Zeit der Artefakte von abgemeldet (Die Wiedergeburt der Magie) ================================================================================ Kapitel 1: Der Mord ------------------- So, dies ist meine zweite Geschichte. Schreibt ruhig auch böse Kommentare, ich bin leidenschaftlicher Masuchist. ;) Prolog Es ist bereits lange her, dass mächtige Magier die Welt ins Chaos stürzten, so lange, dass nur noch Sagen und Legenden von dieser Zeit zu berichten wissen. Wer jedoch mehr über jene Jahrhunderte erfahren will, wird wahrscheinlich bald Gelegenheit dazu bekommen. Denn die Geschichte setzt zu einer Wiederholung an... I. Wachmeister Sommer Florian arbeitete noch nicht sehr lange in dem riesigen kunsthistorischen Museum, das der ganze Stolz der uralten Kleinstadt Korenberg war. Er hatte erst vor kurzem seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und war nun für die Abteilung "La Tène-Zeitalter" zuständig. Dabei hatte er schon in der Schule absolut nichts langweiliger gefunden, als die Geschichtsstunden über die Urgeschichte. Als ob ihn das noch etwas kümmern müsste, dass vor ewigen Jahren einmal die Kelten hier herumhockten. Jetzt lebten sie da, und die Kelten konnten von ihm aus brausen gehen! Wenn die sich einbildeten, wie diese verdammten Juden irgendwelche Rückzahlungen einfordern zu dürfen, dann hatten sie sich gründlich geschnitten! ...Wo lebten diese Kelten heutzutage eigentlich? Keltien? Nein, das gab es nicht. Sommer hatte in Geografie zwar nie wirklich zugehört, aber er hatte in besonders langweiligen Stunden den Atlas hervorgeholt und blöde Landes-, Stadt- oder Flussnamen gesucht. Und während all dieser Suchaktionen war er nie auf einen Staat namens "Keltien" gestoßen. Nun, wo auch immer sich diese Kelten heute aufhielten, von ihm würden sie keinen Groschen erhalten. Jawohl, er... Es klapperte leise, das Geräusch eines festen Gegenstandes, der auf den harten Fließenboden gestellt worden war. Erschrocken fuhr Sommer herum und lauschte. Eine seltsame Aufregung ergriff von ihm Besitz, eine von der freudigen Art. Endlich passierte hier mal etwas! Da Sommer bereits so lange auf diese Gelegenheit gewartet hatte, sich zu beweisen, wollte er unbedingt alles richtig machen. Also schwenkte er seine Taschenlampe in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und rief: "Halt! Wer da?" Hurra, wie lange hatte er das schon sagen wollen! Und wie toll das aus seinem Mund klang, so hart, richtig professionell... Der Schrei, den Sommer in der nächsten Sekunde von sich gab, klang da gleich weit weniger professionell, aber in Hinsicht auf die riesige, grüne Echse mit den langen, rasiermesserscharfen Zähnen, die kreischend den Schrei beantwortete, wirkte er noch beachtlich beherrscht. Die Echse, die kaum größer als ein normaler Erwachsener war, für eine bloße Echse jedoch zweifellos eine beachtliche Größe hatte, kniff die Augen zusammen, geblendet vom grellen Licht der Taschenlampe. Die Gelegenheit nutzte Sommer. Mit zittrigen Händen zog er seine Dienstwaffe - sein ganzer Stolz, eine frisch polierte Glock17 - aus ihrem Halfter, entsicherte sie hastig und schoss. Einmal, zweimal, dreimal,... Er wollte gar nicht mehr aufhören, zu schießen, solange die Echse noch stand. Und das tat sie, mit einem Ausdruck in den Augen, der irgendwie resigniert wirkte... Doch Sommer, war kein Mann, der sich leicht entmutigen ließ. Als das Magazin leergeschossen war und die Echse noch immer stand, wobei sie tatsächlich etwas gelangweilt wirkte, ergriff der Wachmann seinen Schlagstock und schleuderte ihn dem Wesen entgegen. Das öffnete das Maul und verschluckte das Wurfgeschoss einfach. Es rülpste, schmatzte und kratzte sich zufrieden am Bauch. Dann richtete es ein Paar giftgrüner Augen auf den Mann und fragte: "Was jetzt?" Von Monstern erwartete man tiefe, hässliche Stimmen, etwas von der dröhnenden Sorte, dass die Knochen in einem vibrieren ließ, oder wenigstens die Zähne klappern... Auf alle Fälle etwas beeindruckenderes, als eine normale Männerstimme, wie man sie auch von seinem Steuerberater haben konnte. Doch Tatsache war, dass die Echse die langweiligste Stimme hatte, die eine überdimensionale Echse mit langen Reißzähnen nur haben konnte... "Was treibt denn ihr da?", fragte eine Stimme, die bereits um Einiges bedrohlicher klang. Sie war vergleichbar mit der eines strengen Lehrers, der seine Schüler beim Rauchen erwischte. Und Sommers Reaktion darauf war schon vor langem zu einem Reflex geworden. Er wich zurück und versteckte seine Händer hinter dem Rücken, während sein Mund von ganz allein zu sprechen begann: "Gar nix!" Danach fiel ihm wieder ein, wer er inzwischen war, und er hob drohend seine Dienstwaffe. "Kommen Sie ins Licht, wo ich Sie sehen kann!" Leise Schritte ertönten und ein Mann trat neben die Riesenechse. Er beachtete den Wachmann nicht. Stattdessen strafte er die Echse mit strengem Blick. Die verzog ihr riesiges Maul zu einem verlegenen Lächeln, was einfach lächerlich wirkte, und murmelte: "Er hat angefangen.", wobei sie anklagend auf Sommer zeigte. Der Mann neben ihr musterte Sommer kurz, von oben bis unten, dann fragte er mit bedrohlich gesenkter Stimme: "Ist das tatsächlich deine Rechtfertigung?" Sein Blick fiel auf etwas knapp vor dem Monster, das bisher auch Sommer noch nicht aufgefallen war. Kein Wunder, dass die Echse den Kugelhagel unbeschadet überstanden hatte! Die Kugeln schwebten alle bewegungslos vor ihr in der Luft. Wie in jenem Kinofilm, den sich Sommer erst vor kurzem mit seinen Freunden angesehen hatte, so ein neumodischer Computerklamauk... Dies war der letzte Beweis dafür, dass all das bloß ein wirklich beeindruckend irrer Traum war. Der Mann neben dem Monster seufzte schwer, dann meinte er: "Was habe ich dir über Zauberei erzählt?" "Du hast gesagt, dass das nicht zum Spielen da ist.", murmelte die Echse kleinlaut. Der Mann nickte. "Großartig rezitiert. Aber warum hältst du dich nicht daran?" Die Echse schwieg betreten, also fuhr der Mann fort: "Das gleiche gilt übrigens auch für ...diese kleine Monstershow, die du uns hier vorführst." Bei diesen Worten vollführte er eine Handbewegung, welche die ganze Gestalt des Monsters bezeichnete. Die Echse senkte reumütig den Kopf und verwandelte sich in einen hochgewachsenen Jungen, wohl kaum älter als 16. Der Mann nickte. "Schon besser. Und nun erledige den Zeugen und komm." "Jawohl.", murmelte der Junge und vollführte eine flüchtige Handbewegung. Sommer starb, bevor er begreifen konnte, was mit ihm geschah. Der gleichzeitige Aufprall eines ganzes Magazins von Kugeln schleuderte ihn zurück, ließ ihn weit über die glatten Fließen rutschen und gegen eine weiße Kalkwand prallen. Dort blieb er regungslos liegen. Den Blick noch immer zu Boden gesenkt schlich der Junge an dem Mann neben ihm vorbei auf das Ende der Abteilung zu, der Mann folgte ihm. Die Taschenlampe, die Sommer nach wie vor in Händen hielt, zeigte zufällig genau in jene Richtung, sodass der Wächter den beiden nächtlichen Besuchern noch unfreiwillig den Weg leuchtete. Das war gut! "..., sodass der Wächter den beiden nächtlichen Besuchern noch unfreiwillig den Weg leuchtete." Azrej grinste, als sie sich die letzte Zeile in ihrem kleinen Notizblock noch einmal durchlas. ...den beiden nächtlichen Besuchern noch unfreiwillig... ...noch... Das passte irgendwie nicht. Enttäuscht runzelte Azrej die Stirn. Dabei war sie so nah dran, an dem perfekten Abschluss ihres kurzen Berichts. Er leuchtete ihnen ...nach seinem Ableben noch unfreiwillig den Weg. Er leuchtete ihnen ...seinen beiden Mördern... Nein, das stimmte nicht, denn nur der eine hatte gemordet. Der andere hatte es ihm bloß angeschafft. Er leuchtete ihnen ...irgendwie ...obwohl sie es gar nicht verdient hatten... Ach, verdammt. Er... Eine altbekannte Frauenstimme riss Azrej aus ihren Gedanken: "Und? Was hast du herausgefunden?" Es war Anija Klingentänzer, ihre Meisterin, die mit ruhigen Schritten auf ihre Schülerin zukam. Hastig erhob sich Azrej, die bisher an den Sockel einer Vitrine gelehnt am Boden gesessen hatte, und blätterte in ihrem Notizbuch nach vorn. Ja, was hatte sie eigentlich herausgefunden? Sie hatte sich schon wieder zu sehr von Unwesentlichem mitreißen lassen, statt sich auf die Fakten zu konzentrieren. Das würde Kritik geben... "Ich, äh...", begann Azrej nervös: "Ich ...äh, habe herausgefunden, dass die Angreifer hier gestanden haben mussten." Sie sprang an die Stelle rechts von der Vitrine, wo sie die schwachen Rückstände zweier Gegenwarten spüren konnte. "Hier stand der eine..." Sie wies auf ihre eigene Position. "..., und hier..." Sie zeigte auf den Platz neben sich. "...stand der andere. Der eine..." Sie zeigte wieder auf sich. "...hat eine Menge Energie fließen lassen... Ein Tarnzauber, schätz ich, was Auffälliges, ein Ganzkörpertrugbild oder sowas..." Sie hob die Hand und ließ sie an einem Punkt eine Armlänge vor ihrer Brust verharren. "Und hier...", fuhr sie fort: "...herrscht ein großes Ungleichgewicht, wie bei einem Riss in der Zeit. Ich rekonstruiere den Fall folgendermaßen: Der Wachmann stand dort." Sie deutete auf die Stelle einige Schritte vor ihr, von der ein paar Blutspritzer ausgingen und hinter der die blutige Schleifspur zur Leiche begann, die nach wie vor lässig an der Wand lehnte. "Er erschreckt sich wegen meines Tarnzaubers, zieht seine Waffe und schießt das Magazin leer. Ich... Ich spiel übrigens den Mörder. Also, ich beschwöre ein Zeitloch und lass die Kugeln darin stecken bleiben. Was übrigens die aufwendigste Lösung für mein Problem ist. Ein einfaches Kraftfeld hätte es auch getan... Aber egal, ich bin ein eingefleischter "Matrix"-Fan und will die Kugeln schweben lassen. Danach..." Schnell dachte Azrej nach. Sie durfte nun auf keinen Fall Realität mit Fiktion vermischen. Es war nicht gesagt, dass die andere Gegenwart über der einen stand. Genauso wenig konnte man sagen, wann sie hinzugestoßen war, wie und warum. Wo begannen also wieder die Fakten? "...Er hat die Kugeln zurückgeschleudert, wahrscheinlich in dem er sie ...auf einer Art ...Schockwelle surfen ließ... So würde ich es wenigstens versuchen." Die Meisterin blieb schräg hinter Azrej stehen, die Position, von der aus sie Azrej besonders nervös machen konnte, und fragte: "Gibt es irgendwelche Hinweise auf eine Schockwelle?" Azrej sah sich unsicher um. "N-n-nein...", stotterte sie und widerstand dem Impuls, sich zur Meisterin herumzudrehen. Was befürchtete sie eigentlich? Dass ihr die junge Frau ein Messer in den Rücken jagte? Verdammt, sie sollte wirklich einmal all ihre arationalen Ängste zu kontrollieren lernen, die vor engen Räumen, vor dicken Daunendecken,..., und die vor allen Personen, die sich hinter ihr befanden. Das war ja schon peinlich... Azrej zwang sich, fortzufahren: "Eine Schockwelle ist kein präziser Angriff, da wird ziemlich viel aus der Umgebung in Mitleidenschaft gezogen. Aber hier ist kein einziges Glas gesplittert. Folglich ...war es wohl doch keine Schockwelle, sondern ...eine Form der Levitation?" Hilflos zuckte Azrej mit den Achseln. "Gut.", sagte die Meisterin: "Dann lass mich mal die Romanfassung davon lesen." Erschrocken drehte Azrej sich herum und starrte die junge Frau verdattert an. "...Was?" "Dein Bericht." Fordernd streckte ihr die Meisterin die rechte Hand entgegen. Ohne die Bewegung wirklich zu registrieren, drückte Azrej ihr Notizbuch gegen ihre Brust und wich einen Schritt zurück. "Aber ...das ist nur die Rohfassung. Und hässlich geschrieben. Ihr werdet es nicht lesen können....Außerdem hab ich Euch doch schon alles gesagt, was ich weiß." Die junge Frau musterte Azrej prüfend, dann seufzte sie: "... Na los, gib schon her." Diesmal gehorchte Azrej. Sie wich zwei Schritte zurück und beobachtete die Meisterin dabei, wie ihre Augen über die erst kürzlich in größter Eile hingefetzten Zeilen glitten. (13.10.04) Die verzog keine Miene, hob nur die Augenbrauen leicht an, als sie eine bestimmte Stelle passierte. Wahrscheinlich die mit der La Tène-Kultur... Ja, die war ein wenig übertrieben. Der echte Sommer war sicher nicht so blöd gewesen, anzunehmen, die Kelten könnten noch in irgendeiner Form Rückzahlungen von diesem Staat verlangen. Würde schwer gehen, aus ihren trockenen Gräbern heraus. Azrej überlegte sich bereits, ob sie dazu eine Erklärung abgeben sollte - Sie hatte ja nur Spaß gemacht - als jemand auf leisen Sohlen neben sie trat. Azrej musste gar nicht erst hinsehen, um zu wissen, dass es ihr Mitschüler Simon war, der zweite Adept der Meisterin Anija. Dieser leise Gang, der war typisch für ihn. Er hatte einfach nicht das nötige Selbstbewusstsein, um bestimmt aufzutreten. Er beugte sich zu Azrej hinüber und fragte im Flüsterton: "Was liest sie denn da?" Azrej antwortete nicht. Als ob er sich das nicht selber denken konnte... Tatsächlich benötigte Simon nur wenige Momente, bis er leise bemerkte: "Oho... Sag mal, ist das nicht dein Notizbuch da, in ihren Händen?" Er stieß Azrej in die Seite und kicherte leise. "Du bist schon so gut wie gebraten und verspeist, meine Freundin. War mir eine Ehre, mit dir zusammen gedient zu haben." Die Meisterin sah kurz auf, zu der Leiche hin, und wandte sich dann wieder dem Text zu. Azrej und Simon folgten fragend dem kurzen Blick, Azrej aus ernster Besorgnis darüber, was die Frau überprüft haben könnte, Simon aus reiner Neugier. "Was hast du denn geschrieben?", erkundigte er sich: "Kommt wieder der mysteriöse, wortkarge Mann vor, der kalt grausame Befehle erteilt?" Azrej nickte. "Na logisch, ohne den geht's doch gar nicht mehr. Also, ich finde, der passt einfach in jeden Bericht gut hinein." "Stimmt, der passt.", bemerkte Meisterin Anija mit ruhiger Stimme. Erschrocken wirbelte Azrej wieder herum, Simon drehte sich etwas gemütlicher zurück. Die Meisterin streckte Azrej ihr Notizbuch entgegen. "Einen seltsamen Sinn für Humor hast du.", meinte sie mit einem leisen Lächeln auf den Lippen. Azrej wagte es kaum, das Lächeln zu erwidern. Jeden Moment würde nun die strenge Zurechtweisung kommen und das Strafmaß bekanntgegeben werden. Jeden Moment... Es war grausam, ihr diese Freundlichkeit vorzuspielen, bevor der Schlag kam. Azrejs Hand zitterte leicht - das war leider nicht zu verhindern, sobald Azrej nervös wurde - als sie ihr Notizbuch entgegennahm und in die kleine Ledertasche an ihrem Gürtelband zurücksteckte. Sie wartete noch immer. Die Meisterin nickte ihr noch einmal zu, bevor sie sich an Simon wandte. Der blickte verwirrt zu Azrej hin. Hilflos zuckte diese mit den Schultern. Wo in drei Teufels Namen war das Donnerwetter geblieben? Meisterin Anija hatte die beiden Adepten erst vor kurzem übernommen, da deren alter Meister, Fenric Klingentänzer, mit drei anderen Meistern aus der Tradition der Klingentänzer für eine langwierige Mission ausgesucht worden war und dabei keine halb ausgebildeten Adepten brauchen konnte. Meister Fenric war ein schon älterer Herr gewesen, der noch die alte Schule unterrichtete. Und eine der Grundsätze in der alten Schule war die Ernsthaftigkeit bei der Arbeit gewesen. Azrejs Neigung dazu, ihre Berichte in Form von Abenteuererzählungen abzufassen, war ein grober Verstoß gegen diese Grundregel gewesen. Daher war es Azrej gewöhnt, nach der Entdeckung ihrer Schandtat mit Strafaufgaben eingedeckt zu werden. Nun ja, es mussten keine Strafaufgaben sein, aber wenigstens ein bisschen Geschrei, ein finsterer Blick,... Ein leises Lächeln hatte sie wenigstens bisher noch nie dafür bekommen. ...War das die Bestrafungstechnik der neuen Schule? Wo war der Haken bei dieser Sache? Misstrauisch beobachtete Azrej die junge Meisterin, die ihre aufmerksamen Augen auf Simon gerichtet hatte. "Ich habe die Liste verglichen.", begann Simon mit seinem Bericht: "Und es fehlt nur ein Ausstellungsstück, aus der Reformationsabteilung, ein Anhänger in Form eines Kreuzes, aus dessen Mitte ein Frosch kriecht, angeschrieben als "Frau Korns Kreuz". Es ist vier Zentimeter groß und aus Bronze. Herr Gruber, ein Führer, hat mir erzählt, dass jene Frau Korn eine ...äh, wie heißt das Wort?" "Lokal.", half Azrej, wie sie es immer tat, wenn Simon stecken blieb.