Blood red eyes von abgemeldet
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Kapitel 3:
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Kapitel 3
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Kim ging sehr kritisch mit ihrem Werk um.
Beim Malen von Portraits begann sie am liebsten mit dem Haar. Wenn das Haar
stimmte, war die Sache schon halb gewonnen.
"Sein Haar ist pechschwarz", murmelte sie und zuckte zusammen. Woher wusste sie
das?
Sie hatte absolut keine Ahnung. Sie wusste es eben.
Sie mischte Schwarz mit Blau. Lächelnd tauchte sie einen schmalen Pinsel in die
Farbe. Mit festen, sicheren Strichen begann sie das Bild. Fast tollkühn malte
sie einige lange Strähnen, die sich um sein Gesicht schmiegten. Genau so würde
sein Haar aussehen, wenn es ihn wirklich geben würde.
Aber es gibt ihn, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. Adonis ist so real wie Jody.
Kim runzelte die Stirn. Das konnte nicht sein.
Sie schaute immer wieder auf sein Gesicht. Er lächelte nicht mehr. Seine Miene
war ungeduldig.
Plötzlich verzog er sein Gesicht. "Beeil dich", sagte er mit schwerem,
französischem Akzent.
Kim erstarrte. "Hast du etwa gesprochen?"
Nein, das war absolut unmöglich. Sie musste sich das eingebildet haben.
Sie schüttelte den Kopf und arbeitete weiter an seinem Haar.
Erst als sie auf die Uhr schaute, merkte sie, dass schon mehr als eine halbe
Stunde verstrichen war, seit die Klasse zum Vorführraum gegangen war. Gleich
ist Schluss, dachte sie traurig. Es bleibt noch so viel zu tun, und ich habe nur
so wenig Zeit.
Sie seufzte. Sie würde es kaum schaffen, bis zum Wochenende fertig zu werden.
Sie mischte Braun mit Schwarz, tauchte den Pinsel in die Muschung und gab seinen
Augen Farbe und einen feurigen Blick.
War er wütend auf sie, weil sie nicht schnell genug arbeitete? Ich will leben!
schien er zu schreien.
"Du musst schon warten, bis ich mit dir fertig bin", sagte sie laut und musste
über sich selbst lachen. Jetzt redete sie schon mit ihrem Bild!
Sie überlegte gerade, welche Farben sie für seinen Teint nehmen sollte, als
die Schulglocke erklang.
"Himmel!" rief sie. Waren die fünfzig Minuten wirklich schon vorbei?
Unmöglich.
Sie schaute wieder auf die Uhr. Tatsächlich. Sie musste sich beeilen, um
rechtzeitig in den Geschichtsunterricht zu kommen.
"Armer Adonis", flüsterte sie. "Ich hatte gehofft, heute mehr zu schaffen. Ich
hasse es, dich so unfertig zurückzulassen."
Verlass mich nicht, schien er sie anzuflehen.
Aber Kim wusste, dass ihr nur ihre Einbildung einen Streich spielte. Er konnte
nicht reden. Er war ein Geschöpf ihrer Fantasie, nicht mehr.
Schweren Herzens räumte sie die Farben weg. Aber sie hatte keine andere Wahl.
Miss Killen unterrichtete danach eine andere Klasse und würde nicht erlauben,
dass Kim blieb und weiter an dem Bild arbeitete..
Außerdem würde sie nachsitzen müssen, wenn sie zu spät zum
Geschichtsunterricht kam. Und dann würden ihre Eltern ihr eine Woche Hausarrest
verpassen.
Nein, das darf ich nicht riskieren, dachte sie.
Als sie zu Adonis aufsah, sah sie die Traurigkeit in seinen dunklen Augen. Fast
hätte sie nicht die Kraft gehabt, ihn allein zu lassen.
Schnell wandte sie sich ab, um die restlichen Töpfe wegzuräumen. Sie musste
sich beherrschen, um vor Kummer nicht laut loszuheulen.
"Du bist immer noch hier, Kim?" fragte Miss Killen, als sie den Kunstraum
betrat.
"Tut mir Leid", entschuldigte sich Kim hastig. "Ich war gerade dabei, meine
Sachen wegzuräumen."
"Beeil dich. Meine nächste Klasse kommt in ein paar Minuten." Währens sie
sprach, kam Miss Killen heran und warf einen Blick auf Adonis. "Du lieber
Himmel! So schwarze Haare und Augen! Ich hatte sie mir heller vorgestellt."
"Nein, er hat ganz schwarzes Haar", sagte Kim und wunderte sich, woher sie das
wusste.
Die Lehrerin musterte sie nachdenklich. "Du steckst eine Menge Arbeit in dieses
Projekt."
Kim zuckte mit den Schultern. "Na ja." Es war ihr fast peinlich, in dieser Weise
über Adonis zu reden. Für sie war er mehr als ein Projekt geworden. Aber sie
hatte Angst, mit Miss Killen darüber zu reden. Das kann sie nicht verstehen,
dachte sie.
