Erwärme mein Herz von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 30: Im goldenen Käfig ----------------------------- Hallo liebe Lesenden! Ich weiss, eine Entschuldigung ist mittlerweile nicht mehr ausreichend, um zu rechtfertigen, dass ich immer länger für ein kapitel zu brauchen scheine, als ich euch immer ankündige... ich war einfach ein bissl eingenommen in der prüfungszeit. aber in den letzten wochen hatte ich ein bisschen mehr zeit und schreibe gerade schon am 32ten kapitel. ich bin sehr froh, dass ihr immer noch dabei seid, und dieser Geschichte nicht überdrüssig werdet. Es geht langsam dem ende zu, aber nur langsam... ^^ Jetzt, viel spass beim lesen! bis zum nachwort ................................................................. Kapitel 30: Im goldenen Käfig Hitomi stand an der langen Fensterfront und blickte aus dem Fenster. Die Schwarze Perle flog mit einem notorischen Brummen viele hundert Meter über der gaianischen Erdoberfläche dahin, kreuzte ab und zu ein paar Wolkenfetzen, aber ansonsten war der Tag klar und sonnig. Jedes Zeitgefühl schien hier oben vergessen zu sein und doch machte sich Hitomi klar, dass trotz des klaren Himmels eigentlich der Winter über Gaia eingebrochen war. Sie presste ihre Stirn gegen die Scheibe und konnte über den gewölbten Bauch des Schiffes erkennen, dass sie sich wohl über dem Meer befanden, eine riesige, dunkelblaue Fläche, ständig aufgewühlt von den Wellen, die sich ungestüm zu sprudelnden, weißen Bergen aufschäumten. In diesem Punkt schien der Ozean, mit seinen Gezeiten, seinen Geheimnissen und Gefahren vollkommen mit dem auf der Erde überein zu stimmen… Hitomi schloss ihre Augen für einen Moment. Es machte schon lange keinen Unterschied mehr, ob offen oder geschlossen: Sie dachte sowieso ständig an Van. Nur war es in diesem Zustand leichter sich auf ihn zu konzentrieren. Sie stellte sich sein Gesicht vor, seine pechschwarzen, ungekämmten Haare die ab und an über seine geheimnisvollen braunen Augen fielen. Diese Vorstellung war ihr einziger Trost, ihre einzige Verbindung zu ihm. Sie ertappte sich in letzter Zeit öfter dabei, wie sie sich wünschte eine Vision zu haben… Vielleicht einen kleinen Hinweis darauf, wo Van gerade war und wie es ihm ging. Doch es gab keine. So sehr sie sich auch konzentrierte, ein Einblick in Vans aktuelle Situation war ihr nicht vergönnt… Ihre Fantasie arbeitete weiter, glitt über Vans gerade und schmale Nase hin zu seinen Lippen und – Hitomi wurde augenblicklich aus ihrem Tagtraum herausgerissen, als mit einem leisen sirren der Luft hinter ihr Brisaeye in Dornfels’ Zimmer erschien und sie jäh in die Realität zurückholte. Brisaeye sah müde aus, so als hätte sie nicht viel geschlafen in letzter Zeit. Ihre Augen waren leicht verquollen und eine tiefe Sorgenfalte hatte sich auf ihrer schwarzen, jungen Stirn breit gemacht, wobei sich Hitomi keinen Grund dafür vorstellen konnte. „Ich soll hier Badewasser einlassen…“, sagte Brisaeye teilnahmslos und schritt hinüber zu der großzügigen Badewanne und ließ mit einer einzigen Drehung am Hahn das Wasser einlaufen. Dornfels’ Handschrift… Wo man in Farnelia noch stundenlang Eimer für Eimer für ein anständiges Bad aufkochen musste, hatte Dornfels offenbar seine Kenntnisse von der Erde an ein paar geschickte Leute weitergegeben und es geschafft so was wie ein Wasserleitungssystem in dieses Schiff einzubauen. Bravo… Hitomi war nicht sonderlich euphorisch. Für sie war alles, was dieser Mann tat oder sagte nichts mehr als heiße Luft. Das versuchte sie sich zumindest einzureden… Auf das Bad freute sie sich allerdings sehr. Das