Die blutigen Schmetterlinge von Flordelis (Denn sie vergibt niemals) ================================================================================ Kapitel 7: Das letzte Ritual ---------------------------- Harry und Raine streiften unter dem Tarnumhang und mit der Karte des Rumtreibers durch Hogwarts, um den Raum zu finden, in dem Relena damals verschwunden war. Es waren Herbstferien, kurz vor Halloween. Sie hatten am nächsten Tag keinen Unterricht, konnten also die ganze Nacht durch das Schloss streifen, wenn sie nicht entdeckt wurden. "Waren wir hier nicht schon mal?", wisperte Raine plötzlich. Harry sah sich um und entdeckte an den Wänden die selben Porträts, die ihm bereits vor einer halben Stunde aufgefallen waren. Sie waren tatsächlich im Kreis gelaufen. "Was jetzt?", fragte Raine flüsternd. Harrys Blick fiel auf die Karte. Sie waren in der Nähe von Relenas Büro. Und die Lehrerin war gerade dabei ihr Büro zu verlassen. Harry zischte Raine zu, dass sie sich an der Wand aufstellen sollten. Beide pressten sich an die Wand und sahen zu, dass der Umhang sie auch vollständig bedeckte. Relena streckte ihren Kopf aus der Tür. Ihr Zauberstab leuchtete, nur deswegen konnte Harry sie in dem ansonsten dunklen Gang sehen. Die Lehrerin drehte ihren Kopf nach links und rechts und kam dann aus dem Büro heraus. Mit großen Schritten lief sie den Gang hinunter, direkt an Harry und Raine vorbei. Vor den beiden blieb sie noch einmal stehen und sah direkt in ihre Richtung. Harry betete, dass sie nicht durch den Tarnumhang sehen konnte. Nach wenigen Sekunden, die Harry und Raine wie ein ganzes Jahr vorkamen, schnaubte Relena. "Ungeziefer!" Zu Harrys Erleichterung lief sie nach diesem Ausspruch weiter und verschwand um die nächste Ecke. Harry bedeutete Raine weiterzugehen und lief mit ihr den Gang entlang, bis sie Relenas Büro erreicht hatten. Die Lehrerin schien sehr in Eile gewesen zu sein oder aber sie hatte nicht vor lange wegzubleiben; die Tür stand offen. Harry öffnete die Tür vorsichtig und ging mit Raine hinein. Das Büro war erstaunlich ordentlich. Nur auf dem Schreibtisch lagen allerlei Dinge herum, die da eigentlich nicht hingehören sollten. Harry nahm den Tarnumhang ab und drückte ihn Raine in die Hand, bevor er den Schreibtisch untersuchte. Ein Pergament lag ganz oben auf mehreren geöffneten Büchern über Geister. Doch das Pergament war nicht einfach nur ein Stück Pergament, es schien eine Karte zu sein. Eine zweite Karte des Rumtreibers! Harry hob das Pergament hoch und sah es sich genauer an. Er sah Relena auf der Karte wieder in diesem Raum. Und wieder verschwand sie genau an dieser einen Wand. Raine stellte sich neben ihn und sah ebenfalls auf die Karte. "Dieser Raum..." "Was ist damit?", fragte Harry. "Zeigt die Karte nicht an, wohin diese Wand führt?" Harry schüttelte seinen Kopf. "Der Raum ist für die Karte unbe..." Er brach ab. Auf Relenas Karte veränderte sich plötzlich alles. Relena befand sich in einem breiten Gang, der zu einem runden Raum mit dem Titel "Seilritual" führte. In diesem Raum waren zwei weitere Namen vermerkt: Cherry Clavis und Morgan Masters. Harry runzelte seine Stirn. Von diesen Leuten hatte er noch nie etwas gehört. Dieser Raum führte zu einem weiteren mit dem Namen "Höllenschlund". Das muss der Raum sein, dachte Harry, der Raum in dem Raine Amber getötet hat. Relena erreichte den Ritualraum. Aber plötzlich löschte sich die Karte und es wurde ungewöhnlich kalt im Zimmer. Es erinnerte Harry, als wäre ein Dementor im Zimmer. Der Spiegel, der ihnen gegenüberstand fror ein, ein leiser Chor erhob sich, die wenigen Kerzen, die bisher gebrannt hatten erloschen. "Was ist hier los?", fragte Raine mit zitternder Stimme. Eine weiße Wolke verließ ihren Mund beim Sprechen. Die Tür in das Büro öffnete sich vollständig. Harry drehte sich langsam um. In der Dunkelheit konnte er nicht viel sehen, aber jemand oder etwas schien das Büro zu betreten. Harry spürte plötzlich Raines Hand an seinem Arm. Ohne hinzusehen legte Harry seine eigene Hand auf die Raines. Etwas kam herein und schloss die Tür hinter sich. Völlige Dunkelheit umgab sie. Eine seltsame Dunkelheit, die nicht von Harrys bloßem Auge durchdrungen werden konnte. Eine magische Dunkelheit...erschaffen von einem Zauberer...oder etwas anderem? Raines