(15.04.04) "Ja,...", fuhr Simon fort: "...eine lokale Berühmtheit ist, als Gegenstand der üblichen kleinstädtischen Hexenerzählung, von wegen ruhelose Seele, hungrig auf junges Menschenfleisch,... Eben die ganze Palette." Das war ein großes Wagnis. Simon hatte es gewagt, einen Bericht in die formlose Alltagssprache abstürzen zu lassen. Meister Fenric hätte ihm nun eine leichten Klaps auf den Hinterkopf gegeben und ihm einen mahnenden Blick zugeworfen. Beide Kinder warteten gespannt darauf, wie ihre neue Meisterin reagieren würde. Die zog nach wenigen Augenblicken erwartungsvollen Schweigens verwundert die Augenbrauen hoch, sah Simon an, blickte danach über ihre rechte Schulter zu Azrej hin und zuckte schließlich seufzend mit den Schultern. "Also, irgendwie hab ich das Gefühl, es wird gerade etwas ganz bestimmtes von mir erwartet, aber ich komm nicht darauf, was. Gebt mir einen Tipp." Azrej und Simon warfen sich verwirrte Blicke zu. Sie hatte es gar nicht gemerkt! Konnte das sein? Eine voll ausgebildete Wächterin hatte nicht bemerkt, dass... Dabei war die Fertigkeit des formellen Redens fixer Bestandteil der Wächterausbildung. Man musste wissen, wie man wo zu reden hatte... Simon fand als erster seine Sprache wieder. Er meinte: "Ich bin mitten im Bericht auf Umgangssprache umgestiegen." Die Meisterin musterte ihn irritiert, dann lachte sie. "Oh, soll mich das jetzt beeindrucken? ...Ach, so meinst du das!" Sie legte sich ihre Hand auf die Stirn. "Tut mir leid, diese Denkweise bin ich gar nicht mehr gewohnt. Also..." Sie hob belehrend den Zeigefinger und meinte, bemüht würdevoll: "Dass mir das nie wieder vorkommt, ja?" Sie blickte Simon fragend an. "Stimmt das so?" Simon war sichtlich so komplex, dass er nur noch geistesabwesend nicken konnte. Die Meisterin lächelte wieder, danach drehte sie sich zum Abreilungsausgang um und bemerkte: "Was man nicht so alles tut, für seine Schüler." Sie ging davon, nicht hoch aufgerichtet wie das Selbstbewusstsein in Person, und auch nicht steif wie ein Soldat. Nein, ihr Gang erinnerte mehr an das eines kleinen Mädchens. Simon trat neben Azrej und beide Adepten sahen ihrer neuen Meisterin verblüfft hinterher. Schließlich bemerkte Azrej leise: "Ich glaube, ich habe mich gerade in meine Meisterin verliebt." Simon grinste. "Na, und ich erst." Die beiden warfen sich verständnisvolle Blicke zu, bevor sie sich beeilten, wieder den Anschluss an die junge Frau zu finden. Kapitel 2: Andere Meister, andere Sitten ---------------------------------------- In diesem Kapitel sind wahrscheinlich viele Wortwiederholungen, Tippfehler, Ausdrucksfehler... drin. Verzeiht mir, ich war zu faut zum Korrekturlesen. ^_^ Ich hab zwei neue Charaktere auftauchen lassen. Ich LIEBE es, neue Charaktere einzuführen, die alten werden mir so schnell langweilig... Muss nur darauf aufpassen, dass es nicht zu viele werden. Falls ihr denkt, die neuen Charas wären völlig sinnlos, hätten überhaupt keinen Bezug zur eigentlichen Handlung: Ja, jetzt sind sie's noch, aber später werden sie noch zu einem bedeutenden Teil der Geschichte ...wenigstens ist's so geplant, mal sehen... -_-° II. Der Inspektor und sein Gehilfe sahen sehr düster drein, als sie die drei Wächter auf sich zukommen sahen. Das war typisch für die Polizei, egal ob am Land oder in den Städten. Nirgends wurde es besonders geschätzt, wenn sich externe Ermittler in Angelegenheiten einmischten, die jene Beamte als ihr Eigen anzusehen schienen. Sie wollten einfach nicht begreifen, dass die Welt sich veränderte, dass nun Kräfte erwachten, die sie allein nicht kontrollieren konnten. Schon bald würde es nicht mehr reichen, eine Waffe zu besitzen, um das Verbrechen zu bekämpfen. ...Es würde nicht mehr reichen, eine Waffe zu besitzen, um das Verbrechen zu bekämpfen? Nachdenklich ging Azrej den Satz noch einmal durch. War der so wirklich richtig? Hatte es denn bisher gereicht, eine Waffe zu haben? ...Nein, gereicht eigentlich nicht, aber doch ein wenig geholfen...vielleicht. Vielleicht hatte das aber auch nur dazu beigetragen, eigentlich recht klare Situationen zum Eskalieren zu bringen. Nun, es stimmte wahrscheinlich beides... irgendwie... Die Meisterin stoppte vor den Beamten, verbeugte sich leicht und meinte, mit dem freundlichsten Lächeln, dass man sich nur vorstellen konnte: "Wir haben unsere Ermittlungen nun abgeschlossen, Herr Inspektor. Ich danke Ihnen für ihre Geduld. Wenn Sie wünschen, kann ich ihnen unseren Schlussbericht zukommen lassen." "Nicht nötig.", knurrte der Inspektor: "Und jetzt zischt endlich ab, ihr Esoterikerfuzzis." Jeder Polizist, der nahe genug gestanden hatte, um diese groben Worte zu hören, begann, leise zu kichern. Simon und Azrej erwarteten gar nicht mehr, dass die Meisterin nun ihre Beherrschung verlieren würde. Immerhin hätte Meister Fenric es ja getan, und Meisterin Anija hatte bisher doch noch nie so reagiert, wie ihr älterer Vorgänger. Und tatsächlich verbeugte sich die Meisterin bloß noch einmal, nach wie vor ihr freundliches Lächeln auf den Lippen, wobei sie sagte: "Wie Sie wünschen. Guten Tag." Azrej und Simon folgten dem Beispiel ihrer Meisterin und verbeugten sich ebenfalls, bevor sie ihr weiter zum Ausgang des Museums folgten. Azrej grinste Simon fröhlich zu. So einer Meisterin folgte sie wirklich gern, sie verdiente jedes Futzelchen Respekt, das die beiden Adepten nur aus sich herausquetschen konnten. Simon musste etwas ganz ähnliches denken. Die beiden dachten grundsätzlich immer sehr ähnlich. Er erwiderte Azrejs Blick, legte sich eine Hand aufs Herz und tat so, als würde er schmachtend seufzen. Ja, eindeutig, auch Simon war von der unkonventionellen Art der Meisterin tief beeindruckt. Die Zeit unter ihrer Obhut würde sicher sehr lehrreich werden. Hoffentlich wurde Meister Fenric bei seinem Einsatz zum Invaliden, oder auch zur Leiche, damit Meisterin Anija den beiden Adepten bis zu ihrer Meisterprüfung erhalten blieb... (30.04.04) Eigentlich existierte der Wächterorden bereits seit ewigen Zeiten, seit der Mensch die Magie entdeckt hat und sie zu nutzen lernte. Na ja, vielleicht auch erst seit er bemerkt hatte, dass die unkontrollierte Anwendung von Magie das natürliche Gleichgewicht zerstört und zum Chaos führt. Seitdem versuchten die Wächter stets, jeden illegalen Magier aufzuspüren und ihn von seinem Tun abzuhalten, ob nun durch eine freundliche Mahnung oder den Tod... Natürlich waren auch die Wächter Magier. Wie sollten sie sonst ihrer magiewirkenden Beute beikommen? Doch im Gegensatz zu den illegalen Magiern hielten sie sich an einen strengen Kodex. Der verbot ihnen zum Beispiel, wilde Energie anzurühren. Man benötigte Energie, um Zauber zu wirken. Diese Energie steckte in wilder Form in allen Gegenständen, Lebewesen, selbst in der Luft ist sie zu finden. Sie ist es, die alles in Bewegung hält. Sie bringt die Zeit zum Vergehen. Sie ist praktisch Grundvoraussetzung für die Zeit, denn wenn es keine Bewegung gäbe, wie könne es dann so etwas wie Zeit geben? Wer könnte sagen, dass Zeit vergeht, wenn sich doch alles im Stillstand befindet? Die Wächter benutzen jedoch nur "domestizierte" Energie, die in maßvollen Einheiten dem Gesamtgefüge abgezapft und "gezähmt" wurde. Diese Form der Energie besaß nichts mehr, außer ihre Kraft. Sie hatte keinen Charakter, wenn man es so wollte. Wilde Energie ist nur schwer zu kontrollieren, sie fließt sehr unregelmäßig. Domestizierte Energie hingegen hält keine Überraschungen mehr bereit. Diese domestizierte Energie wird in sogenannten Artefakten aufbewahrt, in Speichern, die, je nach Stufe, mehr oder weniger Energie aufnehmen können. Im Groben kann man sagen, ein Artefakt der ersten Stufe beinhaltet höchstens die Energie für einen niederen Zauber, eines der zweiten logischerweise für zwei Zauber, und so weiter. "...Diese Energie erhält der Wächter in sogenannten Ordenshäusern, die überall im Land verteilt sind.", fuhr Gabriel mit ruhiger, selbstsicherer Stimme fort: "Jede größere Stadt besitzt mindestens eines, die kleineren häufig nur eines, in Dörfern und Gemeinden sind sie kaum zu finden. Das hängt mit der Geschichte zusammen. Die Landbewohner, die von Natur aus misstrauischer sind, als die Stadtbevölkerung, hat die Errichtung eines Ordenshauses häufig hartnäckig verwährt. Die hassen alles, was mit Magie zu tun hat, daher ist es völlig verständlich, dass sie jeden Wächter lieber fern von ihrer Heimat sehen. Der Wächterorden hat sich geholfen, indem er Häuser ins Nichts, mitten in dunklen Wäldern und auf hohen Bergen gebaut haben, gerade noch nah genug an der nächsten Siedlung dran, um von ihr versorgt werden zu können, aber weit genug entfernt, um die Bewohner nicht zu stören. Am Semmering zum Beispiel..." "Danke, das reicht.", unterbrach einer der Lehrmeister des Prüfungskomitees ihn. Gabriel nickte gehorsam und setzte sich wieder. Ein wenig unsicher spähte er zu dem Platz am Ende der langen Tafel hin, an der die Prüfer saßen. Dort schrieb Meister Toren Waldstreicher gerade mit zackigen Bewegungen etwas auf ein Blatt Papier. Schließlich legte er seinen Kugelschreiber weg und blickte auf, direkt in Gabriels Richtung. Er lächelte wohlwollend und hob dann das Blatt an. Darauf stand groß: Gut gemacht! Gabriel senkte schnell den Blick. Er fühlte, wie ihm die Röte in die Wangen stieg. Das war typisch Meister Toren, immer ehrlich, und das keineswegs auf eine besonders subtile Art und Weise. Der schon etwas betagte Mann machte nur selten einen Hehl aus seinen Gefühlen. Gabriel kannte Meister Toren bereits seit Beginn seiner Novizenzeit, und obwohl er ihn in den ersten paar Jahren auf den Tod nicht ausstehen konnte, sah er inzwischen so etwas wie einen Ersatzvater in ihm. Seit er verstanden hatte, dass Meister Toren mit seiner schon krankhaft anmutenden Ehrlichkeit niemanden verletzen, sondern einfach nur ein Orientierungspunkt für seine Novizen sein wollte, an den man sich mit hundertprozentiger Sicherheit halten konnte, war er sprunghaft zu Gabriels absolutem Lieblingslehrer aufgestiegen. Das Tolle an Meister Toren war einfach, dass, wenn er "Gut gemacht!" schrieb, es auch genauso meinte. Er wollte niemanden aufbauen, er wollte bloß ehrlich sein. Neben Gabriel begann seine Mitschülerin Fharina die wenigen, vorhandenen Fakten und die verschiedenen Theorien über das dunkle Zeitalter des Chaos' herunterzuratschen. Gabriel hätte beinahe genervt die Augen verdreht. Wie oft hatte er sich das schon in den verschiedendsten Unterrichtsgegenständen anhören dürfen... Also, langsam wurde es ein wenig langweilig. Er sah auf seine Uhr. 11:56. Nur noch vier Minuten, bis die Prüfungszeit vorbei war. Dann würden die fünf Prüflinge dieses Vormittags endlich in den Speisesaal hinunter essen gehen dürfen. Danach kamen die fünf Prüflinge des Nachmittags noch dran. Ihr Durchgang würde um Punkt vier Uhr zu Ende sein. Als nächstes würden die Novizen gesammelt in den Saal hineinbestellt werden, man würde ihnen ihre Noten verkünden, und dann... ...Dann ging's ans feiern! Lehrmeisterin Silhina, die führende Lehrmeisterin der Klasse, hatte ihren Schülern schon vor Jahren versprochen, dass sie, wenn wirklich alle Novizen ihrer Klasse den Abschluss schafften, groß ausgehen würden. Gabriel war bereits gespannt darauf, wohin es gehen sollte... Seine Uhr piepste. Es war Punkt Zwölf. Erschrocken stellte Gabriel das unangenehme Piepsgeräusch aus und blickte sich verlegen um. Er erwartete ermahnend finstere Blicke, die eine oder andere Rüge, doch die meisten Prüfer wirkten eher amüsiert. Der Vorsitzende, Großmeister David Sonnenkrieger, lachte sogar kurz auf und meinte gutmütig: "Sei doch nicht so kleinlich, Bursche, ein paar Minuten kannst du uns schon noch gönnen." Gabriel senkte entschuldigend den Kopf. Wäre ihm das als normaler Novize passiert, hätte man ihm die Uhr abgenommen, und je nach Lust und Laune des Lehrmeisters noch eine kleine Strafaufgabe aufgebrummt. Das war also der Unterschied zwischen der Behandlung eines gewöhnlichen Novizen und eines So-gut-wie-Adepten... Gabriel lächelte leise in sich hinein. Plötzlich fühlte er sich um vieles erwachsener, direkt ...respektiert. Es war mühsam gewesen, aber es hatte sich ausgezahlt. Gabriel hatte es im Gefühl: Seine Zeit als Adept würde sicher wunderbar werden. Die Abschlussprüfung war bereits Wochen her. Tatsächlich sind alle aus Gabriels Klasse durchgekommen, selbst die Stümper aus der ersten Reihe Fensterseite... Wirklich erstaunlich! Dabei waren diese fünf Nüsse dümmer als jeder dahergelaufene Straßenköter es sein konnte... Nun, was sollte man machen. Wenn ein Orden bereits seit so langer Zeit bestand, wie es der Wächterorden tat, so konnte man ein ...nun, Absinken des Niveaus nicht verhindern. Diese Großmeister erlaubten inzwischen auch wirklich schon jedem Sandler, bei ihnen zu lernen. Was konnte man da schon erwarten... Er, Gabriel, der sich sicher nicht für den intelligentesten Burschen auf Gottes Erdboden hielt, hatte es wenigstens mühelos geschafft, bei jeder Befragung mit ausgezeichnetem Erfolg abzuschneiden. Die Fragen waren wirklich für Affen gemacht worden... Aber wen störte das schon? So stand in Gabriels Akte nur Gutes über ihn, und das garantierte ihm den Einstieg in einer der besten Traditionen. Vielleicht die Tradition der Felsensprenger, oder der Silberschwingen... Das wäre himmlisch. Man sagte, Adepten dieser Traditionen wären bereits nach dem ersten Lehrjahr reif genug für den Besitz eines Artefakts der fünften oder sechsten Stufe. Auch über die Sonnenkrieger, zu denen unter anderen der ehrenwerte Großmeister David gehörte, wären kein schlechtes Schicksal... Es war der Tag der Entscheidung. Unzählige Meister, die sich dazu bereit gefunden haben, einen oder einen weiteren Adepten bei sich aufzunehmen, waren angereist, um sich die Akten nach passenden Kandidaten durchzusehen. Gabriel und einige seiner besten Freunde hätten vor Fruende beinah zu tanzen begonnen, als sie hörten, wieviele dieser Wächter von den Traditionen höheren Ansehens stammten... Nun konnte eigentlich kaum noch etwas schiefgehen. Gabriels glorreicher Blitzkarriere als Wächteradept stand nichts mehr im Wege. In drei Jahren, also der vorgeschriebenen Mindestzeit, würde er bereits seine Meisterprüfung ablegen, danach würde er sich in vielen Heldentaten dem Orden verdient machen, und schon würde man ihn für den Großmeistertitel vorschlagen. In spätestens fünf Jahren würde er dann in den hohen Rat gewählt werden und als das jüngste Mitglied die Zukunft seines Ordens entscheidend mitgestalten... Gabriel grinste versonnen. Na ja, so schnell würde es vielleicht doch nicht vor sich gehen, aber das es so geschehen würde, das stand zweifelsfrei fest. Schließlich hatte er den Abschluss mit Leichtigkeit hinter sich gebracht. Er war einer der Besten seines Jahrgangs, wie konnte sein Leben also anders verlaufen? "Die Adepten Larissa Juben, Han Juben und Gabriel Steiner sollen sich sofort in Konferenzraum 3 einfinden.", gab eine weibliche Stimme per Lautsprecher durch: "Die Adepten Larissa Juben, Han Juben und Gabriel Steiner bitte." Gabriel sprang auf. Einen Moment lang fühlte er sich wie gelähmt. Endlich war es soweit. Seine Zukunft wartete. Sein Schicksal hatte sich entschieden. Er sollte sich wirklich langsam auf den Weg machen... Verdammt, warum gehorchten ihm seine Beine nicht mehr? Gabriel riss sich zusammen. Nur keine Panik... Er hatte überall die bestmöglichen Noten, es gab keinen Grund, in Panik zu verfallen. Der Konferenzraum 3 befand sich hinter der ersten Tür, die in den breiten Rundgang der Verwaltungsebene mündeten. Vor der Tür stand ein Junge in Gabriels Alter und zitterte. Weit aufgerissene Augen hatten sich an der Zahl neben der Tür festgesogen. Drei... Gabriel konnte nicht genau sagen, warum, aber dieser Anblick ließ all seine Angst auf einen Schlag verschwinden. Stattdessen fühlte er das Gefühl leiser Verachtung in sich hochsteigen. Wie lächerlich dieser junge Adept aussah. Es war doch völlig sinnlos, jetzt eine Panikattacke zu bekommen. Es stand bereits alles fest. Wie würde der alte Lateiner sagen? Alea jacta est, oder so ähnlich. Die Würfel waren gefallen. Nun ging es nur noch darum, endlich die vor Angst zugepressten