Je kälter der Winter,... von abgemeldet (...desto näher der Frühling.) ================================================================================ Kapitel 22: Wie gewonnen, so zeronnen ------------------------------------- Mürrisch ließ sich Kerry in ihren Sitz fallen. Wenigstens hatte sie sich den Fensterplatz sichern können, was ihr über den ganzen Flug hinweg eine Sicht auf etwas Lohnenswertes gewährleisten würde. Jedenfalls lohnenswerter als ihren Sitznachbarn zu betrachten. Seto schob sich gerade durch den Gang des Flugzeugs an einer Stewardess vorbei, die es ihm nicht unbedingt erleichterte an ihr vorbei zu kommen, jedenfalls nicht ohne Körperkontakt. Kerry hatte ihren Blick unbewegt auf das geschäftige Treiben außerhalb des Flugzeugs gerichtet und ignorierte eisern die bloße Anwesenheit ihres Noch-Arbeitgebers. Dieser kam, nachdem das ,Hindernis' überwunden war, ziemlich schnell den Gang hinunter und hatte einen ähnlich unfreundlichen Gesichtsausdruck wie Kerry aufgesetzt, als er seinen Platz einnahm. Keinerlei Begrüßung, keine Äußerung, nicht einmal ein Räuspern kam über die Lippen von einer der beiden Personen, die hier zusammen saßen, weil ein hartnäckiger Dreikäsehoch die beiden voll in die Tasche stecken konnte, wenn er es wollte und das war momentan eindeutig der Fall. Die Vorfreude stand Seto und Kerry, die finster vor sich hinstarrten, förmlich ins Gesicht geschrieben. Ein wunderbar ausgelassenes Wochenende versprach dieses zu werden. Der Flug verlief ereignislos. Seto verbot man die Benutzung seines Laptops, da dieser anscheinend irgendwelche Steuerungselemente und empfindliche Geräte im Cockpit störte. Kerry dachte zuerst, dass sie sich vor Schadenfreude nicht mehr einkriegen könne, doch merkwürdigerweise vermisste sie beinahe das regelmäßige Geräusch, das immer verursacht wurde, wenn jemand seine Finger ununterbrochen über eine Tastatur huschen ließ. Es hatte eine beruhigende Wirkung auf sie, die nun ausblieb und außerdem war Kaiba nun nicht beschäftigt und hätte noch auf die dumme Idee kommen können, sie anzuschauen oder gar einen Streit anzufangen. Eigentlich war dies jedoch eher unwahrscheinlich, da Seto ja wieder zu seiner alten Form zurückgefunden hatte und zu Höchstleistungen in Arroganz und Ignoranz auflief. Die Rothaarige versuchte zu schlafen, doch es gelang ihr nicht. Es war wie am Anfang als sie dem jungen Geschäftsmann neben ihr die ersten Male begegnet war. Unmöglich erschien es auch nur den kleinsten Gesichtsmuskel zu bewegen und ohne Unterbrechung ging der Flug weiter. Als ähnlich trübe, still und ereignislos wie dieser Flug entpuppte sich das Einchecken am Flughafen und die Fahrt in die Highlands. Allerdings besserte sich Kerrys Stimmung merklich, als sie die ersten nebelverhangenen Hügel erreichten und die Landschaft für ihr irisches Verständnis von Schönheit, immer atemberaubender wurde. Schweigen herrschte noch immer, doch die Umgebung zog die Rothaarige so in den Bann, dass sie alles Negative um sich herum vergaß. Ein sanfter Ruck ließ sie wieder in die Gegenwart zurückkehren. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Schnell klaubte sie Handtasche und Jacke zusammen und warf sich letztere hastig über, während sie Seto folgte, der sich außerhalb des Wagens gerade aufrichtete. Eilig war sie ihm gefolgt und zupfte das künstliche Fell an ihrem Jackenkragen zurecht, bevor sie einen flüchtigen Blick auf ihren Zielort warf. Doch es blieb nicht bei der Flüchtigkeit, denn als hätte sie jemand hypnotisiert verharrte sie in Blickrichtung auf den Veranstaltungsort, eine riesige aus dunkelgrauem Stein erbaute Burg, die imposant vor ihnen aufragte und im bleiernen Nebel und dem mangelnden Licht der verdeckten Sonne wie ein Spukschloss aussah. Mit den hohen Mauern, den mächtigen Türmen und Zinnen, die düster und grau