Hand war eiskalt. Harry fragte sich wie das sein konnte. Plötzlich hörte er einen Schrei hinter sich. Licht flammte auf und Harry sah Raine wenige Schritte hinter ihm. Ein Geist schwebte vor ihr und hielt sie damit in Schach. Aber die Hand... Harry sah hin und entdeckte, dass es die Hand eines weiblichen Geistes war. Der Junge fuhr erschrocken zurück und rief fragend: "Wer seid ihr?!" Die Geister antworteten nicht, aber jemand befand sich noch hinter ihm. Harry drehte sich um und entdeckte einen dritten Geist. Es war eine Frau mit langen braunen Haaren. Sie schwebte in der Luft, war also auch ein Geist. Aus ihrem Rücken ragten zahllose Hände und schienen nach etwas greifen zu wollen, das sie aus dem "Körper" dieses Geistes reißen könnten. "Wer bist du?", fragte Harry, obwohl er sowieso das Gefühl hatte, dass ihm niemand antworten würde. Tatsächlich antwortete der Geist nicht, sondern schwebte auf Harry zu. Die Hände kamen hinter ihrem Rücken hervor und griffen nach Harrys Hals. Es war genau wie in seinem Traum im Haus der Dursleys. Die Hände drückten seinen Hals erbarmungslos zu. Harry rang nach Atem. Plötzlich sprang Raine direkt durch den Geist vor ihr hindurch. "HARRY!!" Ihr Zauberstab strahlte in einem hellen Licht. Harry schloss seine Augen und als er sie wieder öffnete, lag er auf dem Boden. Der Druck auf seinen Hals war vollständig weg. Vor dem Geist, der ihn angegriffen hatte, schwebte nun auch Ambers Geist. Sie hielt einen Zauberstab fest umklammert und deutete damit auf den fremden Geist. Raine half Harry hoch. Amber drehte sich halb zu ihnen und rief: "Flieht! Flieht durch den Spiegel! Ich halte sie auf." Ihr Blick konzentrierte sich auf Harry und in seinen Gedanken hörte er sie sagen: "Bitte pass gut auf meine Raine auf." Harry und Raine hasteten zum Spiegel und hechteten hindurch. Harry erwartete jeden Moment, dass das Glas zerbrechen würde und sie den Geistern schutzlos und verletzt ausgeliefert wären, doch wie durch ein Wunder fielen sie durch den Spiegel und immer weiter und weiter, bis sie auf den Boden aufschlugen... *** Harry lief durch das verzierte Tor vor sich in den Seilritual-Raum. Eine junge Relena und zwei weitere Schüler, scheinbar von Hogwarts, standen da. Der eine war ein Junge und der andere Schüler ein Mädchen. Der Junge schluckte, ob des Anblicks der seltsamen Seilmaschine. "Jade, das war keine gute Idee. Lass uns wieder gehen." Doch Relena ging näher und sagte spottend: "Komm schon, Morgan, du wirst doch keine Angst haben. Das ist doch alles schon lange her." Morgan schluckte erneut und sagte dann mit einem Seitenblick auf das andere Mädchen: "N-nein, ich habe keine Angst. Ich habe nur gedacht, dass es besser für Cherry wäre." Cherry lief gelassen voran. "Also mir macht das hier nichts aus. Das ist alles total aufregend." Harry sah sich eingehender um. Nichts war zu sehen, keine Spur von einem Geist. Nur getrocknetes Blut klebte in dem Abfluss. Und auch an den gespannten Seilen und Drähten klebte verkrustetes Blut. Relena holte ihren Zauberstab hervor und tippte damit, anscheinend aus Versehen, gegen das Gestell. Ein Lichtblitz zuckte und plötzlich war der Raum nicht mehr so leer und leblos. Die Umgebung wurde schwarz-weiß. Fünf der verhüllten Priester erschienen an den Wänden des Raumes. Relena, Morgan und Cherry sahen sich panisch um. "Was geht hier vor?!", rief Relena fragend. Die Priester schlugen mit ihren Stäben auf den Boden, worauf die Münzen am Ende wieder zu klappern begannen. Die Priester gingen auf sie zu und sagten dabei im Chor: "Akzeptiert euer Schicksal als Opfer." Morgan schüttelte heftig seinen Kopf. "Nein, nicht wir!" Relena wurde von zwei Priestern gepackt und mit unsichtbaren Kräften in dieses Gestell gebunden. Morgan und Cherry versuchten zu fliehen, aber die Tür war verschlossen und außerdem stellten sich ihnen die restlichen Priester in den Weg. Plötzlich trat noch jemand aus der Wand. Harry hielt die Luft an: es war ein weiterer Priester, der allerdings einen höheren Rang einzunehmen schien; es war der Zeremonienmeister. Der Geist trat an das Rad, das an dem Gestell angebracht war und begann, daran zu drehen. Die Seile und Drähte schnitten in Relenas Fleisch, das erste Blut quoll hervor, während sie selbst aus vollstem Leibe schrie. Morgan und Cherry