Medea
Ich zog in Richtung Osten, erkundete Europa. Mein Zorn wich der Neugier, ich hätte nicht gedacht, dass
die Welt so gross sei, dass es so viel zu entdecken gab.
Irgendwo an der Donau traf ich das erste mal einen Werwolf. Treffen ist vielleicht übertrieben, ich sah
ihn auch der Ferne und hütete mich davor, von ihm bemerkt zu werden. Wie mir erst später klar wurde,
hatte mich das gerettet, ich wäre Chancenlos gewesen.
Ich landete schlussendlich in Konstantinopel. Ich bin nicht religiös, aber als ich in der Hagia Sophia
stand, empfand ich eine Ehrfurcht, die Glauben ziemlich nahe kam. Ich beschloss eine Weile in dieser
Stadt zu bleiben.
Und dann traf ich sie, ich schlenderte gerade durch eine dunkle Gasse, in der sich wohl nur Diebe und
Mörder aufhielten, als mir eine Frauengestalt auffiel. Ich sah etwas genauer hin und erkannte die
blonde Vampirin von damals. Sie stand anscheinend verloren in da, an eine Hauswand gelehnt, von der
der Verputz abblätterte. Sie musste auf Beutezug sein.
sie schien mich noch nicht bemerkt zu haben, also zog ich mich tiefer in den Schatten einer Seitengasse
zurück und beobachtete. Nach einer Weile tauchte ein angetrunkener Mann auf. Er schwankte leicht und
als er Die Vampirin sah, lachte er, holte eine Münze hervor und fuchtelte ihr damit vor der Nase herum.
Dazu lallte er etwas, dass ich nicht verstand.
Die Bewegung war blitzschnell, und schon lag er hilflos in ihren Armen, sie trank und liess ihn
anschliessend zu Boden fallen.
"Nicht meine Taktik, aber ein interessantes Schauspiel, nicht wahr" sagte eine leise Stimme direkt neben
meinem Ohr. Ich fuhr herum. da stand sie direkt vor mir. Ihre goldenen Augen blickten direkt in meine,
ich sah ihre makellose Haut, ihren perfekten Körper und ihre schwarzen Locken. "Du hast tatsächlich
überlebt" sagte sie und strich mir mit der Hand über die Wange. "Ich wusste, dass du etwas besonderes
bist." Ich war völlig perplex, konnte mich nicht rühren und wusste nicht was tun. Sie küsste mich und
langsam meldete sich mein Verstand zurück.
Die Blonde Vampirin kam auf uns zu, an ihren Lippen hing ein letzter Tropfen Blut.
"Sieh mal wen wir hier haben" begrüsste sie die Schwarzhaarige, "Alexandre wird uns heute Gesellschaft
leisten." Woher kannte sie eigentlich meinen Namen. Dann dämmerte es mir, sie las meine Gedanken,
was sonst, immerhin hatte ich die Fähigkeit von ihr. Ich war so verwirrt gewesen, dass es ihr bestimmt
leicht gefallen war. Sie lachte, als sie meinen Gedankengängen folgte. Trotzig verschloss ich meine
Gedanken.
"Nur wenn ihr mir eure Namen sagt" erwiderte ich, nur um nicht ganz nach ihrer Pfeife zu tanzen.
"Ich bin Medea und das ist Hiltrud" antwortete mir die Schwarzhaarige. "Gehen wir!"
Sie wohnten in einem kleinen Haus am Stadtrand. Es hatte einen Garten mit alten Bäumen, mir gefiel es
da sofort. Da es bald hell wurde, legten wir uns hin. Seit langem verbrachte ich mal wieder einen Tag
mit der Sicherheit, nicht von einem Menschen überrascht zu werden. und dazu noch in Medeas
Gesellschaft. Ich war glücklich.
Am nächsten Abend gingen wir gemeinsam auf die Jagd. Medea hatte im bald einen jungen hübschen
Mann um den Finger gewickelt. Sie tötete ihn nicht, trank nur wenig und er ging verliebt davon, ohne
sich zu erinnern, was genau geschehen war.
Das konnte ich auch, und das wollte ich auch zeigen. Ich wählte mein Opfer sorgfältig aus, ein junges
Mädchen mit langen Haaren und einem hellen Kleid. Ich sprach sie an, machte ihr ein paar Komplimente
die sie zum erröten brachten. Widerstandslos liess sie sich beissen. Doch als ich ihr diese Erinnerung
aus dem Gedächtnis löschen wollte, lief etwas schief. Sie schrie nicht, aber ihr Gesicht nahm einen
panischen Ausdruck an, die begann zu zittern. Einen Moment lang war ich völlig hilflos, ich hörte
Medea leise lachen. Dann beruhigte sich das Mädchen wieder warf mir noch einen Blick zu und eilte
davon.
Medea kam hervor. "Nicht schlecht fürs Erste" sagte sie mit einem herablassenden lächeln. Ich war
wütend, wieso musste ausgerechnet jetzt so etwas passieren, ausgerechnet wenn Medea zusah. Und
ohne sich darum zu kümmern fuhr sie fort: "Und das hast du dir ganz allein beigebracht?"
Ich konnte mich nicht mehr beherrschen: "Wer hätte es mir den beibringen sollen. Du bist ja gleich
abgehauen und hast uns allein zurückgelassen. Ohne uns darauf vorbereitet zu haben, was sein würde.
Raphael hat es fast das Herz gebrochen und ich konnte mich nur mit Müh und Not durchschlagen."
Sie lächelte nur kalt: "Und jetzt? Du lebst noch und Raphael geht es gut. Was willst du? Soll ich dir mein
Mittleid schenken?"
"Dein Mittleid kannst du dir sparen" schrie ich.
"Das mach ich auch, du bist es nicht wert", sagte sie kalt. Ich werde den Blick mit dem sie mich damals
ansah, nie vergessen.
Ich drehte mich und lief davon. Bloss weg von ihr. Sie hatte mich gerade gedemütigt, meinen Stolz
verletzt, und das ertrug ich überhaupt nicht.
Erst viel später wurde mir klar, dass das Missgeschick bei dem Mädchen vielleicht doch nicht ganz
zufällig war. Medea hatte mir dazwischengefunkt, wieso weiss ich nicht. all die Jahre, die ich sie jetzt
schon kenne, habe ich nie verstanden was in ihr vorgeht.
Diese Begegnung sollte nicht die Einzige bleiben und immer endeten sie ähnlich. und verbindet eine Art
Hassliebe, wir halten es kurze Zeit miteinander aus, erleben einige Leidenschaftliche Augenblicke und
dann zerstreiten wir und wieder.
Selbst heute, nach so vielen Jahren, hat sich das nicht geändert. Manchmal habe ich das Gefühl, Medea
spielt nur mit Männern, jedenfalls tat sie das. Jetzt ist sie in einer festen Beziehung, ich hoffe für ihren
Partner, dass sie ihn ernst nimmt.
Als ich mir einige Nächte später die Ereignisse noch mal durch den Kopf gehen liess, wurde ich auf
Medeas Satz "Raphael geht es gut" aufmerksam. hatte sie Kontakt zu ihm, oder hatte sie das einfach in
meinen Gedanken gelesen? das zweite war eher unwahrscheinlich, ich hatte Raphael schon lange nicht
mehr gesehen, und hatte keine Ahnung, wie es ihm ging. Und Amabel, lebte sie überhaupt noch?
Ob er noch wütend war?
und wieder einmal beschloss ich, Raphael zu besuchen. ich machte mich auf den Weg und es sollte
noch eine Weile Dauern, bis ich in Frankreich ankam.