It's cold outside. von robin-chan ================================================================================ It's beginning to look a lot like ... ♫ --------------------------------------- Nami Lindgrens Geduldsfaden überspannte just in dem Moment, in dem ihre Playlist auf ein Weihnachtslied hüpfte. »It’s beginning to look a lot like-« »Fuck this~«, übertönte sie den eigentlichen Text, und drückte den Koffer unsanft mit ihrem Knie zusammen. Endlich! Ein paar Minuten schon kämpfte sie mit dem Reißverschluss. Zehn Tage. Zehn gottverdammte Tage und elf Nächte auf einer Berghütte im Nirgendwo. Okay. Nirgendwo war übertrieben, aber lag sie durchaus abgeschottet oberhalb des eigentlichen Dorfes. Und dachte sie darüber nach, war es umso untertriebener das besagte Objekt als Hütte zu bezeichnen. Der Kerl hatte sich regelrecht eine Luxusvilla errichtet – sein eigenes Ruhestandsgeschenk, wie er sie gerne betitelte, obwohl dieser noch auf sich wartete. Nun genoss sie erstmal ihren Triumph und blies sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht, während sie auf dem Koffer hockte. Deshalb liebte sie Urlaube in wärmeren Gefilden. Ihre Outfits waren dann wesentlich platzsparender. Gott, normalerweise würde sie Vorfreude empfinden. Weihnachten umringt von Schnee, weit weg der Realität. Schöne Stunden mit ihren Liebsten. Erst recht, wenn sie an die wenige Zeit dachte, die sie miteinander hatten. Oder verträumt die nächste romantische Schlittenfahrt herbeisehnen. Ja, unten im Dorf gab es das Angebot und letztes Jahr, als sie ein paar Tage allein dort verbrachten, war das ihr persönliches Highlight gewesen. Und brauchte sie Action lag nicht unweit von ihnen ein Skigebiet. Dieses Jahr sollte das ihre Flucht sein. In jeder freien Minute würde sie sich ihr Snowboard schnappen und fliehen. Dazwischen in eine Hütte einkehren, als kurze Verschnaufpause, und erst spät zurückkehren. Vielleicht probierte sie sogar Tourengehen. Mit den Skiern rauf, mit dem Snowboard runter. Skigefahren war sie das letzte Mal in ihrer Kindheit. Ein Krankenhausaufenthalt wäre der ideale Ausweg, aber so verrückt, war sie dann auch nicht. Darüber schüttelte sie den Kopf. Am Sideboard erblickte sie das eingerahmte Foto. Aufgenommen im ersten Urlaub miteinander. Vor vier Jahren auf Mykonos. Glücklich lachten sie in die Kamera; damals war ihre Welt in Ordnung. Es schien, als wären sie füreinander geschaffen, als würden sie das restliche Leben miteinander verbringen. Heute unvorstellbar. Heute lag ein dunkler Schatten über ihnen. Hätten sie das Gespräch doch früher geführt, bevor sie zusagten. Vielleicht hatten sie beide spekuliert, auf eine Besserung. Eine Rückkehr ins alte Miteinander. Dumm … naiv … Nami wollte schreien. So laut sie konnte, aber es wäre sinnlos. Diese Misere hatten sie sich zusammen eingebrockt. Also raffte sie sich tief einatmend auf die Beine, schob den Koffer zur Wand und stellte die zusätzliche Tasche darauf. Sie war fertig. Morgen bräuchte sie sich um nichts mehr kümmern. Ein Gedanke, der ihr auf den Magen schlug. Fünf Stunden Fahrt, ohne Pause eingerechnet. Fünf Stunden eisernes Schweigen oder Lappalien. Langsam überkam sie die Fehlkalkulation, sie hatten die Situation unterschätzt. Denn ihre Familien erwarteten ein glückliches Paar, dass hoffentlich bald eine Hochzeitsankündigung machte. Stattdessen würden sie nach den Feiertagen das Aus verkünden (sofern kein Wunder geschah). Gerne wollte Nami die Zeit zu dem Punkt spulen, anstatt auf verliebt zu machen. Ging das gut? »Verdammte Scheiße! Das klappt nie!«, fluchte sie und fuhr sich durchs Gesicht. Wie kam ihnen bloß diese bescheuerte Idee, eine heile Welt vorzuspielen, um den Weihnachtsfrieden zu wahren? Als in dem Moment auch noch ein Liebeslied abgespielt wurde, war ihre Laune gänzlich im Keller. Die Playlist war auf Shuffle gestellt und mittlerweile wollte sie sich gegen sie verschwören. Zähneknirschend ging sie zum Nachtkästchen und stoppte wütend die App. Das Handy nahm sie vom Ladekabel und steckte es in die Gesäßtasche. Heute Abend war sie noch verabredet und wollte sie pünktlich sein, musste sie bald los. Im Gegensatz zu ihr, war ihre beste Freundin in Feiertagsstimmung. Ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt sollte helfen. Tat er eventuell. Dass sie selbst Lust darauf fand, lag im Möglichen. Dann, wenn sie sich mit härteren Getränken unter den Tisch kübelte. Die Idee behielt sie im Hinterkopf. Einen über den Durst trinken, verkatert verschlafen. Oder sollte sie lieber auf einen Schneesturm hoffen, der die Fahrt unmöglich machte? Dumm nur, dass Nami Meteorologin war und wusste, dass die Chance in dieser Nacht bei null lag. Nicht mal auf Blitzeis durfte sie wetten. Nami kehrte gerade zum Kleiderschrank zurück, als sie dumpf die Haustüre hörte. Natürlich. Natürlich kam sie heute früher. Ihr Umgang hatte sich extrem verhärtet, erst recht nach dem einen Gespräch. Mittlerweile gingen sie sich partout aus dem Weg. Nami mit ihren Frühschichten (die sie im Winter zutiefst hasste). Robin blieb dafür bis spät in die Nacht fort. Binnen weniger Monate hatten sie sich mehr und mehr gegen die Wand gefahren. Offiziell ausgesprochen, hatten sie es nicht – noch nicht, obwohl die Indizien eindeutig waren. Vor zwei Wochen hatte sich Robin endgültig ins Gästezimmer verabschiedet, in ihrem eigenen Haus. Ein Umstand, der sich bald änderte. Nami hatte den Gedanken in eine Wohnung zu ziehen, schon eine Weile gehabt. Anfangs einfach so, später suchte sie ernsthaft. Im Januar könnte sie umziehen. Sie wäre näher an der Arbeit und genau der Stil, den sie mochte. Alles stand eben für das Aus und trotzdem rauften sie sich für die nächste Woche zusammen. Das Kommende war ihr Versuch dem Unausweichlichem und dem damit verbundenem Gerede wenigstens bis nach den Feiertagen aus dem Weg zu gehen. Warum zum Teufel mussten sich ihre Familien so gut verstehen? Vor allem ihre Mütter! Schritte auf der Treppe. Ein Zeichen diese Gedanken zu ersticken und zu gehen. Sie tauschte das Oberteil und schlüpfte in einen wärmenden Pullover. Minusgrade waren Normalzustand geworden. Im Gehen löste sie den Zopf und griff anschließend nach der Mütze, die auf dem Bett lag. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie wusste, welche sie einpackte. Gerade als sie sich diese vor dem Wandspiegel aufsetzte, hörte sie ein Räuspern, gefolgt von einer neutralen Begrüßung. Vom Spiegel aus warf sie einen unbeeindruckten Blick Richtung Robin. Sie stand an den Türrahmen gelehnt da, die Arme verschränkt, während die Aufmerksamkeit dem Koffer galt. Ein Moment, der Nami innehalten ließ und den sie nutzte. Ihre Augen wanderten über ihren Körper. Gott, diese Frau hatte ihr vor Jahren den Kopf verdreht und jetzt? Nami hatte keine Antwort. Manchmal versuchte sie krampfhaft herauszufinden, was der eigentliche Auslöser war. Dann akzeptierte sie das Bergab als einen schleichenden Prozess. Also schluckte sie das hinunter und zupfte ihre Haare zurecht. »Deine Skischuhe stehen schon in der Garage.« Robin hob darauf den Kopf, in ihrem Blick lag eine leichte Überraschung. Na ja, sie hatte so oder so ihre Boots gebraucht und die waren am selben Platz verstaut. »Danke … passt dir morgen neun Uhr?« Gebührend Zeit zum Wachwerden, gestand sich Nami ein. Ein Kompromiss. Allein würde Robin wesentlich früher aufbrechen. Nicht, weil sie es nicht erwarten konnte, aber so war sie. Nami nickte. »Hört sich gut an.« Sie war zufrieden, was ihre Haare anging. Bevor sie aber nach unten ging, blieb sie neben Robin stehen. Unschlüssiger als gewollt und so wagte sie nicht aufzusehen. »Im Dampfgarer steht Essen. Du musst nur regenerieren. Wir sehen uns morgen.« ∞ Robin Nikolaev hatte keinen Hunger, aber aß sie auf. Einerseits war sie gegen Verschwendung, andererseits wollte sie keinen Streit vom Zaun brechen. Vielleicht hätte sie besser kommuniziert. Zum Abschluss hatte sie heute früher Schluss gemacht und war mit Kollegen essen. Kommunikation war das Schlüsselwort. Seit geraumer Zeit ein großes Problem. Bei dem Punkt schwächelten sie beide gleichermaßen. Sie tat sich schwerer als jemals zuvor, Nami genauso. Wenn sie sich sahen, gab es diese Momente, in denen jeder etwas auf der Zunge lag, aber statt reden, schluckten sie und gingen wieder dem eigenen Treiben nach. Seufzend räumte sie ein, ehe sie den Geschirrspüler einschaltete. Um die Uhrzeit zu Hause sein, war merkwürdig, aber Stress war das letzte das sie morgen wollte. Ein Grund, warum sie vor dem Essen in Ruhe gepackt hatte und bevor sie den Tag endgültig abhakte, wollte sie das Auto einräumen. Also zog sie eine dünnere Jacke über und ging mit den Gepäcksstücken hinaus in die Garage. Dieses Fest entwickelte sich schon jetzt zu einem Desaster. Dass keine Vorfreude vorhanden war, zeigte auch das Haus. Fast vier Jahre wohnte Nami hier und jedes Jahr war es reichlich geschmückt. Innen, sowie die Außenfassade. Im Vorgarten standen sogar Figuren. Nami mochte das und Robin hatte es gelernt. Früher war ihr das Drumherum egal, sie legte keinen Wert darauf. Nami hatte die Einstellung verändert. Das Wenige, das dieses Jahr vorhanden war, zeigte deutlich, wie es um sie stand. Als sie das Licht anmachte, wusste Robin Bescheid. Alkohol war angesagt. Nami war ohne Wagen unterwegs, er stand noch neben ihrem, den sie für die morgige Fahrt vorbereitete. Mit Robins SUV waren sie besser bedient, besonders was den Allradantrieb anging. Dort oben wusste man nie, was das Wetter parat hielt. Während sie also die Dachbox anbrachte, verteufelte sie ihren Stiefvater. Erneut. Eigentlich müsste er durchgehend Schluckauf haben. Was hatte ihn bei der Idee bloß geritten? Liefen die Feiertage normal ab, so hätten sie genau zwei Tage zum Überstehen, keine zehn Tage. Nein, er musste alle auf seine bescheuerte Hütte einladen. Weiße, verträumte Weihnachten. Das dabei aufkommende Gefühl von Übelkeit, kam nicht vom Essen. Ihr Innerstes verbergen, eine Maske wahren ... darin war Robin verdammt gut. Leider wusste sie, mit wem sie dort war. Wer um sie herum schwirrte und auf Kleinigkeiten achtete. Das waren nicht irgendwelche Menschen. Ihre Familien auf falsche Fährte locken, könnte ein Kraftakt werden. Tagsüber und nachts? Wieder in einem Zimmer … leise fluchend stützte sie sich am Träger ab. Wie war es bloß so weit gekommen? ❄ Drei Stunden, wenn überhaupt, hatte Robin geschlafen. Nami war eine Weile nach Mitternacht zurückgekehrt, während sie sich mit einem ihrer Bücher ablenkte. Dass der Schlaf ausbleiben würde, war ihr recht schnell klar geworden. In solchen Nächten schlich sich unweigerlich die Frage ein, ob es noch Hoffnung gab, oder sie jemanden über dem Weg lief, der endgültig das Aus besiegelte. Ein amüsanter Gedanke. Denn genau das wurde Robin vorgeworfen, während ihrem letzten und lautestem Streit. Gegenseitig hatten sie sich hochgeschaukelt. Kein Wunder, dass er eskalierte. Ein Grund, warum Robin gern ihre Emotionen unterdrückte und auf manche abgeklärter wirkte, als sie eigentlich war. Sie hatte sehr wohl eine emotionale Seite und konnte, wenn sie diese durchließ, mit Namis Temperament durchaus mithalten. Ins Leere starrend, wippte sie leicht mit ihrem Schreibtischstuhl. Dieser Streit hatte dazu geführt, dass sich Robin ins andere Zimmer verabschiedete. Ihr war es zu viel geworden und der Spannung wollte sie wenigstens nachts entkommen. Langsam wurde es Zeit. Eigentlich wollte sie lediglich ihre Laptop- und Büchertasche holen, aber die Stille in dem Raum lud ein. Er war ihre Komfortzone, die sie nun verlassen musste. Sie schulterte die Taschen und ging gemächlich nach unten, wo die andere bereits ihre Schuhe anzog. »Hast du gestern noch eingeräumt oder habe ich dich nicht gehört?«, fragte Nami leicht irritiert. »Gestern. Musste sowieso noch Frostschutzmittel nachfüllen.« Leicht zuckten ihre Schultern und sie hielt Nami einen Thermobecher entgegen. Im Gegensatz zu ihrem war darin Tee. Um die Jahreszeit zog Nami ihn vor. Sie bedankte sich nuschelnd. Ein wenig sah man ihr die Nacht an, aber fragte Robin nicht nach. »Können wir los?« Nami nickte und nahm vorsichtig einen Schluck, während ihre andere Hand nach der Handtasche griff. »Hab noch einen Rundgang gemacht, alles erledigt.« Dennoch zeigten manche Kleinigkeiten, wie eingespielt sie eigentlich waren. Sogar während der letzten Wochen. ❄ Bis sie eine Pause machten, war es genau wie Robin befürchtete. Ein gespenstisches Schweigen zwischen ihnen, das vom Radio untermalt wurde. Normalerweise verband sich Nami sofort und wählte die passende Musik. Wenn sie nicht wollte, tat Robin nichts dergleichen, achtete stur auf den Straßenverkehr. Neben ihr war hie und da eine Regung erkennbar. Dann wenn Nami etwas trank, aus dem Fenster sah oder sich eben mit dem Handy begnügte. Sie hatten erst die halbe Strecke geschafft. »Okay«, begann Robin schließlich in einem ruhigen Tonfall, nachdem sie in der Raststätte Platz nahmen. »wir haben uns in eine ungünstige Lage gebracht. Wir müssen langsam auftauen, findest du nicht?« Erst zeigte Nami keinerlei Reaktion, dann hob sie die Tasse an und betrachtete sie über den Rand hinweg. Es waren ihre haselnussbrauen Augen, denen Robin zuerst verfallen war. Jede Nuance hatte sie seither kennengelernt. Ein Blick reichte und sie wusste fast immer, was in ihrem Kopf vor sich ging. Noch existierten diese kurzen Momente, in denen sie die Gefühle erkannte. Und einen Wimpernschlag später waren sie fort. Wie in dieser Sekunde. »Mein Schneesturm ist ausgeblieben, bleibt uns nichts anderes übrig.« Robins Mundwinkel zuckten leicht. »Wir könnten ihnen-« »Ach, jetzt änderst du deine Meinung?« Nami stellte die Tasse ab und lehnte gereizt zurück. »Ich habe den Mist nicht vorgeschlagen!« »Darf ich dich erinnern, wer gefragt hat, wie wir die Tage über die Bühne bringen, ohne dass es für alle unangenehm wird? Ich habe die Idee ausgesprochen, aber zugestimmt hast du!« Die Schuld gänzlich auf Robin abwälzen, konnte Nami vergessen. Und dementsprechend eingeschnappt wich sie dem Blick aus. »Ist angekommen. Wir haben noch zweieinhalb Stunden … wir sollten nicht vergessen haben, wie …« Nami machte eine wirre Handbewegung, bevor ihr ein Lachen entfloh. »Wir konzentrieren uns auf das Nötigste und hoffen auf Ace. Er ist neu und sie werden sich bestimmt auf ihn stürzen. Ein frischgebackenes Liebespaar ist weitaus spannender.« Sitting by the open fire ♫ -------------------------- Robin Nikolaevs Nerven flatterten gefährlich. Entweder spielte ihr Verstand einen Streich oder die Hütte war monströser und angsteinflößender als in Erinnerung. Je näher sie kamen, desto schlimmer wurde das Rumoren, bis es beim Abstellen des Motors einen Höhepunkt erreichte. Zum Verrückt werden; sie war Ende dreißig! Tiefer sank sie in den Sitz und ein synchrones Aufatmen bewies, sie war mit dem nicht allein. Beide betrachteten sich aus den Augenwinkeln. Das war der Moment, der ein Entrinnen unmöglich machte. Sogar die Wahrheit brachte sie nicht fort; es würde lediglich die Stimmung kippen. Die Punkte waren sie nach der Raststelle nochmals durchgegangen. Ihnen gefiel keine Option. »Na dann … bringen wir das Fiasko hinter uns«, murmelte Nami verbissen. Statt auszusteigen, drückte sich diese umständlich zwischen die Sitze und tastete nach ihrem Daunenmantel. Knapp schluckte Robin noch einen Kommentar, schob mit Daumen und Zeigefinger ihre Pilotenbrille hoch und massierte angestrengt ihren Nasenrücken. Hintertüre öffnen wäre eine Option. Als sich Nami ihn dann auch noch anzog, löste Robin kopfschüttelnd den Gurt und stieg schwungvoll aus. Ein kalter Wind umfing sie. Die Kälte drang durch ihren dünnen Pullover und die Jeans. Die Sonne schien zwar noch, aber die Temperaturen waren unter dem Nullpunkt. Einen Moment blieb sie einfach stehen, atmete harsch ein, ehe sie das Frösteln abschüttelte. Ein verspieltes Lachen, ein Türknallen. Provokant strich Nami ihren Mantel glatt, zog die Kapuze über. Okay, vielleicht war die Entscheidung die bessere und eigentlich brauchte Robin einfach nur ihre Jacke vom Rücksitz holen, aber gerade war das Standhaftbleiben verlockend. Ja, es war kindisch und ja, ihr war kalt, aber was tat man nicht alles, für ein bisschen Genugtuung. Irgendwie entlockte ihr Nami sogar ein Lächeln, das aber sofort erstarb. »Robin! Nami! Willkommen in Wonderland! Ihr seid spät dran!«, rief ihnen eine tiefe Stimme entgegen und bescherte Robin zusätzliche Gänsehaut. »Oh. Mein. Gott«, entwich der anderen, die erstarrt hinter dem Kofferraum hervorlugte. Wenn Robin eines gelernt hatte, dann das diese Reaktion nie Gutes hervorbrachte. Dementsprechend langsam warf sie einen Blick über die Schulter. Glücklicherweise wurden ihre geweiteten Augen verdeckt. Oben, auf der breiten Terrasse stand ihr Stiefvater winkend an der Begrenzung. Wobei das nicht das Problem war. Sein schwarzes, struppigeres Haar wurde halb von einer Weihnachtsmannmütze verdeckte. Den Schock brachte stattdessen seine Badehose ein, das einzige Kleidungsstück, das er trug. »Bewegt eure Hintern rein und wärmt euch auf. Es ist herrlich!« Kuzan Matsuda hatte den Whirlpool gestartet, kein Zweifel. »Aufwärmen … der ist der Grund, warum ich gerade erfriere!«, zischte Nami. »Was läuft bei dem schief … Minus sieben Grad verdammt!« Robin wollte zustimmen, da trat eine zweite Silhouette näher und machte die Situation absurder. »Ladies! Pünktlich zur Party!