Guten Feinden gibt man(n) ein Küsschen von Azra ================================================================================ Kapitel 4: Badespaß mit Entengrütze ----------------------------------- Vorwort: Sonne, Strand und Meer... das hätte ich jetzt gern. Es ist hier sogar richtig heiß, aber irgendwie weigert der Asphalt sich krampfhaft, sich in eine weiße Mittelmeerküste zu verwandeln. Und so sitze ich bis zu den großen Ferien an meinem heißgeliebten Computer und schreibe, wenn es mir einfach mal wieder überkommt *smile*. Viel Spaß mit den beiden Süßen! Badespaß mit Entengrütze "Das ist alles deine Schuld." "Fängst du schon wieder damit an?" "Weißt du, wenn du nicht immer so eine große Klappe hättest, wäre ich gar nicht hier." "Oh, du bist also nur meinetwegen mitgekommen. Na, was für eine zweifelhafte Ehre." "Das einzig Zweifelhafte hier bist du." "Bitte?!" "Sein wir mal ehrlich, du bist absolut kontraproduktiv-" "Oh, schmeißen wir mit Fremdwörtern um uns?" "Lässt du mich ausreden! ... kontraproduktiv. Du bist klein, lästig und verpestest deine Umgebung. Es ist schon eine Zumutung, dass jemand wie ich die gleiche Luft atmen muss." "Oh, tu dir keinen Zwang an, Luft haben wir hier ja genug." Darauf reagierte er nicht mehr, starrte nur finster geradeaus. Warum schafften wir es gleich noch mal nicht, auch nur eine halbe Stunde nett zueinander zu sein? Ein Blick zur Seite war mir Antwort genug. Richtig, da lief er, der meistgehasste Mensch auf dieser ganzen , verdammten, großen Erde, wobei verdammt groß nochmals betont werden muss. Wie lange latschten wir nun schon durch Theas "idyllische" Landschaft? ZU lange! Wahrscheinlich hätte sie selbst diesen Wald noch märchenhaft gefunden, irgendwie verzaubert und... romantisch. Ich schüttelte mich. Romantisch? Na ja, vielleicht, wenn man hier als Pärchen war und nicht mit seinem Erzrivalen den Weg nach Hause suchte. Doch, doch. Vielleicht hätten die großen Bäume, der goldrote Horizont und das absolut lästige.. ich wollte sagen, melodiöse Gekräch... Gezwitscher unserer gefiederten Freunde tatsächlich ein wenig Ausreißerromantik haben können, wenn nur nicht, ja wenn nur nicht gerade ER diesen einmaligen Moment vollkommender Ruhe mit mir verleben müsste. Mit einem süßen Mädchen, kein Problem, da traute selbst ich mir zu, ein paar poetische Brocken zusammenkratzen zu können, doch bei DEM Anblick verging einem sämtliche Poesie. Kaiba und ich schafften es einfach, aus allem ein Schlachtfeld unserer verbalen Kleinkriege zu machen, da bildete dieser ruhige Ort keine Ausnahme. Er legte einen Schritt zu und ich könnte schwören, er tat das mit Absicht, wo er genau wusste, dass ich noch ein wenig fußlahm war. "Nicht so schnell, Kaiba", blaffte ich unfreundlich. "Bei Fuß, Köter, Zeit ist Geld." "Im Augenblick hast du aber beides im Überfluss und ich habe einen Namen, Blödmann!" Er grinste nur süffisant. "Muss mir doch glatt entfallen sein." Während ich mich unter ein paar tiefhängenden Ästen wegduckte zischte ich ungehalten. "Warum bist du nur immer so... so..." "Unwiderstehlich?" "Nicht ganz das Wort, das ich gesucht habe. UnAUSstehlich träfe es wohl besser." Er wurde langsamer. Aha, für einen guten Streit wartete der Herr also auch. Fein, das würde ich mir merken. "Nicht