Alexandre von Skorpion ================================================================================ Kapitel 8: Problematische Beziehung ----------------------------------- Problematische Beziehung Auch dieses mal bestand Raphael darauf, dass ich auf dem Strohsack schlief. Wir legten uns hin. Doch eins liess mir keine Ruhe. "Raphael?" fragte ich leise. Er drehte sich zu mir um. "Wie stellst du dir euer zusammenleben eigentlich vor? Momentan scheint es ja gut zu laufen, aber hast du schon mal daran gedacht, dass du unsterblich bist? Ich meine, während sie alter wird, bleibst du ewig jung." Raphael seufzte: "Ich weiss, ich habe mir schon oft den Kopf darüber zerbrochen. Aber die Zeit, di ich mit ihr glücklich sein kann, ist es mir Wert, einen Verlust hinzunehmen." Nach einer kurzen pause fügte er hinzu: "Und vielleicht finde ich ja eine Lösung." "Es gibt eine einfache Lösung, das weist du" sagte ich, aber ich zweifelte dass er es auch so sah. Weil er nicht antwortete fuhr ich fort: " Du kannst sie einfach zum Vampir machen, dann könnt ihr für ewig zusammenbleiben." "Diese Lösung habe ich auch schon in Erwägung gezogen, aber weder Amabel noch ich wollen das. Es ist schon genug schwer für mich, diese Last zu tragen, ihr will ich das auf keinen Fall antun." "Vampirsein ist doch gar nicht so schlimm, mache Fähigkeiten machen doch auch Spass." Auch wenn ich wusste, dass Raphael nicht so dachte, ich verstand ihn nicht ganz und konnte es nicht lassen, ihn ein wenig zu provozieren. "Entschuldigung wenn ich das nicht so sehe, ich glaube, du läufst einfach vor deiner Schuld davon. Du benutzt deinen Spass an deinen Fähigkeiten um nicht daran denken zu müssen, das deinetwegen Menschen sterben." Jetzt war es an mir, gereizt zu sein. " Raphael, sag so was nicht, es ist mir durchaus klar, dass ich Menschen umbringe, aber irgendwie muss ich ja leben." Er schwieg. Lange Zeit schwiegen wir. Wir dachten beide nach. Inzwischen ist mir klar, dass ich wütend war, weil Raphael eigentlich Recht hatte. Ihm ging es wohl genau so, aber ich war zu stur, um es zuzugeben. Irgendwann ging die Sonne auf, ich wurde müde und schlief ein. Als wir am nächsten Abend in die Stube gingen, erwartete uns Amabel schon. "Was ist los?" Wollte sie wissen. Mir war gar nicht aufgefallen, dass wir beide schwiegen und vermieden uns anzusehen. "Nichts" antworteten wir gleichzeitig. Amabel zuckte mit den Schultern, ging zum Feuer und stocherte etwas in der Glut. Ich wollte sie gerade fragen, ob sie nicht auch ein Vampir werden wolle, als ich Raphaels Blick bemerkte. Ich schloss den Mund wieder. Die Situation war mir äusserst unangenehm. Ich brauchte nicht lange, um mich zu entscheiden. "Ich ziehe weiter" sagte ich "danke für eure Gastfreundschaft" Ich drehte mich zur Tür: "Wieso schon jetzt?" Hörte ich Amabel fragen. Ich zögerte einen Moment, aber ich konnte es ihr nicht erklären. Raphael hatte nichts unternommen, um mich zurückzuhalten. Er würde sich schon etwas einfallen lassen. Ich drehte mich noch mal um, nickte ihnen zu. "Auf Wiedersehen." Ich fand mich auf der Landstrasse wieder. Wieso musste das passieren. Seit unserem Wandel verstanden wir uns nicht mehr so gut. Die kleinen Unterschiede zwischen uns schienen sich verzehnfacht zu haben. Einerseits schämte ich mich, davongelaufen zu sein, anderseits sah ich keine bessere Alternative. Ich