« Das Sommersprossengesicht natürlich, dachte sie seufzend. Ace, der Freund von Nojiko, Namis Schwester. Identisch ihrem Stiefvater. Dasselbe Muster, dieselbe Mütze, bloß reckte er einen Bierkrug in die Höhe. Bedächtig schritt Robin rückwärts Richtung Kofferraum, wo Nami leise fluchte. Es war wie mit Unfällen. Schrecklich, aber das Wegschauen fiel schwer. Was um Himmels Willen hatten sie sich eingebrockt? »Bitte nicht Genzo … bitte nicht der auch noch«, schickte Nami ein Stoßgebet los. Sich räuspernd schulterte Robin eine Tasche. »Du hast auf Ace plädiert, bitte, er macht seinen Job.« Das konnte ein Vorteil sein. Fand Kuzan ein Opfer, wären sie teilweise aus dem Schneider. »Und nein, ist er nicht. Glück gehabt.« Normalität versprach der Anfang nicht. »Na ja, wenigstens haben die zwei ihren Spaß«, erwiderte die andere zähneknirschend, dann veränderte sich ihr Blick. Ein auffälliges Mustern folgte, das Robin weniger behagte. »Was hättest du von ihm wohl übernommen?« »Was?« Gerade hob sie einen Koffer heraus. Mit verschränkten Armen stand sie vor Robin. »Komm, wir wissen beide, er ist speziell.« »Ich habe mir nie Gedanken gemacht, aber hey, wenn alles gut läuft, siehst du da oben den Prototypen für eine Nichte oder einen Neffen.« Der Gedankengang ging in beide Richtungen und wurde gekonnt mit einem finsteren Blick gestraft. »Was? Gefällt dir die Vorstellung nicht?« ❄ Einige Minuten schon, stand Robin draußen auf der Terrasse und blickte in die klare Nacht hinauf. Das mochte sie an den Bergen, das Leuchten der Sterne. Das erste Resümee fiel glücklicherweise positiv aus. Ankunftstage waren perfekt. Wenn alle wieder zusammenkamen, existierte genug Gesprächsstoff. Zeit wurde nachgeholt und man konnte Abstand wahren. Wobei Robin sich treu blieb. Eine Pause von dem Trubel. Minuten allein, in Stille. Das war bekannt. Robin hatte das von Kleinauf, ab einem Punkt musste sie weg. Es wurde ihr zu viel. Da war die Kälte sogar angenehmer und danach beendete sie den Abend. Es war schon spät und heute spürte sie die kurze Nacht. Oder, und das war durchaus möglich, einfach die letzten Wochen. Früher als üblich täte ihr gut, wenngleich sie darüber grübelte, wie die Nacht ablief. Zusammen mit Nami nicht nur in einem Raum, sondern in einem Bett. Kurzweilig hatte sie sogar darüber nachgedacht, ob sie ihr Zelt nicht am Boden aufschlug. Nach dem Zustand zu Hause fühlte es sich merkwürdig an. Als für Sekunden gedämpfte Stimmen zu hören waren und anschließend Schritte, blieb sie ungerührt. Immerhin durfte sie eine Person ausschließen, die ihr folgen würden. »Waghalsig … hast du keine Mütze mit?« Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Bevor sie jedoch antworten konnte, wurde ihr bereits die Kapuze über den Kopf gezogen. Das mochte Robin nicht. »Ich bin alt genug«, murmelte sie, behielt sie jedoch auf. Mit ihrer Mutter diskutieren endete in einer Belehrung. »Deine Ohren leuchten im Dunkeln.« Gerade so hielt sich Robin davon ab mit den Augen zu rollen. Je älter Olvia Nikolaev-Matsuda wurde, umso fürsorglicher schien sie. Oder kam es ihr nur so vor? »Schau nicht so«, wurde ihre ernste Miene kommentiert und leicht schubste sie Robin mit ihrer Schulter. »Erspar mir bitte einen deiner Vorträge, dass das Alter nicht schläft. Ich friere nicht.« Okay, vielleicht machte sich die Kälte am Kopf bemerkbar, aber ansonsten war sie warm eingepackt. Sie schielte zu ihrer Mutter. Mittlerweile war sie Mitte sechzig, obwohl sie gerne etwas jünger geschätzt wurde. Ein möglicher Ausblick auf ihre eigene Zukunft. Abgesehen von der Haarfarbe, sah sie Olvia zum Verwechseln ähnlich und ihre berufliche Passion hatte sie von ihr übernommen. Sie mochte das Gerede vom Alter nicht, denn es verdeutlichte das rasche Voranschreiten der Zeit. »Miesepeter«, neckte Olvia, bevor sie einen ernsteren Ton einschlug. »Sag die Wahrheit, Robin. Hast du dich mit Arbeit eingedeckt?« Ein Grund stur geradeaus zu schauen. Bei ihr fiel das Ausweichen schwerer aus, zumal sie sich auch in der Größe glichen. »Definiere-« »Robin!«, mahnte sie. »Es ist Weihnachten.« Mit der Aussage vergaß diese ihre Manieren und verdrehte die Augen. In Sachen Work-Life-Balance war Olvia kein Vorbild. Dennoch würde Robin sie niemals als schlechte Mutter bezeichnen, obwohl sie früher öfter ihrem Forschungsdrang verfiel und die gemeinsamen Stunden spärlich waren. Andere würden ihr es vorwerfen, aber früh war Robins eigene Leidenschaft entbrannt und spätestens, nachdem sie vollkommen in ihre Fußstapfen getreten war, hatte sie alles verstanden. Manchmal verlor man den Rest aus den Augen, besonders dann, wenn der Durchbruch zum Greifen nah war. »Schön, ein bisschen ist eingeplant. Ist doch genug Zeit dafür.« »Die Woche ist für die Familie und zum Abschalten gedacht. Selbst ich habe gewisse Zeiten stets eingehalten. Und stell dir vor, auch du brauchst eine Pause – Und nein, du irrst dich«, als ob sie neuerlich Robins Widerworte erriet. »darüber lesen, ist keine Entspannung. Du tust das, um voranzukommen. Abschalten wäre ein Roman oder sich in vollkommen Neues einzulesen. Aus eigener Erfahrung … es ist hilfreich.« Ihr Kopfschütteln gefolgt von dem tiefen Seufzer sagten, dass sie nicht fertig war. Dementsprechend lehnte Olvia mit dem Rücken an die Brüstung, forderte Blickkontakt. »Von Kind an bist du in einem rasanten Tempo davon geprescht. Eine steile Karriere und dieses Jahr hast du dich selbst übertroffen. Von dem Standpunkt aus … wie könnte ich nicht stolz auf dich sein?« »Aber?«, hinterfragte Robin einen Kloß schluckend. Natürlich erwartete sie das große Aber. »Liegt auf der Hand, oder?« Die Fingernägel ihrer eingesteckten Hände krallten sich automatisch in den Stoff. »Ich dachte, wir haben den Punkt hinter uns. Stattdessen fällst du in alte Muster zurück. Du hast schon wieder abgenommen, bist ausgebrannt und deine Augen … sie haben dich früher schon verraten. Wo ist das Funkeln?« »Ich kann mir gerne eine Lichterkette um den Hals hängen.« Unpassend, wenn sie die Reaktion ihrer Mutter betrachtete. Sie fand den Kommentar so gar nicht lustig. »Möge er in Frieden ruhen, aber das hast du eindeutig von deinem Vater.« Mit einem unschuldigen Lächeln neigte Robin den Kopf. »Würde ich so nicht unterschreiben.« Olvia war manchmal keinen Deut besser, was diese Aussagen anging; und ihr zweiter Mann setzte dem mit seinem verschrobenen Humor die Krone auf. »Stress, okay? Stress ist normal. Er kommt. Er vergeht. Kennen wir alle.« »Deshalb bist du kurz davor dort zu übernachten?«, konterte sie strenger. »Offiziell mag ich im Ruhestand sein, aber ich bin nicht aus der Welt. Ich halte weiter Vorträge oder werde konsultiert und Leute reden mit mir. Ich sorge mich!« Robins Brauen zogen sich daraufhin zusammen. Gerede hasste sie und den Schuldigen würde sie ausfindig machen. Olivas Züge hingegen wurden weicher. »Erfülle mir einen Wunsch: Schalt ab und genieße. Wir finden so selten zueinander. Verbring Zeit mit deiner Freundin. Es steht hier genug offen, nur lass die Finger von allem anderen.« Und als sie in die Augen ihrer Mutter blickte, spürte Robin das große Bedürfnis offen zu legen, was eigentlich schieflief. Während sie dem eigenen Herzklopfen lauschte und den Druck auf ihrer Brust spürte. Stattdessen lächelte sie schwach nickend. »Ich versuch’s.« ❄ Das Gespräch hallte unangenehm nach. Olvia entpuppte sich, der Erwartung entsprechend, als ihre größte Herausforderung. Womit Robin nicht gerechnet hatte, dass sie ihr gleich am ersten Tag zur Standpauke auflauerte. Die Lust auf das längere Zusammensitzen war danach endgültig verflogen. Überraschend teilte Nami den Entschluss. Entweder wollte sie genauso der Meute entkommen oder sie umging bewusst einer möglichen liebevolleren Geste, verschwand Robin allein. »Läuft … einen Tag geschafft«, durchbrach Nami das Schweigen, sobald die Zimmertür geschlossen wurde. Erleichterung hörte man nicht heraus. Robin kannte den Tonfall – ihre Laune war im Keller. Vielleicht beschwor sie etwas herauf, aber fragte sie nach. »Allgemeine Unzufriedenheit oder ist konkret etwas vorgefallen?« Der Spannung nach lag irgendetwas in der Luft und sie kannte die andere. Sie rieb ihr das gerne unter Nase. Noch erhielt Robin eine dankbare Verschnaufpause. Sie hörte lediglich das kräftige Zuschieben des Kleiderschrankes – zum Glück existierten Stopper – dann verschwand Nami wortlos im Bad. Ausatmend sank sie auf die Bettkante. Ihr Blick glitt zu ihren Taschen. Kleidung hatte sie am Nachmittag bereits ausgepackt. Hatte ihr Zeit gebracht. Verdammt, Olvias Standpauke durchkreuzte ihr Vorhaben. Während der Nacht hinter den Büchern und dem Bildschirm verschwinden, war ein guter Plan gewesen. Besser, als schlaflos im Bett liegen und die Decke anstarren. Tagsüber hätte sie einen Grund zum Verschwinden gehabt. Heute, und das gab sie zu, hörte sich schlafen gut an. Die Müdigkeit war da und hier oben tickten die Uhren stets anders. Wobei das Unbehagen aufstieß, sobald sie grübelnd über die Tagesdecke strich. Wie würde das die Nächte über werden? Da klang der Gedanke auf einem der bequemen Stühle mit einem Buch einschlafen, wesentlich berauschender. Was nachts in dem Raum geschah, lag außerhalb Olvias Reichweite und Nami würde kein Wort darüber verlieren. Ihr fiel Olvias Bemerkung ein. Romane würde Robin in ihrer Büchertasche keine finden. Wollte sie wenigstens den Rat annehmen, musste sie so oder so erst einen auftreiben. Als die Badezimmertüre schwungvoll geöffnet wurde, schloss Robin kurzweilig die Augen, zählte von zehn rückwärts. Schlafen war eine gute Idee. Je schneller die Nächte verstrichen, je näher kam die Abreise. Bei null angelangt, hob Robin den Kopf. Nami stand mit in die Hüfte gestemmten Armen vor ihr. »Ich warne dich, morgen bist du an der Reihe. Keine Ausflüchte!« Was liebte sie dieses Temperament. Die in den Raum geworfenen Drohungen. Im Deuten von Menschen war Robin gut, aber mit dem direkten Gedankenlesen haperte es und das Können wurde offenkundig erwartet. Das tat Nami gerne. »Die Turteltauben, Robin!«, wurde nachgeholfen. Das fragende Starren trug Früchte. »Eine geschlagene Stunden durfte ich mir ihr Liebesgesülze geben, während du dich rarmachst. Oh, und mach dich bereit, Väterchen Frost hat den Mistelzweig ausgegraben!« Zwei Optionen standen offen und Robin entschied hierbei die Provokation. Gespielte Empörung. »Nein, hat er nicht? Mistelzweig an Weihnachten … unerhört! Lass mich das regeln. Ich schleiche mich später runter und vergrabe ihn mit gebührend Sicherheitsabstand. Und, damit dieses unverschämte Getue ein Ende hat, fessle ich das unverfrorene Gespann und sie verbringen die restlichen Tage im Schrank. Aufrührerisches Verhalten muss im Keim erstickt werden, bevor es auf den Rest überschwappt. Was noch?« Und damit brannte die Zündschnur. Wenn Nami eines perfekt beherrschte, dann ihren Zorn zum Ausdruck zu bringen. In der Vergangenheit hatte sie etliche Ausbrüche miterlebt. Früher aufgrund anderer und bei kleinerer Meinungsverschiedenheit bekam sie höchstens ganz abgeschwächte Ausläufer ab. Hier bahnte sich jedoch eine gewaltige Explosion an. In der ersten Nacht. Was geschah, lag in Robins Händen. Entweder ruderte sie zurück oder sie entschied dafür und riskierte ein unschönes Ende. Den Knall bekam dann jeder mit und das widersprach ihrem Vorhaben. »Entspann dich, okay? Morgen mische ich mich zwischen die zwei und was den Zweig angeht … wir halten Ausschau und bieten ihm wenig Spielraum. Einverstanden?«, unternahm sie einen zweiten, wesentlich versöhnlicheren Anlauf. Die Kluft war ohnehin groß genug. Und Robin hatte nicht vor die Nacht auf dem Balkon zu verbringen. Eine gefühlte Ewigkeit verging, in der Robin niedergestarrt wurde, ehe ein karges Nicken erkennbar war und Nami den Weg ins Bad freimachte. Ein Fluchtangebot, das Robin dankend annahm. Erst hinter verschlossener Türe und als sie sich am Waschbecken abstützte, erlaubte sich Robin erleichtert aufzuatmen. Das funktionierte niemals. Langsam kam ihr sogar die Badewanne bequem vor. Verrückt. Noch im Februar hatten sie hier einen der schönsten Urlaube verbracht. Die Abwärtsspirale nahm einige Wochen später Fahrt auf. Wenn sie sich in einer Sache ähnelten, dann darin: Leidenschaft für das, was sie taten. Olvia hielt ihr das Arbeiten vor, dabei konnte Nami genauso verbissen sein. Das halbe Jahr über war sie quer durch die Welt gejettet. Sie macht sich auf ihre Weise einen Namen. Zusammen mit Robins Entdeckung erschufen sie den perfekten Zeitkiller. Manchmal kehrte eine zurück und die andere reiste ab. Im Sommer führten sie die ersten Diskussionen. Der geplante Urlaub wurde abgesagt. Daran war Robin nicht schuld. Dafür schoss sie danach den Bock ab. Fast einen Monat war sie fort, weil sie im Endspurt der Ausgrabung dabei sein wollte. Zeitmangel in Beziehungen ging auf Dauer nie gut. Irgendwie lebten sie in zwei Welten. Das Zusammensein wurde nach und nach mit Reizbarkeit gefüllt. Schwer hob Robin ihren Kopf. Ihr Spiegelbild betrachten, war etwas, das momentan ungern tat. Natürlich wusste sie, wovon ihre Mutter sprach. Robin war nicht blind. Wieder dachte sie an jenen Abend zurück. An ihren letzten großen Streit. Sie schaukelten hoch, irgendwann flogen die Fetzen. Sie hatte Namis neugewonnen Partylaune kritisiert und ihr wurde aus dem Nichts eine Affäre, mit einer Kollegin an den Kopf geworfen. Wenn sie ihr das schon vorhielt, konnte sie genauso bezichtigt werden. Manchmal wünschte Robin, sie könnte die Zeit zurückspulen. »Stört’s dich?«, fragte Nami, nachdem sie eine Weile später aus dem Bad zurückkehrte und sich umzog. Der Fernseher war an, und sie suchte den für sie passenden Film. Schwach deuteten Robins Mundwinkel ein Lächeln an. Ein ungewöhnliches Bild. Normalerweise würde sie wachbleiben. Okay, ob sie einschlief, war noch fraglich. Dennoch musste Nami dasselbe denken, als sie ins Bett kam, ihr Blick sprach Bände. Zum Glück war es groß genug. »Nein, tu dir keinen Zwang an.« ∞ Nami Lindgrens linker Fuß baumelte vergnügt, während der Sessellift angenehm nach oben fuhr. Ihr Blick war in die Ferne gerichtet, während sie nebenbei der Musik ihres In-Ear-Kopfhörer lauschte. Sobald sie losfuhr, war er kaum hörbar eingestellt. Das andere Ohr blieb komplett frei, die Umgebung außer Acht lassen, war gefährlich. Gerade empfand sie aber Dankbarkeit, es übertönte das alberne Gackern neben ihr. Den Vierer teilte sie zusammen mit zwei Männern und als Lachen konnten die Geräusche nicht bezeichnet werden. Es ging durch Mark und Bein. Nur noch ein paar Minuten, dann war sie sie los und würde sich an die steilste Abfahrt wagen. Bislang tat das Snowboarden exakt, was sie wollte: ihre Nerven beruhigten sich, ihre Anspannung fiel ab. Förderlich waren sowohl der strahlende Sonnenschein als auch die perfekt präparierten Pisten und der noch fehlende Ansturm. Was das anging, war Nami gerade wunschlos glücklich. Wie jede Saison diente die erste Abfahrt dem Herantasten. Ab da kehrte die altbekannte Leichtigkeit zurück. Wobei sie wesentlich gemütlicher fuhr als früher. In den Teenagerjahren hatte sie das Glück herausgefordert und im Abseits ihr Unwesen getrieben oder sich in Pipes ausprobiert. Zusammen mit Nojiko, die im Gegensatz zu ihr, heute noch auf Abenteuer aus war. Beide gehörten auch nicht jener Sorte an, die den Hang in erster Linie bloß hinunterrutschten oder gefühlt Stunden im Schnee hockten. Ein vorauseilendes Vorurteil, mit dem sie Robin gerne aufzog. Mit ihr hatte sie immer Spaß gehabt (nicht nur, weil sie jemanden zum Ziehen bei sich hatte). Nur mit dem Speed mithalten, war mit dem Board ab einem Punkt, unmöglich. Vermutlich würde das noch vorkommen, sie kannte ihre Schwester. Alle zusammen auf die Piste, das passte. Robin. Oft genug wanderten ihre Gedanken dennoch in ihre Richtung. Das Zwischen ihnen war ihr eben nicht egal. Eine Nacht später gestand Nami sogar ihren Fehler ein. Ihr Temperament hatte sie geleitet und sie war erneut über das Ziel hinausgeschossen. Nicht explodieren hatte enorme Überwindung gekostet und im Nachhinein war sie Robin dankbar. Hätte sie die Luft nicht rausgenommen … ihr Vorhaben wäre mit Bomben und Granaten gescheitert. Den Ausbruch hätte niemand überhört. Und warum? Weil ausgerechnet das Glück ihrer Schwester sie in dem Moment überfordert hatte. Eine Erkenntnis, die ihr die Brust zuschnürte. Dabei wünschte sie ihr nur das Beste und anscheinend fand sie das Liebesglück mit Ace an ihrer Seite. So verliebt hatte sie Nojiko nie zuvor erlebt. Und Nami mochte ihn. Hinter seiner verrückten Ader steckte ein lustiger, charmanter Charakter. Er trug ihre Schwester auf Händen. Worin also das eigentliche Problem lag, verstand Nami auch: ihr eigenes Liebesleben. Ihr Umgang führte vor Augen, was sie verlor. Die schmerzhafteste Erkenntnis war jedoch die, dass sie trotz aller Pläne – Schlussmachen, eine eigene Wohnung – Robin noch immer liebte. Die Gefühle waren nie verschwunden, sie wurden lediglich hinter dicken Mauern eingesperrt. ❄ Zwei Stunden später, kurz vor zwölf, bremste Nami am Fuß der Piste. Sie machte Schluss. Bellemere erwartet sie um die Mittagszeit zurück und langsam kam es ihr sowieso überlaufen vor. Sie und Olvia waren die einzigen gewesen, die sie in den Morgenstunden angetroffen hatte. Ein dankbarer Vorteil. Nojiko hätte aufs Mitkommen bestanden. Heute hatte Nami aber das Alleinsein vorgezogen. Was Nami vielmehr überrascht hatte, war das Ausschlafen ihrer Noch-Freundin. Nicht nur, dass Nami früher auf den Beinen war, sie war erst aufgewacht, als sie vom Frühstück zurückkehrte. Ein weiterer Beweis dafür, wie verkehrt alles lief. Wenigstens war sie um eine steife Konversation gekommen. Und die Entschuldigung, die ihr in dem Moment auf der Zunge lag, hatte sie rasch geschluckt. Mit der Art kamen sie nie weiter. Das wusste Nami, aber irgendwie hatte sie vergessen, wie. Seufzend nahm sie den Helm ab, löste das Zopfband und fuhr sich durch ihre wellige Mähne. Das Ding abnehmen war ein Hochgefühl. »Hey! So schnell sehen wir uns wieder!