Zeit der Artefakte von abgemeldet (Die Wiedergeburt der Magie) ================================================================================ Kapitel 1: Der Mord ------------------- So, dies ist meine zweite Geschichte. Schreibt ruhig auch böse Kommentare, ich bin leidenschaftlicher Masuchist. ;) Prolog Es ist bereits lange her, dass mächtige Magier die Welt ins Chaos stürzten, so lange, dass nur noch Sagen und Legenden von dieser Zeit zu berichten wissen. Wer jedoch mehr über jene Jahrhunderte erfahren will, wird wahrscheinlich bald Gelegenheit dazu bekommen. Denn die Geschichte setzt zu einer Wiederholung an... I. Wachmeister Sommer Florian arbeitete noch nicht sehr lange in dem riesigen kunsthistorischen Museum, das der ganze Stolz der uralten Kleinstadt Korenberg war. Er hatte erst vor kurzem seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und war nun für die Abteilung "La Tène-Zeitalter" zuständig. Dabei hatte er schon in der Schule absolut nichts langweiliger gefunden, als die Geschichtsstunden über die Urgeschichte. Als ob ihn das noch etwas kümmern müsste, dass vor ewigen Jahren einmal die Kelten hier herumhockten. Jetzt lebten sie da, und die Kelten konnten von ihm aus brausen gehen! Wenn die sich einbildeten, wie diese verdammten Juden irgendwelche Rückzahlungen einfordern zu dürfen, dann hatten sie sich gründlich geschnitten! ...Wo lebten diese Kelten heutzutage eigentlich? Keltien? Nein, das gab es nicht. Sommer hatte in Geografie zwar nie wirklich zugehört, aber er hatte in besonders langweiligen Stunden den Atlas hervorgeholt und blöde Landes-, Stadt- oder Flussnamen gesucht. Und während all dieser Suchaktionen war er nie auf einen Staat namens "Keltien" gestoßen. Nun, wo auch immer sich diese Kelten heute aufhielten, von ihm würden sie keinen Groschen erhalten. Jawohl, er... Es klapperte leise, das Geräusch eines festen Gegenstandes, der auf den harten Fließenboden gestellt worden war. Erschrocken fuhr Sommer herum und lauschte. Eine seltsame Aufregung ergriff von ihm Besitz, eine von der freudigen Art. Endlich passierte hier mal etwas! Da Sommer bereits so lange auf diese Gelegenheit gewartet hatte, sich zu beweisen, wollte er unbedingt alles richtig machen. Also schwenkte er seine Taschenlampe in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und rief: "Halt! Wer da?" Hurra, wie lange hatte er das schon sagen wollen! Und wie toll das aus seinem Mund klang, so hart, richtig professionell... Der Schrei, den Sommer in der nächsten Sekunde von sich gab, klang da gleich weit weniger professionell, aber in Hinsicht auf die riesige, grüne Echse mit den langen, rasiermesserscharfen Zähnen, die kreischend den Schrei beantwortete, wirkte er noch beachtlich beherrscht. Die Echse, die kaum größer als ein normaler Erwachsener war, für eine bloße Echse jedoch zweifellos eine beachtliche Größe hatte, kniff die Augen zusammen, geblendet vom grellen Licht der Taschenlampe. Die Gelegenheit nutzte Sommer. Mit zittrigen Händen zog er seine Dienstwaffe - sein ganzer Stolz, eine frisch polierte Glock17 - aus ihrem Halfter, entsicherte sie hastig und schoss. Einmal, zweimal, dreimal,... Er wollte gar nicht mehr aufhören, zu schießen, solange die Echse noch stand. Und das tat sie, mit einem Ausdruck in den Augen, der irgendwie resigniert wirkte... Doch Sommer, war kein Mann, der sich leicht entmutigen ließ. Als das Magazin leergeschossen war und die Echse noch immer stand, wobei sie tatsächlich etwas gelangweilt wirkte, ergriff der Wachmann seinen Schlagstock und schleuderte ihn dem Wesen entgegen. Das öffnete das Maul und verschluckte das Wurfgeschoss einfach. Es rülpste, schmatzte und kratzte sich zufrieden am Bauch. Dann richtete es ein