schwarze Mädchen zog nun die Trennwand vor das Bad, abgeschirmt vom Rest des Raumes. Langsam schritt Hitomi hinüber und entkleidete sich vor einem Mannshohen Spiegel an der Wandseite des Raumes. Es war ihr egal, ob Brisaeye anwesend war oder nicht, sie wollte ihrem Ex-Zimmermädchen nicht den Anschein geben, dass sie in irgendeiner Weise verunsichert war. Ein Blick in den Spiegel verriet ihr, dass sie wirklich grauenhaft aussah… Ein Punkt in dem Dornfels wohl recht gehabt hatte. Hitomi hielt sich die Haare aus dem Gesicht und überprüfte, ob ihr Körper irgendwelche Blessuren erlitten hatte, von denen sie noch gar nichts wusste. Doch dem war nicht so. Ein paar Blaue Flecken und ein paar Kratzer an den Armen und ihren Fußknöcheln, wahrscheinlich noch von ihrer Wanderung durch den stockdunklen Felsengang. Ihr Blick streifte ihren eigenen Bauch und sie betastete ihn sogleich. Sie bildete sich ein, schon eine leichte Wölbung zu erkennen… Doch es war gefährlich, gefährlich für sie und ihr Kind, wenn irgendjemand ihre Schwangerschaft bemerken sollte... Schnell wandte sie sich um und stieg ohne ein weiteres Wort in die Badewanne, die jetzt fast aufgefüllt war mit angenehm warmem Wasser. Auf der Wasseroberfläche lag ein leichter Schaumfilm und es duftete herrlich nach etwas wie Rosenöl. „Der Präsident hat mich angewiesen euch alles zu bringen was Ihr euch wünscht…“ sagte Brisaeye, die nun das Wasser abdrehte und sich mit versteinerter Mine neben der Wanne postierte. Es fiel ihr offenbar sehr schwer Hitomi anzusehen, doch das war dieser abermals nicht wichtig. „Wenn das so ist…“, begann sie und lehnte sich gemütlich zurück, „hätte ich zuerst einmal ein kühles Getränk und etwas vernünftiges zu essen…“ Brisaeye verbarg geschickt, dass ihr Hitomis harscher Ton so gar nicht gefiel, und doch nickte sie kurz und säuselte: „Wie Ihr wünscht…“ Dann ließ sie wie so oft nichts weiter zurück als flimmernde Luft und verschwand aus dem Raum. Hitomis innerliche Genugtuung wuchs. Dornfels hatte Brisaeye offenbar zu ihrer persönlichen Verfügung befohlen, was fast so war wie in Farnelia, nur diesmal ohne ihre freundschaftliche Beziehung. Dies war ihr ganz recht! Brisaeye sollte ruhig spüren, dass sie für Hitomi nichts weiter als eine Verräterin war! Sie tauchte jetzt unter in das geräumige Marmorbecken und schrubbte sich anschließend ihren blessierten Körper von oben nach unten mit einem weichen Schwamm ab. Es war so angenehm, so ein simples Bad, dass es ihr fast unwirklich vorkam. Doch sie musste sich hüten… In diesem Moment kam Brisaeye zurück und stellte Hitomi ein Tablett mit einem Krug voller Wasser und einer Platte mit Brot, Käse, Obst und gepökeltem Fleisch an den Badewannenrand. „Danke…“, meinte Hitomi knapp und machte sich sogleich über die Platte her. Sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen und merkte erst jetzt von welch einem Heißhunger sie geplagt wurde. Es war ihr, als hätte sie nie etwas Besseres gegessen! Sie lehnte sich erneut zurück, streckte ihre Beine aus und genoss die Wärme und den Duft des Bades. Brisaeye stand immer noch neben ihr, verharrte in stiller Schweigsamkeit. „Was ist los, Brisaeye, warum bist du so still?“, fragte Hitomi, schnippischer als sie wollte. „Du bist doch sonst auch nicht auf den Mund gefallen…“ Brisaeye sagte gar nichts, doch Hitomi konnte nicht mehr aufhören, ein wenig boshaft zu sein. „Geht es dir hier besser als in Farnelia? Ich weiß ja nicht… Gut, dein Anstellung im Schloss war ja von Anfang an nichts weiter als Schwindel, aber jetzt tust du doch auch nichts anderes als den ganzen Tag hinter Dornfels und Baijne herzuräumen, oder etwa nicht?