traurig sein, Hundi, nicht jeder kann so viel Charme besitzen wie ich." Ich nickte zustimmend. "Da hast du vollkommen Recht, nicht jeder hat den Charme einer tiefgefrorenen Baumwollunterhose." Verbittert stapfte ich durchs Unterholz, Kaiba dicht auf den Fersen. "Seit wann bist du so schlagfertig geworden, Köter?" War das da ein Kompliment? Also, nicht so offensichtlich, aber hatte er gerade zugegeben, dass ich eventuell ein richtiger Gegner für ihn sein konnte? ... Dieser Gedanke sollte mich jetzt nicht so glücklich machen, richtig? Dennoch konnte ich nicht verhindern, dass ein breites Grinsen meine Mundwinkel auseinander zog. "Ich hatte einen guten Lehrer." Wenn er mit seltsamen Halbkomplimenten anfing, konnte ich auch welche zurückgeben. "Na ja, an deiner Erziehung muss ich zwar noch ein bisschen arbeiten", stimmte er gönnerhaft zu. Feixend schüttelte ich den Kopf. "Und ich hätte schwören mögen, meine Eltern haben etwas damit zu tun." "Dann haben sie auf ganzer Linie versagt." Ich drehte mich zu ihm um, ein wütendes Funkeln in den Augen. "Redest du etwa schlecht über meine Eltern, du Sackgesicht?" Keine Regung ging durch sein glattes, kaltes Gesicht. "Ich wusste nicht, dass man Tiere jetzt auch schon beleidigen kann." "TIERE?!" Mein Klassenkamerad setzte ein absolut widerliches und scheinheiliges Lächeln auf. "Also hör mal, Hundi, um eine kleine Töle wie dich zu erzeugen, braucht es..." Das reichte! Mich immer als Straßenköter und was weiß ich noch alles zu beschimpfen, das war eine Sache und an sich schon schlimm genug, aber nun noch über meine Eltern herzuziehen, die er im Leben nicht gesehen hatte, die ihm nie etwas getan hatten, DAS GING ZU WEIT! Mit einem heiseren Wutschrei stürzte ich mich auf ihn. Vergessen war mein verletzter Fuß und dahin das letzte bisschen Selbstbeherrschung, sowie der feste Vorsatz, das Beste aus unserer verkappten Situation zu machen. Ich wollte ihm einfach nur wehtun und da ich das mit Worten niemals so gut konnte wie er, mussten eben die Fäuste sprechen. Und die sprachen ... und wie sie das taten, ein Goethe war an ihnen verloren gegangen. "Warum hast du nicht zugeschlagen?" Wir saßen am Rande eines kleinen Sees, Tümpel traf er vielleicht besser, aber die Entengrütze hatte sich noch nicht über die gesamte Wasseroberfläche erstreckt, so dass ich eine relativ klare Stelle gefunden hatte, um mein Taschentuch darin einzutauchen, welches ich Kaiba soeben auf die blutende Nase drückte. Er antwortete nicht, starrte mich nur finster an. Ich kam mir schuldig vor, besonders, wo er die letzten Minuten kein Wort mehr mit mir gesprochen hatte, nur das Blut mit einer Hand aufgefangen, damit es nicht weiter auf seinen Mantel tropfte. Der war ohnehin um ein paar rote Tupfer bereichert worden. Da blieb nur zu hoffen, dass Persil hielt, was es versprach. Zurück zu meinen irrationalen Schuldgefühlen, die ich eigentlich gar nicht haben sollte. Alles Recht der Welt stand auf meiner Seite, diesem arroganten Fatzke mal einen Denkzettel zu verpassen. In langweiligen Stunden hatte ich mir bereits ausgemalt, wie es sein würde, Kaiba bluten zu sehen, doch nun, da ich es endlich geschafft hatte, wollte sich das überwältigende Triumphgefühl einfach nicht einstellen. Noch schlimmer, stattdessen plagte