Paar giftgrüner Augen auf den Mann und fragte: "Was jetzt?" Von Monstern erwartete man tiefe, hässliche Stimmen, etwas von der dröhnenden Sorte, dass die Knochen in einem vibrieren ließ, oder wenigstens die Zähne klappern... Auf alle Fälle etwas beeindruckenderes, als eine normale Männerstimme, wie man sie auch von seinem Steuerberater haben konnte. Doch Tatsache war, dass die Echse die langweiligste Stimme hatte, die eine überdimensionale Echse mit langen Reißzähnen nur haben konnte... "Was treibt denn ihr da?", fragte eine Stimme, die bereits um Einiges bedrohlicher klang. Sie war vergleichbar mit der eines strengen Lehrers, der seine Schüler beim Rauchen erwischte. Und Sommers Reaktion darauf war schon vor langem zu einem Reflex geworden. Er wich zurück und versteckte seine Händer hinter dem Rücken, während sein Mund von ganz allein zu sprechen begann: "Gar nix!" Danach fiel ihm wieder ein, wer er inzwischen war, und er hob drohend seine Dienstwaffe. "Kommen Sie ins Licht, wo ich Sie sehen kann!" Leise Schritte ertönten und ein Mann trat neben die Riesenechse. Er beachtete den Wachmann nicht. Stattdessen strafte er die Echse mit strengem Blick. Die verzog ihr riesiges Maul zu einem verlegenen Lächeln, was einfach lächerlich wirkte, und murmelte: "Er hat angefangen.", wobei sie anklagend auf Sommer zeigte. Der Mann neben ihr musterte Sommer kurz, von oben bis unten, dann fragte er mit bedrohlich gesenkter Stimme: "Ist das tatsächlich deine Rechtfertigung?" Sein Blick fiel auf etwas knapp vor dem Monster, das bisher auch Sommer noch nicht aufgefallen war. Kein Wunder, dass die Echse den Kugelhagel unbeschadet überstanden hatte! Die Kugeln schwebten alle bewegungslos vor ihr in der Luft. Wie in jenem Kinofilm, den sich Sommer erst vor kurzem mit seinen Freunden angesehen hatte, so ein neumodischer Computerklamauk... Dies war der letzte Beweis dafür, dass all das bloß ein wirklich beeindruckend irrer Traum war. Der Mann neben dem Monster seufzte schwer, dann meinte er: "Was habe ich dir über Zauberei erzählt?" "Du hast gesagt, dass das nicht zum Spielen da ist.", murmelte die Echse kleinlaut. Der Mann nickte. "Großartig rezitiert. Aber warum hältst du dich nicht daran?" Die Echse schwieg betreten, also fuhr der Mann fort: "Das gleiche gilt übrigens auch für ...diese kleine Monstershow, die du uns hier vorführst." Bei diesen Worten vollführte er eine Handbewegung, welche die ganze Gestalt des Monsters bezeichnete. Die Echse senkte reumütig den Kopf und verwandelte sich in einen hochgewachsenen Jungen, wohl kaum älter als 16. Der Mann nickte. "Schon besser. Und nun erledige den Zeugen und komm." "Jawohl.", murmelte der Junge und vollführte eine flüchtige Handbewegung. Sommer starb, bevor er begreifen konnte, was mit ihm geschah. Der gleichzeitige Aufprall eines ganzes Magazins von Kugeln schleuderte ihn zurück, ließ ihn weit über die glatten Fließen rutschen und gegen eine weiße Kalkwand prallen. Dort blieb er regungslos liegen. Den Blick noch immer zu Boden gesenkt schlich der Junge an dem Mann neben ihm vorbei auf das Ende der Abteilung zu, der Mann folgte ihm. Die Taschenlampe, die Sommer nach wie vor in Händen hielt, zeigte zufällig genau in jene Richtung, sodass der Wächter den beiden nächtlichen Besuchern noch unfreiwillig den Weg leuchtete. Das war gut! "..., sodass der Wächter den beiden nächtlichen Besuchern noch unfreiwillig den Weg leuchtete." Azrej grinste, als sie sich die letzte Zeile in ihrem kleinen Notizblock noch einmal durchlas. ...den beiden nächtlichen Besuchern noch unfreiwillig... ...noch... Das passte irgendwie nicht. Enttäuscht runzelte Azrej die Stirn. Dabei war sie so nah dran, an dem perfekten Abschluss ihres kurzen