Wir sind keine Engel von Lethtendris (Oder doch?) ================================================================================ Kapitel 17: Bloody Valentine ---------------------------- Wir sind keine Engel Kapitel 17: Bloody Valentine Ken war mehr als betrübt über die verlorene Wahl zum Mitarbeiter des Monats. Da er nun für die kommende Woche die doppelte Hausarbeit zu erledigen hatte, musste er das Fußballtraining absagen. Er hatte alle Mitglieder seiner Jugendmannschaft angerufen und sie über den Ausfall informiert, was allerdings bei den Jungen zu großer Enttäuschung geführt hatte. Omi hingegen freute sich über seinen Sieg, so hatte er endlich wieder einmal genügend Freizeit für sich. Zusätzlich musste er an zwei Tagen nicht im Blumenladen arbeiten, da Ken und Yohji ihr Versprechen einlösten und an ihrem freien Tag die Schicht für ihn übernahmen, schließlich hatte er durch seine Recherchen Aya glaubhaft davon überzeugen können, dass Schwarz momentan keine Problemquelle darstellten. Zunächst einmal hatte er sich vorgenommen ein wenig Schlaf nachzuholen, außerdem konnte er so mit seinen Schulfreunden nach dem Unterricht etwas unternehmen und musste nicht immerzu absagen. Allerdings kam hinzu, dass er noch einige Dinge für die Schule nacharbeiten musste, was ihm zwar missfiel, aber nichtsdestotrotz erledigt werden musste. Wenn er genauer darüber nachdachte, so blieb ihm prinzipiell nicht mehr so viel von der augenscheinlichen Freizeit übrig. Aya wunderte sich zwar sehr darüber, dass Yohji und Ken im Laden arbeiteten, obwohl sie eigentlich frei hätten und Omi stattdessen nicht anwesend war, aber er gab sich mit der Erklärung zufrieden, dass der blonde Junge sich ein wenig Freizeit verdient hatte, weil er verhältnismäßig mehr arbeitete und so unter größerem Druck stand. Um den beiden anderen bei dieser vermeintlich rein freundschaftlichen Geste nicht nachzustehen, erklärte auch er sich dazu bereit, seinen freien Tag zu opfern. Er hatte ohnehin nicht so viele zeitaufwendige Hobbys, wie die anderen Weiß-Mitglieder und konnte, da zurzeit auch keine Mission mehr Arbeit verursachte, ebenfalls auf diesen Tag verzichten. Der blauäugige Junge kam gerade aus der Schule und betrat den Blumenladen, um seine Schicht anzutreten, als er verdutzt auf den Rotschopf hinter dem Tresen schaute. „Du hast doch heute frei, Aya-kun. Was machst du dann hier?“ Der Angesprochene lächelte verhalten. „Ich dachte nur, ich könnte dir damit vielleicht auch etwas Gutes tun, so wie die anderen Beiden. Sie haben schon Recht damit, wenn sie sagen, dass du in letzter Zeit fast nur noch gearbeitet hast. Du hast dir ein bisschen Freizeit verdient. Außerdem bist du dann schön ausgeruht, wenn das Valentinstagsgeschäft anfängt, das wird schließlich immer beliebter.“ Omi musste schmunzeln, es war so typisch für ihren Leader, dass er beinahe jede seiner Entscheidungen mit der Arbeit begründete. Er konnte sich nicht zurückhalten und umarmte den Älteren überschwänglich. „Danke, Aya-kun.“ „Ja, ist schon gut.“ Sanft, aber bestimmt, schob der Rotschopf ihn wieder von sich, er mochte es nicht, von den Kunden begafft zu werden. „Jetzt geh schon und genieße deinen freien Tag, unternimm etwas mit deinen Freunden. Jugendliche in deinem Alter sollten öfters zusammen ihren gemeinsamen Hobbys frönen.“ „Dann würden wir sowieso nur vor dem Computer oder dem Fernseher sitzen“, lachte der blonde Junge. „Zuerst einmal muss ich aber meine Hausaufgaben machen.“ Mit diesen Worten verließ er den Verkaufsraum und eilte in sein Zimmer. Er ließ die Schultasche wie immer neben dem Schreibtisch fallen und schaltete seinen Computer ein. Nachdem er seine E-Mails abgerufen hatte, machte er sich daran die heutigen Hausaufgaben zu erledigen. Wenn er damit fertig war, würde er ein paar Schulfreunde anrufen, um mit ihnen etwas zu unternehmen. Omi freute sich sehr darüber, ausnahmsweise ein paar Tage lang fast so ein Leben zu führen, wie jeder andere gewöhnliche Teenager in seinem Alter. Phuong kochte vor immer noch vor Wut und bohrte seine Fingernägel in das von der Witterung marode gewordene Holz des Zaunes, auf dem er saß. Eigentlich hatte Payakootha ihn mit hinaus vor die Stadt auf die Koppel seines Pferdes genommen, damit er diese verletzende Bemerkung ihrer Chefin endlich vergaß, aber diese beiden Worte hatten sich unerbittlich in sein Hirn gebrannt. Der Junge indianischer Abstammung konnte dieses Elend kaum noch mit ansehen. Er trieb sein Pinto, welches er ohne Sattel und Zaumzeug ritt, an und kam neben seinem mittlerweile zum Freund gewordenen Teamkollegen zum stehen. „Mach nicht so ein verkniffenes Gesicht. Vielleicht bleibt das so und ich will das nicht immer angucken müssen. Außerdem ruinierst du gerade deine Fingernägel, glaube ich.“ „Ich habe ganz andere Sorgen als mein Gesicht oder meine Nägel“, meinte der Vietnamese mürrisch und starrte weiterhin verärgert ins Gras. Der Braunhaarige seufzte leise. „Du ärgerst dich immer noch über Takehito-sama, ich weiß. Vergiss es doch einfach, sie weiß nicht, was sie sagt. Du bist nicht dumm und auch kein Kind mehr. Wärst du eins von beidem, würdest du wohl kaum bei Mißgunst sein.“ „Ich ärgere mich aber trotzdem darüber. Diese Frau weiß scheinbar überhaupt nicht, was ich alles für Mißgunst und Eszett tue. Vielleicht kommt sie sogar noch auf die Idee, mich zu ersetzen, weil ich ja nur ein dummes Gör bin. Ein Kind bin ich aber schon lange nicht mehr, meine Kindheit hat man mir erfolgreich genommen.“ Der zornige Tonfall schwenkte zu verbittert. „Das weiß ich doch“, entgegnete Payakootha. „Ein Grund mehr, sich nicht mehr darüber aufzuregen. Für uns bist du weder das eine noch das andere. Sollte jemals zur Debatte stehen, dich aus unserem Team zu entfernen und uns stattdessen jemand anderen aufzuhalsen, wird Yukio das ganz bestimmt nicht zulassen. Xen fände es bestimmt auch nicht gut, sich schon wieder auf einen Neuen einstellen zu müssen und über Jahre hinweg herauszufinden, wie er ihm am Besten den letzten Nerv rauben kann. Und ich will auch keinen Freund verlieren. Also Kopf hoch! Catahecassa will auch nicht sehen, dass du traurig bist.“ Phuong hob den Kopf und blickte den anderen mit einem leichten Lächeln auf den Lippen an. „Lieb von dir, dass du mich aufheitern willst. Allerdings weiß ich nicht, ob ich mich über Xens Gründe freuen oder dadurch noch gedemütigter fühlen soll.“ Dann zog er fragend eine Augenbraue nach oben. „Woher willst du das wissen?“ Der Shawnee musste lachen. „Weil er es mir gesagt hat. Und jetzt komm her, wir reiten aus.“ Mit diesen Worten packte er den anderen Jungen am Arm und zog ihn hinter sich auf den Pferderücken. Der Jüngere ließ sich beim Aufsteigen helfen und legte dann die Arme von hinten um die Taille des Braunhaarigen, um sich an ihm festzuhalten. „Ach ja, da war ja was“, murmelte er entschuldigend und fragte dann lauter: „Wo ist denn eigentlich Pen-Pen geblieben? Gerade ist er doch noch hier gewesen.“ „Der rennt hier irgendwo herum“, antwortete Payakootha, steckte sich zwei Finger in den Mund und stieß einen ohrenbetäubenden Pfiff aus. Kurz darauf rannte ein übermütiger Dalmatinerrüde ungebremst auf sie zu und kam erst kurz vor dem braun und weiß gescheckten Pferd zum stehen, um freudig umher zu springen. „Ist ja gut, Penegashea, guter Junge“, lobte der Shawnee seinen treuen Freund und beugte sich herab, um ihn belohnend zu kraulen. „Jetzt musst du brav bei uns bleiben, wir reiten aus.