Je kälter der Winter,... von abgemeldet (...desto näher der Frühling.) ================================================================================ Prolog: Vorwort und Prolog -------------------------- Vorwort des Autors Bevor ihr nun mit dem Lesen anfangt möchte ich doch noch ein paar Anmerkungen machen, was meine blühende Fantasie betrifft. Im Voraus sei schon einmal gesagt, dass meine Story durchzogen ist von vielen Zufällen und Geschehnissen, die wirklich nicht als ,gewöhnlich' oder ,alltäglich' zu bezeichnen sind. Manches mag übertrieben oder weit hergeholt erscheinen, das ist mir auch bewusst, aber dies ist schließlich eine FanFiction und wie das Wort schon sagt, reine Fiktion und meiner Fantasie entsprungen. Deshalb wird es sicher vorkommen, das manches nicht ganz stimmig erscheint, auch wenn ich mir Mühe gegeben habe, alles recht plausibel zu umschreiben und zu erklären. Allerdings wäre es natürlich auch total langweilig, wenn nichts ,Außergewöhnliches' mit den Protagonisten passieren würde, denn diese Events sind es, die eine Story spannend machen. Was die Charaktere betrifft, so will ich anmerken, dass Kerry, Jason und Aneko aus meiner eigenen Feder stammen, ähnlich die meisten Statisten. Weitere Hauptcharaktere wie Mokuba oder Seto sind natürlich aus der Serie entnommen. Was hierbei immer Schwierigkeiten macht, ist, dass man selbst zwar die Charaktere aus der Serie kennt und weiß welche Charakterzüge sie so haben, aber es ist furchtbar schwer diese auch in der eigenen Geschichte beizubehalten. Besonders schwer fiel mir das natürlich bei unserem allseits beliebten Eiswürfelchen Seto Kaiba, denn er ist ja eigentlich so unnahbar wie eine Gefriertruhe. Bei einer romantischen Geschichte jedoch, kommt man natürlich nicht drum herum dies ein wenig zu ändern, wenigstens langsam und mit der Zeit. Ich hoffe, dass ich das halbwegs auf die Reihe gekriegt habe, dass auch die Entwicklung Seto Kaibas vernünftig und plausibel erscheint. Auf keinen Fall wollte ich, dass unser Mr. Obercool von einem Tag auf den anderen ein liebevoller, sensibler Kerl wird. Wobei das wird wohl nie aus ihm. *kopf schüttel* Zu seinem Gegenpart: Kerry. Um alle Unklarheiten bezüglich dieses Charakters im voraus zu zerstreuen: Dieser Charakter bin nicht Ich. Natürlich fließen immer gewisse Züge des Autors in einen Charakter mit hinein, aber bis auf die fesche Frisur (Pumuckl Style) und ihre sarkastische Ader hat sie kaum etwas von mir mitbekommen, denke ich. Ich denke sie ist teilweise der totale Gegenpart zu Kaiba, aber andererseits ihm auch ähnlich. Beides ist so gedacht, denn ein absoluter Gegenpart könnte vielleicht eine vorübergehende Anziehung verursachen, aber es könnte auf Dauer keine gescheite Beziehung geben. Wenn sie jedoch genauso wäre wie er würden sie sich gegenseitig wahrscheinlich so anfrosten, dass sie nie erfahren würden, dass sie super zueinander passen würden. (Was sind Beziehungen doch kompliziert) Was gibt es noch zu sagen... ähm... mein Schreibstil.... genau: Ich habe bisher einige FanFics gelesen und immer wieder gesehen, dass aus der Ich-Perspektive geschrieben wurde. Erstens schreibe ich so eher ungern, weil ich dann Gefahr laufe, mich mit diesem Charakter zu identifizieren und zu verfälschen und zweitens, weil ich ja schon sagte, dass Kerry nicht ich bin. Die genauen Unterschiede erläutere ich jetzt lieber nicht, sonst hören die letzten, die bis hier hin gelesen haben auch noch auf ;-) Zu der Storyline. Hach... was soll ich dazu sagen. Ich hab schon einige anderen Geschichten gelesen und dachte mir nur: Verdammt, warum schreiben andere Leute genau das, was ich auch schreiben wollte. Wie ausschöpfend andere diese Thematik "kleiner verliebter Seto" umgesetzt haben, hat mich etwas mutlos gemacht. Letztendlich habe ich mich aber nicht davon abhalten lassen selbst auch noch mal meine Version davon zu schreiben. Vielleicht kommen manchen Leuten ja gewisse Problembehandlungen oder Konflikte bekannt vor, aber ich habe möglichst versucht keine Ideen zu kopieren und andere FanFics lediglich als Anregung gesehen. Dennoch gibt es eben manche Dinge, die man nicht so leicht umgehen kann, wie z.B. "wie kommt ein Mädchen überhaupt an Seto ran? Wie können sie sich näherkommen, sich kennen lernen?" Der beste Weg führt da natürlich über Mokuba, das ist wohl so etwas, was unumstritten benutzt wird und auch von mir angewandt wurde. Ich hoffe aber, dass mir trotzdem eine individuelle, eigene Geschichte gelungen ist, die nicht als "wieder so ,ne Seto-Lovestory" abgestempelt wird. Nachdem ich den Text von einer (im Schreiben hochbegabten) Freundin habe durchlesen lassen, (Danke Nini für die Riesen Mühe) ist mir aufgefallen, dass es doch manche gibt, die wirklich unverständlich bzw. hochgestochen sind. Ich wollte sie nicht ändern, weil das einfach zu meinem Stil passt, aber wenn ich denke etwas könnte unklar sein, dann schreibe ich zu Anfang die Bedeutung einiger Wörter hin. Keine Sorge, so viele sind's dann auch nicht und ihr seid ja eh alle schlau und ich bin wahrscheinlich viel zu übervorsichtig. Ich möchte zum Schluss noch anmerken, dass ich mich über Kommentare freuen würde und obwohl es immer ein Ansporn ist zu hören, dass anderen das Geschriebene gefällt, wäre es mir doch ehrlich gesagt noch lieber längere Kommentare mit wirklich ehrlicher, konstruktiver Kritik zu erhalten. Niemand ist perfekt, ich erst recht nicht und ohne Fehler aufgezeigt zu bekommen ist es auch schwer sich zu verbessern. Viel Spaß Dolefulness alias Creditor, alias Mürri/Miriam/Möhri/Mairim ---------------------------- Prolog Gleißende, feine Sonnenstrahlen stachen der jungen Frau unangenehm in die Augen, doch sie wagte es nicht den Blick von der unter ihr hinweggleitenden Landschaft zu wenden. Starr und scheinbar weggetreten haftete ihr nachdenklicher Blick auf der grünen Insel, als ihr die Sicht darauf plötzlich entrissen wurde, als das Flugzeug auf das offene Meer hinausschoss. Eine kristallklare Träne löste sich von ihren grünen Augen und glitt auf einer geschwungenen Bahn ihre Wange hinab. Die rothaarige Frau machte sich nicht die Mühe sie wegzuwischen, Tränen trockneten irgendwann. Entschlossen löste sie sich von dem Anblick, der sich ihr durch das runde Fenster bot und ausdruckslos starrte sie auf den beigefarbenen Sitz vor ihr. Ihre zarten Hände klammerten sich krampfhaft an ihrer Handtasche fest aus der sie plötzlich ohne aufzublicken eine rechteckige Karte herauszog. Ohne einen Blick darauf zu werfen schob sie diese in ihre linke Jackentasche direkt über ihrem Herzen. Das also war das Ende? Es stimmte, es war Ende ihres alten Lebens, ein Leben voller Erinnerungen, aber auch voller Schmerz. Zugleich wäre es aber auch der Anfang eines neuen Lebens, ein neuer Anfang, eine neue Zukunft. Gedankenverloren schloss das schlanke Mädchen die Augen und bemerkte nicht, wie das Licht der Sonne, dass sie eben noch geblendet hatte zusammen mit dem Flugzeug langsam aufstieg und ihre Bahn verfolgte. --------------------------- Kapitel 1: Ein Unfall mit Folgen -------------------------------- Ein Unfall mit Folgen "Verdammter Idiot!", schimpfte Kerry dem davonbrausenden aufgemotzten Cabrio hinterher, während sie sich langsam wieder aufrichtete. Plötzlich verzog sie schmerzverzerrt das Gesicht und unterdrückte einen Aufschrei. Der Sturz war nicht gerade sanft gewesen, sie konnte von Glück reden, dass ihr Motorrad sie nicht unter sich begraben hatte. Während sie sich eine feuerroten Haarsträhne aus dem Gesicht strich und sich ihre dunkelgrüne ¾ Hose abklopfte, drehte sie sich langsam zu ihrem Motorrad um, mit dem sie soeben abgedrängt worden war. Beinahe hätte sie einen Sprung zurück gemacht und diesmal konnte sie ein erstauntes und zugleich ärgerliches "Mist!" nicht verkneifen. Ihre Maschine war zur Seite gedrängt worden und während sie nach vorne gefallen war, wurde das Motorrad offensichtlich mit nicht allzu geringer Wucht gegen die am Bürgersteig parkende Limousine geschleudert. Eine massive Delle in der tiefschwarzen Seite des Autos war nicht zu übersehen. Heiße Wut stieg in Kerry auf, während sie mit für sie untypisch stampfenden Schritten auf das Auto zuging und ihr Motorrad, das ebenfalls einigen Schaden abbekommen hatte, von der Autotür wegzog und hinter dem PKW auf den Bürgersteig stellte. Dann warf sie einen Blick auf das Gebäude, dass vor ihr stand und ihr Herz rutschte ihr beinahe in die Hose, als sie den riesigen Wolkenkratzer der Kaiba Corporation erkannte. Sich selbst verfluchend ließ sie sich auf den Bürgersteig sinken und wartete ab. Irgendwann würde wohl der Fahrer oder der Inhaber selbst auftauchen und sie schön zur Schnecke machen. Innerlich bereitete sich Kerry schon auf diese ,nette' Konfrontation vor und hoffte, dass es nicht dieser Seto Kaiba sein würde, der auftauchte. Doch ihr Hoffnungen wurden enttäuscht. Plötzlich erklang eine kalt und nicht allzu freundliche Stimme hinter ihr: "Was zum Teufel...?" Er unterbrach sich selber, als er die Gestalt auf dem Bürgersteig erblickte, die in dem Moment auch aufsprang und sich herumdrehte. Während sich Kerry O'Hara einem schlanken, großen jungen Mann mit modisch fransigen, braunen Haaren und kalten, tiefblauen Augen gegenübersah, blickte Seto Kaiba in das hübsche Gesicht einer ungefähr Gleichaltrigen, deren moosgrüne Augen versuchten ihre Emotionen zu verbergen, während sie mit einer schlanken Hand eine feuerrote Haarsträhne zur Seite wischte. Ihre Haare waren ebenfalls kurz, kürzer noch als die Setos und standen ihr wild und strubbelig vom Kopf ab, wobei die Länge einiger Strähnen jedoch enorm differenzierte, was aber eindeutig beabsichtigt war, eine Art geordnetes Chaos nannte sie selbst es. Sie war ungefähr 1,65 m groß und musste daher zu ihm aufblicken, was für ihn nichts Neues oder Unnatürliches war, Kerry aber machte es nicht gerade Mut, doch würde sie es sich im Leben nicht anmerken lassen. Stur streckte sie ihr Kinn vor und erwiderte den unterkühlten Blick Seto Kaibas fest. Dieser wandte seine beinahe schon angsteinflößenden Augen nicht von ihr, während er um den Wagen herumging. Erst als er den Schaden an seiner Limousine entdeckte ließ er mit seinem Blick von ihr, woraufhin sie beinahe erleichtert aufgeatmet hätte. Selbst wenn Kerry zu einer Entschuldigung hätte ansetzen wollen, hätte sie dazu keine Gelegenheit gehabt, denn eine weitere Stimme hakte sich in das Gespräch ein: "Seto, was ist denn?" Während Seto Kaiba um sein Auto herumgegangen war und nun mit finsterem Blick noch immer die Delle und dann wieder Kerry fixierte, war sein Bruder dazugekommen und da er noch auf der falschen Seite des Autos stand, schaute er erst seinen Bruder und das Mädchen fragend an. Kaiba blickte erneut mit diesem frostigen Blick auf die gewaltige Delle an der Seitentür der Limousine, während sich Kerry an Mokuba wandte. Stur wie sie war überlegte sie sich Mokuba scheinbar die Situation zu erklären, aber natürlich so, dass Seto Kaiba es mitbekommen würde, allerdings umging sie es so geschickt diesem reichen Schnösel persönlich erklären zu müssen was passiert war. "Ich bin von so einem Cabrio-Macho abgedrängt worden und hab' die Kontrolle über mein Motorrad verloren, welches dann gegen euer Auto geschleudert wurde.", erklärte die Rothaarige an Mokuba gewandt mit genervter Stimme, die natürlich dem Cabrio-Macho galt. Mokuba schaute sie nur perplex und etwas verwirrt an. Der Gesichtsausdruck brachte Kerry zum lächeln und sie ging auf den etwas kleineren Jungen zu und reichte ihm ihre Hand. "Sorry, ich bin Kerry O'Hara.", fügte sie hinzu. Mokuba ergriff ihre Hand und erwiderte grinsend: "Ich bin Mokuba und das ist mein..." "Mokuba!", schnellte Setos Stimme wie ein Peitschenhieb vor und unterbrach den Jungen mitten im Satz. Fragend und zugleich etwas schuldbewusst blickte Mokuba zu seinem Bruder und lief dann zögernd um den Wagen herum. Kerry folgte ihm mit wieder halbwegs leichten Schritten, aber immer noch deutlich unwillig. Sie wusste, dass ihre Geschichte wie eine Ausrede klang, aber es war nun einmal die Wahrheit und sie würde sich von diesem Geschäftsmöchtegern nicht einschüchtern lassen. Möglichst unauffällig atmete sie noch einmal tief ein und bog dann um das ,Heck' des Autos und stellte sich neben Mokuba, der kurz die Delle betrachtete und dann stirnrunzelnd seinen Bruder anblickte, der sich langsam herumdrehte und Kerry fixierte. "Deine Story klingt wie eine ziemlich blöde Ausrede, das ist dir schon klar, oder bist du wirklich so naiv und denkst ich würde dir das abkaufen, Kleine?" Bei dem Ausdruck "Kleine", wäre Kerry beinahe an die Decke gegangen, wenn es hier draußen eine gegeben hätte, aber heißer Zorn stieg in ihr auf und sie begann innerlich förmlich zu kochen. Nach außen hin behielt sie jedoch noch ihre Fassung und blitzte Kaiba mit ihren tiefgrünen Augen grimmig an. "Erstens habe ich einen Namen, mit dem man mich anreden kann, wenn man denn dazu fähig ist, ihn sich zu merken, zweitens ist mir klar, dass es unglaubwürdig klingt und drittens ändert das nichts daran, dass es den Tatsachen entspricht.", erwiderte sie möglichst beherrscht, doch ein wütendes Zittern in ihrer Stimme konnte man nicht überhören. Setos Lippen verzogen sich zu einem spöttisch amüsierten Lächeln als er ihre emotionale Reaktion und ihre, seiner Meinung nach, lächerlichen Versuche sah, diese zu unterdrücken. "Du hast keine Beweise, du hast keine Zeugen, deine Aussage steht gegen die eines der Mitglieder der Familie Kaiba.", konterte der taffe junge Mann mit überheblicher Stimme. Wenn sie sich jetzt aufregen würde, hätte er sein Ziel erreicht, dachte sich Kerry und konnte sich selbst damit überzeugen noch etwas ruhig zu bleiben. Mokuba fühlte sich sichtlich unwohl und hob an etwas zu sagen, wurde jedoch von Kerry unterbrochen, die ihrerseits jetzt einen drohenden Schritt auf Kaiba zugegangen war, nachdem dieser sich jetzt auch zu ihr umgedreht hatte. Die zierliche junge Frau musste sich fast auf die Zehenspitzen stellen und beugte sich ein Stück nach vorne, während ihr Gesicht gefährlich nahe an das von Seto kam, der sich mit eisigem Blick nun ebenfalls zu ihr hinunterbeugte. Die beiden ähnelten zwei scharfen Wachhunden, oder eher einem Wachhund und einer mehr als sturen Raubkatze, die kurz davor standen aufeinander loszugehen. Die vermeintliche Raubkatze gab scharf zur Antwort: "Willst du in irgend einer Weise andeuten, dass deine ach-so-tolle Aussage mehr zählt als die Meine, zumal du ja überhaupt nichts gesehen hast und nicht einmal das Gegenteil bezeugen kannst!" Ihre Stimme bebte nun deutlich unter dem von ihr unterdrückten Zorn über diese arrogante Haltung des jungen Mannes und dieser idiotischen Lage. "Ich weiß nur, dass in meiner teuren Limousine eine riesige Delle ist, die von deinem Motorrad stammt.", bellte Seto nun ebenfalls mit nicht ganz ruhiger Stimme. Das Lächeln war ebenfalls wieder von seinen Lippen gewichen und sein Gesichtsausdruck schien ernster denn je, während seine Augen vor Zorn sprühten. Beide hatten von Anfang an den anderen mit ,Du' angeredet, was der Situation nicht gerade Distanz verlieh. Kerry war am Ende ihrer Beherrschung und Geduld angelangt und ihr Temperament würde gleich mit ihr durchgehen, so gerne sie auch als überlegen und kühl auftrat, jetzt war das Maß voll. Seto hingegen stand zwar innerlich auch kurz vor der Weißglut, aber er hatte noch jede Menge Zeit, bevor er die Kontrolle verlieren würde, welche er nutzte um trotz aller Frechheiten die Wortgewandtheit und Wehrhaftigkeit seines Gegenübers zu bestaunen. Selten traute sich jemand mit ihm so zu reden und diese kleine Kröte würde dafür Rechenschaft ablegen müssen. Hätten Blicke töten können, so wären aus Kerrys Augen wohl kleine Blitze geschossen gekommen, als sie Luft holte um zum nächsten Streich auszuholen. "Hey, Leute, macht doch aus einer Mücke keinen Elefanten.", sagte eine bekannte, überraschend vernünftige Stimme. Mokuba zwängte sich zwischen die beiden fremden Streithähne und schob sie so automatisch ein Stück auseinander. Dies reichte um beide etwas abzukühlen und während Kaiba sich sofort wieder mit seiner frostigen Kühle umgab, blickte Kerry mit nicht mehr ganz so vor Zorn verschleiertem Blick von Mokuba zu Seto und wieder zurück. Der junge Geschäftsmann blickte zu seinem Bruder hinunter und wollte sich schon über die Einmischung beschweren, als Kerry plötzlich zu lachen anfing. Es war ein klares, reines Lachen, das an das Plätschern eines Gebirgsbaches erinnerte und einfach nur fröhlich und amüsiert. Ein schadenfrohes Lächeln war es auf jeden Fall nicht, soweit konnte selbst Seto das beurteilen, wenn er gewollt hätte. "Was gibt's jetzt auf einmal zu lachen? Hast du deine eigene Lächerlichkeit eingesehen?", fragte er die Rothaarige eiskalt. Diese verstummte daraufhin, aber ein amüsiertes Lächeln blieb auf ihren Lippen zurück. Schließlich antwortete sie mit neutralem Tonfall: "Nein, mir ist nur die Lächerlichkeit dieser Situation aufgefallen, weiter nichts und ich finde es belustigend, dass uns dein kleiner Bruder von einer Schlägerei abhalten muss." Mokuba kratzte sich am Kopf und konnte ein schiefes Grinsen nicht verbergen, dass sich an Kerry richtete. Als er jedoch Setos trotzigen Blick sah, biss er sich auf die Lippen und versuchte wieder ernster zu schauen. "Als ob ich es nötig hätte mich mit einem Mädchen zu schlagen. Lächerlich, zumal du bei deiner mickrigen Größe keine Chance hättest.", konterte er abfällig und drehte sich um, um zu gehen. Ohne auf seinen Kommentar einzugehen fragte Kerry verwirrt: "Wo willst du jetzt hin? Die Sache ist doch noch nicht geklärt!" Schon während sie dies aussprach, wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war, schließlich hätte es sein können, dass Kaiba das Ganze aufgrund seines Bruders und dessen Einwand hätte vergessen können. Sie unterdrückte ein "Verdammt!" und biss sich schmerzhaft auf die Lippen. Langsam drehte sich der hochgewachsene junge Mann wieder herum und musterte das Mädchen kühl von oben herab. Bevor er jedoch etwas sagen konnte schaltete sich Mokuba erneut ein: "Ach der Kratzer. Das ist doch nichts Tragisches. Außerdem wollte Seto sowieso eine neue Limo kaufen." Der schwarzhaarige Junge lächelte schulterzuckend und drehte sich dann wieder zu seinem Bruder. "Stimmt's Seto?" Dem Angesprochenen wäre beinahe die Kinnlade heruntergefallen, doch so etwas passierte Seto Kaiba natürlich nie. Er starrte seinen kleinen Bruder nur entgeistert an und als sein Blick zu Kerry wanderte, wusste er schon was er in ihrem Gesicht lesen würde: Schadenfreude. Aber zu seiner Überraschung sah er nichts dergleichen. Sie blickte ihn abwartend und vielleicht ein wenig hoffnungsvoll, aber auch wieder nicht unterwürfig an. Schadenfreude gab es jedoch gar nicht. Dadurch etwas verwirrt und außerdem viel zu sehr in Eile um dies noch in die Länge zu ziehen gab Kaiba emotionslos von sich: "Sie wird ja wohl versichert sein." Ohne ein weiteres Wort und nur mit einer kurzen Kopfbewegung deutete er dem Chauffeur, der stumm an der Seite stand, einzusteigen und endlich loszufahren. Erst nach einigem Kraftaufwand gelang es Seto Kaiba die verbeulte Tür aufzureißen und einzusteigen, was er natürlich nicht tat, bevor er Kerry noch einmal mit einem arroganten Blick gestraft hatte. Mokuba lächelte Kerry noch kurz zu und rief ihr ein: "Ciao, ich hoffe wir sehen uns." Zu, bevor auch er einstieg und die Limousine mit den unpersönlich getönten Scheiben davonbrauste. Mit einem Stirnrunzeln hievte Kerry ihr Motorrad hoch und brachte es nach einigen Versuchen sogar zum starten, so dass auch sie davonfahren konnte und es auch tat. Mit einem Tempo, das eher einer Schildkröte gerecht wurde, jedoch nicht ihrem Motorrad, begab sie sich zur nächsten Werkstatt und ließ ihr Verkehrsmittel dort. Nicht gerade in Hochstimmung machte sie sich schlendernd auf den Nachhauseweg, natürlich zu Fuß. Dabei hatte sie ihr heutiges Tagespensum an Joggen schon erreicht, dachte sie grummelnd, als sie endlich an ihrer Wohnung ankam. Es war ein eher kleines Häuschen, aber immerhin hatte es einen Garten, worauf Kerry auch auf keinen Fall verzichten hatte wollen. Mit müden Schritten ging sie bis zur Haustür und brauchte drei Anläufe um den Schlüssel erst einmal in das Schloss zu befördern. Dann klemmte diese verdammte Tür auch noch und sie musste sich mit ihrem nicht allzu beträchtlichen Gewicht schwer dagegen werfen. Mit einem Ruck sprang dieses hinterlistige Stück Holz, das scheinbar ein Eigenleben besaß, auf und Kerry stolperte in die Wohnung hinein und konnte gerade noch so verhindern hinzufallen. Das wäre auch noch zu schön gewesen, denn ihre Schulter schmerzte nach diesem Stoß schon genug. Moment, dieser Schmerz rührte nicht von dem Zusammenstoß mit der Tür her, sondern von diesem überflüssigen Unfall, den sie ja angeblich auch zu verantworten hatte. Es reichte! Sie war müde und erschöpft und hatte sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Schulter geprellt, dazu kam dieses blödsinnige Zusammentreffen mit dem wohl größten Snob aller Zeiten, von dem sie ein zwei Mal gehört hatte. Ihre säuerlichen Gedankengänge wurden unterbrochen, als ein mittelgroßer, junger Mann von ca. 20 Jahren in den Flur gelaufen kam und mit geweiteten Augen fragte: "Kerry, mein Gott, was ist denn hier los?" Es war unglaublich. Sie brauche ihn auch nur einen Moment zu sehen und seine besorgte Stimme zu hören um wieder obenauf zu sein. Zu köstlich einfach. Ein müdes Grinsen schlich sich auf ihre schmalen Lippen, während sie zynisch erwiderte: "Nichts, rein gar nichts. Ich hatte nur ein Zusammentreffen mit der Tür und jetzt brauchen wir wohl eine Neue." Jason runzelte die Stirn und fuhr sich verwirrt durch das kurze dunkelrote Haar, sein Blick war noch immer nicht ganz ohne Sorge. "Nun reiß dich mal zusammen, das war ein Scherz.", beendete Kerry das ,Gespräch' und trottete erschöpft den Flur an ihm vorbei, und stieß die linke Tür am Ende des kleinen Flurs unsanft auf. Kopfschüttelnd kehrte Jason ins Wohnzimmer zurück und begann wieder auf der Tastatur des dort befindlichen PCs herumzutippen, nicht ohne noch einige weitere Male den Kopf über seine altbekannte Mitbewohnerin zu schütteln. Kerry schob die Tür um Jasons Willen etwas rücksichtsvoller zu, machte noch zwei Schritte und ließ sich dann nach vorne auf ihr Bett fallen. Einen Augenblick schloss sie die Augen und sofort schossen ihr Bilder und Gedanken in den Kopf und wirbelten dort ungeordnet umher. Gesichter, Worte, Farben Eindrücke, alles gemischt und scheinbar ohne Bedeutung kreisten vor ihren geschlossenen Augen. Widerwillig öffnete sie ihre Augen wieder und blickte direkt zu ihrem großen Fenster hinaus auf die Stadt. Seufzend schob sie sich noch ein Stück auf das Bett hinauf und blieb dann erschöpft liegen. Gerade war die Rothaarige eingeschlafen, als ihr Handy zu klingeln begann. Normalerweise liebte sie diesen Klingelton, des Liedes "Behind Blue Eyes", aber nun war es ein weiterer Störfaktor. Wütend riss sie ihren Oberkörper hoch, schnappte sich ein Kissen und bombardierte damit ihre lederne Handtasche, die sie achtlos auf den Boden hatte fallen lassen und somit auch das darin befindliche Handy. Das Klingeln jedoch hörte natürlich nicht auf, wurde jedoch durch das Kissen etwas gedämpft. "Lasst mich verdammt noch mal schlafen!", schrie sie das kleine Telefon an, ohne wirklich wach zu sein. Erstaunlicherweise verstummte dies daraufhin sofort und ein triumphierendes Grinsen, breitete sich auf dem fein geschnittenen Gesicht Kerrys aus. "Na also, geht doch.", lachte sie in sich hinein, griff zu einem weiteren Kissen um ihren Kopf darunter zu begraben. Kapitel 2: Ein verkorkster Tag ------------------------------ Ein verkorkster Tag Ein erneutes Klingeln riss Kerry aus dem verdienten Schlaf. Mit einem Ruck war sie wach und packte das Kissen von ihrem Kopf um es wiederum durch das Zimmer auf die Tonquelle zu feuern, da bemerkte sie, dass es ihr Wecker war, der ungeduldig zu piepsen begonnen hatte. Wie eine Rakete schoss sie aus dem weichen Bett hoch und warf einen Blick auf die Uhr. Tatsache, es war 6 Uhr morgens. Um 8 Uhr musste sie an der Musikschule sein, also noch ausreichend Zeit. Für gewöhnlich war sie morgens recht frisch und munter, aber dieser gestrige Tag hatte sie wirklich geschlaucht. Da half nur noch eine kalte Dusche, dachte sie sich und wälzte sich von ihrem Bett. Noch immer voll bekleidet kramte sie sich ein paar frische Sachen zum Anziehen aus dem Schrank und tapste verschlafen und sich die Augen reibend durch den Flur ins angrenzende Badezimmer. Jason der Langschläfer würde sicher noch nicht wach sein, wie immer, dabei versprach er jeden Tag, dass er mit ihr aufstehen würde. Pah, Männer, dabei musste er noch eine Stunde früher auf der Arbeit sein. Grinsend schlurfte sie noch einmal zurück in den Flur und ging zu Jasons Zimmertür, gegen die sie dann ein paar Mal lautstark hämmerte. "Das Bad ist jetzt beseheeetzt!", schrie sie und verschwand dann schleunigst im Bad und gab sich dort ihrem Lachkrampf hin. Abschließen brauchte sie nicht, Jason war viel zu anständig, ja fast schon wie ein Bruder, um ihr hierher zu folgen, außerdem wäre er der letzte, der sich für irgendetwas auch nur im Spaß rächen würde. Sofort als die ersten Tropfen des kalten Wassers ihre müde Haut berührten fühlte sich Kerry etwas besser. Sie schüttelte ihren Kopf unter dem angenehmen Nass und fühlte sich gleich wie ein neuer Mensch. Nach der Dusche streifte sie sich die schwarzen Hot Pants über, zog das hellblaue Shirt mit dem Engel und dem Heiligenschein und der Aufschrift ,Angel Inside' an und schlüpfte dann in ihre bequemen Turnschuhe. Sie liebte solche provokativen Aufdrucke auf ihren Shirts. In Gedanken schon bei den lächerlichen Blicken der anderen Leute, wenn sie an ihnen vorbeijoggte, huschte sie aus dem Bad und tänzelte in die Küche hinüber um für sie beide Frühstück zu machen. Eine Viertelstunde später betrat Jason zufällig gerade dann das Zimmer, als der Kaffee fertig war und der Toast aus dem Toaster sprang. Kerry war schon nirgends mehr zu sehen. "Kerry?", rief er fragend, während er sich an den Tisch setzte und zu einer Scheibe Toast griff. Kerrys Rotschopf tauchte kurz neben der Zimmertür auf und sie murmelte nur lächelnd: "Bin weg, bis später." Und war schon wieder verschwunden, was von ihr blieb, war das Knallen der Haustür, als sie diese hinter sich zuzog. Gut gelaunt begann sie ihre übliche Runde quer durch die Stadt zu drehen. Obwohl sie erst eine Woche hier war, wagte sie es doch jeden Morgen eine andere Strecke zu wählen und lief bei ihrem miesen Orientierungssinn jedes Mal Gefahr sich zu verlaufen. Doch auch dieses Mal schaffte sie es rechtzeitig zurück zu kommen und öffnete um 7:15 Uhr die Haustür erneut. Bevor sie jedoch die Tür hinter sich zuziehen konnte, hielt eine Männerstimme sie auf: "Warten sie, sie können ihre Post gleich mitnehmen.", rief ein atemloser Postbote, der keuchend auf die Tür zuhielt. Dankbar lächelnd machte Kerry die Tür wieder ein Stück auf. "Keine Hast, ich laufe ihnen nicht weg.", konterte sie und ein fröhliches Lächeln umspielte ihre Lippen, was sie einfach herzzerreißend charmant aussehen ließ. Er reichte ihr grinsend drei Briefe und verschwand dann geschäftig um die nächste Straßenbiegung. Kerry blätterte die Post gleich durch, während sie ins Wohnzimmer schlenderte. Brief Nr.1 landete auf dem Wohnzimmertisch, Nr.2 verfehlte Jasons Aquarium nur um Haaresbreite und blieb am Fenster im Vorhang hängen, doch bei Zustellung Nr.3 stocke Kerry. Ihre Hände krallten sich förmlich in die Seiten des öffentlichen Schriebs und ihr eben noch so gut gelaunter Blick verdunkelte sich. Der Absender allein brachte sie zum frösteln: Seto Kaiba, KC. Wie eine heiße Kartoffel ließ sie den verpackten Schrieb plötzlich fallen und wieder einmal wünschte sie sich einen Sandsack daheim zu haben. Statt ihrer Wut Luft zu machen, schluckte sie diese schwer hinunter und ließ sich auf den nahen Sessel fallen. Noch immer den Brief fixierend murmelte sie Morddrohungen vor sich hin: "Entweder er bringt mich gleich um, oder ich komme ihm zuvor. Ich sollte mir eine Schrotflinte besorgen, nein natürlich viel zu auffällig. Ein Küchenmesser muss reichen." Grinsend ließ sie sich zurück fallen und schlug sich ein Kissen vor ihr Gesicht. "Na komm schon Kerry, eine Briefbombe wird's nun auch nicht sein, du kleiner Feigling.", murmelte sie in das weiche Polster hinein, so dass sie wohl niemand verstanden hätte, selbst wenn jemand da gewesen wäre. Mit einem Ruck hatte sie sich wieder aufgerichtet und fixierte erneut den Brief. "Ok, dann wollen wir mal.", machte sie sich selbst Mut, wobei sie sich darüber ärgerte dies nötig zu haben. Sie bückte sich und griff wieder nach dem Schreiben. Nach einem weiteren Luftholen öffnete sie mit einem ,Ratsch' den Umschlag und griff nach der vermeintlichen Hiobsbotschaft. Während sie den Brief nun mit einer Hand auffaltete, stand sie auf und streifte sich die Turnschuhe, ab wobei sie auf einem Bein hüpfend versuchte den Brief zu lesen. "Wow die Anrede ist ja mal freundlich. Wo ist das ,sehr geehrte Frau O'Hara'?", spöttelte sie über den ersten Satz, den sie bisher hatte entziffern können. Nun hatte sie es endlich geschafft ihre Schuhe auszuziehen und trug diese in ihr Zimmer, während sie sich nun schon bis zur Zeile drei vorgearbeitet hatte. "Blabla... und ich dachte Kaiba sei kein Mann der großen Worte.", kommentierte sie weiter das Gelesene. "Ach ich kleines Dummerchen,", äffte sie Kaibas Tonfall vom Vortag nach. "Natürlich schreib der große Seto Kaiba einer ,Kleinen' wie mir nicht persönlich einen Brief. Ist doch die Aufgabe irgendeiner Tippse.", meinte sie gerade grinsend, als sie ihr Zimmer betrat und die Schuhe ordentlich wegstellte. Nun legte sie den Brief übertrieben lässig auf das Bett und zog sich das Shirt über den Kopf um zum Schrank zu gehen und sich eine taillierte Bluse herauszusuchen, die allerdings nicht in bravem weiß gehalten war, sondern blau-weiß kariert war. Mist, eigentlich hätte sie sich die Dusche für jetzt aufheben sollen, wie immer, aber nach dieser Nacht hätte sie nicht ungeduscht aus dem Haus gekonnt. Kopfschüttelnd schlüpfte sie in die Bluse und verschob das Zuknöpfen auf später, während sie eine schwarze Schlaghose aus einem anderen Fach zog. Zurück bei ihrem Bett ließ sie sich darauf fallen, direkt neben den Brief und warf ab und an einen schiefen Blick auf den Brief, während sie sich in die Hose zwängte, was im sitzen überaus unpraktisch ging. Schließlich schaffte sie es endlich und stellte sich wieder auf. Nun endlich konnte sie ohne jegliche Ablenkung weiterlesen und sich dabei die Bluse zuknöpfen. Sie fing beim zweiten Knopf von oben an und schaffte gerade mal zwei Weitere, als sie plötzlich inne hielt. "Bitte was?", schoss es ihr in den Kopf. "Ein Termin bei unserem allseits beliebten Setochen? Wegen nicht vorhandener Versicherung." Pah, das hätte sie ihm gestern schon sagen können, da musste er sie doch nicht gleich zu sich zitieren und das auch noch in diesem Befehlston, den man, das Bild Seto Kaibas im Hinterkopf behaltend, unschwer in die Zeilen hineininterpretieren konnte. Super, der denkt sich auch, er hätte ein neues Opfer gefunden, dass er ein wenig herumschubsen und fertig machen kann, lief es in ihrem Kopf ab. "Woher hat der Mistkerl eigentlich meine Adresse?", frage sie sich plötzlich sichtlich überrascht. "Na das kann ich ihn ja nachher fragen.", hörte sie ihre eigene Stimme in ihrem Kopf und war kurz davor den Brief in tausend kleine Fetzen zu zerreißen. "Hervorragend, herzlichen Glückwunsch Seto Kaiba, sie haben mir nun schon den zweiten schönen Tag in meinem jungen Leben versaut.", war ihr letzter Gedanke, als sie das Stück Papier in die Tasche stopfte und aus dem Haus marschierte. Oh du meine Güte. Die Tür fiel ins Schloss. Hatte die Uhr über dem Eingang gerade etwa 7:45 Uhr angezeigt? Na das pünktlich zur Arbeit kommen zu Fuß konnte sie dann auch noch abhaken. Fast eine halbe Stunde zu spät erreichte Kerry die Musikschule und das am dritten Arbeitstag. Die Standpauke war enorm, enorm langweilig und stressig, aber zugegebenermaßen verdient. Aber was sollte man auch mit einem schon von vorneherein so verkorksten Tag noch anfangen. Allerdings konnte man es auch positiv sehen, dachte sich Kerry, schlimmer kann es ja nun kaum noch werden. Doch irgendwie war heute wirklich der Wurm drin und jeder Schüler, sei es im Gesang oder auf dem Klavier oder bei der Oboe, jeder hatte heute irgendwie einen schlechten Tag, hatte nicht geübt, konnte sie von vorneherein nicht leiden, oder spann plötzlich völlig. Zum Glück arbeitete sie nur bis zum Nachmittag und hatte so vor dem unheilverkündenden Meeting mit Herrn Kaiba noch ein wenig Zeit und so beschloss Kerry zur Werkstatt zu gehen und sich nach dem Verbleib ihres Motorrades zu erkundigen. Allerdings hob die Nachricht, dass es nicht vor übermorgen fertig würde, nicht gerade ihre Stimmung und so machte sie einen letzten Abstecher in ein Café um sich ein kleines Eis zu erlauben. Genussvoll arbeitete sie sich von den heißen Kirschen über deren Saft bis zum Vanilleeis vor und vergaß dabei völlig die Zeit. So war es kein Wunder, als sie urplötzlich aufsprang und die Kellnerin mit einem hektischen: "Ich möchte zahlen, aber ein bisschen schneller als Sonntags!" herbeizitierte. Als diese sie nur wütend anfunkelte und keine Regung in ihre Richtung machte, sprang Kerry auf warf dabei ihren Stuhl rückwärts um und stapfte auf die in diesem Moment als Zicke abgestempelte Frau, zu. Mit einer unsanften Bewegung klatschte die Rothaarige der eindeutig Jüngeren einen Schein in die Hand und spurtete mit einem säuerlichen: "Der Rest ist nicht für Sie!" davon. Nun hatte Kerry die Wahl des kleineren Übels: Entweder etwas zu spät kommen, oder pünktlich sein und völlig verschwitzt vor einem perfekt getrimmten Geschäftsmann auftauchen. Schließlich entschied sie sich für Ersteres, da sie sich in dieser Situation sicher besser fühlen würde, wenn auch nicht gerade viel besser. Schließlich erreichte sie gar nicht allzu abgehetzt erneut das riesige Firmengebäude der KC. Irgendwie kam es ihr noch größer als am vorigen Tag vor und sie ärgerte sich selbst darüber, dass ihr plötzlich ein kalter Schauer über den Rücken lief und sie sich unvermittelt schütteln musste. Bevor sie einen weiteren Schritt tun konnte, musste sie noch dreimal tief ein- und ausatmen um dann aber immerhin mit sicheren Schritten auf die zweiflüglige Glastür zuzuschreiten. Doch zu früh gefreut, das alles sollte gar nicht so einfach werden, denn schon als sie sich auf fünf Meter dem Gebäude genähert hatte wurde sie von einem Schrank von einem Mann angehalten. Der schwarze Anzug, die ebenso dunkle Sonnenbrille und der ,Ohrstöpsel' gaben dem Kerl noch ein bedrohlicheres Aussehen und erinnerte sie nur ganz nebenbei an MIB. Bei dem Gedanken hätte sie beinahe gegrinst, aber eigentlich war ihr gar nicht danach zumute, denn dieser Mann war nicht nur riesig, sondern auch recht breit gebaut. An seiner geistigen Stärke zweifelte sie jedoch, womit sie sich selbst wieder etwas beruhigte und auf seine barsche Frage, was sie hier wolle höflich antworten konnte: "Ich wurde zu einem Treffen eingeladen." Der MIB-Verschnitt zog mit einer abgehackten Bewegung die Brille von der Nase und steckte sie sich in seine Jacketttasche, was wohl cool wirken sollte. Sein Gesichtsausdruck zeigte jedoch keineswegs Coolness, sondern einfach nur Misstrauen und offene Feindseligkeit. Entweder man sah ihr heute an, dass sie genervt war, oder irgendwie hatte heute jeder eine Abneigung gegen sie. Die dritte Möglichkeit wäre natürlich, dass dieser Typ jedes weibliche Wesen oder jede Person unter 1,70 m so misstrauisch und herablassend beäugte. "Sie haben dann auch sicher eine offizielle Einladung?", fragte der Mann siegessicher und scheinbar schon voller Vorfreude, das ,aufmüpfige Kind' ganz abweisen zu können. Kerry war heilfroh diesen blöden Schrieb eingesteckt zu haben und nun schlich sich ein süffisantes Lächeln auf ihre Lippen, dass beinahe schon frivol wirkte. Sie griff nach ihrer Tasche und zog den leicht zerknitterten Brief heraus und konnte es zu ihrem Ärger nicht vermeiden, dass ihre Hand leicht zitterte, als der Hüne ihr das Stück Papier abnahm. In seinen riesigen Händen wirkte es wie eine zarte Feder, die jeden Moment von diesen Pranken zerquetscht werden würde. Wortlos gab er ihr den Zettel zurück und winkte sie zur Tür durch, welche sie ruckartig aufriss und auch schon in er Lobby stand. Erstaunlich wenige Leute wimmelten hier herum, was bei den Sicherungsmaßnahmen allerdings kein Wunder war. Zielstrebig und nach außen hin viel selbstbewusster als ihr eigentlich zumute war ging Kerry auf die Rezeption zu und sprach die Frau mittleren Alters, die dort saß spontan an: "Würden Sie mir bitte sagen, wie ich zu Seto Kaibas Büro komme?" Beinahe war die Rothaarige schon über ihre eigenen Worte schockiert. Hatte sie wirklich dermaßen Respekt vor diesem ganzen Pomp, dass sie schon in abartig geheuchelte Höflichkeitsfloskeln verfiel? Andererseits, diese Frau hatte ihr nichts getan, noch nicht, also kein Grund zur Unhöflichkeit. Abwartend sah sie die Frau an, die sich erst nach Beendigung von Kerrys Satz zu ihr herumdrehte. Schnippisch fragte sie: "Aus welchem Grund möchten Sie zu Mr. Kaiba?" "Von Möchten kann nicht gerade die Rede sein, aber wenn Sie es unbedingt wissen wollen,", antwortete Kerry im selben Tonfall. Wenn es darum ging andere Leute mit ihrer eigenen Art und ihrem Tonfall bloß zu stellen, war Kerry die perfekte Imitatorin. Während sie noch sprach zückte sie erneut dieses anscheinend doch nicht ganz unwichtige Papier und hielt es der braunhaarigen Frau vor die Nase. "deswegen.", vervollständigte sie ihren Satz und wartete auf eine Reaktion. Diese folgte auch sogleich, denn ohne weiteren Kommentar riss die Frau ihr die Vorladung aus der Hand, legte sie auf einen Aktenstapel und widmete sich schon wieder ihrer Arbeit. Kerry wollte schon ein eindeutiges Räuspern von sich geben, als die Dame: "Nehmen Sie einen Aufzug, zehnter Stock." von sich gab und nicht einmal mehr aufblickte. Na fantastisch, anscheinend gab sich Kaiba alle Mühe nur Personal einzustellen, von dem man schon im voraus das Gefühl bekam, ein Stück Dreck zu sein. Noch ein Stück von den Grenzen ihrer Selbstbeherrschung entfernt stiefelte Kerry nun also auf den Aufzug zu, wobei sie von den zwei Wachposten, die daneben standen kritisch beäugt wurde. Allerdings hielten die sie nicht auf, nachdem sie einen für Kerry unsichtbaren Blickaustausch mit der Frau an der Rezeption geführt hatten und ließen die rothaarige junge Erwachsene in den Aufzug steigen. Als sich die massiven Stahltüren zischend hinter ihr schlossen hatten überkam sie wieder dieser kalte Schauer, aber diesmal beschränkte sich dieser nicht nur auf ihren Rücken, sondern ging durch Mark und Bein. Am liebsten hätte Kerry ihren Kopf gegen die Betonwand geschlagen um ihn etwas klar zu bekommen, aber es war nicht ganz sicher, ob sie das gewünschte Ergebnis erzielen würde, also ließ sie es vorerst bleiben und blickte auf ihr Handy. 17:05 Uhr. Na allzu schlimm war es nicht, wobei man den Perfektionismus, den dieser Mann evtl. hatte, noch mit einberechnen musste. Würde er ihr für 5-10 Minuten nur den Kopf abreißen oder sie danach auch noch verstümmeln? Schnell drückte sie zaghaft auf den Knopf mit der ,10' darauf, welcher daraufhin gleich zu blinken begann. Mit scheinbar schleppender Langsamkeit kroch der Aufzug nun Stockwerk um Stockwerk nach oben und schien nicht vorwärts kommen zu wollen. Jedenfalls erschien es Kerry so, die sich vornahm etwas diplomatischer als gewöhnlich zu sein, trotz aller Kälte freundlich bleiben wollte und schließlich alle guten Vorsätze wieder in den Wind schlug. Sie würde sie selbst sein und Basta, wäre ja was ganz Neues, wenn sie wegen so einem Emporkömmling auf einmal nur wegen seiner Kohle katzbuckeln würde. Wenn überhaupt, dann wegen seinen tiefblauen Augen, aber die waren für ihren Geschmack zu kalt, überhaupt schien dieser Kerl ja eine Art wandelnder Eisblock zu sein. Sie hatte ja schon viele Typen erlebt, Machos und jähzornige Hornochsen, aber noch nie jemand, der so verflucht selbstbeherrscht war und das war der Knackpunkt. Irgendwie hatte sie es drauf wirklich jeden aus der Reserve zu locken, wenn sie es darauf anlegte, was sie nur tat, wenn man sie herausforderte, aber dieser Seto Kaiba hatte den Spieß umgedreht und sie war diejenige, die die Fassung verloren hatte. Das ärgerte sie über die Maße und allein das machte Seto Kaiba zu einem Feind. Soweit wollte sie dann doch nicht gehen und korrigierte ihre Gedanken: Er war eine Herausforderung, aber eine, vor der sie leider Gottes plötzlich auch noch Angst bekam, denn je größer die Zahlen wurden, die der Fahrstuhl passierte, desto zögerlicher und nervöser wurde sie. Sie wollte auf keinen Fall noch eine Runde verlieren, auch wenn diesem Geschäftsfanatiker anscheinend gar nicht klar war, was das alles für sie bedeutete. Für ihn war das Ganze ein lästiges Geldeintreiben von irgendeinem armen Schlucker, der ihn nicht weiter interessierte. Nun, wenn es ihm nur um das Geld ging, dann würde sie ihn ebenfalls enttäuschen. So leicht gab sie nicht auf, was ihr Sturkopf einfach nicht zulassen würde und so etwas wie Stolz besaß sie nun ansatzweise auch noch. "Ruhig Blut, wollen wir doch erst einmal sehen, was er eigentlich will.", versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Na toll, nun bildeten sich auch noch Schweißperlen auf ihrer Stirn. Eiligst wischte sie die mit dem Handrücken weg und griff gerade in ihre Handtasche um ein Taschentuch herauszuholen um sich damit die Hand abzuwischen, da blieb der Fahrstuhl stehen und die Türen wichen zischend auf der ihnen gedachten Fuge zurück und gaben den Blick auf ein offensichtliches Vorzimmer von Seto Kaibas Büro, frei. Kerry hielt in ihrer angefangen Bewegung inne und zog dann die Hand zurück um den Raum vorsichtig zu betreten. Erleichtert stellte sie fest, dass niemand hier zu sein schien und machte noch ein paar Schritte weiter, als plötzlich ein fröhliches "Halloho!" von der Seite erklang. Kerry unterdrückte ein Zusammenzucken und riss etwas ruckartig ihren Kopf herum und blickte in die fröhlich glitzernden Augen Mokubas, der gerade von einem Sofa aufgesprungen war und dabei eine Zeitschrift zur Seite schleuderte. Fröhlich kam er auf die Besucherin, die eine willkommene Abwechslung darstellte, zugehüpft und reichte ihr die Hand. "Du bist Kerry, nicht wahr? Stimmt, gestern der Unfall mit der Limo und der ganze Kram.", plauderte der Junge gleich drauf los und Kerry musste sich beherrschen um nicht puterrot anzulaufen und gleichzeitig loszulachen. "Ja genau, die mit dem Unfall, mit dem nicht-selbst-verschuldeten-Unfall, wohlbemerkt.", erwiderte sie, sich langsam wieder entspannend. "Und du bist Kaibas kleiner Bruder, Mokuba, stimmt's?" Der dunkelhaarige Junge nickte eifrig. "Und was machst du hier?", fragte er neugierig weiter, während er Kerry mit sich auf das Sofa zurückzog. "Nun dein Bruder hat mich wegen der Sache gestern hierher vorgeladen. Ich habe noch keine Versicherung für mein Motorrad, weißt du, dazu hatte ich noch keine Gelegenheit.", gab sie etwas widerwillig zurück und musste bei dem leuchtenden Gesicht Mokubas, der anscheinend jede Information sofort aufsaugte wie ein Schwamm, unvermittelt schmunzeln, während sie sich in die angenehm weichen Kissen des Luxussofas fallen ließ. "Wieso denn nicht?", bohrte er weiter und mit einem Seufzer erwiderte Kerry langsam: "Weil ich erst vor knapp einer Woche hierher gezogen bin." Damit schien die Sache für sie beendet, Mokuba musste ja nicht gleich alles wissen. "Eeeecht? Und wo kommst du eigentlich her?", hakte er einfach nach, doch Kerry wurde eine Antwort erspart. Gerade in dem Moment öffnete sich die Tür zu Kaibas Büro und eine hochgewachsene Blondine mit irrsinnig langen Beinen, die sie natürlich mit dem kurzen Rock äußerst vorteilhaft zur Geltung brachte, trat heraus. Auf ihren Lippen haftete ein irgendwie stupide und starr anmutendes Lächeln, als hätte sie zu lange so gegrinst und könnte ihre Mimik nun nicht mehr verändern. Kerry sprang auf. Irgendwie wäre ihr es jetzt doch lieber gewesen mit Mokuba Small Talk zu halten, doch das war dann wohl jetzt nicht mehr möglich, denn schon hatte die offensichtliche Sekretärin die kleinere Frau fixiert und durchbohrte sie förmlich mit ihren wässrig blauen Augen. Dieser Blick war ganz und gar nicht kalt, sondern einfach nur Argwohn und ein Ansatz von Feindseligkeit waren darin zu lesen, was im krassen Gegensatz zu ihren noch immer zu diesem festgefrorenen Lächeln verzogenen Lippen stand. Einerseits fühlte sich Kerry ertappt, andererseits hätte sie am liebsten losgelacht bei dem Anblick der Frau. Eigentlich war sie nicht unattraktiv, doch dieses Grinsen und diese irgendwie naiven Blicke. Sie sah in Kerry sofort nichts anderes als eine potenzielle Konkurrenz, worin sie mit ihr konkurrieren sollte, wusste Kerry allerdings selber nicht, also ging sie mit einem angedeuteten Lächeln, dass aber eher schwach ausfiel auf die Frau zu, die sich gerade auf der Tischkante niederließ und natürlich völlig zufällig die Beine überschlug, so dass der ohnehin kurze Rock noch ein Stück höher rutschte. "Kann ich etwas für Sie tun?", fragte sie mit einer klaren Fiepsstimme, die so barbiehaft klang, dass Kerry, wenn sie gesessen hätte, sicher sofort vor Lachen vom Stuhl gefallen wäre. So aber weitete sich ihr Lächeln nur zu einem unterdrückten Grinsen, bevor sie erwiderte: "Ich habe einen Termin mit Herrn Kaiba um, ähm, 17 Uhr, was vor etwa 15 Minuten war." Natürlich brauchte sie nicht zu erwähnen, dass sie eigentlich 10 Minuten zu spät gekommen war, das wusste niemand außer Mokuba, der schon wieder mit irgendwas anderem beschäftigt war. "Ah, ich sehe schon,", zwitscherte die Sekretärin auch schon los, als sie auf einen Terminplan schaute. "die mutwillige Sachbeschädigung ohne Versicherung." Kerry musste sich zusammenreißen der blöden Zicke nicht sofort eine schallende Ohrfeige zu verpassen und setzte nun ein ebenso übertrieben zuckersüßes Lächeln auf und drehte ihre Stimmlage ein paar Töne höher um dann mit vor Sarkasmus triefender Stimme zu antworten: "Du meine Güte, das haben Sie aber schnell erkannt. Nun ja, es trifft ja irgendwie auch auf Sie zu." "Wie bitte?", kam die empörte Reaktion von der Frau, unter deren Make-up ein leichter Rotschimmer zu erkennen war. Kerry hätte nur zu gern ein: "Schauen sie in den Spiegel dann wissen sie was ich meine." zurückgegeben, behielt jedoch ihr zuckriges Lächeln bei und wandte sich der metallschwarzen Tür zu, die wohl zu Kaibas Büro führte. Diese Frau hatte anscheinend den ausgereiften IQ einer Kassenzahnbürste, kam Kerry zum Schluss ihrer Analyse über diese Frau. Kurz vor der Tür blieb sie stehen und drehte sich noch einmal um. Das Lächeln war nun nicht mehr ganz so ausgeprägt, denn nun würde es wieder ernst werden und auch die Stimme klang wieder normal als sie halbwegs freundlich bat: "Würden sie mich bitte anmelden, ihr Chef wartet sicher nicht gern." Den nun deutlich feindseligen Blick noch immer auf Kerry haftend drückte sie auf ihrer Sprechanlage auf einen Knopf und sagte mit ihrer Quietsch Stimme: "Mr. Kaiba, ihr 17 Uhr Termin ist eingetroffen, soll ich sie hereinschicken?" Die Antwort konnte Kerry nicht hören, aber die Sekretärin winkte sie weiter und ihr Lächeln war zwar noch immer auf ihren Lippen, doch etwas Schadenfrohes schien sich in den Ausdruck gemischt zu haben. Langsam legte Kerry O'Hara eine Hand auf den Türgriff und bemerkte mit Schrecken, dass sie zitterte. Entschlossen sog sie einmal kurz die Luft ein und drückte dann die schwere Tür nach innen. Sie machte zwei zögerliche Schritte nach vorne und wollte sich gerade schnell wieder umdrehen um die Tür hinter sich zu schließen, als sie hinter sich das grinsende Blondchen gewahrte, die mit deutlicher Schadenfreude die Tür hinter ihr zuzog. Wohl oder übel drehte sich Kerry also wieder in die andere Richtung, machte parallel noch drei Schritte und stand dann mit leicht gesenktem Blick direkt vor Seto Kaibas Schreibtisch. Kapitel 3: Ein 'netter' Plausch ------------------------------- Ein "netter" Plausch Ohne weiteres Tamtam hob Kerry ihren Blick und sah direkt in das emotionslose Gesicht von Seto Kaiba, der zur Abwechslung einmal zu ihr aufschauen musste, allerdings nur, weil er in seinem Stuhl am Schreibtisch saß. Ohne jegliche Regung verharrte er mit kaltem Blick auf seinem Gegenüber, während die wiederum ebenfalls mit keiner Wimper zuckte und dem Blick standhielt. Er hatte sie hierher zitiert, also wollte er irgendwas und sollte deshalb auch das erste Wort haben. Allerdings wollte sie aufgrund der Kosten, die eventuell auf sie zukamen auch nicht gerade den Unmut Kaibas auf sich ziehen, also gab Kerry schließlich ein tonloses: "Guten Tag Mr. Kaiba." von sich und ließ sie sich auf das türkis-blaue Sofa fallen, dass ein Stück hinter dem Tisch stand. Nun war sie wiederum die Kleinere im Raum, aber der Größenunterschied im Sitzen war nicht so gravierend, dass sie das Gefühl hatte sich den Hals zu verrenken, wenn sie zu ihm aufschaute. Zuvor war Kerry zu beschäftigt mit ihrem Auftreten gewesen um das Zimmer auch nur annähernd zu begutachten, doch nun musterte sie den Raum aus den Augenwinkeln, während sie jedoch Seto Kaiba nicht aus ihrem Blickfeld ließ. Die Front hinter Kaibas Tisch bestand aus sauber glänzenden Glasfenstern, die das abnehmende Sonnenlicht den gesamten Raum durchfluten ließen, was einen überraschend freundlichen Eindruck machte. Ein Stück neben der Tür, durch die sie gerade hereingekommen war, stand ein massives Bücherregal aus dunklem Holz, in dem sich zahllose Bücher aneinander reihten, allerdings waren sie wohl von wenig interessantem Inhalt. Die Wände waren in einem nicht allzu dunklen Grün gestrichen, was Kerry ebenfalls verwunderlich fand, hätte sie Seto Kaiba doch etwas Düsteres zugetraut. Der Boden hatte eine weinrötliche Farbe und passte überraschend gut zur Wandfarbe. Geschmack hatte er also doch in gewisser Weise, wenn er denn den Raum selber gestaltet hatte, dachte die Rothaarige, während ihr Blick weitere Dinge im Zimmer entdeckte. Rechts von Kerry aus gesehen, war in die Wand ein großer, flacher Bildschirm eingelassen, der jedoch momentan ausgeschaltet war. Links hinten im Raum, neben dem Schreibtisch von Kaiba stand eine hochgewachsene Topfpflanze, die sogar frisch und grün aussah, so dass man annehmen konnte, dass sie gut versorgt wurde. Der Schreibtisch selbst wurde von einem Telefon, einigen Stapeln von Unterlagen, einem Notizblock, ein paar Stiften und natürlich einem Laptop belagert, aber es schien doch eine strikte Ordnung zu herrschen. Nichts von den aufgezählten Dingen nahm mehr Platz ein, als nötig und hatte scheinbar seinen festgelegten Platz. Nach Beendigung der Zimmermusterung wandte sie sich nun wieder voll konzentriert Kaiba zu, der sich jedoch mittlerweile wieder seinem Laptop gewidmet hatte und eilig etwas eintippte. Kerry zog eine Augenbraue empor und überschlug mit einem großen Fragezeichen über der Stirn die Beine in die andere Richtung, während sie versuchte sich dieser Geduldsprobe zu stellen. Möglichst auffällig warf sie jedoch keine Minute später einen Blick auf ihre schmale Armbanduhr, deren Anzeige jedoch mit nur vier Strichen und keinerlei Zahlen immer wieder recht uneindeutig war und deshalb schätzte sie dieses kleine Stück Technik insgeheim. Es war schon für mancherlei glaubwürdige Ausrede bei Zu spät Kommen äußerst nützlich gewesen. Der nächste Schritt zum bemerkbar machen wäre nun ein Räuspern gewesen und dann das deutliche Ansprechen, dass sie auch weitaus Wichtigeres zutun hätte, als in diesem dämlichen Büro abzuhängen. In Gedanken legte sie sich diesen Satz schon einmal ordentlich zurecht und war gänzlich überrascht, als der hochgewachsene Geschäftsmann ganz plötzlich von seiner Arbeit aufsah und sie direkt anblickte. Ohne weitere Umschweife oder Einführungen begann er nun zu sprechen und machte somit schon wieder deutlich, dass es hier nach ihm ging. "Es war wohl nichts mit der Versicherung, du hast allem Anschein nach keine für dein Motorrad abgeschlossen.", begann er mit ruhiger aber so dermaßen überlegener Stimme, dass allein von diesem Tonfall schon eine Herabwürdigung ausging. Beinahe hätte Kerry eine meisterhaft zynische Antwort von sich gegeben, aber diesmal hatte sie sich dieses Gespräch vorher gut überlegt und sich halbwegs darauf vorbereitet. Sie wollte klar einen Sieg erzielen. Gelassen aber auch nicht gerade mit wärmster Stimme gab sie knapp zurück: "Dazu hatte ich in der einen Woche, die ich nun hier ansässig bin noch keine Gelegenheit." "Dein Problem, dann wirst du wohl selbst für den Schaden aufkommen müssen.", hängte Seto, scheinbar ohne Denkpause gleich hinten an. Woher wusste dieser Kerl so genau, was er sagen wollte, wenn er nicht einmal wissen konnte, was sie sagen würde, sie wusste es ja selbst noch nicht. Ebenfalls möglichst schnell warf sie ein: "Wie ich schon sagte, war es jedoch nicht meine Unachtsamkeit, sondern das unvorbildliche Verhalten eines Autofahrers, welche den Schaden an deinem Auto verursachte." Irgendwie kam es Kerry komisch vor Kaiba in dieser Situation zu duzen, obwohl er kaum ein paar Jahre älter sein konnte als sie. Sein Verhalten, seine Größe und sein Auftreten ließen ihn jedoch weitaus älter erscheinen. Allerdings duzte er sie auch, also fühlte sie sich ebenso dazu berechtigt, zumal sie am vorigen Tag auch schon damit angefangen hatte und soviel Konsequenz musste schon mal sein. Wieder einmal mischte sich Spott in den überheblichen Blick von Seto Kaiba als er noch immer ohne eine Miene zu verziehen erwiderte: "Ja das hatten wir gestern schon und ohne Zeuge wird das wohl nicht viel helfen." "Ohne Zeuge? Du willst einen Zeugen? Dann frag doch diesen rücksichtsvollen Cabrio Fahrer, du kriegst doch sonst alles heraus, so wie meine Adresse. Wo wir damit eigentlich schon beim Thema wären, wie hast du meine Anschrift herausbekommen?", sprudelte es leicht sarkastisch aus ihr heraus, wobei sie ihren Ärger über diese Ignoranz gerade noch zurückhalten konnte. Sogar ihren kristallklaren grünen Blick zügelte sie soweit, dass darin nichts als Provokation zu lesen war. Seto schwieg für einen kurzen Augenblick. Ha, sie hatte ihn. Kerry erlaubte sich ob dieser nur kurzen Verzögerung seitens Kaibas ein leichtes Grinsen und lehnte sich etwas auf der Couch zurück. Er war also doch kein Hellseher, unser voraussehender Superman, dachte die Rothaarige spöttelnd. Ihre Gedanken wurden jedoch durch die Antwort unterbrochen. "Ich habe mit dieser Sache nichts zu schaffen, wenn du deine Geschichte beweisen willst, musst du die Beweise schon selbst heranschaffen.", schloss der junge Mann und wandte seine Aufmerksamkeit von ihr ab, indem er wieder auf den Bildschirm seines tragbaren PCs blickte und geschickt die Tastatur bediente. Somit deutlich der Frage nach der Adresse ausgewichen und wieder einmal obenauf brachte er es schon wieder fertig Kerrys Nerven bis aufs Äußerste zu reizen. Diesmal jedoch schluckte sie die Wut hinunter, obwohl es ihr noch enorm schwer fiel. Scheinbar konnte man gar nicht anders, als sich über den Typ einfach nur aufregen. Dennoch leicht impulsiv stand sie ruckartig auf und riss dabei leicht ungeschickt ihre neben ihr liegende Handtasche mit sich, die noch vom Aufzug geöffnet war und so verstreute sich der halbe Inhalt der Tasche über den überaus sauberen Boden von Kaibas Büro. Kerry unterdrückte einen Fluch und ließ es dickköpfig wie sie war, bleiben zu Seto zu schauen. Stattdessen bückte sie sich und sammelte Taschentücher, Lippenpflegestift, Notizzettel und andere Nichtigkeiten schnell wieder in die Wildledertasche hinein. Seto behielt ebenfalls einen abwertenden Kommentar für sich und warf stattdessen nur einen herabwürdigenden Blick zu Boden, wo Kerry kniete und ihre Habseligkeiten wieder einräumte. In dieser Position zog sich aufgrund ihrer gebeugten Rückenlage jedoch ihr Shirt ein ganzes Stück weit nach oben, sowie ihre Hose sich nach unten zog und dabei der obere Teil ihres tiefroten Schlüpfers zu erkennen war. Nun konnte sich der sonst so kalte Geschäftsmann ein Lächeln nicht verkneifen, allerdings hätte es Kerry nicht sonderlich gefallen, denn es war ebenfalls so arrogant und selbstgefällig wie eh und je. Doch dann fiel dem braunhaarigen jungen Mann etwas anderes ins Auge, was ihm noch weitaus interessanter erschien. Tatsächlich hob die junge Frau gerade ein paar verdächtig nach Duel Monsters aussehende Karten, auf. Kerry stand wieder auf, schüttelte den Kopf über ihre eigene peinliche Schusseligkeit und wollte gerade die beiden Karten zurück in ihre Tasche schieben, als ihr rechtes Handgelenk ihr unsanft hochgerissen und nach hinten gedreht wurde. Um sich nicht vollends irgendetwas auszurenken drehte sich Kerry mit ihrem Arm nach hinten und blickte fassungslos in Seto Kaibas Gesicht, dessen Blick deutlich auf die beiden Karten in ihrer Hand fixiert war. "Hey, spinnst du oder was? Gleich kannst du mir Schmerzensgeld zahlen!", schoss es aus ihrem nach außen zart scheinenden Mund wie das Vorschnellen einer gespaltenen Schlangenzunge. Wütend funkelte sie den kräftigen jungen Mann an, der anscheinend völlig weggetreten ihre Karten musterte und nicht reagierte. Nach dem ersten Wegreißen ihres Arms hatte die Wut über sein Verhalten sie erst einmal von dem Schmerz abgelenkt, dieser kroch nun aber wieder langsam und bewusst ihren Arm hoch. Dieser Kerl war verdammt stark, sah man ihm auf den ersten Blick gar nicht an, dachte Kerry sich und titulierte sich daraufhin gleich selbst als völlig bescheuert so etwas Positives über diesen Typ auch nur zu denken. "Hallo? Alles klar bei dir da oben?", zischte sie noch einmal und riss ihre Hand zurück um endlich loszukommen. Womit sie allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass Seto ihr mit der anderen Hand die Karten in dem Moment aus der halb tauben Hand nahm und sie mit der anderen losließ. So riss Kerry sich mit völlig unnötiger Wucht selbst zurück und landete rücklings erneut auf dem Boden. Sie schlug hart auf und verzog kurz das Gesicht um dann aber gleich wie von der Tarantel gestochen wieder aufzuspringen, was ihr noch eine Welle von Schmerzen im Rücken einbrachte. "Irgendwie scheint dieser Kaiba Schmerzen zu übertragen", fuhr es ihr durch den Kopf, als sie schon wieder zu einer wütenden Forderungen nach ihren Karten ansetzen wollte. Allerdings kam ihr dabei der ,wandelnde Eisklumpen' zuvor, indem er fragte: "Sind das deine?" Seine Stimme war wieder völlig vereist und er ließ sich gar nicht erst dazu herunter sie anzuschauen. "Nein, natürlich nicht, sie gehören dem Weihnachtsmann.", gab sie mit übertrieben ironisch gefärbter Stimme zurück. Es reichte, auf welchem Trip dieser Idiot auch immer war, nun würde er einmal auf der Nase landen. Mit einer blitzschnellen Bewegung griff sie nach ihren Karten und riss sie dem perplexen Kaiba aus der Hand um sie hinter ihren Rücken haltend vor ihm in Sicherheit zu bringen. Sein Blick wanderte kalt zu ihr hinüber, das erste Mal, seit er die Karten gesehen hatte. Kerry machte einen Schritt zurück. Nicht aus Angst oder dergleichen, sondern weil sie wahrscheinlich sonst rückwärts eingeknickt wäre, denn ihre Beine fühlten sich plötzlich sonderbar weich an. Verdammter Kerl! fluchte sie innerlich, verabschiedete sich dann urplötzlich mit einem schnippischen: "Auf wiedersehen." und drehte sich um, um ein gemurmeltes "oder auch nicht." hinzuzufügen, dass nur für ihre eigenen Ohren bestimmt war. "Würdest du bitte einen Moment warten?" Kerry blieb abrupt mitten im Schritt stehen und drehte ihren Oberkörper hastig herum. Eine Augenbraue war sichtlich ein Stück höher gezogen und ihre erstaunte Miene in der auch genug Skeptik zu sehen war, war einfach nur völlig ungläubig. Das kam natürlich daher, dass sie sich gerade fragte, ob dieses ,Bitte' wirklich aus seinem Mund gekommen war. Der Klang der Stimme und der Befehlston hatten zwar für sich gesprochen, aber allein das Wörtchen "Bitte" war schon erstaunlich. "Schau mich nicht so dämlich an, sondern beantworte meine Frage.", fügte Seto Kaiba in eben dem gleichen Befehlston hinzu, der so gar keine Widersprüche zuließ. Einen Moment haderte Kerry mit sich selbst und versuchte sich selbst dazu zu bewegen auf diese verflixte Ausgangstür zuzugehen und zu verschwinden. Allerdings verlor sie den Kampf aufgrund ihrer Neugier, die sie schließlich dazu trieb zurück zu gehen und die Karten vor Kaibas Nase zu halten, wobei sie die Hände ziemlich weit oben halten musste. "Bitteschön, du darfst sie gerne anschauen, wenn du höflich fragst, aber anfassen kannst du vergessen.", konterte sie tonlos und wie erwartet packte er die Karten unsanft und schnappte sie ihr einfach weg. Mit strafenden Blicken verfolgte sie, wie er wieder um den Schreibtisch herumging und sich auf seinen drehbaren Stuhl setzte, während sie sich ihr langsam rot werdendes Handgelenk ein paar Mal abknickte um zu prüfen ob das überhaupt noch funktionierte. "Ich wusste gar nicht, dass man auch mit den Händen etwas anschauen kann, und: Ja, das sind meine Karten.", entfuhr es ihr schnippisch. Die Beantwortung der Frage fügte sie schnell noch in halbwegs ordentlichem Tonfall hinzu, obwohl es offensichtlich war, dass er gar nicht mehr an dieser Antwort interessiert war. Auf ihren sarkastischen Kommentar hin hob Kaiba kurz den Kopf und für den Bruchteil einer Sekunde war wieder dieses selbstsichere Grinsen auf seinen Lippen zu sehen, welches Kerry jedoch diesmal nur mit Stillschweigen quittierte. Während er nun die beiden Karten noch immer eingehend musterte und dann plötzlich anfing auf seinem Laptop herumzutippen hatte Kerry einmal Gelegenheit ihn eingehend zu mustern, ohne dabei wie ein niederes Etwas angesehen zu werden. Rein äußerlich sah er eigentlich ja nicht übel aus. Kerry gab sich einen Ruck und gab schließlich zu: Der Kerl sieht so verdammt gut aus, wie er arrogant ist. Die blauen Augen mochten ja todbringend erscheinen, aber gerade dies faszinierte die Rothaarige irgendwie und sicher konnte er, wenn er es denn gewollt hätte, auch mit anderen Blicken einem Mädchen die Knie weich werden lassen. Die fransige Frisur gefiel Kerry persönlich ebenfalls sehr gut, obwohl es irgendwie nicht zu einem strikten Perfektionisten passen wollte, dass er sich die Haare wirr ins Gesicht fallen ließ. Und wenn schon. Die Statur konnte sie im Sitzen nicht überblicken, aber sie wusste, dass er ein ein Halb Köpfe größer als sie und dazu, was man durch die Kleidung erahnen konnte, noch angemessen muskulös war. Mit seiner Stärke hatte sie ja erst vor einigen Minuten Bekanntschaft gemacht. Seine Gesichtszüge waren markant und verliehen ihm eine recht anziehende Männlichkeit, allerdings wirkte es bei ihm ständig so, als seien jegliche Gesichtsmuskeln bis aufs höchste angespannt. Aber das war ja auch nichts Neues, das Wort ,entspannen' hatte Seto Kaiba sicherlich aus seinem Wortvokabular gestrichen. "Starr mich nicht so an.", gab das Objekt der Musterung plötzlich patzig von sich ohne auch nur für einen Sekundenbruchteil aufzublicken. Absichtlich ließ Kerry ihren kritisch musternden Blick noch einen Moment auf ihm verharren, bis sie damit zu ihren Karten wanderte, die noch immer neben dem Laptop auf dem Tisch lagen. "Du spielst also Duel Monsters.", stellte Seto kühl fest und bevor Kerry ein frecher Kommentar über die Lippen kam fuhr er fort: "Was ist mit dem Rest deines Decks?" Sein Blick war mittlerweile doch wieder zu seinem Gegenüber geschweift, dem er jetzt die beiden Karten hinhielt. Es war eine Geste, die an jemand erinnerte, der einem dreckigen Straßenköter aus Mitleid einen abgenagten Knochen hinhielt. Sanft nahm Kerry die Karten aus seiner Hand, die Geste seitens Kaiba ignorierend und überprüfte beide Karten kritisch auf Falten oder Risse, die zum Glück für Kaiba nicht vorhanden waren. Sorgsam steckte die junge Frau die Karten in ihre Handtasche und erwiderte nun ebenfalls ohne aufzublicken: "Das geht dich wohl rein gar nichts an." und stand abrupt auf. Der Geschäftsmann erhob sich nun ebenfalls aus seinem Stuhl und stützte sich lässig mit den Händen auf den Schreibtisch. "Entweder du besitzt gar keine weiteren Karten, weil es für mehr als das dort nicht gereicht hatte, oder du hast Angst davor, dass ich dich herausfordern könnte.", provozierte er sie mit überlegenem Tonfall. Kerry fiel sofort ein ganzes Sortiment an Kommentaren ein, die sie hätte erwidern können, doch das wollte er wohl nur. Sie einwickeln, so dass sie sich irgendwann in seinem Netz verwickeln würde und keine Chance mehr hätte hinaus zu kommen. So drehte sie sich einfach auf dem Absatz herum und verließ das Büro. Die Tür zog sie mit einem Ruck auf, trat hindurch und stiefelte an der blonden Zicke ohne einen weiteren Blick vorbei in Richtung Aufzug. "Hey Kerry!", hörte sie einen Ruf von der Seite. Natürlich war es Mokuba. Seufzend blieb sie stehen und drehte sich noch einmal um. "Alles klar mit deinem Motorrad und dem ganzen Kram?", fragte er nicht lange um den heißen Brei herum redend. Manchmal konnte Kerry einfach nicht anders, als sie direkte Art von Kindern bewundern. Kopfschüttelnd und mit ernster Miene erwiderte sie: "Nein Mokuba, nichts ist in Ordnung, aber kein Problem, das kriege ich schon in den Griff." Sie war nicht in Stimmung um dem Teenie irgendwas vorzugaukeln, allerdings hatte sie das Gefühl, dass sich Mokuba in die Angelegenheit einmischen würde, wenn sie am Ende noch mitleiderregend klang. "Machs gut.", hängte sie noch an ihren Satz dran und betrat dann schnellstens den Fahrstuhl um nicht noch mehr Fragen ausgesetzt zu sein. Diesmal war die Fahrt mit dem Lift nicht einmal halb so lange, zumindest kam es ihr so vor und als sie endlich das verglaste Gebäude der KC hinter sich gelassen hatte atmete sie tief ein, blieb auf einem Bürgersteig stehen und warf noch einen tödlichen Blick auf das Gebäude, als hätte sie damit Seto treffen können. Schnell schüttelte sie alle Gedanken an diesen Kerl und die ganze Sache ab und überlegte sich, wie sie den Tag noch retten konnte, zumindest das was noch davon übrig war, denn als sie auf ihre Uhr schaute war es schon beinahe 18 Uhr. Nach Hause gehen wollte sie auf keinen Fall schon, denn dann würde sie auf Jason treffen, der jetzt auch Schluss hatte und der würde ihr sofort ansehen, das etwas los war und sie ausquetschen. Blöderweise konnte sie seinen sanften braunen Rehaugen meist nicht widerstehen, noch dazu nach einem solchen Tag und hinterher würde sie sich wieder verfluchen, dass sie ihm alles erzählt hatte. Plötzlich kam ihr ein Gedanke und sie flitzte los. Die Werkstatt hatte bis 19 Uhr oder länger offen und vielleicht konnte sie den Besitzer oder Mechaniker oder was immer dort noch herumlief dazu überreden sie selbst ein wenig an ihrer Maschine herumschrauben zu lassen. Kleinere Probleme hatte sie schließlich früher auch schon selbst behoben. Eilig bog Kerry um eine Straßenbiegung und eilte an einem Kaufhaus vorbei, aus dem stetig einige Kunden heraus- und hineintröpfelten. Völlig mit ihrem Ziel beschäftigt und damit den Weg wiederzufinden achtete sie nicht auf die Menschen, die ebenfalls in der Fußgängerzone umhergingen und prallte mit Wucht gegen eine Person, die gerade von links an ihr vorübergehen wollte. Eine bunt bedruckte Einkaufstasche wurde ein Stück durch die Luft geschleudert und fiel dann unsanft zu Boden, während Kerry von ihrem Gegenüber, dass auch ein ganzes Stück größer war als sie umgestoßen wurde. Rücklings landete sie auf dem harten Asphalt und bis sich auf die Lippe um einen Fluch zu vermeiden. Kapitel 4: Ermittlungen ----------------------- Ermittlungen Langsam wälzte sich Kerry auf die Knie und wollte sich gerade vom Boden hochstemmen, als ihr eine Hand entgegengehalten wurde. Erstaunt blickte die junge Frau auf und sah in das freundliche Gesicht einer schwarzhaarigen Frau in ihrem Alter. Die Augen mit denen sie angeblickt wurde, waren von einem dunklen Violett, und auf dem milden Gesicht war nur Besorgnis und Freundlichkeit zu lesen. "Alles in Ordnung?", fragte sie mit weicher Stimme. Kerry ergriff die dargebotene Hand und ließ sich bereitwillig hoch helfen. Anschließend klopfte sie ihre nun gefleckte schwarze Hose ab und bedankte sich freundlich: "Danke, tut mir leid, dass ich dich angerempelt habe, ich hoffe deine Einkaufstüte hat es überlebt." Die dunkelhaarige Asiatin winkte ab und ging hinüber um ihre Tasche aufzuheben. "Inhalt und Tasche sind noch am Leben, ich denke dich hat es schlimmer erwischt.", gab sie fröhlich lächelnd zurück und musterte ihr Gegenüber noch immer mit strahlend violetten Augen. "Ich bin übrigens Aneko Haru. Und du bist?" Kerry klopfte sich noch immer etwas peinlich berührt die Hose ab, stellte sich dann aber wieder aufrecht hin und blickte die fremde Frau leicht schuldbewusst an. "Ich bin Kerry O'Hara, freut mich Aneko.", gab sie ehrlich erfreut zurück. "Ist auch wirklich nichts passiert?", fügte sie mit einem besorgten Blick auf die ziemlich große junge Frau hinzu. "Ja sicher, kein Problem, alles klar. Aber du bist nicht von hier oder?", plauderte diese fröhlich drauf los und ließ ihren sanften Blick nicht von ihrem Gegenüber. Während sich Aneko wieder in Bewegung setzte fragte sich Kerry schon, ob man ihr ansah, dass sie einfach nur fertig mit der Welt war, anders konnte sie sich die Besorgnis der Fremden nicht erklären. Ebenfalls fraglich war es ob ihr Rücken und ihr Gesäß diese ständige ,Unfälle' noch lange mitmachen würden. "Nein bin ich nicht, aber ich dachte meinen Akzent hätte ich langsam im Griff.", grinste sie und setzte sich ebenfalls wieder in Bewegung und gab sich Mühe mit den raumgreifenden Schritten der anderen Schritt zu halten. Aneko lachte heiter auf und es war ein unheimlich angenehmer Ton, der an ein klares, melodisches Glockenspiel erinnerte. "Ein kleiner Unterschied bleibt wohl immer, aber ich finde es hört sich süß an.", erwiderte sie noch immer lächelnd. Kerry verzog das Gesicht, konnte sie dieser Bezeichnung doch nicht allzu viel abgewinnen, aber Aneko hatte es sicher freundlich gemeint. "Sag mal wo wollen wir eigentlich hin?", fragte sie plötzlich, als sie bemerkte, dass sie wie von alleine einfach neben der Asiatin hergelaufen war. "Also ich wollte nach Hause, wo du hinwillst ist mir nicht bekannt.", antwortete die Dunkelhaarige schulterzuckend und warf ihre langen glatten Haare nach hinten. "Ich wollte eigentlich zu einer Werkstatt nach meinem Motorrad sehen." murmelte Kerry mehr für sich selbst und stellte fest, dass sie sich sogar noch auf dem halbwegs richtigen Weg befinden müsste. "Werkstatt? Hattest du einen Unfall?" Kerry seufzte. Warum war sie bloß immer so schnell mit dem Aussprechen ihrer Gedanken. Aber Aneko schien völlig in Ordnung, also kamen die beiden während sie die Straßen entlang schlenderten ins Gespräch und Kerry erzählte der Einheimischen alles über den gestrigen Tag und ihr heutiges Treffen. Nachdem sie geendet hatte fand sie sich vor einem wunderschönen kleinen Häuschen wieder, dass direkt an der Straße lag aber in kulturell altertümlichen Stil Japans errichtet war und schon von außen genau wie die vermutliche Besitzerin warm und anziehend wirkte. Das Dach hatte lange Giebel, die teilweise leicht nach oben gebogen waren und die ganze Bauart ließ in einem das Gefühl aufkommen in eine andere Zeit versetzt worden zu sein. Der Weg zur Tür führte über naturfarbene, flache Steine, die tief ins Gras eingelassen waren und zufällig angeordnet schienen. Gesäumt wurde dieser kleine Weg von verschiedenen Sträuchern und hochaufragenden Blumen. "Wow!", entfuhr es der Kleineren von beiden. "Das ist ja wunderschön." Grinsend blickte Aneko zu ihre Begleitung hinunter und meinte: "Von außen denkt das jeder." Dann jedoch wurde sie wieder ernst und drehte sich zu Kerry um. "Sag mal, wie wäre es, wenn du wirklich das tust, was Kaiba dir geraten hat. Ich meine selbst Beweise für den wahren ,Täter' heranzuschaffen.", schlug sie schließlich vor. Die Rothaarige warf einen Seitenblick auf Aneko und blickte sie fragend an. "Hat denn das Cabrio auch einen Schaden von dem Unfall davongetragen?", fragte die große Asiatin unbeirrt weiter. Kerry legte den Kopf schief, fing aber langsam an zu verstehen und führte sich noch einmal alle Einzelheiten des Unfalles vor Augen. Das Cabrio war auffällig gefärbt gewesen, es hatte ein dunkles orange als Lackierung gehabt. Der Fahrer oder die Fahrerin war von rechts gekommen und es sah zunächst so aus, als wolle er nur überholen. Doch dann zog er plötzlich auf halbem Weg nach links und rammte dabei ihr Vorderrad. Kerry sah noch wie sich das Rad zur Seite bog und sie sich am Lenker festklammerte. Sie hatte einen flüchtigen Blick zur Seite geworfen und eine Person mit halblangem, braunen Haar und dunkler Sonnenbrille gesehen, aber ob männlich oder weiblich wusste sie nicht mehr. Das ganze dauerte schließlich vielleicht drei Sekunden. Dann war ihr Gefährt nach links ausgeschert und das Hinterrad hob sich von der Wucht vom Boden und brach nach rechts aus. Ein metallenes Krachen ertönte, als das Heck ihres Motorrades gegen die Flanke des Autos geprallt war. Ein Quietschen, als Metall auf Metall traf und aneinander vorbeigerissen wurde. Das Cabrio war einfach weitergerauscht und hatte so den hinteren Teil des Motorrades mitgezerrt, so dass es mit irrsinniger Geschwindigkeit herumgeschwungen worden war. Während dieser unfreiwilligen Drehung war Kerry das Steuer aus der Hand geglitten und sie wurde weggeschleudert, bevor das Motorrad die Drehung vollendet hatte und schließlich mit einem ohrenbetäubenden Krachen gegen die Limousine geworfen worden war. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck kehrte Kerry wieder in die Gegenwart zurück und blickte Aneko direkt an, bevor sie schließlich antwortete: "Ja ich denke schon, auf der linken hinteren Seite müsste ein Schaden im Lack oder auch im Metall selbst sein." Aneko zuckte mit den Schultern und gab grinsend zurück: "Na dann brauchst du doch nur alle Werkstätte in der Gegend abzuklappern und nach dem richtigen Auto zu suchen. So viele dunkel orange Cabrios mit Schaden in der hinteren Flanke dürfte es in den letzten Tagen wohl nicht gegeben haben." Kerry machte große Augen und fiel der großen Person ihr gegenüber um den Hals. "Das ist eine geniale Idee, danke!", rief sie begeistert und ließ die Dunkelhaarige danach wieder grinsend los. "Allerdings," sie blickte auf ihre Armbanduhr, "ist es unwahrscheinlich, dass ich das zu Fuß heute noch schaffe, wenn ich erst mal die Adressen rausgefunden habe." Aneko winkte, das Grinsen erwidernd, ab: "Wozu gibt es denn große Freunde mit Autos?" Kerry blickte sie ungläubig an und konnte ihr Glück wohl nicht fassen. "Schau nicht so, sondern warte hier einen Moment, bin gleich wieder da.", rief Aneko noch, bevor sie den Weg zu ihrer Haustür entlang eilte und dann darin verschwand, nur um gleich darauf ohne Einkaufstasche wieder hinauszukommen und erneut die Fläche zwischen Haus und Straße zu überqueren. Dann schnappte sie Kerry am Arm, die gut gelaunt keinen Widerstand leistete und sich mitziehen ließ. Um die Ecke auf dem Bürgersteig parkte ein kleiner Hyundai Getz 1.3 GLS in einem dunklen Toscarnot Rot. Per Fernbedienung öffnete Aneko grinsend den Wagen und schon saßen die beiden ungleichen Mädels darinnen. Geschickt startete Aneko den Motor, der auch bereitwillig ansprang und fuhr langsam an. In gemäßigtem Tempo ging es sodann durch die verzweigten Straßen der Stadt. Kerrys Blick haftete auf der draußen vorübergleitenden Umgebung. Überall große Gebäude, alles hochmodern und dicht besiedelt. Kurz schloss sie die Augen und sofort kamen ihr Bilder ihrer Heimat in den Sinn. Die beinahe schon grellgrünen Auen und Täler mit den geheimnisvoll anmutenden Schlossruinen auf sanften Hügeln. Ein Fluss oder das Meer in direkter Nähe und das damit stets verbundene Gefühl der endlosen Freiheit. Langsam hoben sich ihre Lider wieder und ein Gefühl der Gefangenheit, der Eingeschlossenheit überkam sie unweigerlich. Unauffällig warf die rothaarige Frau einen Blick auf die Fahrerin um festzustellen, ob sie ihre geistige Abwesenheit bemerkt hatte. Das war offensichtlich nicht der Fall, oder zumindest ließ sich Aneko nichts davon anmerken. Obwohl der Wagen sehr sanft hielt, kam es der gedankenverlorenen Kerry doch so vor, als würde sie plötzlich nach vorn geworfen, als der Hyundai zum stehen kam. "Wir sind da." merkte Aneko lächelnd an, während sie ihren Gurt öffnete und gleich darauf schon elegant aus dem Auto gestiegen war. Kerry folgte ihr etwas langsamer, jedoch mit ebenbürtiger Eleganz, wenn es so was beim Aussteigen aus einem Auto denn überhaupt gibt. Die dunkelhaarige Frau zögerte kurz, doch Kerry hatte schon einen Mechaniker ausgemacht, der in der großen Halle zwischen einigen Autos und Motorrädern stand und gerade ein Werkzeug reinigte. "Guten Tag." gab sie freundlich von sich, als sie in Hörweite war. Nicht ganz ungerührt blickte der junge Mann auf und runzelte die Stirn. Anscheinend sah er nicht oft zwei junge Damen in diese Werkstatt marschieren. Zögerlich folgte Aneko ihrer Begleiterin und stellte sich abwartend neben sie. Den jungen Mann musternd wartete Kerry nur darauf, dass er ihre Begrüßung erwiderte und kam dann ohne Umschweife zur Sache: "Sagen Sie, haben sie gestern oder heute ein orangefarbenes Cabrio zur Reparatur oder zum nachlackieren bekommen? Es müsste ein Ferrari sein, glaube ich." Der Mechaniker schien einen Moment nachzudenken und wischte sich dann mit einer schmutzigen Hand über die Stirn. "Nein, nicht dass ich wüsste.", gab er schließlich zurück. "Tut mir leid." Kerry zuckte mit den Schultern und gab trotz aller Enttäuschung ein dankbares: "Kein Problem, danke für die Hilfe." von sich, bevor sie hinter Aneko wieder zu deren Auto trottete. So klapperten die beiden 18jährigen noch jede Werkstatt in der ganzen Stadt ab, zum Glück waren es nicht allzu viele. Nachdem sie bei der Zweiten nur zu hören bekommen hatten: "Seht ihr hier irgendwo ein Ferrari Cabrio in orange?", fragten die beiden gar nicht mehr erst lange, sondern schauten sich nur in der Einrichtung sorgfältig um. Diese Besichtigungen trugen erst bei der vierten Werkstatt Früchte, oder zumindest halbwegs. Kerry entdeckte ein Cabrio von Ferrari, allerdings hatte es die satte Farbe von reifen Pflaumen. "Verdammt und ich dachte schon wir hätten es.", schimpfte sie enttäuscht. "Nun mal nicht so schnell,", kommentierte Aneko. "Sieh dir mal den Overall des Mechanikers da drüben an." Kerrys Blick folgte dem Fingerzeig der Schwarzhaarigen und entdeckte die blauen Farbflecken auf dem gesamten Overall des Mannes. Die beiden blickten sich an und gleichzeitig bildete sich ein triumphierendes Grinsen auf ihren Lippen. Mit großen Schritten eilte Kerry zu dem Mann hinüber, Aneko konnte mit ihren langen Beinen problemlos langsamer gehen und dennoch Schritt halten. "Sagen sie Mr., haben sie dieses Auto eben neu lackiert?", fragte Kerry mit vor Aufregung geröteten Wangen. Der Kerl nahm seine Zigarette aus dem Mund, was eigentlich völlig unnötig war, denn er gab keine Antwort, sondern nickte nur. "Und welche Farbe hatte es vorher?", fragte Aneko mit ihrer anscheinend typisch sanften Stimme. "Na so ein dunkles Orange, würd' ich mal sagen.", gab der Mann mittleren Alters tonlos und desinteressiert zurück. "Könnten wir die Unterlagen für dieses Auto eventuell einmal einsehen?", bohrte Kerry unnachgiebig weiter. Der Mann, gesprächig wie schon zuvor, schüttelte nur den Kopf. "Da müsst' ihr im Büro fragen.", kam es dann aber doch aus seinem Mund, so dass sich die beiden Mädchen schon beinahe erschraken. Dieser Hoffnungsschimmer am Horizont reichte aus um die beiden wieder auf Trab zu bringen, so dass sie kurz darauf im Büro standen und eine ältere Dame nach den Daten fragten. Diese schon leicht ergraute Frau jedoch schüttelte ebenfalls nur den Kopf und verneinte ihre Anfrage. Kerry und Aneko tauschten wissende Blicke aus. Hier kamen sie wohl so nicht weiter. Die Rothaarige zwinkerte der größeren Frau kurz zu und wandte sich dann der anderen Frau zu. Sie stellte sich übertrieben aufrecht vor sie und ihr Blick war mit einemmal nicht mehr halb so freundlich wie zuvor, sondern einfach nur noch hart und vor Ärger getrübt. "Es tut mir leid, ich wollte Sie in diese Sache nicht mit hineinziehen, aber so bleibt mir keine Wahl.", fing Kerry bedeutungsvoll an und handelte sich ein Stirnrunzeln seitens Aneko und der älteren Dame ein. "Die Wahrheit ist, dass der Wagen eigentlich mir gehört, um genauer zu sein, meinem Vater. Als er aus unserer Garage gestohlen wurde, rammte der Dieb offensichtlich aus Eile den Eingang und wir sind davon ausgegangen, dass er sobald es geht eine Reparatur veranlassen würde." Die Story hatte sie sich noch während sie sprach aus der Nase gezogen und sie fragte sich selbst wie sie auf eine so blöde Idee kommen konnte. Allerdings machte das plötzlich veränderte Auftreten bei der Frau doch etwas Eindruck. Nicht ganz sicher beäugte sie die beiden Frauen. Aneko hatte unterdessen eine betroffene Miene aufgesetzt. Schließlich griff die Frau nach ein paar Aktenblättern und schob sie zögerlich über die metallene Theke. "Nun gut, dann will ich ihren Untersuchungen nicht im Wege stehen, aber wenn sich ihr Verdacht als unbegründet herausstellen sollte, habe ich nichts damit zutun.", meinte sie mit scheinbar ebenfalls bedeutungsvoller Stimme. Kerrys Blick haftete noch einen Moment auf der Frau, bevor sie hinunter auf die Daten blickte. Sie überflog die Seiten und stellte fest, dass es wohl genau das war, was sie brauchte. Ohne weiter zu fragen nahm sie die Blätter und ging zu dem Kopierer auf der Seite zu. Etwas hilflos stand sie vor diesem sogenannten Wunderwerk der Technik und zog die Augenbrauen zusammen, während sie überlegte wie dieses Stück Technologie funktionierte. Zum Glück kam ihr Aneko zur Hilfe und so waren die Infos innerhalb weniger Augenblick vervielfältigt und die beiden Mädchen mit einer kurzen Verabschiedung aus dem Büro heraus. Kerry unterdrückte einen Freudenschrei und konnte ihren Erfolg noch gar nicht fassen. "Allerdings ist es fraglich ob dieser Typ, wie hieß er doch, sein mieses Fahrverhalten zugibt.", gab Kerry wieder etwas nüchtern zu denken, als sie im Auto saß und mit Aneko durch die Straßen fuhr. "Willst du ihn vielleicht fragen?", fragte die Schwarzhaarige mit einem kurzen Seitenblick. Dieser reichte jedoch schon, damit sie ein wenig zu weit rechts fuhr. Doch mit überraschender Sicherheit lenkte sie das kleine Gefährt ohne Aufregung wieder zurück auf die Fahrbahn. "Na sicher, ich hätte nichts dagegen den Kerl zu fragen, ob er vielleicht auch einmal eine äußerst intime Begegnung mit dem Asphalt haben möchte.", konterte Kerry grimmig und nahm den Vorschlag eher als Scherz hin. "Auch gut, wo wohnt der noch mal? Die Adresse stand doch da drin.", erwiderte Aneko achselzuckend und warf wieder einen Blick auf die Papiere in Kerrys Schoß. Diese hielt ihr ungläubig die Zeile mit der Adresse hin und heftete dann ihren skeptischen Blick unentwegt auf ihre Chauffeurin, die scheinbar wirklich auf dieses Haus, wo immer es liegen mochte, zusteuerte. "Das meinst du nicht ernst, oder?", kam es schließlich aus ihr heraus. "Wenn du es ernst meintest.", gab Aneko ungerührt zurück und belächelte dann amüsiert Kerrys Blick, der sich von Verzweiflung zu grimmiger Entschlossenheit wandelte. Quietschend kam der Kleinwagen vor dem Neubau zu stehen, der direkt an der Straße lag. Kerry sprang parallel mit Aneko aus dem Wagen. Die beiden warfen sich einen kurzen Blick zu und marschierten dann direkt zu diesem Gebäude. Kurozawa, Ichiro stand auf dem Klingelschild. "Das ist er.", kommentierte Kerry und betätigte die Klingel. Nach kurzer Zeit hörten sie schwere Schritte auf dem Flur und gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Ein Mann, ca. 28 Jahre, kastanienbraune Haare und finster dreinblickende braune Augen, begrüßte die beiden leicht mürrisch. Allerdings hellte sich sein düsterer Blick sofort auf, als er gewahrte, dass sein Besuch zwei junge, hübsche Frauen waren und setzte ein einnehmendes Lächeln auf. "Was kann ich für die Damen tun?", fragte er trügerisch zuvorkommend. Kerry erwiderte das Lächeln süffisant und scheinbar von irgendetwas an ihm beeindruckt. "Sie könnten uns sagen, ob Sie der Besitzer dieses schicken orangefarbenen Ferrari Cabrios waren, dass hier sonst des öfteren parkte.", antwortete sie mit unwirklich verführerisch gefärbter Stimme. Der Mann war jedoch nicht gänzlich naiv und schien die Frage nach dem Auto doch etwas verdächtig zu finden, denn das Lächeln erschlaffte ein wenig, blieb jedoch noch angedeutet auf seinen Lippen. "Ja, das bin ich, aber wieso meinen Sie ,war'?", hakte er zusätzlich zu der Antwort noch nach. Kerry machte einen Schritt näher auf den Mann zu und der vorher auffordernde Blick verschwand und wich einem drohenden Gewitter, dass sich im Grün ihrer Auge zu spiegeln schien. "Weil es doch in diesem Augenblick schon in ein wunderbares Royalblau umgespritzt worden ist und weil ich gerne wüsste, ob es Sie wenigstens einen Haufen Geld gekostet hat den Schaden zu beseitigen.", antwortete sie mit drohend leiser Stimme, während sie einen weiteren bedrohlichen Schritt auf ihn zu machte. Ihre eher kleine Statur schien in dem Moment kaum von Bedeutung, weder für sie noch für ihr Gegenüber. "Nun, ähm, ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was Sie das etwas angeht!", fuhr der Mann sie erst etwas unsicher, dann beinahe schon wütend an. Kerry bewegte sich jetzt keinen Schritt mehr, sondern blickte nur herabwürdigend zu dem Mann hinauf, was wohl schon eine Kunst für sich war. "Wohlmöglich, weil sich diese Summe nicht mit der messen kann, die für die Behebung des Schadens an meinem Motorrad und der Kaiba Limousine benötigt wurde! Ein Schaden, für den Sie verantwortlich sind, wie wir wissen und eine Summe, die sie zu zahlen haben!", zischte Kerry mit überlegener Stimme, die jedoch ihren wahren Gefühlen nicht wirklich entsprach. Sie hoffte zutiefst, dass er ihr den Bluff abkaufte und glaubte, dass er schon überführt war. Mit vernünftiger Stimme schaltete sich nun Aneko ein, die es kommen sah, dass der Mann gleich völlig ausflippen würde: "Wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt bereit sind ein Geständnis zu verfassen und zu unterschreiben bekommen Sie für ihr fahrlässiges Verhalten wohlmöglich mildernde Umstände." Von der einen zur anderen blickend gab sich der Mann schließlich geschlagen und verschwand mit den beiden im Haus. Zwanzig Minuten später verließen die beiden Frauen innerlich jubelnd das Haus. Kerry hatte ein unterschriebenes Geständnis und die Kopien des Werkstattberichts unter ihren Arm geklemmt und sprang übermütig auf ihren Sitz. Fröhlich plaudernd fuhren die beiden ab und nachdem Kerry Aneko gar nicht genug danken konnten, verblieben sie damit, dass die Schwarzhaarige etwas bei Kerry gut hatte. Tänzelnd erreichte die Rothaarige nun wieder ihre Wohnung und klopfte leicht gegen die Tür, da sie sich nicht schon wieder den Stress mit dem Türöffnen machen wollte. Das konnte Jason tun, der auch gleich darauf mit einem heftigen Ruck die Tür aufzog und sie lächelnd begrüßte. "Guten Abend!", grüßte sie grinsend zurück. Ein Abendessen lehnte sie dankend ab und begnügte sich damit den PC für den Rest des Abends in Beschlag zu nehmen. Ein von ihr komponiertes Lied nahm an diesem Abend immerhin noch halbwegs Form an und ihr Tagebuch erhielt auch seit langem einmal wieder einen Eintrag. Nachdem sich Jason schließlich schlafen gelegt hatte holte sich Kerry einen Briefumschlag, suchte sich die Adresse der KC von dem Umschlag des erhaltenen Briefes und schickte Kopien ihrer erhaltenen Informationen noch an dem Abend ab. Auf ein erklärendes Schreiben verzichtete sie ganz, ihr Absender musste dem Herrn Kaiba schon genügen. Ganz so übel war der Tag doch gar nicht gewesen, dachte sich Kerry und zog auf dem Bett sitzend die beiden Karten heraus, die Kaiba so interessiert hatten. Kein Wunder, es waren zwei Herzstücke ihres Decks, das sie natürlich besaß. Die Fallenkarte ,Kaiserlicher Befehl' und ihre Lieblingskarte "Tyrant Dragon". Seufzend nahm sie die beiden Karten und hängte sich mit dem Kopf nach unten von ihrem Bett und griff darunter. Gleich darauf kam eine kleine hölzerne Kiste zum Vorschein, die mit grünen Schriftzeichen auf dem Deckel verziert war. Mit einem liebevollen Lächeln öffnete sie die Schatulle und blickte auf die Karten ihres Decks. Mit einem Seufzen legte sie die beiden Karten in ihrer Hand dazu und wollte den Deckel gerade wieder schließen, da zögerte sie. "Impossible.", murmelte sie und zog den mächtigen Drachen wieder zurück um ihn erneut in ihrer Handtasche zu verstauen. Das Kästchen schloss sie wieder und positionierte es wieder auf dem richtigen Platz unter ihrem Bett. Anschließend warf sie sich in die weichen Federn ihres Bettes und schloss die Augen. ------------------ Sodala... jetzt ist es soweit, ich fange auch schon an meine Kapitel zu kommentieren. Bevor ihr irgendwas sagt, ich weiß, dass dies ein nicht gerade erhebliche interessantes Kapitel war, aber das musste für den Storyverlauf leider sein. Ich hoffe, ihr könnt mir vergeben ;) God bless you Dolefulness Kapitel 5: Unverhofft kommt oft ------------------------------- Unverhofft kommt oft Der nächste Tag brachte Kerry nichts Neues und war wohl einer dieser typisch alltäglichen Tage. Sie ging zur Arbeit, kam immerhin auch zu Fuß pünktlich und schaute anschließend in der Werkstatt rein um noch eine Stunde mit einem Mechaniker zusammen an ihrem Motorrad herumzuwerkeln. Anschließend ging sie wieder nach Hause. Schon jetzt fühlte sie sich merkwürdig ausgelaugt und sie bekam Kopfschmerzen. Dennoch setzte sie sich noch einmal kurz an den PC um ihr Lied endlich fertig zu schreiben, kam jedoch mangels Konzentration keine halbe Strophe weiter. Die vor einigen Tagen aufgegebenen Annonce in der sie sich als Babysitterin bzw. Kinderbetreuerin für gewisse Abende angeboten hatte war endlich in der Zeitung erschienen, aber von der KC hatte sie nichts gehört. Ein überflüssiger Tag in ihrem Leben, hätte sie gesagt. Ganz im Gegenteil dazu verlief der Tag der Kaiba Brüder völlig untypisch. "Setoooo!", rief Mokuba und streckte seinen dunklen Wuschelkopf zur Bürotür seines Bruders herein. Dieser schaute nur flüchtig auf und unterbrach sein Telefongespräch für keine Sekunde. Statt etwas zu sagen winkte er seinen Bruder herein und deutete ihm still zu sein. Mokuba schloss die Tür leise hinter sich und trottete dann auf Setos Schreibtisch zu um dort die eingetroffene Post zu platzieren. "Ich sage es ihnen ein letztes Mal: Zu niemandem ein Wort, weder an die Presse noch an die Konkurrenz und wenn auch nur die kleinste Information oder ein Gerücht hindurchsickert sind sie ihren Job los!", schimpfte Kaiba noch in den Hörer und knallte denselben dann unsanft auf den dafür vorgesehenen Platz. Mokuba runzelte leicht die Stirn und schüttelte dann den Kopf, bevor er den Stapel Briefe näher zu seinem Bruder heranschob. "Die Post.", erklärte er wortkarg und etwas eingeschüchtert von Setos erregtem Zustand. Dieser nickte nur und griff nach dem ersten Umschlag, las den Absender und sortierte ihn aus. So verfuhr er mit allen Schreiben und schließlich bildeten sich zwei unterschiedlich große Stapel. Beim Vorletzten Brief hielt er kurz inne und blickte fragend auf den Absender. Was will die denn? Ging es ihm durch den Kopf und warf den Brief scheinbar achtlos auf den kleineren Stapel und sortierte auch noch den letzten Schrieb dem großen Stapel zu. "Was ist?", fragte Mokuba neugierig, denn ihm war der kurze Augenblick des Erstaunens bei Seto nicht entgangen. "Nichts, bring das Frau Hirasaki." bockte er tonlos ab und schob den großen Stapel wieder zu seinem Bruder hinüber. Dieser musterte seinen großen Bruder noch einen Moment besorgt und wollte schon etwas sagen, überlegte es sich dann jedoch anders und verließ mit den Briefen unter dem Arm das Büro. Kaum das sich die Tür hinter dem dunkelhaarigen Jungen geschlossen hatte griff Seto Kaiba nach dem genannten Schrieb und riss den Umschlag unsanft auf. Nach außen einen desinteressierten Blick beibehaltend zog er die darin enthaltenen Papiere hervor und ging deren Inhalt oberflächlich durch. Erst als er bemerkte wohin diese Informationen führen sollten, begann er das Gedruckte genauer und sorgfältiger durchzulesen und zu überprüfen. Schlussendlich blickte er von den Dokumenten auf und warf erneut einen Blick auf den Absender. Mit einer plötzlichen Bewegung wischte er die Papiere beiseite und schlug mit der flachen Faust auf den Tisch. Aber sofort hatte er sich wieder gefangen und ein frostiges Lächeln umspielte seine Lippen. "Nicht schlecht, Kleine.", murmelte er abfällig und wollte die Dokumente gerade abheften und ordentlich wegräumen um später wieder auf diesen eher unwichtigen Fall zu sprechen zu kommen, als die Tür zu seinem Büro erneut aufging und Mokubas vertrautes Gesicht wieder erschien. "Hey Seto, darf ich kurz stören?", fragte der Junge mit verheißungsvoller Stimme. Aufgrund dessen hob der Angesprochene beinahe etwas neugierig den Kopf und blickte seinen Bruder erwartungsvoll an. Was wohl jetzt kommen würde? "Komm rein. Was gibt's denn?", sagte er in leicht abgemilderten Tonfall, der nicht mehr ganz so nach einem Befehl klang. "Du sagst doch immer ich soll dir bei der Arbeit nicht immer so auf die Nerven gehen...", fing Mokuba an, wurde jedoch gleich unterbrochen. "Wann habe ich das gesagt?", fragte Seto dazwischen und blickte seinen Bruder ernst an. Dieser erwiderte den Blick unsicher, aber mit einer Ernsthaftigkeit, die in diesem Alter schon erstaunlich war. "Naja ich weiß nicht, aber es ist doch so.", bestand er auf der Richtigkeit seiner Meinung. Seto seufzte. Er hatte momentan wirklich keine Zeit für ein Gespräch von Bruder zu Bruder vor allem nicht über ihre zwischenmenschliche Beziehung. "Und was wenn ja?", wollte er schnellstmöglichst zur Sache kommen. "Du könntest doch jemand engagieren, der mit mir mal was unternimmt, mich beschäftigt und so davon abhält dich zu nerven und so...", schoss es aus Mokuba heraus. Aha, das war also der Grund. Seto unterdrückte ein Lächeln. Natürlich stellte sein Bruder nur fest, dass er nervte, wenn es für ihn auch etwas brächte, das lag wohl in der Familie. Allerdings wollte er jetzt nicht auf ein Ratespiel eingehen, wen er einstellen sollte und wann und für wie lange und so gab er einfach direkt wie immer von sich: "Könnte ich, aber ich habe keine Zeit dir jemanden zu suchen, also entschuldige mich bitte." Damit war für ihn das Kapitel schon so gut wie abgeschlossen, aber Mokuba hatte das anscheinend vorausgesehen und legte eine Zeitungsseite direkt vor seinen Bruder. Dieser bedachte den dunkelhaarigen Jungen mit einem warnenden Blick und ließ denselben dann flüchtig über die Seite schweifen. Es waren mehrere Angebote und Annoncen, doch nur eine die für Mokubas Forderung, wenn es denn eine war, in Frage kam. Die Blicke der beiden Brüder trafen sich, als Seto abrupt von dem Stück Papier aufschaute und es war leicht zu verstehen, dass es Mokuba war, der sich sofort schuldbewusst abwandte. Kaiba sagte nichts, sondern fixierte seinen kleinen Bruder noch immer mit diesem Wahnsinnsblick, selbst dann noch, als Mokuba wieder aufschaute und nun seinerseits zum Überredungsmittel ,Blickkontakt' griff. Die dunklen Augen des Jungen waren ein Stück geweitet und schienen seinen Bruder anzuflehen. Kaibas gedämpft genervte Stimme war das einzige, was in diesem Augenblick zu hören war: "Nein, auf keinen Fall!" Diesmal genügte ein leichtes Drücken und die Tür ging bereitwillig nach innen auf. Ein Lichtstreif am Horizont. Kerry schob die Tür hinter sich ins Schloss und schleppte sich dann mit roten Augen in ihr Zimmer. Immerhin war sie nicht von selbst gegangen, sie war heimgeschickt worden, aber es war ganz gut so. Zwei Minuten länger und sie wäre wohl schreiend aus dem Haus gelaufen, so sehr dröhnte ihr Kopf, ihre Augen brannten und ihr Körper fühlte sich an, als seien sämtliche Glieder aus Gummi. Ohne weiter nachzudenken riss sie erst einmal den Stecker von ihrem Telefon heraus und schaltete dann ihr Handy aus, bevor sie auf dem Bett halb zusammenbrach. Ein paar Stunden später erwachte sie noch immer mit Kopfschmerzen und heißem Kopf, aber die Müdigkeit war immerhin verflogen. Erst jetzt begann sie sich auszukleiden, bevor sie überlegte was sie tun konnte. Zum Glück war Jason auf der Arbeit, er wäre sicher auch mit dieser Mitleidsnummer gekommen von wegen: Ruh dich bloß aus, bleib liegen, mach dir keinen Stress. Ach was, solange sie laufen konnte, würde sie auch nicht faul in der Ecke herumliegen, sie würde die Zeit nutzen, aber erst einmal würde sie sich die Haare waschen. Im Bad angekommen zog sie erst einmal ein paar bequeme Hotpants und ein weites, langes T-Shirt an, dazu Socken und dunkelblaue, hohe Stulpen. Während sie sich mit der Handbrause das angenehm erfrischende Wasser über die Haare rauschen ließ überlegte sie, wo Jason wohl die Medikamente wie Kopfschmerztabletten aufbewahrte. Ein scharfes Klingeln unterbrach sie jedoch in ihrer imaginären Suche und ließ sie hochschrecken. Ihr Kopf war jedoch schneller als sie mit der Hand zurückgehen konnte, so stieß sie sich selbst den Duschkopf gegen ihren Kopf und war innerhalb von Sekunden von oben bis unten triefnass. Schnell tastete sie sich zum Hahn vor und stellte ihn schleunigst ab, bevor sich ein Handtuch um den Kopf wickelte und beinahe in einen Lachanfall ausgebrochen wäre. So etwas konnte auch nur ihr passieren. Das Klingeln ertönte in diesem Moment erneut, diesmal energischer, penetranter. "Ja, ja ich komme schon.", murmelte sie kopfschüttelnd vor sich hin und lief noch tropfnass nur Haustür. Vermutlich Jason, der mal wieder früher Schluss hatte, dachte sie leicht neidisch und griff nach dem Türknauf. Dieser bewegte sich jedoch kein Stück. Kerry holte tief Luft und riss grob an dem Griff, so dass die Tür mit einem heftigen Ruck zu ihr hin gerissen wurde und glücklicherweise in ihren Angeln blieb. Es dauerte ungefähr 5 Sekunden, bis Kerry wirklich registrierte wer vor der Tür stand und noch zwei Sekunden später knallte sie die Tür schnellstens wieder vor der Nase ihres Besuches zu und sprang mit dem Rücken zur Tür um einmal tief die Luft einzusaugen. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken die Tür zuzulassen und einfach wieder ins Bad zu gehen, aber schließlich wollte sie doch erfahren was denn Hochwürden zu sagen hatte, dass er extra hier vor Ort aufkreuzte. Kerry entfernte sich wieder von der Tür und zog sie erneut auf, diesmal nicht ganz so ruckartig und setzte sofort ein absichtlich übertrieben freundliches Lächeln auf. "Ja bitte?", kam es ihr unschuldig über die Lippen. Seto Kaiba hatte sich jedoch schon wieder abgewandt und war die ersten Stufen die zur Haustür führten herabgestiegen, als er ihre Stimme vernahm. Eben hatte er nur einen kurzen Blick auf ihre heutige Erscheinung werfen können, aber das hatte genügt um seine Laune erheblich zu steigern. Anscheinend hatte sie gerade eine unfreiwillige Begegnung mit der Dusche gehabt und war keinesfalls auf Besuch vorbereitet gewesen. Das war natürlich für ihn weitaus angenehmer als für sie, unangekündigte Besuche waren doch schon immer die Besten, wenn man denn selbst der Besucher war. Aufgrund dieser momentanen überlegenen Stimmung war Kaiba sogar dazu bereit sich umzudrehen. Jedoch antwortete er ihr nicht gleich, sondern unterzog die Rothaarige erst einmal einer abschätzigen Musterung. Ihre kurzen, roten Haare waren unter einem weißen Handtuch verborgen, dass um ihren Kopf geschlungen war und ihr T-Shirt reichte ihr bis auf die Oberschenkel. Entweder sie trug überhaupt keine Hose oder das Oberteil verdeckte diese. Äußerst Blicke anziehend war aber die Tatsache, dass das graue T-Shirt, auf dem der Spruch "Ich hab auch Augen, du Arsch" über die Brust gedruckt war, mit Wasser durchtränkt und an gewissen Stellen schon durchsichtig war. "Kann ich was für dich tun?" fragte Kerry natürlich nur um die Aufmerksamkeit mehr auf ihr Gesicht zu lenken, denn es behagte ihr ganz und gar nicht, wie dieser Kerl sie von oben bis unten mit seinen kühlen Blicken abtastete. Noch immer ohne etwas zu erwidern kam Seto nun auf sie zu, schob sie unsanft zur Seite und ging an ihr vorbei in das Haus. Während er noch das Wohnzimmer betrat, das schnell gefunden war, sagte er mehr als Aussage denn als Frage: "Ich darf doch reinkommen." Kerry warf die Haustür wieder zu und folgte ihm mit schnellen Schritten in den Wohnraum, wo er sich inzwischen einfach auf die Couch gesetzt hatte und sie völlig ignorierte, da er das Zimmer musterte. Die Einrichtung war nicht der pure Luxus, sondern einfach, aber bequem und Jason hatte beim Einrichten durchaus Geschmack an den Tag gelegt. Die Sitzgarnitur war in einem dunklen rot gehalten, dass zu dem dunklen Holzparkett des Fußbodens hervorragend passte. Der kleine Tisch vor der Couch war wohl ein älteres Stück, ebenfalls hölzern und mit vielen Verzierungen und Schnitzereien bestückt. Die Wände waren mit einer Tapete versehen, die ebenfalls das Muster von Holz hatte, wenn auch in einem helleren Ton. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sofas stand ein mittelgroßer Fernseher, der aber eher wenig benutzt wurde. Weitaus interessanter für die beiden Bewohner und anscheinend auch für Kaiba war der PC, der auf einem Mahagoni Schreibtisch in der rechten hinteren Zimmerecke stand. Ein schmales Bücherregal neben ein paar geschlossenen Schränken stand links davon und nahm die restliche Wand an diesem Ende des Raumes in Besitz. Verschiedene Bilder und Pflanzen vervollständigten eine, wie Kerry fand, heimelige Atmosphäre. Diese Meinung vertrat Seto Kaiba aber offensichtlich nicht, denn mit leicht gelangweiltem Blick wandte er sich schließlich doch Kerry zu, die inzwischen ebenfalls das Wohnzimmer erreicht hatte und neben dem Fernseher mit verschränkten Armen vor der Brust da stand und ihn abwartend und nicht allzu herzlich ansah. So starrten sich die beiden eine ganze Weile lang stur an. Kaiba wollte nicht mit seiner Bitte, das Wort bereitete ihm schon Unbehagen, anfangen und Kerry hatte nicht vor wieder als erste diplomatisch das Gespräch und den Einstieg für Herrn Seto Kaiba einfacher zu gestalten. Allerdings waren sie jetzt in ihrem Revier und so hatte sie einen kleinen Vorteil, wofür Seto jedoch auf das Gespräch vorbereitet war und Kerry sich sehnlichst wünschte ihr Shirt würde endlich trocknen. Während sich die beiden stumm und zu dickköpfig für eine Konversation ansahen fiel dem taffen Geschäftsmann plötzlich auf, dass dieses verrückte Mädel bisher nicht einmal ihren Blick abgewandt oder gesenkt hatte. Sie schaute ihn genauso konzentriert und unerbittlich an wie er sie. Obgleich ihre Augen Smaragdgrün waren und seine Saphirblau, hatte sie doch gerade einen ebenso unterkühlten Blick, den schon so viele Leute bei ihm festgestellt hatten. Das hatte es bisher selten bis überhaupt nicht gegeben, dass jemand, noch dazu so ein dahergelaufener wandelnder Meter seinem Blick standhielt und ihm auch noch allein durch Blickkontakt Contra gab. Eigentlich nur um das Gefühl der Faszination zu ignorieren begann Kaiba dann doch zu sprechen: "Du suchst einen Job als Betreuerin für Kinder und Jugendliche? Du hast ihn. Jeden Nachmittag ab 16 Uhr bis Mokuba im Bett ist. 250 $ die Woche. Verstanden?", rasselte er seine vorher zurechtgelegten Bedingungen herunter und ließ natürlich keinen Raum für Widersprüche. Der Preis war mehr als sie abschlagen konnte, was er insgeheim nun doch nicht mehr ganz so gut fände. Wenn sie wirklich Mokuba beschäftigen würde und dieser sich mit ihr amüsieren konnte, wäre es das Geld wert. Kerrys Blick hatte sich jetzt gewaltig gewandelt und totale Verwirrung und Staunen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Es passierte ihr eher selten, dass sie sprachlos war, aber jetzt dauerte es einen Moment bis sie ihre Sprache wiederfand. Aufgrund ihrer Überraschung überging sie den befehlenden Tonfall und dann schoss aus ihr heraus: "Hast du sie nicht mehr alle? Das ist doch völlig überbezahlt, außerdem..." Kerry hatte ihre Arme aus der verschränkten Haltung gelöst und sich, ihre Worte unterstützend leicht an den Kopf getippt und ignorierte den Umstand, dass man ihren schwarzen BH durch das feuchte Grau ihres Oberteils hindurchsehen konnte. Was tat sie hier eigentlich? Hatte sie gerade das Angebot ausgeschlagen, weil er ihr zuviel bezahlte. Das war ja ein hervorragender Anfang und sie hoffte, dass Kaiba sie einfach unterbrechen und sie zurechtweisen würde, damit sie sich schnell überlegen konnte was sie Sinnvolles sagen könnte, aber ausgerechnet jetzt verfiel er wieder in eisiges Schweigen und ließ seinen kalten Blick auf ihr ruhen. "...außerdem arbeite ich jeden Tag bis 16 Uhr und vielleicht kannst du dir denken, dass vielleicht etwas Freizeit im Leben auch ganz wünschenswert ist.", stammelte sie, etwas unsicher ob ihre Worte irgendwie plausibel klangen. Schnell versuchte sie erst einmal einen klaren Gedanken zu fassen, aber in Anwesenheit dieses verfluchten Mannes funktionierte das einfach nicht. Bevor Kaiba jedoch etwas erwidern konnte, wenn er es denn wollte, nahm sie ihre rechte Hand und legte sie flach und senkrecht auf die linke und gab ein passendes: Ok, Auszeit, kurze Denkpause." dazu von sich. Kaiba war sichtlich amüsiert über ihren derzeit zerstreuten Zustand, scheinbar liebten es alle Männer, wenn sie so etwas bei einem ,niederen Etwas' hervorriefen. Kerry atmete kurz ein, sortierte möglichst schnell ihre Gedanken und legte dann wieder los: "Erster Punkt: Ich lasse mich nicht mit hohen Gehältern ködern. Zweiter Punkt: Die Arbeitszeit ist für mich unmöglich einzuhalten und dritter Punkt: Warum zum Teufel machst ausgerechnet du mir ein Jobangebot?" Kerry hatte während ihrer Aufzählung ihr Möglichstes getan um großartige Gestik zu unterlassen und abschließend verschränkte sie wieder ihre Arme vor der Brust, ob aus Zufall oder Scham war nicht recht ersichtlich. Deutlich war ihr jedoch anzusehen, dass sie sich nicht wohlfühlte, denn zu dieser unfreiwilligen Konversation kam noch hinzu, dass sie noch immer kein Aspirin oder Ähnliches genommen hatte und sich nun auch schon erste Schwindelgefühle einstellten. Um keinen Preis wollte sich Kerry aber setzen und ihre momentan erhöhte Stellung aufgeben. Von Kaiba kam noch immer keine Reaktion und man hätte daran zweifeln können, dass er überhaupt mitbekommen hatte was gesagt worden war. Seine Mimik war ausdruckslos und scheinbar von dem Ganzen unberührt. Schließlich begann er dann doch mit einer überheblichen Würde zu sprechen, die sogar einem Monarchen noch gut gestanden hätte: "Zu Punkt eins: Wenn du glaubst, dass ich es nötig hätte jemand wie dich zu ködern, dann bist du noch dümmer als ich dachte, nur leider hat mein kleiner Bruder einen Narren an dir gefressen, was wohl auch Punkt drei klärt und..." Kerry war auf das Sofa zugegangen, auf dem Kaiba saß und hatte sich demonstrativ mit blitzenden grünen Augen vor ihm aufgebaut um ihn jetzt mitten im Satz mit schneidender Stimme zu unterbrechen: "Es reicht! Ich mag zwar nicht der Vorsitzende einer idiotischen, wenn auch äußerst erfolgreichen Firma sein, aber ich lasse mich nicht als dumm bezeichnen, schon gar nicht von jemand, der seinen Erfolg Daddys Erbe zu verdanken hat." Gegen Ende ihres Satzes wurde ihre Stimme beständig brüchiger, wenn auch der Tonfall deshalb nicht milder ausfiel. Sie sprach klar und scharf und vermied gekonnt jegliche Hysterie. Was sie nicht wissen konnte war, dass sie Kaiba mit dieser letzten Unterstellung voll getroffen hatte. Dieser stand jetzt ebenfalls auf und baute sich direkt von Kerry auf um so wieder mit tödlich eisigem Blick auf sie herabzuschauen. Unmittelbar machte Kerry einen Schritt zurück, jedoch kein Stück weiter, er würde es nicht schaffen, dass sie vor ihm kuschte, obwohl sein Blick sogar auf sie einschüchternd wirkte. Seto wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, doch der Ausfallschritt nach hinten sowie die Aufregung und die Wut hatten die Rothaarige ihre letzten Reserven gekostet, so dass sie plötzlich unbewusst anfing zu taumeln. Sie wollte sich an dem Wohnzimmertisch neben sich abstützen und streckte die Hand danach aus. Sie griff ins Leere und sah nur noch wie der Zimmerboden immer näher auf sie zukam, dann wurde ihr schwarz vor Augen. -------------- An der Stelle wollte ich mich mal bei denjenigen bedanken, die mir bisher jedes Mal einen Kommentar hinterlassen haben. Ist ein enormer Motivationsschub und außerdem hilft es mir auch mich zu verbessern, wenn konstruktive Kritik kommt. Vielen Dank euch allen! Dolefulness vormals Creditor Kapitel 6: Reine Nervensache ---------------------------- So, jetzt muss ich vorweg aber erstmal ein paar Kommentare kommentieren ;) @Final Freak Eine Freundin kam neulich mit diesen Spruch auf dem Shirt in die Schule und ich war natürlich ur begeistert davon, so dass ich es gleich ,verarbeiten' musste. Aber das mit dem Weg zum Gehirn ist auch nicht schlecht. *lach* @Black_Cat13 Tja wie Mokuba das geschafft hat, würde mich auch mal interessieren *lol* Zum Glück ist es nicht von Relevanz, sonst müsste ich mir da noch was ausdenken ;) @Katze-san Ich wusste ja gar nicht, dass Leser so aggressiv werden können. Ich hoffe dieses Hämmerchen ist nur aus Gummi *gg* Tschauserle Dolefulness vormals Creditor ------------- Reine Nervensache "Zum Glück haben sie mich gleich gerufen, so etwas sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen.", drang eine angenehme, leise Stimme an ihr Ohr. Erst war es zur ein Flüstern, das dann langsam lauter und verständlicher wurde. "Sie sollte sich einen Tag lang komplett ausruhen und im Bett bleiben, dann ist sie morgen wieder arbeitsfähig, allerdings sollte sie sich auch dann erst einmal etwas schonen.", fuhr die eindeutige Männerstimme fort, bevor auch andere Geräusche im Zimmer zu vernehmen waren. Kleiderrascheln als jemand von ihrer Bettkante aufstand und das gedämpfte Knarren ihrer Tür, als derjenige das Zimmer verließ. Fragend hob Kerry den Kopf ein Stück und öffnete vorsichtig ihre Augen. Zuerst verschwamm die gesamte Szenerie vor ihren Augen und sie konnte nur schemenhaft ihr Zimmer ausmachen. Blinzelnd versuchte sie mehr zu erkennen und sich zeitlich als auch räumlich wieder zurechtzufinden, gab es schließlich aber auf und ließ sich in die Kissen zurücksinken. Immerhin begann sie wieder klar denken zu können. Was war noch einmal geschehen? Ach ja das Gespräch mit Kaiba und dann... Sie erinnerte sich nicht mehr. Kaiba? Wo war er? Dieser Mann von eben war es jedenfalls nicht gewesen, wahrscheinlich war er schon längst zu seinen geschäftlichen Angelegenheiten verschwunden. Sie seufzte und dachte einen Moment über das Gespräch nach. Irgendwas hatte sie anscheinend gesagt, was Seto Kaiba durchaus unangenehm berührt hatte, sonst hätte er nicht diese angedeutete Drohgebärde vollzogen. Irgendwie konnte sie ja froh sein, zusammengebrochen zu sein, wenn es auch vor den Augen dieses überheblichen Typen etwas peinlich war, aber sie wollte gar nicht wissen was er gemacht hätte, wenn sie aufrecht stehen geblieben wäre. Kerrys Lippen wurden von einem sanften Lächeln umspielt. "Natürlich willst du es wissen, du Lügnerin.", sagte sie in Gedanken zu sich selbst und riss erschrocken die Augen auf, als wieder das Geräusch von Kleiderrascheln entstand. Diesmal war alles noch verschwommener, aber sie stützte sich auf der Bettkante ab und fragte, sich die Augen reibend in den Raum hinein: "Wer ist da?" Die Tür knarrte erneut und ihr sich langsam klärender Blick erblickte die hochgewachsene Gestalt von Seto Kaiba. Er hatte gerade die Tür aufgezogen und war wohl im Begriff sie zu ignorieren und zu gehen. Unerklärlicherweise wollte Kerry ihn aufhalten, sie wollte wissen, warum er hier geblieben war, warum er einen vermeintlichen Arzt gerufen hatte und ob er sie hierher geschleift oder getragen hatte, würde sie auch interessieren, aber der Kürze des Momentes wegen fragte sie plötzlich völlig unüberlegt: "Was hättest du gemacht?" "Super Kerry, eine unheimlich eindeutige Frage.", schalt sie sich innerlich selbst und war überrascht, als Kaiba sich herumdrehte und sie fragend anschaute. Ein Blick für die Götter. Er war wirklich verwirrt und wusste nicht was sie meinte, aber immerhin hatte er seine Bewegung abgebrochen und wartete. "Ich meine, was du getan hättest, wenn ich nicht zusammengeklappt wäre.", erklärte sie zusätzlich und zog sich die Decke etwas enger um die Schultern weil sie eine Gänsehaut bekommen hatte. Stand etwa ein Fenster offen? Eigentlich nicht. Woran es wohl dann liegen mochte? "Ich wäre aufgestanden und gegangen.", blockte Seto einfach ab. Kalt und abweisend wie eh und je. Er hatte sich offensichtlich schnell wieder von seiner Irritation erholt und drehte sich nun wieder der halboffenen Tür zu. "Du lügst.", gab Kerry tonlos zurück und vermied eine negative Wertung in ihren Worten. Es war schlicht und einfach eine Feststellung. Seto drehte sich noch einmal um und schaute sie perplex an. Wollte diese Kleine etwa schon wieder ihre Provokationsübungen an ihm austesten? Anscheinend legte sie es ja jedes Mal darauf an ihm die Stirn zu bieten und Dinge zu sagen, die sich kein anderer je getraut hätte auch nur in seiner Anwesenheit zu denken. Seto Kaiba schalt sich selbst, dass er überhaupt hier geblieben war, warum hatte er es vorgezogen in dieser Zimmerecke zu sitzen und der scheinbar friedlich schlafenden Kerry dabei zuzusehen, wie sie vom Arzt untersucht wurde? Das war erstens völlig untypisch und zweitens eine völlige Zeitverschwendung. Kostbare Zeit war verloren gegangen, die er jetzt aufholen musste, also würde er sich nicht wieder auf eine Konfrontation mit ihr einlassen, obwohl er ja noch immer keine richtig Antwort auf Mokubas Anliegen von ihr hatte. "Du bist erst aufgestanden, nachdem ich diesen einen Satz gesagt habe.", sprach Kerry ruhig und besonnen weiter und versuchte sich daran zu erinnern was sie eigentlich gesagt hatte. "Du hast mich angesehen, als würdest du mir gleich an die Kehle springen." "Sehe ich dich nicht immer so an?", versuchte Kaiba das Gespräch endlich zu beenden und wollte nun wieder den Türknauf in die Hand nehmen als sie schon ein Stück weiter war: "Nein, ich kann dir gern erläutern wie du für gewöhnlich dreinschaust." Diese Frau würde ihn noch einmal in den Wahnsinn treiben. Erst war sie die Aggression in Person und nun diskutierte sie sachlich und gelassen über seinen beinahe Wutausbruch, den er sicherlich nicht zugeben würde. "Auf jeden Fall habe ich irgend etwas gesagt, was dich dazu gebracht hat diese überaus ,nette' Drohhaltung einzunehmen.", schloss sie und konnte sich dieses ironische ,nett' nicht verkneifen. Ihr Blick ruhte jetzt abwartend und geduldig auf ihm, so dass es dem kühlen Geschäftsmann nicht gerade als das beste erschien sich noch länger hier aufzuhalten, allerdings war dieses Mädel gerade dabei den Versuch zu starten ihn auszuquetschen wie eine reife Zitrone. "Du träumst.", gab er kalt zurück und riss jetzt endlich ganz die Zimmertür auf und wollte gerade den ersten Schritt in den Flur machen, als schon wieder ihre weiche Stimme hinter ihm erklang. "Und ich dachte du wärst so ein überaus direkter Mensch, der redet ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen." Die leise Herausforderung war abgemildert, doch noch deutlich aus ihren Worten herauszuhören. Mitten im Schritt blieb Seto wieder stehen. Jetzt hatte sie ihn da wo sie ihn wohl haben wollte, mit dem Rücken an die Wand ohne einen Ausweg. "Du bist ihr keine Rechenschaft schuldig, also verschwinde hier endlich.", trichterte er sich selbst ein und machte einen weiteren Schritt nach draußen. Kerry saß noch immer abwartend und wie angewurzelt auf ihrem Bett in die weiche Decke gehüllt. Sie würde ihn sicher nicht aufhalten, das wäre wirklich zu viel verlangt, so weit ging ihre Neugier dann auch nicht, aber ein Anflug von Bedauern versetzte ihr einen Stich, als sie Setos Rücken musterte, der sich gerade entfernen wollte. Langsam ließ Kerry die Luft aus ihren Lungen heraus und schüttelte den Kopf um sich dann wieder mit einem Anflug von Enttäuschung zurückfallen zu lassen. Also war er wirklich das Arschloch, für das sie ihn von Anfang an gehalten hatte. Die Tür ihres Schlafzimmers knallte lautstark zu, so dass die Rothaarige unweigerlich zusammenzuckte und einen mehr routinierten Blick zur Tür warf, ob noch alles heil geblieben wäre. Zu ihrem Erstaunen stand jedoch Seto Kaiba innerhalb ihres Zimmers und nahm gerade mit deutlichem Ärger die Hand vom Türknauf. "Du willst, dass ich direkt bin? Kein Problem!", kam es hochnäsig von ihm, was bei ihr nur noch mehr Verwirrung auslöste. Um sich ein wenig Zeit zum Nachdenken zu verschaffen blies sich Kerry eine lästige Haarsträhne aus dem Gesicht und fragte dann von Neuem: "Was hat dich also dazu gebracht und frag' nicht ,wozu', ich nenne es gerne Weißglut, aber wie auch immer...", gab sie nachdenklich von sich, wobei sie ihre Stimme deutlich sanft klingen ließ um nicht den Eindruck zu erwecken sie wollte ihn wieder provozieren. "Warum willst du das wissen? Etwa um mich damit immer wieder zu nerven?", konterte Kaiba noch immer abweisend und die Arme stur verschränkt. "Ich heiße ja nicht...", fing Kerry säuerlich an, bremste sich dann jedoch gerade noch so und fing noch einmal neu an: "Nein, damit ich weiß, was ich besser nicht mehr sagen sollte." Was hatte sie noch einmal gesagt? Entweder es war die ,idiotische Firma' oder das ,Erbe Daddys' gewesen, überlegte sie sich kurz und fügte dann hinzu: "Und vielleicht, damit ich nichts Falsches über dich oder deine Firma denke." Es fiel ihr unglaublich schwer keine bezeichnenden Adjektive in diesen Satz einzufügen, aber sie war momentan wirklich nicht scharf auf einen weiteren Kleinkrieg und ebenfalls wollte sie kein festgefahrenes Bild von einer Person oder einer Sache haben, wenn es dementiert werden konnte. Der junge Geschäftsmann machte einen halben Schritt auf das Bett und somit auf Kerry zu, die diesmal einen offenen Blick hatte und deutete mit seiner rechten Hand eine nach vorn deutende Geste an, während er kühl versicherte: "Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, es ist mir völlig egal was du oder irgend jemand anderes von mir denkt." Er hatte seinen Standpunkt klar gemacht. "Von dir!? Also ging es um dich und nicht um deine, ähm ,idiotische' Firma!?", folgerte Kerry sinnvoller Weise und legte den Kopf fragend schief. Seto hielt in seiner Geste inne und verschränkte wieder die Arme. Dieses kleine Miststück hatte ihn doch tatsächlich überrumpelt und für einen kurzen Moment sah man es ihm an, bevor er sich wieder im Griff hatte und ganz der unterkühlte Geschäftsmann war. "Also was stimmt an der Aussage nicht, dass du deine Firma von deinem Vater geerbt hast?", wollte Kerry nicht aufgeben, auch wenn ihre Fährtensuche mit nichts als Schweigen quittiert wurde. "Das geht dich einen feuchten Dreck an.", kommentierte er ihre Frage und wandte sich nun schon zum zigsten Mal der Zimmertür zu. "Ich würde es trotzdem gerne erfahren.", gab Kerry nun mit unverkennbarer Sturheit in der Stimme zurück, ungeachtet dessen, dass sie schon wieder mit dem Rücken Kaibas sprach. "Als ob du nur Dinge in Erfahrung bringen würdest, die dich etwas angehen, ich sage nur "Kerry O'Haras Anschrift". Ohne sich umzudrehen knurrte Seto gedämpft: "Wenn du gerade versuchst mich vom Gehen abzuhalten, kannst du es vergessen." "Ich dich aufhalten? Seto Kaiba, du versuchst schon seit einer Viertelstunde wiederholt diesen Raum zu verlassen, aber irgendwie scheint das nicht so ganz zu funktionieren.", scherzte Kerry grinsend und erwartete eigentlich kein anderes Ergebnis, als das was eintrat. Seto blieb einen Moment stehen um sich dann mit festen Schritten zur Tür zu bewegen, sie schwungvoll aufzuziehen und das Zimmer zu verlassen. "Was den Job angeht...", fing Kerry lächelnd an, doch da schlug auch schon die Haustür zu und ein Anflug des Bedauerns huschte über ihr Gesicht. Bisher war es ja immer Mr. Kaiba gewesen, der sie zur Weißglut treiben und fertig machen konnte, doch gerade eben hatte sie bewiesen, dass auch sie dazu fähig war. "Ich denke Seto Kaiba hat gerade einen ebenbürtigen Gegner gefunden.", murmelte sie scherzhaft und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, nur um sich dann wieder in die Kissen zu werfen und eine ganze Weile wach zu liegen und keinen Schlaf zu finden. Das Haustürschloss ächzte laut, als der Schlüssel darin herumgedreht und die Tür nach innen gedrückt wurde. Nichts Schlimmes ahnend betrat Jason seine Wohnung und räumte erst einmal seine Aktentasche weg und hängte seinen Mantel auf. "Kerry?", rief er fragend, da weder ein Zettel an die Tür geheftet war, noch eine grübelnde Kerry vor dem PC saß. Mit gerunzelter Stirn ging er hinüber zu ihrem Zimmer und drückte die Tür nach innen auf und gewahrte die Rothaarige, die aufrecht in ihrem Bett saß und auf ihrer Decke eine Ansammlung von Karten ausgelegt hatte. "Was geht denn hier ab?", fragte der kurzhaarige Mann ohne weiter nachzudenken. Scheinbar nicht sonderlich erschrocken, sondern fröhlich blickte Kerry auf und erklärte: "Ich wurde nach Hause geschickt, blöde Krankheit, aber morgen kann ich schon wieder arbeiten." Eine Ausschweifung über Seto Kaibas ausgesprochen ,herzlichen' Besuch sparte sie sich und widmete sich wieder ihren Karten. "Und... und was machst du hier?", fragte Jason noch immer leicht durch den Wind weiter. "Sieht man das nicht? Ich studiere meine Karten und rufe mir ihre Fähigkeiten wieder ins...", begann die Kränkelnde und unterbrach sich grinsend, als sie den hilflosen Blick ihres Besuches gewahrte. "Nicht so wichtig. Und jetzt verzieh' dich aus dem Zimmer einer Dame.", fügte sie lachend hinzu und feuerte eines ihrer Polster auf ihr Gegenüber, allerdings traf sie nur noch die Tür, die krachend ins Schloss fiel, als Jason aus dem Zimmer flüchtete. Kerry musterte mit Schalk in den Augen wieder ihre Karten. Es war ganz schön lange her, dass sie die benutzt hatte, eigentlich schade, es waren ganz gute Karten, ihrer Meinung nach. Sie zog wahllos eine Monsterkarte heraus. Es war der "Alles sehende weiße Tiger". "Dich mein Guter, würde ich nur zu gerne mal auf diesen Seto hetzen.", lachte sie verheißungsvoll, während sie die Karte kunstfertig zwischen ihren Fingern umherdrehte. Warum dachte sie bloß ständig an diesen Kerl, er nervte irgendwie tierisch und war wohl unter die Kategorie ,arrogante Snobs des Jahres' zu sortieren, aber andererseits reizte gerade dies sie besonders und bei ihren allesamt unfreiwilligen Treffen mit ihm hatte es ab und an sogar Anzeichen dafür gegeben, dass er in Wahrheit gar nicht so ein Idiot war, wie er sich immer gab. Des Weiteren war er ihr jetzt noch eine Antwort schuldig, schließlich hatte er selbst noch gesagt er würde direkt sein und war dann doch ausgewichen. Mit einer schnellen Bewegung warf Kerry die Karte in die Luft, wo sie sich ein paar Mal drehte und dann wieder herunterfiel. Mit perfekter Genauigkeit fing Kerry sie mit drei Fingerspitzen ab, konnte jedoch das Gleichgewicht nicht halten, so dass die Monsterkarte herunterrutschte und mit dem Bild nach oben auf der Decke landete. Die rothaarige junge Frau hielt einen Moment inne und schüttelte dann mit einer plötzlichen Bewegung das gesamte Deck von ihrer Decke auf den Boden herunter um sich dann unter die Decke zu kuscheln. Wenn sie so weitergrübeln würde, wäre ihr nächster Aufenthaltsort sicher eine geschlossene Anstalt für Geistesgestörte. Nachdem Seto Kaiba ärgerlich das Haus verlassen und sich in seiner Limousine zum Gebäude der KC zurück hatte fahren lassen, saß er wieder einmal stupide auf seinem Laptop herumtippend in seinem Büro und versuchte sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Doch so sehr er normalerweise stolz darauf war dies in jedweder Situation hinzubekommen, es wollte ihm jetzt nicht recht gelingen. Er grübelte noch immer darüber nach, wie dieses kleine Luder es geschafft hatte ihn so eiskalt zu erwischen, denn das hatte sie, das musste er zugeben. Außerdem hatte er keine Ahnung, was er Mokuba sagen sollte, wenn dieser hier auftauchen und mit großen Augen nach Kerrys Antwort fragen würde. Was sollte er dann sagen, er wusste ja selbst nicht, ob sie nun wirklich abgelehnt hatte oder nicht. Es kümmerte ihn auch nicht, aber was in kümmerte war, dass er seinen Bruder enttäuschen musste und das war eigentlich noch schlimmer als diese Furie im Haus oder in der Nähe haben zu müssen. Schließlich fasste er einen Entschluss, er würde einfach behaupten, sie hätte abgelehnt, denn in gewisser Hinsicht hatte sie das ja auch, zumindest seine Bedingungen. Es war schon Abend als Kaiba noch immer im Büro saß und versuchte seine Arbeit endlich fertig zu bekommen, als sich plötzlich seine Sekretärin über die Sprechanlage meldete. Sie war noch hier? Allerdings konnte sie dafür ja wohl kein zusätzliches Geld verlangen, er hatte sie nicht gebeten zu bleiben. "Mr. Kaiba da ist ein Anruf für sie auf Leitung 3, sie sagt es beträfe ihren Bruder.", quäkte die Mäusestimme von Fräulein Hirasaki aus dem Lautsprecher. Seto, der eigentlich vorgehabt hatte sie barsch nach Hause zu schicken, gab nun, eine andere Antwort, jedoch in ebenfalls dem gleichen barschen Tonfall: "Stellen Sie sie durch." "Natürlich.", kam es eilig zurück. War Mokuba etwa etwas passiert? Er war heute mit einem Freund verabredet gewesen und wollte diesen anschließend daheim besuchen und hinterher nach Hause kommen. Die Besorgnis aus seiner Stimme verdrängend nahm er den Hörer ab und fragte: "Was ist mit meinem Bruder?" Eine kurze Pause an der anderen Seite der Leitung entstand, bevor eine irgendwie bekannte Stimme zögerlich begann: "Eine nette Begrüßung, freut mich ebenfalls Mr. Kaiba. Was mit deinem Bruder gerade ist, weiß ich nicht, wird daran liegen, dass ich ja noch nicht die Aufgabe habe ihn zu bewachen, aber deshalb rufe ich an... ähm..." Kerry hätte sich selbst ohrfeigen können. Was tat sie da gerade? Rief sie wirklich wegen diesem Job an oder wollte sie nur wieder eine kleine Herausforderung? Jetzt war es jedenfalls zu spät und sie konnte nicht zurück, also sprach sie weiter: "Also, ich wäre bereit das Angebot anzunehmen, aber könnten wir es auf drei oder vier Tage die Woche beschränken und es geht frühestens ab 17 Uhr." Ihre Stimme war nicht gerade bittend oder flehend, schließlich brauchte sie den Job nicht notwendigerweise, aber sie klang irgendwie diplomatischer als gewöhnlich. Kaiba stockte. Sie getraute sich wirklich hier anzurufen und wollte so tun als wäre nichts gewesen. Seto erlaubte sich ein frostiges Lächeln, da es ja momentan niemand bemerken konnte. Das war ihm nur recht, so konnte er Mokubas Wunsch doch noch nachkommen und er musste nicht mehr zu ihr hinkriechen und darum betteln, dass sie den Job annehmen würde, was das Letzte gewesen wäre, was er getan hätte. "Die Stelle ist leider schon...", begann der hochgewachsene junge Mann um sich noch ein wenig auf ihre Kosten aufzuspielen, wurde aber sofort wieder unterbrochen. "...schon vergeben. Als ob ich's mir nicht gedacht hätte. Äußerst amüsant." Ihre Stimme hatte wieder den altbekannt sarkastischen Tonfall angenommen. "Ich habe gesagt ich lasse mich nicht ködern und genauso wenig lasse ich mir auf der Nase herumtanzen oder mich verarschen. Also einverstanden oder nicht?" beendete sie auffordernd ihren Satz. "Einverstanden, vier Tage die Woche. Dann allerdings nur noch 200 $, Morgen ist dein erster Arbeitstag.", gab Kaiba kalt zurück und ignorierte es, dass sie ihm gerade sehr deutlich die Meinung gesagt hatte. "Na bitte, mehr wollte ich gar nicht. Dann vielen Dank." Knacks. Sie hatte aufgelegt. Einen Moment starrte Seto den Hörer giftig an, als könne er dadurch noch etwas an dem kurzen Gespräch ändern und legte ihn dann langsam wieder zurück auf die Halterung. Sie hatte sich bei ihm bedankt? Nun war ja alles klar, das Mädchen hatte eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank und wenn sie so weitermachte würde mit seinen Nerven auch bald Schluss sein. Mit diesem Gedanken stand Seto auf, schnappte sich seinen Aktenkoffer und Laptop und verließ sein Büro. Morgen, morgen! Dieser Fiesling. Er wusste doch ganz genau, dass sie eigentlich krank war und nun durfte sie sich gleich morgen mit diesen beiden Jobs abrackern. Aber wenn sie ihre Finanzen betrachtete war es gar nicht mal so übel diesen Job zu haben, schließlich wollte sie die Hälfte der Kosten die bei ihnen im Haus anfielen übernehmen und deshalb würde ihrem Geldbeutel diese Auffrischung auch ganz gut tun. Dennoch war es unfair und genau deshalb hatte er es getan. Kerry saß auf ihrem Bett, hatte ihr Kissen vor sich auf das Laken geschmissen und boxte darauf herum. Schließlich sank sie zurück und schlug sich die Hände vor ihr Gesicht um ein Grinsen zu verbergen. "Wenn er so weitermacht laufe ich innerhalb einer Woche Amok!" Kapitel 7: Ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag ------------------------------------------- Ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag Mit einem vorfreudigen Grinsen ließ Kerry den Motor laut aufheulen und drehte ihn noch weiter herauf, bis sie weiteren Schaden an ihrem Motorrad befürchtete und stieg wieder von der Maschine herunter. "Super, vielen Dank. Scheint ja wieder wie ,ne Eins zu laufen.", kommentierte sie die exzellente Arbeit des Mechanikers. "Sie erhalten die Rechnung mit der Post.", gab dieser mit einem leichten Lächeln zurück und widmete sich nach einem Nicken seitens der jungen Frau wieder seiner Arbeit. Kerry schob den Feuerstuhl hinaus vor die Werkstatt, schwang sich dann wieder über den Sitz und startete diesmal ordentlich den Motor. Zufrieden schaute sie auf die Uhr und bemerkte seufzend, dass es Zeit war bei der KC aufzukreuzen und Mokuba abzuholen. Mit aufheulendem Motor jagte sie die Maschine erneut auf Hochtouren und zischte die Straßen davon bis zum Glasgebäude der Kaiba Corporation. Auf dem Bürgersteig davor parkte sie das Motorrad diesmal ordentlich ein Stück weit weg von der neuen schwarzen Limousine und setzte ihren Helm langsam ab. Sie hatte nicht vor dieses Gebäude wieder zu betreten und warf einen Blick auf ihre Uhr. Punkt 17 Uhr, stellte sie zufrieden fest und lehnte sich über ihren Lenker. In dem Moment kam ein kleiner, bekannter Junge aus der doppelten Glastür heraus redete kurz mit dem Bodyguard ähnlichen Kerl an der Tür, der in Kerrys Richtung zeigte. Mit einem strahlenden Grinsen auf den Lippen näherte sich Mokuba dem Motorrad und begann in Rufweite schon loszureden: "Wow, das ist mal eine nette Maschine. In perfektem Zustand sieht sie schon viel besser aus." Kerry grinste ebenfalls und streckte ihm albern die Zunge heraus. Dann griff sie nach ihrem Beifahrerhelm und