mich ein schlechtes Gewissen. Warum hatte er sich nur nicht gewehrt? Ich wiederholte meine Frage, doch auch diesmal schlug mir nur vorwurfsvolle Stille entgegen, während er das Tuch umdrehte. Also den mochte verstehen, wer wollte, ich tat es nicht! Unsere ganze, behütete Feindschaft über hatte ich geglaubt, es wäre auch ihm ein inniges Bedürfnis, mir eine reinzuwürgen und nur sein Stolz hielte ihn davon ab. So à là ,An einem dreckigen Straßenköter mache ich mir nicht die Finger schmutzig, das ist unter meinem Niveau.' "Du hättest mich schlagen können", merkte ich vorsichtig an. "Und dann?" Seine Stimme klang gedämpft und er näselte ein bisschen, doch das änderte nichts an seinem stechenden Blick, bei dem mir mehr als unbehaglich wurde. "Wie und dann? Na einfach so." "Warum sollte ich?" "Weil du es gekonnt hättest." Kaiba richtete sich ein bisschen auf, runzelte die Stirn, während die eisblauen Augen (Kaiba hatte eisblaue Augen? Schon immer gehabt? Oder warum war mir das vorher nicht aufgefallen?) es sich zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, mich in Grund und Boden zu starren. Sie machten ihre Arbeit gut, ich kam mir tatsächlich vor, als würde ich ein bisschen schrumpfen und die Erde unter meinen Knien schien verdächtig unsicher zu werden. "Sag mal, willst du, dass ich es nachhole?" Es klang nicht einmal so bedrohlich, wie man hätte meinen können, eher ungläubig. Hastig hob ich beide Hände, wedelte abwehrend damit herum. "Nein, nein!" Gott bewahre, auf eine Ohrfeige von Seto Kaiba war ich sicher nicht scharf! Ich ließ die Hände in den Schoß fallen, legte fragend den Kopf schief. "Ich würde es nur gern verstehen." "Gib's auf, ich werde auf ewig der Unbekannte in deiner Gleichung bleiben." War das da so etwas wie ein überhebliches Grinsen? Na, so gefiel er mir doch gleich wieder viel besser, da waren auch die Schuldgefühle wie weggewischt... welche Schuldgefühle? Seinetwegen?! Pff, dass ist nicht lache! Vorsichtig ließ er sich zurücksinken, noch immer verdeckte mein weißes Taschentuch seine Nase und den halben Mund, er schloss die Augen und das gab mir Gelegenheit, sein Gesicht näher zu betrachten. Ein tiefhängender Zweig hatte eine rote Schramme auf seiner linken Wange hinterlassen. Auch sonst sah Kaiba ziemlich mitgenommen aus, die Schatten um seine Augen schienen dunkler als sonst- logisch, ich hatte diese Nacht auch nicht besonders viel geschlafen- seine Augenbrauen waren ernst zusammengezogen. Ungewöhnlich hübsche Augenbrauen, nur mal so angemerkt. Fein geschwungen, nicht zu buschig und nicht zu dünn, außerdem sahen sie aus, als würden sie gezupft werden... oder war es möglich, dass jemand von Natur aus so perfekt war? ... Momentchen mal, dachte ich gerade wirklich über Kaibas Augenbrauen nach?! Vielleicht hatte er mich doch erwischt. Ein übler Schlag auf den Kopf, weshalb sonst, sollte ich diesen Blödsinn denken! Trotz aller Flüche schaffte ich es nicht, meinen Blick von ihm zu lösen. Okay... verbuchen wir das unter einem seltenengünstigen Zeitpunkt. Vielleicht bot sich mir nie wieder die Chance, Kaiba zu ungestraft zu betrachten (anzustarren wäre vielleicht treffender gewesen). "Hör auf zu gaffen, Welpe, sonst bekommst du noch Stielaugen." Ertappt zuckte ich zusammen. Woher wusste