“ Sie ließ diesen Satz ein wenig im Raum schweben und konnte aus den Augenwinkeln beobachten, wie sich Brisaeyes Gesicht ein wenig verfinsterte. „Ich weiß nicht, ob das eine Erfüllung sein kann“, fuhr Hitomi fort, „da hatten wir beide in Vans Schloss mehr Spaß zusammen, wobei ich schon früh gemerkt habe, dass du irgendwas verbirgst. Aber gleich in diesem Ausmaß? Spionin für Dornfels?“ Hitomi angelte sich erneut etwas von der Platte und sah Brisaeye dabei direkt in die Augen. „Hast du überhaupt eine Ahnung, was dieser Mann gerade macht? Was er für seltsame Vorstellungen von Recht und Ordnung hat? Und dass er es zulässt, völlig unschuldige Menschen einfach zu töten?“ Sie wandte sich wieder ab und ließ sich den vorzüglichen Käse auf der Zunge zergehen. „Ach, ich vergaß… Euer Volk kann ja nichts anderes als zu töten…“ Jetzt rührte sich Brisaeye. „Sei endlich still!“, fuhr sie sie an. Hitomi fuhr zusammen. „Wenn du weiter sprichst, wird mein Bruder gleich hier auftauchen!“ Hitomi musterte das schwarze Mädchen verwundert. Sie wirkte aufgebracht und ein wenig verstört. „Dein Bruder? Wer – “ Sie hätte es ahnen müssen. In diesem Moment erschien Baijne an der Vorderseite der Badewanne und verwandelte sich vor ihren Augen in seine noch grässlichere Gestalt des Volkes. Die schwarzen Augen lagen wieder tief in ihren Höhlen und sein Grinsen wirklich noch gemeiner als jemals zuvor. Schnell zog Hitomi ihre Knie an ihren Körper und versuchte so viel wie möglich vor Baijnes stierenden Blicken zu verbergen. „Na na na, was hören meine Ohren denn da? So hab ich euch ja noch nie sprechen gehört, Mädchen!“ „Ich habe mich nur ein wenig mit Brisaeye unterhalten…“, sagte sie trotzig. „So so…“, erwiderte Baijne mit stark verengten Augen. Dann war er plötzlich mit wenigen schnellen Bewegungen hinter ihr, sein Gesicht neben dem ihren und seine rauen, aber starken Hände bedrohlich auf ihren Schultern. „Mir gefällt es nicht, wie ihr von meinem Volk sprecht, Mädchen…“ Hitomi konnte nicht vermeiden, dass sie augenblicklich anfing zu zittern. Wieso schaffte sie es in Baijnes Gegenwart nie, sich von ihm loszureißen, sich gegen seinen widerlichen Blick und seine Grobheit zu wehren? „Lass sie los!“, sagte Brisaeye jetzt. „DU mischt dich da nicht ein!“, bellte der Schwarze und grub seine Fingernägel nur noch tiefer in Hitomi’s Haut. „Baijne, Dornfels hat mir aufgetragen, mich um sie zu kümmern! Wenn er erfährt dass du hier warst…!“, versuchte es Brisaeye erneut, wagte aber nicht näher zu treten. „Dornfels muss nichts erfahren… Hast du verstanden?“, sagte er scharf und strafte Brisaeye mit finsteren, wütenden Blicken. Hitomi versuchte ihr Gesicht so weit wie möglich von Baijne abzuwenden, da kam ihr ein Gedanke: „Vielleicht sollte ich den Präsidenten darauf hinweisen, dass ihr euch nur zu gern an einigen seiner Gefangenen vergreift…“ „DAS wirst du nicht wagen!“, grollte Baijne und der Schmuck in seinem verfilzten Haar klimperte angriffslustig. Seine Hände wanderten jetzt ganz langsam an ihren Armen entlang und Hitomi betete, dass es gleich vorbei sein würde. Sie konnte sich weder rühren, noch ein weiteres Wort sagen, so geekelt war sie nun. „Baijne, hör auf damit!“, rief Brisaeye noch einmal. „Hör lieber auf deine Schwester…“, presste Hitomi jetzt zwischen ihren Lippen hervor. Jetzt ließ Baijne plötzlich von ihr ab und sie versuchte sofort so weit wie möglich von ihm wegzurutschen. „Du hast es ihr erzählt?!“, brüllte der Schwarze los. „Das war nicht meine Absicht!“, wehrte sich Brisaeye und trat ein paar Schritte zurück. „Und wenn schon, was ändert es, wenn sie es weiß?