schob ihn Mokuba zu. "Na dann sitz' mal auf und sag mir wo es hingehen soll, ich habe für heute noch keine Pläne.", gab sie fröhlich zurück und beobachtete, wie Mokuba folgsam den Helm aufsetzte und sich hinter ihr auf den Sattel schwang. "Hmmm... viel können wir nicht machen, ich habe Seto versprochen heute Abend um 18 Uhr zu Hause zu lernen. Aber wie wäre es einfach mit einer Sightseeingtour.", schlug er seiner Begleiterin vor. "Wenn du mir sagst wohin ich fahren soll, sonst kommen wir nie da an wo wir hinwollen.", grinste Kerry und ließ den Motor an. Mokuba schlang seine Arme um ihre Hüfte und schon setzte sich das zweirädrige Gefährt wieder in Bewegung. Kurz vor 18 Uhr hielt das Motorrad Kerrys pünktlich vor der Einfahrt vor der Kaiba Villa. Das schmiedeeiserne Tor wurde von zwei schwarzgekleideten Sicherheitsleuten bewacht, doch als Mokuba seinen Helm absetzte und sie ihn erkannten, wurden die beiden durchgewinkt. So fuhren sie die steinerne Einfahrt hinauf, die von kleinen Büschen und hohen Nadelbäumen in ordentlichen Reihen, gleich einer Allee, eingesäumt wurden. Kerry stellte ihre Maschine ab, setzte den Helm ab und staunte nicht schlecht. Die leicht altertümlich anmutende Villa hatte drei Stockwerke und war riesengroß, groß genug um eine Adelsfamilie und ihre Personal zu beherbergen. Die vielen übereinander- und nebeneinanderliegenden Fenster waren von einem Fenstersims und Fenstersturz eingefasst. Die Scheiben an sich waren von innen noch einmal in sechs kleine Quadrate aufgeteilt. Die Hauswand war weiß bis grau gestrichen und glänzte hell im Licht der langsam sinkenden Sonne, kein Fleck oder eine Verdunklung weit und breit. Am Imposantesten war aber der Eingang. Eine breite Steintreppe führte hinauf zu einer hölzernen zweiflügeligen Tür, die mit einer pyramidenförmigen Überdachung versehen war. Jedoch war die Erhöhung, zu der die Treppe führte weitaus breiter und links und rechts von der Tür standen darauf jeweils drei stämmige Säulen, die ebenfalls eine noch größere dreieckige Überdachung trugen. Kerry sah sich das Haus staunend an und musste zugeben, dass sie Seto und seinen Bruder doch um diese Wohngelegenheit beneidete. Mokuba hatte indessen schon längst den schweren Türklopfer und dann die Klingel betätigt und ein Mann von mittleren Jahren und ordentlichem Anzug öffnete ihnen die Tür. Mokuba ließ einen flüchtigen Gruß von seinen Lippen vernehmen und verschwand dann im Inneren des Hauses. Kerry begrüßte den Mann ebenfalls und folgte dann schnell dem dunkelhaarigen Jungen, um ihn in diesem riesigen Haus nicht aus den Augen zu verlieren. Drinnen wäre sie gern stehen geblieben und hätte das prächtige Inventar des Eingangssaales bewundert, aber Mokuba eilte schon eine leicht gebogene, breite Treppe hinauf und sie hatte es eilig mit ihm Schritt zu halten. Sie kam gerade am oberen Absatz an, als Mokuba rechts im Gang eine Tür auf der linken Seite des Ganges aufriss und hineinspurtete. Kerry grinste und lief etwas langsamer hinterher. Schließlich erreichte auch sie die Tür und trat etwas gemesseneren Schrittes das Zimmer. Aufmerksam sah sie sich um. Die Farben des Bodens und der Wände waren eher gedeckt, wenn auch nicht düster, durch einen kleinen, aber sehr effektiven Kronleuchter an der Decke war der Raum momentan lichtdurchflutet, trotz des draußen schwindenden Lichtes. Ein großes Bett, dass leicht Platz für zwei Personen geboten hätte war mit dunkelblauem Satin bezogen und mehrere Polster und Kissen lagen am Kopfende, so dass man direkt Lust bekam sich dort hineinzuwerfen. Schnitzereien und abgerundete Formen verdeutlichten den altertümlichen Stil des Möbelstückes und ließ vermuten, dass es sich dabei um eine echte Rarität handelte. Ein dunkler Mahagoni Kleiderschrank und daneben ein großer Spiegel machten die Schlafzimmergarnitur komplett. An der Wand neben der Tür stand ein schlankes, ebenfalls dunkles, hölzernes Bücherregal und daneben war ein großer Flachbildfernseher so in die Wand eingelassen, dass man vom Bett aus den Bildschirm gut im Blick hatte. In einer hinteren Ecke stand ein Schreibtisch mit mehreren Unterlagen beladen, die aber ordentlich sortiert waren. Neben dem Schreibtisch hing an der Wand ein wohl hausinternes Telefon. Kerry drehte sich langsam auf der Stelle und sog so alle diese Eindrücke auf, doch plötzlich hielt sie inne. Neben dem Bett hing riesig und wunderschön ein, in einen prächtig goldenen Rahmen eingefasstes Ölgemälde. Der Stil war detailgenau und lebensecht, doch das hätte bei einem anderen Motiv wohl weniger Eindruck auf Kerry gemacht, doch es zeigte den weißen Drachen mit eiskalten Blick, der sich gerade mit ausgebreiteten, hellen Schwingen in die Luft erhob und scheinbar sein Maul zu einem markerschütternden Schrei geöffnet hatte und eine reihe scharfer Zähne entblößte. Die Rothaarige konnte einfach nicht anders, als das Bildnis einfach anzustarren. Erst als Mokuba an ihrer kurzen Jeansjacke zerrte kam sie wieder zu Wort: "Mo...Mokuba, das ist nicht dein Zimmer, oder?" Ihre Frage wollte auf etwas hinaus, was sie schon ahnte, doch die Worte des Jungen bestätigten ihre Befürchtungen. "Natürlich nicht, das ist Setos Zimmer, ich habe nur mein Wörterbuch gesucht... Cool oder?", antwortete er und bezog sich mit den letzten Worten wohl auf das Gemälde. "Es ist atemberaubend." hauchte Kerry ehrfürchtig und leise um gleichzeitig einen Schritt darauf zuzugehen. "Woher hat er das?", fragte sie neugierig weiter. "Ach das hat er einmal extra für sich malen lassen. Jetzt komm, ich muss lernen.", nörgelte der angehende Teenager und riss Kerry schließlich von ihrem Erstaunen wieder in die Realität. Zusammen verließen sie das Zimmer am Ende des Ganges und gingen ins gegenüberliegende Zimmer, dass sich als das von Mokuba herausstellte. Die Farbgebung war ähnlich, doch die Einrichtung war heller, bunter und einfach fröhlicher. So ließen sich die beiden auf dem Boden nieder und begannen damit englische Vokabeln zu pauken. "Englisch ist eine saublöde Sprache.", tönte es aus Mokubas Mund, als er wieder einmal die gestellte Vokabel nicht wusste. Kerry zog eine Augenbraue hoch. "Es ist ja nur meine Muttersprache du frecher Zwerg.", gab sie zurück und wollte ihm gegen das Ohrläppchen schnippen, doch diesem Vorhaben entging er, indem er schnell rief: "Malicious, es heißt malicious!" Kerry hielt in ihrer Bewegung inne und raunte grinsend: "Glück gehabt. Aber weiter: frech." Mokuba dachte einen Moment nach und erwiderte dann gelangweilt: "impudent, oder auch Kerry." "Ok ok, ich glaube es reicht für heute. Now, you must go to bed.", verfiel sie absichtlich in ihre Muttersprache und schloss das Buch. Gemeinsam räumten sie die Schulsachen weg. Es war inzwischen 20:30 Uhr und Mokuba beschloss noch den Fernseher anzuschalten. Lässig lehnte er sich an sein Bett und zappte mit der Fernbedienung durch das Programm. Kerry schaute ihm einen Moment zu und setzte sich dann daneben. Nachdem Mokuba auch nach fünf Minuten kein Programm gefunden hatte fing Kerry eine kleine Rangelei um die Fernbedienung an und bald wälzten sich die beiden über den Boden, wobei sich Kerry schließlich grinsend durchsetzen konnte und ebenfalls begann durch das Programm zu schalten. Irgendwann drückte sie jedoch einfach auf den Power-Knopf und wandte sich an Mokuba: "Sag mal, warum hast du deinem Bruder eigentlich vorgeschlagen, ich solle dich betreuen?" Erst zögerlich, dann immer bereitwilliger begann Mokuba zu erläutern: "Naja, ich habe eben so wenige Freunde und die wenigen die mich mögen, haben auch nicht ständig Zeit und der einzige dem ich wirklich was bedeute ist halt Seto, aber der... der muss ständig arbeiten und gönnt sich keine einzige Pause und verbringt auch keine Zeit mit mir. Als ich dann deine Anzeige gelesen habe, dachte ich das wäre die Lösung, aber..." "Aber ich bin dir zu langweilig und nervig!?" fragte Kerry besorgt und drehte Mokuba ein Stück zu sich herum. "Nein das nicht, es liegt nicht an dir..." Mokubas Stimme brach ab und er blickte zu Boden. Kerry verstand den Jungen nur zu genau und nahm ihn bei den Schultern. "Aber ich bin nicht dein Bruder und der fehlt dir.", vervollständigte sie den Satz. Der Junge nickte und eine einsame Träne kullerte über seine Wange. Sanft strich Kerry die Träne aus Mokubas Gesicht und nahm sein Kinn in ihre Hände. "Dann solltest du mit Seto reden und ihm das sagen.", fügte sie ebenso sanft hinzu und kam nicht umhin, dass ihr plötzlich auch Tränen in die Augen stiegen, allerdings nur halb aus Trauer, der andere Teil war Ärger über Kaiba. Nun jedoch wurde Mokuba ebenfalls sauer und sprang trotzig auf. "Aber dafür hat er ja auch nie Zeit, der hört mir auch nie zu. Ich frage mich sowieso, warum ich eigentlich noch hier bin, ich gehe ja sowieso allen auf die Nerven.", entlud sich ein wohl lange aufgestauter Ärger und Verzweiflung mit schriller Stimme. Kerry kniete sich langsam hin und wollte Mokuba die Hände besänftigend auf die Schultern legen, während sie sagte: "Nun beruhige dich mal Mokuba, es ist doch unsinnig sich jetzt darüber aufzuregen. Beruhige dich bitte." Doch bevor sie ihn auch nur berühren konnte, wandte er sich abrupt um und rannte aus dem Zimmer und die lange Treppe hinunter. Kerry sprang sofort besorgt auf die Beine, riss die Tür auf und eilte hinter dem kleinen Jungen hinterher die Treppe herab. Sie hörte ein lautes Krachen, als die schwere Haustür ins Schloss fiel. Ihre Miene war nun nicht mehr nur besorgt, sondern auch entschlossen. Sie musste den Jungen schnell finden, bevor er das Grundstück verlassen würde, am Ende passierte ihm noch etwas. Mit Höchstgeschwindigkeit jagte sie zur Tür, riss diese nur einen Spalt auf, so dass ihre schmale Figur hindurchpasste und hetzte dann bis zum Tor. Sie hörte vor sich Schritte auf nassem Stein. Nass? Oh nein. Es hatte zu regnen begonnen. Ungeachtet dessen rannte Kerry weiter bis zum Tor und riss daran, doch es ging nicht auf. Auf der Straße sah man eine kleine, dunkle Gestalt die Straße hinunterrennen. Die beiden Kerle vor dem Tor wandten sich ihr zu und meinten: "Gehen sie zurück ins Haus, auf Anweisungen von Mokuba Kaiba dürfen wir sie nicht passieren lassen." "Wie bitte?", schoss es ärgerlich aus Kerry heraus. Mit tropfnassen Haaren stand sie nun da umklammerte fest die Eisenstäbe des Tores und wurde hier drinnen festgehalten, während diesem durchgeknallten Teenager sonst etwas zustoßen könnte. Sauer rüttelte sie kurz an dem festen Eisen, bevor sie sich wegstieß und den beiden Kerlen mit wütend glitzernden Augen zurief: "Verdammt noch mal! Lassen Sie mich sofort hier heraus. Sie werden doch keine Befehle von einem Kind annehmen!" Ihre Stimme war scharf und laut, doch diese Bodyguards ignorierten sie völlig. Kerry blickte sich hektisch um. Der Zaun neben dem Tor war niedriger, es war eine Chance. Sie rannte ein Stück zurück, eilte dann zwischen den Bäumen neben der Auffahrt hindurch und bahnte sich etwas weg vom Tor ihren Weg zu dem eisernen Zaun, der das Gebäude umgab. Konzentriert musterte sie das Gitter und entdeckte auf halber Höhe eine waagerechte Eisenstrebe. Eilig sprang sie ein Stück hinauf und erreichte mit einem Fuß den gewünschten Steg. Doch vom Regen war das Metall glatt geworden und Kerry rutschte weg um unsanft mit dem Rücken voraus auf dem Boden aufzukommen. Sobald sie sich aufgerappelt hatte startete sie jedoch gleich einen neuen Versuch, der diesmal glückte. Mit größter Eile erklomm sie nun geschickt wie eine Spinne den oberen Teil des Gitterzauns und ließ sich langsam auf der anderen Seite hinabgleiten. Das ganze hatte etwa 3 Minuten gedauert, doch Mokuba konnte schon sonst wo sein. Jedoch durfte sie nicht aufgeben, sie würde es sich nie verzeihen, wenn dem Kleinen etwas passieren würde, geschweige denn, was Seto Kaiba mit ihr machen würde. Mit grimmigem Gesichtsausdruck setzte sich Kerry wieder in Bewegung und rannte hinter Mokuba her die Straße entlang. Platsch! Ein unvorsichtiger Schritt und Mokuba landete in einer Pfütze. Das Wasser war kalt und er war ohne Jacke oder ähnliches einfach aus dem Haus gelaufen. Das unfreiwillige Bad war zwar unangenehm, verschaffte dem dunkelhaarigen Jungen jedoch wieder einen halbwegs klaren Kopf. Trotzig richtete er sich auf und blickte sich wachsam um. Die mittlerweile finstere Nacht wurde nur von ein paar Straßenlaternen erhellt und dennoch wirkte die Kulisse von vom Regen verzerrten Gebäuden bedrohlich. Mokuba zitterte vor Kälte und teilweise auch vor Angst, die nun langsam in ihm hinaufkroch, nachdem er wieder etwas vernünftiger seine Situation durchdenken konnte. "Mokuba!", hörte er einen Ruf. Der erste Reflex war weiterzurennen, aber es war Kerry. Ihr war sicher auch kalt und er hatte sie hier herausgetrieben, also erwiderte er den Ruf zögernd: "Ich bin hier!" Schritte von Stiefeln auf nassen Pflasterstein waren zu hören. Mokuba machte einen Schritt zurück und spähte ins Dunkle, doch die zierliche Gestalt, die aus dem Schatten trat und mit leichten, aber eiligen Schritten auf ihn zulief war wirklich Kerry. "Meine Güte, da bist du ja, was machst du nur für Sachen. Glück, dass ich nicht die Bestrafungsgenehmigung deines Bruders habe.", begrüßte sie den Jungen und nahm in erst einmal erleichtert in den Arm. Die Wärme ihres Körpers begrüßend erwiderte Mokuba erleichtert die Umarmung. Dabei spürte er, dass auch sie zitterte, ob vor Kälte oder Angst wusste er jedoch nicht. "Danke.", murmelte der verschüchterte Junge in den Stoff von Kerrys Jeansjacke. Nach einem Moment löste sich die Rothaarige, deren sonst fransige Haare ihr jetzt schwer und nass ins Gesicht hingen, was ihr offensichtlich momentan ziemlich egal war. "Hör zu, bitte lauf nie wieder einfach weg. Weglaufen ist nie die richtige oder dauerhafte Lösung eines Problems. Ok?", erklärte Kerry Mokuba und wollte nicht nur eine langweilige Moralpredigt halten, sondern es dem Jungen wirklich verständlich machen. Der Junge, dessen dunkle, lange Haare ebenfalls klitschnass waren und ihm schwer an der Kleidung klebten, nickte langsam, während er seinen Blick auf den Boden heftete. Kerry sagte mit sanfter Bestimmtheit: "Sieh mich bitte an Mokuba. Hast du mich wirklich verstanden?" Zögerlich hob der Junge den Kopf und schaute einen Moment in Kerrys klare grüne Augen, die ihn scheinbar völlig durchschauen konnten. Erneut nickte er, diesmal ein Stück langsamer, aber Kerry glaubte, dass er es ernst meinte. "Gut, dann wollen wir mal zurückgehen, bevor dein Bruder uns hier noch wie zwei Obdachlose auf der Straße herumlungern sieht.", fügte sie etwas fröhlicher hinzu um die drückende Stimmung, die vom Wetter unterstützt wurde wieder etwas zu heben. Ihre Worte unterstützend stand sie langsam auf und reichte Mokuba ihre linke Hand. Dieser ergriff diese bereitwillig und lächelte zaghaft. Nickend erwiderte Kerry das Lächeln und drehte sich herum um zurückzugehen. Doch sofort stieß sie gegen etwas das sich verdächtig weich und dennoch unnachgiebig anfühlte. Mit fragend verwirrtem Blick schaute sie nach oben und konnte nur die dunklen Umrisse einer großen, hageren Person ausmachen und als ein Blitz über den Himmel zuckte wurden die Züge des Mannes kurz hell erleuchtet und seine dunkelblauen Augen glitzerten kalt und hart auf sie herunter. Kerry setzte zu einem Überraschungsschrei an, doch da traf sie schon die fest zusammengeballte Faust ihres starken Gegenübers und die Welt um sie brach in völlige Finsternis zusammen. ------------- Und wieder ein paar Kommentare zu den Kommentaren @Dreamer_chan Zur Erklärung mit den Karten: Diese Karten gibt es wirklich und sind zwei ziemlich seltene Karten und Seto hat ja eh ein Faible für Drachen. Also ich denke ihn interessiert jemand, der zwei wertvolle, seltene Duel Monsters Karten besitzt schon. Potenzielle Ego-Aufputscher, indem er sich mit ihnen duelliert und sie fertig macht. @Final Freak Irgendwie bin ich mir noch nicht so ganz sicher, ob es wirklich nur Setos Nerven sein werden, die blank liegen. Meine tun es auch schon ;-) Und ich muss an der Stelle mal allen fleißigen Lesern hier ganz doll danken, dass ihr mir auch immer Rückmeldung gebt usw. *verneig und umknuddl* Habt vielen Dank Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 8: Finsternis --------------------- Finsternis Ein Stöhnen entfuhr Kerrys Lippen, bevor sie sich herumwälzte und ihre Augen langsam öffnete. Doch diese einfache Bewegung reichte schon um ihren Körper wieder mit einem pochenden Schmerz zu überfluten. Erneut stöhnte sie schmerzgebeutelt auf und tastete sich im Dunkeln vorsichtig ab. Anscheinend war noch alles dran, doch einige blauen Flecken würde sie sicher davontragen. Ihre Hand fuhr über ihr Gesicht und diesmal entrang ihr ein Stöhnen, das eher von Verzweiflung herrührte. Ihr Kiefer fühlte sich schmerzhaft empfindlich an und ihre linke Gesichtshälfte war unnatürlich geschwollen. Als sie ihre Hand zurückzog klebte eine dunkle Flüssigkeit, die nur Blut sein konnte an ihren Fingerspitzen, die von einer Platzwunde an der Schläfe kam. Den pochenden Schmerz in ihrem Kopf verdrängend versuchte sich Kerry daran zu erinnern was passiert war und schlagartig kam alles zurück. Mokuba! Wo war der Junge und wo war sie? Sie lag in einem dunklen Raum. Der Boden war kalt und feucht und fühlte sich nach kantigem Stein an. "Mokuba?", flüsterte die junge Frau ins Dunkle hinein und begann blindlings umherzutasten. Ein gedämpftes Geräusch drang an ihr Ohr. "Mokuba? Bist du hier?", fragte sie wieder, diesmal etwas lauter, da stieß sie schon mit der Hand an etwas Weiches. Sie tastete sich weiter und langsam gewöhnten sich ihre Augen etwas an die Dunkelheit, so dass schließlich kein Zweifel mehr daran bestand, dass Mokuba ihr Fundstück war. Er war gefesselt und geknebelt, was Kerry jedoch mit zittrigen Bewegungen schnell änderte. Endlich von den Fesseln befreit murmelte der Junge heiser: "Wo... wo sind wir?" Kerry sah nicht die angsterfüllten Augen Mokubas, doch seine Stimme drückte dies Gefühl ebenso gut aus, so dass sie den Jungen schutzbietend an sich drückte. "Ich weiß nicht. Bist du schon lange wach?", versuchte Kerry ihre leicht zittrige Stimme fest klingen zu lassen. Der Junge musste nicht auch noch mitbekommen, dass ihr die Knie schlotterten und sie am liebsten vor Angst einfach das gesamte Gebäude zusammengeschrieen hätte. "Ich... ja... ich habe gerufen und sie... sie haben mich dann geknebelt und gefesselt... wer...", kam es stockend aus Mokubas Mund und das Ende des Satzes war unverständlich, weil der Junge in kurzen, heftigen Schluchzern ausbrach. "Sssch. Hab keine... na ja ich würde lügen wenn ich sagen würde, du brauchst keine Angst zu haben.", begann Kerry um die Stimmung etwas aufzuheitern, allerdings schien das nicht so gut zu gelingen. "Hey Mokuba hör' mal zu, ich verspreche dir alles zu tun, dass dir nichts passiert, ok?" Mokuba schaute auf und nickte tapfer. "Gut und jetzt lass' uns mal sehen wo wir hier überhaupt sind.", fügte Kerry nach außen hin weitaus sicherer hinzu, als sie es wirklich war. Nun ja, umsah ist wohl zuviel gesagt, denn sehen konnte sie eigentlich kaum etwas. Sie machte ein paar vorsichtige Schritte und stieß dabei gegen etwas Kantiges, das sich bei näherem Betasten als Metallkiste herausstellte. Schließlich gab Kerry es auf unsystematisch in dem Raum umherzutappen und hielt sich rechts immer an der Wand und ging so einmal den Umfang des Raumes ab. Ein kleiner Lagerraum oder so etwas, schloss sie nach ihrer Umrundung, keine Fenster und nur eine stabile Metalltür, die natürlich verschlossen war. "Ich glaube, wir sitzen hier erst einmal fest.", stellte sie grimmig fest, legte wieder einen Arm um Mokubas Schulter und ließ den Kopf auf ihre Knie sinken. "Hey keine Panik. Seto wird uns schon hier herausholen.", flüsterte Mokuba leise und blickte zu Kerry. Diese hatte ihre Knie an sich gezogen und den Kopf daraufgelegt und wiegte sich nun hin und her, während ihr im Dunkeln verborgen warme Tränen die Wangen herabliefen und auf den kalten Boden tropften. Das alte Schloss knarrte laut, als der Schlüssel herumgedreht und sie nach innen aufgestoßen wurde. Kerry und Mokuba blickten gleichzeitig auf, als ein breitschultriger Mann den Raum betrat und sie aus dunklen Augen stumm anblickte. Kerry unterdrückte den Wunsch sofort aufzuspringen und stand stattdessen langsam auf um nicht noch unterwürfiger zu wirken, wurde bei dem Versuch jedoch barsch unterbrochen. "Ich würde es lassen, Kleine.", drohte ihr der eben hereingekommene Mann und brauchte gar nicht anzudeuten, dass er eine Waffe hatte. Seufzend ließ sich Kerry wieder zu Boden sinken und trotzte dem Kerl stattdessen mit wütenden Blicken. Mokuba war unterdessen näher an Kerry herangerückt und blickte ebenfalls leicht trotzig drein. Schließlich stellte der Mann ein verbeultes Tablett oder vielleicht war es auch nur ein flaches Stück Metall, auf den Boden. Misstrauisch beäugte die Rothaarige die darauf befindlichen Essensstücke und die halbvolle Flasche Wasser. Weder für sie, noch für Mokuba, geschweige denn für sie beide zusammen genug. Erneut schaute sie zu dem Kerl auf und wollte schon zu einem patzigen Kommentar ansetzen, als sie den anzüglichen Blick dieses Kerls gewahrte, der anscheinend keinen Hehl daraus machte, dass er die junge Frau noch für anderes nützlich hielt. Angewidert schob sie das Tablett zu Mokuba hinüber und schaute den Mann solange trotzig an, bis dieser schließlich den Raum verließ. Die beiden teilten sich das wenige, trockene Brot und das Wasser und nachdem Kerry festgestellt hatte, dass Mokuba am ganzen Leib zitterte, legte sie ihm sanft ihre Jeansjacke um die Schultern. Der Junge kuschelte sich in den dünnen Stoff so gut es ging hinein und schlief, den Kopf an Kerrys Schulter, irgendwann ein. Im Laufe der Zeit war Kerry vorsichtig aufgestanden und hatte Mokuba sanft auf den Boden abgelegt, was ihr wohl mehr wehtat als ihm, aber sie konnte nicht länger sitzen, sondern musste sich ein wenig bewegen. Während dieser Zeit überlegte sie wie sie hier wohl wieder herauskommen würden, sich mit dem Gedanken zu befassen, dass sie vielleicht überhaupt nicht hier wegkamen würde sie schließlich auch nicht weiterbringen. Als die Metalltür erneut nach innen aufgedrückt wurde und der schwarzhaarige Kerl das Tablett holen wollte hatte Kerry so etwas wie einen Plan. Der Begriff war eigentlich übertrieben, aber sie hatte eine Idee und begann sofort sie in die Tat umzusetzen. Der Kerl nahm das Tablett und wollte den Raum gerade wieder verlassen, als Kerry ein frivoles Lächeln aufsetzte und mit verführerischer Stimme säuselte: "Hey Süßer, wo willst du denn so schnell wieder hin?", fragend zog der Kerl eine Augenbraue empor, konnte aber ein begehrliches Lächeln nicht unterdrücken und ließ von der Tür ab um auf die Gefangene, die mit dem Rücken zur Wand stand, zuzugehen. Kerry wurde beinahe übel, während sie krampfhaft versuchte ihr Lächeln beizubehalten. Als der Kerl direkt vor ihr stand und eine Hand eher plump als sanft an ihr Kinn legte drehte sich ihr fast der Magen um, zudem ihr noch sein schlechter Atem ins Gesicht schlug. Doch dies hatte gereicht. Ihre Hand war in die Innentasche seiner Lederjacke geglitten, doch, die dort vermutete Waffe war höchstens imaginär, denn die Tasche war scheinbar leer. Auf der Stirn der rothaarigen Frau bildeten sich Schweißperlen. "Kleinen Mädchen Angst einjagen und bösen Jungs ein wenig Geld abknöpfen.", gab er mit unangenehm schmeichelnder Stimme zurück, während Kerry Finger sich um etwas Kleines, nicht Identifizierbares schlossen. Eindeutig keine Waffe, aber vielleicht etwas anderes Nützliches. Möglichst schnell und dabei doch vorsichtig zog sie ihre Hand zurück und riss gleichzeitig ihr Knie hoch, in den Genitalbereich des Mannes. Dieser knickte mit einem kurzen Aufschrei sofort ein und Kerry hatte die Gelegenheit ihm einen Schlag ins Genick zu versetzen. Sofort sprang sie nach vorn und griff Mokuba beim Arm. Übereilt riss sie diesen hoch und rannte auf die halboffene Tür zu. Mit voller Wucht wurde sie jedoch plötzlich von einem Schlag in die Magengegend gestoppt und ging stöhnend zu Boden. Ein blonder Kerl mit Schlägervisage beugte sich höhnisch grinsend über sie, packte sie am Kragen ihrer Bluse und schleuderte sie zurück ins Zimmer. Keuchend kam sie auf dem Boden auf und versuchte krampfhaft wieder zu Atem zu gelangen. Alles was sie um sich herum noch registrierte, während langsam wieder Luft in ihre Lungen drang, war das Scharren von Stiefeln auf dem Boden und das laute Krachen als die Tür wieder ins Schloss fiel. Nach einer Weile glaubte sie wieder sprechen zu können und murmelte: "Sind sie weg?" Mokubas Stimme kam von der gegenüberliegenden Seite des Raumes: "J..ja." Langsam kam der Junge auf die junge Frau zugekrochen und lehnte sich stützend an sie. "Alles klar?", fragte er besorgt. "Ja, es geht schon wieder, es hat sich immerhin gelohnt.", erwiderte Kerry und ein müdes Lächeln bildete sie auf ihren staubigen Lippen. Mokuba starrte sie verständnislos an und verstand erst, als sie das Handy ein Stück in die Luft hielt, dass sie vorher dem Kerl aus der Tasche gestohlen hatte. Mit zittrigen Händen drückte Kerry auf den Tasten herum und durchstöberte das Nummernverzeichnis auf der Suche nach irgend einem Hinweis, der sie weiterbringen könnte. Nummern, Namen, Buchstaben, Zahlen. Vor ihren Augen drehte sich alles und sie kannte nichts davon wieder. "Darf ich mal?" fragte Mokuba, der den verzweifelten Gesichtsausdruck Kerrys richtig deutete und nahm das kleine Stück Technologie der zitternden Kerry aus der Hand. Nachdenklich klickte er sich durch das Namens- und Nummernverzeichnis, bis er plötzlich innehielt. "Das kann nicht sein, das ist der Name von Setos Medienberater.", stotterte er überrascht. Kerry blickte den Jungen aufgeregt an und fragte: "Bist du dir sicher? Und die Nummer?" Mokuba versuchte sich zu konzentrieren. "Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke das könnte sie sein." gab er schließlich mit sicherer Stimme zurück. Kerry bat wieder um das Handy und bekam es sogleich auch zurück. "Ruf' meinen Bruder an, er wird uns helfen." forderte Mokuba mit einer Sicherheit in der Stimme, die Kerry erstarren ließ. Sie hatte vorgehabt die Polizei zu verständigen, aber schließlich gab sie sich einen Ruck und ließ sich die Nummer Setos von Mokuba geben. Nervös hielt sie das kleine Telefon an ihr Ohr und wartete darauf, dass das Wartesignal durch die kühle Stimme Kaibas ersetzt würde, während ihr Blick mehr als einmal zur Tür schweifte, aus ständiger Angst, jemand könnte hereinkommen. "Seto Kaiba?", klang es plötzlich kalt aus der Hörmuschel. "Seto? Bist du es?", fragte Kerry überflüssigerweise, aber sie musste es einfach tun. Ihre sonst so klare Stimme klang nun brüchig aufgrund von Erschöpfung von Körper und Geist. "Wer auch sonst. Wer ist da?", kam es tonlos zurück und fast bevor er diese Worte zu Ende gesprochen hatte begann die Rothaarige zu erzählen: "Ich bin es Kerry, hör' zu, wir haben nicht viel Zeit, Mokuba und ich wurden von so ein paar unangenehmen Zeitgenossen entführt und sitzen hier in irgendeinem Lagerhaus oder so was fest. Das Handy hier ist von einem der Kerle, wir konnten es ihm wegnehmen und darauf ist die Nummer deines Medienberaters Torio gespeichert, sagt Mokuba. Hast du verstanden Seto?" Bevor der Geschäftsmann etwas erwidern konnte wurde Kerry das Telefon aus der Hand geschlagen und prallte auf dem harten Stein mit einem krachenden Geräusch von splitternden Teilen auf. Mit vor Überraschung geweiteten Augen riss die junge Frau ruckartig den Kopf herum, nur um plötzlich auf die Füße gerissen zu werden. Unvermittelt sah sie sich dem vernarbten Gesicht des blonden Schlägertyps wieder gegenüber, der sie nun einfach mit sich aus dem Raum schleifte und die Tür hinter ihnen zuschlug. "Kerry!", schrie Mokuba auf und muss wohl gegen die geschlossene Tür gesprungen sein. Die Angesprochene gab keine Antwort, weil ihr ,Begleiter' ihr gerade eine behandschuhte Hand auf den Mund gepresst hatte und sie so unfähig war auch nur einen halbwegs vernünftigen Ton herauszubringen. Plötzlich nahm er ruckartig die Hand von ihren Lippen und packte damit in ihre kurzen Haare um ihren Kopf hart zurückzureißen. Diesmal entfuhr der jungen Frau ein Schmerzensschrei, der abrupt verklang, als der Kerl sie losließ und wegstieß. Rückwärts stolpernd verlor sie das Gleichgewicht und landete halb auf einem hinter ihr befindlichen Stuhl. Also sollte das Ganze jetzt eine Art Verhör werden. Kerrys Gedanken spielten verrückt. Sie wollte sich nicht ausmalen, was diese Kerle jetzt mit ihr oder noch schlimmer, mit Mokuba anstellen würden. Neben dem blonden Schlägertyp tauchte nun ein ihr schon bekannt vorkommendes Gesicht auf. Es war derselbe Kerl, der sie letzte Nacht, oder war diese Nacht noch gar nicht vorbei, bewusstlos geschlagen hatte. Braune Haar, schlaksig, groß und dunkle, blaue Augen. Erleichtert stellte Kerry jedoch fest, dass sich ihr kurzer Verdacht von dieser Nacht nicht bestätigte. Im Dunkeln und bei dem Regen hatte sie den Mann für einen kurzen Moment für Seto Kaiba gehalten und jetzt im Nachhinein tadelte sie sich selbst dafür. Diese Überlegung war so sinnvoll, wie es sinnvoll wäre einen Fisch in einem Käfig zu halten, wieso sollte Kaiba seinen Bruder entführen? Jetzt da sie ihren Entführer im dämmrigen Licht der Lagerhalle, oder was auch immer dieses alte verlassene Gebäude darstellte war, sah, konnte sie erkennen, dass es doch einige Unterschiede zwischen diesem Mann und ihrem neuen Boss gab. Dieser Mann hatte vielleicht dieselbe Größe wie Kaiba, doch von der Statur her wirkte er eher abgemagert als athletisch. Seine Haare waren ein Stück länger als die Kaibas und jetzt trug er sie auch ordentlich zurückgekämmt und das Eindeutigste, diese Augen strahlten keine kalte Abneigung, sondern lodernden Hass und Brutalität aus, der sie beinahe zu versengen schien. Dennoch wich sie ihm nicht aus, sondern erwiderte seinen Blick so distanziert es nur ging. Momentan hatte sie genug Schmerzen und wollte es nicht drauf anlegen unaufgefordert etwas zu sagen, zumal sie ihre spitze Zunge kannte und wusste, dass es nichts allzu Freundliches herauskommen würde, wenn sich jetzt den Mund aufmachte. Stattdessen musterte sie ihr Gegenüber so beherrscht es ging und plötzlich fiel ihr ein kleines Detail ins Auge. Auf dem ledernen Mantel den der Mann trug, war über der linken Brust ein merkwürdiges Emblem aufgenäht. Dank des trüben Lichtes in diesem Raum konnte sie zwar nur Farben und Umrisse erkennen, doch handelte es sich offenbar um ein rundes schwarzes Etwas, dass von einem gelb-rötlichen Flammenmeer umzüngelt wurde. In der Mitte des schwarzen Kreises war in schneeweißer Farbe ein verschnörkeltes ,S' eingelassen. Kerry runzelte die Stirn und vermerkte sich dies, obwohl sie sich wirklich gar keinen Reim darauf machen konnte. Der hagere Mann beugte sich plötzlich vor sie und stützte sich auf den Stuhllehnen auf beiden Seiten ab um sein Gesicht ganz nah an das ihre zu führen. Unweigerlich fuhr Kerry zurück, bis sie von der Rückwand des Stuhles am Zurückweichen gehindert wurde. "Du willst also Heldin spielen, du kleine Schlampe.", stellte ihr Gegenüber fest. Seine Stimme klang heiser und unangenehm rau in ihren Ohren, während sie eine patzige Antwort unterdrückte und einfach dasaß und schwieg. Abrupt wandte er sich plötzlich ab und drehte ihr den Rücken zu, doch seine folgenden Worte waren eindeutig noch an sie gerichtet: "Folgendes: Wenn du kooperierst, werden wir dein zartes Gesicht nicht weiter entstellen, verstanden?" Kerry nickte, obwohl sie wusste, dass der Kerl es nicht sehen konnte und hätte am liebsten hinzugefügt: "Ganz so blöd bin ich auch wieder nicht.", doch das hätte wohl einem glatten Selbstmord geglichen. Scheinbar erwartete er aber auch keine Antwort und fuhr einfach fort: "Also, wen hast du angerufen und was hast du ihm gesagt?" Kerry blickte noch immer nur stumm zu seinem Rücken auf, während sie sich überlegte was sie nun sagen sollte. Plötzlich wurde ihr Kopf zur Seite gerissen. Der Blonde hatte wieder ihren roten Haarschopf gepackt und sie zur Seite gezogen. "Antworte lieber schnell, sonst könnte man denken du überlegst dir eine Lüge.", säuselte er ihr mit unterschwellig drohendem Tonfall und stieß dann ein raues Lachen aus. Angewidert zog sie ihren Kopf zurück und antwortete dann langsam: "Ich... ich habe die Polizei angerufen und.... und sagen konnte ich denen nichts, weil ich ja verdammt noch mal keine Ahnung habe wo ich hier bin oder wer sie sind.", gab sie in leicht hysterischem Tonfall zurück, der allerdings nur gespielt war. Solch einen panischen Ausbruch hätte sie um nichts in der Welt zugelassen, sie wollte nur glaubwürdig verzweifelt klingen und somit ihre Lüge wahr klingen zu lassen. Nicht wie erwartet kam wieder ein Schlag oder die Unterstellung es wäre eine Lüge, sondern der Stuhl wurde ihr weggezogen und sie fiel vornüber auf den Boden, konnte sich aber gerade noch so mit den Händen am Boden abstützen. "Was soll das, ich hab es ihnen gesagt!", entrang sie ihrer trockenen Kehle. Ein Tritt in ihren Bauch ließ alle Luft aus ihren Lungen entweichen und sie röchelnd zusammenbrechen. Hustend und nach Luft schnappend rollte sie sich auf den Rückend und hielt sich den Bauch. Sofort wurde sie von dem blonden Schlägertyp am Kragen ihrer mittlerweile dreckigen Bluse gepackt und unsanft auf die zittrigen Beine gezogen. Er hielt sie auf den Beinen, während der vermeintliche Anführer sich ihr wieder zuwandte: "Ich wollte nicht wissen, was du ihnen nicht gesagt hast, sondern was du gesagt hast!" Kerrys Herz raste und ihr Puls drohte einen Rekord aufzustellen, während sie sich versuchte eine möglichst taktisch kluge Antwort zu überlegen. Lügen oder die Wahrheit? Sie hatte keine Ahnung, was welche Antwort bewirken würde. "Ich sagte ihnen nur, dass ich mit Kaibas Bruder in einem kleinen Lagerraum bin.", gab sie schließlich mit eindeutig nicht gespielten Tränen in den Augen und bebenden Lippen zurück. Ein brutales Lächeln bildete sich langsam auf den breiten Lippen ihres Gegenübers als er ihr erwiderte: "Brav, Schätzchen." Er schaute auf und machte eine Kopfbewegung, woraufhin sie wieder zurück in ihre ,Zelle' gezerrt wurde. Ohne Rücksicht wurde sie zu Boden gestoßen und ein schmerzhaftes Aufheulen war einfach nicht mehr zu unterdrücken. Bevor sie an Mokuba denken konnte, wurde dieser schon auf die Beine gerissen und nun auch zum Verhör weggeschafft. Kerry stemmte sich verzweifelt auf die Knie und kroch auf die Tür zu um mit geballten Fäusten gegen diese zu hämmern. "Mokuba! Mokuba!", schrie sie, doch ihre Stimme wurde von der massiven Metalltür verschluckt und schließlich sank sie zurück auf den feuchten Boden und bald tropften ihre warmen Tränen ohne unterlass von ihren Wangen herunter. "Mokuba.", kam es ihr verzweifelt über die Lippen, doch ihre Stimme war nur ein Flüstern, dass von der Dunkelheit um sie herum ungehört verschluckt wurde. Es schien ihr als eine Ewigkeit, bevor die Türe wieder knarrend geöffnet und Mokuba zu ihr in den Raum gestoßen wurde. Kerry saß mittlerweile mit angezogenen Knien an eine der Metallkisten gelehnt da und blickte starr vor sich hin. Als die Tür jedoch wieder geschlossen wurde und der Junge ein atemloses: "Kerry?" in den Raum flüsterte kehrte sie wieder in die Gegenwart zurück und hauchte: "Mokuba? Alles in Ordnung?" Der Junge nickte, bemerkte aber, dass sie diese Geste wohl nicht sehen konnte und kroch auf sie zu um sich neben sie zu setzen. Kerry legte ihm eine Hand um die Schulter und erschrak, als sie spürte, dass Mokuba am ganzen Leib zitterte. Eilig versuchte sie im Dunkeln ihre Jeansjacke zu finden, die auf dem kalten Boden lag und legte sie ihm wieder um. Sie musste wissen, was Mokuba ihnen gesagt hatte, aber im Moment konnte sie ihn einfach nicht fragen, nicht sofort. Das würde warten müssen. So saßen die beiden eine Weile schweigend da und jeder hing seinen eigenen düsteren Gedanken nach. Schließlich jedoch hielt es Kerry nicht mehr aus und fragte in das Dunkel hinein: "Mokuba, kannst du mir erzählen, was sie dich gefragt haben?" ihre Stimme war unsicher, wofür sie sich normalerweise selber geohrfeigt hätte, aber bei Mokuba und in dieser Situation hatte sie nicht gerade die größten Probleme damit Schwäche zu zeigen. "Nach dem Telefongespräch.", kam es leise und etwas stockend zurück. "Und was hast du ihnen gesagt?", fragte Kerry vorsichtig weiter. Ohne es zu sehen, spürte sie seine Blicke auf sich und hoffte, dass er antworten würde, was er schließlich auch tat: "Es tut mir leid." Kerry schloss die Augen. Sie wusste, was das bedeutete. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die beiden entweder holen oder gleich umbringen würden. Kurz schloss die Rothaarige die Augen und versuchte krampfhaft nachzudenken, doch sie wurde unterbrochen, als man erneut das Geräusch von schweren Stiefeln hörte. Und sie kamen auf diesen Raum zu. -------------- Sodala, die Frage nach der 'bösen bösen' Person am Ende dürfte ja jetzt geklärt sein ;) Und schon mal im Voraus, damit ihr nicht auf Seto-Entzug geratet: Nächstes Kapitel ist er wieder mit von der Partie. Held oder Nicht-Held, das ist dann die Frage. Tschauserle Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 9: Entscheidungen ------------------------- 9. Entscheidungen Erschrocken riss Kerry die Augen auf und versuchte einen kühlen Kopf zu behalten. "Schnell Mokuba, komm her.", flüsterte sie scharf und kroch weiter in die Ecke, wo noch mehr von den stabilen Metallkisten herumstanden. Sie griff nach einer und suchte eine Stelle, an der ihre Hände Halt finden konnten und riss dann daran. Mokuba legte die Stirn in Falten und folgte ihr. Zusammen konnten sie noch zwei Kisten verschieben, bevor sie das vertraute Geräusche eines Schlüssels hörten, der im passenden Schloss herumgedreht wurde. Hastig schob Kerry Mokuba hinter die Kisten und befahl: "Du bleibst dort, was auch immer passiert, es sei denn, ich oder Seto holen dich." Dann kam sie auf die Beine und schlich eilig neben die Tür. Sie wusste aus Erfahrung, dass dieses beweglichen Stück Metall nach innen aufschwingen würde und so hätte sie für einen kurzen Moment Deckung. Konzentriert versuchte die junge Frau ihren Herzschlag zu beruhigen, als die Tür eilig nach innen aufgestoßen wurde. Hektisch eilte ein Mann herein, doch Kerry konnte nicht erkennen, welcher von den dreien, die sie bisher gesehen hatte es war. Doch sie sah eine Pistole in seiner Hand und sprang vor. Mit einem gezielten Kampftritt kickte sie ihm diese aus der Hand und sie flog in hohem Bogen nach oben weg um dann zwei Meter neben ihnen zu Boden zu fallen. Doch bevor sie aufkam hatte der Mann sich schon erstaunt umgedreht. Es war der blonde Schlägertyp, dem sie so einige blaue Flecken und Prellungen zu verdanken hatte. Mit einer letzten Kraftanstrengung wirbelte sie auf dem rechten Fuß herum und traf mit dem Linken genau sein Gesicht, so dass ihr Gegner stöhnend zur Seite taumelte. Kerry hingegen fiel zu Boden und konnte sich nur mit letzter Überwindung wieder aufrichten. Hastig drehte sie sich herum, was bei ihr einen leichten Schwindel auslöste, doch sie sah, dass der Blonde gerade im Begriff war sich ebenfalls wieder zu ihr herumzudrehen und verpasste ihm einen gezielten Schlag ins Genick, woraufhin ihr Feind schließlich zusammenbrach. Keuchend fiel auch Kerry auf ihre Knie und konnte ihr Glück noch gar nicht fassen, als sich plötzlich ein muskulöser Arm um ihren Hals legte, ihr gleichzeitig die Luft abdrückte und sie wieder auf die Beine riss. Zusätzlich bekam sie noch die Mündung einer Pistole an die Schläfe gehalten und wurde dann unsanft vor ihrem unbekannten Geiselnehmer aus dem Raum geschoben. Die Rothaarige hatte indessen wieder zu ihrer Sturheit zurückgefunden und überlegte fieberhaft, wie sie sich aus dieser Situation wieder befreien könnte, als sie plötzlich das unheilsverkündende Geräusch von schweren Schritten vernahm und ihren Kopf zur Seite drehte um etwas zu erkennen. Ihr Begleiter hielt inne, presste krampfhaft die Waffe an Kerrys Schädel und blickte sich verunsichert um. Im Dunkeln der Halle konnte man plötzlich einige Gestalten erkennen. Sie waren umzingelt. Kerry stellte halbwegs erleichtert fest, dass die Personen mit schwarzen Uniformen und dunklen Schutzhelmen bekleidet waren und schwere MPs im Anschlag hielten. Die eindeutige Aufschrift auf den Armen ließ keinen Zweifel mehr, es war die Polizei oder irgend ein derartiges Einsatzkommando. Zu ihrer Freude entdeckte sie sogar einen der Beamten, der gerade den hageren Kerl, der vermutlich der Anführer war, Handschellen anlegte und aus ihrem Sichtbereich führte. Doch sofort verschlechterten sich Kerrys Aussichten wieder. Es dämmerte ihr, dass sie sich nicht gerade in einer vorteilhaften Position befand. Einige Waffen wurden hochgerissen und die gesamten Umstehenden zielten nun auf den Geiselnehmer und so zwangsläufig auch auf die Geisel. Wenn Kerry schon glaube nervös zu sein, war das kein Vergleich zu dem hinter ihr stehenden Mann, der sich von links nach rechts drehte und wieder zurück und die junge Frau unweigerlich mit sich herumdrehte um ihr weiterhin die Waffe drohend an die Schläfe zu halten. "Kommt nicht auf falsche Gedanken, sonst puste ich der Süßen hier den Schädel weg.", brüllte er laut und drückte damit nur seine offensichtliche Hilflosigkeit und Panik aus. Kerry schluckte hart und so sehr sie sich über die Anwesenheit dieser Polizisten freute, so sehr wusste sie doch, dass dies kein gutes Ende nehmen konnte. "Nehmt eure verdammten Waffen runter!", schrie der Kerl hinter ihr nun beinahe hysterisch und Schweißperlen tropften von seiner Stirn auf Kerrys zerschlissene Bluse herab. Einer der Umstehenden gab den anderen Männern ein Zeichen und daraufhin senkten diese langsam die Läufe ihrer Waffen. "Keiner senkt seine Waffe!", hallte plötzlich eine scharfe, kalte Stimme durch den Raum und wurde von den in der Dunkelheit verborgen liegenden Wänden zurückgeworfen. Kerrys Blick verfinsterte sich augenblicklich. Mit seinem weißen, wehenden Mantel trat Seto Kaiba zwischen den Personen nach vorne, die bereitwillig zur Seite traten und legte somit einen fast Hollywood reifen Auftritt hin. Was hatte er da gerade gesagt? Die gefangene Frau konnte es nicht fassen. Hätte sie nicht das gefährlich kühle Metall an ihrer Schläfe gespürt wäre sie Kaiba wohl sofort an die Kehle gesprungen. Dieser Spinner wagte es diesen noch größeren Spinner hinter ihr noch mehr zu reizen. Anscheinend legte er es darauf an, dass ihr ein unschönes Loch in den Schädel geschossen wurde. Mit wütend funkelnden Augen fixierte sie den Geschäftsmann, der noch immer völlig ungerührt zwischen den Schützen stand und ihren Blick kühl erwiderte. "Zielt auf seinen rechten Arm, möglicherweise kommt er nicht mehr zum Schuss.", befahl er eiskalt, während er der Gefangenen genau in die Augen schaute. Wieder einmal ein Augenblick, in dem, könnten Blicke töten, Kaiba wohl sofort mausetot umgefallen wäre. Hatte er gerade ,wohlmöglich' gesagt? Und was wenn nicht? "Du bluffst nur! Das ist schließlich deine Babysitterin, die kannst du doch nicht einfach so krepieren lassen.", stellte der breitschultrige Ganove wenig überzeugt fest. Kerry versuchte Kaiba mit ihrem Blick zu fesseln und so viele Verwünschungen und Morddrohungen wie möglich deutlich werden zu lassen. Ohne auf die Aussage einzugehen sprach Kaiba weiter: "Auf meinen Befehl feuern." Noch immer haftete sein tiefblauer Blick auf der Rothaarigen, die scheinbar mehr damit beschäftigt war ihn für seine Tat zu hassen, als sich um ihr Leben Sorgen zu machen. Kerry versuchte ein Anzeichen dafür in Setos Augen zu finden, dass das ganze nur ein Bluff war, doch ihre Suche war erfolglos. Entweder dieser Eisklotz hatte wirklich kein Problem damit sie erschießen zu lassen, wenn er dafür Mokuba wiederfände, oder er bluffte doch und verbarg es äußerst gekonnt hinter seiner Eiswürfel-Fassade. Sie konnte nur hoffen, dass letzteres der Fall war und schlug in dieselbe Kerbe, die Kaiba bereits geschaffen hatte. "Sie sind lustig, seit wann nimmt Seto Kaiba auf den Schaden seiner Angestellten Rücksicht?", fragte sie schwer atmend in den Raum hinein. "Halts Maul!", schrie ihr Geiselnehmer und drückte mit der Pistole ihren Kopf zur Seite. Mit einiger Überwindung brachte sie einen weiteren Satz heraus: "Sie werden mich erschießen und dann wird er auch sie erschießen lassen. Sie werden verdammt noch mal sterben und selbst wenn nicht, dann können sie sich ausrechnen, welche Strafe ihnen für Mord droht!" "Halt endlich deine verdammte Klappe!", brüllte er sie an und verlor nun jegliche Beherrschung. Kerry warf noch einen kurzen Blick auf Kaiba, der jedoch scheinbar ungerührt dastand und auf etwas zu warten schien. Langsam stieg Panik in der gefangenen jungen Frau auf. Was sollte das, worauf wartete er, irgendwas musste er doch tun, sonst hätte es sich bald ausgeplaudert. Dieser Psychopath hinter ihr konnte jeden Moment, und wenn es nur aus Zittrigkeit geschah, abdrücken. Plötzlich zuckte ein Schuss mit einem beißenden Geräusch durch die Luft und beide, Geisel und Geiselnehmer gerieten ins Wanken um dann zu Boden zu stürzen. Kerry spürte und sah scheinbar in Zeitlupe wie der Mann sie mit hinunterriss und prallte dann hart auf dem Boden auf. Ein Stöhnen entfuhr ihren Lippen als ihre Hüfte hart auf den Betonboden prallte und das Gewicht des Mannes über ihr sie unnachgiebig gegen die kalte Fläche unter ihr drückte. Doch das erdrückende Gefühl der Pistolenmündung an ihrer Schläfe war verschwunden. Keuchend und mit geweiteten Augen versuchte sie eine Hand unter ihrem Körper herauszuziehen um nach der Waffe zu tasten oder sonst irgend etwas zu erreichen. Ihr einziger Gedanke war hier irgendwie herauszukommen. Sie hatte keine Ahnung ob sie getroffen war oder er oder sie beide, doch der Schmerz, der ihren ganzen Körper überflutete ließ ihre Gedanken daran verschwimmen. Krampfhaft drückte sie sich gegen den schweren Körper ihres Gegners um ihn von sich herunterzuwälzen, als dieser plötzlich über ihr liegend die Augen aufschlug und sie breit angrinste. Es war das ein totenkopfähnliches Grinsen, starr und leblos. Blut troff plötzlich aus einem seiner Mundwinkel und aus den Augenwinkeln sah Kerry, wie er seine Hand mit der Waffe hob und auf ihr Gesicht zielte. Entsetzt startete die einen erneuten Versuch ihre Hand freizubekommen, doch das Gewicht war zu schwer. Die Waffe näherte sich ihrer Stirn und der scheinbar nur noch halb lebende Kerl drückte den Abzug. Urplötzlich wurde ihm mit einem schnellen, gezielten Tritt die Pistole aus der Hand gekickt. Das Ganze noch nicht ganz realisierend schloss Kerry die Augen und hoffte, dass ihr letzter Eindruck Wirklichkeit gewesen war. Erst als der regungslose Körper des Verbrechers von ihr heruntergehoben wurde und sie die leicht rauchende Einschusswunde in seinem Rücken bemerkte konnte sie sich ihren Teil zusammenreimen. Seto hatte wohl gewollt, dass dieser Mann die Beherrschung verlor und sich noch mehr in die Enge gedrängt fühlte, damit er seine Aufmerksamkeit vernachlässigte. Ein Schütze hatte sich so wohl unbemerkt hinter ihm positionieren können und einen Schuss in den Rücken gewagt. Doch in diesem Augenblick stand die junge Frau zu sehr unter Schock um diese logischen Zusammenhänge zu fassen und zusammen zu setzen. Sie war einfach nur teufelswütend. Gerade wurde sie von einem Polizeibeamten hochgehoben und gestützt, als Seto ihr mit überlegener Miene entgegentrat. Ihr Führer schob sie an dem Geschäftsmann vorbei und half ihr die Halle zu durchqueren. Doch das war nicht ganz im Sinne seiner Begleiterin. Diese drehte sich auf dem Absatz um, fiel dabei fast hin, weil ihre zittrigen Beine sie nicht mehr trugen und wurde gerade noch so von dem verwirrten Polizisten aufgefangen. Dies völlig ignorierend kämpfte Kerry gegen seine Arme an und wollte hinter Seto her. "Du egoistischer Vollidiot. Der Typ hätte mich eiskalt erschießen können! Dafür wirst du bezahlen Seto Kaiba!", schrie sie mit kratziger Stimme und musste schließlich mithilfe von zwei weiteren Personen aus der Lagerhalle hinausgeschafft werden, während sie noch weiterhin unzählige Verwünschungen ausstieß. Draußen standen unzählige Polizeiwagen und ein Krankenwagen mit grellen Lichtern, die die junge Frau im ersten Moment so sehr in die Augen stachen, dass sie kaum wusste wohin sie eigentlich geführt wurde. Die hinteren Türen des Krankenwagens wurden geöffnet und Kerry hineingesetzt. Das erste was man ihr verabreichte war ein Schmerzmittel, dass auch beruhigende Wirkung auf sie hatte. Während sich ein Notarzt um ihre kleineren Prellungen und blauen Flecken kümmerte saß die rothaarige Frau nun stumm auf der Ladefläche des Krankenwagens und starrte vor sich hin. Aufgrund dieses benebelnden Mittels fiel es ihr schwer, klare Gedankengänge zu fassen, doch schließlich hatte sie den wahrscheinlichen Ablauf in der Halle rekonstruiert und hätte sich am liebsten ein Loch im Boden gegraben um sich darin zu verstecken, denn dieser Ausbruch von vorhin war ihr mehr als peinlich. Das Schlimmste daran war aber, dass sie wohl oder übel zugeben musste, dass sie im Unrecht gewesen war. Zwar hätte der Verrückte hinter ihr sie erschießen können, aber im Nachhinein war sie sich gar nicht einmal mehr sicher, ob er das wirklich getan hätte, außerdem war sie selbst auf Setos gefährliches Spiel eingegangen und hatte den Wahnsinnigen hinter ihr zusätzlich gereizt. Wenn sie an dieses entsetzliche Grinsen nur dachte lief es ihr schon kalt den Rücken herunter. Kerry seufzte. Da war wohl eine Entschuldigung unumgänglich, aber sie wusste wenigstens ihren Stolz zu überwinden und konnte einen Fehler zugeben, dachte sie trotzig. Schließlich schloss der Arzt seine Behandlung ab, gab ihr noch eine Salbe, die sie regelmäßig auf die geschwollene Wange und die anderen Prellungen auftragen sollte und half ihr dann beim Aufstehen. Ihre Beine waren nun nicht mehr ganz so zittrig, aber noch immer fühlten sie sich an wie Pudding. Gegen ihre eigene Überzeugung meinte sie stur zu dem Arzt: "Danke sehr, es geht schon, ich denke ich kann alleine gehen." Und wand sich geschickt aus dem Griff des älteren Mannes. Etwas unsicher setzte sich Kerry dann gleich auch in Bewegung und machte ein paar Schritte. Nach kürzester Strecke jedoch gaben ihre Beine wieder nach, sie verlor das Gleichgewicht und fiel nach vorne. Im Fallen warf sie aus Reflex die Arme nach oben und plötzlich streiften ihre Hände etwas oder jemand. Reflexartig klammerte sie sich daran fest und ihre Hände schlossen sich um zwei Schultern. Parallel umschlangen plötzlich zwei starke Arme ihre Hüfte und gaben ihr zusätzlichen Halt. Halb der Person um den Hals oder in den Armen liegend blickte sie langsam nach oben. Ihr schwante Übles. Ein in die Länge gezogener Blick nach oben bestätigte ihre Befürchtung. Da lag sie nun, die Hände in die Schultern Seto Kaibas gekrallt und er hatte seine Hände um ihre Hüften gelegt. Ihr zitternder Körper war dicht gedrängt an seinen und sie konnte deutlich seine angenehme Körperwärme verspüren. In diesem Moment hätte Kerry jeden ihrer Herzschläge zählen können, so langsam verstrich die Zeit in dem sie in seine tiefblauen Augen blickte und die eisige Frostschicht, die über ihnen lag kurz dahinschmolz um eine ozeangleiche Tiefe zurückzulassen in der die junge Frau beinahe zu ertrinken drohte. Scheinbar willenlos war sie gefesselt von diesem Blick und vergaß alles andere um sie herum. Ein unvermuteter Ausdruck von Wärme mischte sich in das klare Blau seiner Augen und ließ in Kerry ein ungewolltes Gefühl von Schmetterlingen in ihrem Bauch aufkommen. Ihre Atemzüge kamen schwerer als gewöhnlich und sie meinte sein Herz an ihrer Brust schlagen zu hören. Doch urplötzlich schien die Körperwärme Setos umzuschlagen und obwohl es biologisch wohl unmöglich ist, fühlte sich sein Körper kalt und abweisend an. Auch die dicke Schicht Eis, die über den Tiefen seiner Gefühle lag war wieder da und erfüllte seine Blicke. Beinahe gleichzeitig wandten sich die beiden voneinander ab und während Kerry seine Schultern los ließ, schob Kaiba sie ein Stück von sich um sie dann aufrecht hinzustellen. "Brauchst du jetzt schon Hilfe beim Gehen?" kam es kalt und abwertend von seinen schmalen Lippen. "Nein danke, es geht schon.", erwiderte sein Gegenüber in dem gleichen überheblich sturen Tonfall. Kaiba zuckte mit den Schultern und setzte sich wieder in Bewegung. Wie angewurzelt blieb Kerry einen Moment stehen, als sich Kaiba an ihr vorbeischob und erst jetzt bemerkte sie, dass Mokuba, schmutzig und erschöpft, aber wohlauf neben ihm her zum Krankenwagen ging. Hatte sie sich diesen Moment eben nur eingebildet? Nein, das war real gewesen. Sie konnte es nicht fassen. Kerry drehte sich vorsichtig herum um den beiden hinterher zu schauen. Seto Kaiba war also doch nicht ganz der Eisklotz, der er immer vorgab zu sein. In diesem Moment begann in Kerry der Wunsch zu wachsen hinter die Fassade aus Eiseskälte zu schauen. Übereilt setzte sie sich wieder in Bewegung und ging auf den Krankenwagen zu und es kam wie es kommen musste, sie strauchelte wieder, konnte sich gerade noch so fangen, blieb aber lieber stehen, anstatt es noch mal zu riskieren hinzufallen. Mit weitaus langsameren und vorsichtigeren Schritten arbeitete sie sich dann zu dem rot/weiß gefärbten PKW hinüber, kam schließlich an der hinteren Seite des Autos zum Stehen und stützte sich etwas umständlich an der offenen Kofferraumtür ab. Mokuba, der nun ebenfalls von dem Arzt behandelt wurde lächelte ihr müde zu und murmelte: "Hey Kerry, wir haben es geschafft. Ich hab dir doch gesagt Seto würde uns retten!" Die Angesprochene hob ihren Blick zu Seto, der wohl in demselben Moment das Gleiche getan hatte und so trafen sich ihre uneindeutigen Blick erneut. Spott, Ärger und Amüsement mischten sich im grün und blau ihrer Augen, als sie einander kurz anblickten. "Nur wäre ich dabei fast draufgegangen.", lächelte Kerry erschöpft und strich Mokuba zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, nicht darauf achtend, dass ihr selbst ständig die roten Fransen über die Augen hingen. Mokuba runzelte kritisch die Stirn und verstand offensichtlich nicht ganz. "So das war's.", unterbrach sie der Arzt und bewahrte Kerry oder Seto vor einer Erklärung. "Sie können ihn dann mitnehmen, morgen sollte er einmal von der Schule Zu Hause bleiben, aber es sollten keine dauerhaften Schäden bleiben." Seto nickte schlicht und schob Mokuba sanft vor sich her. Merkwürdig, wie feinfühlig dieser grobe Klotz doch sein konnte, wenn es um seinen Bruder ging, dachte Kerry kurz und schalt sich selbst dafür solche Gedanken zu haben. "Kerry wie kommst du eigentlich nach Hause?", hörte sie plötzlich die jugendliche Stimme des kleineren Kaiba Bruders. "Dein Motorrad steht doch noch bei uns und außerdem liegt deine Handtasche und dein Schlüssel und so weiter noch in meinem Zimmer." Beruhigend winkte Kerry ab und wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, dass sie nicht allein wohnte und sie die Sachen morgen holen könnte, als sich unvermittelt Seto einschaltete: "Sie hat sicher einen Ersatzschlüssel Mokuba und..." Er kam nicht weiter, denn Kerry unterbrach ihn: "Habe ich nicht und ich würde auch gerne meine Handtasche mit meinem privaten Inhalt bei mir haben." Sie hatte nicht gerade das Verlangen danach noch bei der Riesenvilla der Kaibas vorbeizuschauen, aber wenn es Seto ebenfalls missfiel, musste sie es gerade herausfordern. Der hochgewachsene junge Mann warf ihr einen leicht verwunderten und eindeutig missbilligenden Blick zu. Damit hatte er anscheinend nicht gerechnet und nun würde er sich sicherlich noch mehr gegen Mokubas nahenden Vorschlag wehren. "Siehst du Seto. Wie wäre es, wenn du heute bei uns übernachten würdest, Kerry?", kam die Vorschlagsäußerung auch sogleich und überrumpelte nun auch Kerry. Übernachten hatte sie eigentlich nicht mal im Traum in Erwägung gezogen, doch im Moment war sie einfach zu fertig um sich noch großartig dagegen aufzulehnen, diesen Teil konnte Seto ihretwegen übernehmen. Doch zu aller Überraschung schwieg der plötzlich und nach einigen weiteren bittenden Blicken seitens Mokuba nickte er schließlich langsam. "Meinetwegen, aber nur diese eine Nacht und keine Minute länger.", entrang er schließlich seiner Kehle und schob Mokuba dann weiter zwischen den umherlaufenden Menschen und blinkenden Autolichtern hindurch Richtung Straße. Kerry war einen Moment perplex und fragte sich, ob Seto gerade einer Forderung nachgegeben hatte. Um aber nicht den Anschluss zu verlieren setzte auch sie sich dann schnell in Bewegung und tastete sich vorsichtig am Krankenwagen entlang. Da hier einige Polizeiwagen dicht beisammen standen kam sie mit diesen als Stütze recht gut voran, aber schließlich kam sie an einen Punkt, an dem kein weiteres Auto oder eine sonstige Stütze in Sicht war, außer die Limousine der Kaibas, die jedoch ein paar hundert Meter weiter oben am Bürgersteig parkte. Kerry konnte gerade noch erkennen, wie die Tür geöffnet wurde und eine kleine Gestalt, vermutlich Mokuba hineinkrabbelte. "Was jetzt?", fragte die Rothaarige sich selbst und zögerte einen Moment, während sie ihren Kopf zwar noch immer in Richtung Limousine gerichtet hatte, doch ihr Blick kehrte sich nach innen. Sie hatte kaum eine halbe Minute zwischen Hier bleiben und Kaibas Genörgel anhören oder Losgehen und wieder den Asphalt zu küssen geschwankt, als plötzlich jemand ihre Beine vom Boden hob. Verwundert kehrte sie in die Gegenwart zurück und bemerkte, dass Seto ihr Zögern bemerkt hatte und zurückgekommen war um sie eher unsanft vom Boden hochzureißen und dann den einen Arm ihren Rücken stützend und den anderen unter ihren Oberschenkeln zu platzieren um sie so mit ausdruckslosem Blick geradeaus zum Wagen zu tragen. Kerry legte automatisch ihre Arme um seinen Hals und konnte sich ein: "Es steckt also doch ansatzweise etwas von einem Kavalier in dir." einfach nicht verkneifen. Seto warf ihr einen scharfen Blick zu, der ihr sofort Schweigen gebot und um dies noch zu unterstützen setzte er hinzu: "Komm auf keine falschen Gedanken, wir haben nur keine Zeit auf eine Behinderte zu warten." Natürlich war sie es nicht Wert, dass er während er sprach, ihr seinen Blick zuwandte und so sah er auch das amüsierte Grinsen auf ihren Lippen nicht, dass sich bei seiner kühlen Reaktion sofort bildete. Was hatte sie auch anderes erwartet. "Pass auf, dass du nicht stolperst, sonst könntest du mich fallen lassen.", setzte Kerry spöttisch hinzu und war froh, dass sie nur noch ein paar Meter von der Limousine entfernt waren, denn sofort spürte sie, wie der Halt seiner starken Arme nachließ und er sie langsam losließ. Immerhin hatte er sie nicht sofort fallen gelassen, tröstete sich Kerry, als ihre Füße mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufkamen und ein Schmerz durch ihre Glieder fuhr. Grummelnd stolperte sie hinter Seto her, der gerade eine hintere Wagentür öffnete und ebenfalls in dem schwarzen PKW verschwand. Kerry schüttelte den Kopf und murmelte noch: "Auf was lasse ich mich da gerade ein?" und stieg dann ebenfalls in das nachtfarbene Auto ein. ------- Wie war das mit dem 'Held spielen'? Ich glaube Seto wäre nicht die Art Held, die ich mir gewünscht hätte ;) Leider gibt es für das "warum" noch keine Erklärung, aber keine Sorge, das erfahrt ihr genauso 'schnell' wie Kerry. Ach ja: Hurraaaa! Endlich haben die Ferien begonnen. Ich hoffe nur, dass ich bald aus meiner Schreibblockade, in die ich gerade gerutscht bin, herauskomme, sonst lohnt es sich ja gar nicht Ferien zu haben. Und für alle, die nun ebenfalls die Freizeit genießen können: Schöne Ferien!!!! Tschauserle Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 10: Schlimmes Erwachen ------------------------------ 10. Schlimmes Erwachen Zusammengekauert saß Mokuba schon neben seinem Bruder auf der Rückbank und hatte sich an ihn gelehnt. Das allein schon hätte Kerry beinahe wieder einen passenden Kommentar entlockt, doch bei Kaibas eindeutigem Blick schluckte sie jegliche Ideen dazu herunter und setzte sich auf einen den beiden gegenüberliegenden Sitze. Es war wärmer als draußen, das musste die junge Frau zugeben, aber dennoch fror sie in ihrer halb zerrissenen und dreckigen Bluse, die schon zuvor nicht aus dem dicksten Stoff bestanden hatte und natürlich auch in den feuchten Jeans. Ihre Jeansjacke war anscheinend in der Lagerhalle zurückgeblieben, denn Mokuba hatte sie ebenfalls nicht mehr übergeworfen. Seto gab dem Fahrer ein Zeichen und die Fahrt ging auch schon los. Müde strich sich Kerry ihre feucht herabhängenden, mittlerweile strähnigen Haare aus dem Gesicht und schlang möglichst unauffällig ihre Arme um sich. Schon bald machte sich eine unangenehme Stille in dem edlen Gefährt breit und während Mokuba die Augen geschlossen hatte, starrte Kaiba Löcher in die Wand und Kerry tat es ihm auf dieselbe ignorierende Weise nach. Schließlich räusperte sie sich und begann zögerlich: "Ähm, Kaiba?" Dieser drehte ihr seinen kalten Blick gar nicht erst zu, sondern murmelte abweisend: "Hm?" Schon etwas entmutigt sammelte sich Kerry schnell und machte sich selbst Mut. "Es tut mir leid, dass ich dich vorher so beschimpft habe, ich war einfach mit den Nerven am Ende.", gab sie schließlich aufrichtig, wenn auch nicht demütig zu und erhoffte sich eine halbwegs positive Reaktion. Er schaute sie jedoch noch immer nicht an, doch die Rothaarige glaubte einen überraschten Ausdruck in seinen Augen gesehen zu haben, bevor er sich wieder fasste und erneut diese bedrückende Stille eintrat. "Wie habt ihr uns eigentlich gefunden?", fragte sie plötzlich in die wieder eingekehrte Stille hinein und obwohl sie ihre Stimme gedämpft hatte klang es doch im Gegensatz zu der vorigen Ruhe unangemessen laut. Kurz räusperte sie sich, wartete dennoch auf eine Antwort, denn so ganz konnte sie sich all das was heute Abend passiert war noch nicht erklären. Apropos ,heute Abend', sie wusste nicht einmal welcher Tag heute war und wie viel Uhr, denn das Zeitgefühl hatte sie in diesem dunklen Bunker völlig verloren. "Ich habe Herrn Torio einen unangekündigten Besuch abgestattet.", erwiderte Seto kurz angebunden und verfiel sofort wieder in eisiges Schweigen. Anscheinend glaubte er, dass dies alle ihre Fragen klären würde. Schon zum hundersten Mal in den letzten zehn Minuten fragte sie sich, ob der Eindruck von ihm vorhin doch nur eine Täuschung gewesen war und obwohl dies allem Anschein nach die Wahrheit war, weigerte sie sich das einfach so hinzunehmen. "Wie viel Uhr haben wir eigentlich und was ist heute für ein Tag?", kam es nach ein paar Minuten des Schweigens erneut von ihrer Seite. Endlich drehte Seto ihr seinen Blick zu, als er ihr antwortete: "Wir haben Donnerstag und es ist 21:53 Uhr und 27 Sekunden." Kerry ließ ein müdes Lächeln sehen und schüttelte leicht ihren Kopf, obwohl dieser ihr plötzlich furchtbar schwer erschien. Sein Hang für Genauigkeit war wohl ein bisschen übertrieben. Aber seiner Aussage nach waren sie also fast einen ganzen Tag dort eingesperrt gewesen, mit nur einer Mahlzeit, fiel Kerry erst jetzt auf. Bisher hatte wohl die Erschöpfung und der gesamte psychische und physische Stress kein Hunger- oder Durstgefühl zugelassen. Einen letzten Versuch startend noch etwas über die Geschehnisse herauszufinden fragte sie noch einmal: "Hast du eine Ahnung, wer diese Kerle waren?" Den Blick auf die getönte Fensterscheibe gerichtet kam nach einer halben Ewigkeit die monoton klingende Antwort: "Die üblichen Spinner, die glauben, sie könnte mich erpressen." Kerry verdrehte die Augen und überlegte kurz, ob sie ein "Sehr aufschlussreich.", hinzufügen sollte, ließ es dann aber doch bleiben. Schließlich hatte die Rothaarige keine Kraftreserven mehr um sich noch mehr Gedanken zu machen und stützte ihren Ellbogen auf den Absatz des auf ihrer Seite liegenden Fensters und lehnte ihren Kopf gegen ihre Hand um die dunkle Nacht zu beobachten, die draußen leer und einsam an ihnen vorüberzog. Nur ein leichter, kaum wahrnehmbarer Ruck ging durch den Innenraum der Limousine, als der Wagen zum Stehen kam, doch es reichte um Kerrys Ellbogen wegrutschen zu lassen. Verwundert schreckte sie hoch und stellte fest, dass sie wohl eingenickt war. Müde blinzelnd sah sie sich um und bemerkte, dass Kaiba schon die Tür geöffnet hatte und ausgestiegen war, um jetzt seinen Bruder von dem Sitz zu heben und ihn auf den Arm zu nehmen. Noch immer nicht ganz wach rutschte Kerry zur Tür hinüber, stolperte halb beim Aussteigen und stand schließlich auf wackeligen Beinen vor dem Auto, direkt vor der Treppe zur Haustür der Kaiba Villa. Ihr Motorrad parkte ganz in der Nähe, doch das interessierte die Rothaarige momentan wenig, sie wollte sich nur noch ausruhen. Seto trug Mokuba nun auf dem Arm und stieg ohne einen Blick zurück oder ein Wort die Steintreppe hinauf um dann unsanft gegen die Tür zu hämmern, wobei es ihm überraschend leicht fiel seinen Bruder auf einem Arm zu halten. Als der schon bekannte Mann die Tür öffnete und zur Seite ging um den Hausherren einzulassen, beeilte sich Kerry die Treppe hinaufzusteigen um nicht vergessen zu werden. Drinnen blieb sie erst einmal unentschlossen und etwas hilflos stehen. Wohin nun? Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie sofort auf dem Teppichboden zusammengerollt geschlafen, aber Mr. Seto Kaiba hatte wohl anderes im Sinn und ging mit festen Schritten, die durch die dicken Teppiche gedämpft wurden, schon die geschwungene Treppe hinauf. Er ließ sich sogar dazu herunter einen Blick zurück zu werfen und mit einer Kopfbewegung dem ihm aufgezwungenen Gast zu deuten, sie solle ihm folgen. Dies tat Kerry dann auch artig, doch am Treppenabsatz blieb sie kurz stehen und seufzte deutlich. "So reich und leistet sich nicht einmal einen Aufzug.", spöttelte sie kurz und machte sich dann daran die Stufen emporzusteigen. Dabei musste sie sich am Treppengeländer abstützen und kam nur schleppend langsam voran. Als endlich die obersten Stufen in Sicht waren, war Kerry schon beinahe außer Atem und ihr ging es nicht besser, als sie bemerkte, dass Kaiba am oberen Treppenabsatz stand und sie mit kaltem Blick beobachtete. "Frechheit!", dachte sie sich, "dabeizustehen und zuzuschauen wie ich mich hier abmühe." Anscheinend hatte der junge Geschäftsmann in der Zwischenzeit schon seinen Bruder in dessen Zimmer gebracht und dennoch genug Zeit gehabt sich mit arrogant verschränkten Armen hier oben aufzubauen und sie ,gebührend' zu empfangen. Kerry ignorierte ihn und schaffte auch noch die letzte Stufe, so dass sie schließlich vor ihm stand, jedoch nicht gewillt war, die Anstrengung auf sich zu nehmen, den Kopf zu heben. So starrte sie geradeaus, als wäre er überhaupt nicht da und reagierte erst, als er meinte: "Komm mit." Irgendwie war sie beinahe enttäuscht nicht einen demütigenden Kommentar zu hören, andererseits war sie auch nicht mehr zum Reden aufgelegt. Sie folgte Kaiba ausnahmsweise brav den linken Flur entlang bis zu einer Tür auf der linken Seite. Ohne zu zögern stieß der junge Mann die Tür auf und ging hinein, offenbar nicht darauf achtend, ob seine Begleiterin ihm folgte. Natürlich tat sie es dennoch und fand sich in einem dunklen Raum wieder. Doch sogleich betätigte Seto den Lichtschalter und der Raum wurde von einer Reihe von kleinen Wandlämpchen erhellt. Nachdem Kerry leicht geblendet durch den Raum blickte und darauf wartete, dass ihre Augen sich an das Licht gewöhnen würden, bemerkte sie auf der rechen Seite des Zimmers einen großen Kleiderschrank mit verspiegelten Schiebetüren. Genauso modern im Stil war ein weiter hinten angebrachtes Bücherbord, dass aus Spiegelplatten bestand, die wellenartig geformt waren. Es standen nur ein paar Schriftstücke darauf, doch schräg daneben stand ein bequem aussehender Ledersessel in schwarz und Kerry konnte sich vorstellen, wie man darin versinken würde, wenn man sich hinein setze. In der Mitte der rechten Wand war eine weitere Tür, deren Funktion jedoch unbekannt war. Links befand sich ein großes Himmelbett, groß genug für zwei Personen, mit einem zarten Baldachin, der beinahe durchsichtig war und einen milchigen Farbton hatte, genau wie die helle Bettwäsche, die matt glänzend auf der Schlafgelegenheit platziert war. Auf jeder Seite des Bettes stand ein Nachttischchen, dass aus Glas bestand und ebenfalls verschlungen geformt war. Noch ein Stück weiter links stand ein kleiner Metallschrank, der teilweise ebenfalls mit Glasplatten bedeckt war und ein runder Glastisch, an dem zwei Stühle standen. Alles wirkte glänzend und hell, aber irgendwie machte das Glas, Metall und die Spiegel auch einen kalten Eindruck auf Kerry, so dass sie unmittelbar zu frieren begann und eine Gänsehaut bekam. Zögerlich trat sie weiter in den Raum hinein und ging auf das Bett zu, bevor sie sich noch einmal zu Kaiba umdrehte, der aber anscheinend schon beim Gehen war. "Sag mal, du hast nicht zufällig irgendein altes T-Shirt oder so, dass du mir leihen könntest?", fragte sie dennoch, wobei sie wieder einmal seinen Rücken ansprach. Die junge Frau wollte noch mit einer Geste auf ihre Kleidung deutlich machen, wofür sie dies brauchte, doch das war wohl überflüssig, schließlich hatte auch Seto Kaiba keine Augen am Hinterkopf. "Wirf einen Blick in den Kleiderschrank.", gab dieser tonlos wie immer zurück, verließ dann den Raum und machte die Tür dann nicht allzu sanft hinter sich zu. Nur einen Moment warf Kerry der Tür verwirrte Blicke zu, bevor sie sich rückwärts einfach fallen ließ und mitten in die weichen Polster des Bettes fiel. Sie hätte auf der Stelle einschlafen können, wollte aber doch erst noch in den Schrank schauen und sich umziehen. Müde rappelte sie sich noch einmal auf und schlurfte zu dem verspiegelten Schrank hinüber um eine Tür beiseite zu schieben. Drinnen waren alle möglichen Kleidungsstücke enthalten. Jeans, Röcke, Kleider, Pullover, Blusen, Westen und anderes, in alle möglichen Größen und sowohl für Männer als auch Frauen. Fragend zog Kerry eine Augenbraue nach oben und hätte zu gerne gewusst, warum dieser Schrank mit so vielfältigen Klamotten vollgestopft war. Sie durchsuchte ein Regal und fand schließlich sogar zwei Nachthemden, die jedoch für ihren Geschmack eindeutig unpassend waren. Eins war so kurz wie es schwarz war und hatte auch noch kleine Rosen als Musterung. Angewidert verzog die Rothaarige die Miene und musterte das andere, dass ihr zwar immerhin bis zu den Knien fiel, jedoch war der helle Stoff hauchdünn und wohl beinahe durchsichtig. Grimmig blickte Kerry von einem Fetzen Stoff zum nächsten und entschied sich dann für das von ihr als kleineres Übel eingestufte helle Gewand. Sie schälte sich aus ihrer zerrissenen Bluse und zog die feuchten Jeans aus um sie über einen Stuhl zu hängen. Die Bluse konnte sie ohnehin vergessen. Schnell schlüpfte sie in das dünne Kleidchen und beäugte sich kritisch in einer der Spiegeltüren. "Na super, ich sehe aus wie ein billiges Flittchen.", kommentierte sie ihr Erscheinungsbild übertriebener Weise, denn obwohl man eine gewisse Körpersilhouette erkennen konnte, brauchte es wohl schon einiges an Fantasie um sich mehr dazuzudenken. Nun, da sie vor der Spiegeltür stand, fiel ihr die Seitentür des Zimmers erst ins Auge und ein angedeutetes Lächeln huschte über ihre Lippen. Die Neugier hatte sie sogleich gepackt und langsam nahm sie den Türknauf in die Hand um leicht daran zu drehen und die Tür aufzuziehen. Natürlich war es auch hier zunächst düster, doch schon nach kurzem hatte Kerry den Lichtschalter ertastet und fand sich in einem kleinen, aber überaus komfortablen Badezimmer wieder. Die luxuriöse Badewanne, die passend zu den kühlen, weißen Bodenfließen gefärbt war, lud geradezu zum Entspannen ein. Aber die junge Frau hatte die Befürchtung darin einschlafen zu können und bei ihrem Glück würde man sie dann am nächsten Tag ertrunken vorfinden. Nicht gerade der angenehmste Gedanke. Also beschloss sie mit der Dusche vorlieb zu nehmen und schlüpfte noch einmal aus dem Nachtgewand heraus um sich nach Shampoo und Handtüchern umzuschauen. In kürzester Zeit hatte sie sämtliche Schränke durchsucht und war auch fündig geworden, so dass sie in der Duschkabine verschwinden konnte um einige Zeit darauf mit nach Pfirsich duftendem Haar wieder herauszukommen. Nach dieser warmen Dusche fühlte sie sich gleich etwas besser, aber die Müdigkeit, die vorher hauptsächlich auf Erschöpfung beruht hatte, war jetzt bleiern und schwer, so dass Kerry schlurfend das Bad verließ und die Tür hinter sich zumachte. Mit kleinen Schritten trottete sie zu dem komfortablen Bett hinüber und krabbelte unter die dicke Bettdecke, die sich unglaublich weich und zart anfühlte. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie den letzten Tag ständig auf dem Boden herumrutschend verbracht hatte. Nach einem letzten Blick durch das Zimmer schloss sie erschöpft die Augen und war innerhalb weniger Momente in einen tiefen Schlaf gefallen. Das Erwachen am nächsten Morgen war nicht unangenehm, aber überraschend schnell. Plötzlich öffnete Kerry die Augen und spürte überraschenderweise nicht mehr das weiche Bett unter sich. Auch lag sie nicht mehr, sondern stand kerzengerade, barfuss und nur mit ein paar grau-schwarzen Tüchern bedeckt, die vom Wind gegen ihre weiche Haut gedrückt wurden und um ihren Körper flatterten. Ihre blanken Füße standen unangenehm hart auf blankem Fels und als sich die Rothaarige genauer auf ihre Umgebung konzentrierte, bemerkte sie, dass sie auf einem hohen Plateau stand und um sie herum erstreckte sich nichts als endlos weite und zerklüftete Felsen. Direkt vor ihr ging es steil bergab und ein Sturz wäre sicher das letzte gewesen, was man riskieren wollte. Ohne es zu bemerken hatte die junge Frau ihre schlanken Arme ausgestreckt um die ebenfalls diese schleierhaften Bänder gewickelt waren und einen Schritt nach vorne getan. Sie wollte nicht springen, sie wollte nur die grenzenlose Freiheit dieser Sphären spüren. Ihr langes rotes Haar wehte mit den grauen Tüchern um die Wette und glich einem feuerroten Banner, dass sie hinter sich herzog. Lange Haare? Kerry riss die Augen auf. Wie konnte das sein, sie trug die Haare schon seit ihrem 16ten Lebensjahr nicht mehr so lang. Bevor sie sich über diese Tatsache Gedanken machen konnte, wurden ihr plötzlich zwei kräftige Hände auf die Hüfte gelegt und ein warmer Körper schmiegte sich von hinten an ihren. Kerrys Herz begann schneller zu schlagen und mit einem wissenden Lächeln schloss sie langsam die Augen und legte ihren Kopf zaghaft zurück, um ihn an die Brust des schlanken jungen Mannes zu legen, der hinter sie getreten war. Der linke Arm des Mannes schlang sich nun komplett um ihre Taille und mit der rechten Hand strich er sanft über die etwas blasse Wange der Rothaarigen. Kerrys Puls beschleunigte sich noch mehr, bis sie es nicht mehr ertragen konnte und die Augen einen Spalt öffnete. Mit einem kurzen Blinzeln erkannte sie die Gestalt hinter ihr und ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen, bevor es ruhig und gleichmäßig seinen Dienst weitertat. Die saphirblauen Augen waren nur einem Menschen zuzuordnen, obgleich in ihren eine nie geahnte Wärme lag, die so untypisch sie war, aufrichtig erschien. Kerry ließ sich fallen, zum ersten Mal seit langem fühlte sie sich sicher und geborgen. Sie musste keine Vorsicht walten lassen, nicht misstrauisch sein und ständig auf der Hut, bereit sich selbst zu verteidigen. Sie war geborgen. Ein plötzlicher Ruck unterbrach die Ruhe ihres Herzens, das plötzlich in Zeitlupe zu schlagen schien. Die zuvor sanfte Hand stieß sie nun mit brutaler Wucht nach vorne. Die schwarzen Tücher um sie herum rissen plötzlich an ihrer Haut und um sie herum erschallte ein lauter Schrei. Ihr rotes Haar wehte ihr ins Gesicht und plötzlich spürte sie keinen Boden mehr unter den Füßen. Sie stürzte nach vorn und drehte sich im Fall, nur um Seto Kaibas kalten Blick zu erfassen, der zusammen mit einem triumphierenden Grinsen sein Gesicht zu einer Maske verzerrte. Erst jetzt bemerkte Kerry, dass sie es war, die schrie und sie schrie noch immer. Ein erstickter Schrei voller Verzweiflung. Und dann fiel sie ins Leere. Kerzengerade saß Kerry im Bett und kalter Schweiß klebte unangenehm auf ihrer Haut. Mit geweiteten Augen blickte sie sich in dem unbekannten Raum um. Ihre Brust hob und senkte sich bei jedem Atemzug deutlich sichtbar und ihr Herz raste mit einer enormen Geschwindigkeit. Es war alles ein Traum gewesen, redete sie sich selbst ein und blickte erst zum Fenster. Die Sonne schien freundlich und warm durch die zarten Vorhänge herein und sie lag noch immer wie auf Daunen gebettet in dem Himmelbett. Die junge Frau sank erleichtert in ihre Kissen zurück und zog sich die Decke über den Kopf. Dieser Traum war eindeutig gewesen. Ihr Unterbewusstsein hatte sich eingeschaltet und hatte ihr eine unmissverständliche Botschaft geschickt. Der Schreck saß der Rothaarigen noch in allen Knochen und so blieb sie erst einmal bewegungslos liegen, während sie darauf wartete, dass sich ihr Herzschlag beruhigen würde. Doch nach einigen Minuten hielt Kerry das Herumliegen nicht mehr aus, denn beim Nichts tun kamen ihr die Bilder und Gedanken von dem eben erlebten Traum wieder in den Sinn, den sie nur abschütteln wollte. Kurzerhand schob sie die Bettdecke also beiseite und ließ sich aus dem Bett gleiten und probierte zunächst aus, ob sie stehen konnte. Glücklicherweise hatte die erholsame Nacht ihr offensichtlich äußerst gut getan, denn die Belastung ihrer Beine war wieder komplett möglich, zumindest für den Moment. Mit dennoch vorsichtigen Schritten ging sie erst einmal in dem großen Zimmer auf und ab, während sie überlegte was sie nun tun konnte. Routinemäßig wollte sie schließlich ihr Handy auf SMS' und Anrufe checken, doch da fiel ihr ein, dass dies noch mit ihrer Handtasche in Mokubas Zimmer sein musste. Jason hatte sich sicher schon enorme Sorgen gemacht und sie mit Anrufen bombardiert. Lächelnd schüttelte die junge Frau den Kopf und ging zur Tür, um diese dann einen Spalt zu öffnen. Sie wollte gerade auf den Flur treten, als plötzlich am anderen Ende des Ganges eine Tür aufgemacht wurde. Albernerweise wollte sie nicht auf dem Flur gesehen werden und schloss die Tür wieder. Feste Schritte näherten sich ihrer Tür, gingen jedoch an dieser vorbei den Gang entlang, wie es klang. Kerry zog die Tür erneut ein Stück auf und spähte den Gang entlang. Kaiba ging gerade am Ende des Flures um die Ecke um dann dort zu verschwinden. Schulterzuckend und sich selbst als völlig idiotisch erklärend trat Kerry nun auf den Flur hinaus, schloss die Tür hinter sich und tapste dann barfuss zu Mokbuas Zimmertür hinüber. Sie konnte nur hoffen, dass es wirklich seine war, denn so sicher war sie sich bei ihrem hervorragend irreleitenden Orientierungssinn nicht. Leise zog sie die Tür auf und spähte in das noch abgedunkelte Zimmer hinein. Tatsächlich, es war Mokubas Zimmer und am Boden hatte sie auch gleich darauf ihre Handtasche ausgemacht. Auf Zehenspitzen schlich sie in das Zimmer, hob die Tasche vom Boden auf und verließ den Raum wieder um die Tür möglichst geräuschlos hinter sich zuzumachen. Sie wollte sich gerade auf den Rückweg in ihr Zimmer machen, als sie ihre Tasche nach ihrem Handy durchsuchte und dabei feststellte, dass etwas fehlte. Das mobile Telefon und ihr Geldbeutel sowie andere unwichtigere Gegenstände waren noch vorhanden, doch ihre Monsterkarte "Tyrant Dragon" fehlte. Völlig perplex blieb sie erst einmal stehen und wühlte weiter in der kleinen Tasche, wurde jedoch nicht fündig. Es dauerte nur einen Moment, bis sie zum Schluss kam, dass das niemand anderes außer Seto Kaiba gewesen sein konnte. Ärgerlich warf sie einen Blick auf seine Zimmertür, hängte sich dann ihre Tasche über die Schulter und ging dann entschlossen auf Kaibas Zimmertür zu. Ohne zu zögern öffnete sie seine Zimmertür und betrat das durch Sonnenlicht erhellte Zimmer. Ohne auch nur kurz inne zu halten betrat sie auch schon den Raum und blickte sich einen Moment um. Doch in diesem Moment des Zögerns kehrte ihr gesunder Menschenverstand wieder zurück und sie zögerte. Was tat sie hier eigentlich? Sie stand im Schlafzimmer Seto Kaibas und suchte nach ihrer Duel Monsters Karte, dabei hatte sie überhaupt keine Ahnung, ob er sie wirklich genommen hatte. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, so war ihre Reaktion doch mehr als lächerlich. Wo sollte sie hier anfangen zu suchen, überhaupt der Gedanke daran sein Zimmer zu durchsuchen war absurd, obwohl er doch etwas Reizbares hatte. Kerry kam zu dem Schluss, dass sie Kaiba zur Rede stellen sollte und drehte sich wieder zur Tür um zu gehen. Noch halb in der Drehung erstarrte die Rothaarige urplötzlich und blieb wie angewurzelt stehen. Der Schreck saß ihr in den Knochen, denn wer stand dort im Türrahmen und blickte sie eiskalt an? Die Antwort ist wohl überflüssig. Perplex und völlig unfähig etwas halbwegs Sinnvolles von sich zu geben polterte Kerry: "Kaiba, was machst du denn hier?" Dieser zog ob ihrer wirklich dümmlichen, wenn nicht sogar äußerst dreisten Frage nur kurz eine Augenbraue empor und machte dann zwei Schritte nach vorne, die Tür hinter sich zuschlagend. Als sie ins Schloss fiel zuckte Kerry unweigerlich kurz zusammen und machte einen unsicheren Schritt nach hinten. Blut schoss ihr in den Kopf und ihre Wangen färbten sich tiefrot, während ihre Gedanken rasten. "Die Frage stünde wohl eher mir zu.", gab der junge Geschäftsmann schließlich mit messerscharfer Stimme zurück, mit der man sicherlich sogar Metall hätte zerschneiden können. Zwei weitere Schritte nach vorne und Seto blieb mit forderndem Blick stehen. Sie würde also auf keinen Fall um eine Entschuldigung herumkommen, geschweige denn heil an ihm vorbei. Mit großer Überwindung fasste sich die junge Frau ihm gegenüber schließlich wieder und machte ein paar leicht tänzelnde Schritte auf ihn zu, wobei sie ihre Hüfte mehr als gewöhnlich bei jedem Schritt mitschwingen ließ. So trat sie mit uneindeutigem Blick auf den schlanken Seto zu und blieb nur eine handbreit vor ihm stehen. Sanft legte sie ihm plötzlich die Hände auf die Brust und strich ihm über seinen Oberkörper, nur um dann mit einer eleganten Bewegung zwischen seinen in die Hüften gestemmten Armen hindurchzugreifen und seinen Rücken zu umschlingen. Kaibas Blick milderte sich kein Stück, es war als würde man einen Laternenpfahl umarmen. Mit einem kurzen Ruck zog sie sich nun ganz nah an ihn heran, so dass ihre Körper dicht aneinandergeschmiegt waren. Ihre Augen waren noch immer auf die ihres Gegenübers fixiert, der sie unerbittlich anblickte, aber die Rothaarige glaubte auch etwas Verwirrung darin sehen zu können. Langsam wanderten ihre Hände an seinem Rücken weiter nach unten. Kapitel 11: Doppelter Abschied ------------------------------ 11. Doppelter Abschied Kerry reizte ihr Verwirrungsspiel vollends aus und wartete genau den Augenblick ab, als Kaiba gerade zu einem, wohl nicht ganz freundlichen Kommentar ansetzen wollte. Schnell schaltete sie sich ein und flüsterte sanft: "Seto, ich weiß es ist schwer für dich, aber..." Sie unterbrach sich selbst einen Moment und senkte die Augenlider ein Stück, bevor sie wieder mit schmachtenden Augen zu ihm aufblickte und gerade dann wieder einsetzte, als Seto sich einschalten wollte. "Ich kann einfach nicht weiterleben, ohne..." Wieder hielt sie inne und schien kurz davor in Tränen auszubrechen oder ihm ihr Herz auszuschütten. "...meine Tyrant Dragon Karte.", vervollständigte sie spöttisch säuselnd. Bei Setos Reaktion wäre sie beinahe in einen Lachkrampf ausgebrochen, denn sein Blick, der deutlich zeigte, dass er gerade aus allen Wolken gefallen war, war einfach göttlich amüsant. Bevor sie jedoch loslachen konnte, schob er sie abweisend zurück, was sie willig über sich geschehen ließ und dann ihre Arme in die Hüften stemmte. "Also? Her damit!", forderte sie noch einmal, diesmal eindeutig. Seto blickte sie scharf an und wenn er die Fähigkeit gehabt hätte mit Blicken töten zu können, wäre Kerry wohl im selben Moment mausetot umgefallen. Quälend langsam griff er zu seiner hinteren Hosentasche und zog die genannte Karte hervor und hielt sie hier mit grimmigem Gesichtsausdruck hin. Kerry setzte ein ironisches Lächeln auf und gab ein deutliches "Danke.", zurück, dass jedoch eindeutig nicht im Geringsten dankbar gemeint war. Schnell griff sie nach der Karte, rechnete jedoch nicht damit, dass Kaiba sie fest in den Händen behalten würde und riss hart daran. Seto gab die Karte nicht wie gedacht frei und so kam es wie es kommen musste. Darauf bauend, dass ihr Gegenüber ihr die Karte bereitwillig aushändigen würde packte Kerry die Karte und riss ruckartig daran, so dass sie in zwei Teile auseinandergerissen wurde. Es kam der Rothaarigen wie in Zeitlupe vor, als das typische Geräusch von reißendem Papier erklang und die Karte scheinbar unendlich langsam in zwei Hälften getrennt wurde. Noch während sie sah, dass ihre Karte gerade zweigeteilt wurde, ließ sie diese sofort los, ebenso tat es jedoch auch Seto Kaiba, so dass Tyrant Dragon in der Mitte halb auseinandergerissen zu Boden segelte. Kerrys entgeisterter Blick folgte dem Stück festen Papier fassungslos. Erst als die Karte mit dem Bild nach oben den Boden berührte und der in der Mitte durchtrennte Feuerdrache vor ihr lag schien sie allmählich zu reagieren. Ihr Blick wurde glasig und sie machte einen kurzen Schritt nach vorn um nicht zusammen zu sinken. Scheinbar eine halbe Ewigkeit verharrten ihre verschleierten grünen Augen auf dem bedruckten Stück Papier, bevor sie ganz langsam den Blick hob. Kaiba hatte seine meerblauen Augen ebenfalls auf die Karte geheftet, als sie ihn jedoch fixierte, richtete auch er seine Aufmerksamkeit ihrem Gesicht zu. Keinerlei Reue oder Schuldgefühle waren auf seinem Gesicht zu sehen, nichts. Nur kalte Unbeteiligtheit. Das war zuviel. Nicht nur, dass dieser Vollidiot gerade, bewusst oder nicht, das Herzstück ihres Decks, ihre Lieblingskarte und einen Teil ihrer Seele vernichtet hatte, nein es schien ihn nicht im Geringsten zu kümmern. Regungslos verharrte Kerry in ihrer unsicheren Haltung, noch immer Seto Kaiba anstarrend und unfähig sich zu bewegen. Ganz allmählich bewegte sie den Kopf von einer Seite auf die andere und presste hervor: "Du... Weißt du was du gerade getan hast?" Ihre Stimme war gedrückt und ein scharfer, beinahe drohender Unterton klang aus ihr heraus. Kaiba zuckte ungerührt mit den Schultern, bückte sich und hob die Karte auf, die gerade noch so in einem Stück, jedoch unwiderruflich entstellt war. Ohne mit der Wimper zu zucken griff er nach ihrer linken Hand, drückte ihr die kaputte Karte hinein und schob sie auf die Tür zu. Kerry, noch immer unbeweglich wehrte sich nicht, sondern verrenkte sich den Hals, während sie versuchte den jungen Mann anzublicken, da sie anscheinend nichts von alledem fassen, geschweige denn begreifen konnte. Schließlich fand sich Kerry O'Hara vor einer geschlossenen Zimmertür Seto Kaibas wieder und starrte diese regungslos an. Irgendwann wandte sich die Rothaarige dann ab und ging mit angestrengt gemessenen Schritten in ihr vorübergehendes Quartier hinüber. Dort angekommen, konnte sie ihr Temperament nicht mehr im Zaum halten und schlug die Tür lautstark hinter sich zu. Den Türknauf noch in der Hand sank sie zu Boden sog scharf die Luft ein und verbarg ihr Gesicht zwischen ihren Händen. Es vergingen nur ein paar Minuten, bevor die Rothaarige urplötzlich wieder aufsprang und mit wütend blitzenden Augen auf und ab marschierte, die zerrissene Karte noch immer in der Hand. "Ich werde diesen Kerl umbringen, am besten hole ich mir seine weißen Drachen und zerfetze sie in tausend kleine Stückchen, dann wird er sehen wie das ist, dieser egoistische, selbstsüchtige, arrogante...", fluchte Kerry mit gedämpfter Stimme. Es schien so gar kein Schimpfwort schlimm genug für Seto zu sein. So sehr sie jedoch nach außen ihre Wut zurückhielt, in ihrem Inneren brodelte es gefährlich und nur ein paar Grad mehr und sie würde überkochen. "Und natürlich kann ihn kein Gericht der Welt dafür anklagen, schließlich bin ich wieder die Blöde, die hysterisch an der Karte herumgezerrt hat.", begann sie eine vor Spott triefende Rede, während sie sich ausmalte, was man ihr bei irgendwelchen Vorwürfen entgegnen würde. Irgendwann war es dann soweit. Kerry erreichte gerade die großen Fenster, und baute sich davor auf, mit in die Hüften gestemmten Händen. Kurz blickte sie zur Seite und nahm einen metallenes Tischchen war, auf dem eine Blumenvase mit einem bunten Gemisch an Blumen darinnen stand. Mit einer schnellen Bewegung griff sie nach dem blauen Gefäß und schmetterte es mit einem wütenden Aufschrei gegen die nächstbeste Wand. Mit einem lauten Klirren prallte das Keramikgefäß gegen die Spiegeltüren des Kleiderschranks und zerbarst sofort in Hunderte von Splittern. Das Wasser aus der Vase wurde ebenfalls gegen die Spiegel gespritzt und lief dann langsam daran herunter, während die Scherben und verstümmelte Blumen vor dem Schrank zum Liegen kamen. Ein paar Mal atmete die Rothaarige noch schwer ein und aus, bevor sie sich wieder beruhigte. Schon bereute sie ihre Tat wieder, war sie doch in einem fremden Haus und sicher hatte irgendwer diesen Krawall mitbekommen, wenn nicht sogar Mr. Kaiba höchstpersönlich. Aber momentan war ihr das ohnehin völlig egal. Grob sammelte sie die größeren Scherben und die Blumen auf und beförderte sie unsanft in einen Abfalleimer, bevor sie die Schranktüren vorsichtig öffnete und einen möglichst weiten Abstand vom ,gefährdeten Bereich' machte. Nach kurzem Abschätzen, welche Kleidungsstücke ihr wohl passen würden, riss sie einen lässigen Jeansrock und ein weites Shirt mit Querstreifen heraus und zog sich eilig um. Wenn Kaiba die Klamotten wiederhaben wollte, sollte er sie sich doch holen. Schnell schlüpfte sie in ihre Schuhe und stopfte ihre Karte in die Handtasche, bevor sie erneut die Tür aufriss und mit weiten Schritten den Gang entlang zur Treppe stiefelte. Das Personal, welches anscheinend hier lebte war offensichtlich schon wach und gerade als sie wutschnaubend die Treppe heruntergerauscht kam und dabei über eine Treppenstufe stolperte, kam ein Mann in Livree in den Eingangsaal, gefolgt von Mokuba. Allerdings hatte Kerry gerade keine Zeit die beiden zu entdecken, denn das Stolpern über ihre eigene Füße verursachte, dass sie unfreiwillig ein paar Stufen auf einmal nahm, dann nach vorne wegknickte und unsanft mit den Knien auf einer Stufe landete, die Hände ein paar Stufen weiter unten. Mit hochrotem Kopf rappelte sich Kerry wieder auf und hievte ihre Tasche zurück über ihre Schulter um ihren Weg mit energischen Schritten und unaufhaltsam fortzusetzen. Sie wollte hier nur schleunigst weg und diesen Idioten zusammen mit dem Lebensabschnitt, den er ihr gründlich versaut hatte, möglichst schnell vergessen. Mokuba war inzwischen mit einem fröhlich amüsierten Lächeln auf die Treppe zugeeilt und wollte anscheinend etwas loswerden. "Wo wollen wir denn so schnell hin?", hallte plötzlich eine höhnische Stimme von oben herab und Kerry brauchte sich nicht umzudrehen um sich Seto Kaibas stupides Grinsen und seinen herabwürdigenden Blick passend zum Tonfall vorzustellen. Gegen ihre eigene Vernunft drehte sie sich mit einem Ruck herum und zischte: "Tut mir leid, ich halte nichts davon in einem Nest zu bleiben, wo es von Schlangen nur so wimmelt." Sofort ruckte ihr Kopf wieder herum und sie überwand die letzten Treppenstufen ohne sich ein weiteres mal stolpernd zu blamieren. Mit einem überlegenen Lächeln, dass einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte, schlenderte Seto nun ebenfalls zur Treppe hinüber und stieg langsam die flachen Stufen herab. "Nur zu, ich habe von einem Feigling wie dir auch nichts anderes erwartet.", gab er kalt zurück und sofort stellten sich Kerrys Nackenhaare auf. Was für ein Spiel sollte das nun werden? Jedenfalls wäre sie wirklich ziemlich blöd, wenn sie wieder darauf reinfallen und darauf eingehen würde. Einmal auf ihren Verstand hörend ignorierte sie den jungen Geschäftsmann und marschierte weiter auf die Tür zu. "Kerry, warte!", klang es plötzlich vom unteren Treppenabsatz her. Diese Stimme war nun wieder das komplette Gegenteil des vorigen Kommentars und brachte die Irin unweigerlich dazu seufzend stehen zu bleiben. Allerdings gab sie ihr Vorhaben zu Verschwinden noch nicht auf, sondern drehte sich langsam zu dem heraneilenden Mokuba herum und empfing in mit einem: "Nein, ich werde nicht warten, ich weiß, wann ich unerwünscht bin." Unerwünscht war eigentlich ja noch viel zu milde ausgedrückt. Wenn sie die Möglichkeit bekommen würde, würde sie Seto Kaiba gerne einen netten Abdruck ihrer Hand auf seiner Wange zurücklassen, als kleines Souvenir. "Du bist nicht unerwünscht, ich will, dass du bleibst. Außerdem ist deine Arbeitszeit noch nicht um.", versuchte der junge Teenager die Stimmung etwas aufzuheitern, verfehlte jedoch damit sein Ziel, denn sofort erinnerte sich Kerry daran, dass sie ja doch noch etwas hier zu erledigen hatte: Zu kündigen. Gerade wollte sie Luft holen und sich dem größeren der Kaiba Brüder zuzuwenden, als dieser den unteren Treppenabsatz ebenfalls erreichte und mit undurchsichtiger Miene einwarf: "Es sei denn, du willst kündigen." Gleichzeitig wanderten die Blicke Mokubas und Kerrys zu dem braunhaarigen jungen Mann, der ungerührt da stand und sie abwechselnd musterte. Was sollte das nun wieder? Entweder er meinte wirklich was er sagte und würde es gerne sehen, wenn sie ging, oder er bluffte nur und wollte nur, dass sie sich wieder beugte. Was auch immer sie nun tun würde, sie würde doch die Dumme sein und Mokuba eventuell ebenfalls. Kündigte sie, dann würde sie Mokuba verletzen und falls Kaiba es darauf anlegte sie herauszuekeln, hätte er so auch sein Ziel erreicht. Blieb sie jedoch, so wäre sie weiterhin seine dumme kleine Angestellte, die zu tun hatte was er ihr sagte. Kerry wog die beiden Entscheidungen gegeneinander ab und handelte sich ob ihrer Zögerung nur ein spöttisches: "Wolltest du nicht gehen?", seitens des Hausbesitzers ein. "Wollte ich und werde ich.", gab sie fest zurück und wandte sich wieder der Haustür zu um diese dann schwungvoll aufzureißen. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass selbst ein Flügel so wuchtig sein würde und so hätte sie beinahe beim Öffnen das Gleichgewicht verloren. Ein letztes Mal drehte sie sich herum, griff in ihre Tasche und warf ihre beinahe zweigeteilte Karte durch den Raum. "Du schuldest mir einen Tyrant Dragon.", stellte sie kühl fest und bevor der Geschäftsmann etwas erwidern konnte sagte sie noch schnell an Mokuba gewandt: "Wir sehen uns morgen.", und eilte dann mit wehendem Rock die Steinstufen hinunter. Kurze Zeit später war zu hören, wie der Motor ihres Motorrades ansprang und der Feuerstuhl die Einfahrt entlang auf die Straße raste. Zurück ließ die Rothaarige einen völlig verwirrten Mokuba, dessen Blick von der Tür zu der Karte und zu seinem Bruder wanderte, der starr die am Boden liegende Spielkarte fixierte. Dieses dreiste Mädchen hatte doch tatsächlich eine eindeutige und unwiderrufliche Forderung an ihn, Seto Kaiba, gestellt. Entweder war sie nicht mehr ganz richtig im Kopf, oder sie hatte vergessen, dass sie ihm eigentlich ihr Leben schuldete, zumindest aus seiner Sicht der Dinge. Außerdem war sie es gewesen, die die Karte zerrissen hatte. Natürlich, er hatte es darauf angelegt und es hatte geklappt, aber unverständlicherweise hatte er erwartet, dass sie ihn beleidigen, sich aufregen oder wenigstens heulend zusammenbrechen würde. Irgendetwas, dass ihm eine charakterliche Schwäche aufgezeigt hätte. Sicher, er hatte ihren Wutausbruch durchaus mitbekommen, es war ja kaum zu überhören, aber weder in seinem Zimmer, noch jetzt in dieser Szene in der Eingangshalle hatte sie sich eine Schwäche anmerken lassen oder war defensiv geworden. Das war durchaus neu, war er es doch gewohnt, dass letztlich jeder vor ihm kuschte und er wieder obenauf war. So sollte es auch dieses mal sein, aber irgendetwas sagte ihm, dass er diesmal nicht der Sieger war, obwohl er sich so hätte fühlen können. Aber noch war nichts entschieden, schließlich hatte sie den letzten Schritt nicht gewagt und gekündigt. In dieser Sache war noch nicht das letzte Wort gefallen, soviel stand fest. Wie ein aufbrausender Sturm kam Kerry in ihrer Wohnung an. Auf die Macken der Tür wurde keine Rücksicht genommen und glücklicherweise flog diese dann auch beinahe Widerstandslos auf. Ohne einen Schritt inne zu halten eilte die rothaarige Furie weiter, warf die Tür hinter sich zu und steuerte auf ihr Zimmer zu, als sie plötzlich festgehalten wurde. Reflexartig drehte sie sich mit ärgerlichem Blick um und blickte plötzlich in das sanfte Gesicht ihres Freundes Jason, der sie besorgt anschaute. "Wo kommst du denn her? Wo warst du? Wieso hast du dich überhaupt nicht gemeldet?", sprudelten die Worte aus ihm heraus, die wohl direkt aus seiner Seele kamen. Allerdings hatte Kerry gerade wenig Nerv dazu, diese Sorge rührend zu finden und fühlte sich nur aufgehalten. "Jason, du hörst dich an wie meine Mutter. Ich werde ja wohl noch mal eine Nacht abwesend sein dürfen, ohne, dass du einen Herzkasper kriegst?!", konterte sie beinahe so abweisend wie ihr neuer Chef. Dabei machte sie eine abwinkende Handbewegung und schickte sich an ihren Weg fortzusetzen. Jason jedoch hielt sie noch immer fest und zog sie mit sanfter Gewalt ins Wohnzimmer. Mit einem müden Lächeln gab Kerry auf, ihm konnte sie noch nie lange widerstehen und so ließ sie sich mitschleifen und sank schließlich auf der tiefroten Couch zusammen. "Ach und seit wann gehst du nicht an dein Handy und beantwortest keine SMS'?", fragte Jason einfach weiter, als sei das Gespräch noch nicht beendet. Kerry machte einen verdutzten Gesichtsausdruck, erinnerte sich aber dann daran, dass sie ihr Handy ja gar nicht bei sich gehabt hatte. Schnell zog sie es aus der Tasche und betrachtete die Anzeige. Zwei SMS und ein Anruf in Abwesenheit. "Vielleicht hatte ich es ausgeschaltet um nicht gestört zu werden.", gab sie schulterzuckend mit letzter Überzeugungskraft zurück. "Bei was könnte ich dich denn mit einer SMS oder einem Anruf schon stören?", konterte ihr Gegenüber, jetzt offensichtlich neugierig geworden. Die junge Frau ließ sich zur Seite fallen und vergrub dabei ihr Gesicht in einem Polster. Etwas unverständlich brummelte sie dann in das Kissen hinein: "...gar nichts an." Jason seufzte hörbar und schien kurz davor aufzugeben. Schließlich stand er auf und verließ das Wohnzimmer um in der Küche zu verschwinden. Sofort ruckte Kerrys Kopf wieder hoch und sie blickte ihm leicht schief hinterher um sich dann wieder ihrem Handydisplay zu widmen. Eine SMS war von Jason, die andere von Aneko. Kerry setzte sich aufrecht hin und las. Die Nachricht war vom vorigen Tag und Aneko lud die Irin zu einem Stadtbummel und anschließendem Eisessen ein. Sofort war Kerrys schlechte Laune, die natürlich noch von dem unangenehmen Morgen herrührte, verflogen und sie tippte eifrig eine bejahende Antwort in das Funktelefon. Eine halbe Stunde später waren die beiden auch schon im Zentrum der Stadt im Kaufrausch. Kerry schwamm zwar momentan nicht gerade im Geld und hielt sich mit dem Kaufen dezent zurück, konnte aber nicht vermeiden die eine oder andere Kleinigkeit zu erwerben. Aneko hatte da weniger Hemmungen und alles in allem war der Einkaufsbummel ein voller Erfolg. Schon während dem hin und herlaufen zwischen sämtlichen Geschäften quatschten die beiden über Dinge, die Kerry gewöhnlich nicht einmal Jason anvertraut hätte. Nun ja, es gab eben keine wirkliche Vertrauensperson in ihrem Leben, so dass sie meist die Dinge mit sich selbst ausmachte. Aneko war eine außergewöhnlich geduldige und mitfühlende Zuhörerin, bei der man jedoch auch nicht das Gefühl hatte, sie würde einen ständig nur bemitleiden. Dazu äußerte sie viel zu direkt und deutlich ihre Meinung, immer einen sanften Ton anschlagend. Beim gemeinsamen Eisessen hatte die Dunkelhaarige Kerry auch soweit, dass diese ihr erzählte was in den letzten beiden Tagen vorgefallen war. Gewisse Details ließ die junge Einwanderin allerdings aus, was jedoch nicht aufzufallen schien und auch niemand zu wissen brauchte. "Du gerätst vielleicht in Sachen hinein, dagegen ist das Studentenleben ja tot langweilig.", kommentierte die Asiatin gerade zwischen zwei Löffeln von ihrem Kiwi Eis. Kerry musste grinsen: "Und ich weiß bis heute nicht mal, wer diese kranken Kerle waren. Es wird einem ja auch nichts erzählt." Nun war es an Aneko ein Lächeln nicht unterdrücken zu können. "Was soll's, solange sie weg vom Fenster sind, aber jetzt mal etwas anderes.", begann Aneko übertrieben bedeutungsvoll und machte eine verheißungsvolle Geste, die wohl absichtlich lächerlich aussah. Kerry jedenfalls sprang grinsend darauf an und horchte auf, während sie sich eine Himbeere in den Mund schob. "Wenn du morgen Abend kein Meeting mit irgendwelchen Kleinkriminellen hast, hätte ich da eine Einladung für dich.", fuhr Aneko geheimnisvoll fort und schob einen Umschlag über den Tisch. Ihr Gegenüber legte keinen Moment den Löffel beiseite, sondern beäugte das Schreiben nur misstrauisch. "Und das ist eine Einladung wohin?", fragte sie schließlich doch neugierig genug. "Nun, zu einem Galaabend. Wohl alle wichtigen Leute der Stadt, die etwas auf sich halten werden dort aufkreuzen, wenigstens für ein paar Minuten. Und bevor du einen Hustenkrampf kriegst,", führte Aneko aus und reichte Kerry eine Serviette, die ihren mit Eis beladenen Löffel hatte fallen lassen und ungläubige Blicke auf ihre Gesprächspartnerin warf. "Es werden auch einige wichtigen Leute aus der Musikszene da sein, eine gute Gelegenheit um Beziehungen aufzubauen.", schloss die Dunkelhaarige schließlich und sah Kerry abwartend an. Diese hatte indessen die Serviette angenommen und sich damit den Mund abgewischt, nachdem sie sich von einem halben Hustenanfall etwas erholt hatte. "Wie kommst du denn darauf, dass ich mich auf so einer Veranstaltung blicken lasse und wie bist du überhaupt an die Einladung gekommen?", fragte sie eher neugierig, als wirklich entrüstet. Die Antwort fiel ruhig und klar aus: "Du hast wohl vergessen, dass ich einen, sagen wir, ,einflussreichen' Vater habe und außerdem ist das völlig eigennützig. Ich habe nämlich keine Lust mich den ganzen Abend alleine zu Tode zu langweilen." Kopfschüttelnd musterte die Kleinere von beiden ihr Gegenüber und langsam schlich sich ein Lächeln auf ihre zarten Lippen. "Du bist echt völlig durch den Wind. Was glaubst du denn, wie man da aufkreuzen muss?!", erwiderte sie schließlich und deutete auf ihre fransigen, roten Haare und ihre lässigen Klamotten, die noch immer die vom Morgen waren. "Ach da lässt sich sicher was draus machen.", setzte die Asiatin an und schickte sich an Kerry einmal durch die roten Fransen zu wuscheln. Diese schreckte grinsend zurück um der Attacke auszuweichen, allerdings ein Stück zu weit, denn der zierliche Stuhl kippte zu weit nach hinten, so dass sie samt Sitzgelegenheit nach hinten umkippte und gleich darauf von einem heftigen Lachanfall durchgeschüttelt wurde. "Das kannst du voll haken.", brachte sie zwischendurch kichernd hervor. ----------------------------- Tja und nun wisst ihr, was sie anstellen wollte... vielleicht kommt die Szene euch sogar bekannt vor, ich hab sie nämlich nicht ganz selbständig entworfen *zugeb* Wer den Film Maverick gesehen hat, kennt sie schon, nur dass es da der Mann war, der seine Brieftasche zurück haben wollte ;) Aber ich fand diese Szene so genial, musste sie einfach mit einbauen. @Black Cat13 Hmmmmm... also über den Ort wo diese Klippe ist, hab ich mir gar nicht so viele Gedanken gemacht, war schließlich ein imaginärer Ort, aber irgendwie könnte es ja sogar sein, dass es in Irland war, wer weiß das schon ;) An der Stelle nochmal ganz vielen vielen vielen lieben Dank an alle, die mir echt jedes Kapitel einen Kommentar schreiben, das baut jedes Mal ur auf, weil es mir deutlich macht, dass ihr wirklich Interesse am Weitelesen habt *gg* Tschauserle Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 12: Rache ist blutrot ----------------------------- 12. Rache ist blutrot Die zartroten Lippen zu einem verbissenen Strich aufeinandergepresst musterte Kerry ihr eigenes Spiegelbild vor sich. Aneko stand hinter ihr und beobachtete, wie ihre neue Freundin sich vor dem Wandspiegel drehte und selbst beäugte. Ganz zufrieden war keine von beiden. Während Kerry von dieser "Schicki-Micki-Party-Idee" von Grund auf nicht begeistert war und lieber ihre lässig bis sportlichen Klamotten tragen würde, hatte Aneko klare Vorstellungen von den Kleidern, die einem solchen Abend angemessen waren. Nun waren sie übereingekommen, dass Kerry sich zwar etwas herausputzen sollte, jedoch auf das Tragen eines Kleides oder Rockes verzichten durfte. Stattdessen trug sie eine dunkelblaue Nadelstreifenhose, die mit glitzernden Silberfäden durchwirkt war, dazu kam ein passendes und weiblich tailliertes Jackett, derselbe Farbe und Stoffes, unter dem die Rothaarige noch eine leichte Bluse in etwas hellerem Blau trug. Zu dem noch ganz angemessenen Ausschnitt der Bluse trug sie ein zartes Silberkettchen, an dem eine längliche Kartusche mit ägyptischen Schriftzeichen glitzerte. Aneko hatte das Gesicht ihrer Freundin noch professionell mit allerlei Make-up verziert, wogegen diese sich anfangs noch wehrte und es dann doch über sich ergehen ließ. Allerdings hätte sie im Traum nicht zugegeben, dass sie eigentlich fand, dass es nicht schlecht aussah, besonders, da man mithilfe der eigentlich eher unauffälligen Schminke ihre noch immer vorhandene Schnittwunde nicht sah. Insgesamt bot Kerry nun ein beinahe atemberaubendes Bild, doch Aneko war noch nicht fertig. "Und jetzt kommen die Haare.", schloss die Dunkelhaarige nach abgeschlossener Betrachtung. Die Irin warf der Asiatin einen vielsagenden, gar nicht begeisterten Blick zu. Offensichtlich fand sie es alles andere als berauschend, ihre roten Fransen heute ordentlich zu frisieren, wenn das denn überhaupt möglich wäre. Seufzend nickte sie dann jedoch und ließ ihre Stylistin ihre Arbeit beenden. Es war 19:43 Uhr am frühen Abend und die beiden hatten sich bei Kerry im Haus getroffen. Der Tag war nichts Besonderes gewesen, bis auf die Tatsache, dass Kerry trotz Erklärungen in der Musikschule eine Kündigung angedroht worden war, würde sie fortfahren so oft nicht zur Arbeit zu erscheinen. Dafür war die Zeit danach recht angenehm gewesen. Kerry hatte Mokuba von der Schule abgeholt, da er heute länger hatte bleiben müssen, aufgrund eines Sonderprojektes. Genaueres hatte die Rothaarige darüber nicht erfahren können, war es jedoch zufrieden heute nicht noch auf seinen Bruder zu treffen. Die beiden hatten einen schönen Nachmittag verbracht, der jedoch recht kurz ausfiel, da Kerry wegen der Einladung Anekos früh wieder zurück musste. Gleich nachdem sie in ihrer Wohnung angekommen war, tauchte auch schon die genannte Person auf um sie von oben bis unten durchzustylen. Und dabei waren die zwei jungen Damen noch immer. Aneko trug ihr pechschwarzes Haar kunstvoll nach oben gesteckt und mit allerlei Zierbändern geschmückt. Ihr samtschwarzes Kleid, dass einfach geschnitten war, sich aber wie eine zweite Haut an ihren Körper schmiegte, fiel ihr bis zu den Knöcheln und brachte ihre hochgewachsene und schlanke Figur hervorragend zur Geltung. Darüber trug sie ein dunkelviolettes Jäckchen mit einigen schwarz-silbernen Stickereien, dass wunderbar zu ihren Augen passte. Nun war die Asiatin dabei auch noch die Haare ihrer Freundin angemessen zu frisieren. Diese wehrte sich zwar nicht direkt gegen die vorgeschlagenen Frisuren, quittierte die meisten jedoch mit eindeutig abgeneigten Blicken. Schließlich gab Aneko nach und versuchte nicht länger den unbändigen Haarschopf von unterschiedlich langen Strähnen zu zähmen. Mit einer letzten kompromissähnlichen, kreativen Eingebung, kämmte sie Kerry das rote Haar aus dem Gesicht nach hinten und steckte es mit vielen kleinen, schwarzen Spangen fest, die hauchdünn und kaum sichtbar waren. Auf jeder war jedoch ein funkelnder, weißer Stein eingesetzt, der das auf ihn treffende Licht brach und in allen Farben des Regenbogens reflektierte. Ein schimmerndes Meer aus zarten Pastellfarben war ihr feuerrotes Haare nun und bei jedem Schritt, bei dem die Wellen von roten Strähnen seicht umherwogen würden, würde ein schillerndes Farbenspiel ihr Haupt einrahmen. Die zwei längsten Strähnen, die der Rothaarigen bis auf die Schultern fielen, bearbeitete die Dunkelhaarige jedoch mit einem Lockenwickler, so dass sie federleicht und beinahe elastisch in seichten Locken und verspielt Kerrys Gesicht von hinten umschmeichelten. Zufrieden lächelnd beendete Aneko ihre Stylingstunde und deutete Kerry in den Spiegel zu schauen. Diese kam der Aufforderung nach, allerdings nicht ohne ihrer Begleiterin ein argwöhnisches Grinsen zugeworfen zu haben. Vor dem großen Wandspiegel betrachtete sie ihre gewandelte Erscheinung und nickte schließlich: "Gar nicht mal so übel." Abschätzend strich sie sich die Jackettjacke glatt und musterte sich noch, als die Asiatin auch schon ihren Arm ergriff und vom Spiegel wegzog. "Na dann können wir ja.", gab sie grinsend zurück, mit einem eindeutigen Augenrollen, das soviel sagte wie "Bilde-dir-bloß-nicht-zuviel-ein." Kerry musste den gemeinten Sinn wohl erkannt haben und streckte der Dunkelhaarigen albern die Zunge heraus, während sie nach ihrer Tasche griff und grinsend auf die Tür zusteuerte. Zu spät Kommen war bei dieser Veranstaltung eigentlich nicht möglich. Jeder konnte kommen und gehen wann man es für richtig hielt, Getränke und Speisen gab es durchgängig und ein festes Programm gab es im eigentlich Sinne auch nicht. Dies war schon mal ein positiver Aspekt, der verhinderte, dass Kerry und Aneko sich zu sehr abhetzten und völlig außer Atem an ihrem Zielort ankommen würden. Die zwei stiegen aus dem kleinen Wagen Anekos und schlenderten über den recht gefüllten Parkplatz zu dem großen Hochhaus hinüber, in dessen 8ten Stockwerk der Empfang stattfand. Schlendern war jedoch etwas einseitig, denn während Kerry wirklich noch lässig vorwärts schritt, obwohl auch sie Schuhe mit hohen Absätzen trug, stolzierte Aneko elegant in das Gebäude hinein. Von einem Wachmann wurden sie gelangweilt beäugt, bevor sich Aneko ohne zu zögern einem gläsernen Aufzug zuwandte. Kerry atmete ein paar Mal tief ein und aus und folgte dann ihrer Freundin. Aller Wahrscheinlichkeit nach musste sie sich nun enorm anstrengen um einen wenigstens halbwegs guten Eindruck zu machen, wenn sie sich auch nicht wirklich verstellen wollte. Das wäre ihr ohnehin nicht im Traum eingefallen, aber höflich und beherrscht sollte sie schon auftreten. Ein kurzes "Pling" verriet der Irin, dass sie das gewünschte Stockwerk erreicht hatten und schon öffnete sich die gläserne Doppeltür des Aufzuges und die beiden Frauen traten beinahe parallel heraus. Doch bevor sie auch nur zwei Schritte auf den Hauptsaal zu machen konnten, trat ihnen ein freundlich, wenn auch ein wenig aufgesetzt lächelnder Mann mit hoher Stirn, grau durchzogenen Haaren und einer Hakennase entgegen und begrüßte sie: "Ms. Haru, sie sehen wieder einmal atemberaubend aus. Es freut mich wirklich außerordentlich sie hier zu sehen. Und wer ist denn ihre entzückende Begleiterin, wenn man fragen darf?" Kerry erwiderte das Lächeln warm, denn trotz des Anscheins, dass dieser Mann sich ständig zum Lächeln zwingen musste, strahlten seine braun-grünen Augen eine aufrichtige Herzlichkeit aus. Bevor die Rothaarige jedoch etwas erwidern konnte, ergriff Aneko das Wort und antwortete mit höflicher Stimme: "Natürlich dürfen Sie, dies ist Kerry O'Hara, eine gute Freundin aus Irland stammend und eine hochbegabte Musikerin, wenn ich das anfügen darf." Beinahe hätte Kerry laut losgelacht und ihrer Freundin einen Stoß in die Seite verpasst, verkniff sich diese Reaktion aber, konnte allerdings nicht verhindern, dass sich ihre Wangen erst rosig und dann dunkelrot färbten, als der Fremde sie auf Anekos Worte hin neugierig und beinahe schon bewundernd musterte. "Meine Freundin ist wirklich zu freundlich, doch sie neigt im Hinblick auf meine Begabung zu Übertreibungen.", warf Kerry etwas unsicher ein, was an ihrem Äußeren jedoch nicht erkennbar war. Allein die unnormale Farbe ihrer Wangen und ein kurzes Niederschlagen der langen Wimpern verriet ihr wahres Unbehagen. Ihr Gegenüber, dessen Name sie noch immer nicht erfahren hatte schien dies allerdings nicht zu bemerken und begab sich zwischen die beiden Frauen um jeder von ihnen einen Arm um die Hüfte zu legen und sie sanft in den Hauptsaal zu schieben, während er fröhlich drauf los erzählte. Wovon er eigentlich sprach, bekam Kerry nicht wirklich mit, denn sie war völlig mit dem Mustern des eindrucksvollen Raumes und der Anwesenden beschäftigt. Auf dem makellos glänzenden Holzparkett tummelten sich unzählige Gäste. Männer und Frauen gleichermaßen vornehm gekleidet und herausgeputzt. Während die Herren der Schöpfung feine Anzüge aus den besten Stoffen trugen, hatten sich ihre Begleiterinnen mit langen Kleidern, die aus glitzernden Stoffen bestanden, angetan. Von Stoff unberührte Handgelenke und Arme, sowie tiefe Ausschnitte wurden von Kleinodien und herrlichen Geschmeiden in Beschlag genommen. Überall wo kein Stofffetzen die glatte Haut der Frauen bedeckte, glitzerte es golden und silbern und auch viele Edelsteine waren vermutlich darunter. Allerdings war das hübsch Aussehen und nett Lächeln auch die einzige Aufgabe der meisten anwesenden Frauen. Beinahe hätte sie sich auch in eines dieser schicken Kleider gewünscht, denn allem Anschein nach war sie wohl der einzige weibliche Gast, der Hosen trug. Hastig schüttelte die Rothaarige diesen Gedanken jedoch ab und ließ sich von Aneko und dem Mann mit der Hakennase bereitwillig durch den Raum schieben. Nach einer Dreiviertelstunde schwirrte ihr vor lauter Namen und Höflichkeitsfloskeln der Kopf. Bisher war ihr nur zweimal ein patziger Kommentar herausgerutscht, aber daran war die zickige Frau dieses, wie hieß er doch, selbst schuld und der andere perverse Spinner hätte seine Hände eben bei sich lassen sollen. Alles in allem jedoch war sie, anscheinend gerade aufgrund ihres ,Andersseins' doch ganz gut bei den wichtigeren Leuten, wie Aneko sie nannte, angekommen. Für den Moment hatte die junge Frau jedoch genug und hatte es tatsächlich geschafft sich erfolgreich von der Kleingruppe um sie und die Asiatin herum abzusetzen. Eine weitere Diskussion über die politische Situation der westlichen Welt hätte sie nun auch nicht mehr ausgehalten. Entschlossen mogelte sich Kerry also durch die herumstehenden Grüppchen und bahnte sich ihren Weg bis hin zum Büffet. Etwas zu Trinken und zu Essen würde ihrem leeren Magen ganz gut tun und außerdem war es sicherlich unhöflich eine essende Person in ein Gespräch zu verwickeln. An den länglichen Tischen, die mit verschiedensten exotischen Speisen gefüllt waren, angekommen angelte sich die Rothaarige erst einmal Teller und Besteck und ging dann auf Streifzug um etwas für ihren Geschmack Leckeres ausfindig zu machen. Nach einiger Zeit hatte sie sich auch ein beachtliches Menü zusammengestellt und überlegte gerade welchen Nachtisch sie nehmen sollte, als sie plötzlich aus den Augenwinkeln etwas, oder besser jemand entdeckte. Jemand, der ihr nicht ganz unbekannt war, ihr aber sofort ein flaues Gefühl, der nicht ganz angenehmen Sorte in der Magengegend verursachte. Beinahe hätte die junge Frau ein genervtes "Oh nein!" von sich gegeben, unterdrückte dies jedoch schnell und musterte die Gestalt eindringlich. Ihr Zielobjekt, Seto Kaiba, war nicht allein und sprach gerade mit zwei sich anscheinend sehr wichtig vorkommenden Neureichen, die mit den riesigen Ringen an den Fingern übertrieben selbstgefällig wirkten. "Dann sind sie ja in bester Gesellschaft.", schoss es der Rothaarigen durch den Kopf, während sie etwas Schokoladen Mousse in ein Schüsselchen löffelte und ein hämisches Grinsen schlich sich auf ihre Lippen, als sie die drei musterte. Ganz offenbar gefiel es Kaiba überhaupt nicht mit den beiden Männern zu reden, denn auf seinem sonst ausdruckslosen und unterkühltem Gesicht spiegelte sich nun Ärger. Ohne weiter darüber nachzudenken beäugte Kerry den jungen Geschäftsmann genauer. Er trug, leider Gottes, keinen langen Mantel, was sie sehr verwunderte, war er doch allem Anschein nach völlig vernarrt, ja geradezu besessen von diesen Dingern. Eigentlich kein Wunder, sie passten perfekt zu seinem Image, das ja nur Kälte und Coolness ausdrückte. Statt der dunklen, engen Kleidung von den Vortagen hatte er, genau wie alle anderen Männer hier, einen Smoking an. In dem schicken Anzug kam seine Figur nicht ganz so gut zur Geltung, wie Kerry mit kritischem Blick feststelle, seine breiten Schultern jedoch wurden besser hervorgehoben. Allerdings passte dieser Anzug nicht ganz zu seinem Image, da konnte man sagen was man wollte. Was die Aufmachung des jungen Kaiba jedoch von den anderen Männern eindeutig unterschied, war die Farbe seiner Kleidung. Der Smoking war schneeweiß und auch Manschetten, Hemd und Krawatte waren in hellen Farben gehalten. Normalerweise hatte die Rothaarige immer weiß mit Reinheit verbunden, aber die Kombination Kaiba-Weiß, konnte man wirklich nicht als rein bezeichnen, es wirkte eher reserviert und unterkühlt. Erst jetzt bemerkte Kerry, dass sie noch immer von dem süßen Nachtisch in ihre Schüssel scheffelte und ihr Blick starr und höchstwahrscheinlich recht auffällig auf die Dreiergruppe gerichtet war. Hastig wandte sie sich ab und musterte die Masse an Mousse, mit der das Glasschüsselchen mittlerweile gefüllt war, mit abgeneigtem Blick. Die Hälfte davon würde mit Sicherheit übrig bleiben, aber wen störte das schon. Schnell drehte sie sich um und zwängte sich an einer gut beleibten Dame vorbei, die sich gerade ebenfalls am Büffet bediente. Verstohlen schaute die schlanke Frau noch einmal zurück um sicherzugehen, dass sie nicht entdeckt oder bemerkt worden war und stellte erleichtert fest, dass die drei Männer noch immer verbissen in ihr anscheinend teilweise unfreiwilliges Gespräch verwickelt waren. Mit einem unbemerkten Augenrollen drehte Kerry ihren Kopf wieder herum und suchte sich einen Weg hinüber zum anderen Teil dieses Raumes, wo einige elegante Tischgarnituren und bequeme Stühle mit türkisfarbenen Polstern platziert waren. An einem noch freien Tisch ließ sich die Rothaarige erleichtert nieder. Entweder litt sie schon unter Verfolgungswahn, oder ihr Schicksal trieb ein unschönes Spiel mit ihr. Von allen ihr bekannten Personen war Kaiba der Letzte, den sie hier antreffen wollte. Wenn es nach ihr gegangen wäre hätte sie ihren Job bei ihm ohnehin einfach hingeschmissen um diesen arroganten Mistkerl nie wieder zu sehen. Ohne es zu wollen kamen ihr jedoch plötzlich wieder Momente ins Gedächtnis, in denen er so anders gewirkt hatte und in denen sie geglaubt hatte sein ganzes Verhalten sei nur Fassade. Unvermittelt fragte die junge Frau sich, ob es wirklich möglich war, sein gesamtes Leben mit einer solchen Maske herumzulaufen und nie sein wahres Ich zu zeigen. Die eigene Antwort fiel klar aus: Nein und doch hoffte sie tief im Inneren, dass sie falsch lag. Unwillig schüttelte sie diese Gedanken ab und stellte fest, dass sie unbewusst angefangen hatte sich die Speisen von ihrem Teller in den Mund zu stopfen, so dass dieser schon halb geleert war. Zum Glück war ihr das nicht mit dem Nachtisch passiert. Mit einem Lächeln schüttelte sie aufgrund ihrer eigenen Schusseligkeit den Kopf. Seufzend legte sie die Gabel beiseite und erhob sich wieder um zur Bar hinüberzuschlendern und sich etwas zu trinken zu besorgen. Eigentlich könnte sie sich ja etwas Alkoholisches gönnen, schließlich würde Aneko heute Abend fahren, dachte sie über ihre Wahl nach, während sie sich hinten an der nicht allzu langen Menschenschlange vor der Bar anstellte. Den ganzen Abend hindurch waren hier zwei Personen stationiert, die den Besuchern die exotischen Wünsche von den Augen ablesen und sofort erfüllen sollten, ein ziemlich nervender Job, wenn man Kerry gefragt hätte. Schließlich war sie an der Reihe und fand sich vor einer dunklen Kirschholztheke wieder, hinter der ein junger Mann mit einem charmanten Lächeln stand und sie nach ihrem Wunsch fragte. Hinter ihm war ein langes Regal mit unzähligen, verschiedenen Flaschen von ebenso vielfältigen Getränken aufgebaut, während auf der Theke blitzende Gläser und ein Behälter mit Eiswürfeln stand. "Ein Weißwein.", gab sie von sich, das Lächeln amüsiert erwidernd. In der Zeit, in der der junge Kellner ihrer Bestellung nachkam ließ sie ihren Blick über den Raum schweifen und sie begann die Personen in der Schlange neben ihr zu mustern. Jäh unterbrach sie diese Beobachtung jedoch, als sich eine vertraute Gestalt in schneeweißer Kleidung ganz hinten anstellte und sichtlich ungeduldig darauf wartete dran zu kommen. Spontan kam Kerry eine Idee, aus der sich schnell ein Plan entwickelte. Der klare grüne Blick der Rothaarigen verdunkelte sich kurz und ein vorfreudiges Grinsen schlich sich auf ihre Lippen, als sie ihre Bestellung um ein Glas Rotwein erweiterte und noch einmal kurz zu dem weißgewandeten Geschäftsmann blickte. Die Dame vor ihm, deren Ausschnitt wohl mehr zeigte als bedeckte, hatte den Mann hinter ihr anscheinend auch gerade erkannt und mit einem zuckersüßen Lächeln ihren Platz zu seinen Gunsten aufgegeben. So war der junge Schnösel jetzt ebenfalls an der Reihe und gab mit unverhohlener Langeweile seine Bestellung ab, als Kerry zwei Gläser auf die Theke gestellt bekam. Mit jeweils einer Hand schnappte sie sich die Gläser und lächelte dem Bediensteten noch einmal kurz zu und wandte sich schnell ab. Als sie allerdings aus der Reihe getreten war hatte sie es überhaupt nicht mehr eilig und schlenderte übertrieben langsam zwischen den beiden Warteschlangen zurück. Ob Seto sie entdeckt hatte, wusste sie nicht, aber das tat auch nichts mehr zur Sache, denn ihr Plan machte ein Treffen unvermeidlich, was auch gar nicht so schlimm war. Schließlich bog die Rothaarige hinter der Reihe von Menschen nach links ab und tat so, als wolle sie weiter in den Raum hinein und sich wieder zu den Massen gesellen, blieb jedoch knapp hinter den wartenden Personen stehen um sich ein Stück zurückzuziehen. Das Glas mit dem hellen Getränk trug sie in der linken Hand und hielt es ein Stück von ihrem Körper weg, während das Rotweinglas direkt vor ihr gehalten wurde und leicht nach vorne geneigt war. Etwas Weißes blitzte zwischen dem schwarz und dunkelblau der Roben der anderen Personen auf und Kerry verbiss sich ein vorfreudiges Lächeln, als sie scheinbar zufällig wieder nach vorne trat um ihren Weg fortzusetzen. Beinahe punktgleich bog Seto Kaiba nach links ab um eben genau diese Richtung ebenfalls einzuschlagen und prallte direkt auf die rothaarige Gestalt. Diese machte einen Ausfallschritt nach hinten, ohne das Glas mit sich zurückzuziehen, dessen Inhalt bei dem Aufprall in einem eleganten Bogen aus seinem Behältnis schwappte und sich über die zuvor makellose Kleidung des jungen Mannes ergoss. Ein weinroter Fleck bildete sich auf dem Jackett bis zum linken Hosenbein und ein wenig der rötlichen Flüssigkeit tropfte zu Boden. Kerry hielt den Blick gesenkt um ihr schadenfrohes Grinsen zu verbergen und erst als sie es geschafft hatte einen überraschten Gesichtsausdruck aufzusetzen, blickte sie ruckartig auf. ------------------- Und nun kommen wir wieder zu den allseits beliebten Kommentaren zu den Kommentaren Hätte gar nicht erwartet einen solchen Hass auf Seto anzufachen, er ist doch immer so fies ;) Außerdem war es mit der ,Party' wohl zu offensichtlich, wen sie treffen würde, aber gut, solang ihr nicht auch noch herausgefunden habt, was Kerry tun wird, ist es nicht allzu niederschmetternd. Zum Thema ,Karte ersetzen'. Wie kommt ihr auf die Frage ,Wann wird er sie ersetzen'? Ich dachte eher an: ,Wird er sie überhaupt ersetzen'? *gg* Besonders gefreut hab ich mich über deinen Kommentar Namischatz *hupf* War irgendwie voll aufbauend zu hören, dass die Gefühls- und Gedankenwelt der Charaktere irgendwie nachvollziehbar rüberkommt *knuddel* Ach ja und die letzte Drängelei war natürlich nicht gerade das Positivste. Ich will dazu nur sagen, dass ich ja nicht verpflichtet bin an der FF zu schreiben. Jeder hier macht das in seiner Freizeit nehme ich an und wenn er gerade Lust und Laune hat, was bei mir momentan weniger der Fall war, leider, muss ich auch selber sagen. Außerdem habe ich, wie wohl jeder andere auch, noch gewisse Pflichten im RL wie Schule, Freunde und Family um die ich mich kümmern muss und die bei mir dann ganz klar vor dem Schreiben stehen, meistens jedenfalls ;) Aber jetzt nach meinem Birthday hab ich es mal wieder hinbekommen in guter Laune was fertig zu schreiben und nicht wieder zu löschen, was hoffentlich in Zukunft auch so bleibt... Tschauserle Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 13: Austeilen und Einstecken ------------------------------------ 13. Austeilen und Einstecken Ihre Blicke trafen sich. Ohne es unterdrücken zu können begann Kerry beim Anblick der tödlich funkelnden blauen Augen zu frösteln. Eine klirrende Kälte ging von ihnen aus, die wohl jedem halbwegs interpretationsfähigen Menschen Angst eingeflößt hätte. Stumm presste die Rothaarige ihre Lippen zusammen und unterdrückte den Drang sofort eine um Gnade flehende Entschuldigung auszusprechen. Kaibas Züge waren ebenso wie sein Blick völlig erstarrt und seine markanten Gesichtszüge wirkten noch härter als üblich. Auch er sagte kein Wort und regte sich nicht, obwohl auch er seine gesamte Körpermuskulatur angespannt hatte. Mit allem Mut, den sie noch aufzubringen wusste, meinte Kerry plötzlich möglichst gelassen: "Hab' ich schon erwähnt, dass dir Weiß nicht steht?" und machte sich darauf gefasst schnell eine gesalzene Standpauke zu erhalten. Doch zu ihrem Erstaunen änderte sich weder die Mimik ihres Gegenübers, noch reagierte dieser irgendwie. Mittlerweile hatten einige nahestehende Personen den Zwischenfall bemerkt und schauten immer wieder neugierig hinüber, natürlich auf eine sehr dezente Art und Weise, denn als Gaffer sollte man sie ja nicht abstempeln können. Nachdem keine Reaktion kam wagte sich Kerry noch ein Stück weiter: "Warum rennst du auch in der Gegend herum, die Nase so hoch erhoben? Klar, dass man da andere nicht mehr wahrnimmt und in sein Unglück rennt." Ihr Tonfall verriet deutlich die Zweideutigkeit ihrer Worte und ihre Augen glitzerten herausfordernd. Sie hatte es auf eine Konfrontation angelegt und ihr angestauter Ärger über diesen Kerl drohte sich jeden Moment zu entladen, tödlicher Blick oder nicht. Nun traten schon zwei, drei Leute näher zu ihnen heran und machten deutlich, dass sie mehr als neugierig waren. Dies war wohl Seto Kaiba auch nicht entgangen, denn plötzlich packte er die rothaarige Frau ihm gegenüber hart am rechten Handgelenk, in der sie noch immer das nun leere Glas hielt und zerrte sie ruckartig herum, um mit ihr im Schlepptau den Raum zu verlassen. Kerry, völlig überrascht von dieser Handlung verschüttete nun auch noch den Weißwein in ihrer anderen Hand und hätte beinahe das Glas verloren, während sie einen Aufschrei unterdrückte, denn es war nicht gerade das angenehmste Gefühl, wenn man das Handgelenk abgedrückt bekam. "Lass mich los!", zischte sie möglichst leise, damit nur er es hören konnte, doch auch darauf folgte keine Reaktion und so versuchte sie sich aus seinem eisernen Griff zu winden, ohne Erfolg. Kerry hatte keine Ahnung wo sie hingezerrt wurde, oder was ihr dort angekommen blühen würde, aber sie bereitete sich vor ebenso hart zu sein wie Seto, sie würde sich als ebenbürtig erweisen, soviel stand fest. Ein Ruck von dem vorher Genannten, der sie straucheln ließ, brachte sie wieder in die Wirklichkeit zurück und ließ ihre Vorsätze lächerlich erscheinen. Mit dieser Mischung aus professioneller Brutalität und kalter Arroganz konnte sie im Leben nicht mithalten. Eine Tür wurde aufgerissen und sie mit hineingezogen. Das nächste was die junge Frau spürte war die Kälte von hellgrünen Fließen an ihrem Rücken, gegen die sie gepresst wurde. Kaiba hatte sie unsanft herumgedreht und gegen die Wand des offensichtlichen Bades gedrückt. Seine Hand umfasste noch immer ihr Handgelenk, die Gläser in ihren Händen waren verschwunden, anscheinend hatte sie sie doch fallen lassen. Die andere seiner Hände hatte er neben ihr an die Wand gestützt und sein Blick war direkt auf sie fixiert. Wenn er sie erniedrigen wollte, hätte er sich kaum eine beengendere Position ausdenken können, denn am liebsten wäre Kerry sofort geflohen, aber der unnachgiebige Griff um ihren Arm ließ jeden Gedanken an ein Entkommen zerspringen. "Was soll das?", entsprang es ihrem vorlauten Mundwerk, noch bevor sie sich selbst daran hindern konnte. "Das frage ich dich. Was sollte das eben? Hast du sie nicht mehr alle, oder legst du es darauf an mich dir zum Feind zu machen?", konterte der Geschäftsmann kalt. Es war das erste Mal an diesem Abend, dass sie ihn etwas sagen hörte und augenblicklich zuckte sie zurück. Der sonst so beherrschte und kalte Ausdruck in seiner Stimme war verschwunden und unterdrückter, aber gefährlich brodelnder Zorn schlug ihr aus seinen Worten entgegen. Kaiba war hochgradig wütend und wohl kurz davor seine Beherrschung zu verlieren. Zuvor noch so darauf bedacht diesen Zustand bei ihm herbeizuführen, wünschte sich die Rothaarige nun, sie hätte diesen Wunsch niemals ausgesprochen oder sich nur vorgestellt. Kurz wandte sie ihr Gesicht nach rechts um seinem Blick auszuweichen, sog scharf die Luft ein und wagte erst dann wieder sich ihm zuzuwenden. "Was ist dein Problem? Du hast mit diesen Kämpfchen angefangen!", erwiderte sie mit bebenden Lippen. Trotz ihrer Angst, die sich langsam in ihrer Magengrube ausbreitete, würde sie keinen Schritt zurückweichen, sie würde ihre Stellung verteidigen, niemals würde sie freiwillig auch nur einen Zentimeter an ihn abgeben. Kaiba schien einen Moment zu überlegen, bis er begriff, dass sie auf die Angelegenheit mit der Karte anspielte. Anscheinend wusste er darauf nichts zu erwidern und kurz lockerte sich der Griff um ihr Handgelenk, so dass sie sich blitzschnell aus seinem Griff winden konnte und unter seinem Arm wegtauchte. Möglichst beherrscht um überlegen zu wirken schritt sie auf die Tür zu, als sie zurückgerissen und gegen ein Waschbecken gedrückt wurde. Ein gedämpfter Aufschrei entfuhr ihren Lippen und sie wollte schon zu einem wütenden Kommentar ansetzen, als Kaiba ihr entgegenbellte: "Du bist mein Problem!" Perplex hielt Kerry inne. Irgendwie war ihr das ja schon klar gewesen, aber andererseits klangen seine Worte merkwürdig, als sollten sie als allumfassende Erklärung für sein Handeln gelten, was sie nicht ganz nachvollziehen konnte. Der Braunhaarige hatte sich mittlerweile über sie gebeugt und der Rand des moosgrünen Waschbeckens bohrte sich unangenehm und kühl in ihren