Zum Inhalt der Seite

Die letzten Elben

Eldar na veduir
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Rätsel über Rätsel

Rätsel über Rätsel
 

Die Sonne sank immer tiefer und Tirmo fröstelte. Gestern morgen war er noch zuhause, bei seinen Eltern und Geschwistern, gewesen... und nun befand er sich in einer Elbenstadt tief im Wald verborgen, und war, sozusagen, gefangen. Auch wenn die Elben es nicht direkt aussprachen, war es im Grunde so. Er konnte sich nicht gerade über schlechte Behandlung beklagen- er hatte gutes Essen und Kleidung sowie ein Zimmer mit schönem Ausblick bekommen, außerdem hatten Amdir, Ethuil und Legolin ihn vor den Wölfen und dem Troll beschützt, doch sagten sie ihm nicht, ob er zurückkehren dürfe, er konnte sein Zimmer nicht verlassen und Legolin ließ nichts von sich hören.

Der Herr ließ Tirmo an diesem Tag nicht mehr rufen.

Auch am nächsten würde er das nicht tun.

Der orange lodernde Himmel wechselte seine Farbe zu einem düsteren Grau und als die Sonne untergegangen war, überspannte der Nachthimmel den Wald wie ein riesiges Zelt aus blauem Samt.

Tirmo hatte das Gefühl, ein wenig Schlaf vertragen zu können, und sah sich nach einer passenden Ruhestätte um. Zu seiner Rechten bemerkte er eine Nische, die ihm vorher nicht richtig aufgefallen war; dort befand sich eine Art Liege mit einigen Polstern und gewebten, mit silbernen Rankenmustern bestickten Decken darauf.

Tirmo legte sich hin, das Gesicht in Richtung des Fensters gewandt. Er konnte die sich leicht im Wind wiegenden Äste sehen, die sich schwarz gegen den nächtlichen Himmel abhoben. Nach und nach erschienen immer mehr Sterne und glänzten zwischen dem Blattgeflecht und den Baumkronen hindurch.

Die gewaltigen Stämme wurden von einem sanften, flackernden Licht, wie von unzähligen Fackeln, angestrahlt und Tirmo konnte dann und wann zu ihm hinaufsteigende Geräuschfetzen wahrnehmen, Klänge von Harfen und vielen Stimmen: Das Elbenvolk hatte sich auf der Lichtung zu einer Feier versammelt.
 

Schließlich drehte der Wind, und ein klares Lied, von einer einzelnen Stimme gesungen, schwebte hinauf zum dunklen Himmel:
 

A! Elbereth Gilthoniel,

silivren penna mÍriel

o menel aglar elenath...

Na-chaered palan-dÍriel

O galadhremmin ennorath,

Fanuilos, le linnathon,

Nef aëar, sÍ nef aëaron !
 

Es war das schönste, was Tirmo jemals gehört hatte...
 

Als er aufwachte, war es bereits hell, doch der Himmel war grau und stürmisch; dicke Regenwolken jagten über Ithilien hinweg. Die Vögel hatten sich unter dem Blätterdach verkrochen und sangen nicht. Tirmo stand auf und bemerkte, dass auf dem Tisch wieder eine Waschschüssel und Frühstück standen, außerdem lag auf der Bank ein Stapel Kleider. Die Elben schienen einen längeren Aufenthalt für ihn geplant zu haben... Wieder konnte Tirmo nichts anderes tun, als zu warten. Er setzte sich an das Fenster und starrte in den inzwischen strömenden Regen hinaus. Was am vorigen Tag einen so schönen Anblick geboten hatte, wirkte jetzt nur noch trist und grau.

Auch war der Anduin nicht mehr zu sehen: Nach allen Himmelsrichtungen fiel der Wald sanft ab und verlor sich dann in nebliger Ferne zwischen den Regenschleiern. In der Siedlung selbst konnte Tirmo ebenso wenig entdecken: Hin und wieder kam eine in Laubgrau und Grün gewandete Wache von einem der fletts hinunter, oder ein Elb mit einem Kelch ging zum Wasserholen über die Wiese- sonst geschah nichts.

Kurz gesagt- es war langweilig.

Auch in seinem Raum konnte Tirmo nichts finden, womit er sich hätte beschäftigen können, also vertrieb er sich die Zeit damit, die Kleider in ein kleines Wandregal zu stapeln. Für ihre Gewänder gebrauchten die Elben größtenteils weiches Leder und leichte Webstoffe in den Farben der Erde und des Waldes; die meisten Menschen trugen in jener Zeit einfache Leinenkleidung- und ihre Rüstung... In den letzten Jahren hatte es immer wieder Unruhen in den Ländern östlich der Nebelberge gegeben, und die Menschenvölker waren einander fremd geworden, von den Elben und Zwergen gar nicht zu reden. Es gab ohnehin fast keine mehr von ihnen. Die übrigen Zwerge hatten sich in ihre Minen zurückgezogen und duldeten dort keine Fremden; die Elben waren aus der Welt und aus den Gedanken der Sterblichen verschwunden. An langen Winterabenden erzählte man sich Geschichten über die Kinder der Sterne, von versteckten Festungen, deren weißer Stein nun längst zerfallen war, und von vergangenen Zeiten, in denen alle Völker friedlich miteinander gelebt hatten.