Augen zu öffnen und sich das Ergebnis anzusehen. Von neuer Selbstsicherheit erfüllt schritt Gabriel auf die zweiteilige Flügeltür zu, klopfte zweimal an und trat ein. Aus dem Augenwinkel sah er den Jungen erschrocken zusammenfahren und zur Seite gehen, um nicht durch die nun offene Tür gesehen werden zu können. Was für ein jämmerliches Weichei... Und der wollte einmal ein echter Wächter werden? Mit dem Orden ging es wirklich bergab... Das erste, was Gabriel auffiel, als er den Raum betrat, war, dass kein bekannter Meister darin saß. Alle drei Gesichter hingen weder in der Halle der Verdienstvollen, noch waren sie in irgendeinem der zahlreichen Chronikbänden abgebildet, alle drei waren also noch völlig unbeschriebene Blätter... Das musste jedoch nicht heißen, dass keiner von ihnen einer bedeutungsvollen Traditionen angehörte. Noch war alles offen... Noch war außer Gabriel kein anderer Adept seines Jahrgangs eingetroffen. Gabriel vermutete, dass der eine, Han Juben - wer konnte das auch sonst sein - gerade wieder alles daran setzte, die 3 neben der Tür zu hypnotoisieren, während jenes Mädchen, Larissa Juben, auf dem Weg zum Konferenzraum einem Herzkasper zum Opfer gefallen war... Was für ein tragischer Verlust für die Sippe der ehrenwerten Wächter... Alle drei Meister wirkten noch eher jung. Mit unverhohlener Neugierde starrten sie Gabriel entgegen. Einer von ihnen fragte: "Han Juben?" Gabriel schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein." "Oh, dann bist du sicher die kleine Larissa.", stellte ein anderer Meister mit fürsorglicher Großmutterstimme fest. Die drei Wächter brachen in heiteres Gelächter aus. Gabriel, der normalerweise durchaus Sinn für Humor hatte, den jedoch verlor, sobald er das Gefühl hatte, sich in einer selbstwertbedrohlichen Situation zu befinden, konnte sich bloß ein Grinsen entringen, das amüsiert wirken sollte, es aber wahrscheinlich nicht tat. Als die Meister sich wieder gefasst hatten, meinte er, mit geschäftiger Stimme: "Mein Name ist Gabriel Steiner, zu wem gehöre ich?" Zu seinem Missfallen hob der Mann, der vorhin die blöde Bemerkung mit Larissa gemacht hatte, die Hand und vollführte mit der anderen eine einladende Geste auf den Stuhl ihm gegenüber. Seine beiden Kollegen wandten sich wieder ihren pausenfüllenden Beschäftigungen zu, als Gabriel sich auf den Weg zu seinem zukünftigen Meister machte. Der eine schmierte seinen Block mit seinen Kugelschreiber voll - er schien irgendetwas zu zeichnen - und der andere trommelte mit den Zeigefingern einen komplizierten Rhythmus auf die vor ihm liegende Akte. Das waren also Wächter? ...So hatte sich das Gabriel, der bloß die peinlich korrekten Lehrmeister der Ordensschule gewöhnt war, entschieden nicht vorgestellt. Gabriel nahm Platz und musterte sein Schicksal. Es hatte sich die Haare rot gefärbt... Zunächst hatte Gabriel geglaubt, rot wäre seine Naturfarbe, doch nun, aus der Nähe, sah er die nachgewachsenen, hellbraunen Anfänge. Ein Wächter mit gefärbten Haaren... Verdammt, was war nur los mit dieser Welt? Was war passiert, während Gabriel hier in diesem Haus eingesperrt gewesen war? Gefärbte Haare waren doch nur etwas für Popstars und Frauen fortgeschrittenen Alters gewesen! ...Waren denn inzwischen alle völlig irre geworden? (Für alle jüngeren Leser, und jene älteren, die das nie so kennen gelernt haben: Ich bin vielleicht in einer sehr prüden Gesellschaft aufgewachsen, aber in meiner Kindheit war es wirklich noch eher unüblich, sich die Haare zu färben, besonders für Männer. Damals habe ich es tatsächlich noch für eine absolut verrückte Idee gehalten, vergleichbar mit der Anschaffung eines Nasenrings... Es ist erstaunlich, wie sich Zeiten ändern können, nicht?) "So...", begann der Meister mit den gefärbten Haaren fröhlich: ..., du bist also Gabriel Steiner, das Wunderkind. Ich hab mir deine Leistungen angesehen. Beeindruckend, wirklich. Wenn ich da an meine Ergebnisse denke... Wär ich mein eigener Lehrmeister gewesen, ich hätte mir meine Akte um die Ohren gefetzt." Er grinste breit. "Ach, übrigens, mein Name ist Julias Feuerkralle, und..." "Feuerkralle?", entfuhr es Gabriel, bevor er es verhindern konnte. Erschrocken biss er sich auf die Unterlippe. Egal, wie unreif sich der Mann vor ihm benahm, er war noch immer ein Meister, demnächst sogar sein Meister... Daher kam jegliche Art von Respektlosigkeit nicht in Frage. Es war respektlos gewesen, dem Meister ins Wort zu fallen. Reumütig beugte Gabriel den Kopf. "Entschuldigt, Meister." Der Mann lachte. "Schon gut, ich verstehe. Ihr Streber seid doch alle gleich, ständig heiß auf einen Platz innerhalb der höher angesehenen Traditionen. Doch die höheren Traditionen achten nicht nur auf Schulnoten, wie ihr das vielleicht glaubt. Für die muss man auch sonst tadellos sein, ein guter Mensch..." Meister Julias lehnte sich auf seinem Sessel zurück und überkreuzte locker die Beine. "Ach ja, das ist noch immer eine meiner liebsten Erinnerungen.", bemerkte er, mit einem verschlagenen Lächeln auf den Lippen: "Als diese überheblichen Streber aus meiner Klasse feststellen mussten, dass sie, obwohl zweifellos die Besten, trotzdem nicht gut genug waren, um auch von den Besten unterrichtet zu weden. Die haben stattdessen Nuria genommen, einen mittelmäßigen Novizen und meinen damaligen bester Freund. Der war nämlich wirklich der Beste..." Er beugte sich wieder nach vorn. "Aber auch die Tradition der Feuerkralle ist nicht zu verachten. Unsere Ideale sind Entschlossenheit und Mut zur Wahl der richtigen Lösung. Ich glaube, du bist zu beidem fähig, darum habe ich dich ausgewählt. Und? Schockiert?" Er kicherte verhalten. Gabriel zwang sich zu einem Lächeln. Ja, er war schockiert... Aber er hatte gelernt, flexibel zu sein. Auch eine Feuerkralle konnte eines Tages Großmeister werden. Wenn er sich nur genug anstrengte, so würde er, vielleicht nicht allzu bald, aber noch innerhalb seiner Lebensspanne, zu seinem Ziel gelangen, zu Großmeister Gabriel Feuerkralle... Klang gar nicht schlecht. Als Gabriel das nächste Mal lächelte, musste er sich nicht mehr dazu zwingen . Meister Julias schien das zu merken, denn er nickte scheinbar zufrieden und bemerkte dazu: "Du hast schnell umgedacht. Das ist gut. Ich bin mir sicher, du wirst einen großartigen Adepten abgeben." Kapitel 3: Weitere Nachforschungen ---------------------------------- Nun, eigentlich wollte ich hier bereits wieder das andere Meister-Schüler-Gespann auftreten lassen, das mit Meister Julias, doch irgendwie ist es sich nicht ganz ausgegangen. Aber im nächsten Kap. kommen sie ganz sicher wieder vor. Wahrscheinlich wird er sogar von ihnen eingeleitet... Na ja, vielleicht aber auch nicht. So genau plane ich das schließlich nicht. Wie üblich war ich mal wieder viel zu faul, um Korrektur zu lesen. Es können also viele WWs und Tippfehler drinnen sein... Na ja, wen kümmert's? War schließlich noch nie für Perfektion bekannt... ^_^° Trotzdem glaub ich, wird euch das Kap gefallen, besonders weil's am Ende endlich spannend wird! °_^ *zwinker* III. "Korn... Korn...", murmelte Azrej leise, während ihr Finger langsam über das Stichwortverzeichnis am Ende des großen Buches strich. "Korn..." Ihre Augenlider schienen von irendeinem fiesen Kobold mit Bleigewichten beschwert worden sein, beide hatten keinen sehnlicheren Wunsch mehr, als zuzufallen. Dabei war es erst kurz nach neun. Schritte näherten sich, welche von der leisen, schüchternen Sorte. "Hallo, Simon.", grüßte Azrej, ohne das Register aus den Augen zu lassen. Obwohl ihr die kleinen Buchstaben vor den Augen verschwammen, und sie daher sowieso kaum etwas mitbekam. "Ich mag nicht mehr.", meinte Simon. Schwer ließ er sich auf den gepolsterten Sessel neben dem Tisch fallen, auf dem es sich Azrej im Türkensitz gemütlich gemacht hatte.Azrej musterte ein Wort, das mit M begann, und fragte sich ernsthaft, ob sie nun davor oder danach nach der K-Kolonne suchen sollte. Seufzend ließ sie das Buch zuschnappen und warf es achtlos vor sich auf den Tisch. "Scheiße.", bemerkte sie dabei: "Weißt du noch, wo das K im Alphabet ist?" Simon lachte müde. "Nicht nach dem O, das habe ich zweifelsfrei feststellen können. Warte mal... A, B, C, D,..." Mit schleppender Stimme zählte er die Buchstaben auf. "..., I, J, K! K! Ich hab's! Es kommt nach dem... Äh, was war das noch gleich?" "J", erinnerte Azrej ihn, während sie ihren schmerzenden Rücken streckte. (10.6.04) "Ah ja...", murmelte Simon und ließ energielos seinen Kopf auf die Tischplatte fallen. In dem Moment wirbelte eine Gestalt mit wehenden roten Haaren um die Bücherregalecke und rief fröhlich aus: "Ha, ich hab was!" Azrej und Simon hatten gar keine Zeit mehr, eine etwas würdevollere Haltung einzunehmen - von wegen "Respektbekundung gegenüber dem Meister" - bevor sich die junge Frau auf den Sessel Simon gegenüber fallen ließ und ein dickes, alt aussehendes Buch aufgeschlagen auf den Tisch schlug. Dieser Aufschlag breitete sich in Millisekunden zitternd über die gesamte Tischplatte aus und jagte Simons zu schwer gewordenen Kopf beachtlich schnell in die Höhe. Mit weinerlichen Gesichtsausdruck hielt sich der Junge die Stirn und knurrte unwillig. Die Meisterin legte verlegen eine Hand auf ihren Mund und meinte hastig: "Oh, tut mir leid, ich hab dich zu spät bemerkt. Was passiert?" Simon starrte die Meisterin einen Moment lang groß an, bevor er, mit einem schüchternen Lächeln auf den Lippen, leicht den Kopf schüttelte. Azrej musste grinsen. Sie wusste genau, was gerade in Simon vor sich ging. Die beiden hatten sich noch immer nicht an ihr völlig verdrehtes Verhältnis zu ihrer neuen Meisterin gewöhnt. Die junge Frau fuhr fort, mit schon verboten großem Enthusiasmus in der Stimme: "Dann ist's ja gut. Also, ich wollte bereits aufgeben - ihr seht auch so aus, als hättet ihr heute bereits genug kleine Buchstaben konsumiert - da bin ich darauf gestoßen: Hier, eine Chronik der Stadt, aber diesmal eine ...eher inoffizielle. Der Bibliothekar unten im Archiv hatte gemeint, sie wäre erst vor ein paar Monaten im alten Schloss am Berg gefunden worden, wo bis dahin die Nachfolger des Grafen von Korenberg gewohnt haben. Die wurden jedoch eines schönen Tages alle tot im Salon aufgefunden. Die Polizei meint, der Hausherr wäre Amok gelaufen und hätte zunächst seine ganze Familie ausgerottet, bevor er sich selbst richtete. Interessante Geschichte, behaltet sie im Kopf. Vielleicht können wir hier noch eine Verbindung zum Mord im Museum herstellen. Was ich aber eigentlich erzählen wollte, bevor ich zu schwafeln begann, war, dass dieses Buch in der Privatbibliothek des Schlosses gefunden und der städtischen Bücherei zugesprochen worden war. Nur hatte das Personal bisher noch keine Zeit gefunden, den Neuzugang zu registrieren und einzuordnen, es war pures Glück dass ich ihn trotzdem entdeckt hab. Und hier..." Sie zeigte auf einen bestimmten Absatz auf der aufgeschlagenen Seite. "...kommt tatsächlich unsere liebe Frau Korn vor. Hier, seht." Mit einem Schwung wirbelte sie das Buch herum, behielt aber den Finger auf der gefundenen Stelle, und schob es Simon quer über den Tisch hin. Azrej entschied sich nun doch dafür, ihren erhöhten Sitzplatz zu verlassen und trat hinter Simon, um mitlesen zu können. Die beiden brauchten nicht lange. Es war schließlich nur ein kurzer Absatz. Trotzdem war er sehr informativ. "Wow, da steht ja sogar was über das Kreuz.", bemerkte Azrej verblüfft. Meisterin Anija lehnte sich auf ihrem Sessel zufrieden lächelnd zurück. "Beeindruckend, nicht?" "Oh ja.", murmelte Simon, merklich zynisch: "Der Frosch in der Mitte konnte sprechen." Azrej grinste. "Hier schafft ein Metallfrosch, was sogar einem echten Frosch schwer fällt.", äußerte sie Simons Gendanken hinter seiner Aussage laut. Sie verstand Simons um zwei Ecken gebogenen und eigentlich nicht besonders lustigen Humor, den er bei schlechter Laune an den Tag legte, inzwischen bereits sehr gut, war sich aber unsicher, ob auch die neue Meisterin dazu fähig war. Die Meisterin lehnte sich wieder nach vorn und meinte: "Ich schätze mal, das war Frau Korns Gag. Ich vermute, das Kreuz ist ein Artefakt." "Frau Korn war eine Wächterin?", fragte Simon nach, wobei seine müden Augen wieder aufmerksam zu leuchten begannen. Seine Interesse war geweckt. Die Meisterin bremste Simons aufkommenden Enthusiasmus. "Das ist nicht gesagt. Vielleicht war sie auch eine Illegale. Sag mal, magst du etwa Ordengeschichtliches?" "Oh ja, er liebt es.", bemerkte Azrej betont gelangweilt: "Ihr müsstet mal seine Bücherkiste sehen. Darin sind sogar die alten Lehrbücher aus der Schulzeit zu finden. Herrgott, ist die laaangweilig." "Dafür hat sie nur billige Comics drin!", verteidigte sich Simon: "'Horrorfahrt ins Totenreich', 'Puck - Ein Elf auf Reisen',... Dagegen bin ich richtig anspruchsvoll." "Anspruchsvoll?" Azrej lachte trocken auf. "Oh nein, das Wort, das du gesucht hast, war ,langweilig'. Außerdem hab ich die Horrorfahrt ins Totenreich schon längst wieder ausgemustert!" Simon grinste spöttisch. "Aber den Puck..." "Zurück zum Kreuz.", unterbrach die Meisterin ihn, merklich amüsiert: "Wie lustig es auch immer ist, euch zuzuhören, und wie gern ich auch noch mehr von jenen ominösen Comics erfahren würde - Horrorfahrt ins Totenreich, ja? - aber ich möchte heute noch ins Bett. Also, welche wichtigen Informationen können wir diesem Text entnehmen?" "Frau Korn wurde nicht zu Unrecht für eine Hexe gehalten.", begann Azrej. "Das Kreuz und seine Eigenschaften sind sicher entscheidend für den Fall.", fuhr Simon fort. "He, wie hast du das so schnell herausbekommen?", bemerkte Azrej zynisch. "Die Stelle mit dem sprechenden Frosch hat's mir verraten.", gab Simon trocken Auskunft. "Ehrlich, bist ,n richtiger Hirnakrobat.", meinte Azrej spöttisch. "Tja, wer's kann...", kommentierte Simon selbstgefällig. "Lustig.", bemerkte Meisterin Anija: "Wirklich lustig. Aber bevor wir nun unsere Pistolen ziehen und in einer Entfernung von zehn Metern Stellung beziehen, lasst uns lieber Schluss machen. Es ist spät, wir sind alle etwas überreizt." Sie erhob sich, ächzend wie eine alte Frau, streckte sich und gähnte ausgiebig. Dann warf sie ihren beiden Schülern einen auffordernden Blick zu. "Na los, Rückzug. Die Matratzen rufen." Azrej lauschte kurz und meinte: "Ja, jetzt hör ich's auch." Sie klopfte Simon auf die Schulter. "Los, Blitzkneißer, ich spendier dir noch ein Glas Orangensaft." "Und ich dir auch.", erwiderte Simon. So taten sie es immer. Damit zahlte jeder von ihnen dasselbe und es gab keinen Grund, zu späteren Zeitpunkten noch darüber zu streiten, wer wem öfters was spendiert hatte. Zwar könnten sie genauso gut jeder ihr eigenes Glas bezahlen, aber es war schließlich die Geste, die zählte... Der Weg zum alten Schloss hinauf war trotz den eingebauten Serpentinen noch immer beachtlich steil. Es war ein verhältnismäßig schmaler Weg, sicher keine besondere Herausforderung für jeden Fußgänger, aber für die Breite eines Autos doch etwas knapp bemessen. Auf der einen Seite erhob sich eine scharfkantige Felsenwand, auf der anderen grinste einem ein mit jeder Kurve immer tiefer werdender Abgrund entgegen. Seit Meisterin Anija ihren alten Wagen hinaufzunavigieren begonnen hatte, war Azrej bereits zweimal dazu verleitet gewesen, um die Erlaubnis zu bitten, auszusteigen und hinter dem Auto herlaufen zu dürfen, und auch Simons in den Sitzpolster verkrallten Hände erzählten von ähnlichen Wünschen. Nur die Meisterin selbst wirkte nicht im geringsten besorgt, ganz im Gegenteil. Während sich am Rücksitz die beiden Adepten vor Angst beinah in die Hosen machten, erzählte die junge Frau ausgelassen von ihrer eigenen Adeptenzeit, nur unterbrochen von kurzen Kommentaren zur derzeitigen Situation. "Und damit hatte mich der alte Andreas mal wieder festgenagelt. Oje, ich schwör euch, soviel abschreiben, wie ich danach musste, hab ich nie wieder in meinem Leben gemusst. Es waren Seiten! Hoppala, was hat denn da geknackst? Na egal, war wohl ein etwas größerer Kiesel. Wenigstens..." "Hoppala, was hat denn da geknackst?", hallte es in Azrejs Kopf dumpf nach. Die vordere Achse! Sie ist sicher gebrochen! Das