vor ihr lagen, fühlte sie sich wie in eine andere Zeit versetzt. Beinahe konnte man sich die auf den breiten Mauern patrouillierenden Wachen und bunte Banner und Wimpel auf den Türmen vorstellen, so wie es in ihrer Blütezeit ausgesehen haben musste. Doch die schemenhaften Nebelschwaden und vor allem die Leblosigkeit und Stille, die von der Burg ausgingen, verdeutlichen nur allzu klar, dass dieses Gemäuer schon lange kein Sitz mächtiger Herren und Krieger mehr war, sondern von irgendeinem Neureichen vor dem Verfall gerettet, aber nicht bewohnt wurde. Zwischen Faszination und einem angenehmen Unbehagen hin und hergerissen, nahm der Anblick die Rothaarige völlig in Beschlag und so taumelte sie überrascht beinahe zur Seite, als ihr plötzlich unsanft ihr Koffer in die Hand und gegen die Seite gedrückt wurde. Ertappt warf sie dem Verursacher dieser Unannehmlichkeit einen giftigen Blick zu und trottete dann, den Koffer fest gepackt, hinter ihm her. Das eiserne und wohl mehr als einfach nur schwere Fallgitter am Burgeingang stand offen und so marschierten die beiden, in der menschenleeren Umgebung einsam erscheinenden Personen, ungehindert mitten in den Innenhof der Burg. Es war später Nachmittag und der Hof wirkte genauso verlassen wie die Burg von außen, doch als hätten sie beim Durchqueren des Torhauses eine Alarmanlage ausgelöst, tauchte plötzlich eine ganze Schar von Bediensteten aus dem Hauptgebäude auf, bevor sie sich den Treppen zum Hauptportal überhaupt richtig genähert hatten. Dienstmädchen in kurzen Röckchen und mit altmodischen Häubchen auf dem Kopf, uniformierte Pagen mit polierten Silberknöpfen auf der Uniform und ein junger Mann in einem eleganten Anzug und einem charmanten Lächeln auf den Lippen, kam das ganze Komitee auf sie zu und bevor Kerry auch nur irgend etwas sagen oder tun konnte, wurde ihr der Koffer aus den Händen gerissen und weggetragen. Nachdem der wimmelnde Haufen von übereifrigen Dienern wieder hinter der riesigen Eingangstür verschwunden waren, verblieben nur noch sie, Seto und der junge Mann, der sich bei näherer Betrachtung als doch nicht ganz so jung entpuppte. Sein dunkelbraunes Haar zierte an den Schläfen schon graue Strähnen und um die Augen und die Mundpartie zeigten sich deutliche Falten, doch das Lächeln, das anscheinend oft auf seinen Lippen lag, ließ ihn deutlich jünger erscheinen. Vielleicht wirkte Seto Kaiba deshalb auch immer älter als er war, weil er nie lächelte, überlegte Kerry missbilligend und mit einem prüfenden Seitenblick auf ihren Begleiter, der bisher noch keine Reaktion auf die Begrüßung hatte verlauten lassen. Vermutlich war er es gewohnt, dass man um ihn einen solchen Aufstand machte. Snob. Die Rothaarige bemerkte, dass sie geradezu zwanghaft nach Gründen suchte um Seto noch unsympathischer und furchtbarer zu finden und beschloss dies sofort zu unterbinden, da dies das Wochenende sicher nicht versüßen würde. Man musste das Beste aus allem machen, aber das war mit einer Person mit einer Anschmiegsamkeit wie einem Kaktus leichter gesagt als getan. Schwups, schon hatten Kerrys Gedanken sie wieder völlig aus den eigentlichen Geschehnissen geschmissen und obwohl sie unterbewusst bemerkt hatte, dass der Mann vor ihr mit den graugrünen Augen sie angesprochen hatte, konnte sie beim besten Willen nicht wiedergeben, was genau er gesagt hatte. Aus Höflichkeit und Hilflosigkeit setzte sie ein höfliches Lächeln auf und nickte grinsend, während sie sich dämlicher als je zuvor vorkam. Sollte ihr Gegenüber das Gleich denken, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken und winkte den beiden ihnen zu folgen. Es war wie in einem Märchen. Ein Märchen ohne tapfere Ritter und wunderschöne Burgfräulein, ohne mächtige Könige und weise Magier zwar, doch die der Entstehungszeit der Burg angemessene Einrichtung allein