er, dass ich... na gut, nennen wir das Kind beim Namen, dass ich ihn begafft hatte? Die Lider waren nach wie vor geschlossen, die dunklen Wimpern warfen sanfte Schatten auf seine Wangenknochen, die... Schluss jetzt Joey!' ermahnte ich mich selbst. "Ich gaffe gar nicht!" erwiderte ich patzig, schaute demonstrativ auf das Wasser hinaus. Beim Anblick von so viel H²O wurde ich mir meiner trockenen Kehle umso mehr bewusst, und mein Magen grummelte laut. So laut, dass mein Klassenkamerad eine der, wie eben festgestellt, außergewöhnlich perfekten Augenbrauen hob und mich spöttisch anblinzelte. "Ist etwa schon Fütterungszeit, Köter?" Verächtlich schnaubte ich, beschloss aber, mich nicht wieder von ihm provozieren zu lassen. "Hast du etwa keinen Hunger?" "Doch, aber zur Not fresse ich einfach dich." Meine Augen wurden tellergroß. Ein Kaiba, der an mir herumnagte? Ein Kaiba, der mir überhaupt so nahe kam... Mami, ich will nach Hause! Meine Panik schien ihn unglaublich zu amüsieren, denn er legte noch eins drauf: "Mit Haut und Haaren, Wheeler." Bildete ich mir das ein, oder klang seine Stimme irgendwie dunkler als sonst? Unsinn, wahrscheinlich litt ich bereits unter Hungerphantasien, ich armes, abgemagertes Ding ich! Seit 48 Stunden hatte ich nun schon nichts Anständiges zwischen meine Beißerchen bekommen, kein Wunder also, dass ich nicht mehr klar denken konnte und Kaiba plötzlich attraktiv fand. ... okay, das habe ich eben nicht wirklich gedacht! Etwas zu essen, aber pronto, wer wusste, wo meine Hirngespinste sonst noch hin abschweiften. Ich schüttelte mich. Nicht daran denken, einfach nicht daran denken! "Hey, vielleicht sind in dem Teich Fische", meinte ich optimistisch. Er lachte kurz und trocken auf. "Selbst wenn, werden sie sicher nicht doof genug sein, sich von einem kleinen Welpen ohne Krallen fangen zu lassen." "Hey", langsam reichte es mir, dass er mich wie ein vertrotteltes Hundebaby behandelte, "dieser, kleine Welpe' hat dir soeben eine blutige Nase verpasst und wenn du nicht gleich mit den Stichelein aufhörst, lege ich noch ein blaues Auge drauf!" Mein Gegenüber zeigte sich nicht im Geringsten beeindruckt. Aber schließlich stemmte er sich auf die Ellenbogen hoch, das mittlerweile rote Taschentuch fiel ihm dabei auf die Brust. Auffordernd nickte er mit dem Kopf in Richtung Entengrütze. "Na los, das möchte ich nicht verpassen." Wild entschlossen, ihn von meinen Fähigkeiten als Jäger und Sammler zu überzeugen, erhob ich mich, machte drei feste Schritte zum Wasser, bevor ich mich zögerlich zu ihm umdrehte. Abwartend lag er da, sah mir mit milde interessiertem Blick zu. "Schau weg!" orderte ich. Überrascht war er im ersten Moment sogar versucht, meinem Befehl nachzukommen. Doch er wäre nicht Kaiba, hätte der Junge sich nicht sofort wieder gefangen. "Warum?" "Weil ich nicht mit Sachen in diese Pfütze steige." Er schien noch nicht zu begreifen, vielleicht stellte er sich aber auch absichtlich dumm, denn sein Lächeln schien mit mehr als nur köstlich amüsiert. "Und?" "Ich werde mich vor dir ganz sicher nicht ausziehen!" Jetzt lachte er sogar. "Oh bitte, da gäbe es sicher nichts, was ich nicht schon gesehen hätte." "Ist mir scheißegal!" "Nicht doch, nicht doch, Hundi, du wirst ja vulgär." Ich wurde gleich noch