Auto kann nicht mehr gelenkt werden! Schon bei der nächsten Kurve würden sie alle in ihren sicheren Tod stürzen! "Äh, entschuldigt, Meister...", formulierte ihr Hirn mit panischer Hast: "...es ist nicht so, dass ich kein Vertrauen zu Euren Fahrkünsten hätte, ehrlich nicht, aber - BITTE - lasst mich RAUS!" Azrej biss die Zähne zusammen. Niemals. Sie würde das niemals sagen. Wenn sie schon sterben musste, dann zusammen mit Simon und ihrer Meisterin. ...Auch wenn es ihr gefallen hätte, wenn dies nicht unbedingt JETZT geschehen würde. Die nächste Kurve kam, die Meisterin schlug ein. Schroffe Felswände zogen nur mit wenigen Zentimetern Entfernung an der Seite vorbei, so nah, dass Azrej jeden in klitzekleinen Terassen herumliegenden Kiesel sehen konnte... Simon gab ein ächzendes Geräusch von sich. Seine Hand löste sich von der Polsterung und verkrallte sich dafür in Azrejs Pulloverärmel. Sein Blick erzählte von vergangenen Lebensabschnitten, die nun im Zeitraffer vor seinen Augen vorüberzogen. Azrej verdrängte den Gedanken an ihre eigene Kindheit, atmete durch und murmelte, nur an sich selbst gewandt: "Wir werden schon nicht draufgehen..." "Wie bitte?", kam es vom Fahrersitz. Erschrocken schlug sich Azrej die Hände vor den Mund. Eigentlich war diese Aufmunterung nicht dafür vorgesehen gewesen, laut ausgesprochen zu werden. "Äh, nichts.", gab sie die automatisierte Antwort auf unangenehme Rückfragen. Simon grinste. Um das zu wissen musste Azrej ihn nicht einmal ansehen, es war klar, dass Simon grinste. So reagierte er immer, wenn seiner Mitschülerin irgendetwas Peinliches passierte. "Herrje, dass du so wenig Vertrauen zu mir hast...", bemerkte die Meisterin und fuhr in die nächste Kurve: "Aber keine Angst, wir sind schon so gut wie da. Wie haben nur noch..." Sie wandte den Blick von der Straße, um den Berg hinaufzusehen und die noch fälligen Kurven zu zählen. "Augen auf die Straße!", entfuhr es Simon und Azrej gleichzeitig. Die Meisterin lachte vergnügt. "Ja ja, schon gut. Ich hab den Führerschein zwar noch nicht allzu lange..." "Was?", krächzte Simon. "War nur Spaß.", beschwichtigte die Meisterin ihn. Sie amüsierte sich scheinbar königlich über die beiden zitternden Adepten auf ihrer Rückbank. Sollte sie ruhig. Solange sie sich davon nicht allzu sehr von ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken ließ... "Und?", fragte die Meisterin: "Hast du irgendetwas finden können?" "Na ja..." Azrej kratzte sich ratlos am Kopf. "Es ist schon so lang her. Es sind noch Rückstände zu spüren, aber nur ganz leicht. ...Glaube ich. Könnte aber auch sein, dass ich es mir nur einbilde, dass meine Nerven überreizt sind... Ich kann's wirklich nicht sagen." Mutlos ließ sie die Schultern hängen. Die Meisterin klopfte ihr aufmunternd auf den Rücken und meinte: "Gut, dann lass es mich einmal probieren. Du geh inzwischen zu Simon hinunter. Der treibt sich irgendwo in der Bibliothek herum, Kellergeschoß, einfach geradeaus." Azrej nickte und machte sich auf den Weg zum Ausgang des Salons. Als sie schon beinahe die Eingangshalle erreicht hatte, rief ihr Meisterin Anija noch nach: "Aber nimm dich vor den Bücherwürmern in acht!" "Wird gemacht!", antwortete Azrej und spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Hatte sie sich etwa tatsächlich... Die Bibliothek wirkte genauso, wie Azrej es vermutet hatte. Die Luft darin war trocken, ganz als besäße sie bereits mehr Antiquität als so manches Buch, das hier zu finden war. Normale Glühbirnen, in Glaskugeln geschraubt, beleuchteten den Saal. Das war zwar nicht besonders stromsparend, unterstrich aber die altertümliche Atmosphäre. Die Bücher standen in langen Regalen, die von beiden Seiten her in den Raum ragten. Goldene Plaketten mit schwarzen Aufdrucken verrieten einem, welche Buchstaben man wo findet ...wobei man sicher jeden Buchstaben überall aufstöbern konnte. Hoffentlch waren die Bücher nach ihren Titeln eingeteilt, und nicht nach den Autorennamen... Leises Rascheln brachte Azrej zu Simon, der sich zwischen H-J und K-M auf dem kalten Steinboden niedergelassen hatte und ein kleines, dünnes Buch durchblätterte. Azrej trat näher und sah, dass dieses Buch mit Handschriftlichem gefüllt war. Neugierig kniete sie sich vor ihrem Freund nieder und fragte: "Was ist denn das?" Simon fuhr zusammen. "Herrgott, Azrej!", rief er, eine Hand am Herzen: "Musst du dich so anschleichen?" Azrej zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Ich habe keinen direkten Befehl dafür erhalten, wenn du das meinst." Simon atmete betont tief durch, bevor er antwortete: "Das ist ein Register, du Arsch, gleich in der ersten Reihe zu finden. Die Bücher sind hier nämlich nach Autoren geordnet." "Na, war ja klar.", knurrte Azrej und ließ sich in den Türkensitz herabsinken. Simon boxte ihr freundschaftlich gegen die Schulter und meinte: "Oh, nicht verzagen! Denn hier kommt dieses wunderbare Register ins Spiel! In ihm ist der Bestand in Kategorien eingeteilt. Ich hab hier das C-Register für Chroniken. Schnapp dir das H-Register für Historisches. Das hatte ich als nächstes vor. ...Ach übrigens, was treibst du eigentlich hier unten? Solltest du nicht irgendwelche Energiesignaturen suchen und lustige Kurzgeschichten darüber schreiben?" "Ich hab nichts finden können.", gestand Azrej: "Da hat mich die Meisterin weggeschickt, um es selbst zu versuchen." "Oh.", meinte Simon: "Großartig. Ich kann dich hier unten gut gebrauchen. Viele von diesen Büchern haben gar kein Sachregister hinten, die sind bloß in verschiedene Kapitel unterteilt. Konzentrier dich also besonders auf Angaben aus dem 16. Jahrhundert und Schlagworte wie Bauernkrieg, Konfession, Aufstand und so..." "Verstanden, Herr Oberbefehlshaber.", grummelte Azrej, die es nicht leiden konnte, über Dinge belehrt zu werden, die sie sich selbst denken konnte. Gemächlich erhob sie sich und schlenderte auf den Gang zwischen den Regalen zu. Über die Schulter gewandt meinte sie noch: "Und nimm dich vor den Bücherwürmern in acht!" "Keine Sorge.", erwiderte Simon: "Mein Bücherwurmabwehrspray ist geladen und entsichert. Lebend werden die mich nie bekommen." Azrej grinste. Eine gute Antwort. ...Wenigstens sicher besser als ein simples "Wird gemacht." Der Punkt ging also an Simon. Aber wie oft hat ihm die Meisterin denn bereits auf den Rücken geklopft? *Und das war doch eindeutig mehr wert, als eine blöde Antwort auf eine blöde Bemerkung... Die Liste der historischen Werke war schier unendlich. Dank der Umsichtigkeit des Grafenclans, welcher die Bücher auch nach "Allg.", "Korenberg", sowie einigen anderen Orten, und in "Eigene Werke" eingeteilt hatte, konnte Azrej noch an ein Leben nach ihrer Suche glauben. Ein kurzes Leben zwar, aber ein paar Jährchen würden sich sicher noch ausgehen... Sie versüßte sich die Arbeit mit lauten Gesprächen über dutzende Regale hinweg mit ihrem Leidensgenossen. Für beide war es das erste Mal, dass sie sich in Anwesenheit so vieler Bücher so laut verhielten. Denn normalerweise war so ein Benehmen in Bibliotheken eher verpönt, und auch in Buchhandlungen völlig unüblich. Die Situation war ihnen derart ungewohnt, dass sie das Gefühl hatten, sich über ein absolutes Tabu hinwegzusetzen. Darüber sprachen sie die meiste Zeit. "Weißt du noch, die alte Schrecksschraube?", rief Azrej laut, während ihr Zeigefinger, sowie ihre Augen, die Liste der Kapitel des Buches "Die katholische Kirche im Fluss der Zeit" hinunterglitten. "Die Alte aus der Novizenbücherei?", erscholl Simons Stimme. "Die Novizenbücherei?", wiederholte Azrej mit gerunzelter Stirn: "Nein, die doch nicht! Die mochte ich sogar! Die andere, von der Universitätsbibliothek in Gyrron!" Simon lachte auf. "Oh Gott, erinner mich bloß nicht daran! Das war doch damals, als uns der Meister zu einem lehrreichen Studienabend verdonnert hatte, nicht? Zwei Themen auf der Temenliste, zu jedem so an die zehn Fragen, und nur eine Nacht Zeit! Weißt du noch, wie er uns am nächsten Tag abgeprüft hat?" "Oh ja!", knurrte Azrej: "Und du Arsch hast sogar den Großteil der Fragen beantworten können!" "Na ja, ich hab eben ein gutes Gedächtnis!", verteidigte sich Simon: "Aber eine Frechheit war's trotzdem! ...Doch du wolltest ja etwas zur Bibliothekarin sagen!" Azrej fand eine Überschrift namens "Der Zerfall". Das klang verdächtig nach Abspaltungsgeschichten... Sie merkte sich die Seitenzahl und begann zu blättern. Sie fand die Seite und rief: "Guter Ablenkungsversuch, aber jetzt bin ich bereits bös auf dich! Jetzt will ich nicht mehr mit dir reden!" "Ach komm, wegen so einer alten Geschichte? Du bist doch sonst nicht so nachtragend! Bisher warst du mir noch nie länger als zwei Tage über bös!" Azrej grinste. "Das liegt aber nicht daran, dass ich nicht nachtragend wäre! Ich hab bloß ein mieses Gedächtnis!" Simon lachte und Azrej fiel gern mit ein. "He, ich hab was!", rief Simon plötzlich: "Wenn ich's bloß lesen könnte!" Azrej sah auf. "Wie kannst du wissen, dass du was hast, wenn du es nicht lesen kannst?" "Ich kann das Wort Korn entziffern!" "Und sonst nichts?" "Hör auf zu schwafeln und komm endlich!" "Will aber nicht! Ich sitz g'rad so gut!" "Azrej!" "Ist ja gut!" Seufzend legte Azrej ihr Buch beiseite und rappelte sich hoch. Simon wartete im Gang auf sie. Er hielt einen dicken Wälzer hoch, mit den üblichen, überdimensionalen Maßen einer Chronik. "Ein persönlicher Bericht!", rief er, die Wangen rot vor Aufregung ...und wahrscheinlich auch vor Anstrengung. Das Buch musste sicher einiges wiegen... Er kam auf Azrej zu. "Hier! Ein Augenzeugenbericht von der Hinrichtung! ...vielleicht. Ich kann's ja nicht lesen. Der Kerl hat so ,ne Fitzelschrift..." Neben dem Eingang der Bibliothek gab es einen Bereich mit einem länglichen Tisch auf jeder Seite, und gepolsterten Sesseln darum. Dorthin eilte Simon. Er entschied sich für den linken Tisch und ließ den Wälzer dort fallen. "Sei vorsichtig.", ermahnte Azrej ihn: "Das Ding sieht schon ziemlich alt aus." Simon zeigte ihr die Zunge und deutete dann auf eine bestimmte Stelle im Buch. "Da. Lies." Azrej salutierte und machte sich an die Arbeit. Simon hatte Recht. Die Schrift war wirklich verdammt klein, dafür, dass es per Hand geschrieben war. Trotzdem ließ sich Azrej davon nicht entmutigen. Sie hatte schon immer gute Augen gehabt und konnte sogar aus einem Meter Entfernung die Zutatenliste auf einer Cola-Dose lesen. Wie also könnte sie so etwas wie dieses Geschmiere entmutigen? Azrej fand schnell heraus, welcher Buchstabe wie dargestellt war, und las: "12.3. im Jahre 1534 nach des Herren Tod Seit Frau Korn, die Hure, in unseres Schlosses Verließ weilt, ziehen sonderbare Gestalten um das Anwesen herum. Ich weiß um den Fleiß unserer braven Soldaten, doch ich gestehe, ich mache mir Sorgen über der Fremden Absichten und Beweggründe, weiß ich doch, dass Hexen im Bund mit dem Teufel stehen. Vielleicht träum ich nur, doch wenn ich zufällig einer jener düsteren Personen begegne, so vermag ich das Klappern eines einzelnen Hufes zu hören und in den weiten Gewändern verborgen den Kuhschwanz zucken zu sehen. Ich will meinen Bruder dazu anhalten, so schnell wie möglich über die Schuldige zu Gericht zu sitzen und ihre Strafe zu vollziehen. Auch er macht mir Sorgen. Seine Augen sind matt und leer. Hat ihn die Korn bereits verhext? Ist sein Wille schon gebrochen? Oder bin ich es, der verhext ist? Der Wind flüstert. Ich höre ihn, Tag und Nacht. Er ist überall. Er befiehlt mir, ihm das Kreuz zurückzugeben. Dabei übt er einen Zwang auf mich aus, wie einst die Sirenen auf Odysseus. Gestern war ich unten im Gewölbe, bereits auf dem Weg, das Kreuz zu holen. Soll ich mich auch binden, wie Odysseus, an den nächsten festen Pfosten? Ich weiß nicht, wie lang ich noch widerstehen kann..." "Herrje, jetzt ist mir langweilig.", grummelte Azrej und richtete sich wieder auf: "Der Kerl schreibt aber auch zu langweilig... Weißt du, jetzt hat er schon zwei Absätze fertig, und noch immer ist keiner gestorben." Simon warf ihr einen strafenden Blick zu. "Azrej, bitte, lies einfach." "Aber der kann gar nicht schreiben! Sogar ich bin besser als er!" "Azrej! Bitte!" Azrej atmete tief durch und beugte sich wieder über das Buch. 2Na schön. Aber beschwer dich nicht, wenn ich plötzlich mitendrin wegbrech und die Seite vollsabber..." "14.3. im Jahre 1534 nach des Herren Tod Seltsame Gestalten streichen um das Schloss, und ich glaube, des Nachts sind sie es, die gegen das Gestein klopfen und dabei leise ächzen. Ich habe Angst. Heute ging ich des Weges entlang durch unseren Rosengarten, da trat eine jener Gestalten hinter der nächsten Ecke hervor und sagte: "Bring mir das Kreuz der Frau Korn. Es gehört dem Hüterorden. Frau Korn hat es gestohlen, wir wollen es zurückhaben." Azrejs Stimme wurde langsam leiser, bis sie schließlich ganz verstummte. Sie sah zu Simon auf und hob fragend die Augenbrauen. Der konnte nur hilflos mit den Schultern zucken. Der Hüterorden... War das die alte Bezeichnung für den Wächterorden? Beide Adepten hatten in ihrer Novizenzeit jahrelang die Geschichte des Ordens studieren müssen, und beide waren sich sicher, dass ihnen dabei niemals dieser Begriff untergekommen war. Der Hüterorden... "Kommt, wir gehen.", riss die entschlossen klingende Stimme der Meisterin die Adepten aus ihren Überlegungen. Verwundert drehten sie sich um und sahen in ein Gesicht, das normalerweise völlig ruhig wirkte, nun aber deutlich große Anspannung zum Ausdruck brachte. Simon war der Erste, der seine Stimme wiederfand. Er wies auf das Buch vor sich und meinte: "Äh ...Wir haben da was gefunden..." "Unwichtig.", unterbrach ihn die Meisterin ungeduldig: "Räumt das Buch zurück und kommt. Habt ihr hier irgendwo Zauber gewirkt?" Simon und Azrej sahen sich ratlos an. "N-n-nein.", stotterte Azrej unsicher. Warum hätten sie das tun sollen? Die Meisterin nickte. "Natürlich nicht. Warum hättet ihr das auch tun sollen? Also, packt zusammen, wir gehen." "Aber ...wohin denn?", fragte Simon, nach wie vor perplex, während er Azrejs Hand dabei zusah, wie sie das Buch zuschlug. "Na, zum Auto.", antwortete die Meisterin, als würde sich das von selber verstehen ...was es in gewisser Weise auch tat. Schnell schnappte sich Azrej die Chronik und trug sie zu seinem Regal zurück. Dort stellte sie das Buch an die erste freie Stelle, die sie finden konnte. Sie hatte schließlich keine Ahnung, von wo genau Simon es weggenommen hatte, und hatte auch keine Lust, es mühevoll per Alphabeth herauszufinden. Danach beeilte sie sich, zu Simon und der Meisterin zurückzukommen. Simon wirkte noch immer leicht überfordert von der plötzlichen Planänderung. Er dachte einfach zu viel nach. Azrej hingegen war bequem, sie war es gewöhnt, das Denken anderen Leuten zu überlassen und sich auf das Handeln zu beschränken. Daher war sie es, die Simon am Ärmel hinter sich herzog, als sie der vorneweg stürmenden Meisterin folgte. Azrej drängte Simon ins Auto, sprang selbst hinein und schlug die Wagentür hinter sich zu. Meisterin Anija startete den Motor, während sie deutlich misstrauisch nach links und rechts spähte. Endlich hatte sich Simon wieder gefasst. Seine Stimme klang beinah weinerlich, als er fragte: "Wohin wollen wir denn nun eigentlich?" "Zum nächsten Ordenshaus.", gab Meisterin Anija geistesabwesend Auskunft. "Und warum?", bohrte Simon weiter nach. "Um Verstärkung anzufordern.", meinte die junge Meisterin. Simon und Azrej sahen sich erschrocken an. Verstärkung? Was zur Hölle war hier bloß los? Kapitel 4: Das Treffen ---------------------- Herrje, das hat sich vielleicht gezogen! War schon knapp davor, diese ganze verdammte Geschichte zum Teufel zu jagen. ...Na ja, hab's dann doch nicht getan. Dachte mir, vielleicht wird's ja noch... Eigentlich ist das gar nicht das ganze vierte Kapitel. Da war noch ne ganze Menge mehr geplant... Tja, dann hab ich bemerkt, dass die durchschnittliche Kapitellänge in dem .doc fünf Seiten beträgt. Also hab ich's geteilt. Dadurch ist das 4. Kapitel ziemlich handlungsarm, aber das fünfte dafür bereits zur Hälfte fertig! °_^ IV. Das Treffen (17.6.04)Gabriel rümpfte missmutig die Nase, als er nur einen Schritt hinter seinem Meister durch die