versetzte schon in eine andere Welt. Das altertümlich geschnitzte Holzmobiliar vermittelte eine rustikal und gemütlich anheimelnde Atmosphäre und prächtige Teppiche mit verwirrenden Mustern dämpften jeden der Schritte, die Kerry und Seto beim Gang in das riesige Gebäude machten. Alte Gemälde, Wandteppiche, Zierpflanzen und Relikte der alten Zeit wie Waffen oder alte schottische Trachten und Kulturgegenstände waren überall um sie herum gegenwärtig und die Vielfalt an Formen, Farben und Eindrücken schon im ersten Raum den sie betraten, ließ neugierige Augen nie zur Ruhe kommen. Allein die große Eingangshalle ließ einem den Atem stocken. Doch bevor sich Kerry in dem Traum einer alten, glänzenden Welt verlieren konnte, wurde sie in die harte Gegenwart zurückgerissen. Diesmal war jedoch nicht Seto dafür verantwortlich. Ausnahmen bestätigen eben die Regel. Die Menschengrüppchen, die sich in der Eingangshalle tummelten waren der Rothaarigen zunächst gar nicht aufgefallen, doch als ein zusammengewürfelter Haufen in grellbunte Kleider gehüllte Frauen und jungen Mädchen direkt durch ihr Blickfeld zog, bemerkte sie die Anwesenheit anderer. Kurz verzog sie das Gesicht zu einer sichtlich genervten Mimik, bevor ihr Blick dem Pulk folgte. Offenbar war das Turnier hier nicht ganz so privat, wie sie selbst angenommen hatte, denn wie sich später herausstellte, hatten nicht nur die Teilnehmer, sondern auch deren Freunde, Fangemeinde und Familienmitglieder Zutritt, wenn auch teuer bezahlten. Außerdem bat man höflich darum die Anzahl der ,Anhängsel' so gering wie möglich zu halten, ziemlich überflüssigerweise, wie Kerry fand. Misstrauisch beäugte nun diese die Ansammlung von Frauen, die sich wie ein Haufen gackernder und zeternder Hennen auf ihr Fressen, in diesem Falle auf Seto Kaiba stürzten. Dieser hatte sich gerade zur Rezeption begeben um dort ihre Ankunft anzumelden und die Zimmerschlüssel zu erhalten. Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, wenn man bedachte, dass er plötzlich von quietschenden Teens mit Herzchenaugen, aufgedonnerten schicki-micki Tussis mit engelsgleichem Augenaufschlag und kreischenden, auf und ab hüpfenden Autogrammjägerinnen belagert wurde. Beinahe hätte die Irin laut losgelacht, denn obwohl Seto sich nicht aus der Fassung bringen ließ, sondern kühl und mit versteinerten Zügen inmitten der heranbrandenden Flut von hysterischen Mädels stand, wie ein Fels in der Brandung, war das Gesamtbild trotzdem urkomisch. Außerdem war die Dummheit und Oberflächlichkeit dieser Leute ebenfalls lachhaft. Niemand mit einem halben Gramm Verstand würde sich wie ein Aasgeier auf ein Autogramm oder einen Blick Seto Kaibas stürzen. Natürlich verdrängte die Rothaarige dabei jegliche von ihr jemals gefühlten Emotionen die auch nur Ansatzweise in diese Richtung gehen könnten und natürlich auch die bekannten Vorzüge eines reichen, gutaussehenden und mächtigen Firmenbosses, den man in Kaiba, durchaus zu recht, sah. Trotz allem schadenfreudigen Amüsement, tat Seto Kerry fast ein wenig Leid und schließlich beschloss sie ihm aus der Klemme zu helfen, sie war schließlich nicht so... Dennoch sollte diese Hilfe, wenn sie denn erfolgreich sein würde, nicht ohne Folgen für den Bedrängten bleiben, nahm sich die junge Frau vor, während sie sich auf den Spektakel zu bewegte. Da sie kaum Dank dafür erhalten würde, sollte doch etwas Triumph für sie und Unannehmlichkeiten für Mr. Negativ herausspringen. Hierbei vergaß sie unglaublich einfach, welchen Entschluss sie kurze Zeit zuvor noch in schlimmster Verzweiflung gefällt hatte und ihr Optimismus und der Glaube "Alles ist möglich", brachen sich in ihrer Gefühlswelt wieder bahn, als hätten sie nur darauf gewartet in einer solchen Situation wieder hervorzukriechen. Sich dessen gar nicht bewusst, war die Rothaarige völlig in