“ Mit diesen Worten richtete er sich wieder auf und trieb sein Pinto an. Er hoffte, seinen jüngeren Freund so auf andere Gedanken bringen zu können. In der folgenden Nacht legte sich Schuldig zu seinem Schützling und legte so gut es ging einen Arm um ihn. Mit einem leisen Seufzen verfluchte er zum wiederholten Male keinen Körper zu haben. Die Zeit vertrieb er sich damit, seine Fähigkeiten weiter zu erproben und zu verbessern. Durch den Spiegel am Kleiderschrank beobachtete er sich selbst, wie er abwechseln sichtbar und unsichtbar wurde. Wenn er sich nur genug anstrengte, konnte er vielleicht auch annähernd so etwas wie eine stoffliche Präsenz erreichen. Besessen von diesem Gedanken konzentrierte er sich weiter auf seine Manifestation. Auf einmal überkam ihn vollkommen unerwartet ein eigenartiges Gefühl. Für einen Augenblick glaubte er schon, seinem Ziel ein Stück näher gekommen zu sein. Als er seine Sinne jedoch wieder gesammelt hatte und sich umsah, bemerkte er, dass er nicht länger in Yohjis Bett lag. „Wo bin ich denn hier?“, murmelte der Deutsche leise zu sich selbst, während er seinen Blick schweifen ließ. Er befand sich in einer Art Park, in dem sich weiß gepflasterte Wege durch das saftige Gras wanden und hohe Bäume die Grünfläche säumten. Langsam folgte er dem Weg, fühlte sich dabei beinahe wie Alice im Wunderland und kam sich ein wenig lächerlich bei diesem Gedanken vor. In sein Blickfeld trat nach wenigen Schritten ein kleiner See vor dem auf einer weißen Bank eine Frau saß. Bei näherem hinsehen erkannte er auch, um wen es sich handelte. Das streng zurück gebundene Haar und die Richterrobe verrieten sie sofort. „Hallo“, begrüßte Schuldig sie unsicher. „Warum bin ich hier? Und dazu ausnahmsweise einmal nicht in Ihrem Büro, falls man das so nennen kann.“ „Ich habe dich schon erwartet“, meinte das jüngste Gericht und deutete auf den Platz neben sich. „Setz' dich bitte. Ich denke, wir müssen miteinander reden.“ Irritiert setzte sich der Telepath auf die Bank. „Aber worüber denn? Über meine Arbeit als Schützengel? Warum ist dann Michael nicht dabei?“ Die Frau nickte. „Ja, genau darüber müssen wir reden. Michael ist nicht dabei, weil das hier inoffiziell ist und er im Moment keine Zeit für solche verhältnismäßigen Kleinigkeiten hat. Du kannst dir doch bestimmt denken, weshalb ich dich herbestellt habe.“ Der Deutsche schluckte schuldbewusst. „Ist es wegen dieser Sache mit dem besetzten Körper? Ich habe ihn ja nicht richtig gestohlen, sondern mehr ausgeliehen und gelenkt. Und ich habe Yohji auch nicht verraten, dass wir nun ihre Schutzengel sind oder auch nur im Geringsten etwas über unseren Tod verraten.“ „Du hast es erfasst, deswegen bist du hier“, stimmte das jüngste Gericht zu. „Ich mache dir keinen Vorwurf, dass du mit Yohji geredet hast, du hast ja wirklich so gut wie nichts verraten. Das kann ich, denke ich, dieses Mal noch durchgehen lassen. Immerhin hast du ihm damit sozusagen eine Freude gemacht und es geht ihm gut, wenn nicht sogar besser. Er scheint dir immer mehr zugetan zu sein. Aber dir ist doch hoffentlich klar, dass diese Beziehung keine Zukunft hat. Ich gönne euch diese Zeit wirklich und Gott ebenfalls, sie hat schließlich auch immer ein Auge auf euch, aber irgendwann werdet ihr zwangsläufig getrennt. Willst du es in Kauf nehmen, ihn unglücklich zu machen und ebenfalls selbst unglücklich darüber zu sein?“ Schuldig war erleichtert, dass er keinen Ärger wegen seiner Aktion bekam. Allerdings brachten ihn die Worte seiner Gesprächspartnerin zum nachdenken. Nickend antwortete er dann: „Es ist mir klar, dass ich ihn wieder verlieren werde. Aber ich möchte die Zeit nutzen, die ich noch mit ihm habe, wenn ich darf. Irgendwie ist das ein seltsames Gefühl, mir hat noch niemals jemand so nahe gestanden, nicht seit dem Tod meiner Mutter. Ich will einfach für ihn da sein.“ Er lachte leise. „Über solche Dinge habe ich noch niemals mit jemandem geredet, das gab es in meinem Leben einfach alles nicht.“ Das jüngste Gericht lächelte. „Es ist dir gestattet, die Zeit zu nutzen. Aber bitte zukünftig auf eine andere Weise. Du darfst dich auf keinen Fall wieder eines anderen Menschen bemächtigen.“ Sie nahm die Hand des jungen Mannes und drückte sie freundschaftlich. „Ist es nicht viel besser so? Glaubst du nicht, dass dein Leben früher, statt voller Hass und Verachtung, mit solchen Gedanken und Gefühlen viel reicher und lebenswerter gewesen wäre?“ „Ich denke schon“, gab der Mann mit dem flammend orange Haar zögerlich zu. „Und ich werde mich nicht mehr eines anderen Menschen bemächtigen, wenn nicht Yohjis Leben davon abhängt, ich verspreche es. Ich weiß ja, dass wir nichts zu unserem eigenen Vergnügen machen dürfen.“ „Das wollte ich hören.“ Die Frau in der Richterrobe lächelte zufrieden, die Strafe zeigte mittlerweile die gewünschte Wirkung. „Halte dich daran und wir müssen nicht so schnell wieder eine solche Unterredung führen. Beim nächsten Mal würde es vielleicht nicht so glimpflich für dich ausgehen. Die anderen müssen nicht unbedingt etwas hiervon wissen, es ist deine Sache, ob du mit ihnen darüber redest. Und jetzt kannst du wieder zurück zu deinem Schützling.“ Wenige Tage später stattete Birman Weiß einen Besuch ab. Es war weit nach Ladenschluss und sie betrat durch die Haustür, für die sie einen Schlüssel besaß, die Wohnung. Der Flur war dunkel, jedoch drang aus einem Türspalt vom Wohnzimmer her Licht in den finsteren Gang. Sie steuerte darauf zu und öffnete die Tür. „Guten Abend, Jungs“, begrüßte sie die beiden vor dem Fernseher sitzenden Auftragskiller, die sich um die Fernbedienung stritten. Yohji wandte seinen Kopf zur Tür uns setzte ein charmantes Lächeln auf. „Dir auch einen wunderschönen guten Abend, liebste Birman. Was verschafft uns die grandiose Ehre deiner erhabenen Anwesenheit?“ „Bitte lass mich ihm das Maul stopfen“, murmelte Farfarello und rollte mit seinem gesunden Auge. „Warum muss dieser Möchtegerncasanova nur immer so maßlos übertreiben?“ „Du lässt ihn mal schön in Ruhe“, bestimmte Schuldig. „Du kennst ihn nicht, er hat seine Gründe, also lass ihn doch einfach reden, wie er will.“ Der Mann mit der Augenklappe rollte erneut mit seinem Auge. „Ich könnte ihm doch sowieso nichts antun, auch wenn ich es wollte und von dürfen reden wir erst gar nicht. Das liegt aber nicht an dir, sondern daran, dass ich mir diese großartige Gelegenheit Gott richtig zu strafen nicht entgehen lassen will. Also bilde dir mal nichts darauf ein.“ „Dürfen und nicht dürfen. Ich denke, das ist Auslegungssache und wir haben da schon einen recht großen Spielraum mittlerweile. Ansonsten hätten wir schon längst Ärger gekriegt“, plapperte der Deutsche munter drauf los. „Wieso Ärger gekriegt?“ Der Ire musterte ihn skeptisch. „Was hast du angestellt?“ Erschrocken schlug sich der Mann mit dem flammend orange Haar eine Hand vor den Mund. „Ich soll etwas angestellt haben? Aber nein, ich doch nicht. Ich, ähm, also, ich habe nur ein wenig für das Wohlbefinden meines Schützlings gesorgt. Es ging ihm in den letzten Tagen doch viel besser, das dürftest sogar du bemerkt haben. Und jetzt sollten wir still sein, um mitzubekommen, was die Kritikeragentin hier will. Sie bringt sicher Arbeit.“ Ken dachte in diesem Augenblick etwas Ähnliches wie sein Schutzengel, sprach es allerdings nicht aus. Stattdessen begrüßte er die Frau ebenfalls. „Hallo, Birman.“ Diese musste unweigerlich bei den Worten des Playboys anfangen zu lachen und bekam dadurch die Begrüßung des anderen Mannes kaum mit. „Übertreibe nicht immer so. Außerdem könnt ihr euch ja wohl denken, weshalb ich hier bin. Reine Höflichkeitsbesuche mache ich schließlich nicht.