ganz anders, wenn er nicht auf der Stelle aufhörte, so widerlich zu grinsen! "Spanner", fluchte ich, wobei ich mir die Schuhe von den Füßen kickte, Socken und Hose folgten. Mein Shirt blieb, wo es war, immerhin hatte ich nicht vor, baden zu gehen. Einige Sekunden hielt ich die Luft an, wartete auf einen blöden Kommentar, doch als keiner kam, riskierte ich einen Blick über die Schulter. Unverändert lag mein Erzfeind da, erwiderte ihn gelangweilt. "Und deshalb machst du so einen Aufstand? Wenn ich magere, zu groß geratende Insekten sehen will, kann ich auch in den Zoo gehen." Mir klappte die Kinnlade runter. Also JETZT hätte ich sicher keine Schuldgefühle, wenn ich ihn schlug, zu viel Zorn brodelte in mir und auch verletzte Eitelkeit. Dass ich ihm nur ein zu groß geratendes Insekt wert war, traf mich tief. Und ich Idiot hatte mir gerade noch überlegt, ob ich Kaiba eventuell, nur mal so angenommen und rein theoretisch, hübsch finden könnte. Würde es ihn umbringen, wenn er nur einmal ein bisschen nett zu mir wäre? War das denn echt so schwer und ich so wenig liebenswert? Ich seufzte grottentief, für Kaiba vermutlich schon. "Sollte ich etwas fangen, bekommst du nichts ab", wetterte ich böse, dann watete ich bis zu den Knien ins kalte Nass. Und kalt war das hier wirklich, erstaunlich, wie ein stehendes Gewässer im Sommer noch so kühl sein konnte. Vielleicht hatte es sich aber auch nur Kaiba angepasst und leitete bei seinem Anblick spontan die nächste Eiszeit ein, so wie ich. Oder aber, und das schien mir doch ein bisschen wahrscheinlicher, es war einfach nur ein sehr tiefer See... Tümpel... Pfütze. Während meine Adleraugen nach einem Fisch Ausschau hielten, war mein Geist dabei, sich in den wildesten Farben auszumalen, wie tief ,sehr tief' sein könnte. Möglicher Weise befand sich in der Mitte ein schwarzes Loch, das alles Wasser aufsaugte und ich geriet in eine andere Raum-Zeit-Dimension, wenn ich ihm zu nahe kam. Dann wäre ich verschwunden und alle würden glauben, Kaiba hätte mich doch gefressen ... vorausgesetzt sie fanden ihn überhaupt. Und dann brachte man ihn zu einem Richter und ... und ich dachte schon wieder Schwachsinn! Der Boden unter meinen nackten Füßen war weich und glitschig, ich mochte mir gar nicht vorstellen, worauf genau ich da herumlief. Ein eiskalter Schauer krabbelte mir über den Rücken, als etwas Kaltes, Schleimiges meinen Knöchel streifte. Wo befanden wir uns doch gleich? Vielleicht war das hier Loch Ness und das Ding eben die Schwanzspitze von dem sagenumwobenen Ungeheuer. Gleich machte es ,Happs' und Kaiba musste sich eine andere alternative Nahrungsquelle suchen. Inzwischen hatte ich sämtlich Fische total vergessen, stand zitternd in diesem verdammten, arschkalten See und wagte nicht, mich vom Fleck zu rühren, in der Befürchtung, irgendwelchen Seeungeheuern auf den Schlips, oder besser auf den Schwanz zu treten. Böse Welt! Ich mag nicht mehr, ich steige aus, außerdem bin ich noch viel zu jung zum Sterben. Soviel hatte ich doch noch erleben wollen und die große Liebe war mir auch noch nicht über den Weg gelaufen. Verdammt noch mal, ich hatte ein Recht auf die große Liebe! Das durfte mir niemand nehmen, auch kein frustriertes, altes Seeungeheuer! Etwas berührte von hinten meine Schulter. Ich