Beschlag genommen von ihren eigenen Gedanken und Möglichkeiten aus dieser Sache etwas mehr als Lustiges herauszuschlagen. Schnell formten sich diese losen Überlegungen zu einer konkreten Idee und verknüpften sich schließlich zu einem, wenn auch spontan, überlegten Plan, den auszuführen es nun schnellstens galt. Entschlossen schob sich Kerry durch das Gewühl von parfümierten Körpern, leichten Stoffen und umherwedelnden Armen. Zunächst klappte dies auch überraschend gut, bis plötzlich eine ca. Siebzehnjährige, aber deutlich größere junge Frau, Kerrys Vordringen aufzuhalten versuchte, als diese sich gerade an einem anderen Mädchen vorbei, bis zu Kaiba schieben wollte. Mit wütendem Gesichtsausdruck riss die Brünette Kerry an der Schulter zurück und blickte sie aus ihren dunklen Augen an, die vor Zorn geradezu zu brennen schienen. Doch ihr Gegenüber hatte sich schon in die vorher überlegte Rolle eingefunden und starrte finster, ein wenig überheblich, aber nicht offen feindselig zu der Größeren hinauf. Trotz des Größenunterschiedes gelang es der Irin überlegen zu wirken, als wäre die Braunhaarige unter ihrem Niveau. "Irgendein Problem?", zischte Kerry pikiert und imitierte überraschend überzeugend den Tonfall ihres Arbeitgebers. "Stell dich gefälligst hinten an, wie alle anderen auch!", kam es der Fremden hitzig und lauter als gedacht über die vollen Lippen. Das war ja was völlig Unerwartetes. Über Kerrys Lippen huschte ein spöttisch, herablassendes Lächeln, als sie die schon erwartete Antwort vernahm und legte sich sogleich zurecht wie sie die Schnepfe weiter provozieren könnte. "Ach du meine Güte.", konterte sie mitleidig, als würde sie mit einem Kleinkind sprechen, doch bei den folgenden Worten waren ihre Worte wieder scharf wie blanker Stahl: "Glaubst du auf deine Befehle lege ich irgendeinen Wert, verwöhntes Gör?" Beinahe sichtbar lief die junge Braunhaarige tiefrot an und war anscheinend kurz davor zu platzen, während sie bedrohlich einen Schritt auf Kerry zumachte und sie dann plump nach hinten schubste. Die Rothaarige ließ den Übergriff, zu überrascht über die Reaktion, wehrlos über sich ergehen, doch nachdem sie sich gefangen hatte, kam sie nicht umhin diese Tätlichkeit als hilfreich für ihren Plan zu erachten, zumal sie mittlerweile wirklich keine Lust mehr hatte sich weiter von der Zicke ihr gegenüber aufhalten zu lassen. "Fass mich noch einmal an und du wirst es bereuen.", warnte sie mit bedrohlich leiser Stimme ihr Gegenüber, während sie sich mit übertrieben erhobenen Haupt von ihr abwandte und sich wieder Seto zuwandte. Mittlerweile kam sie sich selbst schon absolut unecht vor, aber eine Rolle war nun mal eine Rolle. Doch natürlich kam es wie es kommen musste, denn wer würde schon auf eine solche Provokation von einer Halbwüchsigen nicht reagieren, abgesehen von Seto Kaiba selbstverständlich. Beinahe sofort wurde die junge Frau wieder herumgerissen und von der Größeren nicht gerade zimperlich zurückgedrängt. "So und was jetzt?", fragte sie triumphierend über ihre überlegene Stärke und Größe. Doch Kerry ließ sich nicht einschüchtern und trat statt zurückzugehen, einen Schritt auf sie zu. "Das!", blaffte sie und kurz darauf fand sich die Braunhaarige auf dem Hinterteil sitzend auf dem Boden inmitten der kreischenden Menge wieder und abgesehen von ihrem Hintern, tat ihr sicher die blutende Nase mehr weh als gewöhnlich. Kerry löste ihre geballte Faust und blickte kalt, kälter als ihr selbst gefiel, auf das Mädchen herunter, bevor sie sich erneut abwandte und sich ohne Blick zurück durch die restlichen Frauen schob, die jetzt weniger Widerstand leisteten als vorher, denn natürlich war der Vorfall nicht zu übersehen bzw. zu überhören gewesen. Es war beinahe beängstigend und wäre Kerry in diesem Moment auch nur kurz sie selbst und nicht diese Rolle