“ Baijne schien ganz und gar nicht dieser Meinung zu sein. „Ich habe dir gesagt, dass es niemand wissen muss, du dummes Ding!“, bellte er und schlug ihr mit einer schnellen, kräftigen Bewegung seines Armes mitten ins Gesicht. Brisaeye sackte ein wenig in die Knie, wandte ihren Blick gekränkt Richtung Boden. „Ich habe dich gewarnt Brisaeye! Das Volk hat dich trotz deines schmutzigen Blutes mit offenen Armen empfangen! Wenn du nicht besser auf deine Zunge achtest wird dir das noch einmal leid tun!“ Für Baijne schien das Thema damit beendet und er wandte sich mit hitzigem Gesicht wieder Hitomi zu. Ihr Blick flackerte kurz zu Brisaeye hinüber, die sich wieder aufgerappelt hatte und ihrem Bruder einen überaus hasserfüllten Blick in den Rücken bohrte. „Sooooo…“, hauchte er mit gespielt zärtlicher Stimme, „Wo waren wir stehen geblieben?“ Sein Blick wanderte trügerisch über Hitomis Körper, als Brisaeye sich erneut einschaltete. „Du sollst sie nicht anrühren, habe ich gesagt!“, schrie sie aufgebracht. Baijne jedoch ignorierte sie und bewegte sich Schritt um Schritt auf Hitomi zu. Dann passierte etwas, was Hitomi neu war: Brisaeye war offenbar nicht gewillt, dem Treiben ihres Bruders noch weiter zuzusehen, so packte sie ihn am Oberarm und verschwand gemeinsam mit ihm in sirrender, flackernder Luft. Hitomi wagte sich nicht zu bewegen. Was war da gerade passiert? Brisaeye und Baijne waren Geschwister… Was für eine Neuigkeit! Aber was hatte sich da eben zwischen den beiden abgespielt? Sie konnte sich absolut keinen Reim darauf machen… Was ging hier nur vor sich? Baijnes Absichten war zwar nicht schwer zu durchschauen, doch bis wohin war Dornfels’ Einfluss wichtig und wieso war Brisaeye von „schmutzigem Blut“? Hatte Brisaeye sie gerade zu beschützen versucht, oder irrte sie sich? Erst nach ein paar Minuten streckte Hitomi ihre Beine wieder zögerlich aus, zog sie aber im selben Moment wieder an ihren Körper. „Ich bin es nur…“, sagte Brisaeye, die soeben wieder erschienen war. „Baijne wird nicht wiederkommen, das hat er mir versichert…“ Sie fuhr sich geistesabwesend über ihre gerötete Wange. „Allerdings wird Dornfels bald wieder auftauchen, also wasch dir lieber die Haare…“, sagte sie und schritt hinüber zur Kommode, wo sie ein paar Fläschchen unter die Lupe nahm, die mit verschiedenen farbigen Flüssigkeiten gefüllt waren. Hitomi musterte sie von der Seite… Die Verachtung, die sie noch vor ein paar Minuten bei diesem Anblick verspürt hatte, hatte sich aufgelöst, wie Baijne in der flimmernden Luft. „Ich danke dir, Brisaeye…“, sagte sie schlicht. Das schwarze Mädchen hatte einen Flakon mit grünem Inhalt gewählt und reichte ihn an Hitomi weiter. Dabei trafen sich kurz ihre Blicke und Brisaeye sagte: „Ich habe es nicht für dich getan…“ Kobe saß nachdenklich an einem der Tische in der Bibliothek, um sich herum einen Stapel von Papieren und Landkarten ausgebreitet. Sein Blick war abwesend und schien in der Ferne hinter dem Fenster irgendetwas zu sehen, wobei seine buschigen, grauen Augenbrauen sorgenvoll zusammengezogen waren, wie so oft in den letzten Tagen. Eine umherschwirrende Fliege, die sich von Draußen her herein verirrt hatte, kreuzte sein Blickfeld und riss ihn aus seiner Trance. Er rieb sich mit seinen alten Händen über sein Gesicht, um die Müdigkeit zu verscheuchen und wandte sich wieder an die Karte, die vor ihm lag. Es war eine Karte von Gaia, alt und von sehr feiner Zeichnung… Jeder Fluss, jeder Berg und jeder Baum schien darauf genau zu sehen zu sein. Es war die einzige Karte, die sie gefunden hatten… Die einzige, auf