stieß einen erschrockenen, unnatürlich hohen Schrei aus, war das wirklich meine Stimme, den Stimmbruch hatte ich doch eigentlich hinter mir, alles Weitere war nicht mehr klar definierbar. Wahrscheinlich rutschte ich auf dem schmierigen Untergrund aus, es gab ein lautes PLATSCH, dann rauschte Wasser in meinen Ohren. Kaaaaalt! So kalt, dass mir die Luft wegblieb. In Panik sperrte ich Augen und Ohren und leider auch den Mund auf. Abgestandenes Wasser drang in meine Kehle. Na gut, wie Limonade schmeckte es zwar nicht gerade, aber immerhin war mein Trinkproblem damit gelöst. Diese banale Erkenntnis gab mir auch die nötige Ruhe, mich hochzustemmen, den Kopf über die Wasseroberfläche zu strecken. Nun sah ich auch meinen Angreifer und der schien ebenso verblüfft wie ich. Kaiba blickte zu mir hinunter, als hätte er eine Erscheinung, dann, langsam, ganz langsam, breitete sich ein unheilvolles Grinsen in seinen Mundwinkeln aus, es wuchs und wuchs, wie die Zauberbohnen im Märchen, bis es zu einem schallenden Lachen wurden. Es schüttelte ihn richtig, dass er beide Arme vor den Bauch presste. Zornig funkelte ich ihn unter meinem nassen Pony hervor an, während mir das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Halse stand. Es dauerte noch ein wenig, bis Kaiba sich soweit beruhigt hatte, dass er wieder gerade stehen konnte, dann reichte er mir eine Hand. Vollkommen perplex griff ich zu. "Ich dachte, du wolltest etwas Nahrhaftes aus dem Wasser ziehen", er beförderte mich zurück an Land, "sieht beinahe so aus, als hätte ich mehr Glück gehabt." Mit einem raubtierhaften Lächeln bleckte er die Zähne. Wenn der mir nicht augenblicklich mit dieser "Rotkäppchen und der böse Wolf"- Nummer aufhörte, vergaß ich mich! Ungehalten machte ich mich los, stapfte wütend ein paar Schritte von ihm fort. Blöder Idiot! Das war mal wieder alles seine Schuld! Hätte er mich nicht so erschreckt, wäre ich nicht hingefallen und das alles nie passiert. Ich ging sogar so weit, zu behaupten, dass es erst Kaiba gewesen war, wegen dem ich mich verlaufen hatte. Es hätte so ein netter, entspannter Tag mit meinen Freunden werden können, aber nein, er musste ja mitkommen und sich mit mir streiten. War doch krank, wie er immer an mir klebte! Beim Gedanken, an meine Freunde, wurde meine Laune noch mieser, als sie ohnehin schon war. Ob sie sich Sorgen machten? Sicher! Ganz gewiss hatte man schon einen Suchtrupp nach uns ausgesandt. Ich vermisste sie und wollte zu ihnen zurück. Hinter mir raschelte es. "Hey, Wheeler, alles in Ordnung?" "Nein!" blaffte ich sauer, drehte mich nicht um zu ihm. Ein schöner Rücken kann auch entzücken und mein Rücken war wohl preisverdächtig. "Nichts ist in Ordnung, ich bin nass, mir ist kalt und ich..." "Ja?" fragte er interessiert nach, es klang beinahe ein wenig mitleidig. Ob ich Kaiba Leid tat? Pah, bestimmt nicht. Das war pures Selbstmitleid, was ich da zu hören glaubte! "Ich bin nass!" wiederholte ich schroff, weil mir gerade kein anderer Begriff einfiel, um die ganze Tragweite meines Elends zu erfassen. "Das sagtest du schon", kam es kühl und analytisch zurück. Doch kein Mitgefühl, ich hatte es ja geahnt und mir trotzdem Hoffnungen gemacht, ich Dummkopf. Einen bitterbösen Blick warf ich ihm über die Schulter