wurden von den verhüllten Priestern gezwungen, nach oben zu sehen. Zuzusehen wie Relena leiden musste. Tränen traten in die Augen der beiden Schüler. Harry hielt es auch nicht aus zuzusehen. Er schloss seine Augen. Das Geräusch der Seile und das Schreien von Relena brannten sich in sein Gehirn. Plötzlich verstummte Relena, aber dafür schrie Morgan erstickt auf. Harry öffnete seine Augen wieder. Relena hing leblos in den Seilen und Drähten. Ihr Gesicht war zur Unkenntlichkeit zerschnitten. Aber wie konnte sie dann in Hogwarts unterrichten? Die Priester lösten die Seile, ließen Relena vorsichtig herunter und trugen sie in den anderen Raum. Der Zeremonienmeister trieb Morgan und Cherry an, ihnen zu folgen. Harry lief ebenfalls hinterher. Sie befanden sich in dem Raum mit der Bezeichnung "Höllenschlund". Die Priester stellten sich an den Seiten des Abgrundes auf und ließen Relena hinunterfallen. Morgan schrie erstickt auf. Ein schwaches Erdbeben erschütterte die Höhle. Die Priester raunten. Der Zeremonienmeister drängte Morgan ohne Worte auf die kleine Felserhebung, auf der Raine auch Amber umgebracht hatte. Cherry beugte sich über ihn. Morgan wimmerte leise. "Cherry, nicht..." Das Mädchen legte ihre Hände um seinen Hals - und drückte zu. Morgan würgte und schnappte nach Luft, aber Cherry ließ nicht mehr locker. Sie drückte solange bis seine Hände erschlafften und er aufhörte sich zu bewegen. Die Priester packten Morgan an seinen Armen und warfen ihn ebenfalls in das Loch hinunter. Cherry sah emotionslos hinterher. Die Priester verweilten einen Moment und sahen auf das Loch, ohne direkt hineinzusehen. Erst glaubte Harry, der bewegungslos dastand, dass nichts weiter mehr geschehen würde. Aber plötzlich wurde die Höhle von einem stärkeren Erdbeben erschüttert. Die Priester schrien auf. Ein helles Licht erstrahlte aus dem Höllenschlund. Die Priester riefen sich gegenseitig Dinge in einer Sprache zu, die Harry nicht verstand. Es sah nicht aus, als ob es normal war, was da geschah. Cherry stand langsam auf. Das Licht explodierte geradezu und blendete Harry. Er schloss seine Augen und als er sie wieder öffnete sah er die drei Geister, die er bereits in Relenas Büro gesehen hatte. Die Priester und der Zeremonienmeister waren verschwunden, nur die drei Geister und Cherry waren noch da. Cherry stand direkt vor den Geistern und sah sie ohne Furcht an. Harry sah misstrauisch hinüber. Wie konnte es sein, dass Relena tot war? Immerhin schien sie beim Unterricht kein Geist gewesen zu sein. Der vorderste Geist, mit den vielen Armen hinter seinem Rücken, streckte diese aus und umschloss Cherry damit. Cherry bewegte sich nicht, handelte nicht einmal. Doch der Geist tötete sie nicht. Als er seine Arme wieder wegnahm, sah Cherry aus wie Relena. "Töte Potter.", hauchte der Geist. Harry hielt die Luft an. Potter? War damit sein Vater oder er selbst gemeint? Oder vielleicht sogar sie beide? Wieder leuchtete dieses Licht auf. *** "Harry? Harry." Er öffnete seine Augen und sah Raine über sich. "Raine? Wo sind wir?" "Wir sind im verbotenen Wald." Harry setzte sich auf und entdeckte einen kleinen See, der eher ein Teich zu sein schien. "Raine, ich habe es gesehen." "Was?", fragte sie. "Das letzte Ritual. Unsere Relena ist nicht die richtige Relena. Relena wurde geopfert. Das Mädchen, Cherry, sollte ihren Platz einnehmen und Potter töten." Raine weitete überrascht ihre Augen. "Das bist du. Darum wollte Amber dich töten. Sie war von dem Bösen im Höllenschlund übernommen worden." "Aber warum Potter?", fragte Harry. "Finden wir es heraus.", schlug Raine vor. Harry sah sie überrascht an. "Du willst mit mir gehen?" Raine legte ihre Hand an Harrys Wange. "Harry, ich würde dir sogar durch die Hölle folgen. Ich liebe dich." "Raine..." Das Mädchen näherte sich Harrys Gesicht und wollte ihn küssen, als plötzlich Hagrids Stimme erklang: "Harry?! Raine?!" Hagrid kam mit Fang aus dem Gebüsch heraus. Seine Armbrust lag schussbereit in seiner Armbeuge. "Was macht ihr denn hier?" "Das wüssten wir auch gerne.", sagte Harry. "Na dann kommt mal mit.", sagte Hagrid. "Alle machen sich Sorgen um euch." Harry und Raine standen auf und folgten Hagrid, während der zunehmende Mond rötlich durch das Laubdach schimmerte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)