engen Straßen und Gassen der Kleinstadt Korenberg eilte. Auch wenn der Meister es nicht zu bemerken schien: Es stank ganz fürchterlich hier, nach vergammelter Milch und aufgeplatzten Abwasserrohren... Nach allem, was eben fürchterlich stinken konnte. Gabriel war auch in einer Kleinstadt aufgewachsen, und daher wusste er, dass dieser Gestank nicht obligatorisch war. Auf der anderen Seite hatte sein Geburtsort im Flachland gelegen, keine 20 Kilometer von der nächsten größeren Stadt entfernt. Wahrscheinlich hatte sie deshalb so gepflegt gewirkt. Korenberg hingegen lag irgendwo im nirgendwo, weit weg von der wahren Zivilisation. Die Züge fuhren nur alle fünf Stunden! Na, wenn das nicht schon alles sagte... Die Flügeltür einer im Westernlook gehaltenen Kneipe flog auf und ein fetter, verschwitzter und völlig verdreckter Mann stolperte rückwärts auf die Straße hinaus, wo er schließlich zu Boden ging, um dort leise vor sich hinstöhnend liegenzubleiben. Gabriel beschleunigte seine Schritte, um so schnell wie möglich an diesem nicht mehr allzu menschlich wirkenden Geschöpf vorbeizukommen, und zunächst sah es so aus, als hätte sein Meister denselben Gedanken gehabt. Auch er wurde schneller. Gabriel wollte bereits erleichtert lächeln - er hatte schon befürchtet, der Mann würde stehenbleiben, um zu helfen - als der Meister seine Schritte wieder verlangsamte, schließlich vor dem Schweinchen im Menschenkostüm anhielt und fragte: "Kann ich Ihnen irgendwie helfen?" Gabriel verdrehte genervt die Augen. Natürlich! Wie hätte es auch anders sein können? Das Schweinchen, das sichtlich völlig betrunken war, grunzte unwillig. "Hä? Wassuwillsmiawas?" "Helfen, mein Herr.", wiederholte Meister Julias geduldig: "Ich wollte wissen, ob ich Ihnen helfen kann?" Der Betrunkene starrte den über ihn gebeugten Mann einige Momente lang verständnislos an, dann verzog sich sein Mund zu einem breiten, absolut beschränkt aussehenden Grinsen. "Dubissein ...ein ...echder Prachdkerl, mein Freund!", brachte er unter öfterem Aufstoßen mühevoll heraus: "Du bisned, Alder, nichso ...so ...rrrgrügsichsloss wie ...wie ...alle! Ja, alle... Junge, wasisnurlos mid ...der wäld, hä? Weissu was losis midder wäld, eh?" Meister Julias nickte. "Ja, das frag ich mich auch öfters." ,Na, und ich erst...', dachte Gabriel still bei sich. Laut meinte er: "Meister, es wird Zeit. Man erwartet uns." Der Meister schenkte ihm ein offenkundig amüsiertes Lächeln, was Gabriels Hände sofort zu Fäusten werden ließ. Das hasste er am meisten. Wenn der Meister ihn behandelte, als wäre er nur sein Privatclown, wenn er sich offen über ihn lustig machte, das konnte Gabriel auf den Tod nicht ausstehen. Dabei war er doch alles andere, als eine Witzfigur! Er war mit ungebrochener Ernsthaftigkeit bei der Sache, engagierte sich, er bemühte sich! Die eigentliche Witzfigur war doch eigentlich der Meister selbst, mit seinen gefärbten Haaren und dieser formlosen Sandlerbekleidung, die er meistens trug... (20.6.04)"Wo wohnt Ihr, mein Herr?",erkundigte Meister Julias sich, während er dem Betrunkenen seinen rechten Arm hinstreckte, um ihm so beim Aufstehen zu helfen. Das Schweinchen verstand die Geste unerwartet schnell, ergriff den Arm und ächzte: "Nich ...äh, nich weidda, gleich umdie Egge.", und wedelte mit der freien Hand in die besagte Richtung. Dann strengte er sich richtig an und ließ sich von dem Meister auf die Beine ziehen. Gabriel sah dabei zu und musste neidvoll zugeben, dass dieser Meister Julias vielleicht keine Manieren hatte, und auch kaum über so etwas wie Stil verfügte, es ihm dafür aber nicht an Muskelkraft mangelte. Dabei wirkte er mit seiner schlacksigen Gestalt so schwächlich... Der Meister stützte das Schweinchen und wankte mit ihm in die vorhin angezeigte Richtung, bis der Trunkenbold darauf kam, dass dies wohl doch nicht sein Heimweg war und beide, schon beinah an der nächsten Ecke angekommen, kehrtum machten. Als hätte es Gabriel geahnt, war er vorhin bewegungslos stehen geblieben. Nun, da der Meister, der unter dem Gewicht des Fettsacks ein wenig gedrückt wirkte, wieder auf ihn zukam, konnteer sich ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen. Meister Julias lächelte verlegen und murmelte "Man kann sich ja auch mal irren.", als er an seinem Adepten vorbeistolperte. "Ge-nau!", stimmte der Betrunkene ihm laut und heiter zu. Gabriel nickte. "Natürlich, Meister, in ...bestimmten Zuständen kann das schonmal passieren." Dabei deutete er mit einem vielsagenden Blick auf das Schweinchen. Der Meister brachte das Schwein tatsächlich bis nach Hause, obwohl das eindeutig mehr als nur eine Ecke von der Kneipe entfernt lag und der Weg durch diverse Fehlentscheidungen, was die Richtung betraf, noch um einiges weiter wurde. Dort übergab er das Schweinchen, das im Laufe der Zeit immer mehr Ähnlichkeit mit einem Mehlsack bekommen hatte (Soviel, dass Gabriel sich bereits über eine spontane Umbenennung Gedanken machte...), der Fürsorge einer überaus verärgerten Ehefrau. Auf dem Rückweg, im Stiegenhaus des Wohnblocks, bemerkte er schmunzelnd: "Ob ich ihm damit wirklich einen Dienst erwiesen habe?" Gabriel verdrehte die Augen. Er konnte es nicht leiden, wenn der Meister versuchte, witzig zu sein, das war ihm jedesmal aufs Neue unheimlich peinlich. Das Korenberger Ordenshaus lag, vom Bahnhof aus gesehen, auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt, und obwohl die Stadt ja wirklich nicht besonders groß war, schmerzten Gabriel bereits die Füße, als sie endlich ihr Ziel erreichten. Es stach kaum aus dem Stadtbild heraus, war eigentlich nicht mehr als ein normaler Vierkanthof, wie man ihn in ländlichen Gebieten öfters fand. Die Gittertür, mit der man den Durchgang zum kleinen, quadratischen Innenhof versperren konnte, stand weit offen. Meister und Adept traten ein, und wenigstens der Adept musste sich zusammenreißen, um nicht dem Impuls nachzugeben, die Tür hinter sich zu schließen. Der Großmeister dieses Hauses musste bisher ein ziemlich sorgenfreies Leben gehabt haben. Trotzdem, ein Mord war geschehen, und soweit es in dem kurzen Zwischenbericht stand, den Meister Julias zusammen mit seinem Reisebefehl erhalten hatte, hatte dieser Mord einen offenkundig magischen Hintergrund. Wäre er, Gabriel, selbst Großmeister eines Ordenshauses, und wäre in der Nähe dieses Hauses ein derartiges Verbrechen verübt worden, er hätte alle Sicherheitsmaßnahmen getroffen, die ihm zur Verfügung standen. Türen abschließen war eindeutig eine davon. ...Aber wahrscheinlich war dieser Großmeister genauso ein Schlendrian wie sein Meister Julias. Der Orden war schon so gut wie verloren. Im Innenhof befand sich nur ein alter, halb verrosteter Lastwagen, dessen Ladefläche vor Dreck starrte. ,Die ideale Umgebung, um neues Leben hervorzubringen...', dachte Gabriel und wandte sich angewidert ab. Meister Julias hatte sich ebenfalls ein wenig umgesehen. Nun steuerte er auf die Tür rechts neben dem Durchgang zu. Sein Blick fiel auf den Dong, der dort hing. Der Schläger dazu lehnte unschuldig in der Ecke. Gabriel konnte beinahe zusehen, wie sich der neue Gedanke in des Meisters Kopf formte, Gestalt annahm, sich verfestigte... "Versucht es zunächst mit klopfen!", rief er ihm hastig zu, als der Meister bereits einen Schritt auf den Schläger zu gemacht hatte. Der Meister wandte sich ihm zu. "Aber der Gong..." "Bitte, Meister.", unterbrach ihn Gabriel mit unbeabsichtigter Schärfe in der Stimme. DerMeister zuckte mit den Schultern. "Nun gut, weil es dir so wichtig ist..." Er stieg den Schritt zur Tür zurück und klopfte. Es dauerte verhältnismäßig lang, bis endlich eine Reaktion kam. Eine tiefe Stimme rief laut: "Ja, wo bleibt ihr denn? Reinkommen!" Meister Julias drückte die Klinke herunter und öffnete sich selber. Gabriel, dem diese Art des Willkommensgrußes so gar nicht gefiel, folgte seinem Meister mit düsterer Miene in das schlicht eingerichtete Zimmer dahinter. Das Zimmer war eingerichtet wie eine alte Bauernküche, mit groben Holzmöbeln und eisernen Pfannen, die von der Decke hingen. Sogar auf den Staub hatte man nicht vergessen. Er ließ das Ganze besonders authentisch wirken... An dem viereckigen Holztisch, auf einem einfachen Hocker, saß eine große, breitschultrige Gestalt, der leicht als Wiedergeburt des Waldherren Rübenzahl durchgegangen wäre, hätte ihm sein modischer Männerschnitt nicht wenigstens einen Hauch Zivilisiertheit zugesprochen. Trotzdem war es eine knappe Angelegenheit, wie es einem die leicht geröteten, leuchtend grünen Augen und die geschwollene, rote Nase erzählten. Ein weiterer Trunkenbold... Ob es hier noch irgendeinen anderen Menschenschlag gab? Meister Julias verbeugte sich. "Einen schönen Abend. Mein Name ist Julias Feuerkralle, und dies ist mein Adept Gabriel." Als sein Name erwähnt wurde, verbeugte auch Gabriel sich. Der Mann mit der roten Nase spähte auf seine Uhr und erhob sich hastig. "Herrje, schon so spät? Das tut mir leid, ich dachte, ihr wärt ...jemand anders!", Er lachte verlegen. "Hö hö, und ich hab mich schon gewundert! Klopfen und kommen nicht rein... Verzeiht bitte, Meister Julias." Meister Julias winkte ab. "Oh, keine Sorge, schon vergessen." Er ging auf den Riesen zu und schüttelte die ihm dargebotene Pranke, in der seine Hand beinah vollständig verschwand. Dabei fuhr der Fremde fort: "Mein Name ist Lorenz Felsensprenger, und ich heiße euch in Korenberg herzlich willkommen. Und das vorhin tut mir wirklich wirklich leid." Er schüttelte den Kopf. "Ehrlich, ich hab nicht aufgepasst. Aber Ihr kennt das sicher, wenn man was zu tun hat, vergeht die Zeit wie im Flug..." "Ich bitte Euch.", bemerkte Meister Julias und klopfte seinem Gegenüber freundschaftlich auf die hoch gelegene, breite Schulter: "Wir sind schließlich alle nur Menschen." Der Hühne nickte. Sein verlegenes Lächeln gewann ein wenig an Selbstsicherheit, als er bemerkte: "Bist also 'ne Feuerkralle, ja? Hätt'st gar nicht sagen müssen, hätt ich auch so erraten. Wirklich selten nette Leute, die Feuerkrallen..." Er sah an Julias vorbei zu Gabriel hin und rief: "Kannst froh sein, bei den Feuerkrallen gelandet zu sein!" Gabriel ersparte sich jegliches Kommentar, er setzte bloß sein höfliches Lächeln auf und verbeugte sich neuerlich. Ein Felsensprenger... Tatsächlich, dies war also ein Felsensprenger. Nun, die Statur passte, aber der Charakter... Der Riese wirkte irgendwie viel zu kriecherisch und unsicher, um wirklich Meister einer der bedeutendsten Traditionen des Ordens zu sein. Ob er nur die Ausnahme war? Der Riese wandte sich wieder an Meister Julias. Ernst fuhr er fort: "Es ist gut, dass ihr da seid. Ich habe beunruhigende Nachrichten für Euch." Gabriel horchte auf. Nun wurde es endlich spannend... Der Riese wies auf die anderen Hocker um den Küchentisch und meinte: "Bitte, setzt Euch. Wollt Ihr was zu trinken? Zu essen? Bedient Euch, ich bin bald wieder da." Mit diesen Worten donnerte er mit weit ausgreifenden Schritten auf die nächste Tür zu und verschwand dahinter. Nur einen Atemzug später hörte man seine laute, dröhnende Stimme, die das Haus eigentlich zum Vibrieren hätte bringen sollen, es aber nicht tat. Die Realität scherte sich leider herzlich wenig um die richtigen Spezialeffekte zur richtigen Zeit... "Anija! Meisterin Anija! Verdammt, wo habt Ihr euch bloß wieder verkrochen? Der Besuch ist da!" Meister Julias grinste. "Der Kerl gefällt mir." "Mir nicht.", meinte Gabriel schlicht, bevor er zur eigentlichen Frage kam: "Meister, ahnt Ihr bereits, was das für beunruhigende Nachrichten sind? Der Großmeister von Reichsburg hat doch sicher die eine oder andere Andeutung gemacht. Er sah wenigstens sehr sorgenvoll aus, als er mit Euch sprach." Meister Julias lächelte erfreut. "Das hast du gut beobachtet.", lobte er seinen Adepten, bevor er, nur ein wenig ernsthafter, fortfuhr: "Das alles hängt mit einem der vielen verrückten Hobbys zusammen, die mein Meister hatte. Durch dieses Hobby bin ich an Wissen gelangt, das zur heutigen Zeit allgemein als unnötig und zum Teil auch gefährlich angesehen wird..." "Schwarze Magie?", fragte Gabriel eifrig nach. Der Meister lachte. "Schwarze Magie...", wiederholte er belustigt: "Wie niedlich! Bursche, das ist Unsinn. Du solltest inzwischen wissen, dass es weder weiße noch schwarze Magie gibt. Magie ist Magie, farblos und wertelos. ...Höchstens die Magier an sich könnten in Weiß und Schwarz eingeteilt werden, wenn's einem Spaß macht. ...Was aber auch ziemlich schwierig werden dürfte, da ein aus unserer Sicht schwarzer Magier sicher nicht von sich denkt, wie unheimlich böse und gemein er doch ist... und wie schwarz. Außer natürlich er ist wirklich schwarz, von der Hautfarbe her, mein ich." Der Meister beugte sich nach vorn. "Nein, Kleiner, du darfst niemals auf dieses Gut-Böse-Geschwafel hereinfallen. Auch der Feind kann durchaus ehrbare, und hin und wieder sogar halbwegs verständliche Gründe für sein Handeln haben. Aus der Sicht der Bösen sind wir die Bösen, das darfst du nie vergessen." "Ja, Meister...", grummelte Gabriel, der sich wieder einmal entwürdigt und verlacht vorkam. Wütend starrte er auf seine geballten Fäuste herab, die in seinem Schoß lagen, und fragte sich, ob der Meister eigentlich wusste, wie sehr seinen Adepten sein Lachen verletzte. Er könnte mit ihm darüber reden. Der Meister schien sich zwar über alles und jeden lustig zu machen, doch hin und wieder konnte er auch durchaus ernsthaft sein... Nein, Gabriel würde sich wie ein Weichei fühlen. Da war es schon besser, den Spott einfach zu ertragen und zu lernen, damit umzugehen. Wer weiß, vielleicht half zurückschlagen? Gabriel setzte sein spöttisch herablassendes Lächeln auf und meinte: "Wenn Ihr Euch da nur nicht täuscht... Es gibt sie, tiefschwarze Magie, und eines Tages werde ich es Euch beweisen." Meister Julias starrte ihn einen Moment lang deutlich irritiert an, und Gabriel fühlte sich ausreichend entschädigt. Ja, das war der Weg. Sein Meister verspottete ihn, und er schockierte ihn dafür. Damit konnte er leben... Die schweren Schritte des Felsensprengers näherten sich wieder. Die Tür öffnete sich und Meister Lorenz trat ein, diesmal jedoch nicht allein.