«, vernahm sie in der Nähe. Hier unten war einiges los. Für diejenige, die länger unterwegs waren, ideal zum Einkehren. Die Handschuhe wurden in den Helm gesteckt und sie griff schon nach ihrem Board als dieselbe Stimme erneut sprach: »Muss Schicksal sein, findest du nicht?« Ein schmieriger Tonfall, ein abgedroschener Spruch. Sowie Nami sich aufrichtete und gehen wollte, musste sie allerdings feststellen, dass das Gerede ihr galt. Ein blonder, breitgebauter Kerl stand vor ihr und lächelte. Eines dieser unangenehmen, die einem in die Flucht schlugen. Ein Stoßgebet später, in der Hoffnung sie irrte, sah sie sich auffällig um. Verdammt. Sie war das Opfer, mit dem sie noch Mitleid empfinden wollte. »Oh«, entfloh ihr. »Du redest mit mir …« »Nenn mich Bellamy und du?« Sowie er einen Schritt vormachte, trat Nami zur Seite und ging wirklich los. »Sorry, ich bin spät dran. Bye.« Er lachte, nein er … und da realisierte Nami. Das bescheuerte Gackern. Einer der Idioten des Liftes! Entweder probierte er wahllos oder er hatte sie ordentlich unter die Lupe genommen. Beides missfiel ihr, besonders das er den Hinweis nicht verstand. Er folgte, wie ein kleines Schoßhündchen und während er neben ihr her ging, redete er pausenlos. Den gesamten Weg bis zum Auto. Nami hingegen war äußerst sparsam. Entweder schwieg sie oder gab einsilbige Brocken von sich. Er sollte dankbar sein. Die Pistenauszeit hatte ihren Geduldsfaden gestärkt. »Hör mal, du wirkst wie ein netter Kerl«, log sie ungeniert. Das tat er nicht. Nur wollte Nami ihre Laune nicht für einen dahergelaufenen Typen in die Tonne treten. Nachdem sie das Board in der Dachbox verstaut hatte und Helm mit Jacke im Kofferraum, drehte sie sich erstmals zu ihm um. »Ich bin nicht interessiert, aber dir noch einen schönen Urlaub mit deinen Freunden. Meine Familie wartet.« Eine Antwort schnitt sie gekonnt ab, indem sie ins Auto stieg und einfach losfuhr. »Komischer Kauz«, murmelte sie und schüttelte die Begegnung ab. ❄ »… er schrubbt heute das Deck.« Nami verdrehte die Augen. Der Admiral gab also wieder eine seiner Geschichten wieder. Manchmal fragte sie, wie er zu dem Rang kam, manchmal wollte sie dann lieber nicht die genaueren die Hintergründe kennen. Er prallte von seinem laschen Führungsstil. Den kaufte sie ihm sofort ab. Nachdem sie alles zum Trocken verstaut und festgestellt hatte, dass sich ihre Mütter oben in der Sonne mit einem Gläschen die Zeit vergnügten, hielt sie im Wohnzimmer. Einer ihrer Lieblingsräume. Auf der großen U-förmigen Couch aus, hatte man durch die Panoramafenster die perfekte Aussicht. Traumhaft, wenn es draußen schneite und im Hintergrund der Kamin knisterte. Hier fand sie jetzt die restliche Bande. Dabei wollte sie eigentlich direkt in die Küche. Einen Tee aufsetzen, mit nach oben nehmen und heiß duschen. »Da bist du ja!«, frohlockte ihr Onkel. »Wie ist der Zustand?« Genzo hatte ihr Skifahren beigebracht. In ihrer Kindheit waren sie regelmäßig unterwegs. Beim Umstieg hatte er genauso geholfen, obwohl er es nicht konnte. Sie hatte es immer gemocht. Generell hatten sie viel miteinander unternommen. »Ideale Bedingungen.« Ein Kommentar, der ihr den bösen Blick ihrer Schwester einbrachte. »Hey, du hast geschlafen!« »Dann weck mich auf!« Würde sie, das nächste Mal. Nami setzte ein versöhnliches Lächeln auf, ehe sie mit einer Kopfbewegung nach draußen deutete. »Habt ihr keine Sorge, dass das unschön endet? Sind angeheitert.« Nojiko unterdrückte daraufhin ein Lachen und lehnte näher an Ace, der die Lippen zu einem Strich verzog. Es war Kuzan, der sich in dem Moment drehte und einen Arm auf die Lehen gab, und sie mit einem schelmischen Grinsen tadelte. »Regel Nummer eins: eine glückliche Frau bedeutet ein glückliches Leben.« Klasse. Der Spruch konnte nur von ihm kommen. Automatisch blieb ihr Blick an Robin haften. Mit dem Rücken zu ihr, saß sie daneben. Die Regel befolgten sie definitiv nicht. »Oh, oh … schau nach oben«, deutete er mit dem Zeigefinger und bei Gott, wie konnte das Grinsen noch diabolischer werden? Natürlich verstand sie den Wink, aber der konnte ihr egal sein. Sie stand allein darunter. »Soll ich mich selbst küssen, oder was?«, fragte sie angesäuert. Den Brauch durfte sie schlechtreden, durchaus. Erst recht in dieser Situation. Das fing gut an. Gestern hatte sie sich noch beschwert. Besser sie folgte ihrem eigentlichen Plan und holte den Tee, stattdessen trat sie näher an die Gruppe heran. »Wiege dich nicht in Sicherheit!« Sein Blick wurde hinterlistig, dann stupste er Robin an. »Ihr beide entkommt mir nicht! Denkt an meine Worte.« Auffällig verdrehte sie nochmals die Augen. Machte er weiter, folgte sie eher den Müttern. Mit einem leisen Seufzen, als untermalte sie seinen Kommentar, versuchte sie in Wahrheit ihre Unsicherheit zu verbergen. Sanft legte sie die Arme um Robins Schultern. »Hey, Schlafmütze«, neckte sie spielerisch, und bevor sie ernsthaft den Kopf zermarterte, hauchte sie ihr einen Kuss auf die Wange. »Hast du gehört, er droht uns … nicht nett.« Ein flüchtiges Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie versuchte, in dieser inszenierten Idylle aufzugehen. Ein schwaches Neigen des Kopfes reichte und sie sahen einander an. Es war ungewohnt, bedachte sie die letzten Wochen, und zeitgleich überraschend normal. Ein Zwiespalt, denn die plötzliche Nähe brachte durchaus leichtes Herzklopfen. »Wie schlimm ist ihr Pegel?«, lockerte Robin den Moment. »Vielleicht kümmern wir uns um das Essen.« Da zuckten Robins Mundwinkel. Ihr eigener Blick huschte blinzelnd von den Lippen zurück in diese hellen, blauen Augen. Eigentlich der passende Moment, um loszulassen und zu gehen. Leider wurde er durchkreuzt und ein lautes Räuspern nahe ihrem Ohr ließ sie zusammenzucken. Robins Blick sprach Bände, sie beide wussten, was gerade geschah. »Fordere mich nie heraus«, griente der Admiral. Er hockte bei ihnen und sein Arm war in die Luft gestreckt. Eigentlich musste Nami gar nicht aufsehen, sie tat es dennoch. Der Mistelzweig wog mit seiner Handbewegung, direkt über ihnen. Sie könnte ihm Parole bieten oder einen ordentlichen Schubser geben, damit er auf seinem nervigen Hintern landete. Stattdessen entschied sich Nami, das Spiel mitzuspielen, hoffend, er hörte auf, sobald er Genugtuung verspürte. Leichter als erwartet, beugte sie sich vor und gab Robin einen richtigen, länger anhaltenden Kuss. Sehr wohl spürte sie eine Spannung. Umso rascher richtete sich Nami wieder auf, nicht ohne Kuzan doch einen Schubs zu geben, den er aber leider abfederte. »Hier bitte, unser Soll ist erfüllt.« ❄ Der Kuss hatte einen bitteren Beigeschmack, der den restlichen Tag anhielt. Eine der normalsten Gesten und doch …? Krampfhaft forstete ihr Gedächtnis nach der passenden Erinnerung. Es gab etliche an die sie sofort dachte, aber den einen, den letzten – Nami fiel partout nicht ein, wann ihr letzter Kuss war. Von jetzt an konnte sie sagen: unter einem Mistelzweig an Weihnachten. Wow! Ein halb gespielter. Da übertrafen sie sich. Halb gespielt, weil ihr Körper nicht vergessen hatte, welche Wirkung Robins Lippen hatten. Und dass das letzte Mal eben verdammt lange her war. »Heiße Fantasien?« Aufgescheucht ließ sie beinahe den Teller fallen. Sie schnaufte und funkelte böse hoch. Ace stand lässig neben ihr, mit auffällig wackelnden Augenbrauen. »Nein?« Nicht die, die er erwartete. Mit einem albernen Kichern half er beim Einräumen, in dem er nach und nach das restliche Geschirr reichte. Die Aufgabe übernahm sie mit Freude. Besser als den Gedanken am Tisch nachzugehen, direkt neben dem Grund hierfür. Mit ihrer Aufmerksamkeit und ihrem charmantesten Lächeln. Robin in Perfektion. »Worüber lacht ihr?« Nojiko streckte neugierig den Kopf. Blind drückte sie den Knopf der Kaffeemaschine. »Dein Loverboy lacht, ich nicht.« Eine Fantasie regte er an, die in der sie ihm eine ordentliche Kopfnuss verpasste. Ihre Worte wurde mit einem weiteren Kichern quittiert, das abrupt mit einem auffordernden Blick Richtung Nojiko endete. »Sylvia.« »Yes, Mickey?« »Kommt schon … ihr habt sie nicht alle …« »How do you call your lover boy?«, machte Ace weiter und kam direkt in Fahrt. Nein, ein klares Nein. Hier oben tat sie sich schon genug an, aber eine Dirty Dancing Nummer? Sie war eindeutig raus. Während beide ihrer Darbietung verfielen, flüchtete Nami regelrecht aus der Küche. »Zwei dürfen auf ihren Kaffee warten. Baby und Johnny proben.« Noch beim Hinsetzen griff sie nach ihrem Weinglas und leerte es in einem Zug. »Trieft vor Kitsch und … anderem.« Ein Gedanke, dem sie nicht folgen wollte. Ausgerechnet Bellemere war diejenige die vergnügt lachte. Nein, das lag nicht am Alkohol – es war dann doch nicht ausgeufert – aber sie liebte den Film. »Als ob du anders bist«, zwinkerte sie ihr zu. »Aber, und Robin wird mir zustimmen, bist du der Typ für Hungry Eyes.« »Mom!« Unmöglich diese Frau! Ob es stimmte, spielte dabei keine Rolle. Sie schlug sich die Hand vors Gesicht und sank tiefer. Ungewollt hatte sie das Lied im Kopf und wusste, es endete in einem nervtötenden Ohrwurm. »Denkt gerade noch jemand an einen Filmabend?«, fragte Olvia in die Runde, wobei sie ihrem Mann mehrmals auf die Schulter klopfte. »Vielleicht lernst du noch etwas.« Ein Blick zur Seite zeigte Nami, dass Robin den Kommentar lieber überhört hätte. »Wie oft warst du im Kino?«, hörte sie dann Genzo. Das galt ihrer Mutter. »Zehn Mal?« Passend wurde ihr nachgeschenkt. Es war Robin, mit dem leisen Kommentar »Nervennahrung«. Mittlerweile war die Flasche selbst verlockender, da reichte ein Glas nicht. »Sieht so aus«, flüsterte Robin weit vorgebeugt, »als ob hier gleich alte Erinnerungen aufgefrischt werden … verschwinden wir?« Die Überraschung wich der Dankbarkeit. Ein Gespräch über das Vermissen der 80ziger kam ins Rollen. Robin musste kein zweites Mal fragen. »Dreizehn …«, seufzte Nami, als sie sich im Schneidersitz auf dem Teppich niederließ. Direkt vor dem Kamin, dessen Feuer angenehm wärmte. Ihr Blick glitt über die Dekoration, die wartenden Strümpfe. Rundherum verteilt, nahmen sie ihn ein. »Wie bitte?« »Dreizehn Mal war sie im Kino«, erklärte Nami amüsiert und trank einen Schluck. Neben ihr atmete Robin hörbar aus. »Traut man ihr nicht zu, was? Zuhause läuft er regelmäßig.« »Erklärt, warum du mitsprechen kannst«, neckte Robin auf ihre Weise, worauf Nami ihr einen strafenden Blick schenkte. »Mitsingen sollte ich sagen.« Leicht stupste sie gegen ihre Schulter. »Hör auf!«, lachte sie. »Wehe, du sprichst das laut aus. Damit zerstörst du meine Arbeit.« Neugierde blitzte in Robins Augen auf. »Wir machte öfter Filmabende und jede durfte abwechselnd aussuchen. Ich tat immer als hasste ich ihn. Heute ziehe ich sie noch gerne damit auf.« Das wissende Nicken irritierte Nami, auf ihren fragenden Blick hin, lächelte sie sanft. »Mir wird nun klar, warum er einer deiner Komfortfilme ist – du verbindest ihn mit den Erinnerungen. An schöne und lustige Abende, mit ihr und Nojiko«, erklärte Robin und wandte sich wieder dem Feuer zu. »Verdammt.« Wirklich nachgedacht, hatte Nami nie darüber. Irgendwie passend, gestand sie ein, während sie das Glas an ihre Lippen führte. Bevor sie aber daraus trank, schielte sie zur Seite. Spann sie das Gesagte weiter, gewann ein anderer Film an Bedeutung – eine andere Geschichte, die in den Hintergrund rückte. Denn genauso realisierte sie gerade, was sie hier taten. Nebeneinander vor dem Kamin sitzen und reden. Wie früher. Keine Sticheleien, kein Streit, einfach ein ruhiges Miteinander. »Gestern … es tut mir leid«, flüsterte sie, bevor sie endlich einen Schluck trank. Robin schwieg kurz und seufzte. »Wir sind beide angespannt, aber hey, der nächste Tag ist rum und wir haben uns gut geschlagen, oder?« Gut? Wenn sie sich beide so betrachtete, war das untertrieben. Dabei dachte sie in erster Linie an den Kuss und später an das Essen. Wobei Nami genauso wusste, wie rasch ein Rückschritt lauerte. »Darf ich dich was fragen?« Robins Ausdruck war unergründlich. Dennoch ahnte sie, dass sie innerlich grübelte. Die Frage war Angesicht der aktuellen Situation breitgefächert. Nur langsam neigte sie den Kopf, ein kaum merkliches Nicken. Bevor Nami ihre Frage jedoch stellen konnte, ging das Licht an und das Stimmengewirr durchflutete den Raum. Somewhere in my memory ♫ ------------------------ Nami Lindgren liebte den Weihnachtsmorgen; der schönste des Jahres. Obwohl ihr Rhythmus anderes versprach, stand sie jeden 25. Dezember mit unverschämter Leichtigkeit auf. Grund hierfür waren weniger die Geschenke, sondern die Spanne zwischen dem Erwachen und dem darauffolgenden Trubel. Es war eine besondere Stille, die Nami von Kind an faszinierte. Der Zauber rückte sogar ihr problembehaftetes Liebesleben in den Hintergrund. Obgleich ihr Blick am gemachten Bett haften blieb. Die Frage blieb unausgesprochen. Denn mit dem Hinzustoßen der Familie, platzte die Blase; der passende Moment war verflogen. Am Ende hatten sie zusammen einen Film angesehen; irgendwann hatte die Müdigkeit übernommen und Nami war allein hoch. Robin hielt Wort und begnügte sich fast durchgehend mit den Turteltäubchen, wie sie sie nur noch nannten. Besonders mit Ace fand Robin überraschend durchgehenden Gesprächsstoff. Wann sie zu Bett ging, wusste Nami nicht und heute war sie längst verschwunden, dabei stand sie extra wesentlich früher auf. Vielleicht besser so. Das gestrige Gespräch aufnehmen, wäre schwer geworden. Der Charme des Augenblicks, untermalt vom knisternden Kaminfeuer hielt nicht ewig an. Es verpuffte und herausfordern lag heute nicht in ihrem Interesse. Was ihr bald aufgefallen war, war das Robin die Geschenke für die Familie mitgenommen hatte. Eines ihrer persönlichen Highlights der vergangenen Wochen – im negativen Sinne. Ein notgedrungenes, unterkühltes Zusammenraufen. Der Großteil wurde eben erst nach dem Knall besorgt: eine schleppend verlaufene Kommunikation via Textnachrichten. Und als ob das nicht ausreichend war, galt es ein Geschenk für Robin zu finden. Ein passendes. Eines, das nicht vor Sarkasmus triefte oder eine gekonnte Stichelei darstellte. Dafür überließ sie das Ausleben ihrer lebhaften Fantasie. Dort durfte sie die Vorstellungen auskosten. Etwas, dass sie in der Realität nie tun würde, schon gar nicht im Beisein anderer. Glücklicherweise erwies sich das Beschenken als keine allzu große Kunst. Robin war, wenigstens dahingehend, unkompliziert. Und über all die Jahre hatte sie stets einen Notfallplan in petto: sie in ihren Lieblingsbücherladen schleppen, ihr zwei Minuten Zeit geben und sie durfte haben, was immer sie tragen konnte. Und das würde ordentlich ins Geld gehen, sofern Nami sie darauf vorbereitete. Manche unterschätzten Robin, aber sie hatte Kraft und in solch einer Lage wäre sie die personifizierte Wonder Woman und käme mit dem gesamten Laden zurück. Schwach lächelnd öffnete sie ihre Tasche und holte zwei Päckchen hervor. Wollte sie ihr Ritual genießen, musste sie los. Noch im Vorbeigehen warf sie einen Blick in den Spiegel. Ein Anblick, den sie mit einem vergnügten Lächeln quittierte. Väterchen Frosts Ideenreichtum fand seinen Höhepunkt. Am Weihnachtsmorgen Bescherung in Alltagskleidung? Niemals! Er hatte allen einen personalisierten Zweiteiler besorgt, inklusive alberner Pantoffel. Namis Wehrmutstropfen? Ein kuscheliger, warmer Stoff, und das Muster übertraf den letzten im positiven Sinne. Dennoch blieb die Frage offen, ob er grundsätzlich vernarrt war oder er hierbei seine Vergangenheit kompensierte. Manche seiner Züge schloss auf das Letztere. Die Morgensonne tauchte das Untergeschoss langsam in ein sanftes Licht. Momentan war ihnen das Wetter hold, wobei ein Schneesturm mittlerweile ungünstiger wäre als vor der Anreise. Am Fuße der Treppe hielt Nami inne. Es waren Klänge, die ihre erhoffte Stille durchbrachen. Gedämpft, aber da, und je näher sie dem Wohnzimmer kam, desto deutlicher. Eine Melodie. Und da realisierte sie. Natürlich, jemand spielte am Flügel. Es gab eine bestimmte Frau, die weitaus vor ihr aufgestanden war. Robin nahm als Kind Unterricht. Zuhause hatte sie, anders als hier, ein Klavier stehen. Wann hatte sie Robin zuletzt spielen gehört? Wie mit dem Kuss stand Nami vor einer Lücke. Erneut empfand sie Frust darüber. In dem Fall eine Kleinigkeit, eine die ihr in diesen Sekunden bewusst wurde. Robin spielte in unregelmäßigen Abständen und das hatte Nami gefühlt für eine lange Zeit nicht mehr gehört. Wofür sie jedoch die Hände ins Feuer legte, war das der Flügel ihretwegen aufgestellt wurde. Abgesehen von Kuzan spielte niemand und bei ihm glich alles einem nervtötenden, unkoordinierten Klimpern. In seiner Fantasie war er Chopin. Bei einigen Besuchen war er absichtlich ohrenbetäubend grauenvoll, bis es Robin zuwider wurde und sie seinen (manchmal) unausgesprochenen Wunsch erfüllte. An der wuchtigen Schiebetür erkannte Nami, warum der Klang gedämpft durch das Untergeschoss drang; sie war geschlossen. Sie haderte, besonders als eine Pause eintrat. Hineingehen und die Geschenke ablegen oder zuerst in die Küche. Passend zum Morgen einen Tee oder eine heiße Schokolade aufsetzen; auch hierbei herrschte Unentschlossenheit. Bleiben oder gehen wurde entschieden, in dem Moment, in dem die nächste Melodie erklang. Es brauchte wenige Takte und Nami erkannte, welches Lied gespielt wurde – Somehwere in my memory. Mit Herzklopfen sank sie daher an der geschlossenen Türe zu Boden, zog die Beine an und hielt die Päckchen umschlossen, während sie verträumt die Augen schloss. Eines dieser Musikstücke, die Erinnerungen auslösten. Tonlos formten ihre Lippen den verinnerlichten Text. Was interessierte sie die Stille, wenn sie das hören durfte? Ein Gedanke, mit dem sie nicht allein war. Sowie sie eine Regung vernahm und zur Seite schielte, erblickte sie Olvia in ihrem Morgenmantel und mit dem Finger an den Lippen deutete sie, nichts zu sagen. Und ihr Lächeln war ansteckend. Zusammen lauschten sie und in diesem Minuten schienen all die Probleme in weite Ferne gerückt. Erst als die Stille sie durchgehend einnahm, verschwand Olvia bestgelaunt in der Küche, und hatte ihre zweite Entscheidung abgenommen. Heiße Schokolade, und wem das am Morgen nicht guttat, der bekam normalen Kakao serviert. Nami hingegen wartete etwas länger ab, bevor sie endlich das Wohnzimmer betrat und die Geschenkte unter den Baum legte. Dabei erspähte sie Robin am Panoramafenster stehend und trug wie Olvia den Morgenmantel darüber. Der Dresscode kostete sie Überwindung, dabei betitelte sie Robin nicht als Grinch, aber ihr wären besinnlichere Feiertage wesentlich lieber, ohne das Tamtam, mit dem ihr Stiefvater aufwartete. Mit einem neutralen »Morgen« folgte sie Olvia in die Küche, wo sie diese auf frischer Tat ertappte. »Betrügerin«, prustete Nami. Sie roch Kaffee – so viel zum Thema nur Schokolade oder Kakao. Oliva zwinkerte und nahm mit einem genießenden Laut einen weiteren Schluck. »Wir wissen uns zu helfen. Spätaufsteher haben keine Wahl – deine letzte Chance.