der noch das Alte Land eingezeichnet war… Die Insel lag etwas abseits von Astoria und wirkte wie ein ganz normales Stück Land, das über die Jahre einfach in Vergessenheit geraten war. Wie konnte so etwas passieren? Welche engstirnigen Könige hatten veranlasst, die Ansicht der Planeten einfach zu verfälschen? Atlantis war zwar nach wie vor ein schwarzer Punkt in der Geschichte des Planeten, doch hätte man vielleicht soviel mehr über ihre Vorfahren herausfinden können, wenn man nur von dieser Insel gewusst hätte. Kobe rieb sich noch einmal über sein müdes Gesicht, reckte und streckte sich. Er hatte die ganze Nacht die Bibliothek durchstöbert, während draußen ganz Farnelia in geschäftiger Aufregung war. „Was werden wir wohl vorfinden?“, sagte Kobe laut, rollte die Karte dann zusammen, um sie seinem König zu bringen. Van war zur selben Zeit im ersten Morgenlicht gemeinsam mit Allen über eine andere Karte gebeugt, auf der viele Zahlen und Koordinaten gekritzelt waren. „Konntest du ein wenig schlafen?“, fragte Allen nachdrücklich. „Eigentlich nicht…“, antwortete Van ehrlich. „Mein Körper wollte zwar, aber mein Geist war so unruhig, wie das tosende Meer vor Astoria…“ „Verstehe…“ Allen nickte und war ganz froh, dass er wenigstens ein paar Stunden schlafen konnte. Er hatte Kagami an seiner Seite gehabt, hatte ihr gleichmäßiges Atmen vernommen, sowie in der Wiege neben dem Bett das leise Schnarchen seiner Tochter. Obwohl heute der Tag des Aufbruchs war, hatte er doch von seiner Familie die nötige Ruhe bekommen und dafür war er sehr dankbar, wenn er dagegen die Augenringe des Königs betrachtete, die sich allmählich in seinem Gesicht abzeichneten… Van seufzte, schrieb aber dann zufrieden die letzte Zahl auf das Papier. „So, das sollte für den Kaptain genügen… Ich denke, er kann diese Insel nicht verfehlen, so groß wie sie ist…“, meinte er fachmännisch. „Gut, ich werde sie ihm gleich bringen…“ Allen nickte und schritt mit den Papieren hinüber zu einem bärtigen Mann, der bereits mit einem Pferd wartete, die Flugkoordinaten zum Flugschiff vor die Stadttore zu bringen. In diesem Moment kam auch Kobe aus dem Schloss, mit einer Schriftrolle in der Hand, die er mit auf den Tisch legte. „Ich habe dir Karte. Alles ist bereit, mein König…“ „Danke, Kobe…“, erwiderte Van und drückte seinem langjährigen und treuen Berater freundschaftlich die Schulter. „Escaflowne ist gereinigt und für euch bereit, die Fußtruppen sammeln sich gerade und werden noch in der nächsten Stunde nach Astoria aufbrechen, um die dortigen Einheiten im Falle eines Angriffs zu unterstützen…“ Van grinste. Kobe wollte immer alles noch einmal durchgehen, aber das war eben seine Art. „Richtig. Im Falle eines Angriffs wird Astoria wohl als erstes betroffen sein. Fraid hat eine kaum einnehmbare Festung, die können für sich selbst sorgen…“, setze er Kobe’s Gedankengang fort. Kobe nickte und sprach weiter: „So ist es. Ihr selbst werdet mit Escaflowne voraus fliegen, begleitet von Allens Flugschiff, auf dem sich auch dessen Gymilef Sheherazade befindet, welcher allerdings nur im Notfall zum Einsatz kommen soll. Wir werden auf dem alten Land landen, Dornfels stellen und das Fräulein Hitomi, sowie weitere Gefangene befreien. Sollte es zum Kampf kommen, wird Escaflowne eingesetzt, sowie alle vorhandenen Männer…“ Weiter sprach Kobe nicht. Van wusste, dass dies eine viel zu optimistische Schilderung der Dinge war, aber es kam sowieso meistens anders als man dachte. „Was wird uns wohl auf dieser Insel erwarten?