Rücken, während sie ihren Oberkörper ein Stück zurückbog um seinem Gesicht auszuweichen, hielt dann jedoch in der Bewegung inne und hielt stand. Aufgrund ihres Unverständnisses bezüglich seiner letzten Worte, war der Gesichtsausdruck der jungen Frau nun hauptsächlich von Verwirrung gezeichnet, obwohl die kristallgrünen Augen noch immer zornig blitzten. "Ach? Ich bin dein Problem? Das ich nicht lache! Und wie komme ich zu der zweifelhaften Ehre eine Rolle im Leben Seto Kaibas des Großartigen zu spielen?", gab Kerry schließlich wutschnaubend zurück, während sie sich nun etwas nach vorne drückte und so gefährlich nahe an sein Gesicht kam, so dass sie seinen warmen Atem auf ihren Wangen spüren konnte. "Auch wenn es nur die Rolle eines Problems ist.", schloss sie etwas unsicherer und presste sofort wieder die Lippen aufeinander. Sofort erwiderte er sichtlich gereizt: "Du bildest dir ganz schön was ein, Kleine. Du bist nichts weiter als ein Störfaktor, den ich nur wegen meinem Bruder ertrage, aber ich warne dich, wenn du dich mit mir anlegen willst, kannst du das gerne haben, aber ich schwöre dir, du wirst es bereuen." Damit ließ er sie los und stieß sie von sich weg. Kerry blinzelte kurz, als ihr Kreuz gegen den Beckenrand gestoßen wurde und stolperte dann sofort nach vorne um von dem Auslöser der Schmerzen Abstand zu gewinnen. Mit grimmiger Miene hielt sie sich den Rücken, konnte aber nicht anders, als dieses Gespräch weiterzuführen: "Um es noch mal zu betonen, du hast damit angefangen, vergiss das nicht." "Ich habe gar nichts, du warst diejenige, die...", begann der Geschäftsmann abweisend und mit einer abfälligen Geste in ihre Richtung. Patzig schlug Kerry seine Hand beiseite und unterbrach ihn scharf: "Ach komm, hör schon auf, das ist so lächerlich. Wir wissen beide, dass das mit der Karte volle Absicht war, deine Absicht und ich weiß immer noch nicht was es sollte, aber du hast mindestens die gleiche Schuld wie ich. Gib es endlich zu, du bist doch sonst immer so stolz darauf, so direkt zu sein!" Die Rothaarige hatte zwei Schritte zu ihm hin gemacht und die Hände in die Hüften gestemmt, während sie ihn auffordernd ansah. Seto zögerte. "Wenn du die Karte nicht festgehalten hättest, wäre das nicht passiert!", fügte sie stur hinzu. "Und wenn du nicht so daran herumgerissen hättest, wäre es ebenfalls nicht passiert!", konterte Kaiba mit lauter Stimme und baute sich nun ihr gegenüber mit festem Blick auf die kleinere Person auf. "Du hättest dir die Karte gar nicht erst nehmen dürfen!", verteidigte sich Kerry nun und streckte sich ein Stück um größer zu wirken, sich kaum bewusst wie kindisch die Situation zu werden schien. Innerlich musste sie Kaiba in diesem Punkt allerdings Recht geben. Dieser antwortete beinahe sofort: "Und du hattest in meinem Zimmer nichts zu suchen!" Kerry senkte nicht den Blick oder wich ihm aus, aber das Grün ihrer Augen und die darin befindliche Härte milderte sich augenblicklich. Er hatte genauso recht wie sie, beide hatten sie Fehler gemacht und sie würde ihre auch eingestehen. Noch einmal atmete sie langsam ein und aus und lenkte dann ein: "Ok, du hast recht..." Ein triumphierendes Glitzern trat in das Saphirblau der Augen Setos, doch Kerry sprach unbeirrt weiter: "...aber ich ebenso." Sofort verdunkelte sich sein Blick wieder und die altbekannte arrogante Kälte strahlte wieder aus ihnen. Kerry verdrehte die Augen, sie wusste schon jetzt, dass er es nicht zugeben würde, dass auch er Schuld an der ganzen Angelegenheit hatte. Dennoch wollte sie noch nicht aufgeben und sprach weiter: "Wir haben beide nicht gerade sehr vorbildlich gehandelt und es tut mir leid, dass ich deinen Anzug ruiniert habe." Dabei deutete sie auf den mittlerweile angetrockneten rötlichen Fleck auf seiner Kleidung. Natürlich kam keine Zustimmung oder gar eine Entschuldigung von dem jungen Mann, doch seine Haltung lockerte sich etwas. "Das ist nicht weiter schlimm, ich ziehe dir das Geld von deinem Gehalt ab.", war die unterkühlte Antwort. Mr. Seto Kaiba hatte sich anscheinend wieder völlig im Griff. Im Inneren noch selbst darüber verwundert, dass dieses Mädchen es geschafft hatte, dass er fast die Fassung verlor und dass er ihr beinahe mitgeteilt hätte, was sie in ihm auslöste, ließ er nach Außen hin keinen seiner Gedanken durchblicken. "Sehr großzügig und so einsichtig.", spottete Kerry halblaut und wandte sich von dem hochgewachsenen Mann ab und sich gleichzeitig einem Spiegel, der über einem Waschbecken hing, zu. Ohne sich weiter um Seto zu kümmern blickte sie grimmig ihr Spiegelbild an und versuchte ihre Enttäuschung zu verbergen. Erst als Kaibas schwere Schritte zu hören waren und das Zuschlagen der Badtür, die er hinter sich zuzog, entspannte sich die Rothaarige ein wenig und ein Seufzen entfuhr ihren Lippen. Ein fantastischer Abend war dies nun gewesen und abgesehen davon, dass sie nun erst mal ohne Bezahlung für diesen Sturkopf arbeiten durfte, war nichts dabei herausgekommen. Doch natürlich, sie hatte sich in seinen Augen als schwächlich gezeigt, da sie sich entschuldigt hatte, aber in ihren Augen war es das ganz und gar nicht. Es hatte sie einige Überwindung gekostet, gerade bei Kaiba und er hingegen hatte es nicht zustande gebracht, obwohl er sicherlich eigentlich auch wusste, dass er mitschuldig war, hoffte sie wenigstens. Irgendwie beruhigte sie das ansatzweise und so verließ sie mit gemischten Gefühlen das Bad um zu Aneko zurückzukehren. Auf einmal war die Aussicht auf ein langweiliges Gespräch über die Vorzüge asiatischer Seidenstoffe weitaus angenehmer als jeder weitere Gedanke, der sich mit diesem verwirrenden Mann mit den meerblauen Augen beschäftigte. Seto Kaiba verließ ohne ein weiteres Wort mit irgendjemand zu wechseln, das Gebäude und lief vor dem Wolkenkratzer ein paar Mal auf und ab, bevor er sich seiner Limousine auf dem Parkplatz zuwandte und sich nach Hause fahren ließ. Die Fahrt über starrte er durch die getönten Scheiben nach draußen in die neblig düsteren Straßen der Stadt und nahm doch nichts von alledem wahr. Er hatte tatsächlich die Fassung verloren und beinahe wäre die Situation eskaliert, hatte er doch den unbeschreiblichen Drang verspürt Kerry die Luft abzudrücken oder ihr eine Ohrfeige zu verpassen, nur damit sie endlich schwieg. Jedes ihrer Worte traf immer genau ins Schwarze, so wahr wirkten sie auf ihn. Immer hatte er das Gefühl vor ihr ein offenes Buch zu sein und das quälte ihn, machte ihn aggressiv und ließ ihn seine jahrelang trainierte Fassade vergessen. Außerdem musste er zugeben, dass er über die Angelegenheit mit seinem Anzug eher überrascht war, als wirklich zornig. Es hatte ihn geschockt, dass sich irgendjemand so etwas erlaubte, aber dann hatte die Rothaarige auch noch die Frechheit gehabt statt einer Entschuldigung ihn schnippisch zu beleidigen. Warum nur regte er sich darüber so auf? Sonst brachte ihn nichts und niemand zur Weißglut, weil ihm eigentlich alles und jeder egal war. Aber dann hätte es ja bedeutet, dass Kerry ihm etwas bedeutete. Unvermittelt zuckte Seto zusammen, als ihm dieser Gedanke kam und er die Worte der Frau wieder hörte: "Und wie komme ich zu der zweifelhaften Ehre eine Rolle im Leben Seto Kaibas des Großartigen zu spielen?" Wie ein lästiges Insekt schüttelte der kühle Geschäftsmann all diese Gedanken ab und richtete seinen starren Blick von der Straße auf den Sitz vor ihm. Äußerlich keine enorme Veränderung, doch innerlich richtete er auch seine Gedanken anders aus und beschäftigte sich mit den vor ihm liegenden Arbeiten, die er noch zu erledigen hatte, wenn er nach Hause käme. Vermutlich würde es wieder eine schlaflose Nacht werden. Die Zeit blieb nicht stehen. Immer weiter drehte sich das Rad der Jahreszeiten und aus den größtenteils sonnigen Spätsommertagen wurden langsam typisch bewölkte und windige Herbsttage. Einige Wochen vergingen und die Blätter der wenigen in der Stadt befindlichen Bäume und der Wälder auf dem Land begannen sich von saftigem Grün in warme braun-, rot- und Goldtöne zu färben. Die kälteempfindlicheren Leute begannen mit Jacken und Regenschirmen auf die Straßen zu gehen und auch Fahrradfahrer wurden weniger gesichtet. Für Kerry waren die Tage gefüllt mit einem langsam als normal zu bezeichnenden Alltagstrott. Sie arbeitete in der Musikschule, traf sich mit Aneko, ärgerte sich mit ihrem PC herum, führte lange Gespräche mit Jason und unternahm natürlich ihrem Vertrag gemäß vier Mal in der Woche etwas mit Mokuba. Seto Kaiba traf sie in diesen Wochen kaum bis gar nicht und wenn, dann beschränkten sich ihre Treffen auf düstere Blicke oder patzige Kommentare von beiden Seiten. Mokuba beobachtete dies mit wachsendem Unbehagen und bat schließlich Kerry doch etwas freundlicher zu seinem heißgeliebten Bruder zu sein. Ob er dies eben jenem ebenfalls vorschlug, wusste sie nicht, aber bei beiden hatte dies wenig Einfluss auf ihr Verhalten. Mitte September war die junge Frau gerade auf dem Weg um Mokuba abzuholen als ihr Handy klingelte und der schwarzhaarige Junge am Apparat war. Er erklärte, er wolle mit ein paar Freunden etwas unternehmen und sich später mit Kerry bei Kaibas zu Hause treffen. Seufzend ging die Rothaarige auf den Vorschlag ein, legte auf und wendete ihre Maschine um zum Anwesen der Kaibas zu fahren. Doch als sie plötzlich um eine Straßenecke bog, fiel ihr ein vor einem kleinen Laden aufgestelltes Schild auf. In leuchtend roter Schrift waren auf gelben Untergrund die Worte "Neue Duel Monster Karten!" aufgedruckt. Einer Eingebung folgend legte Kerry eine Vollbremsung hin und parkte sachgemäß ihr Verkehrsmittel an der Straßenseite, bevor sie die Tür des Ladens aufdrückte und das Gebäude betrat. Eine kleine Türglocke ertönte, als die Tür dagegen geschoben wurde und kündigte das Eintreten eines Kunden an. Kerry kam nach zwei Schritten sofort wieder zum Stehen, da sie selbst erst einmal nicht wusste, was sie hier eigentlich wollte. Sicher, sie wollte sich nach einem neuen "Tyrant Dragon" umschauen, aber finanziell würde sie ihn sich ohnehin nicht leisten können. Schulterzuckend trat sie dann jedoch weiter auf die Theke zu und schaute sich um. Niemand war zu sehen und die Rothaarige setzte schon dazu an nach jemand zu rufen, als die Türglocke sich abermals bemerkbar machte und kurz darauf die Stimmen zweier Jungs ertönte, die sich gerade fröhlich unterhielten. Neugierig drehte sich Kerry herum und musterte die beiden vermeintlichen Kunden. Beide hatten blonde Haare, doch trug der größere von beiden sie fransig ins Gesicht fallend, während die Strähnen des anderen das Gesicht eher einrahmten. Der Kleinere der beiden, der ungefähr so groß war wie Kerry, bemerkte sie plötzlich und trat mit einem höflichen Lächeln, das beinahe schüchtern wirkte, auf sie zu. "Entschuldige, mein Name ist Yugi Mutou, der Laden gehört meinem Großvater, kann ich dir helfen?", fragte er etwas zögerlich, was seinem Gegenüber ein warmes Lächeln auf die Lippen zauberte. "Ich wollte nur wissen, ob ihr eine bestimmte Duel Monsters Karte zum Verkauf anbietet, aber dein Großvater scheint nicht hier zu sein.", erwiderte Kerry leichthin und zuckte mit den Schultern. Nun schaltete sich plötzlich auch der größere Junge von ca. 18 oder 19 Jahren ein und versicherte mit lässigem Tonfall: "Kein Problem, Yugi kennt den Laden hier so gut wie seine eigene Westentasche, stimmt's Alter?" Yugis Wangen nahmen sofort einen rötlichen Schimmer an, als er abwinkte und erst einmal seinen Begleiter vorstellte: "Das ist mein Freund, Joey Wheeler." Kerry reichte ihm grinsend die Hand und nickte leicht, bevor Yugi von Neuem das Wort ergriff. "Um was für eine Karte handelt es sich denn?" Die Rothaarige nannte den beiden den Namen und stieß bei Joey auf Unwissen, Yugi jedoch hatte von der Drachenkarte gehört, meinte jedoch, dass sie diese hier nicht zum Verkauf anböten. Trotz des Misserfolges dankte Kerry den beiden und unterhielt sich noch eine Weile mit ihnen, bevor sie den Laden wieder verließ und sich etwas enttäuscht auf den Weg zum Anwesen der Kaibas machte. Nach einer eigentlich überflüssigen Diskussion mit den Wächtern am Tor, in der es darum ging, wo Mokuba war, von wem sie die Genehmigung hatte hereingelassen zu werden und weiteren Nichtigkeiten, erreichte Kerry endlich die Villa, schwang sich von ihrem Motorrad und stieg die Stufen zu der riesigen Haustür empor. Viel einfacher als auf den Hof, kam sie in das Gebäude selbst hinein, denn die Angestellten kannten sie mittlerweile alle ganz gut und machten nicht jedes Mal so ein Theater wie die Sicherheitsleute in ihren obercoolen schwarzen Anzügen. Scheinbar dachten sie, darin sähen sie annähernd gut aus, wie Will Smith in Men in Black. Ziellos schlenderte Kerry nun erst einmal die gewundene Treppe hinauf und blieb am oberen Treppenansatz stehen und überlegte was sie jetzt tun könnte. Eine Hausdurchsuchung bot sich ja geradezu an. Mokuba würde erst in einigen Stunden heimkommen, Seto Kaiba noch später, wenn überhaupt. In letzter Zeit hatte er, wie Mokuba es ihr erzählt hatte, die Angewohnheit bekommen in der Firma durchzuarbeiten und wenn er nach Hause kam, hing er ebenfalls nur an seinem Laptop oder PC und machte keine Pause. So etwas konnte nicht gesund sein, aber die Rothaarige hielt sich dezent mit dieser Meinung zurück. Schließlich ging sie ziellos weiter und die ähnlichen Flure entlang. Nachdem sie schon dreimal wieder an der Treppe angekommen war, entschied sie sich doch dazu einmal eine der Türen zu öffnen und einen Raum zu betreten. Auszählen, welche es sein sollte, wäre eine Möglichkeit gewesen, doch eine hohe Holztür mit zwei Flügeln am Ende eines Ganges stach ihr so sehr in die Augen, dass sie einfach nicht widerstehen konnte und ihre Hände auf die Griffe legte. Vorsichtig zog sie an einem Flügel, der sich ohne Knarren oder ein anderes Geräusch langsam nach außen ziehen ließ. Mit einem verstohlenen Blick hinter sich schob sich Kerry durch den kleinen Spalt und drehte sich dann sofort dem Rauminneren zu. Vor Überraschung wäre der jungen Frau beinahe die Kinnlade heruntergeklappt und ihre Augen weiteten sich ein Stück als die den vor ihr liegenden Raum gewahrte. Sie hatte Seto Kaibas Schlafgemach ja schon für überaus interessant gehalten, doch dieses Zimmer übertraf alles was sie sich in diesem Haus hätte vorstellen können. Allem Anschein nach war dies die Hausbibliothek, denn soweit das Auge reichte gab es nur Bücher zu sehen. Die Wände waren mit riesigen Regalen aus dunklem Holz bestückt, zwischen denen ab und an ein großes, beinahe bis zur Decke reichendes Fenster mit milchigen Scheiben eingelassen war um den Raum in ein dämmriges Licht zu tauchen. Offensichtlich lag der Raum an einem Ende der Längsseite des Hauses und so war diese Front von vorne nicht zu sehen. Zwei verschiebbare Leitern reckten sich elegant an den Regalen empor und ermöglichten so auch zu den höchsten positionierten Schriften einfachen Zugang. Langsam schweifte Kerrys Blick von den Wänden ab und glitt über den Boden und das untere Viertel des Raumes. Sie stand auf hölzern gemustertem Parkettboden, der sich offensichtlich durch den ganzen Raum zog. Dieser war eigentlich nicht gerade groß, es war eher die Höhe die ihn imposant erscheinen ließ. Die verbleibende Raummitte war mit einem dunklen Sofa und zwei Sesseln gefüllt und an einer Seite stand noch ein länglicher Tisch mit einigen bequemen Stühlen dahinter. Hier sollte wohl sowohl gelesen als auch gearbeitet werden. Kerry jedenfalls fühlte sich in dem hohen Raum, der geradezu nach bedruckten Seiten voller Wörter und Sätze roch, auf Anhieb wohl. Es war beinahe eine magische Anziehungskraft, die von den hohen Regalen voller Schriften ausging und Kerry weiter in den Raum hineinzogen, so dass sie sich schließlich auf einer Leiter balancierend wiederfand und die unzähligen Titel durchging. Ab und an war ihr der ein oder andere Autor oder Buchtitel bekannt, doch das Meiste war nicht halb so interessant wie sie gedacht hatte. Enttäuscht stieg sie langsam die erste Leiter herab und durchforstete dabei mit ihrem Blick die weiter unten gelegenen Buchrücken nach etwas Interessantem. Mit diesem mehr oder weniger sinnlosem System durchsuchte sie die Ganze Bibliothek und entdeckte schließlich, dass es eine gewisse Ordnung gab, nach der die Bücher sortiert und aneinandergereiht waren. Historisches, Romane, Sachbücher und schließlich entdeckte sie sogar eine ziemlich kleine Abteilung: Privates. Doch so spannend dies zuerst aussah, entpuppte es sich doch nicht als interessant, denn auf Dinge wie Tagebücher oder ähnliches stieß Kerry bei ihrer Suche nicht. Nicht, dass sie diese gelesen hätte, doch das Gefühl ein Tagebuch Seto Kaibas in den Händen zu halten jagte ihr doch einen angenehmen Schauer über den Rücken. Gerade als die Rothaarige aufgeben wollte fiel ihr Blick auf ein dickes Buch, dass sich von den anderen durch den roten Ledereinband abhob, der im Gegensatz zu anderen alten Büchern hier vergleichsweise abgenutzt aussah. Doch das allein zog ihren Blick nicht darauf, es war eher ein Gefühl, dass dies vielleicht die erhoffte Abwechslung bringen könnte. Ein verstohlener Blick nach links, dann ein weiterer rechts über die Schulter und Kerry streckte ihre Hand nach dem Band aus. Ihre Hand schloss sich um den dunklen Ledereinband und mit erstaunlicher Leichtigkeit zog sie das schwere Buch heraus. Bevor sie es jedoch öffnete schlenderte sie wie zufällig und bemüht dabei lässig zu wirken zu einem Sessel hinüber. Am Liebsten jedoch wäre sie in Windeseile dorthin gerast hätte vor Freude gequietscht und sofort voller Neugier die erste Seite aufgerissen, aber solches Verhalten hatte sie seit ihrem 14ten Lebensjahr abgelegt. Die Vorderseite des Schriftstückes war blank und unbeschriftet, so dass die Neugier der jungen Frau nur noch wuchs und sie beinahe geplatzt wäre, als sie dann die erste Seite des geheimnisvollen Buches öffnete. --------------------------------- Zur Feier des Tages gibt es mal wieder ein Kapitel von mir. Wer nicht weiß was es zu feiern gibt: FERIEEEEN!!! *Konfetti herumschmeiß* Zwei Wochen ausspannen, bevor es dann langsam auf den Abistress zugeht. Ihr merkt, ich versuche mich schon im Voraus zu entschuldigen, falls ich nicht allzu oft dazu komme ein komplett geschrieben und überarbeites Kapitel zu veröffentlichen. Aber es gibt hier ja viel zu lesen. *Gar keine Ironie in ihre Worte legt* *pfeif* Apropos... danke an das Verständnis für meine lange Schreibpause ;) Danke für alles Lob und die Toleranz dafür, dass Seto die Hälfte des Kapitels nicht dabei war, aber eigentlich finde ich das selbstverständlich, dass er nicht immer und überall sein muss. Noch ist er ja kein Gott *lol* Tschauserle Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 14: Einblicke --------------------- 14. Einblicke ,Für meinen großen Bruder Seto, den besten Bruder der Welt.', stand in großen Buchstaben auf der ersten Seiten in einer Schrift, die eindeutig von einem Kind stammte, das sich bemüht hatte äußert ordentlich zu schreiben. Kerry musste schmunzeln. Also ein Geschenk von Mokuba an Seto. Kurz bekam sie doch ein schlechtes Gewissen, in den Privatsachen von den beiden Kaiba Brüdern herumzuschnüffeln, aber ihre Neugier siegte darüber und nach kurzem Zögern schlug sie die beschriebene Seite um. Doch statt eine weitere mit Wörtern gefüllte Seite vorzufinden, prangte ihr ein großes Foto entgegen. Es zeigte Mokuba und seinen Bruder als Kinder, wie man unschwer erkennen konnte. Der kleine Seto saß auf einer Backsteinmauer, aus deren Ritzen bunte Wildblumen sprossen und sein kleiner Bruder hatte von hinten die Arme um seinen Hals geschlungen und balancierte auf dem Steinbau. Die Farben waren schon etwas verblasst, aber das kräftige Blau Setos Augen war noch immer erkennbar, umso erstaunlicher war es, dass seine Augen eine nie geahnte Fröhlichkeit ausstrahlten, die von der Mokubas allerdings noch übertroffen wurden. Noch eine Überraschung war das beinahe schüchterne Lächeln, dass auf den Lippen des älteren Jungen lag und frei von jeglichen negativen Interpretationsmöglichkeiten war. Unvermittelt strich Kerry über das Foto und ihr vormals neugieriger Blick milderte sich. Dieses Lächeln hatte sie an Kaiba noch nie gesehen, selbst in Anwesenheit seines Bruders nicht. Warum hatte er es wohl abgelegt und seine Augen aller Fröhlichkeit beraubt? Eine Art Melancholie drohte sich über die Stimmung der Rothaarigen zu legen, entsann sie sich kurz ihrer Kindheit und so schlug sie schnell die Seite herum um auf der nächsten Seite einige weitere Fotos zu entdecken, die jedoch ein kleineres Format hatten. Langsam begriff Kerry, dies war ein Fotoalbum, das Mokuba anscheinend für seinen Bruder angefertigt hatte. Ihre Neugier war wieder geweckt und mit glitzernden Augen blätterte sie durch die Ansammlung von Bildern, die die beiden Kaiba Brüder allein oder zusammen zeigten. Sogar die wichtigsten Karten von Seto hatte der kleiner Bruder abgelichtet, darunter eine selbstgemalte Karte die den weißen Drachen mit eiskaltem Blick zeigten. Von wem sie wohl gemalt worden war? Lächelnd blätterte Kerry weiter. Die ersten Bilder waren wohl nicht hier oder in der Kaiba Corporation entstanden, sondern in einem anderen Haus, das Kerry nicht kannte. Doch sobald ihr die Hintergründe der Fotos bekannter vorkamen, erschien ihr Setos Haltung und Mimik ebenfalls vertrauter, was nicht unbedingt etwas Positives war. Kaum mehr lächelte er und seine Posen waren meist steif und er schien immer unwillig. Die anfängliche Euphorie der Rothaarigen nahm langsam ab und es schien ihr immer schwerer zu fallen die Seiten umzublättern, bis sie schließlich die Vorletzte erreicht hatte. Auf dieser war wiederum ein Foto, das über die ganze Seite reichte, geklebt. Darauf zu sehen war ein anscheinend ziemlich aktuelles Bild, dessen Farben annähernd wirklichkeitsgetreu leuchteten. Es war wohl im Garten hinter dem Haus gemacht worden und ähnelte auf gewisse Weise dem aller ersten Bild. Seto saß, Kerry glaubte es kaum, ohne Mantel und mit entspannten Gliedern im niedrigen Gras und schaute verwirrt von ein paar Karten auf, die er in der Hand hielt. Offensichtlich war das Foto überraschend für ihn entstanden, kein Wunder, so würde er sich sicher nicht freiwillig verewigen lassen. Mokuba kniete hinter ihm und hatte seinen Kopf auf Setos Schulter geschoben um ihm auf die Finger zu schauen, grinste aber jetzt wissend direkt ins Auge des Betrachters. Vermutlich von ihm selbst inszeniert, dachte sich die junge Frau und hatte auf einmal ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Einer spontanen Eingebung folgend legte sie sacht zwei Finger auf das mit Folie geschützte Bild und strich dem verwundert dreinblickenden Kaiba über die Haare. Das Lächeln hatte ihr noch besser gefallen, aber alles war besser als dieser Frostblick oder dieses selbstgefällige Grinsen. So gefiel er ihr richtig gut und wer wusste schon was hinter seiner rauen Schale für eine Person steckte. Ein angenehmer Schauer lief über ihren Rücken, als sie sich diesen Gedanken hingab und löste auf ihren Lippen ein sanftes Lächeln aus. Beinahe über sich selbst erschrocken zog sie blitzartig die Hand wieder zurück und schüttelte sich, in der Hoffnung etwas von ihrer Vernunft wieder zu erlangen. "Das will ich dir auch geraten haben, Kleine.", kommentierte eine kalte Stimme direkt hinter ihr, ihre plötzliche Reaktion. Ruckartig zuckte Kerry zurück, klappte gleichzeitig das Buch zu und warf ihren Kopf herum. Mit dem Oberkörper lässig über die Rückenlehne des Sessels gelehnt stand Seto Kaiba ein Stück nach vorn gebeugt da und starrte sie unverwandt mit seinen frostig blauen Augen an. Wie lange er da wohl schon herumstand? Kerry wagte es nicht, sich eine Zeitspanne vorzustellen, denn sie war momentan zu sehr damit beschäftigt ihre Augen weit aufgerissen auf ihn zu richten und erschrocken zurückzustarren. Sofort schoss ihr das Blut in den Kopf und rötliche Flecken zeichneten schon bald ihre Wangen. "W...was meinst du?", brachte sie schließlich zögerlich hervor und fragte sich noch während sie dies aussprach wie man so eine blöde Frage stellen konnte. Nun schlich sich ein altbekanntes selbstgefälliges Grinsen auf Kaibas schmale Lippen, dass in Kerry stets den Wunsch weckte ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen. Offensichtlich setzte Hochwohlgeboren gerade zu einer hochmütigen Antwort an, da hatte sich die Rothaarige wieder etwas gefasst und sprach mit etwas selbstsicherem Tonfall weiter: "Im Übrigen bin ich keine ,Kleine' und du solltest dir deine soeben gekommenen Gedanken ganz schnell wieder aus dem Gedächtnis streichen." Ihre Stimme war überraschend beherrscht, was allerdings in ihrer momentanen Situation gar nicht so verwunderlich war, schließlich konnte sie von Glück reden, wenn er sie nicht sofort aus dem Zimmer warf und sie zusammenschrie. Trotzig schob sie ihr Kinn vor und sah ihn abwartend an. Blitzschnell griff der braunhaarige Mann nach dem in ihrem Schoß ruhenden Buch und riss es an sich, um sich auf dem Absatz umzudrehen und quer durch den Raum davon zu marschieren. Sofort setzte sich Kerry auf und versuchte aus dem tiefen Sessel herauszukrabbeln, was ihr aber erst beim zweiten Versuch gelang. "Woher willst du wissen, was ich gerade gedacht habe?", hallte die emotionslose Stimme des Geschäftsmannes von den Wänden wider, als er gerade zu einem Regal ging und das Buch an seinen angestammten Platz zurückstellte. Kerry hatte sich derweil aufgestellt um nicht noch kleiner zu wirken und zog etwas verwirrt eine Augenbraue nach oben. Wie schon so oft hatte sie es wieder einmal mit Setos Rücken zutun und während sie noch überlegte, ob sie dazu überhaupt etwas sagen sollte, drehte sich der Mann vor dem Regal abrupt um und fixierte sie kalt, was sie selbst aus dieser Distanz spüren konnte. "Du solltest dir nicht angewöhnen in meinen privaten Unterlagen herumzuschnüffeln.", fügte er nun in einem keinen Widerspruch duldenden Befehlston hinzu. "Und außerdem hast du in diesen Räumlichkeiten nichts zu suchen!" Kerry war sprachlos. Dieser Kerl konnte wohl nur andere Leute herumkommandieren, sonst fehlte ihm anscheinend etwas. "Oh, ich habe wohl das Schild mit der Aufschrift ,Privat' übersehen.", erwiderte sie leicht sarkastisch und bewegte sich damit schon wieder auf gefährlichem Boden. Langsam kam der junge Mann wieder auf sie zu und seine Schritte hallten auf dem blanken Boden beinahe unnatürlich laut wider. "Wenn du jemand Fremdes in dein Haus lässt, solltest du vielleicht die Räumlichkeiten unzugänglich halten, die er nicht betreten soll.", spöttelte sie weiter, während er Schritt für Schritt auf die kleinere Frau zukam und dabei keinen einzigen Gesichtsmuskel regte. Kerry unterdrückte den Drang sich blitzartig umzudrehen und davonzueilen, nur weg von diesem offensichtlichen Psychopathen, der bedrohlich auf sie zukam. Noch im Gehen fragte dieser plötzlich völlig aus dem Rahmen gerissen: "Wo ist Mokuba?" und blickte dabei mit einem eindeutig vorwurfsvollem Blick auf sein Gegenüber, als wollte er schnellstmöglichst einen Vorwand finden sie wieder einmal als unfähig oder Schlimmeres hinzustellen. "Mit ein paar Freunden unterwegs.", erwiderte die Rothaarige sachlich und strich sich eine lästige Haarsträhne aus der Stirn, die jedoch gleich darauf wieder zurückfiel. Warum war sie auf einmal so hypernervös, es schien, als würde ihr Herz gleich vor Überlastung platzen. Seto blieb stehen. Vielleicht 20 cm vor ihr hielt er inne und musterte sie kühl von oben herab. Jemand nur mit Blicken herabwürdigen konnte er nur allzu gut, er hatte sich lange genug darin geübt, aber daran hatte Kerry sich mittlerweile gewöhnt und beachtete es wenig bis gar nicht. Als er direkt vor ihr stand und sie nur schweigend anblickte mit einem Blick, der ihr nicht ganz geheuer war, stichelte Kerry vorwitzig weiter: "Wenn es dich überhaupt wirklich interessiert.", eigentlich nur um die sich ausbreitende Stille zu überbrücken. Sofort blitzten die saphirblauen Augen Kaibas auf, er hatte ihren versteckten Vorwurf durchaus herausgehört und verstanden. Dennoch tat er leicht unwissend und fragte mit scharfem Unterton: "Was willst du damit wieder sagen?" Beinahe wäre Kerry eine eindeutig zu aufrichtige Antwort herausgerutscht. Sie hätte diesem unsensiblen Kerl am liebsten alles erzählt, was Mokuba ihr in den letzten Tagen anvertraut hatte, wie er sich fühlte, vernachlässigt und von seinem Bruder allein gelassen. Ihre Miene trübte sich kurz, als ihr das Gesicht Mokubas wieder in den Sinn kam, in dessen Tränen geglitzert hatten, als er versuchte möglichst tapfer zu wirken. Die Rothaarige setzte schon zu einer Standpauke an, als sie ein Gefühl davon abhielt. Sie biss sich auf die Lippe und schwieg. Sie sollte sich nicht in diese Familienangelegenheit einmischen, so konnte sie nur noch mehr zwischen die Fronten geraden und am Ende noch mit hineingezogen werden, was sie unter allen Umständen zu vermeiden suchte. Irgendwann würde Mokuba schon den Mut aufbringen und seinem Bruder selbst eröffnen, was er dachte und fühlte, obwohl, wenn sie sich vorstellte, dass der kleinere Kaiba Bruder wie sie jetzt vor Seto stehen würde, glaubte sie nicht, dass man da noch viel sagen konnte. "Ach weißt du, wenn du das nicht selber weißt, ist es auch nicht wichtig.", redete sie sich schließlich heraus und bemühte sich um einen gleichgültigen Blick, doch ihre klaren grünen Augen, in denen sich unzählige Emotionen spiegelten, straften ihre Worte Lügen. Über Setos Blick schien sich eine weitere Schicht Frost zu ziehen, als er bemerkte, dass sie ihn anlog, obwohl er von der Wahrheit sicher auch nicht begeistert gewesen wäre. Bevor der junge Mann jedoch reagieren oder etwas antworten konnte, drehte sich Kerry auf dem Absatz um und eilte auf die Tür zu. Sie wollte nur weg von diesem wandelnden Eisklotz, der ihr jeden Moment an die Gurgel springen könnte, weg von diesen kalten Augen, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließen und ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagten. Hals über Kopf floh sie in Richtung Tür, achtete aber dabei noch darauf, dass man nicht erkennen konnte, dass sie flüchtete. Doch trotz aller Bemühungen war schon allein ihrem hastigen Gang ihr Unbehagen anzusehen. Schnell zog sie einen Türflügel ein Stück nach innen auf und schlüpfte durch den Türspalt um draußen den Flur entlang zu eilen. Endlich außer Sichtweite rannte sie um die nächste Ecke und verlief sich prompt in dem verwirrenden Netz aus Fluren. Irgendwann blieb sie schwer atmend stehen und ließ sich gegen eine Wand sinken. Dagegen gelehnt wartete Kerry darauf, dass sich ihr Herzschlag wieder verlangsamen und ihr Puls zurückgehen würde. Sie wusste noch immer nicht genau, was eben geschehen war. Erst diese peinliche Beobachtung von Kaiba, nach der sie nur noch weg wollte und dann noch dieser Mörderblick. Wütend auf sich selbst lief sie langsam wieder rot an und ärgerte sich darüber, solche Angst verspürt zu haben. Aber es war nicht allein die Angst gewesen, die sie veranlasst hatte zu flüchten, sie hatte etwas verspürt, was ihr noch unheimlicher und abwegiger erschien, als Furcht. Es hatte gar nichts mit der Situation zutun gehabt, doch als sie dort stand und Seto einfach nur in die Augen blickte, hatte sich ihr Herzschlag schon beschleunigt und, so idiotisch es sich anhörte, sie hatte auf einmal den unglaublichen Drang verspürt sich nach vorne zu beugen und den geringen Abstand zwischen ihren Körpern zu überwinden um sacht ihre Lippen auf die seinen zu legen. Kerry hätte am liebsten ärgerlich aufgeschrieen, als sie diesen Gedankengang noch einmal durchdachte und schüttelte wütend den Kopf, wobei ihre roten Haare der Bewegung folgten und als sie wieder zur Ruhe kam noch wilder als gewöhnlich in ihr Gesicht fielen. "Ich bringe ihn um und wenn ich schon dabei bin, begehe ich gleich noch Selbstmord.", fluchte sie mit zischender, aber gedämpfter Stimme vor sich hin, während sie auf der Stelle auf und ab ging. "Ich bin so ein Idiot, so völlig verblödet, ich übertreffe ja sogar IHN noch." Wutschnaubend marschierte sie noch immer auf und ab und konnte sich ihre eigenen Gedanken und Gefühle einfach nicht logisch erklären. Schließlich nahm sie sich zusammen und atmete ein paar Mal tief durch um sich selbst zu beruhigen. Gleichzeitig verlangsamte Kerry ihre Schritte und blieb dann ganz stehen. Noch während sie versuchte einen klaren Kopf zu kriegen wurde sie von einer altvertrauten Stimme unterbrochen: "Hat sich da etwa jemand verlaufen?" Die Rothaarige kniff die Augen zusammen und stieß einen lautlosen Fluch aus, bevor sie ihre Lider wieder hob und den Kopf zur Seite drehte. Ziemlich schräg und von unten hinauf gewahrte sie ihren überaus höflichen Gastgeber, auf dessen Lippen sich ein höhnisches Lächeln gebildet hatte, das man sich allein beim Klang seiner Stimme schon hatte vorstellen können. "Nein, ich wollte unbedingt noch in deiner Nähe bleiben.", blaffte Kerry sarkastisch und verzog dabei die Lippen kurz zu einem abfälligen Grinsen, um Sekunden darauf jedoch wieder zu ihrer genervten Mimik zurückzukehren, den Blick wachsam auf den jungen Mann gerichtet. Im Gegensatz zu ihren Worten konnte sie es kaum ertragen ohne Gefühlswirrwarr in der Gegenwart Kaibas zu verweilen und suchte deshalb beständig nach einer Fluchtmöglichkeit. "Wenn du darauf so viel Wert legst, kannst du ja noch bleiben und mit uns zu Abend essen. Es sei denn, du willst wieder einmal wegrennen.", intonierte Seto plötzlich und klang dabei äußerst beherrscht und routiniert, als hätte er den Satz schon hundert mal gesprochen und als ob es ein ganz alltäglicher Satz wie "Wenn sie das nicht erledigen, sind sie gefeuert.", wäre. Trotz des noch immer kühlen Tonfalls zog Kerry unvermittelt eine Augenbraue hoch und starrte ihr Gegenüber verwirrt an. Sie musste sich gerade verhört haben, oder sie hatte schon Halluzinationen. Eins von beidem würde es sein. Um bloß nicht auf dieses Angebot einzugehen widmete sich die Rothaarige dem zweiten Satzteil, der wieder ganz nach Seto Kaiba klang und konterte leicht vorwurfsvoll: "Wenn du meinen Fragen ständig ausweichst und dich in Thema Wechsel flüchtest, werde ich ja auch einmal flüchten dürfen." So, nun hatte er erst einmal sein Fett weg, dachte sich Kerry. Trotzig schob sie ihre Unterlippe ein Stück vor und verschränkte ihre Mimik verstärkend die Arme vor der Brust, während sie sich komplett zu dem Braunhaarigen umdrehte. Sie hatte in seiner Gegenwart schon oft unüberlegt oder impulsiv gehandelt oder etwas Unbegründetes gesagt, aber diesmal waren ihre Worte sorgsam ausgewählt worden. Ihr Vorwurf beinhaltete genau das, was sie momentan am meisten an ihm störte, wenn man von seinem Grundverhalten einmal absah. Jedes Mal, wenn sie versuchte ernsthaft, höflich oder freundlich zu sein, bekam sie es mit Kälte und Überheblichkeit gedankt. Schon von Anfang hat ging das so und nie hatte sie bisher auf einfache, aber ernste Fragen eine Antwort erhalten. Das hatte schon bei der Nachfrage über ihre Adresse angefangen, ging dann weiter als sie versuchte herauszufinden warum Seto beinahe ausgetickt war und kam schließlich dahin, dass sie nicht einmal genau über die Umstände ihrer Entführung und Geiselnahme informiert wurde. Nicht zu vergessen, dass sie natürlich auch keine Entschuldigung für die Zerstörung ihrer Lieblingskarte erhalten hatte, aber das konnte man anscheinend wirklich nicht erwarten. Schön, die einzige Frage auf die er eine anscheinend ehrliche Frage gegeben hatte war die nach seinem Problem, aber diese Antwort konnte man nun wirklich nicht als aufklärend oder eindeutig bezeichnen. Es widerte sie dermaßen an, dass ein halbwegs vernünftiger Wortwechsel anscheinend unmöglich war und jedes Mal wenn sie es versuchte, wurde sie doch nur wieder enttäuscht, wozu sich also noch die Mühe machen. Abwartend blickte Kerry Seto an und hoffte inständig, dass er zur Abwechslung einmal etwas weniger Abweisendes erwidern würde, als sie es von ihm gewohnt war. Eigentlich war dies regelrechtes Wunschdenken, denn seit wann ging Seto Kaiba auf so hochpsychologische Gesprächsthemen ein, aber sie musste hoffnungsvoll einen weiteren Versuch wagen. Selbst wusste sie auch nicht, warum sie dachte er hätte noch eine Chance verdient, aber eine kleine Stimme flüsterte ihr ständig zu, dass er es Wert wäre, eine Stimme allerdings, die sie manchmal einfach gerne mundtot gemacht hätte. Doch eine wirklich nennenswerte Reaktion blieb wieder aus. Das einzig Erkennbare war das Zusammenziehen seiner Augenbrauen, als der hochgewachsene, junge Mann über die Worte seines Gegenübers nachdachte. Nach Außen hin war zwar nicht mehr zu erkennen, doch in Wahrheit hatte Kerry mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Natürlich wich er ihr aus, schließlich war er diesem abgebrochenen Zwerg keine Rechenschaft und erst recht keine Antworten schuldig. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, in der sich die beiden wortlos anstarrten und keiner wusste, was er jetzt sagen oder tun wollte, als plötzlich die Hausklingel ertönte. Kerry musste ein Zusammenzucken unterdrücken und Seto wandte nur langsam den Kopf, drehte sich auf dem Absatz herum und verschwand hinter den nächsten Ecke. Augenrollend schlug sich Kerry mit der flachen Hand vor den Kopf und eilte mit genervtem Blick hinter Kaiba her um aus dem Gewirr von Gängen und Fluren herauszufinden. Und wieder einmal hatte er es geschafft sich elegant aus der Situation herauszuwinden. Schon allein dafür konnte sie ihn hassen. Irgendwann trat sie dann sogar tatsächlich wieder auf den Flur hinaus, von dem sich die breite Treppe elegant hinabwand. Seto war bereits die halbe Treppe hinuntergestiegen und musste plötzlich innehalten, als Mokuba die Tür hineingestürmt kam, seinen Bruder erblickte und mit einem Affentempo die Treppe hinaufschoss. Bevor der größere von beiden es verhindern konnte, hatte der Schwarzhaarige ihn erreicht und schlang die Arme unbeholfen um seine Hüfte. Sich der Tatsache, das Kerry zuschaute anscheinend nicht bewusst kniete sich der schlanke junge Mann auf die Treppe und erwiderte die Umarmung seines Bruders, wenn auch weitaus zaghafter als der kleine Kaiba. Eigentlich hätte die Rothaarige sofort ein bissiges Kommentar parat gehabt, biss sich jedoch auf die Zunge und genoss den Anblick eines beinahe zärtlichen Seto Kaibas, der sich ihr bisher nur auf den Fotos geboten hatte. Doch auch ohne eine Unterbrechung ihrerseits löste sich Seto bald wieder aus der Umarmung und richtete sich etwas steif auf. Nun konnte die junge Frau sich nicht mehr zurückhalten und begann betont lässig und mit einem provokativen Grinsen auf den Lippen die Treppe hinabzuschlendern. "Hallo Kerry!", quiekte Mokuba vergnügt und raste nun auf sie zu. Damit hatte die Irin nun wiederum gar nicht gerechnet und sah sich dieser Attacke schutzlos ausgeliefert. Also tat sie es ihrem Arbeitgeber gleich und ging in die Knie um den Jungen möglichst sanft abzufangen. Jedoch hatte dieser bei ihr angekommen ein enormes Tempo erreicht und schmiss die sportliche Frau nach hinten um. Mit einem unterdrückten Kichern verlor Kerry das Gleichgewicht und sah sich halb auf dem Rücken liegend, Mokuba über sich auf der Treppe wieder und versuchte krampfhaft wieder auf die Beine zu kommen und gleichzeitig einen Lachanfall zu verbergen. Es war einfach unglaublich wie dieser kleine Junge es schaffte ihre Stimmung von einer Sekunde auf die andere total umschlagen zu lassen, aber offensichtlich versprühte er geradezu gute Laune und jeder in nächster Nähe wurde unweigerlich davon angesteckt. Eine wirklich Ausnahme war da nach Außen hin sein Bruder, doch in Wirklichkeit ging es ihm sicher ähnlich. "Langsam mit den jungen Pferden, willst du mich umbringen?", fragte sie scherzhaft und kam ächzend wieder auf die Beine. Grinsend schüttelte Mokuba seine Mähne aus dem Gesicht und erwiderte übermütig: "Ich wusste ja nicht, dass du so empfindlich bist." Kerry zog eine Augenbraue empor und erhaschte aus den Augenwinkeln einen Blick auf Seto, der anscheinend unbeteiligt danebenstand. Doch selbst die Rothaarige konnte ihm in diesem Moment ansehen, dass er ganz und gar nicht begeistert über diese Szenerie war. "Seto hat es auch locker ausgehalten.", fuhr der Junge unbekümmert fort und trippelte wieder auf seinen Bruder zu. Kerry straffte sich und wandte sich ebenfalls zu Seto, unterließ die Feststellung: "Ich bin aber nicht Seto." und konnte sich ein schiefes Grinsen nicht verkneifen. Der Geschäftsmann fand das offensichtlich alles gar nicht so komisch und war sicherlich froh gewesen, als Mokuba einen ungewollten Thema Wechsel herbeiführte, indem er ausrief: "Boa, ich habe einen Kohldampf. Ist das Essen schon fertig?" In dem Moment trat der Butler näher, der zuvor die Tür geöffnet hatte und klinkte sich ungefragt, aber mit zurückhaltender Höflichkeit ein: "In der Tat, Master Mokuba, es ist bereits angerichtet. Wenn ihr euch dann zu Tisch begeben wollt?" Der kleiner Junge machte einen halben Luftsprung, warf seinen Rucksack dem Angestellten zu und rannte schon durch die Eingangshalle in einen angrenzenden Raum. Seto folgte ihm angemesseneren Schrittes und ging an Kerry vorbei, die sich jedoch parallel zu ihm in Bewegung setzte und mit einem amüsierten Lächeln neben ihm herlief, was sie allerdings für sie ungewöhnlich weite Schritte kostete. Abrupt blieb der Braunhaarige stehen und fixierte den Störenfried mit eiskaltem Blick. Unschuldig dreinblickend blieb auch die Rothaarige stehen und behielt ihr sanftes Lächeln bei, was ihr unter diesem Blick allerdings äußerst schwer fiel, da es eher dazu verlockte sich schnellstens zu entfernen und sich eine dicke Jacke überzuwerfen. Kerry hielt jedoch tapfer stand und murmelte dann freundlich: "Ich hoffe deine Einladung zum Essen steht noch?" Noch währen sie diese Worte sprach wurde ihr allerdings klar, dass sie mit Freundlichkeit nicht weit kommen würde. Gleich würde Seto ein unterkühltes "Nein" von sich geben und sie stehen lassen. Dem zuvorkommend wartete sie einfach gar nicht auf eine Erwiderung, sondern setzte sich wieder in Bewegung und schritt an ihm vorbei in die Richtung in der Mokuba verschwunden war. Ohne zurückzuschauen rief sie provokant: "Kommst du?", und stieß die vermeintliche Esszimmertür auf. ------ Hätte ich doch beinahe mein dummes Gelaber zum Ende des Kapitels vergessen ;) Also es hat ne ganze Weile gedauert, aber hier ist es dann doch, Kapitel 14. Ich hoffe es gibt noch Leute, die das überhaupt interessiert, die nicht angenommen haben, ich wäre verschollen ;) Sorry nochmal für die lange Pause, aber ich hatte eine spontane Eingebung für den Schluss und musste das erst einmal schriftlich verfassen, zumindest so wie es ungefähr mal aussehen soll, bevor mir diese kreative Eingebung wieder flöten geht. Ok genug gequakt... ich wünsche euch eine schöne Adventszeit Tschauserle Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 15: Abendessen im Hause Kaiba ------------------------------------- 15. Abendessen im Hause Kaiba "Ups!", war das einzige was Kerry hervorbrachte, während sich eine deutliche Röte auf ihren Wangen abzeichnete. Sie hatte im Flur einfach die erstbeste Tür gewählt und war mitten in der Küche gelandet und ein Koch, ein Dienstmädchen und ein wie ein Kellner gekleideter junger Mann starrten sie alle mit demselben fragenden Blick an. "Falsche Tür.", fügte die Rothaarige hinzu und machte stolpernd ein paar Schritte rückwärts um vor sich die Tür wieder zuzuziehen. Na das konnte wieder mal nur ihr passieren. Noch immer rot angelaufen und mit einem selbst tadelnden Augenrollen wollte sie sich gerade umdrehen, als jemand sie von hinten packte und an den Schultern herumdrehte. Bevor sie darauf reagieren konnte, wurde sie aber auch schon wieder losgelassen und Seto schlenderte lässig und mit einem unverhohlen spöttischen Grinsen im Gesicht an ihr vorbei. "Hier entlang.", meinte er mit deutlichem Amüsement in der Stimme. Kerry verschränkte grinsend die Arme und trottete hinter dem Hausherren her, zufrieden, dass er immerhin ihre Anwesenheit dulden würde. War ja auch das Mindeste, schließlich war es seine Idee gewesen sie einzuladen, obwohl er das wohl jetzt nie im Leben zugeben würde. "Ich folge dir auf dem Fuße.", erwiderte sie, während sie dem hochgewachsenen jungen Mann eilig hinterherlief und ihn schließlich einholte um neben ihm den eher dunklen Flur entlang zu gehen. Der Teppichboden war Kastanienbraun und die Wände waren ebenfalls dunkel gestrichen, mit einer Farbe, die an Mahagoni erinnerte. Ein paar dämmrige Lampen hingen in gewissen Abständen an den Wänden und ein einige Topfpflanzen und Gemälde verbesserten die klamme Atmosphäre etwas. Ab und an versuchte Kerry einen Blick auf die Bilder an der Wand zu erhaschen, aber Setos Tempo beziehungsweise seine ausholenden Schritten waren für sie zu schnell, als dass sie langsam hätte gehen können. Deshalb begnügte die Irin damit hin und wieder zu ihrem Gastgeber hinüberzuschielen, doch auf dessen Gesicht zeigte sich mal wieder überhaupt nicht, was er dachte. Es sei denn man nahm an, dass sich seine Gedanken um das Wetter am Südpol drehten. Plötzlich hielt der junge Mann abrupt an und wandte sich einer großen Seitentür zu, drückte die vergoldete Klinke herunter und öffnete die Tür. Ohne zu zögern betrat er den Raum, Kerry immer hinter ihm, spähte neugierig in den Raum. Es war ein Speisezimmer, ganz klar, aber eindeutig viel zu pompös und aufwendig für zwei oder drei Personen. Die riesige Tafel bot Platz für eine Großfamilie und die aus Wandteppichen, Gemälden und exotischen Pflanzen bestehende Dekoration wirkte einem Fürsten angemessen. Trotz allem fühlte sich Kerry sofort wohl, zwar nicht gerade wie daheim, aber wie eine Prinzessin, die in eine Märchenwelt eintauchte. An einer Seite des langen Tisches hatte sich Mokuba schon am Ende niedergelassen und strampelte ungeduldig mit den Beinen, während er auf die beiden anderen wartete. Die Ungeduld seines Bruders ignorierend ging Kaiba in angemessen langsamem Tempo auf das Kopfende der Tafel zu und ließ sich dort nieder. Die Rothaarige folgte ihm aufmerksam und wartete nur darauf, dass er sie wegscheuchen würde, ähnlich einem lästigen Insekt. Doch nichts dergleichen geschah und so setzte sie sich unaufgefordert auf den Platz zu Setos Linken und gegenüber von Mokuba. Nun kehrte kurz Stille ein und Kerry wollte schon des Spaßes halber ein Tischgebet vorschlagen, als ein Dienstmädchen eintrat, dass ein Tablett auf den Armen hatte. Es war die junge Frau, die die Rothaarige zuvor in der Küche gesehen hatte. Mit einer hochgezogenen Augenbraue beobachtete sie, wie die ,Kellnerin' die Teller von dem silbernen Tablett nahm und erst einen vor Mokuba, dann vor Seto und schließlich vor sie hinstellte. Das aufreizende Lächeln auf ihren vollen Lippen als sie ihrem Chef das Essen hinschob fiel diesem anscheinend überhaupt nicht auf, oder er ignorierte es, jedenfalls entging es Kerry nicht und Angestellte oder nicht, es störte sie ungemein. Was für ein idiotischer Gedanke, schalt sie sich selbst und widmete sich den Speisen die vor ihr aufgetischt worden waren. Das Essen schmeckte köstlich und die junge Frau konnte gar nicht genug von dem leckeren, wenn auch unbekannten Gemüse bekommen. Den Wein der dazu gereicht wurde, lehnte Kerry zunächst dankend ab, griff dann aber doch zu dem Glas, als Seto gerade den Mund zu einem abfälligen Kommentar öffnete. Irgendwann jedoch beschloss sie sich nun einmal zurückzuhalten um nicht den Eindruck zu erwecken, sie bekäme sonst nichts zwischen die Zähne. Nachdem nur noch Mokuba eifrig am Essen war, setzte sie gerade das schlanke Weinglas wieder ab und fuhr sich mit der Zunge über die von dem dunklen Wein rötliche gefärbten Lippen, als sie plötzlich unbedingt ein Gespräch anfangen wollte. Vielleicht war Seto Kaiba ja gesprächiger, wenn sein Bruder anwesend war und um diesen mit in die Unterhaltung mit einzubeziehen erkundigte sie sich nach etwas, was ihn ebenfalls betraf und sie schon seit längerem beschäftigte: "Sag mal, Seto, warum hab' ich eigentlich nie wieder was von der Polizei gehört, nachdem diese Entführer verhaftet wurden. Hätte ich nicht eine Aussage oder so machen müssen?" Fragend blickte sie von Mokuba zu Kaiba und die Tatsache, dass sie diesen gerade ziemlich persönlich beim Vornamen genannt hatte, bewies, dass sie schon viel zu viel von dem alkoholischen Getränk zu sich genommen hatte. Sonst nämlich dem Alkohol eher abgeneigt, vertrug die junge Irin nicht gerade viel und die rötliche Färbung ihrer Wangen ließ auch auf nichts Gutes schließen. Auch ihrem Gastgeber war dieser Umstand wohl nicht entgangen und so musterte er sie einen Moment prüfend, nicht sicher, ob sie wirklich eine Antwort erwartete und erwiderte dann kühl: "Das war nicht mehr vonnöten, da die beiden es vorgezogen haben ihrem jämmerlichen Dasein ein Ende zu bereiten." Abrupt ließ Kerry das Glas fallen, dass sie gerade wieder in die Hand genommen hatte um es nun endgültig zu leeren. Ob aus Überraschung oder dank einem Schock war ihr selbst nicht ganz klar, aber auf jeden Fall fiel das zarte Kristallglas zu Boden und zersplitterte mit einem klirrenden Geräusch in tausend Teile. Auch der schwarzhaarige Junge zuckte kurz zusammen und hielt mit der Gabel inne, die er gerade zu seinem Mund führen wollte. Auf dem scheinbar hölzernen Parkettboden neben Kerrys Stuhl breitete sich indessen eine rote Lache aus. Ungläubig starrte sie aber weiterhin auf ihren Gastgeber, der hingegen einen kurzen Seitenblick auf das zersplitterte Glas warf und ohne eine mimische Regung das Dienstmädchen mit dem Schmollmund heranwinkte, das bisher unbeteiligt an der Seite gewartet hatte. Sofort verschwand sie aus dem Zimmer um gleich darauf mit einem Lappen und einer Kehrschaufel zurückzukehren. Ohne weitere Kommentare, aber mit sichtlicher Unwilligkeit begann sie dann die Glasssplitter zu beseitigen und den teuren Rotwein aufzuwischen. Für gewöhnlich hätte Kerry sicher schon eine angemessene Entschuldigung vorgebracht, oder sich abgeboten zu helfen, doch momentan war sie einfach zu überrascht um überhaupt irgendwie zu reagieren. Entgeistert blickte sie Seto an und seine Worten hatten sie sogar wieder etwas ernüchtert. Erst nachdem die Aufräumarbeiten beendet und die Angestellte aus dem Esszimmer verschwunden war, schaffte es die Rothaarige wieder einige klare Worte zu äußern: "Sie haben bitte was? Ich denke so was sollte in Haft nicht gerade passieren und wieso bitte bringen sie sich um? Was waren das für Typen?" Sie war ganz offensichtlich völlig entgeistert und konnte sich nun gar nichts mehr erklären. Vorsichtig schaute sie zu Mokuba hinüber, der sich jedoch wieder gefasst hatte und sein Möglichstes tat um unauffällig und natürlich zu wirken, obwohl man seinen Blicken bei näherer Betrachtung die Neugier förmlich ansehen konnte. Seto blieb noch immer die Gelassenheit in Person und schien die Reaktion seiner Tischgenossen überhaupt nicht wahrzunehmen. In einem Ton, der den Fragenden, in diesem Fall Kerry, unnötige Unwissenheit vorzuwerfen schien, begann er schließlich eine Erklärung: "Einer von Beiden hat sich mit der Scherbe eines Glases die Hauptschlagader aufgeschlitzt und ist verblutet, der andere hat einen Polizisten angegriffen und dieser sah sich aufgrund dessen wohl gezwungen den Sträfling zu erschießen." Die monotone Kälte seiner Stimme ließ Kerry erschauern. Entführer oder nicht, schließlich sprach er hier von Menschenleben, die ausgelöscht wurden. Bevor sie jedoch zu einem solchen Statement ansetzen konnte, fuhr Kaiba, anscheinend ungewöhnlich gesprächig, was schon nichts Gutes verhieß, fort: "Um deine emotional gestellte Fragen vollständig zu beantworten, diese ,Typen' gehörten zu einer fanatischen Organisation, die sich die Brüder der Sonnenfinsternis nennen. Eine Art Sekte, die die wahnwitzige Idee hat, alle Technik aus der Welt zu entfernen und wieder zu den sogenannten Ursprüngen zurückzukehren. Ein Haufen Irrer, wenn du mich fragst, aber merkwürdigerweise mit einflussreichen, wenn auch anonymen Anhängern und effektiven Methoden um ihre Ziele durchzusetzen." Kerry musste sich Mühe geben den herabwürdigen und leicht spöttischen Worten Seto Kaibas zu folgen, da der Alkoholeinfluss doch nicht spurlos an ihr vorübergegangen war. Deshalb brauchte sie auch eine Weile um die Zusammenhänge zwischen Seto und Mokuba, deren Firma und den Zielen dieser Bruderschaft oder was auch immer es war, zu erkennen. Brüder der Sonnenfinsternis? Plötzlich hatte die Rothaarige ein Bild vor Augen. Ein schwarzer Kreis umgeben von einem Flammenmeer und inmitten der Schwärze ein verschnörkeltes ,S'. S wie Sonnenfinsternis. Und genau dies stellte auch das Zeichen wohl da, das sie auf der Kleidung ihrer Entführer entdeckt hatte. "Und was ist mit deinem Medienberater Mr. Sowieso gewesen? Wie passt der da hinein?", fragte sie irgendwann, nachdem sie das Gewirr von Gedanken und Worten in ihrem Kopf halbwegs in Ordnung gebracht zu haben glaubte. In dem Moment stand Mokuba plötzlich vom Tisch auf, verabschiedete sich kurz angebunden und verließ eilig den Raum. Kerry biss sich auf die Lippe. Verdammt! Wie konnte sie eigentlich so unsensibel sein und in seiner Gegenwart über solch heikle Dinge sprechen? Seto kam dieser Gedanke anscheinend nicht, denn sein fragender Blick Richtung Tür hielt nur kurzzeitig vor, bevor er wieder eine kühle, überlegene Maske aufsetzte und mit geschäftlich distanziertem Tonfall Kerrys Frage beantwortete: "Das weiß man noch nicht, als die beiden Polizeibeamten, die ihn verhaften sollten keine Meldung machten und nicht auf dem Revier auftauchten, suchte man sie und wurde in der Wohnung von Mr. Torio fündig. Beide waren tot, der eine wurde mit einem Brieföffner von hinten erstochen, der andere..." "Ok, ok, es reicht. Ich kann es mir bildlich vorstellen.", unterbrach Kerry die Ausführung und hielt sich die Stirn. Ein überhebliches Grinsen trat auf die schmalen Lippen des braunhaarigen jungen Mannes, als er ihr Unbehagen bemerkte. Erst als wieder Stille einkehrte, fiel Kerry auf, dass Seto, bewusst oder unbewusst, auf ihren Vorwurf, er würde ihren Fragen ausweichen, reagiert hatte. Wahrscheinlich war es eher unbewusst, denn Seto Kaiba würde sich sicher nie aufgrund ihrer Vorwürfe einer Änderung unterziehen. Dennoch schien dieser Abend wie ein Lichtblick. Alles in allem hatte sich heute bestätigt, dass Kaiba nicht immer der kalte, abweisende Junge gewesen ist und dass auch jetzt sein Verhalten nicht unbedingt seinem natürlichen Wesen entsprach, auch wenn er es gern allen glauben machen wollte. Außerdem bestand vielleicht doch die Chance, dass Veränderungen eintreten könnten, zumindest hoffte die Irin dies inständig. Mehr oder weniger unbewusst begannen sich Kerrys Lippen zu einem sanften Lächeln zu kräuseln, was das Grinsen auf Kaibas Gesicht sofort verblassen und seine scheinbar gefrorene Gesichtsmaske zurückkehren ließ. "Was gibt's denn da zu grinsen?", fragte er leicht säuerlich, konnte aber selbst mit seinem eisig tödlichen Blick den sanften Ausdruck auf dem Gesicht der Rothaarigen nicht vertreiben. Leichthin erwiderte diese nun: "Ich weiß nicht." Sie zuckte kurz mit den Schultern und fuhr dann gleich fort: "Es war ein netter Abend, gute Nacht, Seto Kaiba." Die Betonung auf seinem Namen ließ ihn fragend aufschauen, als sich Kerry anmutig erhob und noch altbekannt sarkastisch hinzufüge: "Natürlich nur im Verhältnis zu den anderen Begegnungen mit dir." Ihr Lächeln hatte nun wieder einen vertraut spöttischen Zug, als sie sich abwandte und den Raum zügig verließ. "Was war das nun wieder?", fragte sich Kaiba in Gedanken und war, wenn auch nach außen hin nicht ersichtlich, leicht verwirrt. Konnte sich das Mädchen nicht mal entscheiden? Erst war sie gehässig und spöttisch, ähnlich wie er, darauf bedacht überlegen zu sein und plötzlich war sie die Freundlichkeit selbst, die sogar unter seinen kalten Blicken noch angenehme Wärme vermitteln konnte und das allein durch ein Lächeln und ein paar, scheinbar bedeutungslose Worte. Um sich von diesen Gedanken loszureißen stand er plötzlich abrupt auf und verließ ebenfalls den Speisesaal um diesen in einsamer Stille, leer zurückzulassen. Kerry nickte leicht, als ihr der Butler einen der großen Haustürflügel aufzog und ihr freundlich zulächelte. Das freundliche Lippenspiel erwiderte sie jedoch nicht, dazu befand sie sich gedanklich viel zu weit entfernt von ihrem eigentlichen Standort. Mit leichten Schritten trat sie hinaus in die kühle Abendluft. Ein angenehm frischer und zugleich sanfter Wind wehte ihr ein paar längere Haarsträhnen ins Gesicht und kühlte zugleich auch ihre warmen, noch immer rötlich gefärbten Wangen ab. Mit einer automatisch ausgelösten Bewegung strich sie sich die Haare zurück und verharrte einen Moment auf dem oberen Treppenabsatz stehend. Sie war noch immer verwirrt, aber das war mittlerweile anscheinend Standard, wenn man das Hause Kaiba verließ. Liebend gerne wäre sie noch einmal zu Mokuba gegangen um mit ihm zu reden, aber dieser Wunsch kam deutlich zu spät, so dass schließlich die einzige noch mögliche Option das Heimfahren war. Ein Kurzes Seufzen kam ihr über die Lippen. Warum konnte man sich mit Seto eigentlich über weniger nebensächliche Themen nicht so unterhalten, wie sie es gerade getan hatten. Zugegeben, es war sicher nicht die perfekt entwickelte Art der Kommunikation gewesen, doch im Verhältnis schon einmal fortschrittlich. Vielleicht sollte sie einfach mal ihren Mut zusammennehmen und ihn fragen, warum er so war, wie er es eben war. Langsam schaltete sich ihr gesunder Menschenverstand wieder ein und riet ihr, endlich aufzuhören über diesen Typ nachzudenken, der doch eigentlich nur die Rolle des Arbeitgebers in ihrem Leben spielte. Spielen sollte. Da schon wieder! Ihre eigenen Gedanken trieben sie noch zur Weißglut, schließlich war sonst sie doch immer die Kühle, Überlegene, die von Liebesbeziehungen für sich persönlich nicht viel bis gar nichts hielt und jetzt fand sie sich vor der Hausschwelle eines arroganten Eisblockes wieder und fühlte sich in einem Strom von widersprüchlichen Gefühlen gefangen. Schließlich riss sie sich zusammen, straffte ihre Schultern und machte ein paar Schritte von der Tür weg, auf die Treppe zu. Gerade im Begriff die erste Stufe zu betreten, hörte sie, wie die riesige Haustür wieder geöffnet wurde und jemand mit festen Schritten heraustrat. Abrupt blieb Kerry stehen. Jede Faser ihres Körpers war angespannt, zerrissen zwischen Weitergehen und sich herumdrehen. Sie entschloss sich für einen Kompromiss. Da sie schon ahnte wer hinter ihr stand, drehte sie sich zwar um, setzte jedoch einen leicht genervten Gesichtsausdruck auf und musterte Seto Kaiba von oben bis unten mit unverhohlener Kälte. Warum sie diese ihren Gefühlen eher gegensätzliche Handlung vollführte, konnte sie sich weder zu diesem Zeitpunkt noch irgendwann später erklären. Keiner von beiden sagte ein Wort, obwohl beide darauf warteten dass sein Gegenüber das Wort ergriff. Keiner wollte natürlich der erste sein und so lief es darauf hinaus, dass niemand etwas sagte. Es herrschte eine angespannte Stille, die von dem nun etwas schärferem Wind nur noch verstärkt wurde, der plötzlich an Kerrys Kleidung und Setos langem weißen Mantel zu zerren schien. Beinahe bildete sich die Rothaarige schon ein, Stimmen im Flüstern des Windes zu erkennen, die ihr säuselnd und gleichzeitig drängend empfohlen schnell zu verschwinden. Doch sie war sich völlig sicher, dass dies von einer gewissen, nicht allzu weit entfernten Person wieder als Flucht angesehen werden würde und das konnte sie nicht noch einmal zulassen. Irgendwann, ob es wohl Sekunden oder Minuten waren, streckte Kaiba mit einer schnellen Bewegung seinen Arm und seine Hand aus, als wolle er sie ihr zum Abschied geben. Kerry zog nur eine Augenbraue empor und blickte fragend von seinem Gesicht zu der Hand und wieder zurück. Allerdings konnte sie in seinem undurchdringlichen Blick absolut nichts außer Kälte erkennen. Misstrauisch beäugte sie deshalb nun seine dargebotene Hand. Was auch immer das jetzt werden sollte, ehe sie sich versah war sie schon darauf eingegangen und hatte ihm ihre Hand gegeben. Ihre Handflächen hatten sich nur kurz berührt, da zog er seine Hand schon wieder zurück und drehte sich um, um auf die halboffene Haustür zuzuschreiten. Die junge Frau wollte gerade zu einer verwirrten und gleichzeitig provokativen Frage ansetzen, als sie bemerkte, dass ihre Hand nicht mehr genauso leer war wie zuvor. Etwas Flaches füllte ihre gesamte Handinnenfläche aus, als sich ihre Finger leicht krümmten. Fragend und neugierig zugleich drehte sie ihre Hand herum und streckte zugleich ihre Finger aus, so dass sie ihre flache Handinnenfläche betrachten konnte. Ruckartig riss Kerry sich von dem Anblick, der sich ihr bot los und suchte mit ihrem Blick hektisch den jungen Geschäftsmann, der jedoch gerade die schwere Holztür krachend hinter sich ins Schloss fallen ließ. --------------------------------- Ich bin ja reichlich überrascht welche Szenen ihr als Lieblingsszenen eingestuft habt, nämlich solche, denen ich weniger Aufmerksamkeit geschenkt hätte/habe. Aber das ist auch ein guter Hinweis, denke ich... sollte ich mir mal Gedanken drum machen. So dann aber noch zu spezifischen Fragen, von denen ich jetzt einfach mal frech annehme, dass sie ernst gemeint waren und eine Antwort erwarten: @Mijako Wo ich so schreiben gelernt habe ist mal ne gute Frage, obwohl ich jetzt nicht unbedingt sagen könnte, dass ich es selbst perfekt oder genial oder ähnliches einstufen würde. Aber wurscht. Habe einfach schon früh angefangen zu lesen und vor allem mein Faible für Fantasy entdeckt und wurde von diesem Genre und den Schreibstilen von hauptsächlich SciFi und Fantasy Autoren geprägt. Geschrieben hab ich auch schon immer gerne, kommt vielleicht daher, dass ich mich schriftlich lieber und besser ausdrücke, als verbal. Aber irgend ne besondere Schulung oder so hab' ich nicht durchgemacht, obwohl das mal ur interessant wäre... @Dreamer Chan und Yusuka Chan Tja die böse böse Tür am Schluss. Naja sollte eigentlich nur Anlass zu Spekulationen und irrsinnigen Fantasien bieten um dann in Wirklichkeit ganz harmlos zu sein ;) Hoffe ihr seid nicht allzu enttäuscht, aber das Kapitel hatte diesmal ohnehin eher informativen Charakter. Keine Specials ;) Tja da müsst ihr genauso durch wie ich *lol* @Miss Victoria und Namischatz Zum Thema: Seto taut bald auf. Das kann ich leider nicht bestätigen, soviel kann ich verraten, ich wollte es mir selbst nämlich nicht so einfach machen und möglichst realistisch bleiben. Hoffe daran scheitere ich am Ende nicht. Aber wobei, Setos ,Endzustand' habe ich gedanklich schon so ziemlich festgelegt, wird aber natürlich nicht verraten, wäre ja noch schöner ;) @Namischatz Kerrys Gefühlswelt. Vielleicht hast du recht und sie fühlt wirklich so, aber vielleicht war es ja nur ein schwacher Moment. Ob das wahr ist oder nicht, so wie ich sie kenne (*lol*) wird sie es einfach beiseite schieben und nie wieder aus ihrem Gedächtnis hervorkramen, schließlich hält sie sich selbst für einen Kopfmensch, der rational vorgeht und ist fest davon überzeugt Seto hassen zu müssen, da sie dazu ja jeglichen Grund dazu hat. Wie auch bei Seto, möchte ich es mir mit dieser Protagonistin nicht zu einfach machen, damit wir bald Friede, Freude, Eierkuchen haben, sondern eine realistische, allmähliche Veränderung (wenn überhaupt eine) entstehen lassen. Seto und Lichtgeschwindigkeit. Interessante These, dem müsste man mal nachgehen *lach* Nein quatsch. Eigentlich war das eher so gemeint, dass Kerry ja ewig lange ohne Plan durch die Flure geirrt ist und letztlich vielleicht im Gesamtbild zwei Ecken weitergekommen ist, dank im Kreis laufen etc. Seto hingegen kennt sich in seiner eigenen Bude ja doch aus, denke ich und hat diese Strecke zielstrebig und ohne Umwege zurückgelegt, er ist also schneller dort wo er hin will, da er den Weg kennt, obwohl er später losgetigert ist. Hoffe das beantwortet die Frage. Allerdings ist es gut, dass du das angesprochen hast, das zeigt, dass ich hierbei doch zu vage war und es genauer hätte schildern sollen *vermerk* @All Ich danke euch für alles Lob und die moralische Unterstützung ;) Gerade momentan hat es mir ur gut getan eure Worte zu lesen. Bin jetzt voll in den Abi Stress reingeschmissen worden, wie schon erwartet und dann gibt's natürlich noch die Frage nach dem "Wohin nach dem Abi" usw. Deshalb hab ich ein wenig vorgeschrieben, so dass ich in den nächsten Monaten immer nur noch ein, zwei mal über die Kapitel drüberlesen muss und sie dann doch noch halbwegs regelmäßig hochladen kann. Ach übrigens: Ein gesegnetes neues Jahr! God bless you Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 16: Von Jägern und Gejagten ----------------------------------- 16. Von Jägern und Gejagten Es dauerte eine ganze Weile, bis Kerry überhaupt realisieren konnte, was nun eigentlich geschehen war. Während sie das versuchte hatte sie ihren leeren Blick noch immer starr auf die nun geschlossene Tür gerichtet und wagte nicht wieder zu ihrer Hand zu schauen. Es könnte ja sein, dass bei einem weiteren Blick auf den ihr übergebenen Gegenstand, dieser sich plötzlich als Illusion und Trugbild entpuppen und vor ihren Augen auflösen würde. Vielleicht hatte sie sich das alles eben nur eingebildet. Es gab nur einen Weg das herauszufinden. Schwerlich gelang es ihr die grünen Augen von der Tür loszureißen und den Blick zu senken. Doch nichts geschah. Der Gegenstand löste sich nicht auf, verschwand nicht vor ihren Augen und verwandelte sich auch nicht in eine scharfe