Die letzten Elben von niiv (Eldar na veduir) ================================================================================ Kapitel 4: Tod eines Unsterblichen ---------------------------------- Tod eines Unsterblichen Wenn Tirmo sich nicht verzählt hatte, war es nun bereits die fünfzehnte Nacht, die er in der Elbenstadt verbrachte. Er fragte sich, was seine Eltern jetzt taten- hielten sie ihn bereits für tot? Auf den Gehöften hatten sie sicher längst die Ernte eingefahren... Der Spätsommer war dem Herbst gewichen, und jeden Tag fegten Stürme über das Land. Wolken bedeckten den Himmel und verhüllten Mond und Sterne. Ein starker Regen prasselte auf die Blätter, die sich allmählich golden verfärbten. Tirmo konnte nicht einschlafen, er beobachtete die sturmgepeitschten Äste und lauschte dem Geräusch des Regens, der über ihm unermüdlich auf das Dach trommelte. Als der pfeifende Wind für einen kurzen Moment nachließ, glaubte er, gedämpftes Hufgeräusch zu hören. Erst hielt Tirmo es für eine Täuschung, doch bald wurde es lauter und übertönte den Sturm. Er sprang auf und sah hinaus: Drei Pferde kamen den Weg hinauf und Tirmo hörte Legolins Stimme etwas rufen. Der wachhabende Elb, in der Dunkelheit kaum sichtbar, kam von seinem Posten herunter und öffnete im Licht einer schwach glühenden Fackel einen der Torflügel. Als die Zurückkehrenden in den Lichtkreis traten, konnte Tirmo sehen, dass eines der Pferde reiterlos war. Legolin stieg von seinem Tier herunter; er trug keinen Mantel, seine Kleidung war zerrissen und schlammbespritzt und sein Haar klebte in nassen, goldschimmernden Strähnen an ihm. Er drehte sich zu seinem Pferd und hob etwas aus dem Sattel, über das er sich vorher gebeugt hatte. Etwas Großes; es schien schwer zu sein und Legolin hatte es in seinen Mantel gewickelt. Vorsichtig legte er das Ding auf die Erde. "Tavaron... ea firin." Sagte der Elb leise. Er und die Wache knieten nieder. Als Legolin den dunkelgrünen, vom Regen durchweichten Stoff anhob, zuckte Tirmo vor Schreck zusammen: Der rote Schein des Feuers fiel auf das blutbefleckte Gesicht eines Elben- er war der Reiter des dritten Pferdes... "Hiruva sÎdh... ad gwannath." "Hilyaviénte lin ovras na enya Eledhrim." Legolin und der andere Elb trugen den Leichnam in die Stadt, während der Wächter das Tor schloss und die Pferde wegführte. Wie versteinert stand Tirmo da, der hereinwehende Regen durchnässte seine Kleidung. Einer der Elben, eines dieser unsterblichen Wesen... war tot. Wie konnte es dazu kommen? Wer brachte es fertig, ein solches Geschöpf zu töten...? Obwohl Tirmo ihn nicht gekannt hatte, war der Gedanke an den Elb schmerzlich. Es gab nur noch so wenige von ihnen... Langsam ging er zurück zu seinem Bett und legte sich hin; während Tirmo einschlief, vermischten sich Regentropfen und Tränen auf seinen Wangen. Als der Sturm die Wolken auseinander trieb, bedeckte strahlendes Mondlicht alle Blätter und Äste mit kaltem, flüssigen Silber... Am nächsten Tag, kurz nachdem Tirmo aufgestanden war, kam Amdir zu ihm. Der Elb trug ein langes Gewand aus weißer Seide und ein silbernes Diadem. "Ich habe schlechte Nachrichten." Tirmo sprang von seinem Frühstück auf. "Ich habe gesehen, dass Legolin in der Nacht zurückgekommen ist..." "Also weißt du, was passiert ist?" Amdir schien etwas überrascht. "Ja... das heißt; eigentlich nicht so richtig..." "Warum unterbrichst du mich dann?" "Ist... ist dieser Elb wirklich tot?" "Seine Seele weilt nicht mehr in Mittelerde, falls du das meinst." Amdir drehte sich wieder um und ging zur Tür, hielt aber noch einmal inne. "Heute nacht ist die nurumereth, die Totenfeier für Tavaron. Der Herr bittet dich, auch teilzunehmen." Tirmo zögerte kurz, nickte dann aber. "Ich werde seiner Bitte Folge leisten." "Gut. Ich hole dich heute abend ab." Der Elb verließ den Raum und schloss die Tür. Etwas später kam noch jemand zu Tirmo- es war Ethuil. Erst ließen sie sich wochenlang nicht blicken, und dann kamen sie alle auf einmal! "Hier. Dein Festgewand für die nurumereth." Auch Ethuil war weiß gekleidet und trug, ebenso wie Amdir, ein Diadem. Er überreichte Tirmo ein gleichartiges Gewand mit einem Gürtel aus hellem Silber. "Wir sehen uns heute abend." Der Elb verließ das Zimmer. Als der Junge gegen Mittag aus dem Fenster schaute, konnte er unten, am Fuß eines großen Baumes, Legolin erkennen. Noch einige andere Elben standen bei ihm, sie waren alle wie Amdir und Ethuil gekleidet. An diesem Abend würde er Legolin wiedersehen- der Elb war Tirmo einige Antworten schuldig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)