Berichts. Er leuchtete ihnen ...nach seinem Ableben noch unfreiwillig den Weg. Er leuchtete ihnen ...seinen beiden Mördern... Nein, das stimmte nicht, denn nur der eine hatte gemordet. Der andere hatte es ihm bloß angeschafft. Er leuchtete ihnen ...irgendwie ...obwohl sie es gar nicht verdient hatten... Ach, verdammt. Er... Eine altbekannte Frauenstimme riss Azrej aus ihren Gedanken: "Und? Was hast du herausgefunden?" Es war Anija Klingentänzer, ihre Meisterin, die mit ruhigen Schritten auf ihre Schülerin zukam. Hastig erhob sich Azrej, die bisher an den Sockel einer Vitrine gelehnt am Boden gesessen hatte, und blätterte in ihrem Notizbuch nach vorn. Ja, was hatte sie eigentlich herausgefunden? Sie hatte sich schon wieder zu sehr von Unwesentlichem mitreißen lassen, statt sich auf die Fakten zu konzentrieren. Das würde Kritik geben... "Ich, äh...", begann Azrej nervös: "Ich ...äh, habe herausgefunden, dass die Angreifer hier gestanden haben mussten." Sie sprang an die Stelle rechts von der Vitrine, wo sie die schwachen Rückstände zweier Gegenwarten spüren konnte. "Hier stand der eine..." Sie wies auf ihre eigene Position. "..., und hier..." Sie zeigte auf den Platz neben sich. "...stand der andere. Der eine..." Sie zeigte wieder auf sich. "...hat eine Menge Energie fließen lassen... Ein Tarnzauber, schätz ich, was Auffälliges, ein Ganzkörpertrugbild oder sowas..." Sie hob die Hand und ließ sie an einem Punkt eine Armlänge vor ihrer Brust verharren. "Und hier...", fuhr sie fort: "...herrscht ein großes Ungleichgewicht, wie bei einem Riss in der Zeit. Ich rekonstruiere den Fall folgendermaßen: Der Wachmann stand dort." Sie deutete auf die Stelle einige Schritte vor ihr, von der ein paar Blutspritzer ausgingen und hinter der die blutige Schleifspur zur Leiche begann, die nach wie vor lässig an der Wand lehnte. "Er erschreckt sich wegen meines Tarnzaubers, zieht seine Waffe und schießt das Magazin leer. Ich... Ich spiel übrigens den Mörder. Also, ich beschwöre ein Zeitloch und lass die Kugeln darin stecken bleiben. Was übrigens die aufwendigste Lösung für mein Problem ist. Ein einfaches Kraftfeld hätte es auch getan... Aber egal, ich bin ein eingefleischter "Matrix"-Fan und will die Kugeln schweben lassen. Danach..." Schnell dachte Azrej nach. Sie durfte nun auf keinen Fall Realität mit Fiktion vermischen. Es war nicht gesagt, dass die andere Gegenwart über der einen stand. Genauso wenig konnte man sagen, wann sie hinzugestoßen war, wie und warum. Wo begannen also wieder die Fakten? "...Er hat die Kugeln zurückgeschleudert, wahrscheinlich in dem er sie ...auf einer Art ...Schockwelle surfen ließ... So würde ich es wenigstens versuchen." Die Meisterin blieb schräg hinter Azrej stehen, die Position, von der aus sie Azrej besonders nervös machen konnte, und fragte: "Gibt es irgendwelche Hinweise auf eine Schockwelle?" Azrej sah sich unsicher um. "N-n-nein...", stotterte sie und widerstand dem Impuls, sich zur Meisterin herumzudrehen. Was befürchtete sie eigentlich? Dass ihr die junge Frau ein Messer in den Rücken jagte? Verdammt, sie sollte wirklich einmal all ihre arationalen Ängste zu kontrollieren lernen, die vor engen Räumen, vor dicken Daunendecken,..., und die vor allen Personen, die sich hinter ihr befanden. Das war ja schon peinlich... Azrej zwang sich, fortzufahren: "Eine Schockwelle ist kein präziser Angriff, da wird ziemlich viel aus der Umgebung in Mitleidenschaft gezogen. Aber hier ist kein einziges Glas gesplittert. Folglich ...war es wohl doch keine Schockwelle, sondern ...eine Form der Levitation?" Hilflos zuckte Azrej mit den Achseln. "Gut.", sagte die Meisterin: "Dann lass mich mal die Romanfassung davon lesen." Erschrocken drehte Azrej sich