« Kaffee lag weit vorne, was Robins frühes Verschwinden anging. Das Bevorstehende ohne Koffeinschub? Niemals. Generell musste das Ansprechen vor der ersten Tasse geübt sein, ob Frühaufsteher oder nicht. »Nein, danke.« Unbedingt brauchte sie ihn morgens nicht. Jedenfalls an einem normalen Morgen. Anders sah die Sache aus, wenn der Frühdienst im Institut rief. Abgesehen davon startete sie meist mit Grüntee. Olvia lächelte sanft und beobachtete, wie sie die aufgekochte Schokolode ein eine Tasse schenkte. »Mach gleich zwei draus. Muss sie durch.« Namis Mundwinkel zuckten. Wenn Robin eines weniger mochte, dann Süßes. Zuckerschock auf nüchternen Magen. Freudensprünge durfte man keine erwarten. Die Vorstellung hielt nicht lange, stattdessen registrierte Nami einen Umschwung. Olvias Blick ruhte spürbar auf ihr, sodass sie eine Gänsehaut empfand. Die Sorte, die fixierend waren, bei denen das Gefühl aufkam, man war offengelegt. Gott, das war eindeutig ein Familiending. Mit dem Unterschied, dass Robins nicht an dieses Unbehagen heranreichte. Was sie allerdings gelernt hatte, war ungerührt bleiben. Das Stichwort. Ganzgleich, was innerlich geschah. Den Grund hierfür wurde ihr schlussendlich serviert: »Geht’s euch gut?« Namis Herz machte einen spürbaren, unangenehmen Sprung. Die Vorstellung über Robin zu reden, die beim Anblick der Schokolade verzweifelt das Gesicht verzog, strahlte einen weitaus größeren Reiz aus. Besser als die Frage. Hatten sie die Lage falsch eingeschätzt? Skepsis zeigend, warf sie einen Blick zurück. »Robin schläft beinahe auf der Arbeit … ist nie gut, für sie und euch.« Mütter gehörten eindeutig einer anderen Spezies an. Sogar ihre hinterfragte, aber lag das zurück. Eher während ihrer Reisen oder den Telefonaten, bei denen ihre Laune hörbar im Keller war. Hier oben war das Thema bislang nicht aufgekommen. Vielleicht war das der Startschuss. Beide sprachen gerne miteinander. Über die aktuelle Situation wusste in ihrem Umfeld nur eine Person näher Bescheid – ihre beste Freundin. »Du kennst sie … sie ist manchmal verbissen. Untersuchungen, Auswertungen … das beansprucht Zeit.« Bevor sie die Unterhaltung vertieften, zog Nami eindeutig den Rückzug vor. Verschwinden, bevor es unangenehmer wurde. Olvia war ein Mensch, der mit präzisen Fragen und Formulierungen aufwarteten, die zu einem ungewollten Ausgang führten. Für Nami, nicht sie. »Wir haben beide ein stressiges Jahr hinter uns. Bringt das neue nicht oft eine Veränderung?« Untermalt wurden die Worte von einem aufmunternden Lächeln. Nein, auf nüchternen Magen war so eine Unterhaltung nicht durchstehbar. Oliva nickte sacht, aber schwieg und Nami wurde aus ihrem Blick nicht schlau. Er war unergründlich. Schlussendlich zog Olvia die Mundwinkel hoch und nippte wiederum ihren Kaffee. Erst im Wohnzimmer, mit gebührend Abstand, fiel die Spannung ab und Nami erlaubte sich einen tiefen Atemzug. Alles schrie förmlich danach: Olvia stellte ein Problem dar. Sie könnte ihr Vorhaben durchkreuzen, sobald sie tiefer grub und im Notfall ihre Mutter ins Boot holte. Darüber sprechen fiel ihr ohnehin verdammt schwer und dann mit dieser Gruppe? Niemals! Allein die Vorstellung … kein Wunder, dass sie diese sofort abschüttelte. »Mit Grüßen deiner Mutter«, blieb sie vor Robin stehen und hielt schief grinsend die Tasse hin, die ein gewohntes Bild abgab. Mit einem Buch auf der Couch, wobei es ein ungewöhnliches war, betrachtete Nami den Einband. Allmählich lief einiges gewaltig schief. »Erst das hier«, damit hob sie den Liebesroman in die Höhe, »und jetzt das.« Erwartungsgemäß rümpfte sie die Nase. Als servierte man ihr Gift. »Du übertreibst, sie ist köstlich.« Unschlüssig, als hätte sie vergessen, was man damit tat, nahm sie die Tasse endlich entgegen. »Sobald du ausgetrunken hast«, begann sie leise und blickte verstohlen an ihr vorbei, »tauschen wir?« Nami verdrehte die Augen und sank neben sie. »Schokolade ist zum Genießen, nicht zum Hinunterwürgen!«, kommentierte sie vielsagend, wobei sie einen ernsteren Ton anschlug: »Mit Olvia lege ich mich nicht an. Sie stellt ohnehin Fragen!« Erst schielte Robin unbeeindruckt zu ihr, dann hielt sie das Buch hoch. »Was denkst du, warum ich diesen Blödsinn lesen. Etwa aus Spaß?« Nein, Begeisterung strahlte Robin nicht aus. Stattdessen zeigte sie ihre genervte Ader. Besonders erkennbar an der Art, wie sie das Buch mit Nachdruck auf die Sitzfläche drückte. »Und wann wolltest du mich informieren?« Gerade stand ein unliebsames Kippen im Raum. Mittlerweile wusste Nami genau, wann es für sie gefährlich wurde. Das Problem hatte aber keinen Aufschub. Irgendetwas lag im Busch, zwischen Robin und Olvia, Olvias eigenen Gedanken und bevor sie ernsthaft überrumpelt wurde, wollte Nami vorbereitet sein. Das Vorbeugen und das lange in die Tasse starren, deutete in mehrere Richtungen. Entweder überlegte Robin, was sie ihr sagen wollte und wie, oder sie blockte; passend zum aktuellen Umgang miteinander. Es war, wie vermutet, der Zauber des gestrigen Gespräches war verflogen und sofern Robin nicht die Kurve kratzte, verabschiedete sich zeitgleich die Freude über den Weihnachtsmorgen. Alls zusammen nichts, das Nami brauchte. Vielleicht half eine dezente Erinnerung daran, dass sie eine Abmachung miteinander hatten und sie funktionierte nur, wenn sie zusammenarbeiteten. Ob es ihnen eben gefiel oder nicht. »Was genau hat sie gefragt?«, wollte Robin schlussendlich wissen. »Ob es uns gut geht, weil du selten zu Hause bist. Habt ihr geredet oder woher hat sie die Info?« Die einzige Regung, die Robin zuließ, war ein Zucken ihrer Augen. Behutsam führte sie die Tasse an ihre Lippen, eindeutiges Zeitschinden. Liebend gern würde sie Robin einen Klaps auf den Hinterkopf geben. Immerhin tat sie das absichtlich. Statt reden, trank sie freiwillig heiße Schokolade. »Könntest du bitte mit mir reden?« Allein das Bitte kostete Überwindung, wie alles in dieser Zeit. Warum fiel ihnen der normalere Umgang so schwer? Nami vermisste das Früher. Ihre offene Kommunikation, wenngleich es Zeit gebraucht hatte, um an diesen Punkt zu gelangen. Bei Robin stand Geduld im Vordergrund und die hatte Nami bewiesen. Robin neigte den Kopf und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Mittlerweile waren ihre Augen wieder unergründlich. Statt endlich die ersehnte Antwort, sah sie an Nami vorbei und lächelte. »Guten Morgen.« Irritiert zog sie die Brauen zusammen. Erst die Arme um ihrem Hals ließen sie realisieren, dass die nächste Chance vorbei war. »Frohe Weihnachten«, frohlockte ihre Mutter und küsste ihre Wange. ❄ »Sieben! Sieben, Robin! … Was zum Teufel geht bei ihm schief? Die anderen kommen mit viel weniger davon!«, zischte sie. Wenn er nicht bald aufhörte, konnte er sich sein eigenes Grab schaufeln. Wütend stapfte sie durch das Zimmer, ihre Hände raufend. Am liebsten hätte sie irgendetwas durch den Raum geschleudert, nur um ihren Frust abzulassen. Sieben verfluchte Mistelzweigattacken – viermal kläglich gescheitert. Unwissend überspannte Kuzan Matsuda den Bogen, obwohl ihr seine Unschuld bewusst war. In dem Mistelzweig sah er nur eine nette, liebevolle Geste – einen spielerischen Vorwand. Im Grunde wurde er zum Sündenbock. Lieber lenkte sie ihre Wut auf ihn und den bescheuerten Mistelzweig. Das war einfacher auszusprechen. Gleichzeitig hatte sie das Fiasko mit ihm heraufbeschworen, ihn direkt herausgefordert. Wo war das Glücksgefühl des Morgens hin? Ihr Blick wanderte sofort zu Robin, die mit ausdrucksloser Miene und abgestütztem Kopf im Lesestuhl verharrte. Kluge Entscheidung. Eisern schweigen und ausharren. »Hoffentlich kapiert er, dass das morgen ein Ende hat. Weihnachten ist vorbei, dann kann er mich mal.« Irre. Eigentlich mochte sie die Tradition. Aber heute hätte sie ihn am liebsten auf offener Flamme brennen sehen. Nami ließ sich neben Robin auf den zweiten Sessel sinken. Sie streckte die Beine aus, stützte die Arme auf den Lehnen und betrachtete sie mit einem gemischten Gefühl von Frust und Sehnsucht. Die aufgestaute Wut in ihrer Beziehung musste irgendwann raus, und heute schien der Punkt erreicht zu sein, an dem es nicht mehr länger ignoriert werden konnte. Ihre Gedanken kreisten um das eigentliche Problem, das sie plagte – die Sehnsucht nach der früheren Verbundenheit. Sie vermisste die Leichtigkeit, die zwischen ihnen herrschte, und fragte sich, warum sie nicht mehr in diese Spur zurückfinden konnten. Die Probleme hatten eine Mauer zwischen ihnen errichtet, und Nami wollte verzweifelt wissen, wie sie diese überwinden konnten. Die Erinnerungen an ihre glücklichere Zeit zusammen tauchten wieder auf. Ein Hauch von Melancholie durchzog sie, während sie sich fragte, wie ihnen all das abhanden gekommen war. Die Küsse unter dem Mistelzweig hatten die Wut in Nami entfacht. Nebeneinander normal umgehen, brachte bereits die eine oder andere Schwierigkeit mit sich, aber das? Wenn all die Leichtigkeit und Liebe, die sie einst teilten, verloren war? Ihre Sehnsucht nach dieser verlorenen Verbindung machte die Mistelzweigküsse nur noch schmerzhafter. Jeder Kuss wog schwerer als der vorige. Nami seufzte leise, während sie Robin weiter beobachtete, erinnerte sie sich an das Musikstück. »Wie bist du auf Home Alone gekommen?«, fragte sie unverblümt, bevor sie einen Gedanken fasste, der sie abhielt. »Du hast zugehört«, stellte Robin fest, ohne jegliche Regung in ihrem Gesicht. »Ja ... und?« Nami wartete gespannt auf ihre Reaktion. »Es schien passend«, seufzte sie resigniert. »Schade, dass ich dieses Weihnachten nicht einfach verloren gegangen bin.« »Verlockend.« Unruhig wippte ihr rechtes Bein auf und ab. »Nicht dich, sondern der Gedanke an sich«, korrigierte sie vorsichtig. Bevor sie erneut in Stille versinken konnten, beugte sich Nami plötzlich nach vorne. »Können wir jetzt über deine Mutter reden?« Die beiden hatten bisher keine Gelegenheit gefunden, dieses Gespräch in Angriff zu nehmen – nicht in Ruhe, ohne Ablenkung. Irgendwie absurd. Entweder gingen sie sich bewusst aus dem Weg oder wenn sie miteinander reden wollten, wurden sie ständig gestört. Vielleicht war es ein Zeichen, das Nami akzeptieren sollte – ein Beweis dafür, dass alles umsonst war. Robin schien abwesend, als sie fragte: »Was genau möchtest du hören?« Ihr Blick wanderte gedankenverloren durch den Raum, und Nami spürte, dass sie nicht wirklich bei der Sache war. Ein Kloß bildete sich in ihrem Magen. In der Öffentlichkeit spielten sie die glückliche Beziehung, aber hier, allein, fiel es schwer, offene Gespräche zu führen. »Robin, ich...« Nami zögerte, kämpfte mit ihren Worten. »Was genau hat Olvia gesagt?« Nein, erst auf das Wesentliche konzentrieren. Robin seufzte leise. Ihr Blick verlor sich, als ob sie nach Antworten suchte, die schwer zu formulieren waren. Nami fühlte sich hilflos und frustriert. Die Beziehungsprobleme hatten in den letzten Wochen die Kommunikation erschwert. In ihrer vermeintlichen Privatsphäre sollten sie über ihre Gefühle sprechen können, aber stattdessen schienen unsichtbare Barrieren zwischen ihnen zu stehen. »Wir sollten eigentlich über deine Mutter sprechen, aber jetzt ... wie weit driften wir noch auseinander?«, sagte Nami mit einem Anflug von Verzweiflung. Robin nickte, als wäre ihr bewusst, dass die Kommunikation zwischen ihnen zu einem Drahtseilakt geworden war. In der Stille des Raumes hing eine Spannung, die durch unausgesprochene Worte und unausgesprochene Gefühle genährt wurde. Und während sie versuchten, sich durch das Dickicht ihrer Beziehungsprobleme zu kämpfen, dachte Nami vermehrt an die Küsse unter dem Mistelzweig – an das Gefühl, das sie einst mit Robins Nähe verbunden hatte und das nun so schwer zu greifen schien. Nami, von einer Mischung aus Verwirrung und Frustration getrieben, wagte einen weiteren Schritt in die undurchsichtige Atmosphäre. »Warum haben wir gestern vor dem Kamin für ein paar Minuten die Schwierigkeiten vergessen können, und jetzt ist diese beklemmende Stimmung wieder da?« Ihre Stimme klang leise, als ob sie fürchtete, die fragilen Fäden, die zwischen ihnen gespannt waren, zu zerreißen. Robin sah sie einen Moment lang schweigend an. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie schließlich, und es lag eine Spur von Resignation in ihrer Stimme. »Es fühlte sich an, als hätten wir für einen kurzen Moment unsere Probleme vergessen können, aber dann kehrten sie zurück, und der Tag trägt bei.« Ein schwerer Seufzer entwich Nami. »Es ist, als würden wir auf einem schmalen Grat wandern, und ich weiß nicht, wie wir da runterkommen sollen.« Der Frust schwang in ihrer Stimme mit. »Können wir nicht einfach ehrlich zueinander sein?« »Eine Standpauke.« »Was?« Robin fuhr sich mit einer Hand durch das Haar. »Meine Mutter hat mir eine Standpauke gehalten. Sie meinte, ich solle einen Gang zurückschalten und die Feiertage genießen. Jemand hat geplaudert und ihr gesteckt, dass ich kaum zu Hause bin.« Zähneknirschend unterband Nami ein Fluchen. »Wie ist es weitergegangen?« Olvia verstand die Herausforderungen von Robins Arbeit, aber das Gespräch in der Küche bereitete ihr dennoch Magenschmerzen. »Das ist nicht alles, oder?« Mit einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht, wandte sich Robin plötzlich anderweitig an sie und fragte leise: »Was siehst du, wenn du mich anschaust?« Ein überfordertes Stirnrunzeln. »Was meinst du?« Die Verwirrung spiegelte sich auch in ihren Augen wider. »Ich sehe dich, Robin. Aber was genau willst du wissen?« Hörbar atmete die andere aus, als hätte sie eine andere Antwort erwartet. »Ignorier die Frage.« »Robin!« Robin hörte nicht zu. Stattdessen stand sie einfach auf, als ob sie eine Pause bräuchte, und verschwand wortlos im Badezimmer. Verdammt! Was war schiefgelaufen? Was auch immer es war, für heute war das Gespräch beendet, schon wieder. Denn Nami kannte Robin gut. Ihr Gehen signalisierte eindeutig, dass sie abblockte. ∞ Robin Nikolaev lauschte halbherzig dem Gespräch. Ace unterhielt die Gruppe mit Anekdoten vergangener Zeiten. Zwar entlockte er ihr ab und an ein vergnügtes Lächeln, aber verebbte es meist, sobald die roten Locken in ihr Sichtfeld traten. Zwischen ihnen herrschte erneut Funkstille. Nami hatte keinen weiteren Versuch unternommen, Robin hatte das getan, das sie am besten konnte: sich hinter ihren Büchern verstecken. Zu ihrem Glück verbrachten sie den Tag aufgeteilt. Die ältere Generation war zeitig aufgebrochen; Tourengehen, in einer Hütte einkehren – das volle Programm. Eine hilfreiche Eingebung. Die Turteltäubchen blieben bis Mittag verschwunden. Gemeinsames Kochen, Essen und jetzt das Beisammensein am Tisch. Ein Arrangement mit dem Robin leben konnte. »Okay, habt ihr Pläne?« fragte Nojiko neugierig. Robin hätte gerne gelacht. Sie hatte in der Tat einen Plan, der aus Überleben bestand. »Woran denkst du?«, hinterfragte Nami zurückhaltender, als üblich und setzte seufzend nach: »Wenn du so fragst, hast du einen Vorschlag in petto.« Ihre Schwester tauschte mit ihrem Freund einen verstohlenen Blick aus und Robin ahnte Übles. »Ein Doppeldate! Schlittschuhlaufen, eine Kleinigkeit essen und Après-Ski natürlich!« Begeistert klatschte Nojiko. »Wir sind unter uns und haben Spaß. Was sagt ihr?