum Sonnenuntergang haben wir sicher noch eine halbe Stunde Zeit.“ „Warte doch mal!“ „Mensch, Junge! Die Aussicht ist schön, ja, aber ich hätte heute Nacht gern wieder ein Bett und ne Zahnbürste.“ „Du kannst nen Kaugummi haben“, bot ich, wie ich fand übermäßig großzügig, an. Vor allem, wenn man das Fiasko mit dem Schokoriegel bedachte! Ähnliches musste auch Kaiba durch den Kopf gegangen sein, denn mit kritisch gehobenen brauen fragte er: „Hat der ebenso viel Zeit wie dieser Riegel bei dir verbracht?“ „Öhm“, ich zog einen der schmalen, weißen Streifen heraus, bog ihn. „Also er lässt sich noch formen.“ “Das heißt?“ Ich grinste. „Kennst dich mit Kaugummi nicht so aus, hm?“ Er verzog ironisch das Gesicht. „Tut mir schrecklich leid, ich habe mich auf andere Bereiche spezialisiert.“ „Aha, auf welche denn?“ “Zum Beispiel Tiermedizin.“ Irritiert sah ich ihn an. „Echt jetzt?“ „Na, deinen Knöchel habe ich doch ganz gut wieder eingerenkt, Welpe.“ „Boah, denk dir was Neues aus, ja? Der Hundewitz hat schon so einen“, dabei machte ich eine weit ausladende Geste vor meinem Kinn, „Bart.“ „Dafür regst du dich aber immer noch genauso wie am ersten Tag darüber auf“, entgegnete er gutgelaunt. „Dann keinen Kaugummi für dich. Ätsch!“ Demonstrativ langsam und genüsslich wickelte ich das Papier ab, schob mir den Pfefferminzstreifen schließlich in den Mund und seufzte zufrieden. „Du weißt ja gar nicht, was du verpasst.“ Der Jungunternehmer zeigte sich wenig beeindruckt. „Ob du es glaubst oder nicht, auch ich habe in meinem Leben schon billige Kaumasse mit Aromastoffen zu mir genommen.“ Sofort hörte ich auf, so demonstrativ auf dem Zeug herumzugnatschen, schob es vorsichtig mit der Zunge im Mund umher. „Also, du kannst einem auch echt alles vermiesen.“ „Das ist mein Lebenssinn.“ „Du solltest dir wirklich ein Hobby suchen, Kaiba!“ Sein Lächeln war sanft, doch in seinen Augen blitze es spöttisch. „Ich habe doch dich.“ Nachwort: Auf das nächste Kappi müsst ihr nicht wieder ein Jahr warten… wahrscheinlich war’s sogar mehr. Es tut mir wirklich leid! Nochmals vielen Dank an alle, die mir trotz der langen Zeit treu geblieben sind ^^. Um noch ein paar Fragen zu beantworten: Wann kommen Kaiba und Joey endlich aus der Wildnis? Vermutlich im übernächsten Kapitel… oder in dem darauf. Aber es dauert nicht mehr lange ^^. Langsam sind auch die Naturklischees ausgeschöpft ^^. Wann haben sie endlich Sex? -////- Öhöm… wenn ich mal betrunken bin und keine Hemmungen mehr habe *koff*. Verzeiht, ich tue mich ein bisschen schwer mit Lemons, aber wenn es mir passend erscheint, wenn sich zwischen den beiden etwas entwickelt hat und es für die Story gut ist, dann werden sie sicher auch mal übereinander herfallen^^. Wann schreibst du das nächste Kapitel? ^^° Bitte nicht drängeln. Es bringt sowieso nichts, außer, dass es eventuell eine Schreibblockade verursacht. Habt Geduld mit mir, auch wenn es schwer ist ^^°. Jedes liebe Kommi mit Verständnis ist dreimal inspirierender, als Morddrohungen, wenn das nächste Chappi bis Tag XY nicht da ist. Umarmung, Azra Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)