herum und starrte die junge Frau verdattert an. "...Was?" "Dein Bericht." Fordernd streckte ihr die Meisterin die rechte Hand entgegen. Ohne die Bewegung wirklich zu registrieren, drückte Azrej ihr Notizbuch gegen ihre Brust und wich einen Schritt zurück. "Aber ...das ist nur die Rohfassung. Und hässlich geschrieben. Ihr werdet es nicht lesen können....Außerdem hab ich Euch doch schon alles gesagt, was ich weiß." Die junge Frau musterte Azrej prüfend, dann seufzte sie: "... Na los, gib schon her." Diesmal gehorchte Azrej. Sie wich zwei Schritte zurück und beobachtete die Meisterin dabei, wie ihre Augen über die erst kürzlich in größter Eile hingefetzten Zeilen glitten. (13.10.04) Die verzog keine Miene, hob nur die Augenbrauen leicht an, als sie eine bestimmte Stelle passierte. Wahrscheinlich die mit der La Tène-Kultur... Ja, die war ein wenig übertrieben. Der echte Sommer war sicher nicht so blöd gewesen, anzunehmen, die Kelten könnten noch in irgendeiner Form Rückzahlungen von diesem Staat verlangen. Würde schwer gehen, aus ihren trockenen Gräbern heraus. Azrej überlegte sich bereits, ob sie dazu eine Erklärung abgeben sollte - Sie hatte ja nur Spaß gemacht - als jemand auf leisen Sohlen neben sie trat. Azrej musste gar nicht erst hinsehen, um zu wissen, dass es ihr Mitschüler Simon war, der zweite Adept der Meisterin Anija. Dieser leise Gang, der war typisch für ihn. Er hatte einfach nicht das nötige Selbstbewusstsein, um bestimmt aufzutreten. Er beugte sich zu Azrej hinüber und fragte im Flüsterton: "Was liest sie denn da?" Azrej antwortete nicht. Als ob er sich das nicht selber denken konnte... Tatsächlich benötigte Simon nur wenige Momente, bis er leise bemerkte: "Oho... Sag mal, ist das nicht dein Notizbuch da, in ihren Händen?" Er stieß Azrej in die Seite und kicherte leise. "Du bist schon so gut wie gebraten und verspeist, meine Freundin. War mir eine Ehre, mit dir zusammen gedient zu haben." Die Meisterin sah kurz auf, zu der Leiche hin, und wandte sich dann wieder dem Text zu. Azrej und Simon folgten fragend dem kurzen Blick, Azrej aus ernster Besorgnis darüber, was die Frau überprüft haben könnte, Simon aus reiner Neugier. "Was hast du denn geschrieben?", erkundigte er sich: "Kommt wieder der mysteriöse, wortkarge Mann vor, der kalt grausame Befehle erteilt?" Azrej nickte. "Na logisch, ohne den geht's doch gar nicht mehr. Also, ich finde, der passt einfach in jeden Bericht gut hinein." "Stimmt, der passt.", bemerkte Meisterin Anija mit ruhiger Stimme. Erschrocken wirbelte Azrej wieder herum, Simon drehte sich etwas gemütlicher zurück. Die Meisterin streckte Azrej ihr Notizbuch entgegen. "Einen seltsamen Sinn für Humor hast du.", meinte sie mit einem leisen Lächeln auf den Lippen. Azrej wagte es kaum, das Lächeln zu erwidern. Jeden Moment würde nun die strenge Zurechtweisung kommen und das Strafmaß bekanntgegeben werden. Jeden Moment... Es war grausam, ihr diese Freundlichkeit vorzuspielen, bevor der Schlag kam. Azrejs Hand zitterte leicht - das war leider nicht zu verhindern, sobald Azrej nervös wurde - als sie ihr Notizbuch entgegennahm und in die kleine Ledertasche an ihrem Gürtelband zurücksteckte. Sie wartete noch immer. Die Meisterin nickte ihr noch einmal zu, bevor sie sich an Simon wandte. Der blickte verwirrt zu Azrej hin. Hilflos zuckte diese mit den Schultern. Wo in drei Teufels Namen war das Donnerwetter geblieben? Meisterin Anija hatte die beiden Adepten erst vor kurzem übernommen, da deren alter Meister, Fenric Klingentänzer, mit drei anderen Meistern aus der Tradition der Klingentänzer für eine langwierige Mission ausgesucht worden war und dabei keine halb ausgebildeten Adepten brauchen konnte. Meister Fenric war ein schon