“ Sie winkte mit ihrer kleinen, schwarzen Aktentasche und fragte dann etwas verwundert: „Warum bist du überhaupt hier? Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dich ausgerechnet an einem Samstagabend anzutreffen, sondern habe eher damit gerechnet, dass du dich irgendwo herumtreibst.“ „Darf ich nicht auch einmal zu Hause bleiben und ein bisschen ausspannen?“, entgegnete der honigblonde Mann grinsend und stand auf. „Ich hole Aya, der brütet bestimmt wieder über einem dicken Roman.“ „Und bring Omi gleich mit“, rief Birman ihm hinterher und ging dann bereits voraus in den Missionsraum. Der ehemalige Torwart griff zum Telefon und wählte die Handynummer des blonden Jungen. Wie erwartet nahm er nicht ab und Ken hinterließ ihm eine Nachricht auf der Mailbox. Dann folgte er ihrer Auftragsübermittlerin in den Keller. „Omi ist nicht zu Hause. Er ist mir ein paar Freunden aus seiner Klasse ins Kino gegangen.“ „Ach so, dann wird er wohl erst viel später wieder nach Hause kommen“, folgerte die braunhaarige Frau. „Dann müsst ihr ihn über die Mission in Kenntnis setzen. So viel Arbeit sollte es wohl dieses Mal nicht für Omi sein, wir haben sehr viele Informationen zusammen tragen können.“ Sie wandte sich ab und bereitete den Videorekorder vor. Nachdem sie sämtliche Geräte eingeschaltet hatte, legte sie das Band ein und drehte sich wieder zu dem jungen Assassin. „Wo bleiben bloß Yohji und Aya? Es kann doch nicht so schwer sein und so lange dauern, nur jemandem Bescheid zu sagen, dass er herunter kommen soll.“ Währenddessen klopfte der honigblonde Mann an die Tür ihres Leaders und betrat den Raum, ohne auf eine Antwort zu warten. Der Rotschopf blickte von seinem Buch auf und meinte kühl: „Ich habe dich nicht herein gebeten.“ „Das ist mir im Moment egal. Birman ist da, es gibt eine neue Mission. Also leg deinen Roman weg und komm mit nach unten“, erklärte der Playboy und zuckte mit den Schultern. Er wandte sich ab und verließ das Zimmer wieder. Aya klappte sein Buch zu, stieg aus dem Bett und folgte ihm in den Keller. Im Missionsraum setzten sie sich auf ihre Stammplätze und Birman fuhr den kurzen Film zur Einleitung ab. Zu sehen war in gewohnter Manier Perser, der die Mission verkündete. „Weiß, eure Zielperson ist Hiroshi Kawaguchi, der amtierende Verteidigungsminister. Er ist ein großzügiger Gönner der Überreste von Eszett und maßgeblich am Wiederaufbau der Organisation beteiligt. Staatsgelder werden unterschlagen und zur Fortsetzung der illegalen Forschung und dunklen Machenschaften verwendet. Außerdem besteht ebenfalls ein Bezug zu den Taten von Eiji Yamamoto, eurer letzten Zielperson. Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass Eszett wiederaufersteht und erneut durch vermeintliche Diener des Volkes zu großer Macht in Japan gelangt. Weiß, Jäger des Lichtes, vernichtet den schwarzen Schwarm.“ Während der Ausführungen wurden Bilder der Zielperson eingeblendet. Die braunhaarige Frau schaltet nach Ablauf des Bandes den Videorekorder wieder aus. „Was sagt ihr? Ihr seid doch hoffentlich wieder alle dabei.“ „Warum müssen es nur immer Politiker sein? Haben die nicht allein durch ihre Position, die sie ja eigentlich zum Wohle des Volkes innehaben, schon genug Macht? Ich fange langsam an, an unserem System zu zweifeln“, murmelte Aya verdrossen. Etwas lauter fuhr er fort: „Ich auf jeden Fall. Hast du noch mehr Angaben für uns?“ Auch die beiden anderen Anwesenden stimmten zu und bekamen eine braune Akte ausgehändigt. „Natürlich haben wir noch mehr Informationen“, bestätigte Birman. „Kawaguchi hat seinen Hauptwohnsitz nicht in Tokyo, er kommt immer nur zu politischen Anlässen in die Stadt. Während dieser Zeit wohnt er dann für gewöhnlich im Hilton. Er lehnt es ab, sich hier einen Zweitwohnsitz anzuschaffen. Wenn ihr ein wenig die Nachrichten verfolgt habt, dann werdet ihr auch sicherlich mitbekommen haben, dass am vierzehnten Februar eine Tagung im Kongresszentrum stattfindet. Hierfür sind bereits zwei Übernachtungen für Kawaguchi im Hilton gebucht. Am Besten wäre es wohl, wenn ihr dort zuschlagt, fernab der Öffentlichkeit.“ Yohji starrte ihre Auftragsübermittlerin ungläubig mit großen Augen an. „Am Valentinstag? Aber das geht doch nicht! Zum einen ist um diese Zeit im Blumenladen die Hölle los, weil dieser Tag immer beliebter wird und zum anderen habe ich da auch schon ein Date.“ „Also das wüsste ich“, meinte Schuldig mit einem hämischen Grinsen. „Es sei denn, du meinst mit Date, das du ausgehst und willkürlich jemanden aufreißt.“ Nagi legte einen Finger an die Lippen und bedeutete dem Deutschen still zu sein. „Sei leise, ich will das mitbekommen.“ Ken nickte zustimmend. „Mit dem Geschäft hat Yohji ausnahmsweise sogar einmal Recht. Der Andrang wird dann wirklich groß sein und es wird Fragen aufwerfen, wenn wir nicht da sind. In der Vorbereitungszeit für eine Mission sind wir nie im Laden, nur Momoe.“ „Wie ihr dieses Problem handhabt, ist euch überlassen. Ihr werdet die Mission zu diesem Zeitpunkt durchführen, man muss die Gelegenheit beim Schopf packen und nutzen. Alle weiteren Informationen, die wir finden konnten, sind wie immer in der Akte enthalten. Wir gehen davon aus, dass ihr leichtes Spiel habt und daher nicht so viel Zeit mit der Planung verbringen müsst. Informiert bitte auch Omi, sobald er nach Hause kommt.“ Die braunhaarige Frau schloss ihre Aktentasche, nahm diese dann zur Hand und wandte sich zum Gehen. „Viel Glück, Jungs.“ Mit diesen Worten verließ sie den Raum und ließ die drei Auftragskiller allein zurück. „Ausgerechnet Valentinstag“, murrte der honigblonde Mann und seufzte gequält. „Was für eine ungerechte Welt.“ „Wenn du es nicht tun willst, dann lass es eben. Wir können diese Mission auch ohne dich bestreiten und wenn es sein muss, dann ziehe ich es auch alleine durch“, meinte der Weiß-Leader entschlossen, während er bereits die Akte durchblätterte. Der ehemalige Torwart meldete sich ebenfalls zu Wort. „Alleine musst du bestimmt nicht gehen, Aya. Ich komme auf jeden Fall mit.“ „Lasst mich ein wenig darüber nachdenken, in Ordnung?“, schlug der Playboy vor und lehnte sich zurück. Eigentlich sprach nichts dagegen, die Mission wie von Birman angeordnet durchzuführen, sein Date war schließlich bloß erfunden, aber dennoch sträubte sich etwas in ihm dagegen. „Überlege aber nicht zu lange, so viel Zeit bleibt uns schließlich nicht mehr“, ermahnte der Rotschopf ihn. „Wir besprechen die Angelegenheit morgen mit Omi und da ich die Planung schnellstmöglich fertig haben will, solltest du dich dann auch entschieden haben.“ Yohji nickte. „Gut, ich denke, damit kann ich leben.“ Mißgunst saßen gemeinschaftlich um den Konferenztisch in Yukios Büro herum versammelt. Vor ihnen ausgebreitet lagen einige Lagepläne, Grundrisse, ein Stadtplan, Skizzen und unzählige Notizen. Auf einem Monitor lief eine Computersimulation ab. „Ich finde, wir sollten das Ganze vorher einmal in Ruhe durchspielen“, meinte Payakootha und drehte sich mit seinem Bürostuhl nach rechts und links. „Genau das haben wir doch gerade“, entgegnete Xen, lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Tisch. Das brachte ihm einen bitterbösen Blick von ihrem Leader ein, der um den Tisch herum ging und die Füße wieder herunter stieß. „Füße gehören nicht auf den Tisch. Du hast auch wirklich nicht einmal im Entferntesten so etwas wie Erziehung.“ Der Shawnee schüttelte den Kopf. „Ich meinte doch nicht die Planung an sich. Die habe ich verstanden und wenn alles so reibungslos läuft, ist alles perfekt. Aber was ich meine ist, dass wir es auch mit diesem Politiker absprechen und mal das ganze Szenario direkt an Ort und Stelle nachstellen.