gewesen, wäre sie wohl vor Scham im Boden versunken. Sie hatte gerade ein Mädchen geschlagen, wie niveaulos war das? Doch in diesem Moment konnte sie nicht darüber nachdenken, ohnehin dachte sie die ganze Zeit über recht wenig, bis gar nicht nach. Wenn das mal keine Folgen haben würde... Beinahe bereitwillig machten einige der Damen, denen diese Bezeichnung nicht gerade gerecht wurde, Platz und Kerry gelangte ohne Probleme zu Seto. Ohne zu Zögern stellte sie sich zielsicher neben den jungen Mann und hakte sich in seinen linken Arm ein, was allerdings ein wenig Probleme bereitete, da er beide Arme verschränkt ineinander hielt. Die vertraute Geste ließ Kaiba das eigentlich vorhandene Bedrängnis um ihn herum vergessen und mörderisch kalt richtete er seinen Blick nun auf die kleine Rothaarige an seiner Seite, die gerade abschätzig in die Menge blickte, als wolle sie jedes der Mädchen das auch nur einen Schritt zu nahe käme, sofort anspringen und ihm die Augen auskratzen. So verstanden auch die Umstehenden den Blick und nach kurzer Zeit legte sich ein unsicheres Schweigen über die Kleingruppe. Missbilligend hielt Kerry den Blick mit der stummen Warnung darinnen auf die Frauen gerichtet, während sie ihren Begleiter ansprach und schnippisch einwarf: "Seto Darling, können wir jetzt endlich einchecken und unser Zimmer beziehen?" Ihre grünen Augen wandten sich dem Angesprochenen zu, der sie in einer Mischung aus Abschätzigkeit und kalter Abscheu anblickte, jedoch schließlich langsam nickte und sich umwandte. Immerhin hatte er begriffen, das dies vielleicht die einzig schnelle Möglichkeit war, aus diesem Chaos herauszukommen, auch wenn es ihn sichtbar unendliche Überwindung kostete. Selbstsicher traten die beiden nebeneinander auf die erste Reihe der Umherstehenden zu, deren Blicke nun mehr verunsichert und enttäuscht waren, statt wie zuvor hellauf begeistert. Resignierend traten sie nacheinander zur Seite, so dass es Kerry und Seto schließlich gelang die Rezeption zu erreichen, zwar ohne das Gepäck, aber die Koffer selber schleppen lag wohl ohnehin unter Kaibas Niveau. Nur mit einiger Überwindung konnte sich Kerry dazu überwinden den Blick starr geradeaus zu richten und nicht einen Blick über die Schulter zurück zu werfen. Zu gerne hätte sie sich versichert, dass ihnen keine der quäkenden Hupfdolen folgte und sich gleichzeitig über die Gesichter amüsiert, die sicher denen eines begossenen Pudels geglichen hätten. Jedenfalls galt sie nun, zumindest auf dieser Veranstaltung, als inoffizielle Freundin Seto Kaibas. Das konnte ja nur heiter werden, doch sie hatte es ja nicht anders gewollt und tröstend war außerdem, dass ihr Begleiter sicher noch mehr unter diesen Gerüchten zu leiden haben würde, als sie. Und man merkte es auch schon, als er, kaum waren sie aus dem Haufen von Menschenleibern heraus, seinen Arm von ihr losriss und einen halben Meter Abstand nahm. Äußerst tröstlich. Es war eine dumme Idee gewesen. Eine außerordentlich dumme Idee, um nicht zu sagen eine saudumme... Aber sich jetzt darüber zu beschweren brachte wohl kaum etwas. Dennoch konnte Kerry ihre Gedanken nicht ablenken. Da saß sie nun, auf einem über die Maßen bequemen Himmelbett mit einem hauchdünnen Baldachin, Bettwäsche aus tiefrotem Satin und einem reich verzierten und mit Schnitzereien versehenen Holzgestell. Dieses Bett befand sich in ihrem, für das Wochenende zur Verfügung gestellten Schlafzimmer, welches gleichzeitig antik, aber auch wie gerade erst neu eingerichtet wirkte und Kerrys Ansicht nach eher einer Adligen angemessen gewesen wäre. Obwohl, wenn sie es genau bedachte, hätte sie dann ja dennoch das Recht gehabt hier zu sein. Zusammen mit einer roten Haarsträhne wischte sie diesen flüchtigen Gedanken, der eindeutig in die Vergangenheit gehörte, beiseite. Das Problem lag außerdem nicht bei