zu. "Umdrehen!" "Weil ... ?" "Ich mich umziehen will!" "Oh das..." "DREH DICH UM!" Er verstummte schlagartig. Sicher war Kaiba nicht der Typ, der Befehle entgegen nahm, im Gegenteil, er pflegte sie durch die Gegend zu bellen, in der Erwartung, dass alle kuschten, doch wahrscheinlich sah man mir meine Wut an und auch, dass ich nur noch wenig von einem kompletten Nervenzusammenbruch entfernt war. Und einen heulenden Wheeler wollte selbst er sich nicht leisten, obwohl es wohl die Krönung aller Demütigungen gewesen wäre, die ich je unter ihm auszustehen hatte. Mit einem gespielt gleichgültigen Schulterzucken wand er sich ab und ich machte, dass ich so schnell wie möglich aus meinen nassen Klamotten raus und in die trockenen wieder reinkam, was sich einfacher anhört, als es in Wirklichkeit war, da der Stoff mir wie eine zweite Haut am Körper klebten. Aber schließlich hatte ich mich in meine Hose gezwängt und zog den Reißverschluss meiner Jacke zu. Die triefenden Sachen legte ich ins Gras, dann atmete ich dreimal gezwungen ruhig ein und aus. Alles nicht so schlimm. Nur, weil wir uns verlaufen hatte und nebenbei keine Aussicht auf Rettung, mein Magen knurrte und ich zu allem Übel auch noch mit Kaiba diesen Survivaltrip durchstehen musste, hieß das noch lange nicht, dass ich nicht trotzdem Spaß haben könnte. Woran auch immer. "Fertig? Oder musst du dich noch schminken und frisieren, bevor du mir wieder unter die Augen treten kannst?" Er war ja so ätzend! Konnte er nicht für einen kleinen Moment die Klappe halten, mich mit seinen zynischen Kommentaren verschonen? Anscheinend nicht. Wie es aussah, war ich Kaibas einziges Amüsement. Ein Posten, auf den ich nicht viel Wert legte. Dabei war er heute Nacht noch so friedlich gewesen... schlagartig verpuffte meine Wut, als ich daran dachte, wie ich ihm durch den dichten Schopf gewuschelt hatte. Er war mir so gelöst, beinahe zutraulich vorgekommen und zum wahrscheinlich ersten und letzten Mal menschlich. "Ja", machte ich also nur lahm, anstatt ihn anzuraunzen. Er drehte sich um, die hellen Augen wanderten von mir zu den nassen Sachen am Boden, dann schaute er direkt in mein Gesicht und brachte beinahe so etwas, wie ein freundliches Lächeln zustande, aber eben auch nur beinahe. Immerhin handelte es sich um Seto Kaiba. "Eigentlich hatte ich gar nicht vor, dass du dich hinlegst, auch wenn ich so etwas geahnt habe." "Wieso?" machte ich empört. "Nun ja, wer", er schien nach einer netten Formulierung zu suchen, "mit zwei linken Füßen gesegnet ist, so wie du, der neigt dazu, ein wenig tollpatisch zu sein." "Ich bin gar kein bisschen tollpatschig", verteidigte ich mich hitzig. "Jedenfalls wollte ich dich nicht erschrecken, nur aufwecken, du sahst so weggetreten aus." Erst zog ich verblüfft beide Augenbrauen in die Höhe, dann grinste ich breit, freudig, ein wenig übermütig. "Hast du dir etwa Sorgen um mich gemacht?" Das wäre doch zur Abwechslung mal was! "Natürlich", erwiderte er vollkommen ernst, "immerhin wüsste ich nicht, an wessen Minderwertigkeit ich mich sonst ergötzen sollte." Gut, es war eine Beleidigung, aber ich wollte sie nicht hören, für mich zählte nur sein "natürlich", alles andere blendete ich geschickt aus. "Das ist aber nett von dir", gab ich zuckersüß zurück, bevor ich