“ „Das wird vorerst nicht gehen, nicht solange wir den Dummy nicht haben. Wenn du alles komplett vorher genau durchgehen willst, brauchen wir den dazu“, warf der grünhaarige Mann ein. „Aber wir können zumindest schon einmal den Ablauf bis zu dem Punkt, an dem wir den Ersatz brauchen, sozusagen proben“, schlug Phuong vor. „Ich denke, die größte Fehlerquelle wird dieser Kawaguchi sein. Einweihen müssen wir ihn auf jeden Fall, damit er uns die Tour nicht vermasselt.“ Der Älteste nickte. „Genau das werden wir auch tun. Ich werde ihn anrufen und dafür sorgen, dass er uns einen kleinen Besuch abstattet. Frau Takehito hat ihn soweit ja bereits informiert, da sollte er Verständnis dafür aufbringen, dass wir alles möglichst perfekt haben wollen.“ „Ich hoffe, er kapiert es beim ersten Mal“, murrte der Japaner und verschränkte die Arme vor der Brust. „Schließlich bleibt der größte Teil der Arbeit an mir hängen und ich habe definitiv keine Lust, mich wegen diesem Typen schon vor der Mission zu verausgaben.“ „Jetzt tu bloß nicht so, als wärst du hier der Einzige, der etwas dazu beiträgt. Wir haben alle genug zu tun“, meinte der kleine Vietnamese trocken. Er konnte nicht nachvollziehen, weshalb der ältere Mann sich so anstellte. Yukio schloss die Augen und atmete einmal tief durch, um sich zu fassen. „Wir werden das Szenario so lange durchspielen, wie es nötig ist. Allerdings denke ich nicht, dass dieser Mann so schwer von Begriff sein wird, wie ihr befürchtet, schließlich geht es um sein eigenes Leben und er hat nicht besonders viel zu tun. Payakootha, ich will, dass du ein Auge oder besser gesagt ein paar Gedanken auf die Pläne von Weiß hast. Sollten diese von unseren abweichen, dann passe sie entsprechend unseren an. Allerdings glaube ich nicht, dass das nötig sein wird, ihre Vorgehensweise ist sehr berechenbar.“ Der Telepath nickte. „Wird gemacht.“ Aya und Omi saßen am nächsten Morgen gemeinsam am Frühstückstisch. Ken war bereits früh aufgestanden, um joggen zu gehen und noch nicht wieder zurückgekehrt. Yohji weilte noch im Land der Träume und da der Blumenladen an diesem Tag geschlossen blieb, ließ der Weiß-Leader ihn auch ausnahmsweise gewähren. „Birman war gestern Abend hier“, erwähnte der Rotschopf beiläufig, während er seinen Tee trank und einen Blick in die Sonntagszeitung warf. Der Jüngere sah von seiner Misosuppe auf. „Ja, ich weiß. Ken hat mir auf die Mailbox gesprochen und Bescheid gesagt. Doch als ich nach dem Kino nach Hause gekommen bin, wollte ich euch nicht mehr wecken. In Yohjis Zimmer brannte zwar noch Licht, aber ich dachte mir, es kann auch bis heute warten.“ „Ja, diese Sache wird wohl nicht besonders schwierig. Kritiker haben dieses Mal viel Vorarbeit geleistet“, stimmte Aya zu und faltete die Zeitung wieder zusammen. „Wir sprechen darüber, wenn Ken wieder zurück und Yohji endlich aufgestanden ist, er war sich gestern noch nicht sicher darüber, ob er an der Mission teilnehmen will.“ „Das kann ja noch etwas dauern“, lachte der blonde Junge und verschluckte sich fast an seiner Suppe. Als er sich nach einem kleinen Hustenanfall wieder beruhigt hatte, beendete er sein Frühstück und meinte: „Ich bin dann in meinem Zimmer und lerne Vokabeln, wir schreiben morgen in der Schule einen Englischtest.“ „Wenn du Hilfe beim Lernen brauchst, sag Bescheid. Englisch kann ich eigentlich ganz gut“, meinte der Ältere und lächelte sein Gegenüber dabei leicht an. „Ich kann dich ja später abfragen, wenn du genug gelernt hast.“ Omi erwiderte das Lächeln fröhlich. „Danke, das wäre super, Aya-kun. Wir können uns ja heute Nachmittag zusammensetzen, du kannst mir bestimmt noch bei ein paar anderen Sachen helfen.“ Der Weiß-Leader nickte. „Natürlich, ich helfe dir gerne. Du kannst immer zu mir kommen, wenn du mit etwas Probleme haben solltest, auch außerhalb der Schule. Und jetzt geh lernen, die Schule hat Vorrang, solange du deinen Abschluss noch nicht hast. Sobald Yohji wach und Ken wieder vom Training zurück ist, besprechen wir die Mission. Das sollte nicht all zu lange dauern. Richtig planen können wir später auch noch.“ „Okay, ihr findet mich dann in meinem Zimmer.“ Der kleine Japaner räumte sein Geschirr in die Spüle und lief hinauf in sein Zimmer. Dort setzte er sich an seinen Schreibtisch und holte die Englischbücher hervor. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, als er an das Angebot seines Idols dachte. Eigentlich konnte er Englisch selbst gut genug, um nicht durch die Prüfungen zu fallen. Aber wenn der Rotschopf von sich aus anbot, Zeit mit ihm zu verbringen, so würde es dem Jungen nicht im Traum einfallen es abzulehnen. Im Gegenteil, es bot noch viel mehr Gelegenheiten, dem anderen unter einem Vorwand nahe zu sein. Als Yohji sich gegen Mittag endlich aus dem Bett bequemte, musste er zu seinem Bedauern feststellen, dass das Badezimmer bereits von jemand anderem besetzt war. Auf sein ungeduldiges Klopfen hin drang eine leicht erschöpft klingende Stimme durch die Tür. „Ja, einen Moment noch, ich bin ja bald fertig.“ Ken hatte es offensichtlich ein wenig mit dem Training übertrieben. Der Playboy lehnte sich gegen die Wand neben der Tür und schlief beinahe im Stehen wieder ein. Eigentlich hatte er genug geschlafen, aber es war mittlerweile zu einem allmorgendlichen Ritual geworden, dass er eine Dusche brauchte, um richtig wach zu werden, ebenso wie eine Tasse Kaffee und eine Zigarette. Nachdem der ehemalige Torwart den Raum endlich wieder zur Benutzung freigab, huschte der honigblonde Mann hinein und schloss die Tür hinter sich. Seine Shorts ließ er an seinen Beinen hinab auf den Boden gleiten und die frische Kleidung, die er nach dem Duschen anziehen wollte, legte er beiseite. Bei einem Blick in den Spiegel bemerkte er, dass er trotz ausreichend Schlaf dunkle Ränder unter den Augen hatte. „Die werde ich wohl nie wieder los“, murmelte Yohji und betrachtete sich stirnrunzelnd weiter. Im Flüsterton fuhr er fort: „Schuldig? Wenn du in meinen Gedanken herumspukst, siehst du dann auch, was ich sehe?“ „Ich sehe noch sehr viel mehr, Kätzchen. Und wenn du wüsstest, wobei ich dich alles bespanne, wärst du wohl mittlerweile wieder weniger gut auf mich zu sprechen“, meinte Schuldig grinsend, aber natürlich so, dass sein Schützling es nicht mitbekam. Auf die Frage antwortete er gar nicht. Zu viel Kommunikation sollte er wohl im eigenen und im Interesse seiner Gruppe vermeiden. Als der Playboy keine Antwort bekam, womit er auch gerechnet hatte, wandte er sich vom Spiegel ab und stieg unter die Dusche. Er drehte den Warmwasserhahn auf und starrte nachdenklich an die Kacheln, während er sich wusch. Von den Ausmaßen der Fähigkeiten des Telepathen hatte er keine Vorstellung, aber irgendwie wurde diese ungewisse Präsenz immer reizvoller für ihn. Aya würde ihn vermutlich umbringen, wenn er von diesen Gedanken und dieser vermeintlich perversen Neigung, es langsam zu genießen, ständig beobachtet zu werden, wüsste. Davon war er überzeugt. In seinen Gedanken versunken bemerkte das älteste Weiß-Mitglied überhaupt nicht, wie lange es schon unter der Dusche stand. Erst ein lautes Hämmern an der Badezimmertür riss ihn wieder in die Realität zurück. „Hey, Yohji-kun, beeile dich ein bisschen, ich muss auf die Toilette“, quengelte eine kindliche Stimme von draußen. „Einen Moment noch, ich bin gleich fertig, Omi.