* Hinter ihm kam eine junge Frau mit karottenroten Haaren in die Küche, Meisterin Anija, wie Gabriel annahm, gefolgt von einem kleinen, schmächtigen Jungen, der nur ein wenig älter wirkte, als Gabriel, wahrscheinlich ein oder zwei Jahre, sicher nicht mehr. Meister Lorenz stellte vor: "Dies ist Meister Julias Feuerkralle mit seinem Adepten Gabriel. Dies ist Meisterin Anija Klingentänzer, mit ihren beiden ...mit einem ihrer beiden Adepten, Simon." Die zwei Neuankömmlinge verbeugten sich höflich. Gabriel und Meister Julias erhoben sich ebenfalls, um sich zu verbeugen, und scheinbar mitgerissen von der allgemeinen Verbeugerei senkte auch Meister Lorenz das Haupt, obwohl er doch bereits alle begrüßt hatte. Der Kerl wirkte wirklich etwas weich in der Birne... Der Felsensprenger schritt auf den Tisch zu und ließ sich auf seinem alten Sitzplatz nieder, Meisterin Anija und Simon ließen sich auf den restlichen zwei Hockern nieder. Ein peinliches Schweigen drohte über die Runde hereinzubrechen, doch Meister Lorenz entschied sich rechtzeitig, die Führung dieses Gesprächs zu übernehmen. Er räusperte sich und begann, mit verschwörerisch gesenkter Stimme: "Da sind wir nun alle. Meisterin Anija..." Er nickte in Richtung der jungen Frau. "...ist hier, da ihr der Fall ursprünglich zugeteilt worden war. Meister Julias..." Er nickte auch ihm zu. "...wurde hergeholt, da er das nötige Fachwissen besitzt, diesen Fall zu einem ...hoffentlich glücklichen Ende zu führen. Der hohe Rat hat euch folgende Aufgabe gestellt..." Er klopfte seine Jackentaschen ab, fand jedoch nichts, stutzte, sah sich verlegen um und suchte auch noch in seinen Hosentaschen. Schließlich kratzte er sich lächelnd am Kopf. "He he, na so was... Scheinbar habe ich den Einsatzbefehl ...auf meinem Schreibtisch liegen lassen... Das ist mir jetzt aber unangenehm." Er erhob sich und eilte wieder auf die Tür zu. Gabriel hätte am liebsten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Er hatte erst selten so einen peinlichen Auftritt gesehen, und auch wenn es nicht ihm passiert war, so fühlte er sonderbarerweise die Scham darüber ganz deutlich in sich... Der Adept von Meisterin Anija seufzte. "Schade, dass Azrej nicht da ist. Da hat sie wieder was versäumt..." Seine Meisterin lachte. "Na ja, wir werden es ihr nachher einfach bis ins kleinste Detail erzählen. Außerdem bin ich mir sicher, dass die Handlung, die dabei in ihrem Kopf entstehen wird, um vieles aufregender sein wird, als es die reale Situation jemals hätte sein können." Der Junge, Simon, starrte die Meisterin einen Augenblick lang groß an, bevor er schließlich rot wurde und schüchtern lächelnd meinte: "Ja, da habt Ihr wohl recht." Gabriel hörte Meister Julias Luft holen und wünschte sich, unter den Tisch kriechen zu dürfen, weil das, was nun kam, sicher ebenso peinlich werden würde, wie Meister Lorenz' Auftritt vorhin. Meister Julias sprach. "Nun, Anija, Ihr habt also zwei Adepten? Und ich dachte, das wäre verboten." Meisterin Anija lächelte freundlich, als sie antwortete: "Da habt Ihr was falsch verstanden. Es ist bloß nicht erwünscht, aber wenn zu wenig Meister zur Verfügung stehen, so kommt es oft zu Gruppen von bis zu vier Adepten pro Meister." "Auch pro so junger Meister?", bohrte Meister Julias nach: "Ihr seid sicher noch nicht einmal über 25, oder?" Die junge Frau stutzte einen Moment lang, Gabriel ächzte leise. Man sprach doch keinen Erwachsenen so unverblümt auf sein Alter an, das tat man einfach nicht! Wo war dieser Kerl eigentlich erzogen worden? Die Meisterin grinste. "Also, bei jedem anderen Mann hätte ich nun Hintergedanken vermutet, aber da Ihr so unschuldig wirkt: Ich bin bereits über 25, 29 um genau zu sein. Doch grundsätzlich habt Ihr recht, es ist ungewöhnlich für mein Alter, bereits zwei Adepten zu haben. Ich habe sie auch nur kurzzeitig übernommen..." Simon senkte den Kopf, doch Gabriel konnte trotzdem sehen, wie er die Zähne zusammenbiss. "..., solange ihr wahrer Meister eine wichtige Misson zu erfüllen hat." "Ach so.", meinte Meister Julias, scheinbar tatsächlich glücklich darüber, wieder ein Rätsel gelöst zu haben. "Und wo ist Euer zweiter Adept gerade?", ging er zum nächsten Rätsel über. "Einkaufen.", entfuhr es Simon, ohne dass er es wirklich wollte. Meisterin Anija musterte ihn kopfschüttelnd. "Seit einer geschlagenen Stunde?" Simon zuckte gespielt gleichgültig mit den Schultern. "Na ja, sie ist halt ein wenig langsam..." In dem Moment ertönte* das durchdringende Schrillen eines Telefons. Kapitel 5: V. Die Adeptin des Hüterordens ----------------------------------------- ...Ich hab bereits die Nachfrage erhalten, ob ich mir vielleicht den Arm gebrochen hätte, weil ich das 5.Kap einfach nicht und nicht herausrücken wollte... ^o^ Danke für deine Besorgnis, AMW, aber es geht mir großartig! Ich wollte bloß nicht mehr schreiben, weiß der Teufel warum... Na ja, jetzt tu ich's wieder. ^_^° ...Ja, auch das weiß nur der Teufel. Euch wird auffallen, dass sich Simon viele Gedanken macht, speziell über andere Personen, darunter auch viel Unnötiges. Dafür entschuldige ich mich gleich im Vorhinein. Manchem könnte bei solchen Ausschweifungen vielleicht langweilig werden... Der Grund liegt darin, dass Simon ein sehr sensibler Junge ist, der es mag, zu verstehen, warum jemand so handelt, wie er es tut. Sicher wird euch auch auffallen, dass er viele beobachtete Reaktionen einfach überbewertet. Das ist eigentlich meine SChwäche, die ich mir einfach nicht verkneifen konnte. ^_^ V.Die Adeptin des Hüterordens (25.6.04)Eine Stunde... Nervös blickte Simon noch einmal auf seine Armbanduhr, um sich - wohl bereits zum über zehten Mal - davon zu überzeugen, richtig gerechnet zu haben. Das Ergebnis blieb bedauerlicherweise dasselbe. Simon atmete tief durch. Na schön, was konnte das bedeuten? Azrej war von Meister Lorenz weggeschickt worden, um ein halbes Brot und einen Liter Milch zu holen. Was konnte denn dabei schon schiefgehen? ...Azrej hatte das Geschäft nicht gefunden ...vielleicht... Ach Unsinn, das lag doch bloß zwei Straßen weiter, gleich am Eck. Nicht einmal so ein Querkopf wie Azrej konnte das verfehlen. ...Dann wurde sie wahrscheinlich entführt ...oder hatte gesehen, wie jemand anderer entführt wurde und ist nun auf der Spur der Entführer ...Oder ein schwarz gekleideter Mann war an sie herangetreten, um ihr mitzuteilen, dass sie die Einzige war, die eine drohende Übernahme der Erde durch eine überlegene außerirdische Rasse verhindern können, und nun befand sie sich in irgendeinem geheimen militärischen Lager, um dort auf ihre Mission vorbereitet zu werden. Simon grinste. Er war eindeutig schon viel zu lange in Azrejs Gesellschaft gewesen. "Was ist so lustig?", riss ihn Meisterin Anijas Stimme aus seiner Grübelei. Simon schreckte hoch und wusste, dass sein Blick sehr schuldbewusst wirken musste, auch wenn er sich eigentlich gar keiner Schuld bewusst war. Das war bloß seine übliche Reaktion, wenn er in diesem forschenden Tonfall angesprochen wurde. Er hatte bereits versucht, sein Mienenspiel mehr unter Kontrolle zu halten, doch das würde ihm wohl auf Ewig unmöglich bleiben. Sein Gesicht tat auch weiterhin, was es wollte... Die Meisterin wartete noch immer auf eine Antwort. Verzweifelt wand Simon sein Hirn nach einer unverfänglichen Möglichkeit aus. Er wollte die junge Frau auf keinen Fall mit der Nase auf den Umstand stoßen, dass Azrej bereits längst überfällig war. Das schien sie bisher noch gar nicht wirklich realisiert zu haben, und dabei sollte es auch noch so lang wie möglich bleiben. Meister Lorenz rettete ihn. Die tiefe Stimme des Meisters hallte durch das ganze Haus, als er rief: "Anija! Meisterin Anija! Verdammt, wo habt Ihr euch bloß wieder verkrochen? Der Besuch ist da!" Meisterin Anija lächelte verschmilzt. "Ich soll mich verkrochen haben?" Sie sah sich um. "...In meinem eigenen Zimmer?" Simon kicherte. "Nicht besonders phantasievoll. Wenn Ihr euch das nächste Mal verkriechen wollt, fragt mich um Rat..." Er brach ab, als im bewusst wurde, mit wem er da gerade sprach. Die stieß sich jedoch nicht daran. Ganz im Gegenteil, sie lachte. Tatsächlich, sie lachte! Über seine Bemerkung! Er hatte sie zum Lachen gebracht! Simon fühlte wieder einmal den starken Drang, tief zu seufzen, in sich hochsteigen. Gut, dass Azrej nicht hier war. Sie hätte sich sicher unheimlich darüber geärgert, dass Simon etwas geschafft hatte, was ihr bisher noch nie gelungen war. Dann wäre sie für den Rest des Tages unausstehlich geworden... Azrej war sehr empfindlich, wenn es um Meisterin Anija ging. Meister Lorenz' Stampfen kam näher, verstummte, dann klopfte es zweimal. Meisterin Anija rief: "Ich komm gleich!" Sie knüpfte sich die oberen beiden Knöpfe ihrer Bluse zu, die sie bei jeder Gelegenheit öffnete, warf Simon noch einen letzten Blick zu - er nickte - und begab sich schließlich zur Zimmertür. Meister Lorenz wirkte ungewöhnlich nervös, als er Meisterin Anija mit einem flüchtigen Kopfnicken grüßte. Simon schien er gar nicht wahrgenommen zu haben, bevor er auch schon wieder herumwirbelte und vorneweg den schmalen Gang entlang auf die Küche zustapfte. Dabei schwafelte er, hastig, mit gesenkter Stimme: "Sie haben uns ein Kind zugeteilt, ist denn das die Möglichkeit, einen jungen Burschen, wahrscheinlich noch jünger als Ihr... Es käme mir natürlich nie in den Sinn, die Urteilskraft unseres Hohen Rates anzuzweifeln, das sicher nicht, aber, Herrgott, diese alten Herren scheinen die Situation ein wenig zu unterschätzen, ein Neuling, der gerade mal seinen ersten Adepten zur Seite gestellt bekommen hat, den schicken sie her... Und los geht's." Inzwischen war Meister Lorenz bei der Küchentür angelangt. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er die Klinke herunterdrückte und eintrat. Meisterin Anija und Simon folgten. Am Küchentisch saßen der erwähnte, Lorenz' Meinung nach viel zu junge Meister und sein ebenso frischer Adept. Der Meister sah ihnen aus wachen, offenen Augen entgegen, der Adept wirkte eher misstrauisch. Lorenz stellte vor: "Dies ist Meister Julias Feuerkralle mit seinem Adepten Gabriel. Dies ist Meisterin Anija Klingentänzer, mit ihren beiden ...mit einem ihrer beiden Adepten, Simon." Man verbeugte sich. Danach setzten sich alle um den Tisch herum und Meister Lorenz eröffnete die Besprechung. Simon schaltete ab. Er wusste, was nun kam: Die Klärung der Positionen. Als erstes würde geklärt werden, wer warum hier war, damit es auch sicher zu keinen Missverständnissen kam. Erst danach begann der interessante Teil, die Einsatzbeschreibung, von der sich Simon erhoffte, endlich zu erfahren, worum es hier überhaupt ging. Bis es soweit war, nahm Simon unauffällig die beiden neuen Bekannten in näheren Augenschein. Meister Julias... Er wirkte tatsächlich noch sehr jung, und auf rätselhaft einnehmende Weise unheimlich naiv. Er war Simon sofort sympathisch, auch wenn er entschieden nicht zu den Personen gehörte, denen Simon sein Leben anvertrauen würde. Dafür erschien er zu linkisch und unbeholfen zu sein... Sein Adept hingegen sah nicht im geringsten unbeholfen aus, bloß genervt ...und vielleicht auch ein wenig enttäuscht. Gabriel... Der war sicher so ein Streber, dem nichts wichtiger war, als sein Titel, und der auf andere, weniger strebsame Menschen herabsah. Ein arrogantes Arschloch. Er und Azrej würden sich sicher auf Anhieb hassen. Irgendwie freute sich Simon bereits auf die stillen Auseinandersetzungen, und natürlich auch auf die wenigen richtig lauten, zu denen es pausenlos zwischen den beiden kommen würde... Die Schlüsselworte "Hoher Rat" und "Auftrag" ließen Simon aufhorchen. Endlich... Gespannt sah er auf, beobachtete Meister Lorenz dabei, wie der seine Taschen abklopfte, bemerkte seinen verlegenen Gesichtsausdruck und wusste, dass er sich wohl noch ein wenig gedulden wird müssen. Wahrscheinlich hatte Meister Lorenz den Einsatzbefehl irgendwo liegen gelassen. Dabei war der Meister doch sonst nicht so schusselig. Doch seit Meisterin Anija nach der Rückkehr vom Herrenhaus mit ihm gesprochen hatte, wirkte er unheimlich ...verstört. Was steckte nur dahinter? Diese Frage wurde langsam quälend. Verlegen kratzte sich der Meister am Hinterkopf. "He he, na so was... Scheinbar habe ich den Einsatzbefehl ...auf meinem Schreibtisch liegen lassen... Das ist mir jetzt aber unangenehm." Er erhob sich hastig und verließ die Küche. Simon beobachtete die Reaktionen des neuen Meister-Adepten-Paares auf diesen Zwischenfall. Meister Julias schien direkt begeistert zu sein. Er strahlte wie ein kleines Kind bei seinem ersten Besuch im Zirkus. Meister Lorenz' Zerstreutheit schien ihn nicht im Geringsten zu beunruhigen. Und das obwohl er wahrscheinlich wusste, worum es ging und daher auch die Ernsthaftigkeit ihrer Lage leicht einschätzen konnte... Sonderbarer Kerl. Gabriel war absolut nicht begeistert, eher ...beschämt? Man sah ihm deutlich an, dass er am liebsten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte. Ihm war die ganze Situation überaus unangenehm. Ob auch er bereits wusste, um was sich diese Mission drehte? Dann wäre Simon der einzige Unwissende an diesem Tisch. ...Wie unfair. Gabriels Benehmen erhärtete Simons Verdacht, es hier mit einem arroganten Arschloch zu tun zu haben. Wenn Azrej das gesehen hätte - und wenn sie dagewesen wäre, wäre ihr das sicher nicht entgangen - dann hätte sie spätestens jetzt entschieden, diesen Gabriel auf den Tod nicht ausstehen zu können. Azrej selbst war nämlich das genaue Gegenteil eines Strebers, sie war eine Traumwandlerin, die ohne jeglichen Plan vor sich hinlebte und annahm, was immer ihr aufgezwungen wurde. Sie war von jenem Menschenschlag, auf den Leute wie Gabriel normalerweise herabsahen. Und sie war bereits öfters mit solchen Strebern konfrontiert worden. Simon war hin und wieder dabei gewesen, und daher hätte es ihn nicht gewundert, wenn Azrej auf die gegenwärtige Beobachtung hin Gabriel unter dem Tisch einfach einen festen Schlag gegen das Scheinbein verpasst hätte... Er seufzte. "Schade, dass Azrej nicht da ist. Da hat sie wieder was versäumt..." Im nächsten Moment wurde ihm klar, dass er von lautlosen Gedanken gerade zur eindeutig lauteren Sprache übergegangen war. Erschrocken erstarrte er und wartete, wie ein Kaninchen im Angesicht des Todes, auf das, was nun kommen würde. Das heitere Lachen seiner Meisterin löste die Starre. Verschmilzt meinte sie: "Na ja, wir werden es ihr nachher einfach bis ins kleinste Detail erzählen. Außerdem bin ich mir sicher, dass die Handlung, die dabei in ihrem Kopf entstehen wird, um vieles aufregender sein wird, als es die reale Situation jemals hätte sein können." Simon starrte seine Meisterin verblüfft an. Er begriff, dass sich die Meisterin auf das wirre Verhalten des Meisters dieses Hauses bezog, verstand ihre Aussage, und reagierte. Er fühlte, wie seine Wangen heiß wurden. Die Meisterin kannte Azrej bereits viel besser, als Simon angenommen hatte. Und in ihrer Stimme hatte so etwas wie Anerkennung mitgeklungen, was bedeuten könnte, dass sie tatsächlich bereits eine emotionale Bindung zu Azrej entwickelt hat... Sie mochte Azrej. Wahrscheinlich hatte sie auch Simon bereits lieb gewonnen. Sie war eben ein Mensch, der schnell Gefühle in eine neue Beziehung einfließen ließ. Der alte Meister hatte das nicht getan... Simon zwang sich zu einem Lächeln, wobei es nicht das Problem war, die Mundecken nach oben zu bringen, sondern sie davon abzuhalten, sich bis zu den Ohransätzen zu verbreitern. Denn am liebsten hätte er eher unkontrolliert zu kichern begonnen. Eine Meisterin, die ihre Adepten tatsächlich mochte... Er hätte nicht geahnt, dass sich das so gut anfühlen würde. Er meinte: "Ja, da habt Ihr wohl recht.", bevor der Klos in seinem Hals zu groß wurde, um noch ordentlich reden zu können. Meister Julias ergriff das Wort. Mit ehrlich wirkender Interesse - also nicht nur, um einem peinlichen Schweigen zu entkommen - bemerkte er: "Nun, Anija, Ihr habt also zwei Adepten? Und ich dachte, das wäre verboten." Meisterin Anija lächelte freundlich. "Da habt Ihr was falsch verstanden. Es ist bloß nicht erwünscht, aber wenn zu wenig Meister zur Verfügung stehen, so kommt es oft zu Gruppen von bis zu vier Adepten pro Meister.", erklärte sie. "Auch pro so junger Meister?", bohrte Meister Julias nach: "Ihr seid sicher noch nicht einmal über 25, oder?" Der Meisterin verschlug es kurz die Sprache, und selbst Simon fühlte sich ein wenig überrumpelt. Die Worte klangen wie eine billige Anbiederung, doch in Meister Julias' Augen war nur aufrichtiger Wissensdurst zu lesen. Wie ein kleines Kind, fuhr es Simon durch den Sinn, das noch nicht wusste, was sich gehörte und was nicht... Die Meisterin musste ganz ähnlichen Gedankengängen gefolgt sein, denn sie meinte, mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen: "Also, bei jedem anderen Mann hätte ich nun Hintergedanken vermutet, aber da Ihr so unschuldig wirkt: Ich bin bereits über 25, 29 um genau zu sein. Doch grundsätzlich habt Ihr recht, es ist ungewöhnlich für mein Alter, bereits zwei Adepten zu haben. Ich habe sie auch nur kurzzeitig übernommen, solange ihr wahrer Meister eine wichtige Misson zu erfüllen hat." Bei diesen Worten fuhr Simon leicht zusammen. Sie erinnerten ihn daran, dass jene Frau, egal wie gern er das auch glauben würde, gar nicht seine richtige Meisterin war, sondern bloß ...in gewisser Weise eine Vertretung. Dass der alte Meister, dieser Sack, noch existierte und eines Tages auch zurückkehren würde. * "Ach so.", meinte Meister Julias: "Und wo ist Euer zweiter Adept gerade?" Simon hörte die Alarmglocken in sich schrillen. Schnell, selbst nach seinem Gefühl etwas zu schnell, meinte er: "Einkaufen." Meisterin Anija musterte ihn kopfschüttelnd. "Seit einer geschlagenen Stunde?" Simon bemühte sich um einen unbeschwerten Tonfall, als er antwortete: "Na ja, sie ist halt ein wenig langsam..." In dem Moment klingelte das Telefon. Simon hatte das dumme Gefühl, genau zu wissen, was nun kam. Azrej war seit langer Zeit überfällig, und das konnte nur eins bedeuten: *Sie hatte wieder einmal etwas angestellt. Das tat Azrej öfters, nur noch nie, seit