“, sprach er laut aus. „Ich weiß es nicht, mein König…“, erwiderte Kobe und reckte seine Schultern, sodass seine Wirbelsäule knackte. Van streckte sich ebenfalls und nahm am Rande wahr, wie Farnelia allmählich wieder zum Leben erwachte. Er hatte alle Freiwilligen am Tag zuvor noch persönlich ins Bett geschickt, damit heute alle bei Kräften waren. Er selbst fühlte sich seltsam hohl… Als wäre sein Körper gar nicht mehr vorhanden, als wäre all seine Macht irgendwo im Himmel zwischen Astoria und Farnelia verloren gegangen. Nur Hitomi’s Amulett lag schwer auf seiner Brust, wie ein eingemauerter Stein. War er bereit zu kämpfen? Ja, er war es… Er hoffte nur, dass es Hitomi gut ging, alles andere würde er schon schaffen… Aber wenn Dornfels ihr irgendetwas antat… Dann Gnade ihm Gott! Hitomi wusch sich wie befohlen die Haare und stieg nach einer Weile schweren Herzens aus der Wanne. Sie wickelte sich in das bereitliegende Leinentuch ein und betrachtete ihr Gesicht erneut im Spiegel… Sie sah schon sehr viel besser aus, allerdings wusste sie nicht, was sie fühlen sollte. Es kam ihr falsch vor, sich so wohl zu fühlen, und doch tat sie im Moment nichts anderes. Das warme Wasser, der angenehme Duft des Handtuchs und kein Dornfels oder Baijne weit und breit. Auch ihr Plan, Brisaeye ihren Verrat auf eine möglichst uncharmante Weise heim zu zahlen, hatte sich irgendwie in Luft aufgelöst. Was war nur los? Hitomi schob ihren Gedankenwirrwarr auf die einlullenden Gerüche, die das heiße Bad nach wie vor verströmte und wandte sich kopfschüttelnd an das Kleid, welches Brisaeye ihr zurecht gelegt hatte. Es war Weinrot, die Farbe Zaibachs und so hoch geschlossen, dass sie damit wohl im Partnerlook mit Phära mithalten konnte. Wo war Phära überhaupt? Hitomi hatte sie schon seit ihrer Ankunft in Zaibach nicht mehr gesehen und gestand sich ein, dass ihr die strenge, reservierte Frau wohl lieber wäre als Baijne oder Kagou. Man konnte wohl nicht alles haben… Sie zwängte sich in das Kleid hinein, knöpfte es bis zum Hals zu und flocht sich ihre noch feuchten Haare zu einem schnellen, aber sauberen Zopf zusammen. Da Brisaeye nicht mehr aufgetaucht war, schlenderte Hitomi leise, auf jedes Geräusch achtend, wieder nach vorne in das weitläufige Zimmer und als sie an der Tür vorbei schlich, drückte sie hoffnungsvoll die Klinke. Abgeschlossen, nach wie vor. Doch dann, nur eine Sekunde später, hörte sie das knirschende Geräusch, wenn jemand einen Schlüssel umdrehte und sie stolperte erschrocken zurück, als Dornfels die Tür öffnete. Er stand vor ihr, groß und arrogant, mit seinem üblichen, geheimnisvollen Lächeln. „Wie ich sehe, habt ihr meinen Rat befolgt?“, sagte er und musterte sie abschätzend von oben bis unten. „Ihr meint wohl euren Befehl… Von eurem Kindermädchen ausgeführt…“, erwiderte Hitomi spöttisch. „Ja, das auch…“ Gelassen trat er ein und schloss die Tür wieder hinter sich ab. Der Schlüssel wanderte mit einer schnellen Handbewegung in die linke Tasche seines Umhangs. In Hitomis Kopf spielte sich bereits ab, wie sie mit dem Schlüssel aus diesem elenden Gefängnis entwischte, um nach Nora zu suchen. Doch wie sollte sie das anstellen? „Also, Präsident… Oder soll ich euch bei eurem richtigen Namen nennen, Philippe?