älterer Herr gewesen, der noch die alte Schule unterrichtete. Und eine der Grundsätze in der alten Schule war die Ernsthaftigkeit bei der Arbeit gewesen. Azrejs Neigung dazu, ihre Berichte in Form von Abenteuererzählungen abzufassen, war ein grober Verstoß gegen diese Grundregel gewesen. Daher war es Azrej gewöhnt, nach der Entdeckung ihrer Schandtat mit Strafaufgaben eingedeckt zu werden. Nun ja, es mussten keine Strafaufgaben sein, aber wenigstens ein bisschen Geschrei, ein finsterer Blick,... Ein leises Lächeln hatte sie wenigstens bisher noch nie dafür bekommen. ...War das die Bestrafungstechnik der neuen Schule? Wo war der Haken bei dieser Sache? Misstrauisch beobachtete Azrej die junge Meisterin, die ihre aufmerksamen Augen auf Simon gerichtet hatte. "Ich habe die Liste verglichen.", begann Simon mit seinem Bericht: "Und es fehlt nur ein Ausstellungsstück, aus der Reformationsabteilung, ein Anhänger in Form eines Kreuzes, aus dessen Mitte ein Frosch kriecht, angeschrieben als "Frau Korns Kreuz". Es ist vier Zentimeter groß und aus Bronze. Herr Gruber, ein Führer, hat mir erzählt, dass jene Frau Korn eine ...äh, wie heißt das Wort?" "Lokal.", half Azrej, wie sie es immer tat, wenn Simon stecken blieb.(15.04.04) "Ja,...", fuhr Simon fort: "...eine lokale Berühmtheit ist, als Gegenstand der üblichen kleinstädtischen Hexenerzählung, von wegen ruhelose Seele, hungrig auf junges Menschenfleisch,... Eben die ganze Palette." Das war ein großes Wagnis. Simon hatte es gewagt, einen Bericht in die formlose Alltagssprache abstürzen zu lassen. Meister Fenric hätte ihm nun eine leichten Klaps auf den Hinterkopf gegeben und ihm einen mahnenden Blick zugeworfen. Beide Kinder warteten gespannt darauf, wie ihre neue Meisterin reagieren würde. Die zog nach wenigen Augenblicken erwartungsvollen Schweigens verwundert die Augenbrauen hoch, sah Simon an, blickte danach über ihre rechte Schulter zu Azrej hin und zuckte schließlich seufzend mit den Schultern. "Also, irgendwie hab ich das Gefühl, es wird gerade etwas ganz bestimmtes von mir erwartet, aber ich komm nicht darauf, was. Gebt mir einen Tipp." Azrej und Simon warfen sich verwirrte Blicke zu. Sie hatte es gar nicht gemerkt! Konnte das sein? Eine voll ausgebildete Wächterin hatte nicht bemerkt, dass... Dabei war die Fertigkeit des formellen Redens fixer Bestandteil der Wächterausbildung. Man musste wissen, wie man wo zu reden hatte... Simon fand als erster seine Sprache wieder. Er meinte: "Ich bin mitten im Bericht auf Umgangssprache umgestiegen." Die Meisterin musterte ihn irritiert, dann lachte sie. "Oh, soll mich das jetzt beeindrucken? ...Ach, so meinst du das!" Sie legte sich ihre Hand auf die Stirn. "Tut mir leid, diese Denkweise bin ich gar nicht mehr gewohnt. Also..." Sie hob belehrend den Zeigefinger und meinte, bemüht würdevoll: "Dass mir das nie wieder vorkommt, ja?" Sie blickte Simon fragend an. "Stimmt das so?" Simon war sichtlich so komplex, dass er nur noch geistesabwesend nicken konnte. Die Meisterin lächelte wieder, danach drehte sie sich zum Abreilungsausgang um und bemerkte: "Was man nicht so alles tut, für seine Schüler." Sie ging davon, nicht hoch aufgerichtet wie das Selbstbewusstsein in Person, und auch nicht steif wie ein Soldat. Nein, ihr Gang erinnerte mehr an das eines kleinen Mädchens. Simon trat neben Azrej und beide Adepten sahen ihrer neuen Meisterin verblüfft hinterher. Schließlich bemerkte Azrej leise: "Ich glaube, ich habe mich gerade in meine Meisterin verliebt." Simon grinste. "Na, und ich erst." Die beiden warfen sich verständnisvolle Blicke zu, bevor sie sich beeilten, wieder den Anschluss an die junge Frau zu finden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)