« ❄ Diesem Einfall verdankte Robin, dass sie auf einer kalten Bank kauerte und verbohrt auf die Eisbahn starrte. Schlittschuhfahren gehörte eindeutig nicht zu ihren Stärken. Eine Schnapsidee-Deluxe. Leider das geringere Übel. Nami zeigte Begeisterung, ein Entgegenreden war auffällig. Sogar mit Kopfschmerzen und dergleichen aufkommen, wäre kontraproduktiv. Irgendwann lauerten Olvia und Kuzan. Ein merklich schwacher Trost. Suchend glitt ihr Blick über die Eisfläche. Die Sonne war am Horizont verschwunden, das Flutlicht, zusammen mit den Lichterketten, schuf durchaus eine einladende Atmosphäre. Ace und Nojiko drehten bereits ihre Runden. Ein Lachen und fröhliches Gekicher begleiteten elegante Schwünge und Drehungen. Während sie weiterhin das fröhliche Treiben auf dem Eis betrachtete, kämpfte Robin mit ihren eigenen Gedanken und Emotionen. Die Unsicherheit darüber, wie es mit ihr und Nami weitergehen sollte, lastete schwer auf ihr, auch wenn sie nach außen hin versuchte, ihre Gefühle zu verbergen. Es war ein bitterer Moment der Erkenntnis, dass das Glück, das sie für Ace und Nojiko empfand, einen schmerzhaften Schatten auf ihre eigene Beziehung warf. Sie wandte den Blick ab, um sich nach Nami umzusehen. Nicht weit entfernt lehnte sie an der Bande, das Handy in der Hand, während sie scheinbar gedankenverloren auf dem Bildschirm scrollte. Verwirrung zeichnete sich ab, normalerweise verlor sie keine unnütze Zeit. Bevor Robin erneut auf das Gedankenkarussell aufstieg, raffte sie sich auf. Ski wären ihr lieber gewesen als die Kufen unter ihren Füßen. Die Begeisterung für das Schlittschuhlaufen hatte sich bereits in ihrer Kindheit in Grenzen gehalten. Nicht überraschend kämpfte Robin auf dem glatten Eis. Ihre Schlittschuhe schienen ein Eigenleben zu führen, und sie bewegte sich eher zögerlich vorwärts. Die Laune von Robin befand sich ohnehin im Keller. Die schlitternde Unsicherheit auf dem Eis machte die Situation nicht besser. Sie fühlte sich beinahe wie auf dünnem Eis – nicht nur physisch, sondern auch emotional. Wenn sie eine andere Person gewesen wäre, hätte das der Moment sein können, um frustriert zu fluchen. Plötzlich jedoch durchschnitt eine unerwartete Hand Robins unsicheren Griff. Ein Blick zur Seite zeigte, dass es Nami war, die sich neben sie gestellt hatte. Die eigene Überraschung schien noch untertrieben, zumal Namis Gelassenheit nicht zum derzeitigen Verlauf passte. »Fast zwanzig Minuten. Ein neuer Rekord«, neckte sie und hielt Robin fest an der Hand. »Mach dich lockerer. Ist wie Skifahren.« Robin wurde stutzig. Das waren doch zwei Paar Schuhe, oder nicht? »Nein, einen Hang hinunter rauschen ist simpler«, nuschelte Robin, nicht angriffslustig, aber dennoch mit einem Hauch Skepsis. Langsam dämmerte es ihr. War das der Grund, warum Nami so lange an der Bande gestanden hatte? In diesem Moment nahm Nami Schwung und drehte sich ihr entgegen, fuhr rückwärts. Fordernd streckte sie ihre linke Hand aus. Robin zögerte, unsicher, wie sei mit der unerwarteten Situation umgehen sollte. Ein Gefühl der Überforderung schlich sich ein. Bis sie einlenkte und ihre Hand nahm. »Kufen haben genauso Kanten. Du kannst dieselben Schwünge machen. Wenn du möchtest, hast du dasselbe Abbremsen«, erklärte Nami gelassen und warf einen Blick über die Schulter. »Warum tust du das?«, fragte Robin abrupt, durch den Wind, was das anging. Das passte nicht in das Bild. Nami sollte es doch nicht stören, wenn Robin ihr Ding durchzog. Eigentlich sollte sie regelrecht darauf warten einen Sturz zu sehen. Oder spielte sie erneut ein Spiel, half, damit es nicht blöd aussah? Robin kämpfte, und Nami drehte ihre Runden, scheinbar ohne Sorge. Ein Fragen aufwerfender Anblick. »Weil ich dich kenne, Robin«, durchbrach Nami ihre Gedanken. Ihre Wangen nahmen einen leichten Rotton an. War es wegen des Gesagten oder wegen der Temperaturen und Anstrengung? Robin konnte es nicht genau herausfinden. »Die anderen beiden wissen nicht, dass du Eislaufen hasst. Dasselbe wäre, wenn ich vorschlagen würde, wir nehmen Ace mit auf die Piste – er stand noch nie auf Ski oder einem Snowboard. Mir ist klar, warum du zugestimmt hast. Unser Pakt und … meinetwegen.« Robin stimmte dem Gesagten zu, ihre Unsicherheit in der Handhaltung zeigte sich weiterhin. Sie wusste, dass Nami das Eislaufen mochte und das ein Abend abseits guttat. »Gestern … irgendwie haben wir das Miteinander verlernt«, gestand Robin, während ihr Blick auf ihre Schrittfolge fiel. »Ach? Fällt gar nicht auf«, prustete Nami, fügte aber in weitaus nachdenklicherem Ton an: »Er macht mich wütend, obwohl es nicht sein Fehler ist. Ohne Einblick … ja, es ist verständlich.« »Wir haben gewusst, worauf wir uns einlassen«, seufzte Robin. Das hatten sie, und das erleichterte nicht. »Komischerweise geben wir uns hierbei Mühe. Ist dir der Gedanke gekommen, dass wir das eigentliche Problem angehen?«, sagte Nami ernst, und sie hielten an. »Stell dir vor, ist er. So oder so, wir müssen eine Entscheidung treffen. Auf Dauer ist das zwischen uns kein Leben.« Ihre Blicke trafen sich, und sie verständigten sich in einem stillen Arrangement. Der Eislaufplatz war der falsche Ort. Allmählich fand Robin ihren Rhythmus, während die beiden gemeinsam über das Eis glitten. Nami sprach beruhigende Worte und versuchte, die Stimmung aufzulockern. Die Szenerie bot einen interessanten Kontrast: Auf der einen Seite tollten Ace und Nojiko vergnügt herum, während auf der anderen Seite Robin und Nami sich langsam über das Eis bewegten. Eine unerwartete Wendung, die nicht nur Robins Schlittschuhfähigkeiten verbesserte, sondern auch eine gewisse Wärme in ihre frostige Stimmung brachte. ❄ Die Après-Ski-Party tobte um Robin herum, und sie saß auf einem Barhocker, leicht abseits des Trubels. Die Lichter flackerten in grellen Farben, die Musik dröhnte laut, und Menschen tanzten ausgelassen auf der überfüllten Tanzfläche. Die allgemeine Aufbruchstimmung schien ansteckend zu sein, aber Robin konnte mit diesen Partys kaum etwas anfangen. Die rustikale Holzdeko und die gemütlichen Felle sollten wohl eine alpine Atmosphäre vermitteln, aber für Robin wirkte es eher wie eine künstliche Inszenierung. Sie spürte die Vibration der Musik im Boden, während sie versuchte, dem lauten Lachen und den klirrenden Gläsern zu entkommen. Auf dem Barhocker neben ihr saß Ace, sichtlich begeistert von der fröhlichen Stimmung. Robin versuchte, seine Begeisterung zu teilen, doch ihre Gedanken schweiften ab. Sie konnte die tiefen Wälder und verschneiten Hänge vor ihrem inneren Auge sehen, fernab von überdrehten Partys und künstlichem Vergnügen. Die Après-Ski-Party wirkte wie eine fremde Welt, die wenig mit ihrer Vorstellung von einem entspannten Winterabend zu tun hatte. Trotzdem versuchte Robin, sich auf das Gespräch mit Ace einzulassen. Die warmen Lichter warfen schimmernde Reflexe auf sein Gesicht, und sie konnte sein Lachen über den Lärm hinweghören. Die Wärme der Feuerstelle neben ihnen bildete einen Kontrast zur kalten Ablehnung, die Robin gegenüber der aufdringlichen Partystimmung empfand. »Was ist mit dir?«, fragte Robin, während Nami und Nojiko auf der Tanzfläche verschwunden waren. Ace blieb ungerührt sitzen. »Niemals. Ich mache mich ungern zum Affen«, winkte er grinsend ab. »Irgendwie erwarten die Leute, dass ich das kann. Ich sage dir, die verdammten Stripper! Tanzen und Hüllen fallen lassen. Würde ich strippen, wäre ich derjenige, der sich in seiner Hose verheddert und eine filmreife Bruchlandung hinlegt! Eine hat mich mal angefleht, ich solle meine Feuerwehrmannklamotten anziehen und ihr eine Show bieten … Frauen!«, erzählte er ausgelassen und schüttelte den Kopf. »Sie liebt mich auch ohne!« Vergnügt lachte Robin in sich hinein. »Tanzen würde ich dir aber empfehlen.« Das brachte Ace zum Grinsen, und er rückte näher. »Ein kleines Geheimnis, erzähle ich nur dir!«, flüsterte er gedämpft und wartete, bis Robin verständlich nickte. »Seit zwei Monaten besuche ich einen Tanzkurs. Nojiko denkt, ich treffe mich mit Freunden. Ich habe immer gesagt, wenn ich die richtige Frau treffe, dann muss alles passen. Vom Antrag bis zur Hochzeit.« Er hielt sich den Zeigefinger an die Lippen. »Du hast nichts gehört, ich werde alles leugnen!« Die Worte unterstrich er mit einem verspielten Zwinkern. Robin war sprachlos. Dass sie verliebt waren, konnte man ihnen ansehen, aber Gedanken an einen Heiratsantrag? »Kommt überraschend«, gestand sie. »Denk ich mir.« Ein nahm einen Schluck Bier. »Nojiko und ich kennen uns weitaus länger, als euch bekannt ist. Zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Zufall brachte uns erneut zusammen und ja … sie ist die Richtige, verstehst du? Einfach ein Gefühl.« Dann legte er nochmals den Finger an seine Lippen. Nojiko kehrte allein von der Tanzfläche zurück, und ihre Miene wirkte nachdenklich. Als sie näherkam, unterbrach Ace sein Gespräch mit Robin und fragte: »Alles in Ordnung?« Nojiko zuckte leicht mit den Schultern und antwortete: »Ja, soweit schon. Nami ist noch auf der Toilette.« Während Nojiko gegen ihren Freund lehnte und einen großen Schluck trat, richtete Robin ihre Aufmerksamkeit auf sie. Irgendetwas schien anders zu sein, aber Nojiko machte keine weiteren Anstalten, darüber zu sprechen. Die Stimmung wurde immer unruhiger, als Nami nicht von der Toilette zurückkehrte. Robin, Ace und Nojiko begannen, sich gegenseitig skeptische Blicke zuzuwerfen und sich Sorgen zu machen. Die Minuten verstrichen, und als sie beschlossen, nach Nami zu suchen, durchkämmten Robin und Ace das überfüllte Areal. Schließlich erblickten sie Nami in der Ferne, wild gestikulierend mit einem breitgebauten, blonden Mann. Es war offensichtlich, dass er nicht verstand, dass Nami nichts von seiner Aufmerksamkeit wollte. Die Stimmung zwischen Robin und Ace wurde abrupt ernst, als ihre Blicke auf ihn haftete, der hartnäckig versuchte, Nami nicht in Ruhe zu lassen. Ein unangenehmes Kribbeln der Wut breitete sich in Robins Innerem aus, während sie die Szene gespannt beobachtete. Robins Kontrolle über ihre Emotionen schwand. Das merkwürdige Gefühl von vorhin erklärte sich auf einmal. »Das wird interessant«, grinste Ace und ging los. In Robin brodelte es. Alles geschah wie in einem Tunnel. Sie klopfte dem Kerl auf die Schulter, und als er sich umdrehte, hatte ihre Faust bereits zum Schlag ausgeholt. Was sie getan hatte, wurde ihr erst bewusst, als er mit dem Gleichgewicht kämpfte. Der Überraschungseffekt lag auf ihrer Seite, und ihre Hand schmerzte. Sie unterdrückte ein Fluchen, schüttelte sich aber die Hand, um den Schmerz zu mildern. »Was verstehst du an einem Nein nicht?«, fuhr sie den Kerl wütend an. Dieser fing sich wieder und wollte sich auf sie stürzen, als Ace ihn geschickt packte und elegant zu Boden brachte. Mit einem gezielten Knie auf dem Rücken drückte er ihn nieder. »Du hast die falsche Frau angefasst«, lachte Ace dunkel. Der Mann wehrte sich, hatte jedoch keine Chance gegen Aces geübte Handhabung von solchen Situationen. »Mit betrunkenen Dreckskerlen musst du nur wissen, wie.« Ace schien regelrecht Spaß zu haben, je wütender der andere unter ihm wurde. »Wessen Kumpel ist das?!«, rief er laut in die Runde. In diesem Moment begriff Robin endgültig, was gerade geschehen war. Die Szene war nicht unbemerkt geblieben. Eine Hand packte sie am Arm, und sie zuckte leicht zusammen. Es war Nami, mit einem schwer deutbaren Ausdruck. Die Ereignisse hatten sie aufgewühlt, und ohne Worte entfloh Robin der Situation. Was zum Teufel war das gerade? »Robin!«, hallte es bedrohlich durch den Schnee. Sie hätte sich stattdessen entspannt mit einem Buch im warmen Raum aufhalten können, anstatt in dieser aufgeladenen Atmosphäre. Wie immer hatte ihr Bauchgefühl Recht behalten - der Abend war zu einem Reinfall geworden, und ihre Erwartungen wurden übertroffen. »Robin Nikolaev! Bleib sofort stehen!«, drang die auffordernde Stimme an ihre Ohren. Widerwillig hielt sie inne, begleitet von einem hörbaren Schnaufen. Warum musste ausgerechnet sie ihr folgen? »Auf eine Entschuldigung kannst du lange warten.« Das war eigentlich nicht ihre Art. In solchen Momenten fand Robin normalerweise andere Wege, mit der Situation umzugehen. Bis jetzt hatte sie nur einmal ausgeholt, und das lag etliche Jahre zurück. Es war eine völlig andere Situation, eine, die keine andere Lösung zuließ. Umso weniger überraschte sie jetzt die pulsierende Hand. Nami holte auf und blieb mit geröteten Wangen stehen. Es schien, als würde Nami kurz überlegen, was sie sagen sollte, als hätte sie Robin nur zum Stehenbleiben bewegen wollen. Schweigend senkte sie den Kopf und griff nach Robins rechter Hand. Robin hätte erwartet, dass sie ihre Hand zurückziehen würde, aber stattdessen tat sie nichts dergleichen. Auch nicht, als Nami vorsichtig ihre Finger abtastete. »Dir ist klar, dass du dir Brüche zuziehst, wenn du impulsiv handelst, oder?«, sagte Nami kopfschüttelnd. Ohne sie loszulassen, bückte sie sich und griff mit der freien Hand in den Schnee. »Du kannst dich glücklich schätzen.« Robin zuckte nicht, als die Kälte des Schnees auf ihre erhitzte Haut traf. Vielleicht war es ihre Überforderung, aber wenn sie etwas erwartet hatte, dann einen Tobsuchtsanfall – nicht, dass Nami gerade ihre Schmerzen linderte. »Da seid ihr ja!«, rief Nojiko vorwurfsvoll, als sie hinter ihnen auftauchte. Die Nacht schien vorbei zu sein. »Ich habe dir gesagt, der wird so schnell nicht aufhören!« »Ja, ja«, nuschelte Nami gepresst. Nojiko atmete daraufhin hörbar aus. Es war eine surreale Szene, der Nojiko mit einem Schulterklopfen eines draufsetzte. »Gut gemacht. Hat der Mistkerl verdient!« »Ladies!«, beendete Ace dankbar den Moment. Bestgelaunt kam er vollgepackt mit ihren Sachen angelaufen. »Mit euch ist mir nie langweilig!« Sein herzhaftes Lachen hallte durch die Nacht. Nami seufzte und hinderte Robin am Zurückziehen ihrer Hand. »Dein Göttergatte ist ein Idiot!« »Mein sexy Idiot«, zwinkerte Nojiko. Once again, as olden days ♫ --------------------------- Nami Lindgren sehnte sich nach einem Drink. Nach einer Autofahrt wie dieser, in der Robin am Steuer völlig abwesend schien, ihre Schwester einen zweiten Tobsuchtsanfall hatte und Ace sich als aufmunternder Clown versuchte, schrie alles in ihr nach einem kräftigen Schluck. Sobald der Wagen geparkt war, schickte sie ihre Freundin postwendend nach oben. Die Turteltauben standen stramm und mussten versprechen, über diesen Vorfall Stillschweigen zu bewahren. Nami wollte nichts darüber hören, schon gar nicht von der älteren Garde. Für Olvia wäre es ein gefundenes Fressen. Nachdem das geklärt war, steuerte Nami direkt auf die Küche zu. Ihr Glück war, dass niemand dort auf sie wartete. Geschickt durchstreifte sie die Regale auf der Suche nach dem perfekten Schluck und entdeckte eine Flasche Whiskey. Ihr Gesicht hellte sich auf. Der goldene Bernstein des Getränks spiegelte das warme Licht der Küche wider, und der intensive Duft erfüllte die Luft. Sie schenkte großzügig ein, nahm das Glas und prostete sich selbst zu. Nach einem tiefen Schluck ließ sie den Whiskey auf der Zunge tanzen, bevor sie einen wohligen Seufzer ausstieß. Man konnte sagen, was man wollte, manchmal war es die beste Medizin. Erst recht, als sich der Vorfall wieder vor ihrem inneren Auge abspielte. Ihr Blick allein hätte manche bereits eingeschüchtert, aber der Schlag? »Robin hat heute wirklich einen für mich rausgehauen«, murmelte Nami ungläubig vor sich hin. Noch ein Schluck. Ausgerechnet im schlimmsten Tief ihrer Beziehung! Wollte sie lachen oder weinen? Ihr feuriges Temperament schwieg dieses Mal ausgerechnet. Gleichzeitig spürte sie jedoch, dass sie jetzt zu Robin hochgehen und mit ihr reden musste. Mit einem seufzenden Blick in Richtung der Treppe überlegte sie, wie sie das Gespräch angehen sollte, und der Whiskey würde ihr sicherlich helfen. Nami stieg die Treppe hinauf und betrat das Schlafzimmer. Dort fand sie Robin im Badezimmer, beschäftigt damit, ihr Make-up abzunehmen. Sie beobachtete einen Moment lang schweigend, während Robin sie offensichtlich ignorierte. Die Stille zwischen ihnen schien eine Mischung aus Vertrautheit und Unaussprechlichem zu sein. Nach kurzer Überlegung nahm sie Platz in einem der beiden Lesesessel im Zimmer, schenkte mit ruhiger Hand in beide Gläser ein. Sie setzte sich abwartend zurück und ließ die turbulenten Ereignisse des Abends in ihrem Kopf kreisen. Je öfter es sich abspielte, desto absurder wurde es. Als Robin schließlich das Badezimmer verließ, trafen sich ihre Blicke. Nami hob leicht das Glas und lächelte. »Cheers!« Ein kurzes Zögern war erkennbar, dann trat Robin langsam näher und stieß mit ihr an, sodass für einen Moment lang das leise Klirren der Gläser hallte. Wie Nami vorhin selbst, trank sie in einem Zug aus und setzte sich erschöpft, mit einem Seufzer, in den zweiten Sessel. Sie beobachtete Robin, die mehr einem Häufchen Elend glich. Müdigkeit und Stress zeichneten sich deutlich auf ihrem Gesicht ab. Ein Hauch von Mitgefühl durchzog Namis Gedanken. Da schien ihr plötzlich die Ironie des Lebens klar zu werden, und Nami brach in einen unkontrollierten Lachanfall aus. Es war ein bittersüßer Moment, in dem die Absurdität der Situation sie schlichtweg übermannte. Die Vorstellung, dass Robin sie gegen Bellamy verteidigt hatte, während sie nun erschöpft neben ihr saß und erneut in das schweigsame Muster fiel, war einfach zu absurd, um ernst zu bleiben. Und während sie sich vor Lachen krümmte, schaute Robin sie verwirrt an. Wenige Sekunden, und als hätte sie ihren Aha-Moment, konnte sie nicht länger widerstehen. Gemeinsam teilten sie diesen kurzen, aber intensiven Moment der Erleichterung inmitten all des Chaos. Manchmal war dann das Lachen die richtige Medizin, selbst in den merkwürdigsten Situationen. Passend zu ihnen fing Robin sich zuerst wieder, und sie wurde zur stillen Beobachterin, während Nami sich zwischendurch mehrfach entschuldigte. »Gern geschehen«, murmelte Robin und schenkte nach. »Kannst du es mir verübeln?«, fragte Nami, als sie endlich aufhörte zu lachen. »Von all den Szenarien, stand das nicht auf meiner Liste.« Überhaupt nicht. »Robin, ich weiß, das war ein verrückter Ausgang«, begann sie dann wesentlich ernster, »und ich danke dir wirklich für das, was du für mich getan hast. Aber ich denke, wir sollten darüber reden, was eigentlich vorgefallen ist.« Was auslösend für den Schlag war. Im Nachhinein hätte sie Bellamy gleich überfahren sollen (denken durfte sie) oder ihm wenigstens klipp und klar die Leviten lesen. Ihn erneut zu treffen, damit hatte sie nicht gerechnet. Schon gar nicht, dass er nach dem letzten Mal weiterhin dachte, er hätte eine Chance. »Ja, wir können nicht so tun, als wäre nichts passiert«, gestand Robin und schwenkte nachdenklich das Glas. Der Ernst in ihren Augen signalisierte, dass sie bereit war. »Okay, was war los?