Miss Killen war sicher nicht die einzige, die damit Schwierigkeiten haben
würde. Jody würde fuchsteufelswild sein, wenn er hörte, wie sehr Kim
inzwischen an Adonis hing. Damit er nichts davon erfuhr, musste sie Karrie
gegenüber den Mund halten. Und das bedeutete wiederum, dass sie auch Janie
nichts verraten durfte. Janie war zu jund und naiv, um ein solches Geheimnis
für sich zu behalten.
Also bleibts zwischen uns beiden, Adonis, dachte sie.
Und sie bildete sich ein, dass bei diesem Gedanken das Lächeln auf sein
attraktives Gesicht zurückgekehrt war.
"Ein außergewöhnliches Portrait." Miss Killen musterte das angefangene Bild.
"Ich kann kaum erwarten, es fertig zu sehen."
"Ich auch nicht." Plötzlich beschlich Kim eine andere Sorge. Was würde
passieren, wenn das Gesicht vollendet war?
Was geht hier vor, Adonis? fragte sie ängstlich.
Was willst du von mir?
Aber er schwieg.
"Na, heute konntest du dich wohl gar nicht von deinem Liebsten trennen, was?"
fragte Jody ätzend.
"Was soll das?" fragte Kim und weigerte sich, auf sein Spielchen einzugehen.
"Du weißt genau, von wem ich rede. Von diesem Adonis. Karrie hat mir heute
erzählt, dass du heut an seinem Bild gearbeitet hast, während sich alle
anderen einen Film angesehen haben."
Er platzte fast vor Eifersucht. Kim war froh, dass sie sich nur am Telefon
unterhielten, und sie den misstrauischen Ausdruck in seinen Augen nicht sehen
musste. Natürlich war er früher schon eifersüchtig gewesen. Aber nur auf
Menschen aus Fleisch und Blut, und nicht auf ein unschuldiges Kunstprojekt. Kim
wusste nicht, wie sie mit dieser neuen Situation umgehen sollte.
"Also, wie ists gelaufen?" Er war offensichtlich irritiertm weil Kim nicht
gleich antwortete.
"Ziemlich schleppend."
"Du hattest Angst, seine hübsche Fratze zu verunstalten, stimmts?" Er klang
immer gereizter.
Kim lachte. Sie konnte es nicht fassen. "Mensch, Jody. Wenn uns jemand zuhört,
der denkt doch, dass du von einem richtigen Menschen redest."
"Leider scheint der Kerl für dich ja inzwischen mehr zu sein als nur eine
Ausgeburt deiner Fantasie", meinte er abfällig.
Was mach ich bloß mit ihm? dachte Kim verzweifelt. Am liebsten hätte sie ihm
klipp und klar gesagt, wie blöd er war. Aber das würde nichts bringen.
Jody hatte schon immer zum Jähzorn geneigt. Jetzt hatte er sich wegen Adonis in
Rage gebracht, und Kim zerbrach sich den Kopf, wie sie am besten das Thema
wechseln konnte.
Zum Glück übernahm Jody das für sie. "Okay, ich mach jetzt Schluss. Ich weiß
dass du noch ne Menge Hausaufgaben für Französisch machen musst. Aber eins
sage ich dir: Ich habs satt, ständig etwas von diesem Kerl zu hören."
"He, ich habe ihn mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt", wehrte sich Kim. "Sag
lieber Karrie, sie soll den Mund halten."
Warum hat die blöde Kuh die Sache aus dem Kunstunterricht weitergetratscht?
fragte sich Kim, nachdem sie aufgelegt hatte. Ich habe ihr doch heute morgen
klargemacht, dass sie Adonis Jody gegenüber nicht mehr erwähnen soll.
Anscheinend hatte Karrie das nicht mitbekommen. Und wieder einmal hatte sie,
bewusst oder unbewusst, dafür gesorgt, dass Kim und Jody sich stritten.
Kim widerstand der Versuchung, Karrie anzurufen und ihr gehörig die Meinung zu
sagen. Sie würde es auf den Morgen verschieben, wenn sie zur Schuld gingen.
Irgendwie war sie plötzlich sehr müde. Unbewusst sehnte sie sich danach, ins
Bett zu gehen und wieder von Adonis zu träumen.
Sie schlief sofort ein, aber ihr Schlaf war traumlos. Als sie am nächsten
Morgen erwachte, lag ihr Tagebuch auf dem Nachttisch.
Wie kommt das dorthin? fragte sie sich.
Sie blätterte durch die Seiten bis zur letzten Eintragung. Sie war kurz, knapp
und nicht in ihrer Handschrift geschrieben:
Kim war geschockt. Ein Fremder hatte etwas in ihr Tagebuch geschrieben!
Aber wie war er in ihr Zimmer gekommen? Wie war er überhaupt ins Haus gekommen?
Und wieso hatte niemand etwas gehört, weder ihre Eltern noch sie selbst?
Oder war sie das vielleicht sogar selber gewesen?
Da fiel ihr Blick auf ihren eigenen Eintrag von der Nacht davor.
Was habe ich am Dienstag geträumt? grübelte sie. Er hat französisch
gesprochen, und ich habe jedes Wort verstanden?
Unmöglich!