“ Der honigblonde Mann stellte das Wasser ab, stieg aus der Dusche und griff nach seinem Handtuch. Hastig trocknete er sich ab und zog sich an, seine Haare musste er wohl später föhnen oder an der Luft trocknen lassen. Als er die Tür öffnete, huschte der blonde Junge bereits vorbei und schob ihn regelrecht aus dem Raum. Dem Playboy blieb nichts anderes übrig, als verdutzt auf dem Flur stehen zu bleiben und perplex auf die vor seiner Nase ins Schloss gefallene Tür zu blicken. Da hatte es jemand scheinbar wirklich sehr eilig gehabt. Mit einem Lächeln und einem Kopfschütteln wandte Yohji sich ab und suchte die Küche auf. Er wünschte den beiden am Tisch sitzenden Männern halbherzig einen guten Morgen und schenkte sich zunächst eine Tasse Kaffee ein, um vollends wach zu werden. „Es ist bereits Mittag, falls du heute schon auf die Uhr gesehen hast“, korrigierte ihn der Weiß-Leader sachlich. Ken schüttelte lediglich verständnislos mit dem Kopf. „Wie kann man nur so viel schlafen? Da warst du gestern Abend nicht einmal weg und sogar verhältnismäßig früh im Bett, weil nichts Interessantes im Fernsehen kam und du bist trotzdem noch müde?“ „Mein Körper ist das nun einmal nicht gewohnt“, verteidigte der Älteste sich. „Ich hätte ihn nicht aus seinem gewohnten Rhythmus herausreißen sollen. Keine Sorge, ich habe daraus gelernt und werde wieder regelmäßig durch die Clubs streifen.“ Grinsend setzte er sich mit seiner Tasse an den Küchentisch und zog den Aschenbecher zu sich. Er tastete seine Hosentaschen ab und musste feststellen, dass er keine Zigaretten bei sich hatte, was ihm ein leises Fluchen entlockte. „Ach, verdammt. Ich muss sie oben vergessen haben, weil Omi mich aus dem Bad geschmissen hat.“ „Das schadet dir überhaupt nichts“, meinte Aya nur kühl und recht mitleidslos. „Du rauchst sowieso zu viel. Das Zeug wird dich eines Tages noch umbringen.“ „Wenn einer von Schwarz oder Mißgunst es nicht schon vorher tut, was übrigens sehr viel wahrscheinlicher ist“, entgegnete Yohji grinsend und trank in aller Seelenruhe seinen Kaffee. Der ehemalige Torwart schüttelte nur den Kopf. „Ans Sterben sollten wir jetzt weniger denken. Sobald Omi wieder herunter kommt, reden wir über die anstehende Mission.“ In diesem Moment erschien das jüngste Weiß-Mitglied auch bereits in der Küchentür. „Sollen wir nach unten gehen, um alles zu besprechen?“ „Ihr Sklaventreiber, ich bin gerade erst aufgestanden“, jammerte der Playboy und füllte seine Kaffeetasse erneut mit der dampfenden Flüssigkeit, bevor er seinen Freunden in den Keller folgte. Zu seiner Freude entdeckte er auf dem niedrigen Tisch eine Schachtel Zigaretten, die sogar noch einige seiner an diesem Morgen bereits viel zu lang entbehrten Glimmstängel enthielt. Behände fischte er eine Zigarette aus der Packung, steckte sie in den Mundwinkel, zündete sie an und lümmelte sich auf dem Sofa zusammen. Der Rotschopf musterte ihn dabei stirnrunzelnd. „Ich nehme an, das bedeutet du bist dabei.“ „Genau so ist es. Ich habe darüber nachgedacht und eigentlich spricht nichts dagegen, euch etwas unter die Arme zu greifen“, meinte der honigblonde Mann. „Und was ist mit deinem ominösen Date?“, fragte Ken stichelnd. Als Antwort erntete er lediglich ein beinahe desinteressiertes Achselzucken. „Ließ sich anders einrichten.“ „Mit anderen Worten: Sie hat dich zum Teufel gejagt“, frotzelte der braunhaarige Japaner und grinste über das ganze Gesicht. „Und jetzt will sie nichts mehr von dir wissen. Habe ich nicht Recht?“ „Ein Playboy hat es eben schwer“, kicherte Omi. Besagter Mann antwortete erst gar nicht auf die Sticheleien, sondern widmete sich wieder seiner Tasse Kaffee. Er hatte keine Lust dazu, sich schon nach dem Aufstehen provozieren zu lassen. Der Weiß-Leader beobachtete die Szene missmutig und wandte sich dann direkt an den jungen Hacker, als Stille eingekehrt war. „Unsere Mission betrifft den amtierenden Verteidigungsminister Hiroshi Kawaguchi. Überflüssig zu sagen, dass wir ihn töten sollen. Im Prinzip scheint es dieses Mal einigermaßen einfach zu werden. Am Vierzehnten ist er bei einer Konferenz, die bis zum späten Abend dauern wird, danach wird die Zielperson im Hilton einchecken, wo wir zuschlagen. Kritiker hat sehr viele Informationen gesammelt, so dass du kaum noch etwas erledigen brauchst. Wir benötigen lediglich noch die Zimmernummer.“ „Klingt ausnahmsweise wirklich nicht besonders anspruchsvoll. Wo ist der Haken?“, fragte der blonde Junge misstrauisch. „Wenn etwas so einfach klingt, dann stimmt etwas ganz gewaltig nicht damit.“ „Ob etwas mit der Mission nicht stimmt wissen wir noch nicht. Wir haben es eben noch nicht nachgeprüft“, gestand Aya ein. „Aber ich gehe davon aus, dass die Zielperson besonders geschützt wird. Er ist, nach Kritikers Informationen, ein Geldgeber von Eszett und somit sehr wichtig für den Wiederaufbau der Organisation. Das ist etwas, was wir unbedingt verhindern müssen. Da ist dieser Mann schon einmal ein guter Ansatzpunkt.“ „Vermutlich wird Eszett uns dann ihren hauseigenen Killertrupp Mißgunst auf den Hals schicken“, warf Yohji ein. „Ich fürchte, diese Typen werden uns noch mehr Ärger machen, als Schwarz es getan haben.“ Der ehemalige Fußballspieler nickte zustimmend. „Da könnte Yohji ausnahmsweise einmal Recht haben. Vor allem, weil wir noch nicht so viel mit ihnen zu tun hatten und sie daher nur schwerlich einschätzen können.“ „Wir haben die Daten von Kritiker über sie, das muss reichen“, beendete der Rotschopf diese müßige Diskussion. „Also Omi, ich gehe davon aus, du beteiligst dich ebenfalls an der Mission. Kannst du herausbekommen, welches Zimmer für Kawaguchi reserviert ist?“ Das jüngste Weiß-Mitglied nickte. „Natürlich kann ich das, es sollte nicht besonders schwierig sein, da die Systeme eine Hotels nicht so gut gesichert sind wie andere, die ich schon knacken musste. Da kannst du dich auf mich verlassen, Aya-kun. Aber dass die Mission ausgerechnet am Valentinstag sein muss, finde ich schon ein wenig abstrakt. Nur gut, dass ich nicht bei den Vorbereitungen für das Schulfest mithelfen muss. Das ist im Übrigen am Wochenende darauf. Gehen wir zusammen dahin? Bitte, es würde mir wirklich viel bedeuten, wir wollten doch mehr gemeinsam unternehmen.“ „Ist es denn für Besucher zugelassen?“, fragte der Playboy und stellte seine mittlerweile ausgeleerte Kaffeetasse auf den Tisch. „Ja. Der Anlass ist zwar der Geburtstag unseres Direktors, aber trotzdem wird daraus so eine Art Tag der offenen Tür gemacht“, erklärte der Hacker. „Außerdem werdet ihr dann vielleicht auch Mißgunst in Zivil begegnen. Ich kann allerdings ehrlich gesagt auch gut darauf verzichten. Mir reichen die bösen Blicke, die ich von Phuong über den Schulhof zugeworfen bekomme.“ „Kümmere dich einfach nicht darum. In der Schule wird er dir schon nichts antun, da bin ich mir ziemlich sicher“, meinte Ken. „Sollen wir schon einmal mit der Planung anfangen?“ Omi lachte leise. „Darüber mache ich mir noch die wenigsten Sorgen, Ken-kun. Aber unangenehm ist es trotzdem. Ihr beide könnt ja ruhig schon damit anfangen, die Unterlagen genau durchzugehen und vielleicht einen Zeitplan zu erstellen. Aya-kun hat versprochen, mit mir Englisch zu lernen und mich abzufragen. Ich schreibe morgen einen wichtigen Test.“ „Lasst euch nicht aufhalten“, sagte der honigblonde Mann grinsend und warf einen vielsagenden Blick zu seinem jungen Freund, der daraufhin leicht errötete. Der braunhaarige Japaner stimmte ebenfalls zu. „Die Schule hat natürlich dann im Augenblick Vorrang. Wir können ja mal sehen, was wir ohne euch schon hinbekommen, schließlich sind wir ja auch keine Anfänger mehr.