« Anders als zuvor wollte Nami das Gespräch nicht in eine Sackgasse lenken. Sie drängte nicht, gab Robin die nötige Zeit, und wenn sie diese so betrachtete, überlegte sie eindeutig. Ein schwerer Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, während sie vermutlich nach der passenden Formulierung suchte. Schließlich lehnte sie den Kopf zurück und begann leise: »Ich könnte sagen, mich hat seine aufdringliche Art rotsehen lassen. Er wirkt wie jemand, der nur hört, was er hören möchte, aber wir wissen beide, dass das Problem tiefer liegt.« Leicht neigte sie den Kopf und betrachtete Nami mit einem traurigen Lächeln. »Unsere Situation ist belastend. Zuhause meiden wir uns, hier spielen wir das glückliche Paar. Aufgestauter Frust, gepaart mit einem schmierigen Kerl … du bist einiges für mich, Nami, aber nicht gleichgültig.« Diese atmete sichtlich durch und nahm den nächsten Schluck, während sie tief in ihren Gedanken versank. Sie ging alles innerlich durch, was zwischen ihr und Robin schiefgelaufen war – der ständige Zeitmangel, der abgesagte Urlaub und besonders das einmonatige Verschwinden von Robin für die Ausgrabung. Diese Erinnerungen schienen wie ein schmerzhaftes Puzzlespiel, das Nami nicht so recht zusammensetzen konnte. Die gereizte Art, wie sie in letzter Zeit miteinander umgegangen waren, spiegelte sich in ihrer Erinnerung wider. Die Unstimmigkeiten, die Unaufmerksamkeiten, all die kleinen Dinge, die sich zu einem großen Problem aufgetürmt hatten. Nami betrachtete das Whiskeyglas in ihrer Hand, als könnte es Antworten auf die komplexen Fragen liefern, die sich in ihrem Kopf tummelten. Sie erinnerte sich daran, wie sehr sie Robin als Teil eines Paares vermisste. Die gemeinsamen Momente, das Lachen, die Nähe. All das schien in den letzten Monaten in den Hintergrund gerückt zu sein. Die Einsamkeit, die sie manchmal empfand, war schwer zu ertragen. Sie verstand den Frust. Von null auf hundert. Das Miteinander war schwierig, mit dem Unterschied, das Nami ihren Emotionen Raum ließ. Da hob sie den Blick. »Ich vermisse uns«, sagte sie leise. »Ich vermisse die gemeinsame Zeit, in der wir einfach nur wir waren, ohne den Druck und die Spannungen.« Etwas wurde ihr hier klar. Vor der Abreise hatte sie alles in einem Tunnel betrachtet, auf ihre Weise. Das Schlechte hatte die Oberhand, und die Flucht schien die einzige Option zu sein. In den letzten Tagen jedoch, als sie gezwungen waren, einen normalen Umgang zu pflegen … es erinnerte an früher und weckte entsprechende Sehnsüchte. »Nicht nur du«, murmelte Robin in ihr Glas. »Die Mistelzweige stoßen mir genauso auf. Sie sind die perfekte Erinnerung an eine unkomplizierte Zeit. Ich vermisse sie auch. Aber du weißt genauso gut wie ich, dass es nicht so einfach ist. Es ist, als ob uns die Zeit und die Herausforderungen auseinandergetrieben haben.« Ein Blickkontakt reichte und Nami erkannte darin denselben Schmerz, den sie selbst empfand. Die Seite hatte sie oft ausgeblendet. »Die Küsse sind schwer geworden, weil wir sie nicht mehr einfach genießen können, ohne dass der Ballast mitschwingt. Wir haben schon lange keinen mehr gehabt, einen ohne all die Probleme.« Und wieder dachte Nami darüber nach, wann sie den letzten echten Kuss geteilt hatten. Ein kurzer Moment der Stille lag zwischen ihnen, bevor Robin mit einem leicht traurigen Lächeln sagte: »Der Ballast, wie du sagst, ist bei allem mit dabei. Unser Umgang spricht Bände. Bis wir hierhergekommen sind.« »Wir können uns schwer aus dem Weg gehen.« Eigentlich ihre oberste Priorität. Bislang hatte sie darin versagt. Die kurze Zeit am Board und der gestrige Vormittag. Den Rest verbrachten sie dennoch in nächster Nähe. Eine Zerreißprobe. Denn neben den anderen funktionierte es irgendwie. Normales Reden, einfache Gesten. Kaum waren sie allein, kehrten sie in die Realität zurück. Dabei sollten sie dort weitermachen. Ständig ausweichen brachte sie nicht weiter, es zermürbte. Langsam glaubte Nami, dass sie das von Anfang an hätten tun müssen. Raus aus dem Alltag und konfrontiert werden. Abhauen und Whiskey. Das hätte ihnen manches erspart. »Wenn wir diese Nummer durchziehen, muss ich ein Thema anschneiden«, begann Robin unverblümt. Nami spürte, wie ihre Nervosität wieder zunahm. »Okay«, sagte sie zögernd. »Worüber genau möchtest du sprechen?« »Warum unterstellst du mir eine Affäre?« Überrascht von der Direktheit vermied sie den Blickkontakt. Das Thema stieß ihr ungut auf. Ein Zusammenspiel mehrere Faktoren. Zusammen mit dem Umgang miteinander. Seufzend rutschte sie tiefer und trank einen Schluck. Vielleicht holte sie lieber eine zweite Flasche. »Nami.« »Koala ist mir suspekt, okay? Sie himmelt dich an, dein einmonatiger Ausflug … die Telefonate … und oh, ich finde es merkwürdig, wenn sie dir haufenweise Herzen schickt.« Vorsichtig schielte sie zu Robin, deren Blick undeutbar war. »Ich habe nicht spioniert, okay? Dein Handy lag neben der Kaffeemaschine und da kamen haufenweise Herzen rein. In einer Zeit, in der wir uns längst gestritten haben, was würdest du denken?« Einen Augenblick lang wurde sie von Robin schweigend angestarrt und das machte Nami unsicher. Gestärkt wurde das Gefühl, als Robin einfach aufstand und sie erneut glaubte, sie würde neuerlich flüchten. Nami wollte schon fluchen. Etwas, das sie gerade noch verkniff, denn in dem Moment sah sie, wie Robin in ihrer Handtasche kramte, bis sie ihr Handy fand. »Schau sie dir an«, sagte sie ruhig und reichte es ihr. »Ich möchte, dass du dir selbst ein Bild machst. Hier sind alle Nachrichten mit Koala.« Sie öffnete die Nachrichten-App und zeigte Nami die Unterhaltungen. Merkwürdigerweise kostete es sie einen Augenblick Überwindung. Ihr Herz pochte schneller, als sie durch die Unterhaltungen scrollte. Die Worte auf dem Bildschirm schienen wie ein Blick in eine Welt, die sie bisher nicht gesehen hatte. Die Bilder, die Koala geschickt hatte, zeigten Artefakte und Fundstücke, nicht romantische Gesten. Die Herzen, die sie zu Beginn so beunruhigt hatten, waren eher Ausdruck von Begeisterung und weniger romantisch gemeint. Robin sah sie ernst an. »Nami, ich schwöre dir, da ist nichts zwischen uns. Ja, bei dem Projekt arbeiten wir eng zusammen. Und zwischendurch reden wir über Privates, wir kennen uns jetzt zwei Jahre. Aber sie und ich?« Dann fügte sie mit einem Hauch von Humor hinzu: »Übrigens, wenn du möchtest, kann ich dich Koalas Ehemann vorstellen. Vielleicht wird das die Dinge klären.« Sie zwinkerte Nami zu und versuchte, die Stimmung zu lockern. »Was?« »Ja, Ehemann und die Kinderplanung ist relevant geworden.« Nami starrte auf das Handy in ihren Händen, während Robins Worte langsam in ihrem Kopf nachhallten. »Ehemann und Kinderplanung?«, wiederholte sie schließlich, ihre Stimme klang leiser als beabsichtigt. Ihre Gedanken waren ein wirres Durcheinander aus Selbstvorwürfen und dem Bedürfnis, die präsentierte Wahrheit zu verstehen. Robin nickte leicht: »Ja, sie wollen eine Familie gründen.« Langsam gab sie das Handy zurück, ohne etwas zu sagen. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf, während sie realisierte, wie sehr sie sich in diese gefährliche Spirale der Unsicherheit verwickelt hatte. Vielleicht wollte sie in dem Moment einfach glauben, dass das der Grund für ihre Probleme war. »Warum?« fragte Nami schließlich, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Warum bist du ins Gästezimmer?« Daraufhin hob Robin eine Braue. »Nachdem wir gar nicht mehr gesprochen haben? In dem Streit hast du mir das mit ihr an den Kopf geworfen, ohne zuzuhören – sicher, ich habe genauso beigetragen, aber bei der Spannung? Ich dachte, wenn ich einfach mal aus unserem gemeinsamen Raum verschwinde, könnten wir beide etwas Freiraum zum Nachdenken haben.« In dem Punkt musste sie zustimmen. Während es eskalierte, hatte Nami keine Chance gegeben und war in erster Linie sauer, wegen der Vorwürfe ihr gegenüber. Nur, dass es dadurch eben nie besser wurde. Sobald sie getrennt schliefen, fanden sie genug Abstand, um keine ernsthaften Gespräche mehr zuzulassen. Kein Wunder, dass sie vor der Abfahrt am Durchdrehen war. »Eine reicht nicht«, brummte sie und leerte das nächste Glas. »Während du fort bist, hat mich Carina zum Ausgehen überredet und irgendwie wurde es mein Katalysator. Dem Stress zwischen uns entkommen, abschalten, Frust raus tanzen.« Bei allem, was schieflief, war dieser eine Monat ohne sie für Nami das heftigste Tief (bis zu diesem Zeitpunkt). Zumal die Abreise nicht ohne Diskussionen auskam. Die ersten Telefonate beinhalteten die nächsten und wurden ständig von einer greifbaren Spannung untermalt. Mit der Rückkehr kam zwar ein kurzes Hoch, aber in Anbetracht ihrer Verbissenheit, von beiden Seiten aus, hielt es eben nicht. Dann registrierte sie eine Bewegung und blickte auf. Robin ging vor ihr in die Knie. Sie hielt sich an den Lehnen fest und suchte Augenkontakt. »Nami«, begann Robin, ihre Stimme ernst und aufrichtig, »es tut mir leid, wie alles gelaufen ist. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen, aber ich habe nicht aufgehört. Ich liebe dich, es gibt keine andere.« Nami spürte, wie ihr Herz schneller schlug, und ein Gefühl der Wärme durchströmte sie. Nach all den schwierigen Monaten, in denen ihre Beziehung auf der Kippe stand, hörte sie die drei magischen Worte zum ersten Mal wieder von Robin. »Wir haben beide Mist gebaut«, fuhr Robin fort, ohne den Blick abzuwenden. »Aufgeben wäre verständlich, sehr sogar. Was ich allerdings gemerkt habe, ist, dass unsere Gefühle noch da sind. Du kannst sagen, was du möchtest, aber ich weiß, dass manches nicht gespielt war, und ich behaupte, dass du bei jedem Kuss dasselbe gespürt hast, wie ich.« Sie schluckte. Es stimmte. Deshalb hasste sie die Mistelzweige, weil sie verraten wurde. Jeder weitere brachte ihren Verstand in die Knie und ihr Herz gefährlich ins Stolpern. »Was schlägst du vor?« flüsterte sie daher. »Wir müssen uns so oder so stellen. Entweder gehen wir getrennte Wege oder wir nutzen die Tage und reden offen miteinander. Nehmen unsere Probleme in Angriff und finden Lösungen.« »Reden, ja?«, scherzte sie zur Antwort. »Entschuldige. Macht der Gewohnheit. Aber du musst sagen, es ist weiterhin passend. Während ich meinem Ärger Raum gebe, schluckst du. Dein Auszucken ist der beste Beweis.« Überraschenderweise widersprach Robin nicht, sie nickte stattdessen. Ein Zugeständnis. Bei den Streitereien wurden sie beide laut, aber am Ende war Robin eben diejenige, die genug nicht aussprach. Und dieses Mal mussten sie zusammen an einem Strang ziehen, ganz gleich, wie unschön und schwierig es werden konnte. »Was sagst du?« Nami überlegte einen Moment, bevor sie Robins Gesicht umfasste. Sie zog sie näher und küsste sie zaghaft, ohne zu fordern. Wenn sie ihre Probleme angehen wollten, dann wollte sie einen ohne Spannung, ohne dass er gestellt war, einen echten. Der Kuss war sanft, fast wie eine zarte Berührung. Nami spürte, wie ihre Lippen sich leicht öffneten, und ein Hauch von Vertrautheit kehrte zurück. Die beiden lösten sich langsam voneinander, und Nami sah tief in Robins Augen. In diesem Moment erkannte sie das bekannte Knistern, das sie längst vergessen glaubte. Eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und Hoffnung spiegelte sich in Robins Blick wider. »Geben wir uns eine Chance«, flüsterte Nami. Ein Kribbeln durchzog ihr Inneres, und plötzlich wurde ihr bewusst, was sie all die Zeit über vermisst hatte. Die Vertrautheit, die Leidenschaft, das Gefühl von Geborgenheit. Es war, als ob sie einen verlorenen Teil von sich selbst wiederentdeckte und dieser Teil wollte gehört werden. Und da spürte sie, wie der Impuls übernahm und ohne Zögern Robin zu sich zog. Ein intensiver Kuss entfaltete sich, angetrieben von einem unbezwingbaren Verlangen. Sie ließ alle Hemmungen fallen, hingebungsvoll und voller Sehnsucht, als ob sie die Zeit, in der sie voneinander entfernt waren, wieder wettmachten. ❄ Ein unnachgiebiges Klopfen durchdrang die Morgenstille, und Nami wurde unsanft aus ihrem Schlaf gerissen. Die Sonnenstrahlen des neuen Tages hatten gerade begonnen, sich durch die Vorhänge zu kämpfen, als Nojikos energisches Rufen hallte. »Raus aus den Federn! Die Piste wartet. Ace will Snowboarden lernen!« Verschlafen rieb sich Nami die Augen, ein leises, genervtes Stöhnen folgte. Die Idylle der Nacht schien durch das energische Wecken ihrer Schwester zunichtegemacht worden zu sein. Sie war noch nicht bereit. »Fahrt vor!«, giftete sie nach draußen, während sie gegen das grelle Tageslicht blinzelte. Was lief schief bei ihr? Robin, die neben Nami lag, murmelte nur: »Wir haben es ihnen versprochen.« Dabei machte sie die Situation nicht besser, statt aufzustehen, drückte sie das Gesicht tiefer ins Kissen. »Du hast es«, erinnerte sie, als wäre Robin damit aus dem Schneider. »Ace ist ganz aufgeregt, ihr habt keine Chance! Entscheidet euch, die sanfte oder die harte Tour! Soll ich reinkommen?« Brummend kämpfte sie sich aus den Decken. Die Kälte des Bergmorgens empfing sie. »Untersteh dich! Gib uns eine halbe Stunde.« Wehe sie kam hereingeschneit, besonders nicht, nachdem Nami realisierte das sie nackt war, sie beide. »Das wollte ich hören!« »Ja, ja«, nuschelte sie, wissend, Nojiko hörte sie nicht. »Was haben wir uns eingebrockt?« Nami vergrub ihr Gesicht in den Handflächen. Verdammt. Nach der Nacht war es eindeutig zu früh! »Ich geh duschen.« Robin brummte nur leise, woraufhin sie einen Blick über die Schulter warf. Mit freigelegtem Rücken lag sie da und Nami kam nicht drumherum, sie einfach anzusehen, bis sie schließlich seufzte. »Ich warne dich, wenn du einschläfst, schicke ich sie hoch.« Unter der Dusche versuchte sie, den morgendlichen Nebel aus Schlaf abzuwaschen. Das warme Wasser prasselte auf sie herab und schickte kleine Dampfwolken durch das Badezimmer. Nami galt nicht gerade als Morgenmensch. Schon gar nicht, wenn man sie nach einer kurzen Nacht unsanft aus dem Schlaf holte. Genau den Mist hatte ihre Schwester früher gerne ausgenutzt. Mit dem langsamen munter werden, drängten sich Erinnerungsstücke zurück. Das Eislaufen, das Essen. Bellamy. Die Rückkehr und das Reden bei einer Flasche Whiskey. Oh Gott, der Whiskey. Sie hatten danach nicht auf ihn vergessen. Nami war resistent, aber manchmal war die Tagesverfassung entscheidend, sowie die Stunden Schlaf und die fehlten eindeutig. Brummend lehnte sie die Stirn an die Glaswand. Und schließlich erinnerte sie an den Ausgang des Gesprächs. Ein einfacher Kuss, der rasant zu mehr geführt hatte. Hätte ihr vor ein paar Tagen jemand gesagt, sie würde mit Robin nicht nur auf einer vernünftigen Basis reden, sondern auch mit ihr schlafen … sie hätte jener Person den Vogel gezeigt. Umso mehr gestand sie ein, dass sie ihn vermisst hatte. Sehr vermisst. Sich an einen letzten Kuss erinnern, war schwierig, aber den letzten Sex? Definitiv ein gutes Stück weiter zurück. Tatsächlich verdrängten die Erinnerungsfetzen selbst die schlechte Laune. Die Nähe, die sie mit Robin geteilt hatte, war seltsam befreiend gewesen. »Ich hasse deine Schwester.« Ihre Mundwinkel zuckten vergnügt. »Willkommen in meiner Kindheit.« Sie tauschten und die Atmosphäre war seltsam vertraut, fast so, als wären sie wieder in einer Zeit, in der sie einfach nur zwei Menschen waren, die sich liebten. Diesen verschlafenen, mürrischen Blick hatte sie lange nicht gesehen. Ja, Robin konnte morgens anders und irgendwie brachte es Nami zum Lächeln. »Wir könnten die Türe absperren und sie ignorieren«, schlug Robin vor, während sie sich abtrocknete. Ein netter Gedanke, leider tickte ihre Schwester anders. »Und riskieren, dass sie durchs Fenster kommt? Denk dran, sie hat einen Feuerwehrmann an der Seite!« Nein, lieber durchbeißen. Gestern hatte sie ohne Bedenken zugesagt. Einen Tag am Board lenkte ab und man konnte getrennte Wege gehen. Woher wusste Nami, dass sich das Blatt wendete? Vor ihnen stand natürlich eine Menge Arbeit, aber erstmals spürte sie Hoffnung und ein neu entdecktes Gefühl der Erleichterung. Sie wollte es für den Morgen behalten. ❄ Auf der Rückbank beobachtete Nami amüsiert Robin, die ihre verräterischen Augen hinter der Sonnenbrille verbarg und mit einem Thermobecher Kaffee neben ihr saß. Stur blickte sie geradeaus, und trotz der durchzechten Nacht sah Robin makellos aus. Wer sie nicht kannte, hätte anhand ihres Äußeren nichts erkannt. Ihr Pech. Olvia hatte ihr Erscheinen amüsiert kommentiert. So schnell hatte Robin selten ihre erste Tasse ausgetrunken. Auf ein Frühstück verzichteten beide. Bislang verlief die Fahrt ruhig, und die Turteltauben taten, was sie am besten konnten: flirten. Die beiden hatten eindeutig keinen nächtlichen Schlummertrunk eingenommen, zumindest keinen alkoholischen. Dennoch war der Moment gekommen, in dem die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt wurde. Ace warf ihnen im Rückspiegel ein verschmitztes Grinsen entgegen. »Na, wie war eure Nacht?« »Interessant, könnte man sagen«, antwortete Robin und nippte an ihrem Kaffee, was Nami ein leises Lachen entlockte. »Ja, sehr interessant.« Sie schüttelte den Kopf. Auf jeden Fall entgegen der Erwartung. Nojiko steckte den Kopf zwischen die Sitze und zwinkerte zweideutig. »Ihr beide seht aus, als hättet ihr die Nacht eures Lebens gehabt.« Robins Mundwinkel zuckten verdächtig. »So in etwa.« Ace schüttelte amüsiert den Kopf. »Ihr seid wirklich nicht ausgeschlafen, was?« Nami lehnte sich zurück und gähnte leicht. »Kann man so sagen. Wir haben Väterchen Frosts Whiskeylager geplündert.