Handgranate. Wie um sicher zu gehen nahm sich Kerry die noch in Folie eingefasste Karte selbst aus der Hand und strich leicht über die glänzende Oberfläche. Das ihr so vertraute und beinahe ehrfurchtseinflößende Bild des Feuerdrachens prangte gestochen scharf und fein ausgearbeitet auf der oberen Hälfte der Spielkarte und auf dem oberen Kartenrand waren deutlich die Worte ,Tyrant Dragon' zu lesen. Sie konnte Setos Entschluss sofort ins Haus zurückzukehren verstehen, denn ihr erster Impuls wäre gewesen ihm vor Freude um den Hals zu fallen, obwohl sie diese 'Rückzahlung seiner Schuld' ja eigentlich als selbstverständlich ansah. Andererseits hatte sie nie wirklich geglaubt die Karte aus Seto Kaibas Händen jemals zurückzubekommen. Umso erstaunlicher war es, dass dies jetzt wirklich eingetreten zu sein schien. Völlig hin und hergerissen zwischen Überwältigung, Dankbarkeit und dem Wunsch dies gelassen hinzunehmen übersah sie, während sie die eingepackte Karte in der Hand immer wieder herumdrehte, den kleinen Zettel, der sich ebenfalls in der Folie an der Rückseite der Karte befand. Aber diese gesamte Inszenierung war absolut die Art Setos. Eine direkte Entschuldigung würde er im Leben nicht über die Lippen kriegen, außerdem stand er nicht gerne bei jemand in der Schuld. Mit der Rückgabe ihrer Karte wollte er wohl zugleich eine Schuld begleichen, als auch eine symbolische Entschuldigung darbringen. Dieses Geständnis würde Kerry ihm zwar nie entlocken können, aber so wie es nun war, war sie es zufrieden, sie hatte seine Geste verstanden, glaubte sie jedenfalls. Kurz huschte ein leichtes Lächeln über ihre Lippen, als sie die Karte aus der Schutzfolie zog, verblasste jedoch gleich darauf wieder, als sie beim Herausziehen den beigelegten Zettel entdeckte. Sofort legte sie die Stirn in Falten. War das Ganze nun wieder an irgendwelche Forderungen oder Verpflichtungen geknüpft? Natürlich, bei Seto Kaiba hatte alles einen Haken. Langsam und mit etwas verkrampften Fingern faltete sie das schneeweiße Stück Papier auseinander. Eine für seinen eigenen Geschmack viel zu lange Dauer, starrte Seto noch die geschlossene Tür an, die er gerade hinter sich zugeschoben hatte. Beinahe war er neugierig auf den Gesichtsausdruck und die Reaktion der jungen Frau. Irgendwie hätte er es durchaus genossen von ihr einen angemessenen Dank zu empfangen, egal wie dieser auch aussehen mochte. Doch allein für diese Gedanken hätte der junge Mann sich am liebsten selbst gestraft, konnte es ihm doch wirklich egal sein, ob sie ihm dankte oder nicht. Es zählte allein, dass er nicht mehr in der Schuld Kerrys stand und sie ihm das nicht mehr ankreiden und zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Hin und her gerissen zwischen seiner kühlen Ignoranz und einem Anflug von Neugier, gab Seto Kaiba schließlich natürlich ersterem nach, wandte sich ab und verließ mit nachhallenden Schritten den Empfangsbereich um sich wieder in seine Arbeit zu stürzen, die er für dieses sinnlose Abendessen schon viel zu lange vernachlässigt hatte. Mokuba saß indessen in seinem dunklen Zimmer auf dem Bett und hatte den leeren Blick hoffnungsvoll auf die Tür gerichtet, als könne allein sein fester Wunsch danach, seinen Bruder dazu bringen, zu ihm zu kommen und mit ihm zu reden. Schon zum mindestens zwanzigsten Mal faltete Kerry gerade den kleinen weißen Zettel wieder auf, drehte ihn zwischen den Fingern, las die wenigen darauf geschriebenen Worte kopfschüttelnd und knüllte ihn dann wieder zwischen ihrer Faust zusammen. Das alles geschah während sie frühmorgens durch den naheliegenden Park joggte. Obwohl eine herbstliche Kälte herrschte, die ihre Atemstöße in sichtbaren Wölkchen erscheinen ließ, trug die Rothaarige kurze Hosen und ein ärmelloses Shirt. Auch ihr Körper zeigte keine Anzeichen dafür, dass sie fror, da auf ihm langsam ein feiner Schweißfilm entstand und sich die Anstrengung in ihren Gliedern bemerkbar machte. Schon seit einiger Zeit nachdem die junge Frau am Morgen losgelaufen war, hatte sie vergessen wie lange oder wohin sie lief, ihre Beine trugen sie einfach immer weiter. Schon ein paar Meter weiter wanderte ihr wacher Blick erneut zu ihrer geschlossenen Faust. Wieder öffnete sie diese und nahm das mittlerweile völlig zerknitterte Stück Papier heraus um es aufzufalten. All das geschah parallel zu ihrem Lauf und zog kaum eine Tempoverringerung mit sich. Und schon wieder prangten ihr die schwarzen Buchstaben, die zwar handschriftlich verfasst worden waren, jedoch beispielhaft symmetrisch wirkten, entgegen. Nur vier einfache Worte, die zusammengesetzt und in Verbindung mit Kerry und Seto jedoch jeglicher Klarheit beraubt wurden. "Zeit für ein Duell." flimmerten die schwarzen Schriftzeichen vor ihren Augen, bis sie das Papierchen entgültig in ihrer Hand zusammenpresste. Endlich blieb sie stehen. Eigentlich hatte die Botschaft eine ziemlich eindeutige Bedeutung, dennoch verwirrte sie Kerry. Sie dachte, dass der Zwilling des weißen Drachens mit eiskaltem Blick mitbekommen hätte, dass sie nicht gegen ihn spielen wollte und es auch unter keinen Umständen würde. Wie in einen plötzlichen Schockzustand versetzt, blieb Kerry auf einmal stehen und schlug sich mit der freien Hand vor die Stirn. "Ach du Schande, jetzt komme ich wegen diesem Hornochsen schon wieder zu spät zur Arbeit!", entfuhr es, ein wenig zu laut für die Umstehenden, ihren Lippen. Zwar hatte sie ihre Uhr nicht zur Hand, schätzte jedoch aufgrund ihres unberechenbaren Umherlaufens die Zeit, die mittlerweile verstrichen war, recht realitätsgetreu ein. Wie ein Blitz drehte sie sich um und raste in Windeseile zurück nach Hause. Mit rekordverdächtiger Geschwindigkeit sprang sie unter die Dusche, zog sich anschließend um und war, zwar ohne Frühstück, aber immerhin frisch eingekleidet, wieder aus dem Haus verschwunden. Als müsse sich der restliche Tagesablauf dem Beginn jenes Tages anpassen, verlief alles was Kerry an diesem Tag anpackte hektisch bis total chaotisch. Völlig durch den Wind kam sie schließlich an der Kaiba Corporation an, wo sie Mokuba an diesem Tag abholen sollte. Dort angekommen parkte sie ihre Maschine in Fahrtrichtung und stieg dann kurz ab um ein wenig auf dem Bürgersteig auf und ab zu gehen. Seit sie diesen nervenaufreibenden Zettel zum ersten Mal gelesen hatte, konnte sie weder gedanklich, noch physisch zur Ruhe kommen und benahm sich wie ein nervöser, ständig hin und her huschender und psychopathischer Hamster. Das sie direkt vor dem Gebäude warten musste, in dem gerade der Auslöser ihrer Hyperaktivität saß und vor sich hin arbeitete, trug nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Ihr unruhiger Blick wanderte zu ihrer Armbanduhr, die sie sich nach dem beendeten Training schnell wieder übergestreift hatte. Zu ihrem Erstaunen war Mokuba, der sonst, ganz der Bruder, immer überaus pünktlich erschien, schon fünf Minuten überfällig. Schulterzuckend trottete die Rothaarige weiter hin und her, wobei ihr plötzlich ein komischer Kerl auffiel, der ein paar Parkplätze weiter an einem schwarzen Geländejeep lehnte, sich gerade eine Zigarette zusammendrehte und sie mit einem unverschämten Grinsen musterte. Die Augen entnervt verdrehend wandte sich Kerry ab und schlenderte wieder in die andere Richtung. Als sie sich jedoch umwandte fiel ihr aus den Augenwinkeln etwas ins Auge. Allerdings hatte sie, als es ihr auffiel, ihre Drehung schon vollendet und sich noch einmal umwenden und diesen Kerl anstarren wollte sie ganz und gar nicht. Nichts desto trotz glaubte sie, einen schwarzen Kreis umgeben von einem lodernden Feuer gesehen zu haben, indessen Mitte irgendwelche weißen Linien waren. Kerry schluckte kurz und hielt inne. Das konnte nicht stimmen, sie musste sich geirrt haben, Seto hatte sie anscheinend mit seiner Geschichte völlig paranoid gemacht. Überall sah sie schon vermeintliche Attentäter und Meuchelmörder. Eins stand jedoch fest, wenn der schmierige Typ sie jetzt noch schräg von der Seite anquatschen würde, würde sie ihm ohne zu zögern eine schallende Ohrfeige verpassen, ob er nun einer durchgeknallten Sekte angehörte oder nicht. Doch sie wurde von einer billigen Anmache, die vielleicht aber auch nie eingetreten wäre, verschont, als Mokuba plötzlich aus der Glastür des gläsernen Baus der Kaiba Corporation gerannt kam. Er schien völlig aufgelöst und unvergossene Tränen schimmerten in seinen Augen. Allerdings stand in seinem Gesicht weniger Trauer, als Wut. So hatte Kerry den Kleinen noch nie gesehen und es erschreckte sie überraschenderweise enorm. Der schwarzhaarige Junge raste ohne zu überlegen an ihr vorbei auf die Straße zu, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Sofort drehte sich die Irin ruckartig herum und setzte sich schneller werdend in Bewegung um Mokuba zu folgen, doch gerade als sie einen halben Schritt gemacht hatte, wurde sie von einem ungeduldigen Ruf, der unverkennbar hart klang, aufgehalten. "Mokuba, komm sofort zurück!", hallte Seto Kaibas Stimme über die Straße und ließ keinen Zweifel daran, dass es nicht gesund wäre sich seinem Befehl zu widersetzen. Selbst den völlig weggetretenen Mokuba brachte es zum Stehen, auch wenn er sich nicht herumdrehte. Dies übernahm die junge Frau für ihn, die den Kopf herumdrehte. Bevor sie jedoch etwas erkennen konnte, traf sie etwas Hartes an der Schulter, so dass sie gerade wieder in die andere Richtung geschleudert wurde. Von der Wucht nach vorn gerissen stolperte sie nach vorne und konnte sich gerade noch so mit den Händen auffangen und so einer unschönen Berührung von Asphalt auf ihrer Haut entgehen. Natürlich war es Kaiba gewesen, der wie ein Irrer an ihr vorbeigestürmt war und sie umgerissen hatte. Sich wütend aufraffend murmelte Kerry einen unterdrückten Fluch und hielt sich dann die Schulter. Verletzen von anderen war wohl eine Art Hobby von diesem Spinner. Sie setzte sich gerade wieder in Bewegung und wollte zu einem patzigen Kommentar ansetzen, als ihr aus den Augenwinkeln plötzlich etwas auffiel. Mokuba war indessen auf die andere Straßenseite gerannt und hatte sich noch immer nicht umgedreht und Seto stand, die Hände in die Hüften gestemmt mitten auf der Straße und gebot seinem Bruder, sofort wieder zurück zu kommen. Doch das war nicht das Wesentliche. Kerry riss ihren Kopf herum und bemerkte den zuvor schon gesehenen schwarzen Jeep. Doch jetzt stand er nicht mehr ordentlich am Straßenrand, sondern rauschte die Straße entlang, direkt auf Seto zu, der noch immer seinen Blick auf den sich entfernenden Mokuba gerichtet hatte. "Verdammt!", zischte Kerry und ihre Beine setzten sich sofort in Bewegung, ohne dass ihr Verstand sie davon abhalten konnte. "Runter von der Straße!", rief sie, wobei sich ihre Stimme beinahe überschlug. "Was tue ich hier eigentlich? Den Idioten des Tages retten?", fragte sie sich in Gedanken selbst, musste sich dann jedoch auf ihre hastig voreinander gesetzten Schritte konzentrieren um nicht ins Straucheln zu geraten. Genervt und deutlich ärgerlich drehte Kaiba ihr seinen kalten Blick zu und bemerkte endlich dasselbe was auch die Rothaarige gesehen hatte. Doch bevor er reagieren konnte hatte Kerry ihn auch schon erreicht, griff im Vorbeilaufen nach seinem Arm und riss ihn mit sich. Mit mörderischem Tempo schoss der nachtschwarze Wagen an ihnen vorbei und verfehlte die beiden so knapp, dass Setos Mantel von dem Fahrtwind noch heftig aufgebläht wurde. Als der Fahrer jedoch bemerkte, dass er sein Ziel verfehlt hatte, bremste er abrupt ab, so dass das Geländefahrzeug ins Schleudern geriet, sich ein paar Mal um die eigene Achse drehte und dabei ein ganzes Stück über den Bürgersteig auf den Wiesenstreifen wirbelte. Währenddessen verlor Kerry dummerweise ihr Gleichgewicht. Noch immer Setos Ärmel umklammernd warf sie sich nach hinten um ihre Balance zurückzugewinnen. Dabei vergaß sie jedoch, dass sie dadurch ihre Arme nach vorne warf und so auch den ebenfalls etwas unsicheren Seto nach vorne schleuderte. Die kleinere Person hatte natürlich nicht allzu viel Kraft und ihre schlanke Statur reichte nur aus, um Seto ein Stück nach vorne taumeln zu lassen, jedoch bei Weitem nicht um ihn zu Fall zu bringen. Zu allem Unglück allerdings stolperte der Braunhaarige, der ohnehin von der ganzen Situation überrascht war, dies aber mit Überzeugung überspielte, über den Bordstein und fiel vornüber, wobei er wiederum die an ihm festhaltende Kerry mit sich zog. Das alles dauerte nur wenige Sekunden und hatte die Folge, dass sich die junge Frau direkt über dem hochgewachsenen Kaiba liegend wiederfand, ihre Hand noch immer in seinen Arm gekrallt und den Kopf auf seine Brust gepresst. Sofort als sie dies bemerkte ließ sie ihn abrupt los, als hätte sie eine heiße Kartoffel angefasst und sich die Finger verbrannt. Eilig stützte sie sich auf beiden Seiten seines Kopfes ab um sich aufzurichten. Trotz aller Versuche möglichst schnell aus dieser Stellung herauszukommen, trafen sich ihre Blicke kurz, bevor die Rothaarige sich aufrichten konnte. Dieser kurze Blick in das tiefe Blau seiner Augen reichte jedoch um Kerry inne halten zu lassen. Sie spürte wie ihr das Blut in den Kopf schoss und wohl weniger, weil sie peinlich berührt war. Die Handflächen auf dem kalten Asphalt fühlten sich plötzlich feucht an und jeder Atemstoß kam quälend langsam, ohnehin schien sich die Welt um sie herum langsamer zu drehen. Dies war einer der seltenen Momente, in denen keine Kälte in den unendlichen Tiefen von Seto Kaibas Augen zu sehen war. Obwohl sich weder Freude, noch Trauer oder ein anderes erlebenswertes Gefühl darin zu sehen war, schien doch die Überraschung als weitaus akzeptablere und menschlichere Alternative gegenüber der unmenschlichen Kälte, die sonst über ihnen lag. Scheinbar in Zeitlupe hob Seto irgendwann, ob es Sekunden oder Minuten dauerte, konnte man nicht sagen, eine Hand und führte sie zu ihrem Gesicht, als wolle er ihr über die Wange streichen. Doch der Moment verging und anstatt ihr Gesicht zu berühren, stieß er sie unsanft gegen die Schulter und somit von sich weg. Mehr als bereitwillig stand Kerry etwas überrumpelt auf und versteifte sich sofort, nur um Seto einen kalten Blick zuzuwerfen. "Ich hoffe du hast genug Körperkontakt für heute.", gab dieser hart und deutlich nach Fassung ringend von sich. "Einbildung ist auch ,ne Bildung.", blaffte Kerry und verschränkte streitlustig die Arme vor der Brust, jegliche eben verspürte Emotion verdrängend und Kaiba hätte wohl jeden Moment etwas erwidert, wenn nicht plötzlich der dunkle Jeep wieder an ihnen vorbei die Straße, nun in entgegengesetzter Richtung, vorbei gebrettert wäre. "Idiot!", murmelte Kerry und sah dem Auto kopfschüttelnd hinterher, wurde jedoch schon wieder aus ihren Gedanken gerissen, als der braunhaarige junge Mann mit langen Schritten über die Straße auf den gegenüberliegenden Straßenrand zueilte. Mokuba war mittlerweile schon längst außer Sichtweite. Der Kleine hatte offensichtlich und glücklicherweise von dem ganzen Trubel nichts mitbekommen. Aber anstatt ihm jetzt zu folgen, worum es auch bei dem scheinbaren Streit gegangen sein mochte, eilte Seto nun zurück zu seiner Firma. Kerry konnte es nicht fassen und setzte sich, geradezu nach einer Konfrontation lechzend, ebenfalls in Bewegung und spurtete hinter dem jungen Geschäftsmann her. "Wo willst du bitteschön hin? Was ist mit Mokuba?", klang es mit vorwurfsvollem und aufforderndem Tonfall aus ihrem Mund. Der Angesprochene hielt nicht den Bruchteil einer Sekunde inne, sondern erreichte gerade den Gehweg. Anstatt in das Gebäude zurückzukehren, schwang er sich jäh über Kerrys Motorrad und drehte den Motor auf, so dass dieser ein aufheulendes Geräusch von sich gab. Sofort beschleunigte die Besitzerin des Gefährtes ihren Schritt und stand sogleich neben dem Feuerstuhl. "Dir ist schon bewusst, dass das meins ist? Auch hier gilt: Anschauen erlaubt, anfassen verboten.", zischte sie unfreundlich und war kurz davor auszurasten. Erst rettete man diesem Vollidioten, aus unerfindlichen Gründen das Leben, dann wurde man noch dafür herumgeschubst und nun auch noch beklaut. Das konnte ja gar nicht schlimmer kommen. Und es konnte doch. Mit einer ungeahnten Präzision lenkte Seto das Motorrad an ihr vorbei, aus der Parklücke heraus auf die Straße. Er meinte es also ernst. Ohne weiter darüber nachzudenken griff Kerry nach dem hinteren Griff an dem Sitz des zweirädrigen Verkehrsmittels und sprang hinter Seto auf das Gefährt auf. Dieser drehte ihr sein Gesicht zu und blickte sie von oben herab mit einer Kälte an, die sofort den Wunsch aufkommen ließ, sich möglichst weit weg von der dem Blick zugehörigen Person zu entfernen. Doch Kerry blieb standhaft und erwiderte den Blick mit aller erdenklicher Sturheit, die sie aufbringen konnte. Seto bewegte seine Lippen und sagte etwas, der Mimik nach überaus Abfälliges, aber dank dem erneuten Aufheulen des Motors war es nicht verständlich. Mit einem provokativ frivolen Lächeln auf den Lippen schlang die Rothaarige ihre Schlanken Arme um die schmale Taille des jungen Mannes und schmiegte sich eng an ihn. Ob darauf eine Reaktion erfolgte, konnte sie nicht erkennen, da er seinen Blick von ihr abgewandt und konzentriert auf die Straße gerichtet hatte. Mit einer plötzlichen Bewegung schoss das Motorrad nach vorne, hob mit dem Vorderreifen kurz ein Stück vom Boden ab und bäumte sich auf. Dumpf prallte das Rad gleich darauf wieder auf der Straße auf, um ohne Tempoverringerung die Straße hinter dem schwarzen Jeep herzuschießen, der eben um die Kurve am Ende der Straßen gerast war. "Angeber.", entfuhr es Kerrys Lippen, die noch immer ein sarkastisches Lächeln umspielten. -------------------------------- Halli Hallöchen! Direkt aus dem Abistress meldet sich das hypernervöse Grashüpferli Creditor auch mal wieder... Also erst einmal ur vielen lieben herzlichen Dank für die Kommentare, gut dass man weiß, dass euch der Wind so gut gefällt. Tja die Stelle hat mich auch einige Mühe gekostet und ich war immer noch nicht sicher, ob sie die gewollte Stimmung widerspiegelt, aber ganz so schlimm kann es dann ja nicht sein... ;) Zu der Logikfrage von wegen: Bedienstete und Überlichtgeschwindigkeit... hmmm... darüber hab ich mir ehrlich gesagt gar keine Gedanken gemacht, aber ich würde sagen in so einem Anwesen gibt es sicher so Direktverbindungen zwischen Küche und Speisezimmer, damit das alles schnell geht, oder man könnte einfach sagen der Weg kam Kerry länger vor als er ist *sich rausredet* Nein quatsch, hast scho' recht, auf sowas sollte ich mal gefälligst aufpassen! Und zum Verständnis von Seto Kaiba... dazu steht Anfang diese Kapitels ja ein wenig drin, zumindest aus der Sicht Kerrys und Seto äußert sich gedanklich ja auch noch ein wenig dazu, hoffe das ist wenigstens etwas zufriedenstellend ;) Nochmals: Tausend Dank für eure Treue und für jedes Lob und gleichermaßen für jeden Kritikpunkt! Tschauserle und God bless you Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 17: Eine Frage des Vertrauens ------------------------------------- 17. Eine Frage des Vertrauens Beinahe wäre das schlanke Motorrad aus der Kurve geflogen, doch Seto hatte die temperamentvolle Maschine völlig unter Kontrolle, als sie um die scharfe Kurve am Ende der Straße rauschten und auf die Hauptstraße gelangten. Zum Glück herrschte momentan nicht allzu viel Verkehr und schon bald hatten Fahrer und Beifahrer zugleich das Objekt ihrer Verfolgung entdeckt. Seto drückte das Gaspedal noch ein Stück weiter durch und sofort schoss das schnittige Verkehrsmittel mit noch höherer Geschwindigkeit die Straße entlang. Kerry, ob gewollt oder nicht, musste sich nun sogar mit dem Gesicht ganz fest gegen den Körper Kaibas drücken um möglichst wenig Fahrtwind abzubekommen. Dabei spähte sie an ihm vorbei nach vorne, was jedoch ziemlich schwierig war, da ihr beinahe sofort Tränen in die Augen traten. Setos Blick war kühl und konzentriert, verbissen und erpicht darauf diesen Attentäter zu erwischen. Wenn der Erfolg dieses Unterfangens allein von dem Maß an Entschlossenheit abhängig gewesen wäre, hätten sie den schwarzen Wagen wohl schon vor der ersten Kurve erwischt. So jedoch zischten die beiden Gefährte pfeilschnell über die Straße und, wie Kerry auffiel, bald in Richtung Stadtausgang. Auch der Braunhaarige vor ihr musste das bemerkt haben, denn nun holte er alles aus dem Motorrad heraus, was der Motor hergab. Für Außenstehende war das vorbeizischende Gefährt nur noch ein verwischter Fleck von Farben, den man übersehen hätte, wenn man auch nur einmal kurz blinzelte. Zufrieden stellte Kerry fest, dass sich der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen langsam, aber stetig verringerte. Plötzlich scherte von rechts ein schnittiger Porsche auf ihre Fahrbahn und drängte das Motorrad ab. Unnachgiebig hielt Seto jedoch Geschwindigkeit und Richtung bei und riss die Maschine erst im letzten Moment herum, um auf die nächstgelegene Fahrbahn auszuweichen. Dabei kippte das Motorrad beinahe zur Seite und Kerry fürchtete schon um ihre Knie, die mit einem allzu geringen Abstand über den Boden schwebten. Gekonnt warf der jetzige Fahrer sich jedoch schließlich wieder in die Gegenrichtung und richtete dabei das Gefährt wieder auf. Dadurch hatten sie jedoch einiges an Tempo eingebüßt, was natürlich nicht länger so bleiben konnte und sofort jagte Kaiba die Geschwindigkeit wieder auf das Höchstniveau hinauf. Die Rothaarige, deren Haare im Übrigen äußerst unpraktisch in ihr Gesicht, darum herum und nach hinten weg, wild durcheinandergewirbelt wurden, hatte während diesem Wahnsinnsmanöver das Objekt ihrer Verfolgung aus den Augen verloren und, wie sie erst jetzt bemerkte, ihre Finger reflexartig fest in Setos Hüften gekrallt. Gleich als sie dies bemerkte lockerte sie ihren Griff etwas und spähte, noch immer das Gesicht an seinen Rücken gedrückt kurz auf die Fahrbahn um den schwarzen Jeep ein ganzes Stück weiter vorne zu erblicken. Ihren zuvor verminderten Abstand hatten sie nun wieder eingebüßt. Für den Bruchteil einer Sekunde wanderte Seto Kaibas Blick nach hinten, auf sie herunter, doch bevor sie auch nur irgendeine Mimik oder Geste machen konnte, hatte er sein verbissenes Gesicht wieder nach vorn gerichtet. Sekunden darauf schossen die beiden Fahrzeuge schon aus der Stadt heraus und waren, abgesehen von ein paar vereinzelten PKWs nun fast alleine auf der nur noch zweispurigen Fahrbahn. Verängstigt oder genervt wichen die meisten anderen Fahrer den beiden anscheinend völlig durchgedrehten dahinjagenden Fahrzeugen aus, darum bemüht sich möglichst schnell in Sicherheit zu bringen. Die junge Frau auf dem hinteren Sitz des zweirädrigen Fortbewegungsmittel konnte es ihnen nicht verdenken, sie hätte sicher genauso reagiert, schließlich wirkten sie mit diesem mörderischen Tempo eher wie zwei völlig zugedröhnte Junkies, als wie vernünftig denkende Menschen. Die Straße glitt vor ihnen dahin und Kerry hätte die Fahrt beinahe genießen können. Sie war eng geschmiegt an den gut gebauten Körper eines jungen Mannes, saß auf ihrem Motorrad und hätte sich endlos frei fühlen können, wenn da nicht die kleinen Details gewesen wären, wie die, dass es ausgerechnet Seto Kaiba war mit dem sie hier herumkurvte und dass er ihr Motorrad unerlaubt entwendet hatte und nun damit auf Verfolgungsjagd nach dem vermeintlichen Mitglied einer völlig abgedrehten Sekte war. Eine scharfe Rechtskurve erinnerte die Rothaarige wieder daran, in welch brenzliger Situation sie sich eigentlich befand und veranlasste sie wieder ihren nach Halt suchenden Griff zu verstärken. Ein kurzer, berechnender Blick auf die Fahrbahn und der Grund für das sich gerade eingestellte Auf- und Abhüpfen war geklärt. Sie waren auf eine Landstraße eingebogen und holperten jetzt mit viel zu hoher Geschwindigkeit über eine Art Feldweg. Hier hatte das Geländefahrzeug des Verfolgten natürlich mehr als einen Vorteil und bretterte nun ohne nennenswerten Geschwindigkeitsverlust über die ungepflegte Fahrbahn. Anscheinend hatte jetzt auch Kaiba eingesehen, dass es Selbstmord wäre hier so weiterzurasen wie bisher, ein Kontrollverlust wäre vorprogrammiert. Kaum merklich verringerte er die Geschwindigkeit des Motorrades, wenn es ihm auch deutlich schwer fiel und seinem harten Gesicht die Wut über die eigene Machtlosigkeit anzusehen war. Schade allerdings, dass Kerry gerade viel zu sehr damit beschäftigt war auf den Jeep zu starren, anstatt in das Antlitz des Fahrers vor ihr, dieser Gesichtsausdruck hätte sie sicher interessiert. Aber nicht nur Geschwindigkeit und Fahrbahn hatten sich verändert, sondern auch die gesamte Umgebung. Wo zuvor noch Häuser und Zeichen menschlicher Zivilisation zu sehen gewesen waren, erstreckte sich jetzt nichts weiter, als karges Land. Weite Wiesen- und Weideflächen, die jedoch dank der Jahreszeit eher grau bis braun, als frisch und grün wirkten. Blumen waren überhaupt keine zu sehen, dafür viele vereinzelte Baumgruppen von teilweise kahlen Bäumen, an denen nur noch ein paar braune und beige Blätter flatterten. Wo auch immer der Verfolgte hinwollte, es würde nicht gerade viel los sein und die Rückfahrt würde wohl nicht die kürzeste werden. Aufgrund der schlechten Beschaffenheit der Straße, die es kaum verdient hatte so genannt zu werden, wurde von beiden Fahrzeugen eine Menge Staub und Dreck aufgewirbelt und so fanden sich die beiden Fahrer auf dem zweirädrigen Gefährt schon bald in einer dichten Staubwolke wieder, die sie völlig einhüllte und die Sicht auf eine kurze Strecke vor ihnen beschränkte. Dies hätte eigentlich eine weitere Tempoverringerung nach sich ziehen müssen, aber davon war nichts zu merken, im Gegenteil, Seto Kaiba beschleunigte die Maschine unter ihm auf einmal wieder und mit einem kurzen, unwilligen Ruck sprang das Motorrad nach vorne und holte wieder auf. Allerdings musste Kerry sich Mühe geben keinen lauten Protest loszuwerden, da sie kaum die Augen offen halten konnte und Gefahr lief von ihrem Sitz heruntergeschüttelt zu werden. Dies konnte sie nur vermeiden, indem sie ihren Klammergriff wieder etwas verstärkte und nachdem sie bei einer besonders ausgeprägten Bodendelle beinahe weggeschleudert worden wäre, nutzte sie ihren scharfen Griff um seine Hüften um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sie über seinen Fahrstil nicht gerade erbaut war. Obwohl sie annahm, dass ein gewöhnlicher Mensch mittlerweile, selbst durch Pullover und Mantel, Schmerz hätte spüren müssen, kam noch keine Reaktion und die Fahrt ging unbeeinträchtigt weiter. In Wirklichkeit jedoch, hatte Seto Kaiba die Zähne fest aufeinandergepresst und versuchte stur den sich verstärkenden Druck auf seine Seite zu ignorieren. Er sah es überhaupt nicht ein, jetzt langsamer zu werden und diesen Mistkerl vor ihnen entwischen zu lassen, da konnte kommen was wolle und eine ungebetene Mitfahrerin würde ihn wohl kaum von seinen Plänen abhalten. Zu diesem Schluss kam die Rothaarige schließlich auch und lockerte ihre Hände wieder ein wenig um dann nach vorne zu schauen und die Lage zu überblicken. In den letzten Sekunden, oder waren es Minuten gewesen, hatte sich nicht viel verändert. Die Sicht war nach wie vor schlecht, man konnte kaum Atmen und das Dröhnen der Motoren übertönte jegliches andere mögliche Geräusch. Kerry konnte also weder erkennen wie weit das verfolgte Objekt vor ihnen war, noch ob es überhaupt noch da war, geschweige denn, dass sie hätte sagen können wo sie sich befand. Vermutlich irgendwo, weit, weit weg von zu Hause und jeglicher Zivilisation. Auf einmal weiteten sich die kristallgrünen Augen der Beifahrerin und sie setzte gerade zu einem Schrei an, da hatte der Fahrer es auch schon bemerkt. Das kaum zu erkennende Gefährt vor ihnen war wie auch sie geradeaus gerast, doch plötzlich hing es in der Luft um dann nach unten und somit aus ihrem Sichtbereich zu fallen. Urplötzlich riss Seto das Motorrad herum und trat energisch auf die Bremse, so dass Kerry nach vorne gegen seinen Rücken prallte. Ihr Ruf wurde dadurch abgeschnitten. Zum zweiten Mal seit sie hierher gezogen war wurde sie von dem Sitz ihres Motorrades gerissen. Der braunhaarige junge Mann ließ sich gleichfalls von dem ledernen Sitz fallen und rollte sich gekonnt auf dem Boden ab. Die Rothaarige hatte weniger Glück. Sie wurde zwar von ihrem überaus mitfühlenden Begleiter halb mit heruntergerissen, doch blieb sie mit der leicht ausgestellten Schlaghose an der Maschine hängen, die mittlerweile zur Seite gefallen war und mit wenig verminderter Geschwindigkeit auf den vor ihnen gähnenden Abgrund zurutschte. Ehe Kerry irgend etwas unternehmen konnte war sie plötzlich frei und wollte sich ebenfalls von ihrem Sitz wegrollen. Dazu war es nun allerdings zu spät. Gerade als sie sich abstieß spürte sie deutlich das schwere Gewicht des Motorrades absinken und wegfallen. Mit einem erschreckten Schrei wurde sie mit über den Rand gezogen und griff in an Panik grenzender Verzweiflung nach oben. Sie rutschte mit den Fingern über hartes Gestein, glitt immer wieder ab und riss sich die Hände blutig, bis sie endlich Halt fand und mit in der Luft baumelnden Füßen in eine Ruhestellung kam. Der Versuch nicht nach unten zu blicken misslang und sofort versuchte sie sich an die kantige Steinwand zu pressen und auch mit ihren Füßen einen Vorsprung zu finden, auf dem sie sich abstützen könnte. Unten, ca. fünfzig Meter tiefer, war inzwischen der dunkle Jeep mit Wucht aufgeprallt und in einer eher kleinen Explosion in Flammen aufgegangen. Das Motorrad hatte es nicht ganz so schlimm erwischt, immerhin war es nur völlig verbeult, verbogen und nichts schien mehr an dem vorgesehenen Platz, aber immerhin, es war nicht in einem Flammenmeer aufgegangen. Ein vorsichtiger Blick nach oben ließ Kerry bemerken, dass sie nicht allzu tief gefallen war, sie hing vielleicht ein ein Halb Meter unterhalb des jäh abfallenden Hanges. Allerdings war das noch immer viel zu weit, als das sie hätte nach oben klettern können, denn schon jetzt verspürte sie eine gewisse Müdigkeit in ihren Armen. "Verdammt!", fluchte die Rothaarige leise und versuchte ohne Erfolg ein Stück weiter oben mit ihrer rechten Hand Halt zu finden. Schließlich rutschte sie beinahe noch ein Stück zurück und gab es schließlich auf. Alleine würde sie wohl nie dort heraufkommen. Plötzlich tauchte ein Paar blitzend blauer Augen und ein brauner Haarschopf am oberen Rand auf. Seto musterte sie mit kühler Gelassenheit, als berechne er ob es die Mühe Wert sei ihr hinaufzuhelfen. Schließlich beugte er sich zu ihr hinunter und reichte ihr seine Hand, indem er seinen schlanken rechten Arm so weit es ging hinunterbeugte. Dabei konnte man die Anspannung jedes seiner Körperglieder sehen, da es offensichtlich gar nicht so einfach war das Gleichgewicht zu halten und zu vermeiden vornüber zu fallen. Kerry biss sich auf die Lippen und blickte stur nach oben, jedoch ohne Anstalten zu machen die Hand ihres Chefs zu ergreifen. Selbst wenn sie in dem Moment gewollt hätte, keine ihrer Hände hätte sich auch nur ein Stückchen von dem kalten Fels wegbewegt. "Jetzt gib mir schon endlich deine Hand. Sofort.", forderte Kaiba schließlich mit unverhohlen ärgerlicher Stimme und dem üblichen Befehlston. Die grünen Augen der jungen Frau verdunkelten sich. Diese Situation war schlimmer als alles was sie sich hätte ausmalen können, doch Tatsache war, ihr Leben hing an einem seidenen Faden und das Schlimmste war, es lag auch noch in der Hand Seto Kaibas. "Vergiss es!", gab sie nicht gerade leise und mit bissigem Tonfall zurück. Einen kurzen Moment schien etwas wie Verwunderung im Blick des Blauäugigen zu sein, doch dies verschwand sogleich wieder und wich einem Ausdruck von eisiger Härte. "Du glaubst doch nicht, dass ich dir mein Leben anvertraue.", fügte Kerry nun genauso stur und giftig wie zuvor hinzu. Was wenn der Kerl dort oben daneben griff, es sich plötzlich anders überlegte oder ihm spontan auffiel, dass sie die Mühe doch nicht wert war? Wie als Reaktion auf ihren Kommentar gaben ihre mittlerweile beinahe tauben Finger plötzlich nach und sie rutschte ein Stück weiter. Krampfhaft versuchte sie wieder nach etwas zu greifen und klemmte sich, mehr oder weniger glücklicherweise, die Finger in einer Felsspalte ein. Mit der anderen Hand griff sie zu und hielt sich an einem Stein fest. Parallel dazu jedoch entfuhr ihr ein gedämpfter Schmerzensschrei, dem ein prüfender Blick nach unten und dann nach oben folgte. Seto behielt noch immer die Fassung und gab sich kühl und unbeeindruckt, rang jedoch im Inneren um seine Beherrschung, als er hervorstieß: "Jetzt gib mir schon deine verfluchte Hand, du sture Spinnerin!" Kerry hätte jetzt mit dem Kopf geschüttelt, wäre ihr diese Bewegung nicht schon zu riskant vorgekommen. "Kannst du es nicht raffen, oder willst du nicht?", stieß sie angestrengt atmend hervor, wobei sie noch immer mit ihren Füßen nach besserem Halt suchte, die ja in der Luft baumelten. Schließlich gab sie es auf und hörte auch endlich auf herumzupendeln, nachdem sie ihre Beine still hielt. Ihre kristallgrünen Augen mit kaum gesehenem Ernst und etwas, das wie Erkenntnis erschien, auf die von Seto Kaiba gerichtet fuhr sie schließlich mit angespanntem Tonfall und leicht zögerlich fort: "Verstehst du nicht? Selbst wenn ich wollte, ich könnte sie dir nicht geben!" Zum gesteigerten Ärger, der ihren verhinderten Retter bisher schon befallen hatte, mischte sich nun noch komplette Verwirrung. Mit einem bedauernden Seufzer erklärte Kerry, nicht gerade erfreut über diese Aufgabe, weiter: "Oh man, Seto, es geht hier verdammt noch mal um mein Leben und darum es in deine Hände zu legen. Ich kann das nicht. Es... ich..." Die Rothaarige geriet ins Stocken und wurde dann unterbrochen durch Kaibas nüchterne und unterkühlte Stimme: "Du hast wirklich einen Schaden, weißt du das?!" Plötzlich rutschte Kerrys halb taub gewordene, rechte Hand weg und wieder vergrößerte sich der Abstand zwischen ihr und dem oberen Rand des Abhanges. "Ich vertraue dir nicht, verdammt!", schrie die junge Frau schließlich mit letzter Anstrengung ihre bisher nur unterbewusst bemerkbar gewordenen Gedanken aus, die ihr in diesem Moment aber selbst hohl und völlig schwachsinnig erschienen. Langsam wurde es wirklich ernst. Zwar konnte sie schließlich ihre zweite Hand wieder an den Fels klammern, doch fühlten sich beide Hände nicht gerade sicher verankert an, sondern drohten schon wieder sich zu lösen. Gegen ihren eigenen Willen versuchte die Irin endlich eine Hand wegzunehmen und Seto hinzustrecken, doch so sehr sie sich bemühte, ihre Hand bewegte sich keinen Zentimeter. Warum nur musste man immer in solchen Situationen feststellen, wie wahr die Aussagen mancher Sprüche waren, denn sofort fiel Kerry das Sprichwort ein: "Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach." Mit ängstlich geweiteten Augen blickte sie nach einer schier endlosen Zeit wieder nach oben, wo Seto noch immer am Rand kniete, seine Hand und seinen Arm jedoch nicht mehr nach ihr ausstreckte, sondern zurückgezogen hatte. An seiner Mimik konnte man wie so oft nichts ablesen, doch seine Augen glitzerten kalt. "Seto...", begann Kerry und ärgerte sich trotz der gefährlichen Lage gleich darauf über ihren hilflosen, ja fast flehenden Tonfall, der von dem Angesprochenen wohl ohnehin nur als schwächlich angesehen werden würde. Doch weiter kam die Rothaarige nicht, denn mit einem Knirschen löste sich ein Stein unter ihrer Hand und sie spürte wie das einzige woran sie sich noch klammerte ihrem Griff entglitt. Selbst für einen Schrei ging alles zu schnell, denn sofort fühlte sich Kerry schwerelos und im gleichen Moment fühlte sie doch, wie sie nach hinten fiel. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen, so dass sie mit überraschender Schärfe jedes Detail ihres Falles, bis hin zum Aufprall miterleben würde. Ein Ruck riss sie aus ihren flüchtigen Gedanken und ein kurzer Schmerz schoss ihren linken Arm hinauf. Zu diesem wanderte auch sofort ihr verwunderter Blick und gewahrte, das Seto sich wohl blitzartig wieder nach vorne gebeugt und ihren Arm ergriffen hatte. Allerdings war sie ihm dabei ja nicht gerade entgegengekommen, so dass der junge Geschäftsmann nun gefährlich weit, beinahe bis zum Bauch, über dem Rand des Abhanges hing und zusätzlich noch das herabziehende Gewicht eines ganzen, wenn auch recht zierlichen Menschen ausgleichen musste. Seine markanten Züge wirkten noch schärfer als sonst, aufgrund der ihm förmlich anzusehenden Anstrengung und Anspannung. Etwas das fast so wie "stures Miststück" klang, entfuhr Setos Kehle, während er versuchte das Gleichgewicht zu halten und nicht noch weiter nach vorn zu rutschen. Als ob sich etwas in ihr gelöst und sie wieder von ihrer Starre befreit hätte, schwang Kerry nun mit letzter Anstrengung den nicht in Kaibas Griff befindlichen Arm nach oben und bekam einen Felsvorsprung zu fassen. An diesem versuchte sie sich nun mit zusammengebissenen Zähnen ein Stück nach oben zu ziehen, nur kurz um ihrem zweifelhaften Retter die Möglichkeit zu geben, sich von ihrem Gewicht befreit, weiter zurück auf die sichere Ebene zu befördern. Wie auch immer er das anstellen sollte. Das war dann sein Problem, sie musste ihn nur möglichst schnell entlasten, sonst würde sie diesen Irren da oben noch mit in den Tod reißen, was sie nun wirklich nicht verantworten wollte. Selbst wenn es Momente gab in denen sie den jungen Mann, der nun ein paar Meter über ihr halb in der Luft hing, hätte umbringen wollen, im vollen Ernst würde sie nie freiwillig jemand ernsthaft in Gefahr bringen. Ein unterdrücktes Stöhnen kam ungewollt über ihre Lippen, als sie ihren Arm anspannte und sich nach oben zu ziehen versuchte. Seto hatte wohl mitbekommen, was sie tat und robbte sogleich ein Stück nach hinten, allerdings nicht, ohne sie weiter fest zu halten. Nun ja, das war ja schließlich auch das Mindeste, ungeachtet, dass sie genau dies kurz zuvor noch angezweifelt hatte. Nun hingen die beiden schon ein paar Zentimeter höher in der Luft. So arbeiteten sich die beiden nach oben und auch wenn sie es beide nicht bemerkten oder vielleicht auch nur nicht zugeben wollten, es war ein perfektes Zusammenarbeiten, zwar aus reiner Not und Selbsterhaltung, aber dennoch war es hervorragende Teamarbeit. Schließlich wurde die Rothaarige von zwei kräftigen Armen über die oberste Kante gezogen, wo sie sich keuchend auf den Rücken drehte und erst einmal nur liegen blieb um alles Geschehen zu realisieren. Sie war fast zu Tode gestürzt, hatte sich geweigert sich helfen zu lassen, war dann dennoch gerettet worden und... Aber der restliche Teil schien völlig unbedeutend, wichtig war: Sie war gerettet. Doch als sie diesen Gedanken fasste, kam ihr auch wieder in den Sinn, wem sie diese Fügung zu verdanken hatte. Seufzend rollte sie sich zur Seite und bemerkte, dass Seto Kaiba nur einen halben Meter von ihr entfernt kniete und sie aus eisblauen Augen und mit beinahe höhnischem Blick beobachtete. Sofort verschwand jeder Wunsch zu einem Dank und Kerry rappelte sich schnell auf um seine unangenehmen Blicke auf ihr und das Gefühl das sie vermittelten, abzuschütteln. "Sieht so aus, als ob du mir schon wieder was schuldest, diesmal ein neues Motorrad.", gab sie patzig, aber zu ihrem Unmut mit leicht brüchiger Stimme von sich. Genau wie ihre Stimme noch unsicher klang, so fühlten sich auch ihre Beine genauso an. War Setos Blick zuvor schon kalt gewesen, so sank er jetzt unter den Gefrierpunkt. Obwohl er sichtlich verärgert über die undankbare junge Dame vor ihm war, hatte er eigentlich, wenn er ehrlich war, keinen Dank erwartet. Er war es nicht gewohnt jemanden zu helfen, so dass man ihm Dank schuldete und selbst wenn, so erwartete er es nicht von irgendjemanden. So war sein Menschenbild geprägt und beinahe wunderte er sich darüber, dass er von ihr erwartet, nein eher sich erhofft hatte, dass sie anders wäre als alle anderen. Er hatte gedacht, sie könnte sein Menschenbild verändern, gehofft sie würde ihm beweisen, dass nicht alle Menschen in die Schublade passten, in die er wirklich jeden steckte. Doch sie hatte ihn enttäuscht und das ließ alles was sich bisher in ihm erwärmt hatte, wieder zu dem massiven Eisklotz gefrieren, der fast sein gesamtes Sein ausmachte. -------------------- Ich weiß nicht so recht *ständig nochmal drüberlese* Irgendwie gefällt mir dieses Kapitel überhaupt gar nicht... Naja das Kapitel an sich schon, aber Kerry gefällt mir nicht. Schon schlimm, wenn man seinen eigenen Charakter für völlig bescheuert hält, denn das tue ich gerade. Egal, ähm, ihr habt sich eine eigene Meinung, die ich nur zu gerne hören würde ;) Danke für alle guten Wünsche fürs Abi, mehr als die Hälfte habe ich ja jetzt hinter mir *hupf* Bleibt abzuwarten wie es wirklich gelaufen ist, doch momentan sehe ich das ganz positiv... (was bei mir allerdings nicht so arg viel heißt *lach) Und nun kommen wir wieder zu den allseits beliebten: Kommentaren zu den Kommentaren @Fire__Angel (wie viele Unterstriche sind das bloß?) Dein Lob bezüglich der Charakterdarstellung hat mich total aufgebaut, weil ich momentan dabei bin voll daran zu zweifeln, ob ich das wirklich noch gescheit hinkriege. Danke für das Aufbauen ;) @Mijako Naja wessen Gefühle würden nicht spinnen, wenn man auf Seto Kaiba liegt *räusper* Ok, das war jetzt sehr zweideutig *schäm* Was ist mit Mokuba, das ist easy, der ist sauer und deshalb zielstrebig auf dem Weg nach Hause um dort wahrscheinlich lautstark die Tür hinter sich zuzuknallen und dann auf sein Kopfkissen einzuboxen. Nein, verdammt, es ist Mokuba, es bin nicht ich ;) @Yusuka_Chan Ob das jetzt eine Drohung ist, nun ja über solche Ankündigungen freue ich mich auf jeden Fall wie ein Schneekönig *lol* Was Seto durch den Kopf geht. Huuuh... ich glaube, das würde ich auch gerne wissen, vielleicht ein Grund, warum ich es nicht geschrieben habe. Aber ich würde spontan mal die Theorie aufstellen, dass er irrsinnig genervt ist von dieser ,Klette' und er diesen ,Klotz am Bein' am liebsten loswerden würde, wobei er natürlich völlig unberücksichtigt lässt, dass sein fahrbarer Untersatz diesem Klotz gehört *g* @Cathleen Seto + Motorrad hat mir in der Noa Staffel einfach zu gut gefallen, also musste ich dieses Bild, dass ich ständig vor mir hatte auch irgendwann einbauen. Was das Näherkommen betrifft... rein körperlich geht's ja kaum noch näher ;) @DarkEye Hehe, gut, dass ich euch das wenigstens glauben machen konnte ;) Nein Scherz, ich bin doof, ich verrate wieder alles, obwohl ich selbst noch keine Peilung von nichts habe. Aber stell dich bezüglich des Näherkommens auf ein paar Verwirrungen ein ;) @MissVictoria Ich werfe Fragen auf? Und ich dachte schon es ist alles total offensichtlich, ihr wisst ja eh immer schon vor mir wie es weitergeht *lol* Ob das Motorrad heil bleibt ist ne gute Frage, dabei müsste ich mal bei Seto nachfragen, ob er eigentlich so was wie einen Führerschein besitzt... @Namischatz Mit der 0815 Szene hast du natürlich recht, das bestreite ich auch gar nicht und von diesen Szenen wird es wohl noch die ein oder andere geben, aber wie du schon gesagt hast, damit ist ja nicht hopplahopp bei mir alles getan und heil und gut und schön. Ich finde Klischees eigentlich ur lustig und arbeite auch gerne mit ihnen, solange sie nicht Überhand nehmen und die ganze Story eins ist. Danke für das ,Daumendrücken' beim Abi, das schriftliche hab ich endlich hinter mir und fühl mich auch deutlich weniger belastet, na ja noch jedenfalls ;) Aber dann auch dir ganz viel Erfolg bei deinem Abi, gelle!!! Und danke noch mal für deine ehrliche Meinung, so was schätze ich wirklich enorm! *knuff* @Itako Hey cool, wieder jemand der meine FF liest ;) Freut mich, dass sie dir gefällt und wie schon gesagt, ich merke gar nicht, dass ich Fragen aufwerfe, habe immer das Gefühl völlig durchsichtig zu schreiben ;) Das baut mich jetzt doch wirklich wieder total auf, da ich momentan echt Probleme habe mit dem Weiterschreiben. Bis zum nächsten Kapitel dann und vielen Dank für eure Treue und vor allem für ehrliche Kritiken *gg* und natürlich auch für das viele Lob! God bless you Dolefulness, vormals Creditor Kapitel 18: Regenwetter, Regenstimmung -------------------------------------- 18. Regenwetter, Regenstimmung "Was ist, willst du hier Wurzeln schlagen?", fragte die junge Frau, während sie ihren ärgerlichen Blick auf den holprigen Feldweg lenkte, der hinter ihnen lag. Eigentlich tat es ihr schon jetzt leid, die letzten Sätze ausgesprochen zu haben, doch beim Anblick von Seto Kaibas Gesichtsausdruck und Blick und einfach in Anbetracht dessen, wie er für gewöhnlich mit den Menschen seiner Umgebung umzuspringen pflegte, verging Kerry jegliche Lust an einer Entschuldigung oder Milderung ihrer Worte. Sie hatte es lange genug mit Sanftheit und Entschuldigungen versucht, zumindest ihrer Meinung nach und es war nichts dabei herausgekommen. Vielleicht sollte man doch Gleiches mit Gleichem vergelten. Sich die aufgerissene Hose abklopfend warf sie einen Seitenblick auf ihren Begleiter, der indessen auch steif aufgestanden war und sie mit eisigem Blick musterte. Unangenehm berührt und sofort von einem schlechten Gewissen geplagt wandte Kerry ihren smaragdgrünen Blick wieder ab und starrte Löcher in den Himmel. Ohne ein weiteres Wort setzte sich der braunhaarige Mann plötzlich in Bewegung und lief mit festen und durchaus ausgreifenden Schritten los, den Weg den sie gekommen waren zurück. Zurücklassen wollte er eine völlig irritierte Kerry, die ihm fragend auf seinen Rücken starrte. Einen Moment hatte er dieses Ziel auch erreicht, aber ganz so einfach war das Zurücklassen eines rothaarigen Sturkopfes doch nicht. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und gerunzelter Stirn stapfte die soeben knapp dem Tod, oder wenigstens einigen, durchaus unangenehmen Knochenbrüchen, entkommenen Kerry hinter Seto her und holte nur mit einem an Laufen grenzenden Schritt auf, so dass sie schließlich neben ihm herging, wenn sie auch sichtliche Mühe hatte, Schritt zu halten. Jedoch wurden weder sie, noch ihr Problem mit dem überaus flotten Tempo von demjenigen der die Geschwindigkeit vorgab, beachtet oder gar berücksichtigt. "Wo wollen wir eigentlich hin?", fragte sie schließlich, während sie ihre Umgebung kritisch musterte. So weit sie auch blickte konnte man nur Felder, Wiesen und ein paar kleinere Ansammlungen von Bäumen sehen. Sie waren hier mitten in der Pampa und der Geschwindigkeit, die sie vorher vorgelegt hatten, nach zu urteilen, würde es ziemlich lange dauern zurück in die Stadt zu kommen, wenn sie zu Fuß gingen. Allerdings erhielt Kerry auf ihre Frage hin genau die gleiche Reaktion, die man von einer Gefriertruhe erwarten konnte, wenn man sie etwas fragte. Wie angewurzelt blieb die Rothaarige plötzlich stehen und starrte ihren Begleiter wütend an. "Hey Mr.Crashtest-Superstar, ich rede mit ihnen!", entfuhr es schließlich ihren leicht bebenden Lippen. Überraschenderweise trat diesmal sogar das vorher noch gewünschte Ergebnis ein und Seto blieb stehen und drehte sich um. Sofort hätte die junge Frau ihre eben gesagten Worte bereut, als sie den eiskalten Blick ihres Gegenübers wahrnahm, der tödliche Eissplitter auf sie zu schießen schien, aber im Moment war sie einfach zu erzürnt, auch wenn ihr eigentlich klar war, dass sich ihre Wut mehr auf sich selbst und die ganze Situation, als auf Seto Kaiba richtete. Allerdings war er der einzige, an dem sie es auslassen konnte und aufgrund der gespannten Atmosphäre war sie auch nicht gewillt vernünftig zu sein und einen schlichtenden Tonfall anzuschlagen. Die Stimme Setos war klirrend kalt und klang nach hartem Stahl, als er ihr eine Erwiderung entgegenschleuderte: "Ist dir schon aufgefallen, dass ich aber keinen Wert darauf lege mit dir zu sprechen? Du, dein Geplappere und dein Motorrad, einfach alles was mit dir zutun hat ist mir völlig egal! Geht das endlich mal in deinen Schädel?" Er spuckte die Worte förmlich aus und drehte sich ohne auf eine Erwiderung zu warten wieder auf dem Absatz um und setzte seinen Weg fort. Kerrys Kinnlade fiel beinahe bis auf den Boden herunter, so schien es ihr selbst, als sie Kaiba mit offenem Mund hinterher starrte. Keiner von beiden wollte realisieren, dass sie die soeben ausgesprochenen Worte nur aus der Situation hervorgingen und im Normalfall nie ausgesprochen worden wären. Obwohl, wenn man es genau nimmt, vielleicht hätten sie nicht denselben Wortlaut benutzt, aber der Inhalt entsprach doch ziemlich der jeweils persönlichen Meinung. Der Blick der Rothaarigen verdunkelte sich unvermittelt und wutentbrannt eilte sie hinter der vermeintlichen Quelle ihres Zorns her um ihn zu überholen, sich vor ihn zu stellen, die Fäuste in die Hüfte zu stemmen und, aufgrund seiner ausbleibenden Schrittverlangsamung, rückwärts zu gehen. "Ach wirklich? Das hätte ich ja gar nicht vermutet.", fing sie mit vorsichtigen Schritten nach hinten an, wobei ihre Stimme jedoch das Gegenteil von ruhig und überlegen war. "Dir ist doch alles und jeder egal, ausgenommen deine bescheuerte Firma! Ach und du würdest sicher noch ,Mokuba' hinzufügen, obwohl ich nicht verstehe, warum er überhaupt noch bei dir ist. Deiner Gesellschaft würde ich selbst ein Waisenhaus vorziehen!" Abrupt blieb Seto stehen. Seine tiefblauen Augen glitzerten wie kalter Frost, als er sie mit seinem Blick förmlich durchbohrte. Kerry folgte seinem Beispiel mit finsterem Blick und fragte sich innerlich, was denn nun diese Reaktion plötzlich hervorgerufen hatte. Bevor sie jedoch irgendetwas wirklich denken konnte, wurde sie heftig weggestoßen, verlor das Gleichgewicht und landete rücklings im Sand. Beim Aufprall auf den sandigen Feldweg schoss ein anhaltender Schmerz von ihrem Gesäß bis zum Rücken. Jedoch war es eher die Überraschung, die sie sprachlos nach oben blinzeln ließ um Kaiba entgeistert zu mustern. Hatte er das gerade wirklich getan? Hatte er sie nach hinten weggestoßen? Der Wucht nach zu urteilen hatte er wohl einen Moment lang wirklich nicht gewusst was er tat, was in Kerry eigentlich hätte Befriedigung hervorrufen müssen, war es doch bisher ihr oberstes Ziel gewesen, ihn aus der Reserve zu treiben. Doch nun, wo es scheinbar erreicht war, machten sich Gefühle des Unglaubens, des Frustes und sogar der Angst in ihr breit. Mit einem körperlich überlegenen, gereizten und am Ende noch unkontrollierten Egoisten alleine umherzuwandern war nicht gerade die fröhlichste Aussicht, die sie sich vorstellen konnte. Indessen war Seto Kaiba selbst mindestens genauso überrascht von seiner Tat, wie sein unfreiwilliges Opfer. Noch nie hatte er eine so unbändige Wut gespürt, noch nie hatte ihn ein starkes Gefühl zum Handeln gebracht, sondern stets nur kühle Überlegungen, doch als sie von Mokuba und ihm und einem Waisenhaus sprach, war all der verdrängte Schmerz wieder in ihm aufgewallt und hatte ihn für einen Moment überrollt. Verbittert presste der Geschäftsmann die Lippen aufeinander und blickte zur Seite, nach außen den kalten Blick wahrend, innerlich jedoch völlig zerrissen. So sehr er diese kleine Ausgeburt vor ihm auf dem Boden für ihre Worte verachtete, war es doch, so wusste er, nicht ihre Schuld, dass sie mit ihren Worten einen wunden Punkt getroffen hatte. Doch niemals, nicht einmal wenn es um sein Leben ginge, würde er dies zugeben. Umso schlimmer, dass er sich ausgerechnet von ihr hatte zu einer regelrecht kopflosen Handlung hatte hinreißen lassen. Den eisblauen Blick wieder nach vorne gerichtet setzte er sich erneut in Bewegung. Kerry hatte inzwischen vorerst aufgegeben. Sie wollte ihn nicht mehr verstehen, er war nicht zu verstehen und sie hatte im Moment wirklich Besseres zutun, als einen neuerlichen Versuch zu wagen hinter seine Fassade zu blicken, die anscheinend ohnehin mehr war als das. Verwirrt und etwas unsicher stand sie auf und fasste sich fragend an den Kopf. Kurz erwog sie Seto wieder zu folgen, entschied sich jedoch dann dagegen und begann die Strecke bis zu ihrem Unfallort zurückzugehen, in der Hoffnung irgendwie den Hang hinabklettern zu können um an ihre Handtasche zu gelangen, wiederum mit der Illusion, ihr Handy könnte noch funktionieren. Von was träumte sie eigentlich nachts? Mit Wucht schlugen die verbliebenen Stücke des Handygehäuses auf den Felsen auf und gaben dabei ein nicht allzu angenehmes Geräusch von sich. Wütend starrte die Werferin auf das zerstörte Funktelefon und verfluchte innerlich die Technik, Seto Kaiba, diesen wahnsinnigen Kerl aus dem explodierten Wagen und nicht zuletzt sich selbst. "Nein!", entrang es ihrer Kehle, wobei sich ihre Stimme nicht gerade freundlich anhörte. "Verdammt, das kann doch wirklich nicht angehen!", schrie sie beinahe und sank dann, aller Wut beraubt, die jetzt Verzweiflung Platz machte, zusammen und hockte sich auf die verbeulten Überreste ihres Motorrades. Langsam begann sich die Dämmerung einzustellen und die sich dem Horizont zuneigende Sonne tauchte alles in ein weiches, warmes Licht, dass jedoch nur allzu bald einer trostlosen Finsternis weichen würde. Kerry spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Zum ersten Mal seit Jahren war sie dem Weinen so nahe. Wütend kämpfte sie sich auf die Beine und begann wieder mit dem Aufstieg, wozu sie erst noch eine halbe Ewigkeit an dem Grat entlang wandern musste, bis sie zu der weniger steilen Stelle kam, an der sie auch herabgeklettert war. Eigentlich war es Unsinn, aber sie brauchte dringend eine Beschäftigung um sich abzulenken, denn das letzte was sie wollte war, wieder weinen zu müssen. Sie, die seit dem 14ten Lebensjahr keine Träne der Verzweiflung oder der Trauer mehr vergossen hatte, stand jetzt kurz vor einem Zusammenbruch und das durfte sie nicht zulassen, sie musste weiterkämpfen. Noch während sie sich dies selbst ständig einredete, bemerkte sie wie hohl ihre Worte klangen und sie fühlte sich plötzlich unsagbar müde, Kampfesmüde. Nichts hätte sie lieber getan als einfach aufzugeben, die Augen zu schließen und der Dinge harren, die da kommen würden, doch die harte Art, die sie sich im Laufe der Zeit angeeignet hatte, gab da nicht so leicht auf. Erschöpft zog sich das rothaarige Mädchen irgendwann über die abgeflachte Kante des Abhanges und kam etwas steif auf die Beine. Über der Schulter hatte sie ihre Handtasche, der jetzt allerdings der wichtigste Teil des Inventars fehlte, das Handy. Aber immerhin konnte sie ihre neue Drachenkarte retten, was diesen Trip herunter und wieder herauf nicht ganz so sinnlos hatte erscheinen lassen, denn trotz der Stelle mit weniger Gefälle, waren Auf- und Abstieg noch anstrengend genug gewesen. Ohne zu wissen warum und wohin stapfte die Rothaarige los, denselben Weg entlang, den sie schon vor Stunden einmal begonnen hatte entlang zu trotten. Doch da war es noch hell gewesen, sie war nicht allein gewesen und sie hatte sich nicht halb so schlecht gefühlt, wie sie es jetzt tat. Natürlich war die Situation ziemlich finster anzuschauen, aber die Situation mit einer anderen Person, oder selbst von Anfang an alleine, wäre leichter zu ertragen gewesen, als mit Seto Kaiba, bzw. mit Seto Kaibas kleiner Abschiedsrede und Gewaltdemonstration. "Warum denkst du eigentlich noch an den Idioten?", fragte sie sich selbst und schüttelte gefrustet den Kopf. Ohne nach links oder rechts zu schauen, stolperte Kerry den Weg entlang, was sich als ziemlich schwierig herausstellte, da die Sonne schon seit geraumer Zeit hinter dem Horizont verschwunden war und nun Dunkelheit die kleine Gestalt umgab, die in den Abendstunden einen verlassenen Feldweg entlang schlich. "Hush my darling, don't fear my darling. The lion sleeps tonight. Hush my darling, don´t fear my...", Kerry unterbrach sich selbst, indem sie die Augen verdrehte und dachte, dass der Text des Liedes wohl ein bisschen unpassend ängstlich klang. Kurz überlegend, was sie stattdessen vor sich hin singen könnte, stapfte sie weiter durch die mittlerweile komplette Dunkelheit. Seit ca. einer halben Stunde kam noch hinzu, dass ein stetiger, aber kalter Regen auf sie niederprasselte und jeder ihrer Schritte ein Quietschen auf dem durchnässten Boden verursachte. Sie wusste nicht einmal mehr, ob sie sich noch auf dem angedeuteten Feldweg befand, obwohl sie ständig angestrengt auf den Boden starrte, nicht zuletzt um nicht auszurutschen. Ganz konzentriert war die junge Frau jedoch nicht mehr, denn die Kälte und auch langsam ein Durstgefühl machten es ihr schwer ihre Gedanken beisammen und in der Gegenwart zu halten. Völlig in Gedanken begann sie dann wieder leise zu summen: "There's no way out of this dark place, no hope, no future. I know I can't be free, but I can't see another way. I can't face another day." "Na haben wir Angst im Dunkeln?", fragte plötzlich eine Stimme, die dank des Plätscherns des Regens und der Dunkelheit dumpf klang, jedoch kam sie eindeutig von vorne. Kerry war völlig in Gedanken, sie war nass und müde und erwiderte gedankenlos und nicht gerade freundlich: "Nein, ich singe immer wenn mir langweilig ist, was geht es dich überhaupt....?" Abrupt blieb sie wie angewurzelt stehen und wäre beinahe ausgerutscht, so plötzlich brach sie ihren nächsten Schritt ab. Es dauerte noch eine kleine Ewigkeit, bis die Irin sich und das Ereignis verarbeitet hatte und darauf reagieren konnte. "Was...wer?.", stotterte Kerry und versuchte um sich herum in der Finsternis der Nacht irgendetwas zu erkennen, wobei ihre ärmliche Situation nicht gerade zum Heben ihrer Stimmung beitrug. Ein bitteres, kaltes Lachen klang aus der Dunkelheit und der Tonfall der nächsten eisigen Worte machten ihr klar, mit wem sie es zutun hatte. "Du bist ein undankbares Miststück, weißt du das?!" Ohne auf die Worte einzugehen war Kerry kurz fasziniert. Sie hatte noch niemals ein Lachen von den Lippen Seto Kaibas gehört, auch wenn es einem eher eine unangenehme Gänsehaut bereitete, als Freude auszustrahlen. Spott und Hohn klangen daraus, aber es war ein Lachen. Wenig amüsiert, aber trotz allem fast schon erleichtert nicht mehr alleine zu sein, gab sie schließlich tropfnass in die Dunkelheit zurück: "Ja ich weiß, aber dann bin ich immerhin in bester Gesellschaft." Die junge Frau seufzte deutlich und trat dann ein Stück weiter vor, bis sich die Umrisse der schlanken Gestalt Seto Kaibas vor ihr abzeichneten. Welch ein Glück, dass sein, wenn auch recht vollgesaugter, nasser Mantel, weiß war. Die Umstände, durch die sie sich vorher getrennt hatten, vergessend war Kerry nun unglaublich erleichtert das harte, markante Gesicht von Seto in der Dunkelheit zu entdecken und ein dankbares Lächeln zierte unmittelbar ihre Lippen, von denen die kalten Regentropfen abperlten. Seto zeigte sich von ihrer Antwort ungerührt, wusste aber anscheinend auch nichts Fieses darauf zu erwidern, vielleicht war es aber auch schlicht unter seinem Niveau. Stattdessen machte er eine Geste, die ihr verklausulierte ihm zu folgen, allerdings merkte auch er sofort, dass man in der hereingebrochenen Dunkelheit der Nacht dies nicht erkennen konnte, also befahl er nur: "Komm mit!" und verschwand wieder in der finsteren Nacht. Dem weißen Farbfleck von Setos Mantel folgend eilte Kerry, ihre Müdigkeit abschüttelnd, hinter dem jungen Geschäftsmann her, im Moment nicht darüber nachdenkend wohin sie eigentlich lief. Wieder bewahrte nur das helle Weiß des Mantels von Seto Kaiba die junge Frau davor, direkt gegen denselben zu laufen, als der plötzlich, scheinbar grundlos stehen blieb. Erst als die Rothaarige ihren Blick von der Gestalt vor ihr ab- und ihrer Umgebung zuwandte, erkannte sie die Umrisse eines Gebäudes, dass sich direkt vor ihnen befand. Kerry staunte nicht schlecht, hatte sie es doch für unwahrscheinlich bis unmöglich gehalten, dass hier draußen irgend jemand wohnte. Ihr Führer ging auf das Haus zu und stieß unsanft die Tür auf, die dabei verdächtig laut knarrte und quietschte. Drinnen war es beinahe genauso dunkel wie draußen, aber schon bald ließ sich feststellen, dass es sich hierbei um kein Haus in dem Sinne handelte. Es war mehr eine alte, verlassene und dazu noch baufällige Scheune. Seufzend trat Kerry weiter vor. Sie wollte nicht undankbar erscheinen, obwohl sie es ja ohnehin schon tat, und schließlich war alles besser als draußen im Regen herumzuirren. Seto ging einfach weiter und beachtete die junge Frau, die ihm die ganze Zeit gefolgt war nicht mehr, als würde sie gar nicht anwesend sein. Typisch, dachte sich diese und verdrehte die Augen, bevor sie sich auf eigene Faust auf die Suche durch das Gebäude machte. Als sie herumsuchte verursachten ihre Schritte ein leises Rascheln und das Berühren des Bodens machte dann auch klar, dass sie auf Stroh lief. Bald darauf entdeckte sie auch auf einer Seite des einzigen großen Raumes eine Ansammlung von aufeinander geschichteten Strohballen. Immerhin würde sie nicht allzu hart schlafen müssen, stellte Kerry zufrieden fest. Während sie nun das Stroh aus dem Ballen zog und auf dem Boden davor ein gut gepolstertes Nest herstellte, verfiel sie wieder in Grübeleien. Wieso war Seto zurückgekommen und hatte sie gesucht, denn das war wohl offensichtlich sein Ziel gewesen, als er draußen im Dunkeln herumgetapst war. Kerry musste zugeben, dass sie es nicht für selbstverständlich hielt, dass ausgerechnet Mr. Frost zurückgekommen war, nachdem sie ihn, trotz der Rettung, die sie ebenfalls nur ihm zu verdanken hatte, so angemault hatte. Nachdem sich ihr Gemüt nun zur Genüge abgekühlt hatte, sah sie auch endlich ein, dass diese Reaktion unangebracht gewesen war. Anscheinend mutierte sie gerade zu so einer Art weibliche Ausgabe von Seto Kaiba. Die Rothaarige schüttelte sich unwillig. Dieser Gedanke war mehr als unangenehm und schon allein daran zu denken, dass so etwas geschehen könnte, konnte nur als völlig absurd eingestuft werden. Aber dennoch konnte sie ihr Verhalten von vorhin getrost mit seinem gewöhnlichen Auftreten vergleichen, ohne ihm in Arroganz und Ignoranz nachzustehen. Nun, da hatte sie also noch einen tollen Abend vor sich, forderte ihr schlechtes Gewissen und ihr eigenes Gefühl für Werte doch, dass sie sich bedankte und entschuldigte. Außerdem gab es da ja noch die, nun eher unwichtig erscheinende, Angelegenheit mit der Karte zu besprechen, woraus sie noch immer nicht schlau wurde. Kerry wollte endlich wissen, was diese blöden vier Worte auf dem Stück Papier zu bedeuten hatten und was er ihr damit sagen wollte, dummerweise war es, wenn sie das Thema schon anschnitt, wohl auch angebracht sich hierfür ebenfalls zu bedanken. Doch hier machte ihr Stolz ihr einen Strich durch die Rechnung. Soviel zu Kreuze kriechen konnte sie nun wirklich nicht zulassen, es war entwürdigend und anstrengend genug sich bei einer Person wie Kaiba zu entschuldigen und zu bedanken, da konnte man das Ganze doch in ausreichend kleinem Maße halten, würde sie doch sicherlich keinen Dank für die Rettung vor dem Geländewagen erhalten. Über ihren Gedanken beendete die junge Frau ihre Arbeit und setzte sich auf das Ersatzbett. Überraschenderweise war die Schicht aus Stroh weniger unbequem, als sie gedacht hatte und so lehnte sie sich mit dem Rücken an einen Ballen und streckte ihre Glieder von sich. Sie wollte noch weiter über ihre soeben erdachten Vorhaben nachdenken und zu einem eindeutigen Ergebnis kommen, aber die Müdigkeit, die auf ihr lastete überkam sie auf einmal bleiern und unnachgiebig. Die Rothaarige mit den noch immer feuchten Haaren, entschied sich dazu nur einmal kurz ein paar Minuten die Augen zu schließen, doch nachdem sie dies getan hatte, war sie innerhalb weniger Augenblick auch schon eingeschlafen. Nachdem sich seine tiefblauen Augen erst einmal an die beständige Dunkelheit gewöhnt hatten und die Sicht durch das fahle Mondlicht, dass durch die Fenster hereinfiel noch etwas verbessert wurde, konnte sich Seto Kaiba mit nur wenig Anstrengung in der Scheune bewegen ohne ständig an irgendwelche Ecken, Kanten oder Wände zu stoßen. Gefunden hatte er bei seinem Streifzug nur eine alte Öllampe, die er ohne Streichhölzer oder Feuerzeug nicht anbekam. Leicht ärgerlich und über die Situation frustriert, blickte er sich in dem kahlen Raum nach seiner Begleiterin um. Noch jetzt fragte er sich, was ihn dazu getrieben hatte zurück in den eisigen Regen zu gehen und nach ihr zu suchen. Schon jetzt bereute er, dass er es getan hatte. Vorher hatte er sich rechtzeitig hierher retten können und seine Kleidung hatte kaum etwas von dem vom Himmel fallenden Nass abbekommen, es war noch hell genug um sich in dem Schuppen umzuschauen und einen Schlafplatz zu finden und er musste sich nur um sich selbst kümmern. Jetzt war er nass bis auf die Haut, tapste halb blind im Dunkeln herum, fror enorm, auch wenn er es nie zeigen würde, hatte keine Ahnung wo in dieser Bruchbude man sich halbwegs bequem hinlegen konnte und noch dazu lungerte diese kleine rothaarige Furie hier irgendwo herum und tat wer weiß was. Mitten in seinen Gedanken hielt Kaiba plötzlich inne, sowohl in seiner Bewegung, als auch in seinem Denken. Alles stand für einen Moment still, als er das Objekt, auf das er noch eben all seinen Ärger hatte schieben wollen, ein paar Meter entfernt entdeckte. Sie turnte nicht wie gedacht durch dieses Gebäude, sondern saß seelenruhig auf einem dicken Bett aus Stroh, den Rücken gegen einen Strohballen gelehnt und schlief ganz offensichtlich. Normalerweise hätte dem kühlen Geschäftsmann ein solches Bild nichts bedeutet, doch mit Erschrecken stellte er fest, dass ihn der Friede dieser Szenerie und die Sanftheit auf Kerrys Gesicht irgendwie berührte. Sofort fasste sich Seto wieder und wischte diese Gefühle, die in ihm aufzuwallen drohten, beiseite um sie in der hintersten Ecke seiner Seele zu vergraben. Solche