ihnen Anija zugeteilt worden war. Wie die junge Frau wohl auf eine solche Meldung reagieren würde... (27.6.04) Die beiden Meister sahen sich fragend an, unsicher darüber, wer von ihnen beiden nach nebenan rennen sollte, um das Telefongespräch entgegenzunehmen. Das Problem löste sich von selber, als sie draußen die eiligen Schritte Meister Lorenz' hörten. Er hob ab und die Wächter hörten ihn reden: "Ordenshaus Korenberg, Meister Lorenz am Apparat? ... ...Entschuldigen Sie bitte, mit wem spreche ich? ...Ach, Guten Tag, Herr Wachmeister!" Simon hätte beinahe laut aufgeseufzt. Was zu erwarten gewesen war... Herrje, Azrej! Was hatte sie denn nun schon wieder verbrochen? Neben ihm richtete sich Meisterin Anija weiter auf. Sie war besorgt, das sah man ihr deutlich an. Sie dachte wohl, Azrej wäre sonstwas passiert... Nun, wie konnte sie auch ahnen, wie der Hase wahrscheinlich wirklich lief. Diese Seite hatte sie an dem Mädchen eben bislang noch nicht kennengelernt. Draußen schwieg Meister Lorenz über einen längeren Zeitraum hinweg. Als er wieder sprach, klang seine Stimme deutlich ungläubig. "Aber ...das kann doch nicht sein!", rief er aus: "Sind Sie sich sicher? Irrtum ausgeschlossen? ... ...Na ja, wenn Sie das sagen..." Nun mischte sich eindeutig Ärger in den Tonfall. Simon senkte resigniert den Kopf. "...Nein, nein, das ist nicht nötig.", grollte Meister Lorenz nebenan. Meister Julias, Meisterin Anija und Gabriel wechselten fragende Blicke. Keiner hatte auch nur den blassesten Schimmer davon, was geschehen war. Geschah ihnen recht... Schließlich waren sie bisher auch noch nicht damit herausgerückt, weswegen diese Mission so besonders war. Nun war plötzlich Simon der einzige, der Bescheid wusste. Schade, dass er es nicht genießen konnte... "...Also gut, ich mach mich sofort auf den Weg. Die Situation wird sich wahrscheinlich schnell aufklären. ...Ja, mach ich. ... ... ...Aber natürlich, auch die Wächter unterliegen dem staatlichen Recht. ... ...Nein, keiner macht Ihnen einen Vorwurf. Also, wir sind unterwegs. Bis bald." Eine Sekunde später legte er auf. Stille erfüllte die Luft, eine von der ganz unbequemen Sorte. Meister Lorenz musste neben dem Telefon erstarrt sein. Oder hatte spontan die Kunst der geräuschlosen Fortbewegung gelernt. Unerwarteter Weise war es diesmal Meisterin Anija, die dem Schweigen ein Ende setzte. Sie wandte sich direkt an Simon und meinte: "Ich bin mir sicher, du kannst uns erklären, was hier vor sich geht." So plötzlich zum Mitelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit geworden sank Simon ein wenig auf seinem Sessel zusammen und murmelte unsicher: "Äh, nein?" Die Meisterin starrte ihren Adepten mit durchdringendem Blick an, ein Blick, den sie bisher noch nie eingesetzt hatte. Dazu bemerkte sie: "Versuch's trotzdem." Simon dachte schnell über seine Möglichkeiten nach. Er könnte weiterhin darauf beharren, keine Ahnung von den Vorgängen zu haben. ...Dann würde Meisterin Anija völlig unerwartet mit der zwiegespaltenen Natur ihres zweiten Adepten konfrontiert werden. ...Nein, das war nicht gut. Er wusste nicht, wie Meisterin Anija es damit hielt, aber er persönlich konnte Überraschungen nicht ausstehen. Folglch sollte er es ihr sagen... Das einzige Promlem war jetzt nur noch, die richtigen Worte zu finden. Er versuchte es. "Ähm, Azrej ist ...Sie denkt nicht besonders viel nach und macht öfters ...unüberlegte Dinge. Sie ...ist sehr spontan, versteht Ihr?" "Was für Dinge?", bohrte die Meiterin nach: "Nenne ein paar Beispiele." Simon fühlte, wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildete. Beispiele? Nun... "Das ist doch nicht wichtig.", meinte er verzweifelt: "Vergangenes. Lasst uns lieber an die Gegenwart denken..." "Eine gute Idee.", erhielt Simon von völlig unerwarteter Seite Hilfe. Meister Julias lächelte Meisterin Anija besänftigend zu, tätschelte ihr sogar den Unterarm, und fuhr fort: "Lasst uns keine voreiligen Schlüsse ziehen, lasst uns zuerst herausbekommen, woran wir sind. Danach werden wir noch genug Gelegenheit haben, zu reden. Außerdem..." , fuhr er fort, wobei er aufstand und sein Hemd zurechtrückte: "...haben wir doch größere Sorgen, als jugendliche Unbesonnenheit zu verurteilen." "Welche denn?", fragte Simon, der einerseits über die Ablenkung dankbar war und andererseits eine Chance witterte, die quälende Frage in ihm endlich beantworten zu können. "Oh, die Rückkehr des Hüterordens.", meinte Meister Julias, mit einem Tonfall, den man normalerweise nur bedeutungslosen Nebensächlichkeiten zukommen ließ. "Was für ein Hüterorden?", hakte Gabriel weiter nach. Also wusste er doch nicht so viel, wie Simon angenommen hatte. Meister Julias kratzte sich ratlos am Hinterkopf. "Tja, wie kann man das in aller Kürze erklären... Ihr wisst beide, welche Aufgabe der Wächterorden hat? Er achtet auf die Erhaltung der Ordnung. Er beschützt die Menschen. Nun, der Hüterorden kümmert sich kaum um die Menschen, er ist nur an den Artefakten und dem Erhalt alten Wissens interessiert. Er ging aus dem uralten Cronistenorden hervor, die..." Meister Lorenz trat ein. Simon fluchte lautlos. Gerade jetzt, wo es spannend wurde... Als wäre es vorher verabredet worden, erhoben sich nun auch die restlichen Wächter von ihren Plätzen. Sie alle folgten Meister Lorenz, der wortlos auf die Ausgangstür zustürmte. Draußen hatte er sich endlich wieder soweit unter Kontrolle, um haltlos zu schimpfen zu beginnen. "Also so was ist mir doch in all den Jahren noch nie untergekommen! Ich bin schon weiß Gott sehr lange Wächter, hab bereits viele Kollegen getroffen, leben und fallen gesehen! Hab auch schon einige Adepten kennengelernt, drei davon sogar selber ausgebildet! Doch so was! So was war bisher noch nie dabei! Unglaublich! Warum man sie überhaupt noch hier behält, ist mir ein Rätsel!" Meisterin Anija wagte es, ihn zu unterbrechen. "Entschuldigt, Lorenz, aber was ist eigentlich passiert?" Meister Lorenz warf ihr einen düsteren Blick zu und fauchte nur: "Eure Adeptin!" "Vorübergehende Adeptin.", besserte Meister Anija ihn aus und versetzte Simon damit einen Schlag genau in die Magengrube. Diese Meisterin... Vielleicht war sie doch nicht so makellos, wie er und Azrej bisher angenommen hatten. Diese Aussage schien wenigstens nur dem einen Zweck gedient zu haben, jegliche Verantwortung für Azrejs Handeln von sich zu weisen. Natürlich war das nicht falsch, die Meisterin war in keinster Weise für Azrejs ...Ausrutscher zu beschuldigen. Daher hätte sie das auch gar nicht erwähnen müssen. Trotzdem hatte sie es getan, und irgendwie wirkte sie dadurch nun unheimlich niederträchtig und treulos auf Simon... "Und jetzt erklärt Euch endlich!", forderte Meisterin Anija, diesmal mit deutlich mehr Nachdruck. Sie drohte ihre Geduld zu verlieren. Sonderbar, dabei war sie sonst kaum aus der Ruhe zu bringen... Meister Lorenz verlangsamte seine Schritte ein wenig. Auch ihn schien das absonderliche Verhalten der jungen Meisterin zu irritieren. Um einiges friedlicher als vorhin begann er zu erklären: "Das vorhin war die Polizeistation. Der Wachmeister hat mir gesagt, dass sie jemanden von uns aufgegriffen hätten, und das kann wohl kaum jemand anderer sein, als Eure Adeptin Azrej. *Er hat gemeint, dass jene Person dabei erwischt wurde, wie sie mit einer anderen Person ein Wettrennen durch die Straßen bestritt ...auf als vermisst gemeldeten, also gestohlenen Maschinen. Weitere Angaben waren noch nicht aus den beiden Inhaftierten herauszubekommen. Wenigstens - so hat der Beamte gesagt - sollten wir auf keinen Fall unsere Geldbörsen vergessen, falls wir unsere kleine Rennfahrerin wieder zurückhaben wollen... So eine Frechheit!" "Ein Wettrennen?", versicherte Meister Julias sich. Simon konnte nicht verhindern, tief zu seufzen. Ja, das klang nach Azrej. Die Gute liebte Rennspiele, die am Computer und nun scheinbar auch die im realen Leben. Meisterin Anija sagte nichts mehr, sie schüttelte bloß den Kopf. Warum wirkte sie plötzlich so überheblich? ...Oder bildete sich Simon das nur ein? Das Präsidium lag in einer schmalen Seitengasse des Hauptplatzes. Es war ein relativ moderner Bau, mit zwei Stockwerken. In allen Stockwerken waren eiserne Gitter vor den Fenstern, was dem Gebäude jegliche Gastfreundschaft von Vornherein abzusprechen schien. Draußen besprachen sich die Wächter kurz und entschieden schließlich, dass nur Meister Lorenz und Meisterin Anija hineingehen sollten. Simon überlegte sich, ob er Einspruch erheben sollte, doch ein Blick in die düsteren Gesichter brachte ihn schnell davon ab. Also gab er sich geschlagen und blieb bei Meister Julias und Gabriel auf der Straße zurück. Die Nachtluft war angenehm kühl, eine Wohltat nach dem heißen Tag, den er größtenteils im Ordenshaus hatte ausharren müssen. Und obwohl die Situation nicht die angenehmste war, fühlte sich Simon recht wohl. ...Endlich draußen. Er atmete tief durch und schlenderte zum nächsten Schaufenster hinüber. Dort boten sie einem Glühbirnen an. Ein Fachgeschäft für Glühbirnen... Was es nicht so alles gab. "Keine Sorge.", erklang hinter Simon die Stimme Julias': "Deine Freundin wird schnell wieder frei kommen. Meisterin Anija wirkt recht vernünftig. Sie wird sie schon herausboxen." "Bleibt zu befürchten...", murmelte Gabriel sarkastisch. Simon drehte sich nach ihm um. "Was soll das bedeuten?", fragte er gereizt nach. Gabriels Miene blieb unverändert, doch er wich einen halben Schritt zurück. Trotzdem war seiner Stimme nicht die Spur einer Unsicherheit anzuhören, als er antwortete: "Eine Wächteradeptin, die auf gestohlenen Motorrädern illegale Rennen fährt... Wer hat denn schon jemals sowas gehört?" "Du.", erwiderte Simon: "Und das vor kaum fünf Minuten." Gabriel verdrehte die Augen. "Herrje, jetzt versucht der auch noch, witzig zu werden..." Das wollte er gar nicht laut aussprechen. Er wich noch einen halben Schritt zurück. Dafür rückte Simon um einen ganzen Schritt nach vorne. Mit erhobenen Fäusten knurrte er: "Ich mache keine Witze, verstanden? ...Du überhebliches Stück Scheiße!" Damit war Simon ein wenig zu weit gegangen, das wusste er, und er hatte vollstes Verständnis für Meister Julias, der nun dazwischenging. "He, das reicht jetzt aber! Vergesst nicht, wer ihr seid. Ihr müsst nicht durchdrehen, bloß weil einer von euch Mist gebaut hat, verstanden? Was auch immer Azrej tut wird nicht auf euch zurückfallen, auf keinen von euch. ...Wisst ihr was? Lasst uns den Hauptplatz besichtigen. Das wird euch auf andere Gedanken bringen..." (27.6.04) "Ich bin tot.", murmelte Azrej verzweifelt vor sich hin: "Ich bin so tot..." "Nein, das bist du leider nicht, Schätzchen.", kam es schlecht gelaunt aus der Nachbarszelle, und das wohl schon zum zehnten Mal: "Sonst würde mir dein Gequatsche nicht mehr so unheimlich auf den Sack gehen können." "Durch Wiederholung wird diese Antwort auch nicht viel origineller.", bemerkte Azrej spöttisch. "Hey, du bist diejenige, die ständig dasselbe sagt!", beschwerte sich der Kerl aus der Nachbarszelle: "Ständig dieses "Ich bin tot, ich bin tot"! Oh toll, ich wünscht', du wärst es! Tote halten wenigstens hin und wieder die Gosch'n!" Azrej lachte, ohne genau zu wissen, warum. Musste die Anspannung sein... "Ach, du hast ja keine Ahnung...", fuhr sie danach fort: "Eigentlich wär es ja nicht so schlimm... Herrje, ich hab schon ganz andere Sachen angestellt, weißt du?" "Nein!", rief der Mitgefangene herüber: "Und ich will's auch nicht wissen!" Azrej verschränkte gespielt beleidigt die Arme vor er Brust und meinte trotzig: "Gut, dann erzähl ich's dir eben nicht!" Einige Sekunden lang herschte Stille, bis der Kerl seufzte und meinte: "Doch, erzähl's, sonst wird mir noch langweilig. Wird sicher ,ne ganz rührende Geschichte..." "Oh ja, mit vielen dramatischen Höhepunkten und überraschenden Wendungen.", bestätigte Azrej grinsend. Sie wollte gerade beginnen, als die Tür zum Zellentrakt aufgeschlossen wurde. Azrej fuhr erschrocken zusammen. Da waren sie... "Ich bin tot.", formulierte ihr Mund ganz von allein. "Überraschung!", verkündete die Nachbarszelle: "Is' mal was ganz Neues!" Schritte näherten sich, von zwei Paar Schuhen... Nein, einem Paar Schuhe, und dem Tapsen nackter Fußsohlen... Überrascht sah Azrej auf. Das waren nicht die Meister. Die hielten nichts davon, sich ihrer Schuhe zu entledigen, schon allein wegen der Verletzungsgefahr. Und Simon? ...Der ist bereits seit Jahren nicht mehr barfuß herumgelaufen. Azrej wagte es, erleichtert aufzuatmen. Also bekam sie doch noch ein wenig Galgenfrist, bevor sie sich den Meistern gegenüber rechtfertigen musste. "'Ne lebhafte Nacht!", brüllte die Stimme des Polizeibeamten, der auch Azrej zu ihrer Zelle geleitet hatte, durch den breiten Gang. "Das kannst laut sagen!", kam es von einem Beamten zurück, der wohl noch bei der Tür stand: "Alle Plätze besetzt. War 'ne produktive Woche, nicht?" "Schade nur..." Der gehende Beamte kam in Sicht. "..., dass wir für den Schnitt keine Extrazulage kassieren." Er wurde begleitet von einer wirklich beeindruckenden Erscheinung. Es war ein Mädchen, vielleicht Azrej um ein Jahr voraus, sicher nicht älter, obwohl sie alles dafür getan hatte, um wie volljährig auszusehen. Sie war stark geschminkt, und Azrej wettete, die Brüste, die sich nur ein wenig zu deutlich abzeichnete, bestand zu einem guten Teil aus Watte oder irgendeinem anderen Material zum Ausstopfen. Ihre zarte Gestalt steckte in einem schulterfreien, roten Top und einem kurzen, schwarzen Faltenrock. Die passenden roten Stöckelschuhe dazu trug sie in der Hand. Mit ihnen an den Füßen hätte sie wohl nie das Tempo des Polizisten halten können. Azrej erhob sich leicht von ihrem Hocker und deutete eine höfliche Verbeuung an, als zwei saphirblaue Augen sie flüchtig musterten, ohne genau zu wissen, warum. "Hey!", rief der Polizist zu seinem Kollegen, dem Türsteher, zurück: "Nenn mal 'ne Zahl zwischen eins und zehn!" "Acht!", kam es nach kurzen Momenten der reiflichen Überlegung zurück. Der Beamte blickte auf die Wand neben dem vorderen Gitter von Azrejs Zelle, dann schliff er die zarte Gestalt, die an ihn gekettet war, zur nächsten Zelle weiter. Der Insasse, Azrejs Rivale bei dem illegalen Wettrennen, pfiff bewundernd und lachte ein Lachen, das am besten zu wirklich dreckigen Gedanken passte. Azrej biss die Zähne zusammen und schluckte die Mahnung, die ihr auf der Zunge lag, stur herunter. Das Mädchen hatte sich sicher nicht grundlos auf diese Weise gekleidet, wahrscheinlich hatte es damit genau diese Reaktion provozieren wollen. Azrej hatte kein Recht, den Burschen dafür zurechtzuweisen. Der Beamte wandte sich wieder an den Türsteher. "Äh, ganz schlechte Idee, Herr Kollege!" "Für wen?", fragte der amüsiert nach. Beide lachten. Der Beamte zog das Mädchen wieder zu Azrejs Zelle zurück. "Schon besser!", kommentierte er, wandte sich direkt an Azrej und fragte: "Hast sicher nix dagegen, etwas Gesellschaft zu bekommen." Die Adeptin zuckte nur mit den Schultern. Sie würde sowieso nicht allzu lange hier bleiben. Die Meister waren sicherlich bereits am Weg... "Hab auch nix dagegen!", kam es aus der Nachbarszelle. "Aber ich!", erwiderte der Polizist, während er die Zellentür aufsperrte. "Ach warum denn?", erkundigte der Bursche sich: "Ich werd auch ganz brav sein, werd nix tun, was dem Mädel nicht recht wäre..." Azrej schluckte wieder. Sie war einfach schon zu oft ermahnt worden, nun war es durch die Gewöhnung bereits zu einem Reflex geworden. Der Beamte löste die Handschellen und das Mädchen betrat betont langsam die Zelle. Sie rümpfte die Nase. Hinter ihr versperrte der Beamte die Zelle wieder, meinte noch: "Kriegt euch nicht in die Haare, wir können hier keinen Weiberketsch gebrauchen.", und machte sich dann wieder auf den Rückweg. "Doch!", flehte die Nebenzelle: "Ketscht, und ich seh zu!" "Warum stellst du es dir nicht einfach vor, holst dir einen runter und lässt uns in Ruhe?", grollte das Mädchen. "Oho, die Wildkatze kratzt!", gab der Bursche zurück. "Und das Schwein grunzt!", rief Azrej fröhlich aus: "Das ist ein tolles Spiel!" "Oh, es ist nur eins von vielen ...Spielen, die ich kenn!", erwiderte der Bursche mit einem