Er möchte, dass ich sein Bild schnell weitermale? Nun, das konnte sie
verstehen. Auch sie wollte das.
Aber ich kann mich weder an den Traum erinnern, noch daran, etwas aufgeschrieben
zu haben.
Kim wünschte, sie könnte mit jemandem über die sonderbaren Ereignissen
sprechen. Aber sie konnte weder Janie noch Karrie trauen, und Jody war der
Letzte, der Verständnis haben würde. Er wollte bestimmt nicht hören, dass
Adonis schon in ihren Träumen erschien.
Aufgewühlt duschte Kim und wusch sich das lockige, rotbraune Haar. Die ganze
Zeit dachte sie an Adonis und die Einträge in ihrem Tagebuch.
Ich soll einsehen, dass er Wesley heißt und nicht Adonis? Und wenn ich es tue,
wie soll ich das den anderen erklären? Sie war total verwirrt.
Mit wem kann ich darüber bloß reden? fragte sie sich, während sie ihr Haar
föhnte.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Lori Sanders!
Sie war mit Lori in der Grundschule befreundet gewesen. Seit der High School
hatten sie sich aus den Augen verloren. Lori war nämlich ein klein wenig
seltsam geworden.
Sie trug ihr schwarzes Haar ganz glatt und lang, kleidete sich nur in Schwarz,
schminkte ihr blasses Gesicht dramatisch mit dunklen Farben und glich mehr und
mehr einer Figur aus einem Horrorfilm.
Impulsiv griff Kim nach dem telefon und wählte aus dem Gedächtnis Loris
Nummer. Seltsam, dachte sie. Sie hatte Lori seit mehr als vier Jahren nicht
angerufen, aber sie erinnerte sich an die Zahlen, als sei es gestern gewesen.
"Hallo", meldete sich Lori.
"He, ich bins, Kim. Hast du nen Moment Zeit?"
"Eigentlich nicht. Ich mache mich gerade für die Schule fertig, Kim",
antwortete Lori geradeheraus. "Was gibts?"
"Ich muss mit dir reden."
"Na, dann schieß los." Loris Tonfall klang so, als wären sie noch immer die
besten Freundinnen.
"Nein, nicht am Telefon. Bist du heute in der Schule?"
"So wie jeden Tag. Das weißt du doch. Kannst du mir nicht wenigstens einen
kleinen Tip geben, worum es geht?"
"Um eine ganz seltsame Sache, Lori. Ich weiß nicht, mit wem ich sonst darüber
reden soll."
"Nun, trotz allem, was du vielleicht gehört hast, befasse ich mich nicht mit
Hexerei, Kim. Ich sehe vielleicht aus wie Morticia Addams, aber was Okkultismus
angeht, habe ich null Ahnung."
"Können wir uns wenigstens unterhalten?" flehte Kim.
"Klar." Lori hielt einen Moment inne. "Hör zu. Ich habe eine Freundin in der
Parker High School. Ihr Name ist Amber Crane. Das sagt dir nichts, oder?"
"Nein."
"Nun, sie ist dehr clever und kennt sich auf vielen Gebieten aus", erklärte
Lori. "Warum treffen wir drei uns nicht einfach mal? Oder kann das, was du mit
mir bereden willst, nicht so lang warten?" wollte sie dann wissen.
"Muss es dann wohl", seufzte Kim.
"Ist es denn echt so wichtig?"
"Wichtig? Eher gruselig."
"Warum redest du nicht mit Karrie und Janie? Ihr seid doch noch Freundinnen,
oder?"
"Janie ist zu jung, und Karrie tratscht alles an Jody weiter."
"Und Jody soll nichts davon wissen?" fragte Lori leise.
"Nein."
"Also gehts um einen Typen."
"Äh, sozusagen."
Lori lachte. "Ich kenne Jody nicht gut, aber nach dem, was ich gehört habe,
scheint er ziemlich eifersüchtig zu sein. Okay, genug davon. Warum kommst du
nicht heute abend so um fünf vorbei? Ich rufe Amber an und sag ihr Bescheid.
Sie ist noch ein bisschen verrückter als ich, aber sie ist in Ordnung."
"Kann sie den Mund halten?"
"Kim, sie geht auf die Parker High", wiederholte Lori. "Sie kennt unsere Freunde
nicht einmal. Du brauchst dir wegen ihr wirklich keine Sorgen zu machen."
Kim bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen. "Es tut mir Leid, dass ich so lang
nichts habe von mir hören lassen, Lori..."
"He, das ist nicht deine Schuld. Ich hätte mich ja auch mal bei dir melden
können. Vor ein paar Jahren sind wir eben auseinandergedriftet, und ich bin
sicher, wenn das hier vorüber ist, werden wir wieder verschiedene Wege gehen.
Aber ich spüre, dass du Hilfe brauchst. Hoffentlich können Amber und ich etwas
für dich tun."
"Das hoffe ich auch."
Aber Kim hatte keine großen Erwartungen. Die Sache mit Wesley/Adonis war
einfach zu verrückt. Lori und Amber würden vermutlich genauso fassungslos sein
wie sie.
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