Gefühle waren etwas für Schwächlinge, für Mädchen seinetwegen, aber nichts für ihn. Wie bezeichneten ihn doch die meisten Menschen? Arrogant und unterkühlt und genau das würde er auch bleiben. Kalt und abweisend, egal zu wem, denn die Menschen waren ihm egal. Ausgenommen sein kleiner Bruder, war ihm ein jeder egal. Kurz zuvor hatte er dies auch der jungen Frau vor ihm überdeutlich klar gemacht. Hoffentlich hatte sie es begriffen. Hoffentlich, denn er selbst, Seto Kaiba, war doch tatsächlich für einen Moment ins Schwanken geraten, ob dies wirklich den Tatsachen entsprechen würde. Doch niemals wieder, sollte das vorkommen, er brauchte nicht einmal lange einen Grund zu suchen, den hatte sie selbst ihm geliefert. Sie war nicht ,anders', sie war wie alle anderen und somit konnte sie ihm egal sein. Er würde es nie wieder vergessen, versprach sich der kühle Geschäftsmann mit entschlossener Miene und sein Blick nahm wieder die gewohnte Kälte an. -------------- Ich kommentiere das Kapitel diesmal einfach gar nicht, ihr findet sicher ohne mich genug zu bemerken oder auch zu bemängeln ;) Und nun kommen wir wieder zu den allseits beliebten: Kommentaren zu den Kommentaren @Itako Also warum ich dieses letzte Kapitel nicht leiden konnte, bzw., warum es mir nicht allzu gut gefiel: Kerry hat sich ziemlich zickig verhalten und das ging mir gegen den Strich, aber ich wollte sie eben auch mal so darstellen, dass sie mit einer Situation überfordert ist und nicht ,richtig' damit umgeht. Das ist mir hoffentlich gelungen... *Kerry einen Vogel zeig* Außerdem ist mir das ganze ,Drama' fast ein wenig zu klischeehaft und dadurch beinahe kitschig, ich bewegte mich da auf einem sehr schmalen Grat... Also das der Streit zwischen Mokuba und Seto in nächster Zeit wirklich ,geklärt' oder noch mal aufgegriffen wird, ist nicht zu erwarten, das Thema mit der Beziehung der beiden Brüder werde ich aber zu einem späteren Zeitpunkt wieder hervorkramen. Aber mich freut es, dass du trotz allem gerne an der FF weiterliest und anscheinend Spaß dran hast. Das ist ein echter Lohn für mich ;) @Cathleen Ha, irgendwie hab ich gar nicht erwartet, dass mir jemand zustimmen würde, dass Kerry hier ,blöde' ist, aber dankeeeee für diese zustimmende Kritik *umarm* Es ist mir echt wichtig, dass ich weiß wie ihr die Sachen seht, damit ich mich an diesen Stellen dann verbessern kann. (Obwohl ich zugeben muss, dass Kerry auch ruhig mal als total behämmert wirken kann, so toll ist sie ja wirklich net ;)) Was deinen Vorschlag angeht... also nicht, dass ich nicht drauf gehört hätte, aber das Kapitel war ohnehin schon ziemlich fertig (also Nr. 18) und daher hat der Vorschlag irgendwie gerade gut gepasst J Thx für deine ehrliche Meinung, weiß ich echt zu schätzen! @DarkEye Danke erst mal für das Lob! Wenn es immerhin gut geschrieben war, ist der Inhalt ja besser zu verkraften ;) Obwohl ich nicht von ,erwärmt' sprechen würde... vielleicht ein bisschen angetaut *lach* Kleiner Joke am Rande @Nanashi Ich lasse Uninteressantes aus? Huch, ist mir gar nicht aufgefallen... na ja ich halte im Prinzip jedes noch so kleine Detail für wichtig und dachte immer, dass ich so jemand bin, der gerne die Leute mit ,langweiligen Informationen' zulabert, aber wenn es bei dir nicht so rüberkommt, umso besser *gg* @FinalFreak Pssssst... Ach mist, jetzt muss ich beichten: Ich gebe zu, ich habe echt null Ahnung von Motorrädern und stehe auch dazu, dass das durchaus unrealistisch sein mag. Hab ja keine Peilung. Aber bei YGO geht's eh nie mit rechten Dingen zu *sich rausredet* Scherzale. Hab eben nur wieder so ne Szenerie vor Augen gehabt und die einfach hingeschrieben, wurscht ob es möglich war oder nicht, sorry, wenn es auf dich jetzt total unrealistisch gewirkt hat. Ich schaue wohl momentan zu viele Actionfilme ;) Aber vielen Dank für deine Ehrlichkeit, daraus lerne ich wenigstens, wovon ich die Finger lassen sollte *gg* Ha, da gibt es jemand der Kerry versteht, cool. Nein, quak, ist mir wichtig, dass die Charaktere nachvollziehbar handeln und ich hatte so den Eindruck, dass es hier nicht gerade verständlich war, aber dazu hab ich ja schon bei Itako was gesagt. Thx im Übrigen für deine Meinung zu meiner Aufreg-Orgie in der Kurzbeschreibung, hätte gar nicht damit gerechnet, dass das jemand liest ;) Ist mir sehr wichtig, dass ich weiß wie die Charaktere beim ,Publikum' ankommen. Mercy Beaucoup! Und zum Schluss: Motz bitte weiter, bringt mich weiter, zumal ,gemotzt' ja auch was anderes ist, ich nenne das lieber konstruktive Kritik J @dreamer_Chan Klippe welche Klippe? Nein nein, es ist nur ein gaaaaaanz harmloser, wenn auch recht steiler Abhang ;) Also wirklich, eine Klippe sollte es nun wirklich nicht sein, sonst wird Kerrys Abstieg ein bisschen unrealistisch. Aber was soll's. Die Kräfte der Physik außer Kraft zu setzen haben Anime Charaktere mit meiner Hilfe doch ur drauf ;) Aber freut mich, dass es offenbar doch ein wenig spannend war und dir gut gefällt. Der Stress ist im Übrigen auch fast vorbei, nur noch mündliche Prüfungen, dann hab ich's endlich hinter mir. @Sweetcharmed03 Also deine Aussage, dass du nicht ein vernünftiges Kommi hinkriegst ist insofern falsch, da du das doch mindestens mit dem letzten ziemlich gut geschafft hast ;) Und natürlich stören mich Gemeinsamkeiten nicht, die wird es immer wieder geben und ich weiß ja eh, dass du sie nicht abgeschaut hast... nehme ich an ;) *lol* Ok dann erst mal vielen Dank für die Bestätigung bezüglich Kerrys Charakter und das Lob für die Beschreibungen, letzteres ist halt was, wofür ich ein totales Faible habe, aber was Kerry angeht, kostet sie mich manchmal schon einiges an Nerven, ich meine sie so darzustellen wie sie ist und nicht plötzlich was zu ändern, weil's mir gerade passt etc. Dann zu Seto, du sagtest er ist noch gefühlloser. Noch gefühlloser als wo oder wann? In der Serie? Hmmm... vielleicht stelle ich das manchmal enorm übertrieben heraus, weil ich Angst habe sonst OOC zu werden, aber ich denke jeder hat eben seine eigene Auffassung dieses Charakters und ich kann mir Seto einfach nicht als gefühlsduseligen Liebhaber vorstellen, da verkehre ich es vielleicht unbewusst ins Gegenteil. Ach ja, sicher habe ich den Verlauf vorgeplant, das halte ich auch für nichts Negatives, sondern ist bei mir unbedingt nötig, weil ich ansonsten an Stellen gerate an denen ich einfach nicht weiterkomme oder mich total verheddere. Der Anfang ist stockend? Hmmm... das musst du mir mal genauer erklären, will wissen wie du das genau meinst, kann ich jetzt nicht recht einordnen, aber will es beim nächsten Mal auf jeden Fall dann besser machen J Gerade noch mal nachschaue. Ich glaube es liegt irgendwie daran, dass ich keinen einzelnen Handlungsstrang habe woran ich mich lang hangele, sondern immer so Stückchen für Stückchen vorgehe, also mir fehlt hierbei irgendwie der rote Faden. Das kommt davon, wenn man sonst nur Fantasystorys schreibt, die eben ein Hauptthema haben, an dem man sich orientieren kann... *grübel* Was das Duellieren angeht, sag ich lieber nichts, ich will mich da nicht selbst festlegen ;) Außerdem würde das doch die Spannung nehmen... *muahahaha* So und noch mal total vielen Dank für deinen genialen Kommentar, ich denke er hat mich nicht nur ur aufgebaut, sondern mir auch weitergeholfen. *dich mal umknuddel* @ KuroiSakura 1., 2., und 3. -> Ich fühle mich seeeehr geehrt *verneig und rot anlauf* 4. Noch mal tausend Dank und zum Auftauen: Ich glaube ich hab selbst Angst davor, weil ich glaube es nicht halbwegs IC hinzukriegen ;) Und zum Thema Karte... ja das wäre echt unlogisch, wenn er die Karte klauen würde, aber er hat sie ja nur mit zerrupft. Es ging ihm ja dabei nicht wirklich um die Karte, sondern darum Kerry eine reinzuwürgen, die kleine nervende Kröte J Ach ja und wen es interessiert: Habe meine schriftlichen Abinoten jetzt endlich und will sie jetzt nicht unbedingt hier aushängen, aber es ist doch überraschend gut gelaufen *total freu*, besonders in meinem absoluten ,Lieblingsfach' Mathe gabs Überraschung. Vielen Dank für eure Erfolgwünsche ;) God bless you Dolefulness/Mürri Kapitel 19: Morgenstund' hat nicht immer Gold im Mund ----------------------------------------------------- 19. Morgenstund' hat nicht immer Gold im Mund "Was schaust du denn so komisch? Hab ich was im Gesicht?", fragte Kerry verschlafen und in die Dunkelheit hineinblinzelnd. Warum sie aufgewacht war, wusste sie selbst noch nicht, allerdings hatte sie nach dem ersten Augenaufschlag und nachdem sich ihre Augen langsam an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, Seto Kaiba entdeckt, der in ein paar Metern Abstand vor ihr stand und sie ausdruckslos anschaute. Instinktiv räkelte sich Kerry etwas und richtete ihren Oberkörper wieder auf, da sie im Schlaf wohl ein Stück von dem Strohballen weggerutscht war. Die Antwort kam, wie konnte man auch anders erwarten, gar nicht. Ohne etwas zu sagen drehte sich der junge Geschäftsmann um, scheinbar selbst auf der Suche nach einem Plätzchen zum Hinsetzen. Mittlerweile war Kerry wieder halbwegs wach und versuchte sich weiter in das Stroh zu kuscheln, da sie jetzt doch langsam eine gewisse Kälte verspürte, die wohl hauptsächlich von den nassen Kleidern herrührte. Die Jeans klebte wie eine zweite, aber eindeutig nicht gerade gemütliche Haut an ihren Beinen und der wollene Pullunder und die bunte Bluse darunter hatten sich wohl soweit mit Wasser vollgesogen, dass man damit einen ganzen Eimer hätte füllen konnte. Angeekelt von dem nassen Stoff auf ihrer Haut, zog sich die Rothaarige kurzentschlossen das schwarze Stück Wolle über den Kopf, legte ihn über einen Strohballen und begann ihre Bluse aufzuknöpfen. Seto, der gerade seine Umdrehung, die ihn nicht viel näher an einen Schlafplatz herangebracht hatte, vollendete, starrte sie fragend und sichtlich unbeeindruckt an. Allerdings bemerkte die junge Frau dies nicht und schälte sich weiter aus dem bunten Stoff der Bluse. "Was soll denn das werden?", fragte der Braunhaarige schließlich, deutlich genervt. Kerry blickte fragend auf und wurde sich dann erst wieder der Anwesenheit ihres zweiten Arbeitgebers bewusst. Schulterzuckend verdrehte sie die Augen und legte die Bluse zu dem Pullunder. Auf der Haut ihres Oberkörpers trug sie nun noch einen nicht allzu freizügigen Bustier, der einfach sportlicher und sporttauglicher war. "Bild dir ja nichts ein, damit laufe ich sogar im Park herum, also kein Aufstand.", gab sie in einem Tonfall zurück, als spräche sie mit einem kleinen Jungen. Ihre Aussage stimmte sogar, denn das elastische Stück Stoff eignete sich genauso gut um an heißen Sommertagen damit joggen zu gehen, wie ein enges Top, war wahrscheinlich noch praktischer. Die Augen erneut verdrehend winkte Kerry ab und ein sichtliches Grinsen zeigte sich auf ihren Lippen. Dann kuschelte sie sich wieder in ihr improvisiertes Bett aus Stroh. Nun aber musste sie feststellen, dass Stroh auf nackter Haut nicht gerade kuschelig war, denn egal wie sie sich drehte, irgendwo piekste und stach es immer. Seto hatte sie nur noch kurz beobachtet, dann wandte er sich endgültig ab. "Seto Kaiba, jetzt hör' endlich auf hier herumzulauern wie ein streunender Tiger! Komm her und setz' dich meinetwegen irgendwo hin, aber steh' da nicht herum wie bestellt und nicht abgeholt!", bat die Rothaarige schließlich ein wenig genervt, aber viel zu müde um noch wirklich so zu klingen. Selbst einer tauben Person wäre aber aufgefallen, dass ihre Worte zwar eine Aufforderung, jedoch nichts von einem Befehl enthielten. Steif drehte sich der hochgewachsene, junge Mann zu ihr herum und blickte einerseits fragend, aber auch abweisend und misstrauisch zu ihr hinüber. Anscheinend war ihm jegliche Form von Müdigkeit und auch so etwas wie ein uneigennütziges Angebot fremd. Die Rothaarige bemerkte sein Zögern und war kurz davor ihr Angebot nachdrücklich zu wiederholen, da überlegte sie es sich anders und rappelte sich eilig auf. Total zerzaust und überall mit Stroh gespickt, trat sie auf den Braunhaarigen zu und griff sich seinen Unterarm. Sofort spannte sich Seto an, versteifte seine Haltung und es war abzusehen, dass sein arroganter Sturkopf niemals zulassen würde, dass dieses kleine Mädel ihr Vorhaben durchführte. Ihren Arm um seinen geschlungen blieb sie kurz stehen und erwiderte seinen kalten, beinahe drohenden Blick gleichgültig, den er ihr von oben herab zuwarf. "Jetzt schau nicht so misstrauisch, setz' dich endlich hin und schlaf von mir aus, grübele solang du willst, aber steh' nicht so herum mit diesem Blick im Gesicht.", forderte Kerry nun doch mit leicht genervtem Tonfall. Noch immer misstrauisch beäugte der ein ganzes Stück größere Mann die junge Frau, anscheinend nicht ganz sicher, ob er erst ihr Angebot ablehnen oder sie zuerst zurechtstutzen sollte. Ganz seinem Menschenbild entsprechend, musste hinter ihrer Forderung ein Hintergedanke stecken, irgend etwas völlig Eigennütziges und es war sicher mehr, als dass sein Herumstehen sie nervte. Kerry verzog die Lippen und man konnte an ihrer Mimik ablesen, dass nun auch ihr Sturkopf sich einschaltete. Gleichzeitig wurde der Rothaarigen jedoch bewusst, dass sie so nichts erreichen würde, da Kaiba einfach aus Prinzip nicht auf sie hören würde, selbst wenn sie ihn anflehen würde. Dieser Umstand würde allerdings wohl nie eintreten, besonders nicht bei so etwas abwegigem wie einem Schlafplatz. Nun war es an der Zeit einen Weg zu wählen, bei dem Kaiba seine Maskerade aufrecht erhalten, zugleich aber ihrer Aufforderung nachgeben konnte, denn sicher war auch er ein wenig müde und wollte sich ausruhen. Obwohl, bei Seto Kaiba, der scheinbar Tag und Nacht mit Arbeiten verbrachte, konnte man nie wissen. Abrupt ließ Kerry Setos Arm los und trottete mit einem kurzen Schulterzucken zurück zu ihrem Strohnest. Ohne zu Zögern ließ sie sich fallen und streckte sich erst einmal übertrieben aus. Noch während sie sich zur Seite rollte und mit einem triumphierenden Grinsen ihren Kopf auf den Arm stützte, erklärte sie spöttisch: "Na dann eben nicht. So eine großzügige, verzichtende Entscheidung hätte ich von dir ja nie erwartet. Darauf kann ich mir jetzt etwas einbilden, dass du zu meinen Gunsten auf deinen Platz verzichtest." Einen Moment schien Kaiba nicht zu reagieren und Kerry glaubte schon, sein Sturkopf würde über seine Müdigkeit siegen, da trat der junge Geschäftsmann plötzlich auf sie zu, kniete sich in das Stroh und schob Kerry unsanft zur Seite. Diese protestierte nur zum Schein und musste sich schwer zusammennehmen um ihr Gegenüber nicht dauernd siegreich anzugrinsen. Das hätte wohl am Ende noch zur Folge gehabt, dass er seinen Entschluss bereut und die Handlung rückgängig gemacht hätte, obwohl bereuen tat er es sicher ohnehin. Dies wollte die junge Frau nun wirklich nicht heraufbeschwören, also kuschelte sie sich wieder in das Stroh und versuchte sich damit etwas zuzudecken, denn kalt war ihr trotz der Ablegung der nassen Kleider immer noch, da sie ja nun gar keinen Stoff mehr an gewissen Teilen ihres Körpers trug. Seto hingegen hatte mit der Temperatur weniger Probleme. Sein Mantel hatte einen Großteil des Regens von seiner Kleidung abgehalten und diente ihm auch jetzt als zusätzliche Wärmequelle. Kerry griff nach ihrer Kleidung, die jedoch noch immer zur Genüge feucht war. Seufzend blickte sie kurz zu Kaiba hinüber, der nicht gerade entspannt auf der Seite lag und ihr den Rücken zugewandt hatte. Kurz biss sich die Rothaarige auf die Unterlippe und überlegte, ob sie jetzt das Wort ergreifen und sich entschuldigen und bedanken sollte. Seto schlief mit Sicherheit nicht und eigentlich konnte man bei ihm nicht auf den ,passenden Augenblick' warten, denn den gab es nie, es gab immer nur unpassende Momente um ihn anzusprechen. Zögerlich räusperte sich Kerry und suchte nach den richtigen Worte, jedoch erfolglos. Schließlich begann sie ohne länger darüber nachzugrübeln zu sprechen: "Seto, ähm, Kaiba?" Sofort hielt sie jedoch wieder inne, da irgendetwas in ihr sagte, dass es selbstverständlich war, dass wenn man angesprochen wurde, sich auch umdrehte, außerdem hasste sie es mit seinem Rücken zu sprechen, was sie ja nun schon allzu oft hatte tun müssen. Jedoch war diese Selbstverständlichkeit dem Angesprochenen sichtlich unbekannt, denn kein Muskel regte sich und das Gesicht konnte sie ja ohnehin nicht sehen. Da sich die Rothaarige trotzdem sicher war, dass Seto noch nicht schlief, sprach sie leise, aber mit fester Stimme weiter: "Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leid tut..." wieder unterbrach sich Kerry selbst, so schwer kamen ihr diese Worte über die Lippen und der verbohrte, sture Teil in ihr wehrte sich enorm dagegen, dass sie weitersprach. "Es tut mir leid, wenn, oder besser dass ich dich vorhin persönlich angegriffen habe." Erst wollte sie noch ein leicht spöttisches: "obwohl ich nicht mal weiß warum, aber du erzählst ja auch nie irgendwas.", hinzufügen, unterließ dies jedoch großzügigerweise und fuhr dann bestimmt fort: "Und ich bin dir ehrlich dankbar, dass du mich gerettet hast, jedes Mal wieder." Stille. Noch immer kam keine sichtbare Reaktion von dem Objekt, auf das sie gerade mit viel Überwindung einredete. Ein gehauchtes Seufzen kam über Kerrys Lippen, bevor sie sich auf dieselben biss und sich auf die andere Seite herumdrehte. Sich gegenseitig den Rücken zugekehrt lagen die beiden dunklen Gestalten nun im kalten Schein des bleichen Vollmondes und keiner der beiden rührte sich mehr. Die saphirblauen Augen, die sonst nur eherne Härte und Kälte ausdrückten, waren starr geradeaus gerichtet, als gäbe es vor ihnen etwas unglaublich Interessantes, das die Blicke Seto Kaibas fesseln würde. Entgegen seiner Körperhaltung und der starren Blicke jedoch, ruhte seine Aufmerksamkeit auf der vertrauten Stimme der jungen Frau neben ihm. Sie sprach selbstsicher und auch wenn ihre Worte in seinen Ohren schwächlich klangen, konnte er, wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, keinerlei Falschheit in ihrer Stimme hören. Doch diesen Eindruck konnte man üben, einstudieren, genau wie er es mit seiner kalten, abweisenden Art getan hatte. Mit aller Gewalt kämpfte der braunhaarige, junge Mann jegliches positive Gefühl nieder, das in ihm aufzukommen drohte. Und seit langem waren das nicht gerade wenige: Triumph, Zufriedenheit und, er selbst hätte es wohl nie ausgesprochen, Zuneigung? Verbissen, als hätte er eine schwere Last zu tragen, presste Seto seine Lippen aufeinander und kniff die Augen zusammen. Niemals, niemals würde er einem anderen Menschen vertrauen, außer seinem Bruder. Niemals würde er zulassen, dass ihm eine andere Person etwas bedeutete, außer Mokuba. Es gab niemand der diese Gefühle Wert war. Niemals würde er wieder die Kontrolle über seine Gefühle verlieren, nur so konnte er sicher gehen, nicht mehr verletzt zu werden. Niemals... Langsam dämmerte die Rothaarige wieder hinüber in das Reich der Wachen. Sie bekam fast fühlbar mit, wie sich der Schleier zwischen Realität und Traumwelt langsam hob und sie ins Wachsein hinüberdämmerte. Unfähig dies zu verhindern, drehte sie sich noch einmal, unwillig schon aufzuwachen, herum und zog sich ihre Decke, die wohl von ihr heruntergerutscht war, wieder über sich und bis zum Kinn, um sich dann in ihr weiches Strohbett zu kuscheln. Ihre Decke? Ganz plötzlich war Kerry hellwach und riss ihre Augen abrupt auf um gleichzeitig in die Höhe zu schießen. In einer nun sitzenden Position starrte sie ungläubig auf ihren Oberkörper, von dem gerade ein großes Stück Stoff heruntergeglitten war, als sie sich aufgerichtet hatte. Erstaunt und fragend zugleich blinzelte sie in die angenehme Helligkeit des schon angebrochenen Tages hinein und verstand nicht ganz, was Seto Kaibas Mantel auf ihr zu suchen hatte. Es dauerte auch noch eine ganze Weile, bis sie ihre Gedanken soweit in eine geordnete Form gebracht hatte und kombinierte, dass er sie wohl damit zugedeckt hatte. Nein, das konnte doch nicht wirklich stimmen. Halluzinierte sie etwa schon? Natürlich nicht, schließlich hatte sie sich das riesige Stück Stoff eben erst von der Seite, an der Kaiba lag, gegriffen. Widerwillig stand sie auf und griff zu ihrer mittlerweile fast trockenen Bluse. Während sie diese nachdenklich zuknöpfte blickte sie verschlafen durch den Raum und stellte fest, dass irgend etwas nicht stimmte. Aber was? Man konnte es womöglich auf ihre noch anhaltende Verschlafenheit schieben, dass ihr erst nach zwei Minuten einfiel, dass Seto nicht mehr da war. Das Lager neben ihr war leer und auch in dem Schuppen, den man nun beim einfallenden Tageslicht ganz gut überblicken konnte, war keine Spur von ihrem mürrischen Begleiter. Merkwürdig, wieso lag sein Mantel dann noch hier herum? Hin und hergerissen zwischen Erstaunen und Besorgnis, griff Kerry hastig nach ihrem Pullunder, streifte ihn sich über, noch während sie versuchte aus ihrem Strohbett zu entkommen und fiel dabei auch noch prompt auf die Nase. Erneut rappelte sie sich auf die Beine und fröstelte unvermittelt. Es war anscheinend noch nicht allzu spät, vielleicht 11 Uhr und die Temperatur hier drin, ließ nicht auf den wärmsten Tag des Monats schließen. Gewöhnlich liebte sie ja den Herbst, doch im Augenblick verursachten die herbstlichen Temperaturen nicht gerade ein Hochgefühl. Ohne nachzudenken schnappte sie sich Setos am Boden liegenden Mantel und warf ihn sich über die Schultern, wobei das lange Stück Stoff beinahe über den Boden streifte, so lang war er für die deutlich kleinere junge Frau. Nach einigen Schritten schon sichtbar sicherer auf den Beiden und langsam auch so etwas wie ,wach', trottete Kerry zu der großen Tür der Scheune hinüber, die sie wenigstens jetzt im Hellen gut ausmachen konnte. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Kehle ziemlich ausgetrocknet war und ihr Magen deutlich machte, dass ihm etwas fehlte, nämlich Füllung. Diese menschlichen Grundbedürfnisse beiseite schiebend, drückte sie die hölzerne Tür auf und trat nach draußen. Die Umgebung, die sie am vorigen Tag im Dunkeln nicht hatte ausmachen können, zeigte sich nun als auch nicht gerade sehenswert. Im Frühling sicher durchaus fruchtbar und schön, sah man nun nur ein paar kahle Bäume auf einer graubraunen Wiese, die dank des Regens mit schlammigen Pfützen übersäht war. Den sogenannten Pfad, auf dem sie hier wohl in der Nähe entlanggefahren waren, konnte sie nirgends entdecken, obwohl ihr dies ja auch schon schwer gefallen war, als sie mitten darauf stand. Unsicher stand die Rothaarige einen Moment einfach da und zog aufgrund der Kälte den weißen Mantel unbewusst enger um sich. Schließlich jedoch riss sie sich aus ihren trübsinnigen Gedanken, die sich nicht gerade nur um die Umgebung und ihre Lage, sondern auch um eine gewisse, bisher unauffindbare Person drehten. Die alte Kerry kehrte langsam zurück und ihr Forschergeist trieb sie dazu sich wieder in Bewegung zu setzen und so begann sie das einfach gebaute, Holzhaus zu umrunden, in der Hoffnung jemand oder etwas zu entdecken, was ihr irgendwie weiterhelfen würde. Sie hätte es zwar nicht zugegeben, aber einen Moment hatte sie sich regelrecht hilflos gefühlt, auch wenn sie dieses Gefühl gekonnt unterdrückt hatte. Wo immer Mr. Seto Kaiba abgeblieben war, ohne seinen Mantel würde er nicht verschwinden, da bestand kein Zweifel. Ob er auch wegen ihr bleiben, bzw. zurückkommen würde, war eher fraglich. Nein es war nicht fraglich, es war eindeutig, er würde nicht bleiben. Nach kurzer Zeit hatte die Rothaarige das gesamte Gebäude umrundet und noch immer keine Spur von Kaiba gefunden. Erst als sie stehen blieb und nachdenklich von einer in die andere Richtung blickte, bemerkte sie ein Geräusch, dass sie vorher aufgrund der Stetigkeit gar nicht wahrgenommen hatte. Doch jetzt wo sie still stand und nicht mehr ganz so ruhelos war, wunderte sie sich, dass es ihr vorher nicht aufgefallen war. Es war ganz klar das Geräusch, welches eine ansehnliche Menge an fließendem Wasser verursacht. In der Nähe war also ein Fluss oder etwas dergleichen. Ohne zu überlegen trottete sie auf das Geräusch zu und überlegte, dass sie sich anscheinend doch ein ganzes Stück von dem gestrigen Weg weg befinden musste, denn soweit sie das sagen konnte, hatte sie gestern nichts von einem Fluss bemerkt. Obwohl das wohl auch ein wenig schwer gewesen war, vom Rücksitz eines dahinrasenden Motorrades und mit einer ungeheuren Menge Staub und Sand im Gesicht. Während sie sich diese Gedanken machte, kam auf halbem Weg die leichte Anhöhe hinunter, auf der die Scheune stand, auch ihr Zielobjekt in Sicht. Ein silbriges Band, welches sich in der matten Sonne durch die graubraune Landschaft dahinschlängelte. Es war kein wirklicher Fluss, eher ein breiter und tiefer Bach, jedenfalls würde sie dem Anschein nach darin noch stehen können, was für ihre Definition eines Flusses ein deutlicher Mangel war. Jedoch kam zu Zielobjekt Nummer 1 auch Zielobjekt Nummer 2 in Sicht. Ohne es vermeiden zu können, musste Kerry grinsen und trabte dann ohne zu Zögern weiter den leichten Abhang hinunter auf das Ufer des Flusses zu. Die Stimmung vom letzten Abend war vergessen, oder jedenfalls für den Moment verdrängt und musste äußerst albernen Gedanken im Kopf der Rothaarigen weichen. In kürzester Zeit hatte sie die letzten Meter hinter sich gebracht und verlangsamte schließlich ihr Tempo. Dummerweise war weit und breit kein Baum oder Buschwerk oder irgendwelche Pflanzen die hoch genug gewesen wären um sie zu verbergen, zu sehen. Deshalb entschied sie sich für die direktere Variante und trat frech und zielsicher auf das Ufer zu um sich dann ins niedrige Gras fallen zu lassen. Dabei bemühte sie sich nicht gerade leise zu sein, so dass das gewünschte Ergebnis eintrat. Seto Kaiba, der gerade mit freiem Oberkörper im klaren Wasser des Flusses stand, dass ihm gerade bis zur Hüfte reichte, drehte sich blitzartig um und fixierte den Störenfried. Kerry biss sich auf die Lippe um ihre Gedanken zu bezwingen, doch ohne es ändern zu können, bewunderte sie den athletischen bis schlanken Oberkörper, von dem gerade einige Wassertropfen perlten Auch die braunen Haare des jungen Mannes waren feucht und hingen ihm weiter als sonst ins Gesicht und verdeckten Teile seiner blauen Augen, die mit dem klaren Wasser um die Wette blitzten. Kein gutes Zeichen, dachte sich Kerry, ließ sich äußerlich davon jedoch nicht beirren. Scheinbar völlig arglos und ohne Hintergedanken zupfte sie ein paar graubraune Grashalme aus dem Boden und legte ein zuckersüßes Lächeln auf, dem ein trügerisch freundliches: "Guten Morgen.", folgte. Unauffällig wanderte ihr Blick dabei zu dem Kleiderhaufen, der ein Stück neben ihr lag und vermuten ließ, dass ihr Besitzer nicht mehr allzu viel Stoff auf dem Leib tragen konnte. Als hätte Seto ihre Gedanken erraten, folgte sein Blick dem ihren und verharrte einen Moment auf seinen Kleidern. Deutlicher Missmut zeigte sich für einen Moment auf seinen markanten Gesichtszügen, verschwand jedoch sofort wieder um der gewöhnlichen Kälte Platz zu machen. Offensichtlich hatte der junge Geschäftsmann, der noch immer unbeweglich im Wasser des Gewässers stand, nicht die geringste Lust eine Antwort zu geben, geschweige denn sich mit ihr zu unterhalten. Also führte Kerry ihr ,Gespräch' als Monolog fort, bezog den schweigsamen Kerl ihr gegenüber jedoch mit ein, obwohl sie nicht erwartete Beteiligung zu erhalten. "Also Seto, ich dachte ja bisher deinen Mantel würdest du nur der Coolness wegen tragen, aber ich muss sagen er hält doch durchaus schön warm.", begann sie völlig nebensächlich und zog sich ihre Schuhe ebenso beiläufig aus um dann ihre Füße in das kühle Wasser zu halten. Ungesehen verdüsterte sich Kaibas Blick noch um eine Blaunuance, allerdings zeigte er ansonsten keinerlei weitere Reaktionen. Typisch. Provokativ zog sich Kerry den nicht mehr ganz so schneeweißen Mantel enger um die Schulter und kuschelte sich demonstrativ tief in das rote Futter hinein. "Weitaus anschmiegsamer als sein Besitzer.", konnte sich die Rothaarige einfach nicht verkneifen und verzog die Lippen zu einem frivolen Lächeln, das kaum fehlinterpretiert werden konnte. Sie konnte es einfach nicht lassen. Eigentlich hätte man annehmen müssen, dass selbst ein Sturkopf wie sie aus ihren bisherigen Fehlern lernen würde, doch trotz aller bisherigen schlechter Erfahrungen mit geglückten Provokationen Seto Kaibas, war es immer wieder eine Herausforderung dies zu erreichen, eine Herausforderung der man sich nicht so einfach entziehen konnte. Ihre Haltung ändernd legte Kerry unschuldig den Kopf in den Nacken und blinzelte in die etwas trüb erscheinende Sonne am graublauen Firmament, während sie es ignorierte, dass sie Kaiba mit ihrer bloßen Anwesenheit daran hinderte aus dem Wasser zu steigen. Doch plötzlich spürte sie einen Ruck durch ihr Bein zucken und sie wurde mit Wucht nach vorne gerissen und landete rücklings im Wasser. Dieses spritzte bei ihrem unfreiwilligen Tauchgang nach allen Seiten weg und die Rothaarige tauchte aufgrund ihrer vorigen sitzenden Haltung erst einmal völlig unter, bevor sie die Beine unter ihren Körper bekam und Halt fand. Prustend kam sie an die Oberfläche und richtete sich auf, während sie sich mit dem nassen Handrücken die Haare aus dem Gesicht wischte. Nun war es an Seto die völlige Unschuld darzustellen, denn er stand scheinbar unbeweglich noch an derselben Stelle wie zuvor und rührte sich nicht. Innerlich hätte Kerry jubeln können. War das eben so etwas wie eine Art spielerische Rache gewesen, er war auf ihren dreisten Spaß ohne Gewaltanwendung eingegangen? Nun ja, wohl nicht ganz ohne Gewalt, aber weitaus harmloser und vor allem menschlicher als sie es von ihm gewohnt war. Mit Anstrengung unterdrückte sie ein Grinsen und spielte die Beleidigte: "Seto Kaiba, meine Klamotten waren gerade erst trocken, wenn ich das bei dir machen würde..." Sie beendete den Gedanken nicht, denn gleichzeitig drehten die beiden ruckartig ihre Köpfe zu dem Kleiderhaufen Setos und dem dort liegenden Mantel herum, der Kerry vorher von den Schultern geglitten war. Ein kurzer Blick zur Seite und die Rothaarige warf sich nach vorne um schnellstmöglich ans Ufer zu gelangen. Kaiba jedoch rührte sich nicht. Was hatte sie auch erwartet? Dass er grinsend und verspielt wie ein junges Fohlen auf den Wettlauf zu den Kleidern einging? Dann wäre er wohl wirklich krank gewesen. Nichts desto trotz, schnappte sich die junge Frau am Rand des Gewässers angekommen wahllos einige Kleidungsstücke und hielt sie über die Wasseroberfläche. "Damit du weißt wie es ist nass zu sein und gleichzeitig zu frieren.", drohte sie jetzt offenbar völlig ernst und senkte ihre Hand ein Stück. Unbeeindruckt, als ginge es gar nicht um ihn, blickte Seto sie an und schien sogar ein wenig gelangweilt. Schon allein das brachte Kerry schon wieder dazu ihre vormals gute Laune langsam aufzugeben. Diese Arroganz brachte sie doch immer wieder zum Kochen und nur ihre Selbstbeherrschung brachte sie dazu ihre Mimik nicht entsprechend finster zu verändern. "Das wagst du ohnehin nicht. Du müsstest ja mittlerweile wissen, mit wem du es zutun...", begann Kaiba, völlig von sich selbst überzeugt, brach jedoch mitten in seinem überheblich klingenden Satz ab, als die Rothaarige parallel mit einem Augenrollen die Kleider in das Fließgewässer tunkte und zwar nicht nur an der Oberfläche, sondern so, dass auch jedes kleine Stoffstückchen mit Wasser vollgesogen war. Patzig schnappte Kerry: "Was wolltest du sagen?" ------------------------- Und nun kommen wir wieder zu den allseits beliebten: Kommentaren zu den Kommentaren @grincat Mist, dazu darf ich eigentlich gar nichts sagen, sonst verrate ich (entgegen meines eigenen Versprechens) schon wieder zu viel, also grinse ich nur mal, nicke zu deinem Kommentar und danke für das Lob ;) @Itako Ich das abbrechen? Nee nee, das kommt nicht in die Tüte, das habe ich schon so oft hinter mir und hab mir selbst Durchhaltevermögen geschworen, zumal ich hierbei ja auch sowas wie ein Konzept habe, was mir vor plötzlichem 'Nicht Weiterkommen' schützen soll ;) Ja Kerry hat ihn sogar aus der Reserve gelockt, nur blöd für sie, dass es zum denkbar blödesten Zeitpunkt war und sie keinen Schimmer hat wie sie es eigentlich geschafft hat. Heftige Reaktion? Durchaus, aber ich glaube eine solche Aussage, auch wenn sie ohne Wissen über seine Vergangenheit ist, würde ihn ziemlich verletzen. Was er natürlich nicht zugeben würde... *lol* @Vayla Freut mich, dass Setos Auftauchen im Regen doch ein wenig überraschend war, ich fühle mich immer so völlig berechenbar... und deshalb tut mir das gerade mal voll gut, dass du mir jetzt mal das Gegenteil vor die Nase haust. Obwohl ich dennoch der Meinung bin, mal unbedingt die Lesererwartungen ganz und gar enttäuschen zu müssen... Unerwartete Überraschungen. Gabs da schon mal welche? Bisher wusste diese Leserschaft hier fast alles im Voraus :D Aber ich denke, Seto weiß mittlerweile selbst nicht mehr, warum er sie gesucht hat, aber gänzlich skrupellos ist er dann ja auch nicht, was er natürlich auch nie eingestehen würde. Setos Gedanken.. höhö... Also es war so gemeint, dass Seto dieses Image mittlerweile so verinnerlicht hat, dass er es gar nicht mehr ablegen kann, selbst wenn er wollte, die Kälte etc. ist sozusagen mittlerweile ein Teil seiner Selbst, den er nur bei Mokuba noch abzulegen vermag und das auch nicht mit Leichtigkeit. Also gewissermaßen redet er es sich schon ewig ein so zu sein, wie er auftritt und irgendwann ist es dann nicht mehr nur eine Maske um Schwächen zu überdecken, sondern ein Teil seines Ichs geworden. War das jetzt verständlich? Ich will allerdings auch keine ,Lösung' dafür geben, ich denke da soll auch Spielraum für eigene Interpretationen bleiben. Ach und: Nein, dein Kommi war nicht sinnlos, sonst würde ich nicht drauf antworten ;) Vielen Dank für alle Anmerkungen und jedes Fünkchen Lob J @DarkEye Ich hatte schon echt Angst, dass es unmöglich wäre Kerry wirklich friedlich darzustellen und ich dachte auch nicht wirklich, dass es mir hier gelungen war. Deshalb ist es gut zu wissen, dass es wenigstens nicht gänzlich unglaubwürdig rüberkam *gg* Thx für den lieben Kommi! @Cathleen Hehe, das meine ich mit Interpretationsspielraum. Zu solchen Äußeren bezüglich Setos ,Auftauen' und ,Kerry gern haben' sage ich in Zukunft nichts mehr, weil ich da doch immer zu vorausdeutend werde und die Hälfte dessen was noch kommen wird vorwegnehmen und ich will euch die Überraschung (wenn da denn eine sein sollte) nicht nehmen. Aber eigentlich hast du Recht, normalerweise würde ich persönlich mich auch nicht rumschubsen lassen, aber ich denke selbst ich Großmaul hätte in dieser Situation vor Seto Angst gehabt, zumindest so wie ich sie mir vorgestellt habe. Außerdem, wer versteht schon Kerry? @MissVictoria Ups, sorry, dass der neue Name vielleicht Verwirrung gestiftet hat. Hätte ich ja auch irgendwie mitteilen können, aber ich dachte irgendwie die alte FF würde unter dem alten Namen weiterlaufen und hab das alles erst zu spät gerafft. Mokuba... hm... Der ist sicher beleidigt und schmollend nach Hause gegangen und wundert sich bisher nicht, dass Seto nicht da ist, weil er denkt der hockt noch in der Firma ;) Freut mich im Übrigen total, dass du Kerry magst und dass ihre Art anscheinend doch ganz gut rüberkommen... Thx *ganz doll knuddel* @dreamer_chan Ich muss dir Recht geben, den Schubser hat sie verdient, aber damit muss man rechnen, wenn man es sich zum Lebensinhalt macht andere Leute zu reizen *scherz* Schön, dass dir der Inhalt gefallen hat, hoffe nur das nächste Kapitel schreckt dich nicht ab *glubsch* @Fire__Angel Hui mal ein Statement zu Kerry als Charakter. Freut mich, dass sie auch beim Leser realistisch ankommt bzw. ,lebendig' ;) ,Über seine Leiche' nicht zugeben... oho ich hoffe zu der Situation wird es nicht kommen, sonst hat er echt Pech gehabt *gg* @Lylly-chan Thx für das Lob, aber das mit ,schnell' ist nicht so sicher. Habe zwar gerade Ferien und reichlich Zeit, aber mit dem Schreiben hakt es im Moment doch ein wenig. Werde mich aber diesmal echt bemühen das nächste Kapitel schneller online fertig zu machen. God bless you Dolefulness/Mürri Kapitel 20: Sinnlos ------------------- 20. Sinnlos Was sollte an dieser Situation schon anders sein? Provokation folgte auf Provokation und wenn es von ihr beabsichtigt war, erreichte Kerry damit nichts, nur wenn sie gar nicht vorhatte Seto zu reizen, klinkte er aus. Wieso sollte es also diesmal anders sein? Es gab für die Rothaarige keinen Grund, also nahm sie an es würde wieder keine Reaktion kommen, doch wundersamer Weise kam diese ausgerechnet diesmal doch. Ob es daran lag, dass sie hier allein und nicht an der Öffentlichkeit waren, dass ihnen niemand zusah und niemand mitbekommen konnte, wie sich Seto Kaiba einen Schnitzer in seinem Verhalten erlaubte, Kerry wusste es selbst nicht. Jedoch trat der hochgewachsene junge Mann langsam auf sie zu, wobei sein Blick eiskalt und ohne jegliches Gefühl darin war. Die junge Frau ihm gegenüber, die damit nun fast überhaupt nicht gerechnet hatte, wich überrascht einen Schritt zurück, überlegte es sich dann aber noch anders und blieb gleich darauf wieder stehen um mit fragend hochgezogener Augenbraue abzuwarten. Doch die eigentliche Reaktion kam eher und heftiger, als sie es erwartet und gewünscht hatte. Ähnlich der vorschnellenden Bewegung einer Schlange, packte Kaiba die Rothaarige bei beiden Schultern und drückte sie kräftig nach unten. Vor Überraschung knickten Kerrys Beine ein und gaben dann weiter nach, so dass sie auf den Knien landete und kaum noch Kontrolle über ihre Beine hatte. Weitaus wichtiger für sie im Moment war jedoch, dass sie komplett unter Wasser gedrückt wurde und bei dem reflexartigen Versuch einzuatmen statt des erfrischenden Sauerstoffes nur H2O schmeckte. Selbstbeherrschung hin oder her, hauptsächlich mit Verzweiflung als Antrieb schlug sie wahllos nach Seto, der sich jedoch auf eine Armeslänge Abstand hielt. Kurz ließ der Druck auf ihren Schultern nach und sofort riss die Irin den Kopf hoch um hustend und wasserspuckend an die Oberfläche zu gelangen. Jedoch konnte sie gerade vielleicht einen halben Atemzug nehmen, bevor über ihrem Kopf erneut das Wasser zusammenschlug, natürlich auch nicht ohne Nachhilfe einer bestimmten Person. Panik breitete sich langsam in Kerrys Magengrube aus und auch wenn ihr Kopf und Verstand ihr sagten, dass er sie wohl kaum umbringen würde, sagte ihr menschlicher Überlebensinstinkt, dass dies momentan ziemlich egal war, sie hatte sich gefälligst gegen solche tätlichen Übergriffe zu wehren. Wieder schlug sie um sich und traf diesmal auch die glatte Haut in Setos Bauchgegend, allerdings reagierte dieser überhaupt nicht darauf. Aufgeben war für die Rothaarige jedoch ein Fremdwort und so griff sie nach den Armen Kaibas, die jetzt auf Schulter und Kopf platziert waren, um seinen Griff zu lösen. Eine eher sinnlose Angelegenheit, wenn man es mit einem weitaus stärkeren Gegner zutun hatte. Gerade als Kerry dachte ihr Lungen müssten jeden Moment platzen, ließ der Druck wieder nach und ihr Kopf war frei. Sofort glitt sie nach oben und paddelte weg von dem jungen Mann, der mit abscheulich herabwürdigendem Blick auf die völlig erschöpfte Gestalt vor ihm blickte, die sich gerade prustend ans Ufer zog. Ohne sie oder den inneren Konflikt, den diese Handlung eben bei ihm ausgelöst hatte zu beachten, fischte er nach und nach seine Kleidung aus dem Wasser und bekam seine Boxershorts zu fassen, die er sich noch im Wasser stehend überstreifte, obwohl Kerry ohnehin damit beschäftigt war das Atmen wieder zu erlernen. Noch bevor sie sich richtig erholt hatte, rappelte sie sich unsicher auf, ignorierte, dass ihre Beine anfangs zitterten und drehte sie zu dem nun ebenfalls aus dem Wasser steigenden Seto Kaiba herum. Jeder Anflug von guter Laune und Fröhlichkeit, von Sanftmut und Geduld auf ihrem Gesicht und in ihrem momentanen Gemüt waren verschwunden und schon bereute sie erneut, gestern Abend einen schwachen Moment gehabt zu haben. Hierbei waren sich wohl beide jeweils einig, sie durften auf keinen Fall noch einmal vor dem anderen Schwäche zeigen, sondern sich gegenseitig in Sturheit und in den kleinen Provokationsspielchen übertrumpfen, wobei keinem von beidem aufzufallen schien, wie kindisch oder besser unreif das Ganze war. "Du hast sie wohl auch nicht mehr alle?!", schleuderte Kerry dem Triumphator entgegen und musste sich zusammenreißen nicht hysterisch oder noch immer panisch zu klingen, was ihr zwar ganz gut gelang, aber dafür klang ihre Stimme kurzzeitig brüchig, was sie selbst mit einem Aufeinanderpressen der Lippen quittierte, Seto jedoch nur ein spöttisches Lächeln entlockte, das allerdings auch sofort wieder verblasste. Als hätte sie nichts gesagt, sammelte Kaiba auch die restlichen seiner Kleider ein und zog sich die enge Hose geduldig an, während er die aufgebrachte Kerry gepflegt ignorierte. Sein Pullover gehörte, wie er feststellen musste, zu den Sachen, die Letztgenannte vorhin den Fischen zum Spielen gegeben hatte, so dass er das nun eher einem nassen Lappen ähnelnden Stück Stoff kurz auswrang und sich dann zusammen mit seinen anderen Kleidungsstücken unter den Arm klemmte und sich in Richtung Hütte in Bewegung setzte. Wütend trat ihm nun aber die, im Gegensatz zu ihm besonders jetzt, recht zierlich wirkende Kerry entgegen und versperrte ihm mit zornig blitzenden Augen den Weg. Unbeeindruckt blickte er über sie hinweg und trat einen Schritt zur Seite um an ihr vorbeizugehen, doch so leicht machte es ihm die Rothaarige nicht. Auch sie machte einen Ausfallschritt zur Seite um dann wieder direkt vor ihm zu stehen. "Ich hab dich was gefragt. Sag mir wenn ich mich irre, aber das war nicht gerade lustig.", stellte sie eisern fest und blickte gezwungenermaßen zu ihm auf, was sie wiederum wenig beeindruckte, war sie es meist gewohnt und ihre Haltung ließ ebenfalls nicht gerade darauf schließen, dass sie sich erniedrigt oder unterlegen fühlte. Nichts desto trotz ignorierte sie der Angesprochene und schob sie mit seinem Ellbogen schlicht zur Seite. Leicht verdutzt und zugleich aufs Äußerste gereizt, reagierte Kerry blitzschnell. "Es reicht!", zischte sie eher leise und entsprechend ihrer Aussage fiel ihre Reaktion aus. Ohne lange über den Sinn ihrer Aktion nachzudenken, holte die Rothaarige Schwung und warf sich seitlich mit voller Wucht gegen den schlanken Körper des jungen Mannes. Ob er es einfach nicht erwartet hatte oder sich für unantastbar hielt, jedenfalls verlor Seto Kaiba unelegant das Gleichgewicht und ließ vor Überraschung seine Kleidungsstücke fallen. Von den Beinen gerissen taumelte er rückwärts und stolperte über einen am Boden liegenden Findling und fiel nach hinten um. Jedoch nicht ins niedrige, aber wenigstens etwas weiche Gras, nein, stattdessen landete er rücklings mit einem großen ,Platsch' erneut in dem kleinen Fließgewässer direkt hinter ihm. Die Rothaarige war versucht hinterher zu springen und sich entsprechend der vorigen Handlung zu rächen, überlegte es sich aber anders und baute sich am Ufer auf um nun diejenige zu sein, die spöttisch lächelte, als der braunhaarige junge Mann mit einer enormen Geschwindigkeit an die Oberfläche kam. Sofort stand er wieder auf seinen langen Beinen und wischte sich mit einer unkontrollierten Bewegung die Haare aus dem Gesicht, bevor er die Beherrschung und Kontrolle über sich wiedererlangte. Unweigerlich trat Kerry nun wieder in sein Blickfeld und was er sah gefiel ihm offensichtlich gar nicht. Seine blauen Augen funkelten gefährlich, als er sein Gegenüber erneut fixierte und darum rang seine Beherrschung wieder zu erlangen. Doch wenn es ihm diesmal schon wieder misslungen wäre, wäre er nicht mehr er selbst gewesen. Mit finsterem Blick, aber ohne ein weiteres Wort an diese Kröte zu verlieren, wandte er sich ab und arbeitete sich zu seinen Kleidern am Ufer hinüber. "Du hast dir spätestens heute einen Feind gemacht, Kleine.", zischte er schließlich doch noch, jedoch ohne sie dabei noch direkt anzusehen. Kerry hatte genug. Bevor Seto seine Kleidung erreichen konnte, war sie auch schon wieder ins Wasser geglitten, fröstelte nur kurz und stellte sich ihm in den Weg. Der sprichwörtliche tödliche Blick Kaibas fand ihre Augen und sofort hielt die Irin inne. Nun fanden sich die Streithähne mit kalt glitzernden Augen gegenüber, wie es bei ihrer ersten Begegnung gleichermaßen gewesen war. Hin und hergerissen zwischen Wut und Erstaunen, dass Seto auch einmal so emotional reagieren konnte, hatte Kerry auf einmal einen Kloß im Hals und musste schwer schlucken um den Eindruck zu haben weiteratmen zu können. Stille kehrte nun ein. Keiner der beiden rührte sich oder wollte etwas sagen, doch dem anderen zuerst den Rücken zukehren und ,weglaufen' wäre noch schlimmer gewesen. In diesem Moment dachten dies wohl beide und ein Sturkopf traf auf den anderen, bis es natürlich Kerry war, die sich als erste nicht mehr beherrschen konnte und ihrem ganzen angestauten Ärger Luft machte. Diesmal jedoch auf verbale Art und Weise. Ohne noch einmal tief einzuatmen, sondern einfach frei heraus, wie es ihr gerade über die Zunge kam, sprudelten die Worte aus ihrem Mund hervor und kamen direkt aus ihrem Herzen: "Verdammt! Was ist mir dir los Seto Kaiba? Ich... ich raff es einfach nicht." Wütend schlug sie mit der geballten Faust auf die Wasseroberfläche und verursachte so nur, dass sie selbst noch nasser wurde. Doch dies bemerkte sie nicht einmal und fuhr fort: "Zuerst bist du so unterkühlt, dass du selbst dem Südpol Konkurrenz machen könntest und baust eine unüberwindbare Mauer um dich auf und dann, dann tickst du auf einmal völlig aus und lässt all deine bescheuerten Emotionen, die du sonst so gut unterdrückst und schön im hintersten Kämmerchen deiner Seele anstaust an anderen aus, nur um dann wieder in dein eisgekühltes Schneckenhaus zurückzukehren als wäre nichts gewesen!" Ihr Tonfall war messerscharf und deutliches Missfallen, beinahe eine Anklage war daraus zu vernehmen. Verständnislos deutete Kerry eine Geste an und erhoffte sich eine Reaktion, die wieder ausblieb. "Mal abgesehen davon, dass du anderen schadest, ist das doch nicht gesund. Wie wäre es, wenn du mal ein anständiges Mittelmaß findest, bevor du dich selbst noch zerstörst." Gegen Ende des Satzes wurde sie nicht leiser oder weniger standhaft, aber in ihren Blick mischte sich für einen Sekundenbruchteil etwas wie Sorge. "Wenn das nicht schon passiert ist.", fügte sie leise zu sich selber hinzu, als sie Setos meeresblauen, aber völlig leeren Blick bemerkte. Wenn die Augen wirklich die Fenster zur Seele darstellten, schien Seto Kaibas Seele gleich einer unendlich tiefen Schlucht ohne Grund, die sich trostlos, finster und gähnend leer, ohne Ende ausbreitete. Erschüttert von diesem Anblick musste die Rothaarige erneut schlucken und einen Moment bebten ihre Lippen vor wiederstreitenden Gefühlen. Hatte sie soeben den letzten Rest von Hoffnung, falls diese je bestanden hatte, vernichtet? War dies das Ende jeder Möglichkeit zu Seto vorzudringen? Es war offensichtlich. Ein kalter Schauer, der sicher nicht von der kühlen Luft kam, jagte der Irin über den Rücken, als sie rückwärts auf das Ufer zustolperte und sich erst im Laufen umdrehte. Ihre Beine wollten sie nicht mehr tragen und als sie auf das rettende Grün krabbelte und sich wieder hochhievte, fügte sie einer spontanen Eingebung folgend hinzu: "Und Mokuba mit dir reißt." Dann war es mit ihren ach so stahlharten Nerven zu Ende und ohne zurückzublicken stürmte sie hastig und ständig wieder stolpernd den Hügel hinauf um im trüben Dämmerlicht der Hütte Zuflucht zu suchen. Erst als die Quelle seines Ärgernisses außer Sichtweite war, konnte sich Seto Kaiba dazu durchringen seine momentane Starre abzuschütteln und sich wieder zu bewegen. Was war nur los mit ihm? Oder noch besser: Was war los mit dieser schrägen Spinnerin? Soweit er sich erinnern konnte, hatte er sich schon seit dem zwölften Lebensjahr nicht mehr zu einer solch emotionalen Handlung wie eben hinreißen lassen. Aber es war ihm einfach unmöglich erschienen sie mit ihren Frechheiten ungeschoren davonkommen zu lassen, doch er hatte beinahe die Kontrolle verloren. Ein Knurren war aus seiner Kehle zu vernehmen, als er innerlich zugeben musste, dass sie Recht gehabt hatte. Es war wirklich nicht witzig gewesen. Nicht unbedingt in der Weise, dass es gefährlich für den kleinen rothaarigen Freak gewesen wäre, doch er hatte seine bisher starr vertretenen Leitsätze und Lebensweisen missachtet und ihr so beinahe einen Einblick in seine wirkliche Gefühlswelt gewährt. Viel zu fest ballte Seto die linke Hand zusammen, während er sich ans Ufer vorarbeitete und bemerkte nicht, wie die Knöchel begannen weiß hervorzutreten. Er war hochgradig wütend und zum ersten Mal seit langem war er auch wütend auf sich selbst und nicht nur auf jemand anderen. Sonst schaffte er es mit links seine Maske von Arroganz und Kälte, die schon regelrecht zum Teil von ihm selbst geworden war, aufrechtzuerhalten, warum aber begann diese Fassade sofort zu bröckeln, wenn er in die Gegenwart Kerrys kam? Das durfte nicht so bleiben und nicht so weitergehen. Langsam sammelte der hochgewachsene junge Mann seine Kleidung ein und wollte einen Schritt bergan machen, doch da wurde ihm auch schon wieder bewusst, dass er ihr so nur wieder in die Arme laufen würde und eine weitere Konfrontation wollte er um jeden Preis vermeiden. Er brauchte eindeutig Abstand von dieser Psychopathin, die ihn zu eben einem solchen mutieren ließ, indem sie nur in seiner Nähe war. Während er zögerte und der kalte Wind des Morgens über die blanke Haut seines Oberkörpers strich und ihn frösteln ließ, kamen ihm ihre Worte wieder in den Sinn. Ein Mittelmaß? Sich selbst zerstören? Pah, sie hatte doch keine Ahnung, niemand hatte auch nur den blassesten Schimmer wie er sich wirklich fühlte, was tatsächlich in ihm vorging und so sollte es auch bleiben. Was sollte schon dieses heuchlerische Interesse an seiner Person, wohlmöglich an seiner psychischen Gesundheit. Anstatt weiter über die Dinge, die ihm nicht grundlos an den Kopf geworfen worden waren, nachzudenken, schob er die gesamten Geschehnisse des Morgens beiseite, straffte seine Schultern und setzte wieder den üblichen eiskalten Blick voller Arroganz auf. Keine außerordentliche Veränderung zu der verärgerten Maske, die zuvor die Züge seines Gesichtes beherrscht hatten. Was geschah nur mit ihm? Ganz gleich, es durfte nicht passieren und er, Seto Kaiba würde es sicher zu verhindern wissen. Bei jedem Schritt und jeder kleinen Bewegung verzog sich der Stoff, der an ihrer Haut klebte wie es nur durch Wasser möglich war, und verursachte so nicht gerade das enorme Wohlgefühl. Auch das Laufen neben Seto war das Letzte was sie sich momentan gewünscht hätte und noch hinzu kam das unheimlich stimmungsfördernde Schweigen, welches allerdings von beiden Seiten ausging und mehr oder weniger willkommen war. Jedenfalls war es besser, als eine erneute, äußerst sinnbringende Konversation, wie die noch einige Zeit zuvor. Seitdem war wohl ungefähr eine Stunde vergangen, vielleicht auch mehr, womöglich weniger, wer konnte das ohne Uhr schon so genau sagen. Kaiba war, wieder völlig kalt und kontrolliert in die Hütte gekommen, hatte ohne Widerspruch zuzulassen gesagt: "Ich gehe.", und war auch schon wieder weg. Kerry hatte nun die Wahl zwischen alleine im Nirgendwo herumsitzen oder hinter Seto hertrotten. Es war eine schwerere Entscheidung als man vielleicht denken mochte, denn die Betonung lag bei der letzten Auswahlmöglichkeit auf ,Seto'. Letztlich hatte doch die Vernunft über die Sturheit gesiegt und sie hatte sich, noch immer pitschnass, in Bewegung gesetzt um wortlos hinter ihm her zu eilen. Immerhin konnte sie froh sein, dass er sein Weggehen überhaupt angekündigt hatte, aber eigentlich war sie es trotzdem nicht. Stumm liefen die beiden nun schon eine ganze Zeitlang nebeneinander her und nachdem sie den gestern verlassenen Pfad wieder betreten hatten, ergab sich Kerry ihrem momentanen Schicksal, denn wie verschlossen Kaiba auch immer war, er würde sie nach Hause führen können, was sie von sich selbst mit ihrem hervorragend ausgeprägtem Orientierungssinn wohl in zwanzig Jahren nicht hätte erwarten können. Eine besonders heftige Windbö riss Kerry aus ihren trüben Gedanken und veranlasste sie, sich einen Arm schützend vor das Gesicht zu halten. Es war beinahe unnatürlich wie plötzlich der Wind aufgefrischt hatte und noch etwas konnte von der Rothaarigen vernommen werden, was hier eigentlich nicht hingehörte. Als sie das gleichmäßige Geräusch, welches an Lautstärke stetig zunahm, zugeordnet hatte, legte sie ruckartig den Kopf in den Nacken und suchte den fahlen Himmel ab. Seto hingegen hatte sofort bemerkt, dass das nun zu einem regelrechten Lärm angeschwollene Geräusch von den Rotoren eines Hubschraubers stammte und das Fluggefährt am Horizont ausgemacht. Ohne, dass der Geschäftsmann sich hätte durch Winken bemerkbar machen müssen, drehte der Hubschrauber, als er direkt über ihnen war, bei und begann den Sinkflug. Kerry machte ein paar Schritte aus dem Weg und musste sich anstrengen nicht mit den Zähnen zu klappern, da die kalte Luft der sich drehenden Flugblätter mit den nassen Kleidungsstücken auf ihrer Haut nicht wirklich verträglich oder angenehm waren. Als das kleine Fluggerät gelandet war, setzte sich Seto auch schon wieder in Bewegung und überwand die kurze Strecke bis zu ihrer Rettung in kürzester Zeit und stieg, ohne sich noch einmal umzudrehen ein. Kerry blieb keine Zeit lange zu überlegen, dieser Idiot hätte sie sicher hier gelassen, wenn sie auch nur einige Sekunden später gekommen wäre, denn als sie sich gerade durch die Seitentür schob hob der Hubschrauber auch schon wieder ab und um ein Haar wäre sie wieder hinausgefallen. Glücklicherweise konnte sie ihr Gleichgewicht gerade noch so halten, setzte sich auf den nächstbesten Sitz und schnallte sich dann einen schwarzen Gurt um, was jedoch erheblich länger dauerte als gedacht, da das Gurtwirrwarr nicht so ganz einfach zu entschlüsseln war. Der Rothaarigen war das Emblem der Kaiba Corporation auf der Seite des Hubschraubers nicht entgangen und nun fragte sie sich säuerlich, warum Seto nicht schon den Tag zuvor einen Rettungshubschrauber oder Ähnliches hatte kommen lassen. Aus diesem, für alle die keine Gedanken lesen konnten, unersichtlichen Grund, funkelte sie den braunhaarigen jungen Mann ihr gegenüber nun kalt an, was dieser jedoch entweder nicht bemerkte oder professionell zu ignorieren schien. Außerdem drehte er sich, kurz nachdem der Pilot wieder gestartet war, seinen Kopf herum um eben diesem eine Frage zu stellen, wobei er ziemlich laut sprechen musste, da die Türen an der Seite das Geräusch der Rotoren nicht vollständig dämpfen konnte. Dennoch war es Kerry möglich Frage und Antwort zu hören, was ihr selbst die Fragerei ersparte. "Das wurde auch langsam Zeit. Wie haben Sie uns gefunden?", spielte sich Seto gleich wieder als der undankbare Chef auf. Zu seinem Glück erwiderte der Pilot ohne Umschweife und ohne auch nur den Blick von seinen Anzeigen und dem Himmel vor ihm zu wenden: "Nachdem sie gestern spurlos verschwunden waren, haben wir Boden- und Luftsuchtrupps in die Stadt und die nähere Umgebung geschickt. Es war Zufall, dass ich sie gefunden habe." Nicht einmal ein Nicken gönnte Kaiba ihrem Retter und wandte sich stumm wieder ab, somit aber zu seinem Leidwesen auch wieder Kerry zu, die sich im Stillen darüber ärgerte, dass sie den jungen Mann vor ihr schon wieder verurteilt hatte ohne genau Bescheid zu wissen und wieder stellten sich ihre Vermutungen als falsch heraus. Das kam davon, wenn man mit Seto Kaiba längere Zeit verbringen musste, man wurde misstrauisch und bildete sich zu schnell eine Meinung von Personen oder Situationen die man gar nicht genau bewerten konnte. "Ja, hervorragend Kerry, hack' nur noch ein wenig auf dir selbst herum, hast du nötig.", warf sie sich in Gedanken selbst vor und verschränkte dann ebenfalls eisern schweigend die Arme und drehte ihrem Kopf dem neben ihr liegenden Fenster zu. Auf jeglichen Kontakt und sei es auch nur ,Augenkontakt' konnte sie vorerst verzichten. Ihrem Gegenüber schien es ähnlich zu gehen, denn auch dieser drehte seinen Kopf in die entgegengesetzte Richtung und starrte düster aus dem Fenster, vor dem sich nun nur noch einige kahle Baumwipfel von scheinbar toten Bäumen erstreckten. Ansonsten war der Ausblick genauso wie die Stimmung, grau in grau mit dem einen oder anderen traurigen, blauen Farbkleckser und chaotisch zerrissenen Wolkenfetzen dazwischen. ----------------- Ich dachte mir, nachdem ich jetzt zwei Wochen wegfahre, lade ich vorher schnell noch ein Kapitel hoch, nachdem es ja jetzt auch ziemlich lang gedauert hat, obwohl das Kapitel schon länger fertig herumlag. Liegt wohl ganz einfach daran, dass es mir mittlerweile überhaupt nicht mehr gefällt, aber da muss ich eben zu stehen ;) Im Übrigen wollte ich noch sagen, dass ich in Zukunft die Kommentare per ENS beantworten werde, da sie doch langsam ziemlich viel Platz in Anspruch nahmen und ich will nicht, dass die Hälfte des Textes, den ich hier hinschreibe Kommentare sind, daher bekommt ihr jetzt immer schöne ENS ;) Tschauserle Mürri/Dolefulness Kapitel 21: In den Händen eines Kindes -------------------------------------- 21. In den Händen eines Kindes "Es wäre gelogen wenn ich sagen würde, es tut mir leid, aber...", begann Kerry und schloss nach dem unvollendeten Satz plötzlich den Mund, bevor sie sich wieder gesammelt hatte und fortfuhr: "Na jedenfalls kündige ich hiermit." Sofort verstummte sie wieder, doch ihre Nervosität war deutlich erkennbar, drehte sie doch die Karte in ihrer linken Hand ständig unbewusst hin und her. "Ach ja, die gehört dir.", vollendete sie ihre mehr als mangelhafte Ansprache und streckte eben jene Karte nach vorne. Ihr Spiegelbild tat es ihr gleich und blickte ihr einen Moment ernst in die Augen, bevor ein selbstironisches Lächeln ihre Lippen verunstaltete. Während sie sich noch an den Kopf schlug, wandte die Rothaarige sich von dem gerahmten Wandspiegel ab und tigerte in ihrem Zimmer auf und ab, wie sie es schon einige Zeit zuvor getan hatte. Das war mehr als lächerlich. Lächerlich, unüberlegt, stur und vor allen Dingen unglaublich lächerlich. Hatte sie lächerlich nicht schon gehabt? Aber das alles änderte nichts an der Tatsache, dass es nicht so weitergehen konnte. Die Irin hielt dieses Leben, nein besser, diesen Zustand einfach nicht mehr länger aus. Schon allein das Betreten der Kaiba Villa fiel der Rothaarigen mittlerweile über die Maßen schwer und da konnte sie Mokuba noch so sehr mögen, sie war nicht bereit sich ihr zweites, neues Leben auch noch verbauen, oder vielmehr zerstören zu lassen. Es war wieder eine Woche vergangen seit der Verfolgungsjagd und deren Folgen und nichts hatte sich geändert, keine Besserung war zu bemerken, nicht einmal eine Verschlechterung im Verhalten Seto Kaibas, was wenigstens bedeutet hätte, dass ihre Worte irgend etwas bewirkt hatten. Es war einfach nur unnatürlich und beinahe beängstigend. Obwohl der Umstand, dass sie diese Ignoranz Kaibas so aufregte eigentlich noch erschreckender war. Warum machte sie sich eigentlich so viele Gedanken um ihn, warum hatte sie bisher nicht einfach alles hingeschmissen? Natürlich, weil sie ein Sturkopf war und nie kampflos aufgab, aber mittlerweile war das was anderes. Hier ging es um ihre geistige Gesundheit, die auch laut Jason langsam in Mitleidenschaft gezogen wurde. Und dennoch zögerte sie noch immer sich aus diesem eisernen Würgegriff zu befreien. Kerry vermied es sorgsam diese Gedanken weiterzudenken, denn sie fürchtete wohin sie dies führen würde. In diesem Punkt unterschied sie sich wohl kaum von ihrem Chef. Beide schoben unangenehme Gedanken einfach beiseite ohne sich mit ihnen wirklich auseinander zu setzen. "Es reicht!", entfuhr es Kerrys Lippen abrupt und sie warf sich schwungvoll auf ihr Bett und vergrub wie so oft ihr Gesicht in den weichen Laken, in der Hoffnung wieder klare Gedanken fassen zu können, die in eine andere Richtung gingen und zwar um genau 180 Grad in eine andere Richtung. Ihre Hoffnung wurde nicht erfüllt. Wütend auf sich selbst wälzte sie sich vom Bett und verließ schlurfend ihr Zimmer in Richtung Wohnzimmer. Jason war mit seiner Freundin unterwegs, wie man es Sonntagabend auch nicht anders erwarten konnte und sie selbst ärgerte sich nun darüber, dass sie auf Anekos Angebot nicht eingegangen war noch etwas zu unternehmen. Doch das war nicht mehr zu ändern, eine andere Ablenkung musste jetzt dringend gefunden werden. Zielsicher steuerte Kerry auf den Schreibtisch zu, auf dem ihr Computer stand und betätigte erst den Schalter am Bildschirm und dann am Tower um den PC hochzufahren. Mit gekreuzten Beinen ließ sie sich umständlich auf dem Drehstuhl vor dem länglichen Tisch nieder und starrte auf den sich verändernden Bildschirm ohne wirklich wahrzunehmen, was dort eigentlich angezeigt wurde. Unwillig schüttelte sie ihren Kopf um wieder in die Gegenwart zurückzufinden und startete ihr Schreibprogramm. Doch nachdem sie eine Viertelstunde lang probiert hatte einen sinnvollen Text zu schreiben, gab sie es auf und schloss das Programm wieder. Stattdessen öffnete sie einen Internetbrowser, was dann aber auch schon ihre Kenntnisse am Computer erschöpfte. Eine Suchmaschine war schnell gefunden, doch noch während sie ohne nachzudenken die Worte ,Seto Kaiba' in das freie Textfeld eingab, fragte sie sich was sie hier eigentlich tat. Doch bevor sie sich selbst wieder einmal eine Standpauke in logischem Handeln geben konnte, war der Eingabebutton auch schon gedrückt und eine Reihe an Homepages wurden aufgelistet. Obwohl sich die Irin nicht gerade blendend auskannte, wurde ihr doch rasch klar, dass die meisten Seiten völlig falsch oder uninformativ waren. Doch in Bezug auf was? Wie konnte sie sagen, dass sie etwas uninformativ fand, wenn sie doch gar nicht wusste was sie eigentlich suchte. Ihr glasgrüner Blick wanderte wieder zu dem Textfeld und den beiden bekannten Worten, die sie eingegeben hatte. "Komm schon Mädchen, dreh jetzt nicht durch.", ermahnte sie sich selbst und schloss kurz entschlossen den Browser und schaltete den Computer aus. Es war sinnlos. Alles was sie tat war sinnlos und das nur wegen dieser gewissen Person. Das musste ein Ende finden. Morgen würde sie ihren Plan durchziehen, ihre Kündigung einreichen und die Karte zurückgeben, jede noch so kleine Verbindung zu dieser Familie beenden, alle Kontakte abbrechen und sich dann höchstwahrscheinlich in ihrem Zimmer verkriechen und sich fragen, was sie eben getan hatte. Entschlossenheit war das was sie sich einredete zu besitzen, doch in Wirklichkeit waren es Zweifel die sie regelrecht auffraßen. Montag, Nachmittag. Die herbstliche Sonne beschenkte die Einwohner der Stadt wie zum Abschied noch einmal mit vereinzelten, aber angenehm wärmenden Strahlen, die es leichter hatten als im Frühling, durch das deutlich lichtere bis ganz zu Boden gefallene Blattwerk der Bäume zu dringen. Lediglich die Schatten der Wolkenkratzer und anderer hoher Gebäude konnten von dem schimmernden Lichtspiel nicht erreicht werden. Ein leichter, aber frischer Wind fegte durch die kahlen Äste um auch noch die letzten tapferen rotgoldenen Blätter von ihren sommerlichen Plätzen zu reißen und zu Boden zu bringen. Ein wunderschöner Tag, mit angenehmen Temperaturen und einer romantischen Atmosphäre, die sich scheinbar über die ganze Stadt zu legen schien, wie ein kitschiger rosaroter Schleier. Allerdings schien das niemand aufzufallen, wurde der krasse pinke Farbton durch die unauffälligen Herbstfarben überdeckt. Als hätte sie absichtlich eine dunkle Brille aufgezogen, damit sie bloß alles finsterer sehen könnte, stapfte Kerry mit düsterem Gesichtsausdruck auf die Pforte der Kaiba Villa zu und wurde sich ärgerlich bewusst, dass sie noch immer keine Ahnung hatte, was sie tun oder sagen würde, sobald sich ihr ein Moment bot ihren eigentlichen Plan zu verwirklichen. So etwas nannte man dann sorgfältige Vorbereitung. Die Rothaarige betätigte übertrieben heftig den metallenen Türklopfer und zog ihre mit künstlichem Pelz besetzte, neue Jeansjacke enger um ihren Oberkörper, als würde sie frieren. Falls sie dies wirklich tat, konnte das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht am Wetter liegen, auch wenn sie es sich einredete. Statt der distanzierten Gesichtszüge des Butlers und dessen trotz seines Alters strahlenden taubengrauen Augen, wurde Kerry mit einer stürmischen Umarmung begrüßt, die sie jedoch völlig überrumpelte und eigentlich mehr ihre Hüfte, als ihren Oberkörper erreichte. Gequält lächelte Kerry und wuschelte Mokuba leicht durch die Haare. Warum musste er es ihr auch noch so schwer machen? Konnte dieses Kind Gedanken lesen? So schien es nämlich, als er sie mit vor Erwartung und vor Freude glühenden Augen anblickte, als müsste er sie von seiner Zuneigung überzeugen. "Hi Mokuba.", brachte Kerry ohne richtige Herzlichkeit über die Lippen und verstummte dann sofort. Entweder der dunkelhaarige Junge bemerkte ihre gedämpfte Stimmung nicht, oder er ignorierte sie schlicht und einfach, jedenfalls grinste er sie schelmisch an und zog sie bei einem Ärmel mit ins Haus. Bevor auch nur die Tür von dem vorher vermissten Butler geschlossen werden konnte, plapperte der angehende Teenager auch schon los: "Weißt du schon das Neueste? Ist doch toll oder? Ich würde ja gerne mitkommen, aber da das nicht geht, möchte ich es dir gönnen. Seto meinte ja