“ Hitomi war langsam auf den Geschmack gekommen, dass ihr eigener Zynismus wohl am besten half, mit der Situation umzugehen. „Was werden wir jetzt tun, nachdem ich ja wieder einigermaßen ansehnlich aussehe? Sollen wir vielleicht zusammen eine Tasse Tee trinken und über das schöne Wetter draußen reden? Oder lieber darüber, dass sie zulassen, wie unschuldige Menschen ermordet werden und ein kleines Katzenmädchen gefangen gehalten wird, weil es außergewöhnlich faszinierende Augen hat? Leider habe ich keine Tarotkarten bei der Hand, sonst würde ich ihnen prophezeien, dass sie irgendwann dafür bezahlen werden…“, fuhr sie ohne Unterbrechung fort und verschränkte dabei ihre Arme vor der Brust. „Habt ihr das nicht schon getan? Ihr solltet mir sagen, wann euer Herzblatt Van hier auftaucht, um mich in Stücke zu hacken… Dann könnte er vorher noch unserer Teerunde beiwohnen…“, erwiderte Dornfels geflissentlich. Hitomi wusste nichts schnippisches mehr zu erwidern und trat stattdessen sehr nahe an Dornfels heran. Wenn sie ihn nur ein wenig ablenken könnte, würde sie vielleicht an den Schlüssel herankommen… „Ich frage euch noch mal: Was wollt ihr von mir?“, fragte sie. „Das habe ich doch schon mehrmals betont…“, antwortete Dornfels und trat auch ihr so weit entgegen, dass ihre Nasenspitzen nur noch ein paar Zentimeter voneinander getrennt waren. „Ich will euch haben. Das ist alles.“ „Tatsächlich?“ Hitomi hob unbeeindruckt eine Augenbraue. Wenn es das war was dieses Scheusal haben wollte, sollte er es kriegen. „Ich wüsste nicht, was an einer durchschnittlichen Frau wie mir so besonders sein soll…“, hauchte sie in Dornfels’ Ohr und rückte noch so weit an ihn heran, das ihre Arme wie durch Zufall um seiner Hüfte lagen. „Oh, ich bin mir sicher, dass ihr euch eurer Besonderheit bewusst seid…“, erwiderte Dornfels und wenn Hitomi sich nicht irrte, hörte sie ein leichtes Schwanken, aus seiner sonst so starken Stimme heraus. Sie näherte sich mit ihren Lippen ganz langsam den seinen, presste sich mit ihrem Oberkörper noch näher an seinen und wanderte mit ihrer Rechten Hand in ihre gewünschte Richtung. Wie es allerdings weitergehen sollte, sobald sie den Schlüssel hatte, war ihr nicht so ganz klar. Sie konnte Dornfels ja schlecht niederschlagen… Es war ja nicht einmal ein geeigneter Gegenstand dafür in Sichtweite. Sie konzentrierte sich weiter auf ihr Vorhaben und bemerkte zufrieden, wie Dornfels’ Atem nur noch leicht stockend ging. Männer waren ja so durchschaubar… Hitomi ließ ihre Hand jetzt vorsichtig in der Tasche verschwinden, doch Dornfels fasste ihr Handgelenk und drückte ihr grob den Knöchel zusammen. „Ihr seid schlau, Hitomi, aber leider viel zu leicht zu durchschauen…“, flüsterte er gehässig. Wütend riss Hitomi ihre Hand aus seinen Fängen und zwang sich dazu nicht lauthals zu fluchen. „Glaubt ihr wirklich, ich nehme es euch ab, dass ihr plötzlich an mir interessiert seid?“, fuhr Dornfels in aller Ruhe fort, während Hitomi mit ärgerlichem Gesichtsausdruck ihren Knöchel rieb. „Ich werde niemals an euch interessiert sein!“ Dornfels hob nur unbeeindruckt eine Augenbraue und ging langsam auf Hitomi zu, die mit jedem Schritt weiter zurück wich. „Irgendwann werdet ihr es einsehen… Dass ihr viel besser an meine Seite passt, als an die, dieses launischen Königs. Aber ich kann warten… Ich bin ein geduldiger Mann…“ Mit einem unnatürlich großem Satz war er auf einmal bei ihr, sodass Hitomi erschrocken mit dem Rücken gegen den Pfosten des übergroßen Himmelbetts krachte. „Aber auch nur ein Mann…“, sagte er und presste Hitomi so eng an sich, dass sie sich nicht mehr rühren konnte. Verzweifelt versuchte sie sich aus seiner Umklammerung zu winden, machte die Situation damit aber nur noch hitziger… „Ihr seid eine unheimlich anziehende Frau… Vielleicht hättet ihr nicht versuchen sollen mich zu verführen.“ Hitomi bog und streckte sich. Verdammt, jetzt hatte sie den Salat! Wie hatte sie auch nur so weit gehen können? „Lasst mich!