“ „Ach bei dir bin ich mir da noch nicht so sicher, Ken-Ken“, spöttelte der Playboy mit einem süffisanten Lächeln im Gesicht, jetzt war es Zeit für eine Retourkutsche. „Manchmal scheinst du dich in die falsche Richtung zu entwickeln und lässt arge Zweifel an deiner Lernfähigkeit.“ Aya und Omi tauschten kopfschüttelnd Blicke und ließen die beiden Streithähne hinter sich, um die Englischaufgaben in Angriff zu nehmen. Die kommenden Tage vergingen schnell und ohne besondere Vorkommnisse. Am Valentinstag waren Weiß nicht im Blumenladen anzutreffen gewesen, was die weibliche Kundschaft mehr als nur bedauerte. Die vier jungen Männer wollten kein Risiko eingehen und ihre Zeitplanung durch unvorhergesehene Zwischenfälle unnötig in Gefahr bringen. Sie starteten ihre Mission einige Zeit vor Beendigung der Parlamentssitzung und bezogen ihre Positionen. Ken stand mit seinem Motorrad nicht weit vom Kongresszentrum entfernt und hatte so einen Überblick über alle ankommenden und fortgehenden Personen. Er beobachtete den Eingang und versuchte immer einen Blick auf die Gesichter der Menschen zu werfen, da sie zu dieser späten Stunde in ihren dunkeln Anzügen beinahe alle gleich aussahen. Allmählich strömten immer mehr Politiker aus dem Gebäude, selbstverständlich begleitet von ihren Bodyguards. So zeigte sich auch endlich der Verteidigungsminister, der von einem unscheinbaren Mann in ebenfalls dunklem Anzug und mit Sonnenbrille auf der Nase begleitet wurde. Beide Männer stiegen in die schwarze Limousine, die kurz darauf losfuhr. „Die Zielperson macht sich auf den Weg. Ich werde in sicherem Abstand folgen. Siberian Ende“, teilte der braunhaarige Mann den anderen Weiß-Mitgliedern durch sein Headset mit. „Verstanden. Alle auf Position“, knisterte Ayas Stimme aus dem Kopfhörer. Der ehemalige Torwart startete den Motor und folgte dem Luxusvehikel durch den dichten Verkehr. Xen nahm seine Sonnenbrille ab und wandte sich grinsend an Kawaguchi. „An der nächsten Ampel tauschen Sie mit Spirit den Platz. Und vergessen Sie die schicke Chauffeursmütze nicht.“ „Wird das auch niemand mitbekommen?“ fragte der dickliche Mann mit dem lichter werdenden Haar ein wenig ängstlich. Payakootha beobachtete durch den Rückspiegel lächelnd die Männer hinter sich. „Sie brauchen sich um nichts Sorgen zu machen, vertrauen Sie uns einfach und folgen Sie unseren Anweisungen. So wie wir es besprochen habe. Frau Takehito hat Sie in fürsorgliche und vertrauenswürdige Hände gegeben.“ „Niemand wird den Schwindel bemerken, vor allem Weiß nicht“, bekräftigte der Japaner mit den sonst grünen Haaren die Aussage, im Augenblick trug er seinen Schopf braun und etwa kinnlang. Außerdem war seine Körpergröße wesentlich geringer als normalerweise und seine Augen funkelten sein Gegenüber grün an. Er glich dem jüngeren Auftragskiller hinter dem Steuer aufs Haar genau. Dieser meldete sich wiederum zu Wort. „Da wir schon von Weiß reden: Einer von ihnen verfolgt uns wie erwartet. Keine Sorge, Herr Kawaguchi, er kann uns durch die getönten Scheiben nicht sehen und der Wagen ist nicht verwanzt. So subtil gehen sie nun auch wieder nicht vor.“ „Woher wussten Sie...?“, begann der Politiker verwirrt, wurde jedoch abrupt von Changeling unterbrochen. „Überflüssige Frage. Wir sind Profis.“ Dann wandte er sich nochmals dem Fahrer zu. „Fahr etwas langsamer, die Ampel da hinten wird gleich rot und bleibt es sehr lange. Wir haben dann genug Zeit zum tauschen.“ Der Shawnee nickte nur und hielt wenige Augenblicke später vor dem Begrenzungsstreifen. Er stellte den Schaltheber auf Leerlauf, zog die Handbremse an und kletterte über den Sitz nach hinten in die Fahrgastkabine. Daraufhin nahm er seine Mütze vom Kopf und reichte sie dem Verteidigungsminister. „Wenn ich Sie dann bitten dürfte, dort vorne Platz zu nehmen?“ „Ja, natürlich.“ Schwerfällig raffte sich der dickliche Mann auf, nahm die Mütze entgegen und kletterte unbeholfen auf den Fahrersitz. Xen rollte mit den Augen, als wollte er sagen, dieser Mann sei es nicht Wert einen solchen Aufwand für ihn zu veranstalten. Sein Teamkamerad verstand die Geste und grinste wissend. Wortlos griff er sich die Sonnenbrille, die der andere zuvor noch getragen hatte und setzte sie sich selbst auf. „Du siehst übrigens wirklich gut aus als ich“, bemerkte er beiläufig. „Aber du hast ein wichtiges Detail vergessen, das nehme ich dir übel.“ Der Japaner hielt in seiner Tätigkeit die kleine Minibar zu durchsuchen inne, überlegte kurz und schaute dann fragend drein. „Was habe ich denn bitte Vergessen? Wenn ich jemanden kopiere, vergesse ich nichts, darf ich nichts vergessen. Aber ich glaube, du hast etwas vergessen. Du solltest für den Notfall meine Medikamente mitnehmen.“ „Ich werde es dir nicht sagen, sonst macht es weniger Spaß, dich damit aufzuziehen“, meinte Payakootha mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen. „Und deine Medikamente habe ich dabei, ich arbeite nämlich im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten sehr sorgfältig. Schau dir mal die linke Champagnerflasche an, die ist präpariert und lässt sich aufklappen. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, das weißt du doch.“ Changeling griff nach der besagten Flasche, öffnete diese und überzeugte sich von deren Inhalt. Einige Tabletten sowie eine bereits gefüllte Spritze waren darin zu sehen, was ihm ein beruhigtes Lächeln entlockte. Er nahm zwei Tabletten aus der kleinen Dose und holte aus der Minibar noch eine Flasche Wasser hervor. Die kleinen, weißen Pillen würde er vorsorglich zu sich nehmen, da er ansonsten wahrscheinlich nach der Mission eine hohe Dosis der Injektion benötigen und somit erst einmal außer Gefecht gesetzt sein würde. Bevor er die Medikamente jedoch schluckte, machte er sich daran, seinem Decknamen alle Ehre zu machen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich für einen Moment lang ausschließlich auf Hiroshi Kawaguchi. Ein kaum merkliches Zucken durchfuhr seinen Körper, die Haut, die Muskeln, die Knochen und sogar die Organe begannen in pulsierendem Wabern zu arbeiten. Millimeterweise veränderte sich das gesamte Aussehen des Auftragskillers, bis er der gewählten Person bis aufs Haar glich. Auch die Kleidung veränderte ihre Form und Farbe, so dass sie wie der Anzug aussah, den der Verteidigungsminister getragen hatte. Mittlerweile trug dieser andere Kleidungsstücke, die das andere Mißgunst-Mitglied ihm gegeben hatte. Zwar wirkte sich Xens Wandlungsfähigkeit selbst nicht auf die Kleider, die er am Leib trug aus, aber durch den speziell für ihn angefertigten Symbionten war auch dies ohne großen Aufwand möglich. Die gesamte Prozedur dauerte nicht länger als einige Augenblicke. Der Shawnee musterte seinen Kollegen kritisch und nickte dann zufrieden. „Ich denke, das wirkt glaubwürdig genug. Es sind ja nur ein paar Meter, die du so aushalten musst.“ „Und die Kontrolle am Wachhäuschen der Tiefgarage, aber die schaffen wir trotz Weiß locker“, entgegnete der Ältere selbstbewusst. „Nur Kawaguchi muss die Nerven behalten, dann läuft alles glatt.