« Auf ihre Schwester ging sie gar nicht ein. Das hatte sie gelernt. »Was?« Nojiko sah sie entrüstet an. »Uns schickst du ins Bett, und ihr habt ohne uns gefeiert? Dann habt ihr meinen Weckruf eindeutig verdient!« »Als ob dich unsere Zweisamkeit gestört hätte«, kicherte Ace. Nojiko wurde leicht rot und setzte sich wieder richtig hin, während Ace lachend den Wagen lenkte. »Aber jetzt erzählt mal, was habt ihr beiden wirklich getrieben? Ich liebe Details!« Ausgerechnet Robin lachte, während Nami energisch blockte: »Konzentrier dich lieber auf die Straße. Ich will heil ankommen.« »Spielverderber! Aber denk dran, heute Abend gibt es keine Ausrede. Ihr verkriecht euch nicht im Bett!« Nami rollte die Augen über. Als ob sie darauf vergaß. Wenigstens gab sich Ace zufrieden und in ein paar Minuten würden sie endlich ankommen. Dann durfte sie eine Runde lachen. ❄ Nebeneinander standen sie im Kinderhügel, die Skier bzw. das Snowboard fest in den Händen, und schauten fasziniert auf Nojiko und Ace. Ein wahrhaft unterhaltsamer Anblick. Ihre Schwester als Lehrerin, ihr Freund als Opfer. Ace, voller Eifer und Enthusiasmus, versuchte sich auf dem Snowboard zu halten. Mit tapsigen Bewegungen und unsicheren Schritten kämpfte er sich den Hügel hinauf und versuchte dann, wenige Meter zu fahren. Doch bei jedem Versuch einer Kurve endete er mit einem mehr oder weniger eleganten Sturz im Schnee. Nami konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, als Ace wieder einmal im Schnee landete. »Er gibt wirklich alles, oder?« Robin schmunzelte. »Ja, das muss man ihm lassen. Nojiko tut ihr Bestes, um ihn auf die Beine zu bringen.« »Ein Lehrer wäre besser … Sie sind geschult.« Neugierig beobachtete sie, wie Nojiko geduldig Anweisungen gab und Ace immer wieder aufhalf. »Wenn ich richtig verstanden habe, ist heute ein Probelauf. Wenn er Gefallen findet, will er Unterricht nehmen«, erklärte Robin, die mittlerweile wesentlich munterer schien. Bevor sie den Fehler machten und sich unvorbereitet auf die Hänge wagten, nahmen sie lieber die Funktion als Zuschauer ein. Eine gute Entscheidung, die ihnen Schmerzen ersparte. »Wollt ihr Wurzeln schlagen?« »Du hast uns gezwungen mitzukommen«, rief Nami schulterzuckend zurück. Auf Dauer lag es wiederum nicht in ihrem Interesse, aber als vielversprechenden Anfang? Außerdem bekam sie langsam Hunger. »Was sagst du? Lassen wir die zwei und holen uns einen Snack?« Robin schob die Brille vor und taxierte sie mit gehobener Braue. »Jetzt?« »Ja, jetzt.« Nach einigem Zögern willigte Robin schließlich ein, und sie machten sich auf den Weg zu einer der gemütlichen Hütten am Rand der Piste. Als sie drinnen waren, spürte Nami sofort die wohlige Wärme, die der knisternde Kamin verbreitete. Um die Uhrzeit hatten sie Glück, erst gegen Mittag begann der richtige Trubel. Die Kellnerin kam, um die Bestellungen aufzunehmen, und Robin bestellte nur einen Kaffee und ein Wasser. Als die Kellnerin sich an sie wandte, bestellte Nami mit einem entschlossenen Lächeln eine Portion Pancakes und einen belegten Bagel. »Dein dritter Kaffee auf nüchternen Magen … iss etwas!« Das war niemals gesund. »Im Gegensatz zu dir, liegt mein Appetit noch im Bett.« Auf das Stirnrunzeln hin, lächelte Robin entschuldigend. »Ich habe keinen Hunger, okay?« Nami blieb skeptisch, aber bevor sie etwas erwidern konnte, wurde ihr Essen serviert. Die dampfenden Pancakes und der Bagel mit Frischkäse dufteten verlockend. Nami konnte die Versuchung nicht widerstehen und steckte ihre Gabel in die fluffigen Pancakes, abgerundet mit Butter und Ahornsirup. »Komm schon, probiere wenigstens ein bisschen«, drängte sie und hielt Robin eine Gabel mit einem mundgerechten Stück hin. »Was genau ist dein Problem?«, fragte Robin über den Tassenrand hinweg, ohne die Gabel eines Blickes zu würdigen. »Sie sind lecker und du brauchst genauso einen Happen.« Robin zögerte einen Moment, bevor sie widerstrebend abbiss. »Besser?« »Wow, deine Begeisterung ist ansteckend«, feixte sie und schob Robin provokant den Bagel zu. Ihn hatte sie mit einem Hintergedanken bestellt. »Mir wäre wohler, wenn du nicht mir leeren Magen fährst – Bitte?« Offensichtlich rang Robin. Weniger mit dem Essen selbst, vielmehr darüber, ob sie länger gegen sie reden sollte und im schlimmsten Fall eine unnötige Diskussion heraufbeschwor. Es lag eben ein steiniger Weg vor ihnen, auf dem durchaus Stolperfallen lauerten – normal für ein Gespräch. Eine Nacht löschte eben nicht das Geschehene aus, aber sie nahmen es an. Robins Reaktion bewies Nami, dass sie versuchte. »Okay, sollte ich mich später übergeben, bist du schuld.« Prustend nickte Nami. »Ich verspreche, ich halte deine Haare, einverstanden?« Einen Moment lang sahen sie sich in die Augen, ehe Robin seufzend den Teller näher schob. Kurzzeitig fühlte sie den Triumph, wurde aber nachdenklicher, als sie Robin genauer betrachtete. Ein besorgter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. Obwohl sie kaum Zeit miteinander verbrachten oder vielleicht sogar genau aus diesem Grund, war Nami die Gewichtsabnahme längst aufgefallen. Bislang hatte sie nie etwas gesagt. Eigentlich ein weiteres Argument, warum sie eine Kleinigkeit frühstücken sollte. Übernahm der Stress, fiel Robin gerne in ungesunde Muster. Schlaf und Essen wurden zur untersten Priorität. In ihren fünf Jahren wurde es erst ein einziges Mal problematisch, und das war in ihrem ersten Jahr miteinander. Zwischendurch war Nami provokant eingeschritten. Ein weiteres Indiz für das Auseinanderdriften ihrer Beziehung. Kein Wunder, dass Robin am ersten Morgen länger geschlafen hatte. Dann fiel ihr etwas ein. Automatisch lehnte sie zurück und trank nachdenklich ihren Orangensaft. »Ich glaube, ich verstehe, was du letztens gemeint hast.« Robin schenkte ihr einen fragenden Blick, während sie lustlos auf einem Stück Bagel kaute. »Du hast mich ohne Kontext gefragt. Was denkst du, warum ich trotzdem mitgekocht habe? Eigentlich hätte ich auswärts essen gehen können oder mir eine Kleinigkeit zubereiten.« Hätte sie. Vielleicht gingen sie sich gekonnt aus dem Weg. Vielleicht sprach Nami nichts an. Aber blind war sie nicht. Bis zu einem Grad hatte sie es schlichtweg ignoriert. Kein ruhmreicher Schachzug. Erinnerte sie sich aber an die Ausgangslage, durchaus verständlich. »Olvia hat dich darauf angesprochen, oder? Zusätzlich zu deinem Arbeitspensum.« Das sichtlich überforderte Blinzeln und das schwere Schlucken bestätigten Nami. »Vielleicht«, nuschelte sie in ihr Wasserglas. Ablenkung, aber das funktionierte nicht ewig. »Möchtest du hier das Gespräch fortsetzen?« »Nettes Ambiente, oder?« Provokant auffällig blickte sie umher. Sie ließ Robin zappeln, die alles andere als erfreut aussah. Schließlich lächelte sie aufmunternd. »Kam mir einfach in den Sinn, okay? Mein Plan endete, in dem Moment, in dem du gegessen hast.« Nein, ein tieferes Gesprächsthema hatte sie nie vorgehabt, es hatte sich in dem Fall ergeben. Sie stützte das Kinn an ihren verschränkten Finger ab. »Beantworte eine Frage, und wir hören auf. Deal?« »Etwa die, die du mir letztens stellen wolltest?« »Nein, die hast du mir heute Nacht beantwortet.« Nami lächelte sanft, während Robin uneinig war. »Okay«, sagte sie schlussendlich und seufzte. »Muss ich mir ernsthafte Sorgen machen?« Robin sah sie irritiert an und schüttelte den Kopf. »Nein. Normalisiert sich wieder, sobald ich zurückschalte.« Nami beobachtete Robin aufmerksam, während ihre Gedanken kurz abschweiften. Der Stress, den beide in ihren jeweiligen Lebensbereichen hatten, war zweifellos spürbar. Aber etwas in Robins Reaktion ließ Nami daran zweifeln, dass es nur das war. Es war, als ob ein unsichtbares Gewicht auf Robins Schultern lastete, das über die beruflichen Anforderungen hinausging. »Robin. Du müsstest dir den Stress nicht antun, oder?« Diese senkte den Blick und spielte nervös mit der Tasse. Nach einem Moment des Schweigens seufzte sie und gestand leise: »Du weißt, warum ich ab einen Punkt gefühlt nicht mehr zu Hause bin. Unser Umgang ist belastend und dann vergräbt man sich in anderem. Ja, es hat mich mitbeeinflusst.« Nami spürte einen Kloß in ihrem Hals. Es war keine Überraschung, aber die Bestätigung schmerzte dennoch. Jetzt war es an der Zeit, nicht nur die Oberfläche zu kratzen, sondern die tiefen liegenden Probleme anzugehen, wenn ihre Beziehung eine Chance haben sollte. ❄ Der Schnee knirschte unter Namis Snowboard, als sie den steilen Hang hinabfuhr. Die kalte Bergluft biss in ihr Gesicht, und die verschneite Landschaft dehnte sich vor ihr aus. Normalerweise genoss sie die rasante Abfahrt, fühlte die Freiheit und den Nervenkitzel des Sports. Doch heute war alles anders. Ihre Gedanken waren wie wild gewordene Pferde, die sich nicht einfangen ließen. Immer wieder kehrten sie zu dem Gespräch mit Robin zurück, zu den offenen Worten. Nami versuchte sich zu fokussieren, ihre Sinne auf das Snowboarden zu konzentrieren, aber das Gesagte ihrer Freundin drängten sich hartnäckig in den Vordergrund. Kein Wunder also, dass Nami mehrmals drohte, aus dem Gleichgewicht zu geraten, doch sie konnte sich jedes Mal wieder fangen. Der Schnee flog ihr ins Gesicht, während sie sich den Berg hinunterzwängte. Die Leichtigkeit war verflogen. Hätte sie lieber den Mund gehalten. Aber kam es eben genauso wie erwartet. Redeten sie und versuchten ihre Beziehung zu kippen, würden Höhen und Tiefen abwechseln. Was in Monaten aufgebaut wurde, rissen sie nicht in einem Tag wieder ab. Und irgendwie musste sie auch gestehen, dass sie bereits nach einer Wohnung gesucht hatte. Im Grunde gestand sie Robin, dass sie von ihrer Seite längst aufgab. Plötzlich sah sie darin eine vorschnelle Handlung, obwohl die Situation ihre Entscheidung durchaus verständlich machte. Dass das der ungünstigste Moment für Überlegungen war, verstand Nami in dem Moment, in dem Robin ins Sichtfeld kam. Unwillkürlich bremste Nami abrupt ab, Schnee wurde aufgewirbelt und der Sturz schien unausweichlich. Dieses Mal rettete sie sich nicht. Prompt folgte eine harte Landung, für die sich ihr Rücken bedankte. »Verdammt!«, fluchte sie laut. Die Frustration über ihre eigene Unfähigkeit, sich zu fokussieren, mischte sich mit den ausgelösten Emotionen. Nami lag einen Moment im Schnee und atmete tief durch. Die klare Bergluft fühlte sich erfrischend an, aber sie konnte den Knoten in ihrer Brust nicht lösen. Wenn sie so weitermachte, konnte sie gleich abschnallen und gehen. Beim Aufsetzen blickte sie den Hang hinunter und erkannte weiter unten Robin, die wartete. Brummend wischte sie etwas Schnee aus dem Gesicht, rappelte sich auf. Energischer klopfte sie die Kleidung ab, als würde sie somit zurück in die Spur finden. Es sollte ihr helfen, nicht alles komplizierter machen! Mit einem weiteren tiefen Durchatmen fuhr so weiter, wesentlich gemächlicher, bis sie oberhalb von Robin stehen blieb. »Alles in Ordnung?«, fragte diese mit einem Hauch Sorge. »Ja«, lachte sie verlegen. »Schätze, die kurze Nacht rächt sich.« »Willst du eine leichtere Strecke nehmen? Oder pausieren?« Pausieren klang perfekt, aber sie hatten gerade erst angefangen. Lieber den ersten Vorschlag. Anders als Nami, liebte Robin auch bei den ersten Fahrten sofort die Herausforderung. »Vielleicht nehmen wir die vordere Abfahrt und dann sehen wir weiter?« Ihr Anspruch war deutlich geringer und dachte sie darüber nach, konnte sie dabei den Kopf freibekommen. Nach und nach. Irgendwie musste es gehen. »Sorry, dass ich nicht auf der Höhe bin.« Robin schmunzelte. »Passiert, ist kein Beinbruch – okay, der kann in dem Fall schneller kommen.« »Robin! Mal den Teufel nicht an die Wand!« ❄ »Verdammt, Ace!«, fluchte Nami lautstark. Von Beginn an kam er ihr ständig in die Quere. Dieses Mal schubste er ihren Yoshi eiskalt von der Bahn. Schadenfroh lachte er und zwinkerte: »Happy wife, happy life – schon vergessen?« »Ich gebe dir gleich ein glückliches Leben«, knurrte sie leise und versuchte seinen angerichteten Schaden zu beheben. Ace räumte absichtlich die Strecke auf, um Nojiko den Weg zu ebnen. Diese war voll in ihrem Element, und setzte alles daran, schon wieder als Erste über die Ziellinie zu rasen. Der Mario-Kart-Abend war in vollem Gange. Während Robin, Bellemere und Genzo nach ein paar Rennen eine Pause einlegten, war Nami wild entschlossen, ihre Schwester endlich in die Schranken zu weisen. Wenn ihr Freund nicht ständig dazwischen wäre! Denn Olvia und Kuzan stellten keine Konkurrenz dar, vielmehr verlorenen sie sich in einem erbitterten Duell, jeder mit dem festen Willen, den anderen zu übertrumpfen. Leider war das jetzt alles egal, denn Nojiko brachte ihre Führung souverän ins Ziel. Peach ging ihr gehörig gegen den Strich! Ace jubelte mit ihrer Schwester und als sie verliebt »Eskimo-Kuss« riefen, würgte Nami provokant. Das taten sie extra! Mit finsterem Blick beobachtete sie die Turteltauben. Besonders fest hielt sie dabei den Controller und überlegte, wo sie ihn Ace hineinstecken könnte. Ihr Blick fixierte ihn, während sie innerlich brodelte. »Robin …«, sagte sie mit gefährlichem Unterton. Diese saß vor ihr am Boden und lehnte mit dem Rücken an die Couch und schüttelte sich just in dem Moment. »Da kam gerade so ein kalter Windzug«, kommentierte sie leise. Nach einem von Namis extra lauten Räuspern, legte sie den Kopf zurück und zeigte ihr charmantestes Lächeln. »Ja?« »Greif mir gefälligst unter die Arme! Siehst du, was die machen?« Gelassen hob Robin eine Augenbraue. »Soll ich sie festhalten, oder was möchtest du?« »Gute Idee … ohne seine Hilfe ist sie machtlos.« »Ach, komm. Ist ein Sp-« »Happy wife, happy life … schon vergessen?«, unterbrach sie mit einem diabolischen Grinsen. Robin quittierte das mit einem ihrer Ist-das-dein-Ernst-Blick. Nami nickte bekräftigend. Es war ihr todernst. Sie wollte Revanche. Bellemere prustete: »Deshalb spielen wir kein Monopoly!« »Weil sie schummelt, hast du vergessen«, warf Nojiko unschuldig in den Raum und prostete ihrer Schwester zu, die ihr einen giftigen Blick schenkte. »Du meinst, weil ich dich ausnehme.« Das tat Nami. Bei jeder Gelegenheit. »Also … was sagst du?«, fragte sie wieder an Robin gewandt und legte ihre Hände auf deren Schultern. Ihr Lächeln sollte bezaubernd wirken, aber es hatte auch etwas leicht Bedrohliches. »Psst … Robin«, hörte sie Kuzan »Wenn du Hilfe brauchst, ein Zeichen reicht, okay?« Ihre Hand winkte den Kommentar ab, während sie nichtssagend zu Nami aufblickte. »Du bist unmöglich«, seufzte sie schließlich und löste sich aus dem Griff. Schwungvoll stand Robin auf und holte den Controller vom Tisch. »Ein Rennen und dann mache ich definitiv Schluss.« »Wir hören erst auf, wenn Nojiko verloren hat!«, protestierte Nami. Jetzt, da sie sich festgebissen hatte, konnte sie unmöglich vorher aufhören. »Eines reicht dafür«, entgegnete Robin siegessicher, woraufhin Nojikos Zunge schnalzte. »Ganz schön überheblich – Ace, mach dich bereit!« Normalerweise würde Nami daran glauben, aber ob ein Rennen reichte? Zumal es galt Ace in Schach zu halten? Was sie aber mehr überraschte, war, dass sich Robin provokant zwischen das Paar setzte und das war überhaupt nicht begeistert. Gekonnt ignorierte sie die Proteste. Stattdessen warf sie einen Blick an Ace vorbei und zwinkerte Nami aufmunternd zu. For auld lang syne ♫ -------------------- Robin Nikolaev blinzelte und war leicht desorientiert. Ihr Plan, sich für eine entspannte Stunde Lesen zurückzuziehen, schien augenscheinlich nach hinten losgegangen zu sein. Als sie das von Sonnenlicht durchflutete Zimmer betrachtete, wurde ihr bewusst, dass sie länger geschlafen hatte als beabsichtigt. Die hartnäckige Wolkendecke von vorhin, ein Überbleibsel des Schneetreibens, schien sich glücklicherweise verzogen zu haben. Ihr Mitgefühl galt den Kollegen, die ihre Ohrstöpsel wohl unentbehrlich fanden, um Namis Traum von einem klaren Silvesterhimmel aufrechtzuerhalten. Seit gestern Vormittag hatte sie ihnen ununterbrochen die Ohren abgekaut. Das, worauf sie sich eigentlich freuen sollte, verblasste in ihrer momentanen Verfassung. Tagsüber zu schlafen war nicht ihr Ding, denn das hatte absolut nichts mit einem erfrischenden Power-Nap zu tun. So erschöpft, wie sie sich jetzt fühlte, hätte man sie wohl besser rechtzeitig geweckt. Ein Seufzen entrang sich ihrer Kehle, und sie rieb die müden Augen. Bei genauerer Betrachtung war ihre übermäßige Müdigkeit eine vorhersehbare Reaktion. Der Schlafmangel war ein stummer Zeuge der stetig steigenden Belastung der letzten Monate. Wenn der Schlaf dann endlich kam, war es oft in Form eines unruhigen, kurzen Vergnügens. Meist blieb sie wach, bis ihr Körper sich gegen ihren Willen stellte. Robins Kopf wusste genau, wie er sie bei Bewusstsein halten und quälen konnte. In Kombination mit dem Vergessen zu essen, wurde es irgendwann beinahe fatal. Allerdings sollte man das Vergessen nicht wortwörtlich nehmen. Es kam vor, aber oft waren ihre Gefühle ausschlaggebend und brachten eine Übelkeit mit sich, die das Essen unmöglich machte. In der Vergangenheit hatte sie so manches Problem auf diese Weise bewältigt, zum eigenen Leidwesen und dem ihrer Mutter. Seitdem sie jedoch wieder begonnen hatten, miteinander zu sprechen und ernsthafte Schritte unternahmen, um ihre Beziehung zu retten, wurde Robin bewusst, wie sehr ihr Körper unter der Belastung gelitten hatte. Sie genehmigte sich jetzt schon wesentlich längere Schlafphasen. Zum Teil war es aber auch der Berg selbst. Hier oben lief alles anders ab. Dann vernahm sie das vertraute Rascheln von Seiten, die umgeblättert wurden. Sie war nicht allein. »Warum hast du mich nicht geweckt?