“, stieß sie aufgebracht hervor. Natürlich dachte Dornfels nicht daran. Sein Mund senkte sich hinab auf ihren Hals und seine Arme umklammerten sie nach wie vor wie in einem Schraubstock. Es war aussichtslos. Hitomi’s Körper war von dem langen Bad noch schwerfällig und nicht gewillt, sich weiter bis zur Besinnungslosigkeit gegen Dornfels’ Avancen zu sträuben. Allerdings war ihr Geist nicht gewillt sich hier und jetzt von Dornfels aufs Bett drücken zu lassen und… Sie wollte gar nicht daran denken… In ihrem Kopf schwirrten Bilder von Van, von Millerna, von Tomu und komischerweise von Brisaeye umher. „Wenn ihr mich braucht, dann ruft einfach nach mir, ich höre euch überall…“ Wenn sie sich richtig entsann, hatte Brisaeye das vor langer Zeit einmal zu ihr gesagt. Es konnte nicht mehr als schief gehen… „BRISAEYE!!“, brüllte Hitomi mit ihrer ganzen Lungenkapazität und stemmte sich mit einem neuen Versuch gegen Dornfels’ Umarmung. Dieser runzelte verwundert die Stirn. „Glaubst du, dass meine Untergebene dir irgendwie helfen wird?“ Er packte sie grob an den Hüften und küsste sie unsanft auf die Lippen. Hitomi aber schnappte zu und biss ihm ebenso unsanft in die Lippe. „Argh!“ Sofort ließ Dornfels von ihr ab und schütze seinen Unterleib mit einer Hand, wonach Hitomi zu treten versuchte und tastete mit der anderen nach seiner Lippe, aus der bereits Blut hervor sickerte. „Es gefällt mir, wenn ihr euch aufregt…“, keuchte er und trotz des Rückschlags, wich sein gewinnendes Grinsen nicht aus seinem Gesicht. „Brisaeye!“, rief Hitomi noch einmal und wich so weit von Dornfels weg, wie es nur ging. Jä vibrierte die Luft direkt neben ihr und Brisaeye tauchte mit einem völlig ausdruckslosem Gesicht auf. Sie sah Hitomi an, dann Dornfels, der sich mit einem undefinierbarem Keuchen das Blut aus dem Gesicht wischte. „Baijne ist beschäftigt, aber ich soll euch von Meister Kagou ausrichten, dass wir in ein paar Minuten am Zielort ankommen werden…“, sagte sie nur, an Dornfels gewandt. Dann verbeugte sie sich und verschwand wieder. Hitomi's Vorsatz, einfach nach Brisaeyes Arm zu greifen und mit ihr zu verschwinden, so wie sie es heute bei Baijne gesehen hatte, löste sich mit dieser Ankündigung in Luft auf. Sie war Dornfels Verlangen nach ihr wohl gerade noch so entgangen, denn er richtete sich wieder zu seiner ganzen Größe auf, blickte sie lange und durchdringend an, ehe er mit herrschaftlichem Gang zur Tür schritt. Er hielt noch einmal inne und sagte: „Irgendwann werdet ihr mir gehören, Hitomi… Und ihr werdet mich ebenso wollen, wie ich euch will… das versichere ich euch.“ Damit verließ er den Raum und sperrte Hitomi rasch ein. Diese berührte ihren Hals an der Stelle, wo Dornfels seine Spuren hinterlassen hatte. „Van… komm schnell…“, flüsterte sie und musste sich zwingen, nicht augenblicklich in Tränen auszubrechen… ................................................ Nachwort: ich verspreche euch, die langweweile ist vorbei. wo es in diesem kapitel vielleicht wieder etwas zäh voran geht, im nächsten steigt die spannung garantiert wieder. in diesem kapitel war es mir wichtig, nochmal dornfels' unromantische Absichten klar zu stellen und Brisaeye wieder aus der Versenkung zu holen. Auch wenn Brisaeye zum Volk gehört, ihr ist nicht die Rolle des bösen Racheengels gedacht. ihr werdet schon noch sehen... ^^ Auch was man hier über Brisaeye und Baijne erfährt, wird im nächsten kapitel vielleich noch klarer. ich hoffe, ihr könnt mir noch folgen! wenn nicht, kritik oder auch lob wie immer an mich! danke auch an Nabuku, die ab jetzt die restlichen kapitel beta-lesen wird, bevor ich sie hier reinstelle. also, bis bald. eure Chiyo-san Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)