du spielst auch Duel Monsters und deshalb..." Ob es Kerrys verständnisloser Blick oder die Tatsache, dass sie ihm nicht folgte war, jedenfalls unterbrach sich Mokuba und musste kurz auflachen. Es war ein viel zu erfrischender und reiner Ton, als dass er zu diesem Haus und der Stimmung der jungen Irin gepasst hätte und neben der Unentschlossenheit mischte sich jetzt auch noch das Gefühl am falschen Ort zu sein, in Kerrys Gefühlswelt. "Du hast noch überhaupt keine Ahnung, stimmts?" Mokuba lachte noch immer, aber jetzt mit einiger Zurückhaltung und er war auch schon ernsthaft darum bemüht wieder Ruhe herzustellen, obwohl sich sein ganzer Körper vor Erheiterung dagegen sträubte. "Natürlich hab ich keine Ahnung, ich bin gerade erst angekommen.", erwiderte Kerry etwas zu barsch, wie sie sofort selbst einsah und versuchte die Worte etwas zu mildern, indem sie eine hilflose Geste andeutete, die absichtlich etwas übertrieben wirkte. Wieder ergriff Mokuba, nun nicht mehr lachend, aber noch immer leicht grinsend, ihren Ärmel und zog sie mit sich, die Treppe hinauf und einen der schier endlosen Flure entlang, zu einer Tür, die er aufstieß und seine Begleiterin hineinschob. Mit einer Mischung aus Neugier und Widerspenstigkeit, ließ sich die Rothaarige mitschleifen und fand sich schließlich in einem verhältnismäßig kleinen Wohnzimmer wieder. Die Schritte der beiden Eintretenden wurden von dem dunkelblauen Teppichboden gedämpft und als sie auf den dicken Perserteppich traten, schien jedes Geräusch geschluckt zu werden. Mit einer befehlenden Handbewegung, die eher zu seinem Bruder gepasst hätte, verfrachtete Mokuba die junge Frau auf das moderne Sofa, welches aus einem weichen, aber nicht allzu flauschigen Stoff gefertigt war und ebenfalls die Farbe von einem hereinbrechenden Nachthimmel trug. Folgsam tat Kerry wie ihr geheißen und während sie wartete, dass Mokuba sich neben ihr niederlassen würde, warf sei einen kurzen Blick auf den Rest des Zimmers. Ein breites Regal aus Mahagoni zierte eine Wand und war neben Büchern noch mit allem möglichen Kleinkram bestückt. Daneben war eine ganze Reihe von hohen Fenstern, durch die ein angenehmes Licht fiel, dass durch die hellblauen Vorhänge gemildert wurde. Neben dem Sofa stand in senkrechtem Winkel ein großer Ledersessel, dessen Farbe auch blau war, jedoch ein etwas hellerer, kühlerer Ton. Gegenüber der Couch an der Wand hing ein Flachbildfernseher und darunter war in die Wand ein scheinbar alter Backsteinkamin eingelassen, in dem jedoch momentan natürlich kein Feuer entzündet war. Der Raum war ein Gemisch aus kaltem und düsterem Blau und wärmenden Nuancen und Gegenständen wie dem heimelig wirkenden Kamin. Kerry konnte sich nicht so recht entscheiden, ob sie sich hier nun wohl oder unwohl fühlen sollte und wurde vor einer Entscheidung durch den zu sprechen beginnenden Mokuba bewahrt. "Also Folgendes: Seto hat eine Einladung zu einem Duel Monsters Turnier bekommen. Es geht über ein Wochenende und findet in Schottland, auf einer alten Burg statt. Der Gewinner erhält ein enormes Preisgeld und eine seltene und mächtige Zauberkarte. Und da Seto schon lange nicht mehr die Gelegenheit hatte sich zu duellieren und nach ein wenig Überredungskunst, hat er sich dazu entschlossen daran teilzunehmen. Er braucht außerdem dringend mal ein wenig Erholung oder wenigstens Abwechslung." Um seine Worte zu unterstreichen nickte Mokuba eifrig, doch seine Zuhörerin stand sichtlich auf dem Schlauch. Was hatte das jetzt mit ihr zutun? Fragend hob sie eine Augenbraue und zuckte mit den Schultern. "Na und?" Seufzend fuhr Mokuba fort, anscheinend nicht gerade über den fehlenden Scharfsinn seines Gegenübers begeistert: "Normalerweise würde ich Seto dorthin begleiten, weshalb auch zwei Plätze für uns dort reserviert wurden, doch an dem betreffenden Wochenende bin ich auf einem Pflichtausflug mit der Schule und da dachte ich..." Das Grinsen von zuvor war nun auf seinem jugendlichen Gesicht zurückgekehrt, doch langsam hatte Kerry Lunte gerochen. "Du dachtest, du tust mir einen Gefallen und lässt mich mit deinem tollen Bruder fliegen, was?!", vervollständigte sie den Gedankengang und sank deutlich ein Stück in sich zusammen. Das konnte ja alles nicht wahr sein. Die einzige Hoffnung ungeschoren und ohne jemand verletzen zu müssen da wieder rauszukommen war, dass Mokuba jetzt ihre These wiederlegte. "Sag es, sag das es nicht stimmt!", versuchte Kerry sich im Stillen in Gedankenmanipulation, doch ihr schwante Übles, als sie das breite Grinsen auf dem Gesicht des Schwarzhaarigen sah. "Voll ins Schwarze. Toll nicht wahr?" War das eine ernsthafte Frage. Falls es möglich war, schrumpfte die Rothaarige noch ein Stück mehr, wenn sie doch nur ganz verschwinden könnte. "Ähm...", begann die junge Frau schließlich ein wenig zögerlich und musste sich erst einmal räuspern, bevor sie weitersprach. "Seto weiß das nicht zufällig auch schon, oder?" Mokuba schüttelte den Kopf und schien das Unbehagen seines Gegenübers gar nicht zu erfassen: "Nein, ich dachte mir, du willst es ihm sicher persönlich mitteilen." Kerry legte den Kopf schief und beäugte den nun völlig unschuldig dreinblickenden Jungen ihr gegenüber misstrauisch. Für einen Kaiba war dieser Blick viel zu unschuldig und die Rothaarige begann den sprichwörtlichen Braten zu riechen. "Dir ist schon klar, dass dein Bruder und ich nicht gerade gut aufeinander zu sprechen sind!?", stellte Kerry schließlich fest und erwartete, dass Mokuba dies mit lammfrommen Plüschaugen abstreiten würde. Dreist und selbstsicher wie er jedoch war, zuckte der angehende Teenager nur mit den Schultern und gab zurück: "Na sicher, was glaubst du warum ich das hier mache?" Zunächst zog Kerry nur eine Augenbraue empor, doch dann warf sie sich plötzlich nach vorne um in gespieltem Angriff auf Mokuba los zu gehen. Dieser stieß einen überraschten Schrei aus und purzelte bei dem Versuch zu entkommen, vom Sofa. In Windeseile rappelte er sich jedoch gleich wieder auf und sprintete durch den Raum, zur Tür. Die Irin war ebenfalls schon wieder auf den Beinen und nahm mit einer Mischung aus Fröhlichkeit und Besorgnis die Verfolgung auf. Doch sobald sie die Tür des Raumes aufgerissen hatte und auf den Flur hinausgespurtet war, war Mokuba auch schon verschwunden und ihr mangelnder Orientierungssinn meldete sich wieder einmal. Einen unfeinen Fluch unterdrückend, wandte sie sich per Zufall in irgend eine Richtung und lief los. Ein paar Mal um die Ecke und als sie glaubte sich schon wieder vollkommen verirrt zu haben, erkannte sie die Tür zu Mokubas Zimmer, durch das dort angebrachte Namensschild in Form eines Drachens. Unüberlegt stürzte sie in das Zimmer und lief beinahe gegen Mokuba, der einen Satz zurückmachte, sich aber dann schnell wieder fasste und der Rothaarigen einen schnurlosen Telefonhörer entgegen hielt, als sei dies eine Art Schutz gegen sie. Perplex hielt Kerry kurz inne und griff dann mehr aus Gewohnheit nach dem Hörer, hielt ihn sich ans Ohr und fragte: "Ja bitte?" Zu spät bemerkte sie, dass Mokubas Gesichtsausdruck äußerst vorfreudig und zufrieden zugleich wirkte, etwas was nichts Gutes verheißen konnte. "Was ist so wichtig, dass du es wagst hier bei mir anzurufen?", klang es hohl und beherrscht aus der Hörmuschel. Die Frage traf sie wie ein kalter Lappen ins Gesicht, nun ja, eigentlich war es weniger die Frage selbst, als eher die Stimme und der zugehörige Besitzer. Allerdings war die junge Frau, wie sie Mokuba schon mitgeteilt hatte, momentan unfähig vernünftig oder gar diplomatisch mit der Quelle ihres Unmutes zu sprechen. "Falls es dir entgangen sein sollte, es war dein Bruder der angerufen hat und..." Weiter kam Kerry mit ihrer zynischen Rede nicht, wurde sie doch gleich wieder unterbrochen. "Das ist mir egal, was wolltest du also von mir?", tönte es höhnisch und kalt wie eh und je aus dem Telefonhörer. Die Rothaarige warf dem Jungen ihr gegenüber der sie auffordernd anblickte, einen unheilsverkündenden Blick zu und sofort war ihm klar, dass die nächsten Worte Kerrys seinen ganzen sorgsam ausgearbeiteten Plan für das Wochenende zunichte machen würden. Kerry indessen hatte in diesem Moment einen Entschluss gefasst. Es war wie ein Wink des Schicksals, dass ihr diese Chance geboten wurde und dies veranlasste sie alle bisherigen Zweifel, die einem Gefühl entsprangen, das Kerry nicht genauer beleuchten wollte, in den Wind zu schlagen. Sie würde die Sache durchziehen und dieses schon viel zu lange andauernde Dilemma beenden. "Da gibt es wirklich etwas, was ich dir dringend mitteilen muss." Eine kurzer Pause entstand, als sie sich noch einmal sammelte um dann ihre endgültige Kündigung auszusprechen, da riss ihr der schwarzhaarige Junge den Hörer aus der Hand. Zu dem finsteren Blick hinzu, hatten der konzentrierte Gesichtsausdruck und die gefasste Stimme der sonst so zwanglosen Rothaarigen Mokuba zu dieser Handlung veranlasst und jetzt klammerte er sich krampfhaft an das Telefon, während er sich in eine hintere Ecke des Raumes zurückzog um möglichen Rückholversuchen seitens Kerry zu entgehen. Diese schaute Mokuba jedoch nur mit einer Mischung aus Überraschung und ehrlichem Bedauern an und ließ ihren stechend grünen Blick nicht von ihm, auch als er das Telefon wieder zu seinem Mund führte und begann zu sprechen: "Hey Seto, also das ist so: Nächstes Wochenende...", begann er und wurde anscheinend unterbrochen. Ein Nicken folgte, bevor er weitersprach: "Genau und ich bin da leider mit der Schule unterwegs... ja das ist Pflicht und da habe ich meinen Platz am Turnier Kerry angebo... ich meine geschenkt." Das war's. Die Lüge, wenn es denn auch irgendwie keine wirkliche war, war ausgesprochen und die Irin senkte den Kopf, Resignation zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab und Hilflosigkeit spiegelte sich im klaren Grün ihrer Augen. Ohne auf das Ende des Gespräches zu achten, ließ sie sich auf Mokubas Bett sinken und schlug sich ein Kissen vor ihr Gesicht. Das konnte nicht wahr sein. Ein zweites Mal hatte jemand ihr die Kontrolle über ihr eigenes Schicksal aus den Händen entrissen und lenkte es jetzt nach seinem Gutdünken. Das würde sicher nicht ein weiteres Mal geschehen. Mehr aus Trotz als aus wirklichem Widerstand hob sie noch einmal den Kopf und stellte grimmig und nach außen hin überzeugt fest: "Vergiss es Mokuba, ich fahre da nicht mit!" ---------------- Kapitel 22: Wie gewonnen, so zeronnen ------------------------------------- Mürrisch ließ sich Kerry in ihren Sitz fallen. Wenigstens hatte sie sich den Fensterplatz sichern können, was ihr über den ganzen Flug hinweg eine Sicht auf etwas Lohnenswertes gewährleisten würde. Jedenfalls lohnenswerter als ihren Sitznachbarn zu betrachten. Seto schob sich gerade durch den Gang des Flugzeugs an einer Stewardess vorbei, die es ihm nicht unbedingt erleichterte an ihr vorbei zu kommen, jedenfalls nicht ohne Körperkontakt. Kerry hatte ihren Blick unbewegt auf das geschäftige Treiben außerhalb des Flugzeugs gerichtet und ignorierte eisern die bloße Anwesenheit ihres Noch-Arbeitgebers. Dieser kam, nachdem das ,Hindernis' überwunden war, ziemlich schnell den Gang hinunter und hatte einen ähnlich unfreundlichen Gesichtsausdruck wie Kerry aufgesetzt, als er seinen Platz einnahm. Keinerlei Begrüßung, keine Äußerung, nicht einmal ein Räuspern kam über die Lippen von einer der beiden Personen, die hier zusammen saßen, weil ein hartnäckiger Dreikäsehoch die beiden voll in die Tasche stecken konnte, wenn er es wollte und das war momentan eindeutig der Fall. Die Vorfreude stand Seto und Kerry, die finster vor sich hinstarrten, förmlich ins Gesicht geschrieben. Ein wunderbar ausgelassenes Wochenende versprach dieses zu werden. Der Flug verlief ereignislos. Seto verbot man die Benutzung seines Laptops, da dieser anscheinend irgendwelche Steuerungselemente und empfindliche Geräte im Cockpit störte. Kerry dachte zuerst, dass sie sich vor Schadenfreude nicht mehr einkriegen könne, doch merkwürdigerweise vermisste sie beinahe das regelmäßige Geräusch, das immer verursacht wurde, wenn jemand seine Finger ununterbrochen über eine Tastatur huschen ließ. Es hatte eine beruhigende Wirkung auf sie, die nun ausblieb und außerdem war Kaiba nun nicht beschäftigt und hätte noch auf die dumme Idee kommen können, sie anzuschauen oder gar einen Streit anzufangen. Eigentlich war dies jedoch eher unwahrscheinlich, da Seto ja wieder zu seiner alten Form zurückgefunden hatte und zu Höchstleistungen in Arroganz und Ignoranz auflief. Die Rothaarige versuchte zu schlafen, doch es gelang ihr nicht. Es war wie am Anfang als sie dem jungen Geschäftsmann neben ihr die ersten Male begegnet war. Unmöglich erschien es auch nur den kleinsten Gesichtsmuskel zu bewegen und ohne Unterbrechung ging der Flug weiter. Als ähnlich trübe, still und ereignislos wie dieser Flug entpuppte sich das Einchecken am Flughafen und die Fahrt in die Highlands. Allerdings besserte sich Kerrys Stimmung merklich, als sie die ersten nebelverhangenen Hügel erreichten und die Landschaft für ihr irisches Verständnis von Schönheit, immer atemberaubender wurde. Schweigen herrschte noch immer, doch die Umgebung zog die Rothaarige so in den Bann, dass sie alles Negative um sich herum vergaß. Ein sanfter Ruck ließ sie wieder in die Gegenwart zurückkehren. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Schnell klaubte sie Handtasche und Jacke zusammen und warf sich letztere hastig über, während sie Seto folgte, der sich außerhalb des Wagens gerade aufrichtete. Eilig war sie ihm gefolgt und zupfte das künstliche Fell an ihrem Jackenkragen zurecht, bevor sie einen flüchtigen Blick auf ihren Zielort warf. Doch es blieb nicht bei der Flüchtigkeit, denn als hätte sie jemand hypnotisiert verharrte sie in Blickrichtung auf den Veranstaltungsort, eine riesige aus dunkelgrauem Stein erbaute Burg, die imposant vor ihnen aufragte und im bleiernen Nebel und dem mangelnden Licht der verdeckten Sonne wie ein Spukschloss aussah. Mit den hohen Mauern, den mächtigen Türmen und Zinnen, die düster und grau vor ihr lagen, fühlte sie sich wie in eine andere Zeit versetzt. Beinahe konnte man sich die auf den breiten Mauern patrouillierenden Wachen und bunte Banner und Wimpel auf den Türmen vorstellen, so wie es in ihrer Blütezeit ausgesehen haben musste. Doch die schemenhaften Nebelschwaden und vor allem die Leblosigkeit und Stille, die von der Burg ausgingen, verdeutlichen nur allzu klar, dass dieses Gemäuer schon lange kein Sitz mächtiger Herren und Krieger mehr war, sondern von irgendeinem Neureichen vor dem Verfall gerettet, aber nicht bewohnt wurde. Zwischen Faszination und einem angenehmen Unbehagen hin und hergerissen, nahm der Anblick die Rothaarige völlig in Beschlag und so taumelte sie überrascht beinahe zur Seite, als ihr plötzlich unsanft ihr Koffer in die Hand und gegen die Seite gedrückt wurde. Ertappt warf sie dem Verursacher dieser Unannehmlichkeit einen giftigen Blick zu und trottete dann, den Koffer fest gepackt, hinter ihm her. Das eiserne und wohl mehr als einfach nur schwere Fallgitter am Burgeingang stand offen und so marschierten die beiden, in der menschenleeren Umgebung einsam erscheinenden Personen, ungehindert mitten in den Innenhof der Burg. Es war später Nachmittag und der Hof wirkte genauso verlassen wie die Burg von außen, doch als hätten sie beim Durchqueren des Torhauses eine Alarmanlage ausgelöst, tauchte plötzlich eine ganze Schar von Bediensteten aus dem Hauptgebäude auf, bevor sie sich den Treppen zum Hauptportal überhaupt richtig genähert hatten. Dienstmädchen in kurzen Röckchen und mit altmodischen Häubchen auf dem Kopf, uniformierte Pagen mit polierten Silberknöpfen auf der Uniform und ein junger Mann in einem eleganten Anzug und einem charmanten Lächeln auf den Lippen, kam das ganze Komitee auf sie zu und bevor Kerry auch nur irgend etwas sagen oder tun konnte, wurde ihr der Koffer aus den Händen gerissen und weggetragen. Nachdem der wimmelnde Haufen von übereifrigen Dienern wieder hinter der riesigen Eingangstür verschwunden waren, verblieben nur noch sie, Seto und der junge Mann, der sich bei näherer Betrachtung als doch nicht ganz so jung entpuppte. Sein dunkelbraunes Haar zierte an den Schläfen schon graue Strähnen und um die Augen und die Mundpartie zeigten sich deutliche Falten, doch das Lächeln, das anscheinend oft auf seinen Lippen lag, ließ ihn deutlich jünger erscheinen. Vielleicht wirkte Seto Kaiba deshalb auch immer älter als er war, weil er nie lächelte, überlegte Kerry missbilligend und mit einem prüfenden Seitenblick auf ihren Begleiter, der bisher noch keine Reaktion auf die Begrüßung hatte verlauten lassen. Vermutlich war er es gewohnt, dass man um ihn einen solchen Aufstand machte. Snob. Die Rothaarige bemerkte, dass sie geradezu zwanghaft nach Gründen suchte um Seto noch unsympathischer und furchtbarer zu finden und beschloss dies sofort zu unterbinden, da dies das Wochenende sicher nicht versüßen würde. Man musste das Beste aus allem machen, aber das war mit einer Person mit einer Anschmiegsamkeit wie einem Kaktus leichter gesagt als getan. Schwups, schon hatten Kerrys Gedanken sie wieder völlig aus den eigentlichen Geschehnissen geschmissen und obwohl sie unterbewusst bemerkt hatte, dass der Mann vor ihr mit den graugrünen Augen sie angesprochen hatte, konnte sie beim besten Willen nicht wiedergeben, was genau er gesagt hatte. Aus Höflichkeit und Hilflosigkeit setzte sie ein höfliches Lächeln auf und nickte grinsend, während sie sich dämlicher als je zuvor vorkam. Sollte ihr Gegenüber das Gleich denken, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken und winkte den beiden ihnen zu folgen. Es war wie in einem Märchen. Ein Märchen ohne tapfere Ritter und wunderschöne Burgfräulein, ohne mächtige Könige und weise Magier zwar, doch die der Entstehungszeit der Burg angemessene Einrichtung allein versetzte schon in eine andere Welt. Das altertümlich geschnitzte Holzmobiliar vermittelte eine rustikal und gemütlich anheimelnde Atmosphäre und prächtige Teppiche mit verwirrenden Mustern dämpften jeden der Schritte, die Kerry und Seto beim Gang in das riesige Gebäude machten. Alte Gemälde, Wandteppiche, Zierpflanzen und Relikte der alten Zeit wie Waffen oder alte schottische Trachten und Kulturgegenstände waren überall um sie herum gegenwärtig und die Vielfalt an Formen, Farben und Eindrücken schon im ersten Raum den sie betraten, ließ neugierige Augen nie zur Ruhe kommen. Allein die große Eingangshalle ließ einem den Atem stocken. Doch bevor sich Kerry in dem Traum einer alten, glänzenden Welt verlieren konnte, wurde sie in die harte Gegenwart zurückgerissen. Diesmal war jedoch nicht Seto dafür verantwortlich. Ausnahmen bestätigen eben die Regel. Die Menschengrüppchen, die sich in der Eingangshalle tummelten waren der Rothaarigen zunächst gar nicht aufgefallen, doch als ein zusammengewürfelter Haufen in grellbunte Kleider gehüllte Frauen und jungen Mädchen direkt durch ihr Blickfeld zog, bemerkte sie die Anwesenheit anderer. Kurz verzog sie das Gesicht zu einer sichtlich genervten Mimik, bevor ihr Blick dem Pulk folgte. Offenbar war das Turnier hier nicht ganz so privat, wie sie selbst angenommen hatte, denn wie sich später herausstellte, hatten nicht nur die Teilnehmer, sondern auch deren Freunde, Fangemeinde und Familienmitglieder Zutritt, wenn auch teuer bezahlten. Außerdem bat man höflich darum die Anzahl der ,Anhängsel' so gering wie möglich zu halten, ziemlich überflüssigerweise, wie Kerry fand. Misstrauisch beäugte nun diese die Ansammlung von Frauen, die sich wie ein Haufen gackernder und zeternder Hennen auf ihr Fressen, in diesem Falle auf Seto Kaiba stürzten. Dieser hatte sich gerade zur Rezeption begeben um dort ihre Ankunft anzumelden und die Zimmerschlüssel zu erhalten. Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, wenn man bedachte, dass er plötzlich von quietschenden Teens mit Herzchenaugen, aufgedonnerten schicki-micki Tussis mit engelsgleichem Augenaufschlag und kreischenden, auf und ab hüpfenden Autogrammjägerinnen belagert wurde. Beinahe hätte die Irin laut losgelacht, denn obwohl Seto sich nicht aus der Fassung bringen ließ, sondern kühl und mit versteinerten Zügen inmitten der heranbrandenden Flut von hysterischen Mädels stand, wie ein Fels in der Brandung, war das Gesamtbild trotzdem urkomisch. Außerdem war die Dummheit und Oberflächlichkeit dieser Leute ebenfalls lachhaft. Niemand mit einem halben Gramm Verstand würde sich wie ein Aasgeier auf ein Autogramm oder einen Blick Seto Kaibas stürzen. Natürlich verdrängte die Rothaarige dabei jegliche von ihr jemals gefühlten Emotionen die auch nur Ansatzweise in diese Richtung gehen könnten und natürlich auch die bekannten Vorzüge eines reichen, gutaussehenden und mächtigen Firmenbosses, den man in Kaiba, durchaus zu recht, sah. Trotz allem schadenfreudigen Amüsement, tat Seto Kerry fast ein wenig Leid und schließlich beschloss sie ihm aus der Klemme zu helfen, sie war schließlich nicht so... Dennoch sollte diese Hilfe, wenn sie denn erfolgreich sein würde, nicht ohne Folgen für den Bedrängten bleiben, nahm sich die junge Frau vor, während sie sich auf den Spektakel zu bewegte. Da sie kaum Dank dafür erhalten würde, sollte doch etwas Triumph für sie und Unannehmlichkeiten für Mr. Negativ herausspringen. Hierbei vergaß sie unglaublich einfach, welchen Entschluss sie kurze Zeit zuvor noch in schlimmster Verzweiflung gefällt hatte und ihr Optimismus und der Glaube "Alles ist möglich", brachen sich in ihrer Gefühlswelt wieder bahn, als hätten sie nur darauf gewartet in einer solchen Situation wieder hervorzukriechen. Sich dessen gar nicht bewusst, war die Rothaarige völlig in Beschlag genommen von ihren eigenen Gedanken und Möglichkeiten aus dieser Sache etwas mehr als Lustiges herauszuschlagen. Schnell formten sich diese losen Überlegungen zu einer konkreten Idee und verknüpften sich schließlich zu einem, wenn auch spontan, überlegten Plan, den auszuführen es nun schnellstens galt. Entschlossen schob sich Kerry durch das Gewühl von parfümierten Körpern, leichten Stoffen und umherwedelnden Armen. Zunächst klappte dies auch überraschend gut, bis plötzlich eine ca. Siebzehnjährige, aber deutlich größere junge Frau, Kerrys Vordringen aufzuhalten versuchte, als diese sich gerade an einem anderen Mädchen vorbei, bis zu Kaiba schieben wollte. Mit wütendem Gesichtsausdruck riss die Brünette Kerry an der Schulter zurück und blickte sie aus ihren dunklen Augen an, die vor Zorn geradezu zu brennen schienen. Doch ihr Gegenüber hatte sich schon in die vorher überlegte Rolle eingefunden und starrte finster, ein wenig überheblich, aber nicht offen feindselig zu der Größeren hinauf. Trotz des Größenunterschiedes gelang es der Irin überlegen zu wirken, als wäre die Braunhaarige unter ihrem Niveau. "Irgendein Problem?", zischte Kerry pikiert und imitierte überraschend überzeugend den Tonfall ihres Arbeitgebers. "Stell dich gefälligst hinten an, wie alle anderen auch!", kam es der Fremden hitzig und lauter als gedacht über die vollen Lippen. Das war ja was völlig Unerwartetes. Über Kerrys Lippen huschte ein spöttisch, herablassendes Lächeln, als sie die schon erwartete Antwort vernahm und legte sich sogleich zurecht wie sie die Schnepfe weiter provozieren könnte. "Ach du meine Güte.", konterte sie mitleidig, als würde sie mit einem Kleinkind sprechen, doch bei den folgenden Worten waren ihre Worte wieder scharf wie blanker Stahl: "Glaubst du auf deine Befehle lege ich irgendeinen Wert, verwöhntes Gör?" Beinahe sichtbar lief die junge Braunhaarige tiefrot an und war anscheinend kurz davor zu platzen, während sie bedrohlich einen Schritt auf Kerry zumachte und sie dann plump nach hinten schubste. Die Rothaarige ließ den Übergriff, zu überrascht über die Reaktion, wehrlos über sich ergehen, doch nachdem sie sich gefangen hatte, kam sie nicht umhin diese Tätlichkeit als hilfreich für ihren Plan zu erachten, zumal sie mittlerweile wirklich keine Lust mehr hatte sich weiter von der Zicke ihr gegenüber aufhalten zu lassen. "Fass mich noch einmal an und du wirst es bereuen.", warnte sie mit bedrohlich leiser Stimme ihr Gegenüber, während sie sich mit übertrieben erhobenen Haupt von ihr abwandte und sich wieder Seto zuwandte. Mittlerweile kam sie sich selbst schon absolut unecht vor, aber eine Rolle war nun mal eine Rolle. Doch natürlich kam es wie es kommen musste, denn wer würde schon auf eine solche Provokation von einer Halbwüchsigen nicht reagieren, abgesehen von Seto Kaiba selbstverständlich. Beinahe sofort wurde die junge Frau wieder herumgerissen und von der Größeren nicht gerade zimperlich zurückgedrängt. "So und was jetzt?", fragte sie triumphierend über ihre überlegene Stärke und Größe. Doch Kerry ließ sich nicht einschüchtern und trat statt zurückzugehen, einen Schritt auf sie zu. "Das!", blaffte sie und kurz darauf fand sich die Braunhaarige auf dem Hinterteil sitzend auf dem Boden inmitten der kreischenden Menge wieder und abgesehen von ihrem Hintern, tat ihr sicher die blutende Nase mehr weh als gewöhnlich. Kerry löste ihre geballte Faust und blickte kalt, kälter als ihr selbst gefiel, auf das Mädchen herunter, bevor sie sich erneut abwandte und sich ohne Blick zurück durch die restlichen Frauen schob, die jetzt weniger Widerstand leisteten als vorher, denn natürlich war der Vorfall nicht zu übersehen bzw. zu überhören gewesen. Es war beinahe beängstigend und wäre Kerry in diesem Moment auch nur kurz sie selbst und nicht diese Rolle gewesen, wäre sie wohl vor Scham im Boden versunken. Sie hatte gerade ein Mädchen geschlagen, wie niveaulos war das? Doch in diesem Moment konnte sie nicht darüber nachdenken, ohnehin dachte sie die ganze Zeit über recht wenig, bis gar nicht nach. Wenn das mal keine Folgen haben würde... Beinahe bereitwillig machten einige der Damen, denen diese Bezeichnung nicht gerade gerecht wurde, Platz und Kerry gelangte ohne Probleme zu Seto. Ohne zu Zögern stellte sie sich zielsicher neben den jungen Mann und hakte sich in seinen linken Arm ein, was allerdings ein wenig Probleme bereitete, da er beide Arme verschränkt ineinander hielt. Die vertraute Geste ließ Kaiba das eigentlich vorhandene Bedrängnis um ihn herum vergessen und mörderisch kalt richtete er seinen Blick nun auf die kleine Rothaarige an seiner Seite, die gerade abschätzig in die Menge blickte, als wolle sie jedes der Mädchen das auch nur einen Schritt zu nahe käme, sofort anspringen und ihm die Augen auskratzen. So verstanden auch die Umstehenden den Blick und nach kurzer Zeit legte sich ein unsicheres Schweigen über die Kleingruppe. Missbilligend hielt Kerry den Blick mit der stummen Warnung darinnen auf die Frauen gerichtet, während sie ihren Begleiter ansprach und schnippisch einwarf: "Seto Darling, können wir jetzt endlich einchecken und unser Zimmer beziehen?" Ihre grünen Augen wandten sich dem Angesprochenen zu, der sie in einer Mischung aus Abschätzigkeit und kalter Abscheu anblickte, jedoch schließlich langsam nickte und sich umwandte. Immerhin hatte er begriffen, das dies vielleicht die einzig schnelle Möglichkeit war, aus diesem Chaos herauszukommen, auch wenn es ihn sichtbar unendliche Überwindung kostete. Selbstsicher traten die beiden nebeneinander auf die erste Reihe der Umherstehenden zu, deren Blicke nun mehr verunsichert und enttäuscht waren, statt wie zuvor hellauf begeistert. Resignierend traten sie nacheinander zur Seite, so dass es Kerry und Seto schließlich gelang die Rezeption zu erreichen, zwar ohne das Gepäck, aber die Koffer selber schleppen lag wohl ohnehin unter Kaibas Niveau. Nur mit einiger Überwindung konnte sich Kerry dazu überwinden den Blick starr geradeaus zu richten und nicht einen Blick über die Schulter zurück zu werfen. Zu gerne hätte sie sich versichert, dass ihnen keine der quäkenden Hupfdolen folgte und sich gleichzeitig über die Gesichter amüsiert, die sicher denen eines begossenen Pudels geglichen hätten. Jedenfalls galt sie nun, zumindest auf dieser Veranstaltung, als inoffizielle Freundin Seto Kaibas. Das konnte ja nur heiter werden, doch sie hatte es ja nicht anders gewollt und tröstend war außerdem, dass ihr Begleiter sicher noch mehr unter diesen Gerüchten zu leiden haben würde, als sie. Und man merkte es auch schon, als er, kaum waren sie aus dem Haufen von Menschenleibern heraus, seinen Arm von ihr losriss und einen halben Meter Abstand nahm. Äußerst tröstlich. Es war eine dumme Idee gewesen. Eine außerordentlich dumme Idee, um nicht zu sagen eine saudumme... Aber sich jetzt darüber zu beschweren brachte wohl kaum etwas. Dennoch konnte Kerry ihre Gedanken nicht ablenken. Da saß sie nun, auf einem über die Maßen bequemen Himmelbett mit einem hauchdünnen Baldachin, Bettwäsche aus tiefrotem Satin und einem reich verzierten und mit Schnitzereien versehenen Holzgestell. Dieses Bett befand sich in ihrem, für das Wochenende zur Verfügung gestellten Schlafzimmer, welches gleichzeitig antik, aber auch wie gerade erst neu eingerichtet wirkte und Kerrys Ansicht nach eher einer Adligen angemessen gewesen wäre. Obwohl, wenn sie es genau bedachte, hätte sie dann ja dennoch das Recht gehabt hier zu sein. Zusammen mit einer roten Haarsträhne wischte sie diesen flüchtigen Gedanken, der eindeutig in die Vergangenheit gehörte, beiseite. Das Problem lag außerdem nicht bei dem Raum oder ihrer Berechtigung hier zu sein, sondern allein bei der Tatsache, dass sie dieses Zimmer, den Fernseher, der nicht ganz so zum Stil des Hauses passen wollte, die Couch, den Zimmerservice und am Schlimmsten, das Bett mit Seto Kaiba teilen müssen würde. Aber wie um dem ganzen Dilemma noch ein Tüpfelchen auf dem i zu verpassen, war es Fakt, dass sie selbst an diesem dramatischen Umstand Schuld war. Sie selbst, Kerry O'Hara, hatte sich wieder einmal elegant und perfektionistisch wie keine andere in eine auswegslose und uneingeschränkt unangenehme Situation gebracht, nur weil sie jemand hatte ärgern wollen. Wie sagte man doch so unschön: "Die kleinen Sünden bestraft der Herr sofort." Treffend. Es passte wie die Faust aufs Auge und gerne hätte Kerry sich selbst geohrfeigt für ihre Kurzsichtigkeit. Natürlich hatte sie bei ihrer spontanen Idee nicht berücksichtigt, dass das Darstellen von sich selbst als "Frau an Setos Seite", jeden in diesem Schloss, wenn dieser Einzugsbereich mal reichen würde, in seinem weiteren Verhalten und Handeln bezüglich ihrer selbst und Seto, beeinflussen würde. Und genau dies war geschehen, denn es wurde zum Beispiel auf einmal als selbstverständlich gehandelt, dass Mr. Super-Kaiba und seine inoffizielle Flamme einen Raum zusammen bekamen. Dumme Idee. Resignierend ließ sich die Irin zurückfallen, so dass sie rücklings und quer über das glänzende Satin der zuvor faltenfreien, dunkelroten Decke lag. "Trödel' nicht so herum und pack endlich aus.", kommentierte Seto das faul wirkende Verhalten der Rothaarigen auf dem Bett, während er die Schnallen seines nun leeren Koffers einschnappen ließ und das kleine Gepäckstück zielsicher in einen Schrank schob. Dann widmete er sich der Tasche in der sich sein Laptop befand, zog den Reißverschluss auf, verkabelte das flache Gerät irgendwie mit irgendwas, so wirkte es jedenfalls auf Kerry und setzte sich dann mit dem tragbaren Computer auf dem Schoß in einen dick gepolsterten Sessel, mit hohen, anmutig geschwungenen Lehnen und begann beinahe sofort die Tasten zu betätigen. Beinahe wäre der jungen Frau ein patziges "Was geht es dich an, wann ich auspacke" herausgerutscht, doch sie schluckte schnell ihren aufkommenden Ärger herunter und rollte sich umständlich vom Bett. Wahrscheinlich war ihr Arbeitgeber, sie verbesserte sich selbst, ihr Noch-Arbeitgeber ebenfalls nur über die Situation und wohl auch über die Person, die sie da hinein manövriert hatte, nämlich sie selbst, verärgert. Ihr selbst ging es schließlich ebenso, mit den Ausnahmen, dass sie erstens niemand hatte um an dieser Person ihren Ärger auszulassen und zweitens, dass sie so oder so anders mit ihrem Ärger umging. Wenig motiviert setzte sie sich also in Bewegung und begann ihre Kleidung, Waschutensilien, ein Buch und andere Nichtigkeiten aus dem Koffer und auf bzw. in die dafür vorgesehenen Plätze zu räumen. Beim letzten Gegenstand zögerte Kerry. Es war eine dunkle Holzschatulle, deren Inhalt und ihr Wissen darum ein Kribbeln auf ihrer Haut verursachte. Mittlerweile wusste sie selbst nicht mehr, wieso sie ihr Deck überhaupt mitgenommen und quasi seine Ruhe gestört hatte. Egal, nun war es zu spät um sich darüber noch Gedanken zu machen. Mit diesen Gedanken platzierte sie das Kästchen auf dem Nachttisch, der auf der Seite des großen Himmelbettes stand, die sie zu ,ihrer' Seite auserkoren hatte. Fertig. Und Seto tippte immer noch wie ein Irrer auf der Tastatur herum. Entspannung würde ihm das Turnier wohl kaum bringen. Kerry schob ihren kleinen Koffer kurzerhand unter das Bett und verkündete mit einer ausladenden Geste: "Fertig!", bevor sie auf den Sessel zuschritt, auf dem Kaiba saß und natürlich nicht reagierte. Dort angekommen stellte sie sich mit verschränkten Armen und etwas zu interessiertem Blick neben den bequemen Stuhl und blickte auf den Bildschirm. Jedoch wandelte sich ihr Gesichtsausdruck beinahe sofort von interessiert zu verwirrt und unwissend. Computer waren ihr ja ohnehin ein Rätsel, doch solange sie funktionierten wie sie sollten und sie sich in Bereichen aufhielt, die ihr vertraut waren, hielt sich das Unverständnis in Grenzen, doch das was der junge Mann vor ihr tat, lag weit außerhalb Kerrys Sphären des Verstehens. Da Seto sie ohnehin vollkommen ignorierte und das Zuschauen weder einen Sinn noch Unterhaltungswert hatte, entfernte sich Kerry langsam wieder und trottete gemächlich auf die Zimmertür zu. Doch gerade als sie nichtsahnend die verzierte, golden glitzernde Klinke in die Hand nahm, wurde sie durch ein paar leise und dennoch deutlich und scharf wirkende Worte aufgehalten. "Wo willst du hin?", klang es aus Seto Kaibas Mund und die Rothaarige hielt inmitten ihrer Bewegung inne, um kurz die Augen zu verdrehen. Ansonsten machte sie allerdings keine Anstalten sich zu bewegen oder gar sich herumzudrehen. Zu einer Antwort jedoch konnte sie sich gerade noch so durchringen: "Ich denke nicht, dass ich dir darüber Rechenschaft ablegen muss." Nun erst schaute Seto auf, auch wenn es für die Irin nicht sichtbar war. Noch immer war er es nicht gewohnt statt einer schnellen, präzisen Antwort, einen zynischen Kommentar zu erhalten, wenn er etwas fragte. Warum überraschte ihn dies immer noch? Lange genug hatte er es ja schon ertragen müssen um sich wenigstens bei ihr daran zu gewöhnen, doch nichts dergleichen war geschehen. Glaubte er etwa sie würde sich ändern? Vielleicht war dies wirklich sein unterbewusster Gedanke dahinter, schließlich passten sich letztlich alle an ihn an und unterwarfen sich seinem Willen. Wieso sollte es diesmal anders sein? Auch wenn es keine vernünftige Antwort darauf gab, jedenfalls soweit es Seto betraf, so wurde ihm doch in diesem Augenblick klar, dass sie ihm bisher noch immer Widerstand leistete und keine Anstalten machte endlich damit aufzuhören sich in sein Leben einzumischen und in seinen Gedanken herumzuspuken. Langsam aber sicher begann der Keim des Zweifels, den seine Gedanken gesät und im Boden seiner Gefühlswelt vergraben hatten, aufzukeimen und obwohl Wasser und Licht ausblieben, wuchs dieser Zweifel stetig. Es würde sich nichts daran ändern. Sie würde niemals so sein wie alle anderen, sie war eine Ausnahme, eine Rarität, was jedoch nicht bedeutete, dass sie ihm gefiel und er sie kaufen würde. Doch gab er den hintersten Gefühlen seiner Selbst auch nur eine kurze Chance sich zu zeigen, so konnte er nicht abstreiten, dass sie ihm doch gefiel. Sicher nicht wie ein hübsches, liebes Mädchen einem jungen, gewöhnlichen Mann gefiel, doch das waren sie beide auch eindeutig nicht, weder lieb noch gewöhnlich. Vielmehr war es ein Gefallen, dass ein Kind, dass jahrelang in einem Raum mit drei Spielsachen eingesperrt war und keinen Bezug zur Außenwelt hatte, empfand, wenn ihm nun eine Katze gegeben wurde. Es war neu, unbekannt und dennoch nicht unbedingt angenehm, schließlich benutzte das Kätzchen fleißig seine Krallen, wenn man es zu etwas zwingen oder ihm seinen Willen aufzwingen wollte. Interessant aber unzähmbar und deshalb nicht von dauerhaftem Wert. Kein dauerhafter Wert, es erfüllt keinen Zweck und war letztlich doch nichts anderes als alles andere um ihn herum. Folglich konnte es ihm egal sein wie alle anderen Menschen und Dinge waren. Nur diese Worte blieben Seto bewusst im Gedächtnis, alle anderen Gedanken, die er soeben durchdacht hatte, schloss er wieder weg, wollte sie am liebsten ganz verbannen und vergessen und konnte es letztlich doch nicht komplett. "Ich bin dein Chef, du bist meine Angestellte, mein Eigentum, Kleine. Wenn ich es will, wirst du mir durchaus Rechenschaft ablegen.", zischte Kaiba ungeduldig, als hätte Kerry ihm einen langen, sinnlosen Vortrag gehalten. Es waren vielleicht Sekunden nach ihrer Antwort vergangen, doch beiden erschien diese geringe Zeitspanne wie eine zähe, unendliche Ewigkeit, die nun schlagartig vorbei war und alles drehte sich in Echtzeit weiter. Kerry drehte sich ruckartig um, so dass ihre Haare der Trägheit folgend, in ihr Gesicht flogen, was sie jedoch nicht zu bemerken schien. Ihr Gegenüber saß ungerührt in seinem Sessel, den PC auf dem Schoß und musterte sie mit kühler Gelassenheit und nichts in seinem Gesicht zeigte auch nur das kleinste Anzeichen dafür, was ihn kurz zuvor noch beschäftigt hatte. "Ich bin dein was?", fragte Kerry sichtlich entgeistert und mit einem zornigen Funkeln in den kristallgrünen Augen. Doch selbst wenn Kaiba hätte antworten wollen, wäre er nicht dazu gekommen. Schlaff sank die Hand der Rothaarigen von der Türklinke, ihre Stimme hingegen war gespannt wie die Sehne eines britischen Langbogens als sie weitersprach: "Das glaubst du wirklich? Du bildest dir ein ich würde dir gehören?" Einen Moment starrten sie einander stumm an und die Zeit schien erneut gegen alle Regeln der Natur, stehen zu bleiben. Eis traf auf Feuer, kalte Arroganz auf heiße Wut. Kerry fasste sich, packte plötzlich erneut die Türklinke, diesmal jedoch so fest, dass das kalte Metall hart gegen ihre Haut prallte und selbst die abgerundeten Kanten ins Fleisch zu schneiden schienen. Ebenso brutal drückte sie die Klinke nach unten, riss die Tür mit enormer Wucht auf und war schon fast draußen im Flur, als sie sich noch einmal kurz dem Zimmer zuwandte und ohne Rücksicht auf die Lautstärke rief: "Wach auf Junge, dir gehört nichts, nichts was irgend eine Bedeutung hätte, weder ich noch dein Bruder oder irgend ein Mensch mit ein wenig Verstand. Nur ein Haufen willenloser Marionetten befindet sich in deinem Besitz, nicht zu vergessen Unmengen von deinem ach so wichtigen Geld. Kapier' das endlich und werde dann meinetwegen glücklich damit!" Schon bevor die letzten Worte ganz im Raum verklungen waren, schlug die Tür hinter ihr mit einem lauten Krachen zu und zurück blieb Seto Kaiba, der zum ersten Mal mehr als zwei Sekunden über das eben Gesagte nachdachte. Es waren genau drei. -------------- Hallöchen! Ich melde mich mal wieder zurück, aber ich hab schlechte Nachrichten. Für die, die überhaupt hier noch vorbeischauen. Ich habe seit kurzem einen Kurs an einer Schreibschule angefangen und widme mich jetzt dem 'professionellen' Schreiben. Da meine Freizeit ohnehin nicht so unheimlich üppig bemessen ist, werde ich wohl, wenn ich schreibe, in nächster Zeit anderes als YGO schreiben, auch, weil ich im Moment den Bezug und das Feeling dafür etwas aus den Augen verloren habe. Außerdem sind die Kapitel die ich im Moment hochlade schon recht 'alt', also liegen schon länger auf meiner Festplatte und müssen nur noch etwas überarbeitet werden. Dass sie schon älter sind, hat leider den Nachteil, dass ich mit vielen was da steht, oder auch wie es da steht, nicht mehr ganz einverstanden bin und es fast schon für 'schlecht' halte, jedenfalls würde ich vieles mittlerweile anders machen. Dennoch werde ich alle Kapitel die ich bisher habe nach und nach noch hochladen, wer weiß, vielleicht habe ich bis das getan ist wieder Zeit und Muse zum Weiterschreiben. Nur, damit ihr als Leser ein ungefähres Bild von der Lage dieser FF habt. Im Moment sind 32 Kapitel fertig und noch ein halbes... bis zu diesem Punkt werde ich also auf jeden Fall noch hochladen, was weiter passiert weiß ich nicht. In dem Wissen, dass ihr euch jetzt wohl denken könnt: Wie, das wird evtl. gar net zu Ende geschrieben, warum dann überhaupt weiterlesen, nehme ich dennoch nichts vom Gesagten zurück und hoffe noch ein paar treue Leser zu behalten. Grüße Dolefulness Kapitel 23: Sturmmeldung in Schottland -------------------------------------- Statt des Nachwortes ein Vorwort. Wie lange ist es her, dass ich hier ein Kapitel hochgeladen habe? Lange jedenfalls und jedes dieser Kapitel ist wiederum schon ca. ein Jahr alt. So lange habe ich nicht mehr an dieser FanFic gearbeitet oder zumindest immer nur Satzweise. Im Moment bin ich einfach zu sehr mit anderen Schreibarbeiten und dem realen Leben beschäftigt und kann mich auch kaum mehr in die Geschichte einfühlen, an der mir mittlerweile so viel nicht mehr passt. Eine Zeit lang habe ich überlegt sie ganz zu löschen, weil so eine angebrochene Arbeit hier herumschimmeln zu haben ist auch nicht grade schön, aber statt dessen lade ich jetzt die übrigen Kapitel, die ich habe noch hoch und werde dann sehen wie es weitergeht. Eine bestimmte Person schafft es nämlich immer mal wieder mich in eine Yu-Gi-Oh Stimmung zu versetzen, allerdings sehe ich diese viel zu selten. Soviel zum derzeitigen Stand der Dinge. Ich nehme kaum an, dass überhaupt jemand merkt, dass es weitergeht, ich werde auch keine Rundens mehr schreiben. Regelmäßig werde ich ohnehin nichts hochladen können und ich will und kann auch nicht verlangen, dass irgendjemand nach nem Jahr Lesepause sich da nochmal reinfindet. Mehr der Vollständigkeit halber also hier das nächste Kapitel... ---------- 23. Sturmmeldung in Schottland Es regnete. Welch ein Wunder. Schließlich befanden sie sich in Schottland und nachdem sich die dicken Nebelbänke aufgelöst hatten, begann sofort ein unangenehm fusseliger Nieselregen auf die Erde zu tröpfeln. Natürlich störte das niemanden in dem riesigen und komfortablen Schloss, das mehr Annehmlichkeiten und Unterhaltung bot, als man in einem alten Schloss normalerweise vermutete, doch Kerry machte es etwas aus. Denn wie das Wetter waren auch ihre, zuvor nur umwölkten Gedanken nun wieder trüb und niedergeschlagen. Sie stand irgendwo in einem verlassenen Gang an einem Seitenfenster und hatte die Ellbogen auf den Fenstersims gelehnt, während sie durch den Regenschleier blickte und doch nichts sah. Ihr Blick war nach innen gekehrt, da sie gerade versuchte ihre Gedanken, Gefühle und vor allem die Erkenntnisse der letzten Tage und Wochen in geordnete Bahnen zu lenken. Doch es gelang ihr nicht. Wut, Verzweiflung, Resignation, Trauer, Hass und Zuneigung mischten sich zu einem einzigen Brei, der eher gesundheitsschädlich als genießbar war und außerdem hätte nicht mal ein Chemiker herausfinden können, was in dem Matsch enthalten war. Eigentlich sollte sie auf ihr Zimmer gehen und sich für das abendliche Dinner umziehen. Dort würden alle Teilnehmer einander vorgestellt, Regeln und Reihenfolge der Spiele verkündet werden. Das versprach wirklich ein angenehmer Abend zu werden, wäre da nicht altbekanntes Problem gewesen, dem sich Kerry noch nicht gewachsen fühlte. Deshalb stand sie seit geraumer Zeit, die sich nicht messen ließ, hier und sammelte sich um genug Kraft und Beherrschung zu gewinnen um wieder zurück in das Zimmer kehren zu können. Doch wenn sie es recht zugab, dann sank ihr Mut eher, je länger sie wartete und als sie diesen Umstand wirklich realisierte, stieß sie sich mehr oder weniger entschlossen ab und schlenderte betont lässig den Gang entlang, verlief sich prompt und brauchte noch zehn Minuten um die richtige Tür wiederzufinden. Da war sie nun. Die goldenen Letter 3 und 0 prangten ihr entgegen und jegliche zurückgebliebene Entschlossenheit schien sie mit jedem Atemzug weiter zu verlassen. „Mein Gott, was solls.“, machte sich die Rothaarige selbst Mut und öffnete vorsichtig die Holztür. Als wäre sie die Hausherrin, was ja in gewisser Weise auch zutraf, stolzierte sie mehr schlecht als recht in den Raum und bemerkte erst äußerst spät, dass er leer war. Das Zimmer war leer und nicht abgeschlossen? Da passte doch etwas nicht zusammen? Würde Kaiba sein Zimmer unverschlossen lassen, obwohl gewisse Wertsachen hier waren? Kerry konnte sich die Antwort selbst geben. Natürlich würde er, sicher hatte er seine Wertgegenstände mitgenommen und auf die ihren brauchte man natürlich keinen Wert zu legen. Ihre Gedanken waren verbittert und glichen unfairen Vorurteilen, doch das zu erkennen war sie im Moment nicht imstande. Eilig schlüpfte die Irin in ein paar etwas angemessenere Kleider, die jedoch noch immer nicht den prächtigen Kostümen der anderen Damen das Wasser reichen konnten, wie Kerry nur ein paar Minuten später feststellte, als sie den riesigen Speisesaal betrat. Es gab zwei lange Tafeln, an denen schlanke Stühle mit hohen Lehnen und weichen Polstern standen. Die Wände waren mit prächtigen Gemälden, gekreuzten Schwertern, Speeren und anderen interessanten Kunstgegenständen bestückt und auf dem polierten Parkettboden lagen ab und an dicke Teppiche, die aufwendige, jedoch teils schon verblasste Webmuster aufwiesen. Alles wirkte edel und elegant, selbst die Leute, auch wenn es viele junge Personen und Teilnehmer gab, die sich lässig und gewöhnlich gekleidet hatten. Doch es gab auch genug die sich herausgeputzt hatten wie zu einem Ball, besonders Frauen und Mädchen, die hier doch mehr zur Zierde und zum Anschauen dienten, dachte sich Kerry. Es würde sie wundern, wenn überhaupt eine Frau als Teilnehmerin vertreten war, so wie es ihr vorkam, dominierten hier noch wie in der Zeit in der die Burg erbaut wurde, die Männer und Frauen wurden als Eigentum angesehen. Eigentum. Dieser Begriff ließ bei der Rothaarigen natürlich wieder gewisse Worte einer gewissen Person aufkommen und sie musste sich auf die Zunge beißen um nicht einen lauten Fluch über Seto und alle anwesenden Männer auszusprechen. Aufmerksam blickte sie sich schließlich um und fand bald darauf ihren Platz, natürlich neben ihrem Angetrauten. Mit einem resignierten Gesichtsausdruck, der wenig feierlich wirkte, schlängelte sie sich durch das Gewirr von zurückgeschobenen Stühlen, zu ihren Plätzen eilenden Personen und umherschwirrenden Bediensteten. Es grenzte an ein Wunder, dass sie ihren Platz erreichte ohne mehr als zweimal angestoßen worden zu sein. Stumm ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen und grüßte Kaiba nicht, nein sie machte sich nicht einmal die Mühe ihn anzuschauen. Was er konnte, konnte sie schon lange. Zu ihrer rechten jedoch saß eine junge Frau, die vielleicht Mitte 20 alt war und beneidenswerte, lange blonde Haare hatte, die sich wie flüssiges Gold über ihre Schultern ergossen. Sie wirkte weniger wie eine der anwesenden Modepüppchen. Ihr dunkel violetter Blick wirkte entschlossen und ab und an blitzte scharfer Spott darin auf, während sie mit ihrem rechten Sitznachbarn plauderte. Aber Kerry blieb nicht allzu viel Zeit sich intensiv mit dem Beobachten der Fremden zu beschäftigen, da kurz nachdem sie ihren Platz eingenommen hatte, urplötzlich Stille im gesamten Raum einkehrte, sogar die Bediensteten hielten in ihren geschäftigen Tätigkeiten inne und stellten sich ordentlich in einer Reihe auf. Als der wache Blick der Rothaarigen weiter über die Menschen im Zimmer schweifte, entdeckte sie auch den Grund für das Verstummen aller. Am Tischende der Tafel, an der sie und Kaiba saßen, hatte sich ein älterer Mann erhoben, in der Rechten ein schlankes Weinglas, das in der riesigen Pranke allzu zerbrechlich wirkte. Auch der Rest des edel gekleideten Mannes stand im Gegensatz zu seinem fortgeschrittenen Alter. Das grau melierte Haar war noch immer dicht und in einer seriös anmutenden Frisur angeordnet. Trotz des offensichtlich zerfurchten Gesichtes, waren die dunklen Augen scharf und wachsam, wie die eines Habichts auf die Versammlung gerichtet. Sie wirkten wie tiefe Brunnen, deren Schwärze undurchdringlich war. Die Statur konnte man schon beinahe als hünenhaft bezeichnen, denn obwohl er nicht größer als 1,80 sein konnte, schien es Kerry so, als hätte sie einen Riesen mit breiten Schultern und muskulösem Oberkörper vor sich. Als er dann auch noch begann zu sprechen, vertiefte sich der Eindruck einen mächtigen Mann vor sich zu haben noch. Die Stimme war tief und ein wenig rau, doch aus ihr klang eine unglaubliche Selbstsicherheit, die weder arrogant noch bescheiden wirkte und einer uralten Eiche glich, deren Wurzeln fest im Boden der Erde verankert waren und das seit Anbeginn der Zeiten. Kerry hörte gar nicht auf die förmlichen Begrüßungsworte, die er an die Teilnehmer und Gäste richtete und sich somit als Veranstalter outete, zu sehr war sie vom Klang seiner Stimme gefesselt und in den Bann gezogen. Erst als ein angemessener Beifall einsetzte und sein Mund verstummte, konnte sie sich daraus befreien und klatschte halbherzig ebenfalls um ihre nicht vorhandene Begeisterung zu verdeutlichen. Dummerweise hatte sie so nichts von dem Gesagten mitbekommen. Worum war es gegangen? Und vor allem, hatte sie etwas Wichtiges verpasst? Kerry verfluchte ihre Unbeherrschtheit in diesem Punkt kurz und konnte sich ziemlich schnell ausrechnen, dass sie zwei Möglichkeiten hatte: Entweder Seto danach fragen, oder ihre Nachbarin. Inzwischen hatte um sie herum das Essen, Trinken und Bedient werden wieder begonnen und auch sie beschloss erst einmal ein paar Köstlichkeiten auf ihren Teller zu stapeln. Dabei blickte sie ständig von ihrem linken zu ihrem rechten Sitznachbarn und schließlich entschied sie sich für die blonde Schönheit. „Entschuldigen Sie...“, begann Kerry und wartete darauf, dass die unbekannte Frau ihr den Blick zuwandte, was diese auch gleich darauf tat, denn ihr Appetit schien ohnehin nicht der ausgeprägteste. „Ich, ähm... habe gerade nicht wirklich zugehört, könnten sie mir zusammenfassen, was im Groben gesagt wurde?“, fuhr sie schulterzuckend fort und ihre Wangen färbten sich ein wenig rötlich, schließlich klangen ihre Worte nicht gerade sonderlich intelligent. Doch auf dem Gesicht der Blonden breitete sich ein charmantes Lächeln aus, das zwar amüsiert und ein wenig spöttisch wirkte, doch es war freundlicher Spott. „Du bist wohl keine Teilnehmerin, wenn du schon bei den ersten Informationen über das Turnier weghörst.“ Ihr Lächeln wurde nur noch breiter, doch der Tonfall ihrer klaren Stimme war deutlich von Sarkasmus geprägt. Kerry erwiderte das Grinsen und schüttelte den Kopf: „Ja, das ist richtig, aber ich habe die zweifelhafte Ehre einen Teilnehmer begleiten zu dürfen.“, gab sie in demselben Tonfall zurück, vermied es aber vorsichtshalber zu erwähnen oder in irgend einer Weise darauf hinzuweisen, wen sie begleitete. Doch das war gar nicht nötig, schließlich befand sich Seto deutlich im Sichtbereich der beiden. Die Fremde zog eine schmale Augenbraue nach oben und nickte wissend, doch bei ihren nächsten Worten war der Spott in ihrer Stimme weniger freundlich als noch kurz zuvor: „Ja ich weiß, das wird wohl mittlerweile jeder hier wissen.“ Ihr violetter Blick wanderte langsam und für Kerry eindeutig sichtbar zu deren Sitznachbarn und triumphierendes Wissen mischte sich in das Lila ihrer Augen. Dabei war noch etwas, was die Rothaarige nur allzu gut verstand: Unglaube. Mit einem sichtbaren Verdrehen ihrer Augen stimmte die Irin zu: „Ach ja, Gerüchte, besonders wenn sie schwachsinnig sind, verbreiten sich wirklich schnell.“ Einen Moment schauten sich beide Frauen stumm an, bis ihre Blicke beinahe parallel zu Kaiba wanderten und sie gleichzeitig den Kopf schüttelten. Kurz blickte Seto, als hätte er ihre Aufmerksamkeit gespürt, zu ihnen hinüber, erkannte die Lady mit der Kerry sprach und sofort verdüsterte sich sein saphirblauer Blick merklich, seine harte Mimik jedoch blieb unverändert, während er sich wieder seinem Teller widmete. Die Blonde war die erste, die sich wieder fasst, die Augen abwandte und erklärte: „Übrigens, mein Name ist Mai Valentine.“ Sie reichte Kerry die Hand, welche diese, noch immer grinsend, ergriff und leichthin erwiderte: „Hocherfreut, ich bin Kerry O’Hara.“ Die Betonung auf dem „Hocherfreut“ war so übertrieben, dass Mai nur schwerlich ein Grinsen unterdrücken konnte. Welch eine Erleichterung. Vielleicht würde das Wochenende, zumindest tagsüber, nicht ganz so katastrophal werden, wie gedacht. Man konnte sich ja an bestimmte Personen halten und andere, besonders eine bestimmte, meiden. Wider Erwarten verlief der Rest des Abends überaus angenehm. Dies lag allerdings höchstwahrscheinlich daran, dass Kerry ihre Zeit mit Mai verbrachte, die zwar ein ganzes Stück älter war als sie und natürlich gab es auch große Unterschiede im Charakter der beiden Frauen, doch trotzdem verstanden sie sich prächtig miteinander. Wie im Flug verging der erste Abend und die Irin erfuhr schließlich, dass die ersten Duelle erst am nächsten Tag stattfinden würden. Die Teilnehmerzahl war nicht sehr hoch, da nur eine ausgewählte Elitegruppe an Duellanten eingeladen worden war, zu der sich Mai natürlich auch zählte. Aus diesem Grund würden nie mehrere Duelle parallel ablaufen, sondern alle Ausscheidungen einzeln. Kerry verstand nicht, wie die ganzen Groupies diese lange Zeit aushalten wollten, ohne etwas von den Regeln oder Strategien der Spieler zu verstehen. Sie selbst war ja als ehemaliger Spielerin nicht einmal von der Aussicht begeistert einen ganzen Tag Duel Monsters Partien beiwohnen zu müssen. Schließlich neigte sich der Tag und auch der Abend dem Ende zu und Kerry musste wohl oder übel zurück auf ihr Zimmer. Schon auf dem richtigen Flur, bewegte sie sich weitaus zögerlicher als noch ein paar Ecken und Treppenstufen zuvor. Trotz aller Verzögerungen gelangte die Rothaarige schließlich zu der Tür, die ihr jetzt eher wie das Tor vor der Hölle vorkam und der Teufel einer Eishölle wartete dahinter. Es wäre eindeutig unter ihrer Würde gewesen, die Tür erst einen Spalt zu öffnen und in den Raum hineinzuspähen, also überwand sie sich endgültig und drückte die metallene Klinke zackig herunter um im Anschluss dazu sofort das „Tor zur Hölle“ aufzustoßen. Dunkelheit beherrschte das Zimmer, zumindest schien es auf den ersten Blick so. Als Kerry jedoch erst richtig eintrat, konnte sie gleich das kalte, bläuliche Licht eines flimmernden Bildschirmes ausmachen und erkannte Seto in dem schmalen Lichtkreis auf dem Bett sitzend, sein liebstes Stück, den Laptop auf dem Schoß. Am liebsten hätte die junge Frau aufgeseufzt, hatte sie doch gehofft, er würde schon schlafen, aber das war wohl eine zu hohe Forderung an ihr ohnehin bescheiden bemessenes Glück. Immerhin bescherte es ihr ein ruhiges Eintreten, denn der schlanke junge Mann saß zwar aufrecht und wach im Bett und musste ihr Kommen bemerkt haben, doch unterbrach er das Tippen auf den flachen Tasten nicht im Mindesten und sein Blick behielt den PC fest fixiert, als wolle er sie bloß nicht bemerken. Davon mehr ermutig als beleidigt, schloss Kerry die Tür hinter sich und betätigte den Lichtschalter, woraufhin der gesamte Raum in das sanfte Licht eines großen Kronleuchters getaucht wurde. Doch die Rothaarige gab sich selbst keine Zeit um das flutende, goldene Licht zu bewundern, sondern steuerte geradewegs auf den Kleiderschrank zu und suchte sich ein viel zu langes, mit Cartoonfiguren übersähtes T-Shirt und ein paar dunkle Hotpants heraus um mit den Kleidungsstücken wortlos im angrenzenden Badezimmer zu verschwinden. Einige Zeit später, für Seto war es nur ein kurzer Moment, in Kerrys Augen jedoch eine halbe Ewigkeit, trat sie wieder in das geräumige Schlafgemach und fuhr sich durch das strubbelige Haar, bevor sie um Zeit zu gewinnen, wieder zur Tür ging, das Licht ausschaltete und dann unentschlossen auf das gemeinsame Himmelbett zuschlurfte. Im Geiste zögerte sie bei jedem Schritt, doch nach außen hin versuchte die Irin krampfhaft selbstsicher zu wirken, während sie sich über die Bettkante schob und in die weichen Federkissen sinken ließ. Das Bettzeug war unglaublich zart und anschmiegsam und für gewöhnlich hätte Kerry sich jetzt gerne wohlig hinein gekuschelt, aber es hing noch immer diese beinahe fühlbar kalte Atmosphäre im Raum, die noch von dem schnellen „Tipp, tipp, tipp“ der Tastatur untermalt wurde. Es war zum aus der Haut fahren. Doch sie hatte ja eigentlich mit Seto Kaiba abgeschlossen und so lohnte es sich eindeutig nicht, sich weiterhin über ihn aufzuregen. Alles nur verschwendete Energie. Aber ebenso verschwendet waren diese Gedanken, die nämlich so ganz und gar nicht den Tatsachen entsprechen wollten. Dennoch schob sich die Rothaarige an den äußersten Bettrand, soweit es möglich war ohne einen unrühmlichen Abgang über die Kante zu machen und schloss die Augen. Tipp, tipp, tipp. Eine andauernde Endlosschleife die kein Ende fand und einfach unmöglich auszublenden war. Ohne aufzuschauen oder sich irgendwie zu bewegen sprach Kerry zuletzt doch ihre Gedanken aus. „Sag mal, willst du die ganze Nacht durcharbeiten? Gewisse Leute würden nämlich Schlaf dem Getippe vorziehen.“ Ihre Stimme klang nicht besonders freundlich, doch konnte sie sich zu überraschender Sachlichkeit überwinden, vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie zu müde war um wirklich genervt zu sein. Einen Moment hielt Seto inne, was Kerry nur durch das Ausbleiben des Tippgeräusches erkannte und eine im Gegensatz zu dem vorigen gleichmäßigen Geräuschpegel beinahe bedrückende Stille legte sich über den Raum. Es war unglaublich, wie schnell man sich etwas kurz zuvor noch so enorm nervendes wie Tastaturtippen, wieder zurückwünschen konnte, denn nichts anderes tat die junge Frau sofort. Aber als auch nach weiter vergangener Zeit das Geräusch nicht zurückkehrte, keine frostigen Worte zurückkamen, aber auch das kalte Licht des Bildschirmes nicht zu erlischen schien, drehte sich Kerry mit fragend, verschlafenem Blick um, was sie ziemlich unangenehm empfand, da sie die Decke mitdrehte und so die der Bettkante zugewandte Seite ihres Körpers der Wärme des weichen Stoffes entzog. Von unten herab, auf einen Ellbogen gestützt musterte sie die schemenhafte Gestalt Seto Kaibas eingehend. Wie versteinert saß er noch immer dort, mit geradem Rücken, als hätte er einen Besen verschluckt und das flackernde Licht warf merkwürdige Schatten auf seine verschwommenen Züge, so dass es wirkte, als hätte sie ein gesichtsloses Wesen vor sich. Nicht einmal seine Augen waren wirklich deutlich zu sehen, nur ein dunkelblaues Aufblitzen zwischen ein paar in der Finsternis farblos erscheinenden Haarsträhnen. Unerwartet war jedoch, dass sein Kopf in ihre Richtung gedreht war und er sie scheinbar anblickte, was die Rothaarige allerdings auch nicht mit Gewissheit sagen konnte, schließlich erkannte sie kaum seine vertrauten, kantigen Züge. „Seto? Alles in Ordnung?“, fragte die Irin vorsichtig und kniff die Augen ein wenig zusammen, als ob sie so mehr sehen könnte. Vorzulehnen traute sie sich nicht wirklich und hielt es auch nicht für angemessen, obwohl ihre Worte das auch nicht wirklich zu sein schienen. Beinahe besorgt hatten sie geklungen, etwas was sie sich nie hätte erlauben dürfen. Diese Erkenntnis allein veränderte schon ihre Mimik und ein harter Zug bildete sich um ihre sonst so zarten Lippen, als sie diese fester aufeinander drückte. „Sicher. Du wolltest schlafen.“ Beinahe erschreckten die Worte die Rothaarige, obwohl die Lautstärke wenig aufmerksamkeitserregend war. Doch der befehlende Tonfall, kühl und arrogant, den sie eigentlich schon kannte, traf sie wieder einmal wie ein Schlag ins Gesicht. Scheinbar war da noch immer Hoffnung auf eine noch so winzig kleine Veränderung. Töricht. Plötzlich huschten Kaibas Finger erneut über die Tasten und gleich darauf verschwand das bläuliche Licht des Laptops und zurück blieb nur eine tintenschwarze Dunkelheit. Kerry schluckte, als sich ihr Nachbar bewegte und die Decke bei einer Bewegung von ihr wegzog. Möglichst lautlos und ohne bedeutsame Bewegungen ließ sie sich zurück in die Kissen gleiten, zog das rote Satin ein Stück weiter über ihren Körper und drehte sich zur anderen Seite. Kurz darauf beendete auch Seto seine Machenschaften, nämlich den Laptop wegzulegen und sich ebenfalls auf die Seite zu drehen und beinahe gleichzeitig schlossen die beiden ohne weitere höfliche Gute Nacht Wünsche die Augen, obwohl beider Gedanken, positive als auch negative, bei dem anderen waren. Regelrecht spürbar war der Vorgang des Aufwachens an diesem Morgen für Kerry. Bevor sie die Augen öffnete, bemerkte sie, dass sich der Schleier ihrer Traumwelt langsam hob und da kein lästiger Wecker klingelte, der sie dazu ermahnte sofort aus den Federn zu hüpfen, zog sie es vor ihre Lider weiterhin geschlossen zu halten. Schläfrig zupfte sie unter der Decke ein wenig an derselben herum um sie bis zum Kinn hochzuziehen, was sich jedoch als unmöglich herausstellte, also kuschelte sie sich einfach tiefer in den weichen Stoff und an den anschmiegsamen, warmen Körper neben ihr. Sofort riss die Rothaarige die großen Augen auf, so dass man sich hätte wundern können, dass sie nicht sofort aus ihren Höhlen sprangen. Doch dies war die einzige Bewegung zu der sie in dieser kleinen Ewigkeit des Denkens fähig war. Kein Zweifel. Ein schlanker, aber kräftiger Arm lag auf ihrer Hüfte und ihre hintere Front schmiegte sich eng, eindeutig viel zu eng an den athletischen Oberkörper eines Mannes. In diesem Moment war es erst einmal völlig unwichtig, dass es sich dabei um Seto Kaiba handelte, viel schlimmer in Kerrys Augen, war der Umstand, dass sie sich überhaupt körperlich einem Mann so weit genähert hatte und wenn es auch nur im Schlaf gewesen war. Spielte ihr Unterbewusstsein ihr jetzt schon böse Streiche? Noch immer ihres Körpers nicht Herr, fiel der jungen Frau erst jetzt auf, dass ihr Bettnachbar anscheinend noch schlief. Seine Atemzüge, die in der morgendlichen Stille deutlich zu hören waren, gingen tief und langsam, eben der Atem eines Schlafenden. Aber es hatte etwas skurril Friedliches. Skurril deshalb, weil sie aus irgendeinem wenig scharfsinnigem Grund angenommen hatte ein Seto Kaiba könne nicht einmal im Schlaf friedlich wirken. Und obwohl sie mit zunehmend verrinnender Zeit das warme, wohlige Gefühl an ihn gekuschelt unter der Decke zu liegen mehr und mehr genoss und schätzte, rumorte ihr Verstand doch weiterhin auf der Suche nach einem Weg aus dieser verzwickten Lage. Gar nicht auszudenken, was sie sich wieder anhören müsste, wenn Kaiba in diesem Moment aufwachen würde oder besser, was sie sich ansehen müsste, nämlich seine eiskalten Augen, die mit kleinen Splittern gefrorenen Wassers Löcher in ihre Brustgegend schießen würden. Doch während sie sich dies alles ausmalte und nicht dementsprechend handelte, kam es wie es kommen musste. Ob es daran lag, dass Seto irgendwie spürte, dass seine Bettnachbarin nicht aufleuchtende Glühbirnen über ihrem Kopf produzierte, indem sie angestrengt nachzudenken versuche, oder ob es schlichter Zufall war, jedenfalls erwachte auch der junge Mann in diesem Moment. Etwas langsamer als Kerry und für diese ohnehin nicht bemerkbar, aber er wachte auf. Nur für den Bruchteil einer Sekunde schienen seine stechend blauen Augen ein wenig getrübt vom Schlaf, dann war da wieder der ‚normale’ Seto Kaiba, der eiserne Geschäftsmann mit völlig klarem Blick. Und ebenso schnell wie er von der verschwommenen Welt der Träume zur klaren Realität wechselte, erfasste er die Situation. Sofort zog er seinen rechten Arm zu sich und richtete sich kerzengerade im Bett auf, nur um einen Moment zu verharren, Kerry herabwürdigend anzufunkeln und dann stocksteif aufzustehen. Kein Kommentar, keine Zurechtweisung, keine Frage, nichts. „Guten Morgen.“ Beinahe ärgerte sich die Rothaarige über die peinlich berührte Freundlichkeit in ihrer Stimme. Er wollte anscheinend nicht reden, dann musste sie es auch nicht. Punkt. Oder doch ein Fragezeichen? Kerry beobachtete den jungen Mann noch eine Weile, doch er verschwand kurz darauf schweigend im Badezimmer und zog die Tür hinter sich mit einer kontrolliert kräftigen Bewegung zu. Das entstehende, durchaus laute Geräusch hatte etwas Endgültiges, damit war die Sache offensichtlich abgeschlossen. Immer noch ein wenig verdattert schwang sich nun auch Kerry über die Bettkante und sammelte sich langsam. „Oder auch nicht.“, fügte sie ihrem eigenen Satz hinzu und machte sich dann erst einmal auf zum Kleiderschrank. Wieso noch darüber ärgern. Bewusst entschloss sich Kerry nun dazu, dass sie ab diesem Zeitpunkt nichts mehr von Seto Kaiba erwarten würde, weder positive noch negative Reaktionen oder Veränderungen. Sie wollte einfach nur noch akzeptieren. Doch mit diesem Denken ging zugleich einher, dass sich ihr Verhalten ihm gegenüber verändern würde. Wenn man nichts von jemand erwartete, konnte man auch nicht enttäuscht oder frustriert werden und so würden Aggressionen und Frustrationen ausbleiben. Diese, für sie positiven, Konsequenzen zeigte sie sich selbst als Belohnung für den schweren Vorsatz der Gleichgültigkeit und des Herunterdrehens ihres Temperaments auf um es durchhalten zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)