weiteren, dreckigen Lachen: "Ich würe euch gern noch ein anderes zeigen...!" Das Mädchen schüttelte herablassend den Kopf. "Der hat sich scheinbar schon zu viel von seiner Hirnmasse rausgewichst. Armer Schwachkopf..." Azrej verbarg ihr Erschrecken über so rüde Worte, und lächelte nur freundlich. Ja, wie auch immer... Das Mädchen hob die Nase und roch. Sie verzog leicht angewidert das Gesicht. "Bäh... Bist du das?" Sie blickte Azrej an. Die verstand die indirekte Beleidigung, ging aber nicht darauf ein, sondern schnüffelte sattdessen in der Luft herum, danach an ihrem Pulli und schüttelte schließlich den Kopf. Danach senkte sie den Blick zu Boden und erstarrte. Sie wusste nicht, warum, aber die Gegenwart dieses Mädchens wirkte unheimlich einschüchternd auf sie. Und plötzlich hoffte Azrej, bald von ihrer Meisterin hier herausgeholt zu werden... Das Mädchen sah sich suchend um, und beinah wäre Azrej aufgesprungen, um ihr ihren Platz anzubieten. Sie verkniff es sich und beobachtete die nackten Füße des Mädchens dabei, wie sie auf die Pritsche zusteuerten. Dort setzte sich das Mädchen, seufzte und meinte: "Also, eigentlich red ich nicht mit so traurigen Erscheinungen wie dir, aber irgendwie ...ist die Auswahl nicht besonders groß." Sie kicherte über ihren eingenen, langweiligen Witz, und fuhr danach fort: "Ich heiße Juliana, werd aber nur Juli genannt." "Ich heiß Lukas, aber du darfst mich nennen, wie du willst!", mischte sich der Bursche von nebenan mit bereits rührender Hingabe ein. "Schnecke.", war Azrej mit Vorschlägen unverzüglich zur Stelle: "Lahmarsch. Feige Sau." "Free-Style-Wichser.", steuerte auch das Mädchen, Juliana, einen Teil ihrer Kreativität dazu bei. Sie grinste böse, danach wandte sie sich wieder an Azrej. "So, und jetzt bist du dran. Sag fein, wie dein Name ist." Sie blickte die Adeptin übertrieben interessiert an, wie man es bei einem kleinen Kind tat. Der Blick verfehlte seine Wirkung nicht. Azrej sank in sich zusammen, ohne es wirklich zu wollen, und sagte, mit leiser Stimme: "Azrej." "Ah, das hast du toll gemacht.", meinte Juliana spöttisch. Azrej spürte, wie ihr heiß wurde, und wusste, sie war rot geworden. ,Meisterin Anija, bitte beeilt Euch! Ich verkoche hier!' "Hey, sei nicht so boshaft zu ihr!", kam Azrej der Zellennachbar unerwarteter Weise zu Hilfe. Überrascht blickte Azrej auf. Dann fuhr der Bursche amüsiert fort: "Die is' nämlich 'ne Wächterin, und im Namen des Mondes wird sie dich bestrafen!" Azrej begriff, dass er bloß Julianas Abneigung Azrej gegenüber ausnutzen und damit bei ihr punkten wollte. Was für ein Trottel... Hatte er denn noch immer nicht begriffe, dass er nicht die geringste Chance bei diesem Mädchen hatte? Sie nannte ihn Wichser. Das war sicher nicht der günstigste Ausgangspunkt für den Aufbau einer Beziehung, egal welcher Art. "Du halt endlich das Maul!", fauchte Juliana, verdrehte genervt die Augen und fixierte danach Azrej. "Also, zurück zu uns." Sie schlug die Beine übereinander, legte beide Hände auf das Knie und fragte, extra langsam, als würde sie mit einer Schwachsinnigen sprechen: "Warum bist du hier?" "Illegales Rennen.", antwortete Azrej kurz, wobei ihre Stimme zu ihrem großen Ärger ein wenig rauh klang. Juliana seufzte resigniert. "So? Wie kindisch..." Sie lehnte sich etwas weiter vor und meinte: "Ich bin hier, weil mein Meister mich hergeschickt hat." "Meister?!", kam es ungläubig von drüben, noch bevor Azrej dieses Wort widerholen konnte. "Maul halten!", rief Juliana, mit einem Unterton in der Stimme, der einen praktisch dazu zwang, ihr zu gehorchen. Dabei ließ sie Azrej nicht aus den Augen. "Ja, Meister.", bestätigte sie schließlich: "Meister Neivin von Chijun. Ich bin seine Adeptin, und das schon seit Jahren. Darauf bin ich stolz." "...Aha.", meinte Azrej, die nun vollends verwirrt war. Juliana war also Adeptin... Oder sagte sie das nur, um Azrej zu verarschen? Nun, angenommen, sie meinte es ernst, so ...war sie auch eine Wächterin? Dann würde sie jedoch einer Tradition angehören, und nicht etwas, das ...Chinon hieß, oder so. Dieses Chi... Chi... Dieses Wort schien einen Ort zu beschreiben, sonst hätte das "von" davor kaum einen Sinn... Vielleicht gehörte sie dem Wächterorden eines anderen Landes an. Andere Länder, andere Sitten. ...Oder sie war Adeptin eines anderen Ordens ...eines ganz ähnlich beschaffenen Ordens ...des Hüterordens, zum Beispiel. Juliana lächelte verschmilzt. "Ah, ich seh, jetzt hast du begriffen. ...Du bist nicht g'rad die Hellste, was?" Sie erhob sich, und ohne es wirklich bewusst zu wollen, stand auch Azrej auf. Sie griff nach ihrem Armreif, ihrem Artefakt, und fühlte die Magie in ihm pulsieren... Eigentlich kam es nicht oft vor, dass ein Wächter sein Artefakt wirklich benutzte, eigentlich so gut wie nie... Wenigstens haben bereits ganze Generationen von Wächtern ihr Leben gelebt, ohne sich jemals ihrer Energie bedienen zu müssen. Aber die Zeiten hatten sich geändert... Juliana hatte die Bewegung bemerkt. Kichernd winkte sie ab. "Ach bitte, mach dich nicht lächerlich... Weißt du überhaupt noch, wie das Ding funktioniert?" Sie trat einen Schritt nach vorn und verschwand. Ungläubig starrte Azrej auf den Platz, an dem sich das Mädchen befunden hatte. Sie fühlte die Wellen im Machtgefüge, doch keinen Sog. Wenn illegal Magie gewirkt wurde, also einem Gegenstand oder der Luft Energie entzogen wurde, so entsteht, durch eine Neuverteilung zum Ausgleich des Lochs, normalerweise ein Sog. Durch die Wellen wirkte es jedoch so, als hätte Juliana das Gefüge nur angetippt, als hätte sie Energie entnehmen wollen, aber aus irgendeinem Grund vorzeitig abgebrochen. Trotzdem blieb sie verschwunden... "...Man könnte meinen, du suchst jemanden.", bemerkte eine Stimme sanft, von einem Ort direkt hinter Azrej. Die Adeptin fuhr herum und berührte den Kristall ihres Artefakts. ...Das heißt, sie wollte den Kristall berühren, konnte ihn jedoch nicht finden. Das einzige, was sie fand, war nackte Haut. Das Artefakt war verschwunden. Juliana seufzte einmal mehr, hob den rechten Arm und ließ den Armreif direkt vor Azrejs Nase hin- und herpendeln. Aus einem Reflex heraus griff Azrej danach. Natürlich hatte Juliana damit gerechnet und zog ihn rechtzeitig zurück. Sie lächelte. "Miau, wie niedlich... Aber ich kann ihn dir noch nicht zurückgeben. Dafür bist du mir viel zu nervös. Du kriegst ihn später wieder. Nach unserem Gespräch, ja?" Sie tätschelte Azrej den Kopf und verschwand wieder, indem sie einen Schritt zurück machte. "Setz dich.", forderte Juliana Azrej auf. Die wirbelte erneut herum und starrte die Hüterin ratlos an. Sie saß wieder auf der Pritsche, als wäre sie nie fort gewesen, nur mit dem kleinen Unterschied, dass sie Azrejs Artefakt trug. Von ihm konnte Azrej kaum noch den Blick abwenden. ...Meisterin Anija würde sie dafür killen. ...Absolut jeder Meister des Wächterordens würde das tun. Wer hatte auch schon jemals von einem Wächter gehört, der sein Artefakt verloren hatte? Herrje, dieses Ding musste man selbst beim Duschen anbehalten! "Was ist?", erkundigte Juliana sich. Oh, nichts... Azrej rieb sich ihr frei gewordenes Armgelenk. Irgendwie fühlte sie sich ...unvollständig, ohne den Reif. Sie hatte ihn bereits seit Jahren nicht mehr heruntergenommen. Deutlich zeichnete sich die bleiche, fast weiße Fläche auf der Haut ab... "Jetzt hör aber auf.", unterbrach Juliana ungeduldig Azrejs Gedankengänge: "Fang bloß nicht zu heulen an. Ich sagte doch, du kriegst ihn wieder." In dem Moment fiel Azrej etwas anderes ein. Sie drehte sich zu dem Platz um, an dem Juliana gestanden hatte, und streckte die Hand danach aus. Dieses Brenzeln auf der Haut hatte sie schon einmal gespürt, nur um vieles schwächer. Damals, im Museum, der Riss in der Zeit hatte sich genauso angefühlt. Also hatte Juliana... Ach was. Ungläubig schüttelte Azrej den Kopf. Nein, alles, was sie damit sicher sagen konnte, war, dass der Täter damals dieselbe Magie angewandt hatte, mehr nicht. Wer weiß, vielleicht beherrschte die jeder Angehörige des Hüterordens... Ein beunruhigender Gedanke. Azrej setzte sich, da ihre Beine sich nicht so anfühlte, als könnten sie ihr Gewicht noch längere Zeit über tragen. Ohne es bemerkt zu haben, hatte Azrej bereits vor längerem am ganzen Körper zu zittern begonnen. Nun versuchte sie, ihre nervöse Reaktion wieder unter Kontrolle zu bringen. Juliana nahm dies als Beginn des Gespräches, das sie so unbedingt mit Azrej führen wollte. Sie hörte auf, ihre Fingernägel zu untersuchen, und meinte: "Gut, fangen wir an. Ich mag es nicht, lange herumzureden, daher komme ich gleich zum Punkt: Man hat uns gestern per Post so ein hässliches Kreuz zum Kauf angeboten, mit einem Frosch, der aus der Mitte kriecht. Ist das auf eurem Mist gewachsen?" Azrej versuchte wirklich, den Sinn dieser Worte zu erfassen, scheiterte aber kläglich. Hilflos murmelte sie: "...zum Kauf?" "Ja, zum Kauf.", wiederholte Juliana ungeduldig: "In einem Brief, mit Foto. Nachforschungen haben ergeben, dass dieses Stück aus der Gegend hier stammt und erst vor kurzem aus einem Museum entwendet wurde. Tragische Geschichte..." "Ich weiß.", unterbrach Azrej sie: "Wir sind hier, um den Fall zu untersuchen." Juliana sah die Adeptin verblüfft an, dann grinste sie. "He, seit wann ist der Wächterorden zum Freund und Helfer der Polizei geworden? Ihr seid also zu banalen Kriminalisten verkommen? Vergiss die Polizistenleiche, das ist tragischer!" Azrej knurrte: "Wir untersuchen nur Fälle, in denen Magie benutzt wurde. Dafür sind wir schließlich da." Juliana richtete sich interessiert auf. "Oh ja, Magie wurde benutzt, das haben wir auch schon festgestellt. Doch kein gewöhnliche Form von Magie, daher haben wir gedacht, ihr Wächter hättet ...das verbrochen." "Warum hätten wir das tun sollen?", erkundigte Azrej sich, während sie im Kopf die Möglichkeit erwägte. Der Wächterorden? Involviert in diesen Raub? ...Eine Geheimorganisation innerhalb des Ordens? Das würde sicher eine großartige Geschichte abgeben! Aber in dieser Realität konnte sich Azrej das nicht vorstellen. Nein, der Wächterorden war einig und ging niemals auf Raubzüge, um neue Artefakte zu erbeuten. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, das wäre zu verrückt." Juliana lächelte verschlagen. "Oh, wer weiß... Der Orden ist groß, da noch den Überblick zu behalten... Aber gut, ihr wart es also - scheinbar - nicht. Verdammt..." Sie begann, eine Strähne ihres langen, glatten Haares um den Zeigefinger zu wickeln, wohl ein Zeichen dafür, dass sie angestrengt nachdachte. Azrej wartete geduldig. Juliana benötigte eine gute Minute, bis sie wieder sprach: "Man forderte die Bekanntgabe des Standortes unserer Hauptbibliothek. Wer, außer euch, könnte noch Interesse daran haben?" Auch auf die Gefahr hin, noch dümmer zu wirken, antwortete Azrej zögerlich: "Kommt darauf an, ...was ihr ...dort aufbewahrt?" Juliana winkte geistesabwesend ab. "Ja, wirklich weise... Erzähl mir mehr von den illegalen Magiern, die ihr bekämpft." In Azrej begannen die Alarmglocken zu schrillen. Informatioenen über die Illegalen Magier? Selbst wenn die Schüler niemals dazu angehalten wurden, auf Geheimhaltung zu achten, so verstand sich das doch irgendwie von selbst. Das war Insiderwissen. Azrej schüttelte den Kopf. Nein, sie würde nichts sagen. Sie wusste nicht, wie weit sie dabei gehen durfte. Es war besser, wenn sich Juliana deswegen mit einem der Meister unterhielt. "Und warum nicht?", bohrte Juliana merklich verärgert nach. "W-Weil ich n-n-nicht weiß, was ich sagen darf, und w-was nicht.", stotterte Azrej unsicher. Juliana wirkte wie einer jener Menschen, die man lieber nicht reizen sollte, wenn man heil bleiben wollte. Noch dazu war sie einer jener Menschen, die einfach verschwinden und auftauchen konnten. Und Azrej hatte kein Artefakt, um sich zu schützen. Sie sollte sich besser in acht nehmen. "Oh nein, du weißt nicht, was du sagen darfst?", wiederholte Juliana spöttisch. Azrej nickte schnell. "J-ja. Du ...könntest ja einen Meister fragen." Juliana dachte darüber nach. "Hm, das ist wohl wirklich besser. Ich habe zwar gehofft, nicht so weit gehen zu müssen, aber bevor ich auf noch so ein Genie unter den Adepten treffe, wie dich, versuch ich's lieber gleich bei einem Meister. Irgendwelche Empfehlungen?" "Meister Lorenz.", sagte Azrej sofort. Der war ihr egal. Dieses Mädchen sollte es wenigstens auf keinen Fall wagen, Meisterin Anija zu nahe zu kommen... Da Juliana so unverblümt nach Spezialwissen des Wächterordens gefragt hat, wagte es Azrej nun, in der folgenden Stille, nach etwas - wie sie glaubte - Hüterordenspezifisches zu fragen. "Ähm, w-wie ...macht ihr das? ...Das mit dem Verschwiden und Auftauchen, mein ich." Juliana fixierte Azrej wieder und meinte kalt: "Du erzählst mir nichts über die Illegalen, und ich soll dir meinen besten Zaubertrick verraten? Wohl kaum." Azrej senkte verlegen den Kopf. Nein, natürlich nicht, das hätte sie sich auch selber denken können... (25.08.04) Als geschätzt eine halbe Stunde später die Tür zum Zellentrakt neuerlich aufgeschlossen wurde, da wusste Azrej auf Anhieb, mit unglaublicher Sicherheit, wer nun im Anmarsch war. Mit leicht gehetztem Blick sah sie zur vergitterten Front auf. ...Ihr Artefakt! Sie warf Juliana, die gemütlich am Bett lag und die Haut ihres Halses kritisch in ihrem kleinen Taschenspiegel musterte, einen flehenden Blick zu. Die musste den Blick gespürt haben, denn sie reagierte sofort. "Schon gut, Kleine, du kriegst es ja..." Sie griff neben sich, wo der Armreif lag, und warf ihn Azrej achtlos zu. Ohne für auch nur einen Moment in ihrer Musterung zu unterbrechen! Azrej hätte vor Erstaunen beinahe zu fangen vergessen. Im letzten Augenblick erwischte sie das Artefakt, bevor es gegen die schmutzige Kalkwand neben ihr donnerte. Schnell legte sie es wieder an... und fühlte sich daraufhin nicht im Geringsten wohler, wie sie angenommen hatte... Der Armreif war keine Sekunde zu früh geflogen. Der Verschluss war noch nicht einmal ganz eingerastet, als die beiden Meister bereits in Sicht kamen. Sie wurden von dem Azrej bereits vertrauten Beamten mit dem wundervollen Sinn für Humor begleitet. Und sie wirkten nicht im Geringsten erheitert... "Hurra, die Inquisition ist da!", kam es heiter aus der Nachbarszelle. "Ruhe, will schlafen!", antwortete eine schwere Zunge vom anderen Ende des Ganges. Azrej überprüfte noch einmal flüchtig den Halt des Armreifes, dann sprang sie auf und verbeugte sich. Und schon sprudelten oftmals gesprochene und daher altbewährte Worte aus ihrem Mund: "Verzeiht mir, Meister, ich weiß, wie dumm meine Tat war, ich hab wohl wiedermal nicht genug nachgedacht, doch ich bin bereit, alles zu tun, um meine Schuld abzuarbeiten!" Und tatsächlich, bei Meister Lorenz verfehlte dieses Bekenntnis, vorgetragen mit einer wirklich über alles zerknirschten und reumütigen Miene, nicht ihre Wirkung. Seine Miene hellte sich um einige Nuancen auf. Ansatzweise besänftigt, wenn auch noch immer sehr verärgert, grollte er: "Ja, das wird dir auch kaum erspart bleiben. Unglaublich... Also, wenn's nach mir ginge, würdest du für die nächsten paar Jahre aus den Atrafarbeiten gar nicht mehr herauskommen." Er warf der jungen Meisterin neben sich einen kurzen vieldeutigen Blick zu. "...Aber es geht ja nicht nach mir.", fuhr er fort und trat einen Schritt zurück, wie um Meisterin Anija symbolisch mehr Freiraum für ihre Maßnahmen zu geben. Die starrte das Mädchen nach wie vor mit einer solchen Kälte an, dass es Azrej zu frösteln begann. Die Beichte vorhin hatte sie nicht im mindesten beeindruckt. Azrej fühlte, wie sie in sich zusammensackte und wünschte sich plötzlich nichts sehnlicher, als niemals auf diese eine Herausforderung eingegangen zu sein... Juliana regte sich. Ruhig stand sie auf und musterte die beiden Wächter mit unverhohlener Neugierde. Sie verbeugte sich artig. "Guten Tag, ich nehme an, Ihr seid beide Meister des Wächterordens. Ich bin Juliana, Adeptin des Meisters Neivin von Chijun. Ich schätze, wir haben eine Menge zu besprechen." ... ...Autor: "Haha, jetzt muss mir nur noch einfallen, was..." -_-° Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)