dem Raum oder ihrer Berechtigung hier zu sein, sondern allein bei der Tatsache, dass sie dieses Zimmer, den Fernseher, der nicht ganz so zum Stil des Hauses passen wollte, die Couch, den Zimmerservice und am Schlimmsten, das Bett mit Seto Kaiba teilen müssen würde. Aber wie um dem ganzen Dilemma noch ein Tüpfelchen auf dem i zu verpassen, war es Fakt, dass sie selbst an diesem dramatischen Umstand Schuld war. Sie selbst, Kerry O'Hara, hatte sich wieder einmal elegant und perfektionistisch wie keine andere in eine auswegslose und uneingeschränkt unangenehme Situation gebracht, nur weil sie jemand hatte ärgern wollen. Wie sagte man doch so unschön: "Die kleinen Sünden bestraft der Herr sofort." Treffend. Es passte wie die Faust aufs Auge und gerne hätte Kerry sich selbst geohrfeigt für ihre Kurzsichtigkeit. Natürlich hatte sie bei ihrer spontanen Idee nicht berücksichtigt, dass das Darstellen von sich selbst als "Frau an Setos Seite", jeden in diesem Schloss, wenn dieser Einzugsbereich mal reichen würde, in seinem weiteren Verhalten und Handeln bezüglich ihrer selbst und Seto, beeinflussen würde. Und genau dies war geschehen, denn es wurde zum Beispiel auf einmal als selbstverständlich gehandelt, dass Mr. Super-Kaiba und seine inoffizielle Flamme einen Raum zusammen bekamen. Dumme Idee. Resignierend ließ sich die Irin zurückfallen, so dass sie rücklings und quer über das glänzende Satin der zuvor faltenfreien, dunkelroten Decke lag. "Trödel' nicht so herum und pack endlich aus.", kommentierte Seto das faul wirkende Verhalten der Rothaarigen auf dem Bett, während er die Schnallen seines nun leeren Koffers einschnappen ließ und das kleine Gepäckstück zielsicher in einen Schrank schob. Dann widmete er sich der Tasche in der sich sein Laptop befand, zog den Reißverschluss auf, verkabelte das flache Gerät irgendwie mit irgendwas, so wirkte es jedenfalls auf Kerry und setzte sich dann mit dem tragbaren Computer auf dem Schoß in einen dick gepolsterten Sessel, mit hohen, anmutig geschwungenen Lehnen und begann beinahe sofort die Tasten zu betätigen. Beinahe wäre der jungen Frau ein patziges "Was geht es dich an, wann ich auspacke" herausgerutscht, doch sie schluckte schnell ihren aufkommenden Ärger herunter und rollte sich umständlich vom Bett. Wahrscheinlich war ihr Arbeitgeber, sie verbesserte sich selbst, ihr Noch-Arbeitgeber ebenfalls nur über die Situation und wohl auch über die Person, die sie da hinein manövriert hatte, nämlich sie selbst, verärgert. Ihr selbst ging es schließlich ebenso, mit den Ausnahmen, dass sie erstens niemand hatte um an dieser Person ihren Ärger auszulassen und zweitens, dass sie so oder so anders mit ihrem Ärger umging. Wenig motiviert setzte sie sich also in Bewegung und begann ihre Kleidung, Waschutensilien, ein Buch und andere Nichtigkeiten aus dem Koffer und auf bzw. in die dafür vorgesehenen Plätze zu räumen. Beim letzten Gegenstand zögerte Kerry. Es war eine dunkle Holzschatulle, deren Inhalt und ihr Wissen darum ein Kribbeln auf ihrer Haut verursachte. Mittlerweile wusste sie selbst nicht mehr, wieso sie ihr Deck überhaupt mitgenommen und quasi seine Ruhe gestört hatte. Egal, nun war es zu spät um sich darüber noch Gedanken zu machen. Mit diesen Gedanken platzierte sie das Kästchen auf dem Nachttisch, der auf der Seite des großen Himmelbettes stand, die sie zu ,ihrer' Seite auserkoren hatte. Fertig. Und Seto tippte immer noch wie ein Irrer auf der Tastatur herum. Entspannung würde ihm das Turnier wohl kaum bringen. Kerry schob ihren kleinen Koffer kurzerhand unter das Bett und verkündete mit einer ausladenden Geste: "Fertig!", bevor sie auf den Sessel zuschritt, auf dem Kaiba saß und natürlich nicht reagierte. Dort angekommen stellte sie sich mit verschränkten Armen und etwas zu interessiertem Blick neben den bequemen Stuhl