“ Eben dies hoffte der Politiker im Stillen, schließlich hing er an seinem Leben und wollte gerne noch einige Jahre die Früchte seiner Arbeit genießen. Daher hielt er sich an die strikten Anweisungen, die er von den beiden Profikillern bekam. Die Drei setzten ihren Weg zum Hotel größtenteils schweigend fort. Payakootha kontrollierte zwischendurch die Gedankengänge ihres Verfolgers und informierte seine anderen Teammitglieder über den Kommunikationsfluss von Weiß. In einer Suite in einem der oberen Stockwerke des Hilton hielten sich Omi und Aya für den Einsatz bereit. Dieses Zimmer war für Hiroshi Kawaguchi reserviert, die nette Concierge war förmlich wie Wachs in Yohjis Händen zerflossen und hatte dies nochmals äußerst bereitwillig bestätigt. Ebenso dass aus Rücksichtnahme auf die Privatsphäre der Gäste, die Räume nicht Videoüberwacht wurden. „Da stimmt etwas nicht“, gab Brad plötzlich zu bedanken und runzelte skeptisch die Stirn. Nagi warf ihm einen fragenden Blick zu. „Wie meinst du das? Es wäre hilfreich, wenn du mir auch sagen würdest, was genau nicht stimmt. Hattest du eine Vision? Verläuft die Mission nicht so wie geplant?“ „Doch, das ist es ja, was mich verwirrt“, erklärte der Amerikaner. „Ich hatte nur ein paar kurze Visionen, wie kurz notierte Stichpunkte. Darin habe ich gesehen, wie dieser Kawaguchi hier mit seinem Bodyguard eintrifft und Weiß ihn töten. Der Leibwächter kommt auch nicht mit ins Schlafzimmer, er bringt ihn lediglich in den Salon und geht dann wieder. Etwas an diesem Kerl war anders als zu Beginn meiner Vision, ich kann aber nicht erklären, was. Das Ganze war aber ziemlich Bruchstückhaft, nicht besonders klar.“ „Wenn Weiß ihn töten, ist ihre Mission doch erledigt. Wo liegt das Problem?“, fragte der Jüngere weiter. Der schwarzhaarige Mann schüttelte der Kopf. „Ich weiß es nicht genau. Aber ich habe ein seltsames Gefühl. Vielleicht hat es auch nichts mit der Mission direkt zu tun, vielleicht läuft ihre Flucht schief.“ „Du meinst, sie werden entdeckt?“ „Nein, ich kann es nicht genau sagen“, gestand der Schwarz-Leader ein. „Aber mach dich auf alles Mögliche gefasst.“ Der kleine Japaner nickte. „Wir sollten vielleicht Schuldig Bescheid geben.“ Der Deutsche lehnte hinter seinem Schützling, der die Uniform des hauseigenen Sicherheitspersonals trug, an der Wand in dem kleinen Wachhaus am Eingang der Tiefgarage des Hotels. Zwischendurch warf er immer wieder einen Blick auf die Uhr und dachte über die Warnung seiner Freunde nach. Der Bodyguard war zwar größtenteils absolut uninteressant für Weiß, aber er würde ihn sich einmal genauer ansehen. Bis auf die übliche Bewaffnung erwartete er jedoch nichts. Das Knistern von Yohjis Headset riss ihn aus seinen Gedanken und er beugte sich vor, bis sich ihre Köpfe auf gleicher Höhe befanden und lauschte dem Gespräch. „Sie haben gerade den Blinker gesetzt und fahren in die Tiefgarage“, informierte Ken ihn. „Ich fahre noch ein Stück weiter, um keinen Verdacht zu erwecken.“ „Verstanden“, bestätigte der Playboy und unterbrach die Verbindung. Als die schwarze Limousine die Einfahrt hinunterfuhr, erhob er sich von seinem Platz und verließ das kleine Büro. Das Auto war aufgrund des heruntergelassenen Schlagbaumes genötigt anzuhalten und auf ein Klopfen des vermeintlichen Wachmannes hin, wurde das Fenster an der Fahrertüre herunter gelassen. Der honigblonde Mann musterte den Fahrer kurz und versuchte einen Blick in das Innere des Fahrzeuges zu erlangen. Da die Zwischenscheibe, die Fahrer- und Fahrgastkabine trennte, jedoch hoch gelassen war, wurde ihm dieser verwehrt. „Dürfte ich bitte Ihre Karte sehen, Sir? Oder haben Sie noch nicht eingecheckt und benötigen einen Parkausweis?“ Payakootha beruhigte Kawaguchi, nahm ihm die Nervosität und wies ihn an, die Chipkarte vorzuzeigen, welche auch als Schlüssel für seine Suite fungierte und nun in einem kleinen Fach unter dem Radio lag. Der als Chauffeur getarnte Politiker folgte der Anweisung und übergab das kleine Stück Plastik, das die Form einer Kreditkarte besaß. „Hier ist die Karte. Mein Mitfahrer hat bereits seine Suite bezogen.“ Yohji nahm die Karte entgegen und steckte sie in das Lesegerät, woraufhin sich der Schlagbaum öffnete und auf einem kleinen Kontrollmonitor im Büro eine Meldung erschien, dass der Gast aus Zimmer Nummer 2.316 das Gebäude betrat. Danach gab er das Stück Plastik zusammen mit einem weiteren zurück. „Vielen Dank. Hier haben Sie noch eine Karte für die Ausfahrt. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und noch einen schönen Abend.“ Wortlos nahm der Verteidigungsminister die Karte entgegen, schloss das Fenster wieder und fuhr in die Tiefgarage hinein. Das älteste Weiß-Mitglied gab daraufhin den anderen Bescheid, dass ihre Zielperson soeben eingetroffen war und sich in wenigen Minuten ihnen gegenüber befinden würde. „Das ist doch bisher ganz gut gelaufen“, fand Kawaguchi und lächelte zufrieden. Der Japaner, der seine Gestalt angenommen hatte, lachte leise. „Würden Sie das auch noch behaupten, wenn Sie wüssten, dass Sie sich da gerade mit einem Ihrer potentiellen Mörder unterhalten haben?“ „Das war einer von Weiß“, stimmte der jüngere Assassin zu. „Wir wollten Sie nicht noch mehr unnötig beunruhigen und haben es daher zunächst verschwiegen. Ab jetzt sind Sie in Sicherheit, er hat Sie nicht erkannt.“ Der Politiker nickte. „Gut. Und was soll ich jetzt tun?“ „Halten Sie vor den Aufzügen an, damit wir dort aussteigen können. Sobald wir drin sind und sich die Türen schließen, können Sie wieder nach draußen und direkt zu Frau Takehito fahren. Sie können den Wagen allerdings auch hier abstellen und hier warten bis alles vorbei ist. Es spielt keine Rolle, tun Sie, was immer Ihnen beliebt“, erklärte Xen und zuckte gleichgültig mit den Schultern. Payakootha beugte sich nach vorne und schaltete das Navigationssystem ein. Nach einigen Knopfdrücken konnte man auf dem kleinen Bildschirm die verdunkelte Suite erkennen. „Sehr gut, sie haben die Kamera nicht gefunden. Hierüber können Sie verfolgen, was passiert. Vielleicht ist es ja interessant für Sie zu sehen, wie Sie umgebracht werden.“ „Ja, ich denke, das werde ich mir mit ansehen. Allerdings in sicherer Entfernung“, meinte der Verteidigungsminister und hielt einige Meter von den Aufzügen entfernt. „Ich wünsche Ihnen beiden viel Glück. Versauen Sie es nicht, das würde Ihrer Vorgesetzten überhaupt nicht gefallen.“ „Keine Sorge, wir wissen sehr genau was wir zu tun haben“, säuselte der sonst grünhaarige Mann und stieg nach seinem jüngeren Teamkollegen aus der Limousine aus. Gemeinsam gingen sie die wenigen Schritte zu dem Fahrstuhl hinüber und verschwanden darin. Nachdem die Türen sich geschlossen hatten, wendete Kawaguchi den Wagen und fuhr in Richtung Ausfahrt. Durch die Glasscheiben des Wachhauses sah er den jungen Mann, der sie zuvor hineingelassen hatte, vor den Überwachungsgeräten sitzen. In der Uniform und mit dem netten Gesicht sah er für ihn gar nicht aus wie ein Mörder. Aber das Aussehen konnte täuschen, wie er bereits des Öfteren feststellen durfte. Vor dem Schlagbaum, der die Ausfahrt blockierte, hielt der Politiker an und steckte die zweite Karte, die er von dem vermeintlichen Wachmann bekommen hatte, in ein Lesegerät, welches sie ganz einzog und auch nicht wieder herausgab. Daraufhin öffnete sich die Schranke und die schwarze Limousine verließ die Tiefgarage wieder. Yohji hatte alles über die Videokameras beobachtet und hielt sein Team über die Geschehnisse auf dem Laufenden. „Zielperson und Bodyguard fahren jetzt mit dem rechten Aufzug nach oben. Der Chauffeur hat mit der Limousine das Gebäude wieder verlassen. Siberian und ich verschwinden jetzt von der Bildfläche. Viel Glück euch beiden.“ Damit beendete er die Übertragung und verließ seinen Posten. Nachdem sich die Fahrstuhltüren geschlossen hatten nahm Xen wieder seine eigene Gestalt an. „Wie grässlich so einen unförmlichen Körper zu haben. Erinnere mich bitte hieran, wenn ich das nächste Mal die ganzen Chips alleine aufesse.