hatte keine Lust, mich in die Beziehung zwischen Amabel und ihm zu mischen. Es war nicht mein Problem, wenn sie alt würde und auch nicht wenn er allein zurückblieb. Er kannte den einzigen Ausweg, und den wollte er nicht. Nein, es war wirklich nicht mein Problem. Aber da war auch noch etwas anderes, das mich in die Flucht getrieben hatte. Raphael war stärker als ich. Ich hatte es gleich bemerkt. Nicht nur, dass er seine Kräfte eher bemerkt hatte und auch damit umgehen konnte. Wie hatte er es geschafft, sich unbemerkt an mich heranzuschleichen. Mir fiel auf, dass ich nie auf die Idee gekommen wäre ihn anzugreifen. Natürlich, es gab keinen Grund dazu, er war mein Freund, aber hätte ich ihn nicht gekannt, ich hätte ihn nicht angegriffen. Ich hatte instinktiv gemerkt, dass er stärker war. Und genau dieses Wissen ärgerte mich. Ich war es gewohnt, der Stärkere zu sein. Sicher, Raphael hatte mich schon einige male übertrumpft, doch so Stark wie dieses mal, war es noch nie gewesen. Der Wunsch stärker zu werden trieb mich die folgenden Jahre an. Ich zog durchs Land, trainierte meine Fähigkeiten und forderte jeden Vampir der nicht gerade zu stark war heraus. Wenn ich zurückdenke muss ich zugeben, dass ich ziemlich leichtsinnig war. Mit mehr Glück als Verstand überlebte ich gefährlichste Situationen. Schnell erkannte ich, dass das Blut anderer Vampire nahrhafter war, und dass ich dadurch auch etwas stärker wurde. Doch meine Taten blieben nicht lange unbemerkt. Die Clans begannen mich zu suchen, zu jagen. Glücklicherweise erkannte ich die Gefahr früh genug und verliess Frankreich. Unbemerkt segelte ich im Frachtraum eines Handelsschiffes nach England. Ich nahm mir vor, unauffälliger zu sein, keine Vampire herauszufordern, wenigstens nicht sofort. Ich liess mich in einer kleinen Stadt auf dem Friedhof nieder. Ich hielt mich an meine Vorsätze, trainierte weiter meine Fähigkeiten und dachte viel nach. Oft dachte ich an Raphael. Ob er mitbekommen hatte, dass ich gejagt wurde. Wusste er, dass ich noch lebte oder glaubte er mich tot. Und hatte er eine Lösung für sich und Amabel gefunden? Und wie stark war er jetzt. War ich inzwischen stärker? Wahrscheinlich war das der Fall, ich war wirklich stärker geworden. Aber jetzt konnte ich nicht zurückkehren. Frankreich war zu gefährlich geworden. Ich musste erst mal abwarten, bis sich die Geschichte verjährt hatte. Ich zog umher, in den Norden hinauf und wieder in den Süden. Ich lernte meine Fähigkeiten des Gedankenlesens zu schätzten, denn sie ermöglichte es mir, andere Vampire zu entdecken, bevor sie mich fanden. Ich ging ihnen aus dem Weg. Nach acht Jahren beschloss ich zurückzukehren. Der Gedanke an Raphael war ich nicht losgeworden, und schon gar nicht, was mit Amabel geschehen würde, sie musste inzwischen dreissig sein. Ich ertappte mich öfters beim Gedanken, Raphael die Arbeit abzunehmen, und sie selbst zum Vampir zu machen. Und bei jedem mal gefiel mir die Idee besser. Die beiden könnten für immer zusammensein, und falls Amabel Probleme mit ihrem Vampirdasein hatte, wäre nicht Raphael der Schuldige, sondern ich. Ausserdem hatte ich viel gelernt, ich war überzeugt, Raphael ebenbürtig zu sein, wenn nicht sogar stärker. Er würde mir also nichts anhaben können. Begeistert von meinem Plan machte ich mich auf den Weg zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)