und blickte auf den Bildschirm. Jedoch wandelte sich ihr Gesichtsausdruck beinahe sofort von interessiert zu verwirrt und unwissend. Computer waren ihr ja ohnehin ein Rätsel, doch solange sie funktionierten wie sie sollten und sie sich in Bereichen aufhielt, die ihr vertraut waren, hielt sich das Unverständnis in Grenzen, doch das was der junge Mann vor ihr tat, lag weit außerhalb Kerrys Sphären des Verstehens. Da Seto sie ohnehin vollkommen ignorierte und das Zuschauen weder einen Sinn noch Unterhaltungswert hatte, entfernte sich Kerry langsam wieder und trottete gemächlich auf die Zimmertür zu. Doch gerade als sie nichtsahnend die verzierte, golden glitzernde Klinke in die Hand nahm, wurde sie durch ein paar leise und dennoch deutlich und scharf wirkende Worte aufgehalten. "Wo willst du hin?", klang es aus Seto Kaibas Mund und die Rothaarige hielt inmitten ihrer Bewegung inne, um kurz die Augen zu verdrehen. Ansonsten machte sie allerdings keine Anstalten sich zu bewegen oder gar sich herumzudrehen. Zu einer Antwort jedoch konnte sie sich gerade noch so durchringen: "Ich denke nicht, dass ich dir darüber Rechenschaft ablegen muss." Nun erst schaute Seto auf, auch wenn es für die Irin nicht sichtbar war. Noch immer war er es nicht gewohnt statt einer schnellen, präzisen Antwort, einen zynischen Kommentar zu erhalten, wenn er etwas fragte. Warum überraschte ihn dies immer noch? Lange genug hatte er es ja schon ertragen müssen um sich wenigstens bei ihr daran zu gewöhnen, doch nichts dergleichen war geschehen. Glaubte er etwa sie würde sich ändern? Vielleicht war dies wirklich sein unterbewusster Gedanke dahinter, schließlich passten sich letztlich alle an ihn an und unterwarfen sich seinem Willen. Wieso sollte es diesmal anders sein? Auch wenn es keine vernünftige Antwort darauf gab, jedenfalls soweit es Seto betraf, so wurde ihm doch in diesem Augenblick klar, dass sie ihm bisher noch immer Widerstand leistete und keine Anstalten machte endlich damit aufzuhören sich in sein Leben einzumischen und in seinen Gedanken herumzuspuken. Langsam aber sicher begann der Keim des Zweifels, den seine Gedanken gesät und im Boden seiner Gefühlswelt vergraben hatten, aufzukeimen und obwohl Wasser und Licht ausblieben, wuchs dieser Zweifel stetig. Es würde sich nichts daran ändern. Sie würde niemals so sein wie alle anderen, sie war eine Ausnahme, eine Rarität, was jedoch nicht bedeutete, dass sie ihm gefiel und er sie kaufen würde. Doch gab er den hintersten Gefühlen seiner Selbst auch nur eine kurze Chance sich zu zeigen, so konnte er nicht abstreiten, dass sie ihm doch gefiel. Sicher nicht wie ein hübsches, liebes Mädchen einem jungen, gewöhnlichen Mann gefiel, doch das waren sie beide auch eindeutig nicht, weder lieb noch gewöhnlich. Vielmehr war es ein Gefallen, dass ein Kind, dass jahrelang in einem Raum mit drei Spielsachen eingesperrt war und keinen Bezug zur Außenwelt hatte, empfand, wenn ihm nun eine Katze gegeben wurde. Es war neu, unbekannt und dennoch nicht unbedingt angenehm, schließlich benutzte das Kätzchen fleißig seine Krallen, wenn man es zu etwas zwingen oder ihm seinen Willen aufzwingen wollte. Interessant aber unzähmbar und deshalb nicht von dauerhaftem Wert. Kein dauerhafter Wert, es erfüllt keinen Zweck und war letztlich doch nichts anderes als alles andere um ihn herum. Folglich konnte es ihm egal sein wie alle anderen Menschen und Dinge waren. Nur diese Worte blieben Seto bewusst im Gedächtnis, alle anderen Gedanken, die er soeben durchdacht hatte, schloss er wieder weg, wollte sie am liebsten ganz verbannen und vergessen und konnte es letztlich doch nicht komplett. "Ich bin dein Chef, du bist meine Angestellte, mein Eigentum, Kleine. Wenn ich es will, wirst du mir durchaus Rechenschaft ablegen.", zischte Kaiba ungeduldig, als hätte Kerry ihm