“ „Kein Problem, wird gemacht“, grinste der Junge indianischer Abstammung und deutete auf die kleine Luke in der Decke. „Hebe mich mal bitte hoch, damit ich aufmachen kann.“ „Na aber wenigstens schrumpft man von Chips nicht und die Haare fallen einem nicht aus. Das ist immerhin ein kleiner Trost.“ Er stellte sich unter die Luke und sah nach oben. „Warten wir damit, bis wir angehalten haben, sonst kippen wir um. Außerdem kann Unseen das von außen aufmachen, das ist viel einfacher.“ Als ob diese Aussage das Zeichen gewesen wäre, stoppte der Aufzug auf einmal, wobei die Türen allerdings geschlossen blieben. Dafür öffnete sich die Deckenklappe und Phuongs weißer Haarschopf kam zum Vorschein, der jedoch sofort wieder verschwand, um jemand anderem Platz zu machen. An seine Stelle trat nun der Klon von Hiroshi Kawaguchi und schickte sich an, auf Yukios Geheiß hin, die Luke hinunter zu klettern. „Vorsichtig!“, wies der grünhaarige Mann ihn an und half ihm unbeschadet zu sich hinunter in die Kabine. „Also gut, jetzt hätten wir es bald geschafft“, stellte Payakootha fest. Der Ältere nickte. „Halte unseren Freund hier schön unter Kontrolle und lass dich nicht von Weiß umbringen. Wir zählen auf dich, Kurzer.“ „Nenn' mich nicht so!“, keifte der Braunhaarige beleidigt zurück. „Ich manage das schon alles, keine Sorge. Und jetzt raus mit dir, Time Force kann die Zeit nicht ewig anhalten.“ „Das stimmt allerdings leider“, ertönte eine tiefe Männerstimme von oben. „Würdet ihr euch also bitte beeilen? Wenn ich das Hotel zu lange lahm lege, fällt das auf, vor allem, wenn Weiß Funkkontakt haben sollten.“ „Ist ja gut, ich beeile mich ja“, sagte der Japaner beschwichtigend und kletterte mit Yukios Hilfe aus der Fahrstuhlkabine heraus. Gemeinsam verschwanden die drei Mißgunst-Mitglieder aus dem Fahrstuhlschacht in den danebenliegenden und benutzten den zweiten Aufzug, als die Zeit wieder weiter lief, um wieder in die Tiefgarage zu gelangen. Payakootha und der Klon des Verteidigungsministers fuhren währenddessen weiter nach oben. Bereits nach wenigen Augenblicken wurde die Kabine wieder langsamer und hielt an. Mit einem leisen, kurzen Klingeln öffneten sich die Türen und gaben den Blick auf einen breiten, mit teuren Teppichen ausgelegten Flur frei. Die beiden Männer gingen gemeinsam zu der reservierten Suite und öffneten die Tür mit Hilfe der Chipkarte. Der als Bodyguard getarnte Shawnee wartete an der Tür, bis der andere zwei Schritte in den Raum hineingegangen war. Dann fragte er ergeben: „Benötigen Sie noch etwas? Kann ich noch etwas für Sie tun, Kawaguchi-sama?“ „Nein, danke“, entgegnete der vermeintliche Politiker. „Sie können dann gehen. Gute Nacht.“ „Ihnen auch eine erholsame Nacht, Kawaguchi-sama. Ich hole Sie dann morgen früh wieder ab.“ Mit diesen Worten wandte sich das Mißgunst-Mitglied ab und hörte nur noch, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Der Rest würde sich von alleine erledigen. Dem Dummy wurde bis ins Detail eingebläut was er zu tun und zu sagen hatte. Also machte sich der junge Mann auf den Weg aus dem Gebäude heraus und zum Rest seines Teams. Die beiden Weiß-Assassins hörten Schritte auf dem Flur und versteckten sich in der Dunkelheit der Suite. Aufmerksam lauschten sie den Geräuschen der sich öffnenden Tür und dem folgenden kurzen Gespräch. Nachdem die Tür wieder geschlossen wurde, war das leise Klicken eines Schalters zu vernehmen und das Licht flackerte auf. Nun sahen sich die beiden Auftragsmörder ihrer Zielperson entgegen, die nur einige Schritte von ihnen entfernt stehen blieb. „Wer sind Sie und was wollen Sie?“, verlangte der Klon zu wissen. „Weiß“, entgegnete Aya schlicht und zog in einer schnellen Bewegung das Katana aus der Scheide, während Omi im gleichen Augenblick einige Dartpfeile hervorholte und sich zum Wurf bereit machte. Die Irritation seines Gegenübers ausnutzend stürmte der Rotschopf mit einem Satz zu ihm hinüber, erhob seine Waffe und ließ sie mit einem eiskalten: „Shi-ne!“ auf ihn hernieder sausen. Er zog die Klinge vom Halsansatz her nach unten quer durch den Oberkörper des anderen Mannes, so dass diese auf der anderen Körperhälfte wieder austrat und den Torso beinahe in zwei Hälften zerteilte. Der blonde Junge beobachtete ungerührt, wie der leblose Körper vor seinem Freund zu Boden sackte und steckte seine Giftpfeile wieder ein. Dass er seine eigenen Waffen nicht benötigte, konnte er nur begrüßen, vor allem wegen der Fingerabdrücke, die er so zweifellos hinterlassen hätte. Er hatte nicht daran gezweifelt, dass der Ältere ihr Ziel mit einem Schlag niederstrecken würde, aber es war immer besser für alle Fälle bereit zu sein. Der Weiß-Leader wischte die blutige Klinge seines Katanas an dem dunklen, besudelten Anzug des Toten ab und steckte es wieder zurück in die Scheide. Die Blutspritzer auf seiner eigenen Kleidung konnte man aufgrund des dunklen Leders seines langen Mantels glücklicherweise nicht gleich erkennen. Sobald sie jedoch zu Hause waren, würde er sie gründlich reinigen müssen. Gemeinsam verschwanden die beiden Attentäter ungesehen aus dem Hotel und trafen sich auf einem nahen Parkplatz mit Ken und Yohji, die dort bereits warteten. Für den Notfall waren sie in der Nähe geblieben, um schnell eingreifen zu können, wenn etwas nicht wie geplant gelaufen wäre. Die Mission war allerdings ein Erfolg und so machten sich die vier jungen Männer zusammen auf den Heimweg. Hiroshi Kawaguchi hatte dank der durch Phuong in der Suite installierten Videokamera die Aktion von Weiß mit ansehen können. Um dafür die nötige Ruhe zu haben, hatte er die Limousine auf dem Parkplatz eines nahegelegenen, sehr exklusiven Restaurants geparkt, da sie dort am Wenigsten auffallen würde. Er war beeindruckt von dem Rotschopf und dem blonden Jungen, ein präzise eingespieltes Team, schnell und tödlich. Mit ziemlicher Sicherheit wäre er ebenso leblos wie ein nasser Sack zu Boden gegangen, wie sein Klon, wäre er selbst in das Zimmer gegangen. Ein Mal mehr war er sich sicher, Staatsgelder mehr als nur gut angelegt zu haben. Als die doch recht kurzweilige Vorstellung beendet war, startete der Politiker den Motor erneut und fuhr aus der Stadt. Wieder im Koneko sumu le angekommen zerstreuten sich Weiß wie immer, jetzt benötigten sie jeder einige Zeit für sich alleine. Omi und Ken zogen sich einfach in ihre Zimmer zurück, ebenso wie Yohji. Aya beschäftigte sich erst einmal damit, die Blutspritzer von seiner Kleidung, die er auf jeder Mission trug, zu entfernen. Nagi saß währenddessen gelangweilt daneben und beobachtete seinen Schützling. Er dachte darüber nach, was Brad über den Bodyguard gesagt hatte. Ihm selbst war nichts Seltsames an dem anderen Mann aufgefallen, dafür hatte er ihn viel zu kurz und bloß im Halbdunkel gesehen. Aber vielleicht war es möglich, dass er die beiden Weiß-Assassins bemerkt hatte. Doch dann hätte er wahrscheinlich eingegriffen, wenn er ein pflichtbewusster Angestellter wäre. Es blieb jedoch auch die Möglichkeit, dass dieser Politiker noch mehr Leuten unbequem geworden war oder er einfach die Polizei verständigt hatte. Dagegen sprach allerdings, dass ihnen keinerlei Sirenengeheul auf dem Heimweg begegnet war. Der kleine Japaner gab das Grübeln auf, als auch sein Schützling endlich in seinem Zimmer verschwand und sich schlafen legte. Es gab so viele Möglichkeiten, wie die vage Vision seines Leaders gedeutet werden konnte. Im schlimmsten Fall wurden die Vorhersagen langsam aber sicher unzuverlässig. Darüber würden sie baldmöglichst reden müssen, um keine groben Fehler zu begehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)