Und schließlich von grauen Schiffen, die in sternklaren Herbstnächten aus den Elbenhäfen ausgelaufen waren, um nie nach Mittelerde zurückzukehren.

Doch Tirmos Vater und auch die meisten anderen hielten dies alles für nichts weiter als eine Art Gutenachtgeschichte für Kinder. Überhaupt waren alle der Meinung, es nütze nichts, einer verlorenen Vergangenheit nachzutrauern und diese auch noch mit Märchen von unsterblichen Elben auszuschmücken. Es sei wichtig, an die kommenden Zeiten zu denken und sich auf den immer näher rückenden, unvermeidlichen Krieg vorzubereiten.

Tirmo fragte sich, wie es mit Legolin und den Waldelben war: Würden sie einfach, von allen übrigen unentdeckt, bis ans Ende aller Zeiten in tiefen Wäldern leben?

Würden sie Gondor beistehen können, wenn es zum Krieg käme?

Oder... würden auch sie eines Tages mit einem grauen Schiff über das Meer fahren?

Tirmo wusste nichts über die Erstgeborenen, wusste nicht, wie viel Leid es ihnen bereitete, unter all den Sterblichen zu leben, deren Dasein wie im Flug verging und bei denen alles so schnell in Vergessenheit geriet, während sie selbst in der Ewigkeit weilten und die Jahrhunderte träge vorbeiglitten wie ein breiter Strom; er wusste nicht, dass sie hier in Mittelerde wie im Exil lebten und dass sie ein anderes Land, unerreichbar und für sie doch allgegenwärtig, vor Beginn aller Zeitalter schon zu ihrer Heimat gewählt hatten.

Trotzdem stimmte ihn der Gedanke daran, dass es irgendwann nur noch Menschen, die sich gegenseitig bekämpften, geben würde, traurig.
 


 

An diesem regnerischen Tag geschah nichts Berichtenswertes mehr.

Der Himmel blieb die ganze Zeit über grau und wolkenverhangen, und abends, als Tirmo sich schlafen legte, blieb es ruhig in der Elbenstadt.

Nachdem er aufgewacht war, stellte Tirmo fest, dass der Regen über Nacht kaum nachgelassen hatte, und vom Ozean her wehten immer noch Wolken heran.

Plötzlich drangen von unten Stimmen und das Geräusch von Hufen hinauf. Schnell lief Tirmo zum Fenster und spähte hinaus in die Morgendämmerung: Er sah, dass Legolin und zwei andere Elben ihre Pferde zum Tor führten. Die drei waren in voller Rüstung, trugen schwere, dunkelgrüne Mäntel und ihre üblichen Waffen: Bögen und Langmesser. Einige weitere, unbewaffnete Elben- darunter erkannte Tirmo auch Amdir und Ethuil- kamen nun hinzu und sprachen mit den Kriegern.

Einige Worte konnte Tirmo hören:

" Inye anÍron alma lin, enya hÎr..."

"...te Valar beruviénte..."

"SÍ lelyon!"

Legolin und seine Begleiter stiegen auf ihre Reittiere, verabschiedeten sich und ritten in schnellem Galopp durch das Tor. Tirmo hörte das Hufgeräusch nach Westen verklingen.

Er fragte sich, wohin sie ritten; es hatte ausgesehen, als brächen die drei zu einem Kampf auf. Kurz zog er die Möglichkeit in Betracht, dass die Elben ihn als Geisel genommen hatten und jetzt die Menschen benachrichtigten; doch er war nur der Sohn eines einfachen Händlers, außerdem hatten die Elben selbst betont, dass sie nichts mit den Sterblichen zu schaffen haben wollten...

Vielleicht war Legolin einfach nur auf Jagd gegangen...

Die anderen Elben gingen schweigend durch den Regen zurück in die Stadt.

Später am Nachmittag kam ein Elb mit etwas zu essen, er sprach aber nicht mit Tirmo. Er hätte gerne Amdir und Ethuil wiedergesehen und sie nach dem Grund für Legolins Aufbrechen gefragt, doch auch die nächsten Tage verliefen ereignislos; kein Bekannter Tirmos ließ sich blicken und das Wetter verschlechterte sich zusehends.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2005-02-26T13:25:53+00:00 26.02.2005 14:25
Der Ärmste.... ganz allein unter Elben und keiner der mit ihm spricht! Er kann ja nicht mal aus seinem Zimmer....
DAs ist wirklich ziemlich gemein von Legolin ihn so im ungewissen zu belassen, wo er ihm doch das Leben gerettet hat!
Bin jetzt aber mal ziemlich gespannt, wie es weitergeht... und vorallem, wie es zu dem Toten kam.....

Finde deine ff wirklich sehr spannend!!!

*knuddel*
Lady_of_Valinor


Zurück