einen langen, sinnlosen Vortrag gehalten. Es waren vielleicht Sekunden nach ihrer Antwort vergangen, doch beiden erschien diese geringe Zeitspanne wie eine zähe, unendliche Ewigkeit, die nun schlagartig vorbei war und alles drehte sich in Echtzeit weiter. Kerry drehte sich ruckartig um, so dass ihre Haare der Trägheit folgend, in ihr Gesicht flogen, was sie jedoch nicht zu bemerken schien. Ihr Gegenüber saß ungerührt in seinem Sessel, den PC auf dem Schoß und musterte sie mit kühler Gelassenheit und nichts in seinem Gesicht zeigte auch nur das kleinste Anzeichen dafür, was ihn kurz zuvor noch beschäftigt hatte. "Ich bin dein was?", fragte Kerry sichtlich entgeistert und mit einem zornigen Funkeln in den kristallgrünen Augen. Doch selbst wenn Kaiba hätte antworten wollen, wäre er nicht dazu gekommen. Schlaff sank die Hand der Rothaarigen von der Türklinke, ihre Stimme hingegen war gespannt wie die Sehne eines britischen Langbogens als sie weitersprach: "Das glaubst du wirklich? Du bildest dir ein ich würde dir gehören?" Einen Moment starrten sie einander stumm an und die Zeit schien erneut gegen alle Regeln der Natur, stehen zu bleiben. Eis traf auf Feuer, kalte Arroganz auf heiße Wut. Kerry fasste sich, packte plötzlich erneut die Türklinke, diesmal jedoch so fest, dass das kalte Metall hart gegen ihre Haut prallte und selbst die abgerundeten Kanten ins Fleisch zu schneiden schienen. Ebenso brutal drückte sie die Klinke nach unten, riss die Tür mit enormer Wucht auf und war schon fast draußen im Flur, als sie sich noch einmal kurz dem Zimmer zuwandte und ohne Rücksicht auf die Lautstärke rief: "Wach auf Junge, dir gehört nichts, nichts was irgend eine Bedeutung hätte, weder ich noch dein Bruder oder irgend ein Mensch mit ein wenig Verstand. Nur ein Haufen willenloser Marionetten befindet sich in deinem Besitz, nicht zu vergessen Unmengen von deinem ach so wichtigen Geld. Kapier' das endlich und werde dann meinetwegen glücklich damit!" Schon bevor die letzten Worte ganz im Raum verklungen waren, schlug die Tür hinter ihr mit einem lauten Krachen zu und zurück blieb Seto Kaiba, der zum ersten Mal mehr als zwei Sekunden über das eben Gesagte nachdachte. Es waren genau drei. -------------- Hallöchen! Ich melde mich mal wieder zurück, aber ich hab schlechte Nachrichten. Für die, die überhaupt hier noch vorbeischauen. Ich habe seit kurzem einen Kurs an einer Schreibschule angefangen und widme mich jetzt dem 'professionellen' Schreiben. Da meine Freizeit ohnehin nicht so unheimlich üppig bemessen ist, werde ich wohl, wenn ich schreibe, in nächster Zeit anderes als YGO schreiben, auch, weil ich im Moment den Bezug und das Feeling dafür etwas aus den Augen verloren habe. Außerdem sind die Kapitel die ich im Moment hochlade schon recht 'alt', also liegen schon länger auf meiner Festplatte und müssen nur noch etwas überarbeitet werden. Dass sie schon älter sind, hat leider den Nachteil, dass ich mit vielen was da steht, oder auch wie es da steht, nicht mehr ganz einverstanden bin und es fast schon für 'schlecht' halte, jedenfalls würde ich vieles mittlerweile anders machen. Dennoch werde ich alle Kapitel die ich bisher habe nach und nach noch hochladen, wer weiß, vielleicht habe ich bis das getan ist wieder Zeit und Muse zum Weiterschreiben. Nur, damit ihr als Leser ein ungefähres Bild von der Lage dieser FF habt. Im Moment sind 32 Kapitel fertig und noch ein halbes... bis zu diesem Punkt werde ich also auf jeden Fall noch hochladen, was weiter passiert weiß ich nicht. In dem Wissen, dass ihr euch jetzt wohl denken könnt: Wie, das wird evtl. gar net zu Ende geschrieben, warum dann überhaupt weiterlesen, nehme ich dennoch nichts vom Gesagten zurück und hoffe noch ein paar treue Leser zu behalten. Grüße Dolefulness Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)