mich rittlings ins Gras fallen ließ, neben mich klopfte. Diese Einladung schien ihn gehörig zu verwirren, um ehrlich zu sein, war mir selbst nicht so ganz klar, was ich da gerade tat, doch ich wollte ihn gern in meiner Nähe haben. Auch wenn das hieß, dass ich mich von ihm beleidigen und verletzen lasse musste. Vielleicht entlockte ich ihm am Ende doch noch eine kleine Nettigkeit und damit wäre ich sicher der erste Mensch- nun ja, von Mokuba einmal abgesehen. Zögernd setzte er sich neben mich, betrachtete mich argwöhnisch, als wäre ich etwas Giftiges. "Warum hast du nicht zugeschlagen?" Er sollte nur nicht denken, dass ich das so einfach auf sich beruhen ließ. Ein schweres, entnervtes Seufzen war alle Antwort, die ich bekam. "Warum?" bohrte ich weiter. "Nerv nicht, Töle!" Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen, ließ er sich zurückfallen. Sein Gesicht lag nun ungefähr auf meiner Höhe. Ich rappelte mich ein wenig auf, um hineinschauen zu können. Eventuell legte er seine Maske aus Gleichgültigkeit ja mal für einen Moment ab und ich konnte in seinen Augen lesen. Angestrengt starrte ich, der zweifelnde Blick, der ich dafür kassierte, war mir egal. So sehr ich mich auch bemühte, Kaiba weigerte sich strikt, von mir gelesen zu werden. "Waru~huum?" "Möchtest du gehauen werden, Wheeler? Dann sag es doch einfach." Vorsichtig zog ich mich ein Stück zurück. "Nein, möchte ich nicht. Aber was ich sehr wohl möchte, ist eine Antwort." "So ist das eben, man kann nicht immer alles haben." "Gib's zu, du hast mich nicht geschlagen, weil du mich eigentlich doch gern hast." Ein spöttisches Grinsen zuckte über die schmalen Lippen. "Oh, bin ich so leicht zu durchschauen?" sein Ton triefte nur so vor Sarkasmus. Wagemutig beugte ich mich zu ihm. "Du bist ein offenes Buch... wie geht's deiner Nase?" Er verdrehte die Augen. "Ließ es mir doch an den Ohren ab." "Irgendwas gebrochen?" fragte ich besorgt, wohl wissend, wie schmerzhaft gebrochene Körperteile sein konnten, ich kämpfte ja immer noch mit meinem Knöcheln. Er schnaubte verächtlich. "Dazu hast du wohl kaum genug Kraft." Eklige Bemerkungen hin oder her, ich musste mich selber davon überzeugen. Langsam näherte ich mich seinem Gesicht, mit fachmännischem Blick begutachtete ich den schmalen, geraden Knochen, der sein Nasenbein darstellte. "Nö", meinte ich schließlich sehr professionell, "siehst genauso doof aus wie vorher." "Ach", diesmal bildete ich es mir nicht ein, durch seine Augen ging eindeutig ein bedrohliches Funkeln! "Dafür, dass du mein Äußeres so ,doof' findest, hast du ganz schön gestarrt. Aber vielleicht... ", eine Hand schob sich in meinen Nacken. Die hatte da absolut nichts zu suchen! Ksch, weg mit dir, sage ich! "... hast du auch nur nicht richtig hingeguckt." Er zog mich zu sich hinunter, bis ich seinen warmen Atem auf meinen Lippen spürte, lange Finger gruben sich in meine Haare, bewegten sich sacht und dennoch entsetzlich aufregend darin. War das eigentlich normal, dass wir uns ständig so nahe kamen? Nachwort: *ächz* War das viel, mein armes Zebi, musste sich alles noch mal durchlesen *kuschel*. Vielen Dank für die lieben und aufbauenden Kommentare, das spornt wirklich ungemein an! *alle umflausch* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)