«, fragte sie. »Es ist erst Mittag vorbei. Außerdem tut er dir gut.« Robin drehte sich auf den Rücken und schaute auf. Neben ihr saß ihre Freundin, die Beine angewinkelt, vertieft in ihr Buch. Ein ungewohnter Anblick. Ab und zu überflog sie ein paar Zeilen, aber der Fokus auf ihre Bücher war neu. Namis Mundwinkel zuckten vergnügt. »Wenn Olvia herausfindet, wofür du dich entschieden hast«, tadelte sie verspielt und entlockte Robin ein genervtes Stöhnen. Ihr Soll war erfüllt. Zwei Liebesromane reichten und zeigten ihre Bereitschaft zum Einlenken. Natürlich hatte sie genau gewusst, wie sie Olvia die Bücher förmlich unter die Nase schob, als Beweis. »Wehe, du verrätst mich«, murmelte Robin wenig überzeugend. »Ich habe langsam das Gefühl, Mutter hat absichtlich sämtliche Thriller und Krimis entsorgt.« Bei der Suche hatte sie fast alles auf den Kopf gestellt. Romanzen und Weihnachtsgeschichten fand sie zuhauf. Vom Rest fehlte jede Spur, und wenn ihr Gedächtnis nicht trog, hatte sie beim letzten Besuch durchaus andere Genres in der Büchersammlung gefunden. Belustigt neigte Nami den Kopf. »Wenn das wirklich so ist, hat sie einen verdammt guten Riecher.« Ihre Fingerspitzen tippten nachdenklich auf das Papier. »Nein, sagen wir lieber, sie möchte hier oben eine verträumte Atmosphäre schaffen.« Nami schüttelte den Gedanken ab, der ihr genauso unbehaglich sein musste. Überhaupt war Romantik ungewohnt. Früher hätte sie ihre Mutter nie als solche eingeschätzt. Kein Wunder. Ihr Vater starb, als Robin drei Jahre alt war und über Jahre hatte Olvia nie einen anderen Mann vorgestellt. Abgesehen von Kuzan wusste sie nur von einem. »Der Admiral tut ihr gut«, sagte sie, und der Umgang ihrer Mutter mit ihm irritierte Robin heute noch oft. Ganz gleich, wie alt sie war, ihre Mutter so zu sehen, war in mancher Situation einfach merkwürdig. Wobei sein Getue eindeutig beitrug. »Und dennoch haben wir Zweifel«, seufzte Nami, und das Buch wurde endgültig zur Seite gelegt. »Ich kenne meine Mutter und verstehe ihre subtilen Andeutungen.« »Wir sind aufgeflogen«, stellte Robin nüchtern fest, woraufhin ihre Blicke sich trafen. Dieser kurze Augenblick genügte, um beide zum Lachen zu bringen. »Bellemeres Geburtstag?« »Möglich.« Wäre es nicht der erste Advent gewesen, hätte Robin zahlreiche Ausreden gefunden, um nicht hinzugehen. Immerhin hatten sie zwei Tage zuvor eine etwas nervenaufreibende Diskussion geführt, und dementsprechend waren sie beim Besuch wesentlich distanzierter gewesen. Anders als für die Woche hatten sie für diesen Tag keinen Plan gehabt. »Ich habe den Stress vorgeschoben. Keine allzu große Lüge. Eigentlich.« »Stress ist ein breites Feld«, seufzte Robin und schloss einen Moment die Augen. »Sie telefonieren regelmäßig. Spinne wir weiter, ist ein Gespräch über uns realistisch.« »Und wir mussten uns in einer Mistelzweigschlacht duellieren. Wenn wir alle beisammen waren, hat er uns am ehesten genervt.« Das war definitiv ein berechtigter Punkt. Robin hatte den Unterschied sehr wohl bemerkt. Andererseits hatte Nami ihn genauso herausgefordert. Sie eiskalt erwischen wurde seine liebste Beschäftigung. »Könnte aber auch an deinem schlechten Schauspiel liegen.« »Wiederhol das!«, forderte Nami und gab ihr einen entrüsteten Klaps in die Seite. Mit einem unterdrückten Lachen sah Robin wieder auf. »Du warst ein paar Mal recht ... eingerostet?« Ein kurzer Moment des Schweigens folgte, während sich ihre Blicke ineinander verfingen. Dann, als die Spannung zu zerbersten schien, schnaubte Nami und ließ sich breitbeinig auf Robins Schoß nieder. Ihre Hände stützten sie neben dem Kopf ab, während ein selbstsicheres Grinsen ihre Lippen zierte. »Ich? Wenn ich mich recht erinnere, hast du dich beim ersten Kuss übertrieben verspannt. Als wäre er eine Strafe gewesen.« Erst blinzelte sie, dann zeigte sie offene Skepsis, ehe sie nicht länger ernst bleiben konnte. »Ich wusste, du würdest ihn falsch deuten!«, prustete Robin. Sie spürte den intensiven Blick von oben, als Nami sie fragend ansah. Spielerisch zog sie sie näher und flüsterte dann mit einem verschmitzten Lächeln: »Was hast du erwartet? Dass ich ungerührt bleibe? Ich war in dem Moment einfach komplett von den hochgekommenen Emotionen überfordert. Es war eine Weile her.« Betrachtete sie den überforderten Blick ihrer Freundin, hatte ihre Reaktion genau den falschen Gedanken ausgelöst. »Und du hast mir letztens nicht zugehört.« Ein theatralisches Seufzen später, strich sie Namis herabhängende Strähnen zurück. »Du hast allgemein über die Mistelzweige gesprochen«, verteidigte sie sich. Dennoch hatte sie gesagt, was sie dabei empfand. Vielleicht der perfekte Vorwand, obgleich sie Kuzan oft genug verflucht hatte. Für Robin war es spätestens da klar: Nichts war verloren, zumindest nicht von ihrer Seite aus. »Du solltest wissen, wie ich in dem Fall reagiere. Die heiße Schokolade war eine Bestrafung.« Nami verdrehte die Augen. »Ein netter Vergleich.« Leicht beugte sie sich hinunter und küsste Robin, bevor sie sich vollends auf ihr niederließ und den Kopf auf ihre Brust legte. »Du bist nervös«, stellte Nami neckend fest. »Koffeinentzug, bilde dir nichts ein.« Das leise Lachen, das daraufhin folgte, half ihrem Herzschlag nicht wirklich zu beruhigen. Ihre Finger strichen zärtlich über Namis Rücken, eine liebevolle Geste in diesem ruhigen Moment, in dem sie die Wärme ihrer Nähe genossen. Es war wie ein Innehalten inmitten des Sturms, eine kurzzeitige Flucht vor den Herausforderungen, die das Leben und ihre Beziehung mit sich brachten. Die vergangenen drei Tage hatten sich wie eine emotionale Berg- und Talfahrt angefühlt. Seit ihrer Aussprache fanden Robin und Nami sich in einem ständigen Wechsel zwischen verspielten Momenten und ernsthaften Gesprächen wieder. Die Vertrautheit ihrer Berührungen und die Leichtigkeit ihrer neckischen Bemerkungen ließen die Welt wieder leicht erscheinen. Doch dann gab es diese Momente der Stille, in denen der Ernst der Probleme zwischen ihnen aufleuchtete. Robin hatte versucht, ihre Gefühle und Unsicherheiten auszudrücken, während Nami versuchte, die Mauern abzubauen, die zwischen ihnen gewachsen waren. Zwischen diesen ernsten Gesprächen gelang es ihnen jedoch, sich aneinander festzuhalten und den Raum mit Verspieltheit und einer fast vergessen geglaubten Liebe zu füllen. Noch standen sie am Beginn, aber bislang durfte sie hoffen. Vor ihrer Ankunft schien all das undenkbar. »Ich will das wieder«, hörte sie Nami dann sagen. »Einfach da liegen … die Kleinigkeiten eben.« Ja, es waren die einfachen Momente, an denen es bereits haperte. Und die holten sie nach und nach zurück. »Bist du deshalb hier und nicht unten?« »Bilde dir nichts darauf ein, Robin. Vielleicht sind sie mir gehörig auf die Nerven gegangen und ich habe Ruhe gesucht.« »Und in deiner puren Verzweiflung hast du gelesen?« Nami hob den Kopf an. »Ich will wissen, wofür du mich versetzt.« Das war einer dieser Momente, in denen Robin ahnte, dass sie wiederum auf einem schmalen Grat wanderten. Erst das warme Lächeln beruhigte sie. »Kein Vorwurf, okay? Ich war neugierig. Früher hast du öfter erzählt, was du so treibst. Oder von deinen neuesten Erkenntnissen.« Punktgewinn. Hatte Robin tatsächlich. Heute war sie verschwiegen. Es hatte sich eben eingependelt, wie das sonstige Schweigen. »Ich würde dir gerne ein paar Einblicke geben, aber mir wurde gesagt, ich muss abschalten.« ❄ Die Waldlandschaft lag in glitzerndem Weiß, als Robin und Nami Hand in Hand einen Pfad hinter der Berghütte entlang schlenderten. Die Sonne brach durch die schneebedeckten Baumwipfel, während frischer Schnee unter ihren Stiefeln knirschte. Nach einem kleinen Snack hatten sich die beiden heimlich davongeschlichen, um vor ihren Familien sicher zu sein, wenigstens bis zum Abend. Mit einem Essen und Spiele Richtung Neujahr. Das könnte durchaus wieder für Wirbel sorgen. »Okay«, begann Nami und blickte grinsend auf, »hast du ein Lieblingsdate?« »Oh, das ist leicht. Mein liebstes Date war definitiv das, bei dem du nur mit einer roten Schleife bekleidet auf mich gewartet hast«, erzählte Robin verträumt und bemerkte beim Weitergehen einen Widerstand. Mit ernster Miene blickte sie zurück und wurde mit einem vielsagenden Blick bestraft. »Du kannst nicht aufhören, was?« »Was? Du hast nicht gefragt, ob es ein echtes Date oder in meiner Fantasie war? Außerdem bist du mir das seit knapp drei Jahren schuldig.« Nami stöhnte genervt und wollte bereits ihre Hand zurückziehen, aber Robin hielt sie fest. Mit einem spitzbübischen Grinsen legte sie nach: »Schuldgefühle?« Die Bemerkung brachte plötzlich eine unerwartete Wendung. Nami versuchte, auf die spielerische Art zu lächeln, die sie normalerweise an den Tag legte, aber ihre Augen wirkten geschockt und überrascht. Das Grinsen auf Robins Gesicht verblasste, und Verwirrung breitete sich in ihrem Blick aus. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Als ihre Nachfrage unbeantwortet blieb und Nami lediglich den Kopf senkte, sich dabei angestrengt die Augen rieb, trat Robin näher. »Hey, Солнышко«, versuchte sie erneut, ein Reflex. Sonnenschein. Es war einer der Kosenamen, der sich nach einigen Dates einschlich. Er war Namis Art geschuldet gewesen, und gleichzeitig hatte Robin damals das Gefühl gehabt, als wäre mit ihr die triste, graue Wolkendecke von Licht durchbrochen worden. In der Zeit des Kennenlernens hatte ein Tief Robin begleitet, und zwischendurch zog sie Nami damit genauso gerne auf oder durchbrach damit manchmal einige ihrer minütigen Schimpftiraden. Nun blieb sie stummt. Robin legte behutsam die Hände auf Namis Schultern und versuchte, den Schleier des Schweigens zu durchbrechen. »Was ist los?«, fragte sie sanft. Bemüht die Besorgnis zu verbergen, obwohl die eigenen Emotionen tobten. Das war nie ein gutes Zeichen. Schon gar nicht, dass Nami jeden Blickkontakt vermied und Robin durchaus eine Anspannung spürte. Eine schwer greifbare Melancholie schien durch Namis Züge zu ziehen, und Robin konnte spüren, dass hier mehr im Verborgenen lag. Vielleicht war es ein Echo der Vergangenheit, das gerade wieder aufkam. Oder etwas, das Nami bisher verschwiegen hatte. Schließlich hob sie den Kopf, und in ihren Augen kämpften aufkommende Tränen. Erst nach einem tiefen Luftholen erklärte sie sich. »Es tut mir leid. Irgendwie lief alles auf unsere Trennung hinaus. Ich wollte dem Miteinander entfliehen, endgültig. Dann kommen wir hierher, und... wir reden, wir nähern uns an. Wir sind auf einem guten Weg, sind wir doch, oder? Eigentlich könnte ich es für mich behalten. Totschweigen. Es sei denn, wir erleben hier doch nur ein kurzes, letztes Aufbäumen. Abseits unseres Alltags, aber...« Robin konnte ihren Worten nur schwer folgen. Und genauso musste sie aussehen. Denn Nami atmete nochmal tief ein und sprach schließlich klarer aus, was sie meinte: »Ich habe eine Wohnung gefunden.« Ein Schauer durchfuhr Robin bei dieser Offenbarung. Die Worte hallten in ihrem Inneren wider, und das Gefühl der Hilflosigkeit wuchs. Sie war schockiert, von der Tatsache, dass Nami bereits so weit gegangen war, eine Wohnung zu finden, ohne es mit ihr zu besprechen. Die Luft schien für einen Moment stehen zu bleiben, und Robin kämpfte damit, die plötzliche Wende zu verstehen. Die Winterlandschaft, die vor ihnen lag, verlor für einen Augenblick ihre Magie, und die Stille des Waldes wurde von der Schwere der Enthüllung durchzogen. Robin spürte, wie sich eine ungewisse Zukunft vor ihr ausbreitete, und ihre Gedanken wirbelten durcheinander. »Warum?«, brachte sie schließlich hervor, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Doch die Frage hing schwer. Nami sah sie mit tränennassen Augen an, und in diesem Moment spiegelten sich eine Mischung aus Schmerz und Reue in ihren Blicken wider. »Warum nicht früher was gesagt habe?«, unterbrach sie und lächelte gequält. »Wann? In den fünf Minuten, die wir uns gesehen haben? Wenn überhaupt? Wie gesagt, ich dachte, es ist aus ... bis jetzt. Und wir haben uns versprochen, offen miteinander zu sein. Es tut mir leid, dass ich nicht früher darüber gesprochen habe, schon weit vor dem Familientreffen. Ich will nicht, dass wir uns wegen meiner Entscheidung erneut entfremden, aber es muss raus. Ich versuche seit Tagen, dir irgendwie zu gestehen, dass ich das getan habe, aber ohne, dass du denkst, ich gebe auf. Irgendwie habe ich das. Also davor – Scheiße!« »Nami.« »Warte!« Wild gestikulierte sie mit den Armen. »Kannst du bitte einfach nur hören, dass ich Mist gebaut habe und es mir leidtut, weil es nicht mehr das ist, was ich möchte? Ich will keine Trennung. Ich will bei dir sein und dieses beschissene Jahr hinter uns lassen – Ich. Liebe. Dich. Und egal, wie sehr ich dich verflucht habe, die letzten Monate, so sehr habe ich dich verdammt noch einmal vermisst! Ich kann ohne dich leben, aber ich will es einfach nicht!« In diesem emotional aufgeladenen Moment konnte Robin nicht anders, als ihre Freundin einfach an sich zu ziehen und ihre Lippen auf die ihren zu legen. Ihr Herz schlug wild in ihrer Brust, ein rhythmisches Trommeln, das den Takt des aufgewühlten Gefühls widerspiegelte. Die bittere Erkenntnis, die zuvor noch in der Luft lag, schien für einen Augenblick in den Hintergrund zu treten. Nami klammerte sich instinktiv an sie, als ob sie in diesem Kuss nach Trost und Halt suchte. Robins Hände legten sich fest um ihre Taille, und sie spürte, wie die Wärme ihrer Umarmung die kalte Winterluft durchdrang. Das alles war, was Robin in diesem Moment hören wollte. Die Gewissheit, dass Nami bei ihr bleiben wollte, dass ihre Beziehung nicht gescheitert war, wurde wichtiger als alles andere. »Bist du jetzt fertig, oder möchtest du noch etwas sagen?«, flüsterte Robin sowie sie sich lösten. Nami, mit geröteten Wangen und einem leichten Lächeln auf den Lippen, schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke, das war es. Es tut mir leid, dass ich es nicht früher gesagt habe, aber ich wollte sicherstellen, dass es nicht wie eine endgültige Entscheidung klingt.« »Mit ein paar Getränken verhandelt und den Deal beim Tanzen besiegelt?« Carina war Immobilienmaklerin und gut darin. Verständlich, dass es keine allzu große Kunst für sie war etwas aufzutreiben. Nami seufzte gegen ihre Schulter. »Willst du wirklich die Details?« Nein, eigentlich nicht. Nicht in dem Moment. Vielleicht griff sie das Thema in den nächsten Tagen nochmal in Ruhe auf. Vorerst wollte sie sich damit begnügen, dass sie an einem Strang zogen, dass sie beide das Leben miteinander noch immer wollten. Obgleich ein Stück vor ihnen lag. »Robin?« Sie wurde etwas auf Abstand gedrückt. »Alles in Ordnung?« Ja und nein. Sie seufzte. »Versprich mir einfach, dass wir so etwas in Zukunft rechtzeitig bereden, okay?« Die Unsicherheit mochte noch nicht vollständig verschwunden sein, aber die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft war gestärkt. Es war ein Versprechen, das tiefer ging als Worte, und Robin war bereit, es zu halten. »Versprochen«, nickte Nami und musste lachen. Nicht nur der Erleichterung wegen. Ein paar Tränen glänzten in ihren Augen. Die vergangenen Monate waren zu viel geworden, und all die aufgestaute Emotion brach sich nun Bahn. »Es war alles einfach zermürbend.« Robin, mit liebevoller Sorge, strich sanft über ihre Wange. »Wir schaffen das.« Sie küsste die Tränen weg und zwinkerte dann mit einem leicht schelmischen Lächeln. »Aber bevor du weiter weinst, könntest du mir vielleicht nochmal alles aufzählen, was du vorhin gesagt hast? Ich will sicherstellen, dass ich nichts verpasst habe.« Die Antwort kam prompt in Form eines Schubsers, der Robin leicht aus dem Gleichgewicht brachte. »Warum musst du jedes Mal einen Moment zerstören?« Und doch schwang ein neckender Tonfall mit, und das helle Lächeln, das Robin liebte, kehrte zurück. »Weil dir das Lachen besser steht und ich wirklich nichts überhört haben will.« Kopfschüttelnd wandte Nami sich ab und machte ein paar Schritte, wobei sie Schnee sammelte. Mit einem verschmitzten Lächeln warf sie einen Schneeball auf Robin. Er zerplatzte in der Luft, als diese ihn rechtzeitig mit der Hand abwehrte. »Ist das deine Antwort?«, neckte Robin. Da warf Nami bereits den nächsten. Die Schneeballschlacht nahm Fahrt auf, begleitet von fröhlichem Gelächter. Nami schoss lachend einen nach dem anderen auf Robin, die sich versuchte zu verteidigen. In einem spielerischen Wettlauf durch den höheren Schnee versuchte Robin, Nami einzuholen. Die beiden alberten ausgelassen durch die winterliche Landschaft. Plötzlich verlor Nami das Gleichgewicht im tieferen Schnee und riss Robin mit sich. Lachend landeten sie gemeinsam. Robin lag schließlich auf Nami. »Das hast du davon!« »Ich habe Schnee im Nacken!«, rief Nami lachend und versuchte sich zu befreien. »Geh runter, es ist kalt!«, jammerte sie zugleich. Robin, mit einem frechen Funkeln in den Augen, griff in den Schnee neben sich. »Dann pass auf, was passiert!« »Wehe!« Nami lachte weiter, sträubte sich jedoch spielerisch dagegen. Sie versuchte aufzustehen, doch Robin hielt sie fest. Schließlich gab sich Nami geschlagen und schaute ihr tief in die Augen. »Ich liebe dich, Robin«, sagte sie mit einem warmen Lächeln. »Besser?« ❄ Robin trat leise von hinten an Nami heran und schlang behutsam ihre Arme um sie. Die Wärme ihres Atems streifte Namis Wange, als Robin sanft sagte: »Dein Wille hat gewonnen.« Die Terrasse bot eine perfekte Aussicht auf das Tal, das sich unter ihnen erstreckte. Die winterliche Nacht war klar und ruhig, und die Sterne funkelten am Himmel, während das Mondlicht das Panorama erhellte. Nami entspannte sich gegen Robins Umarmung. »Hast du anderes erwartet?«, fragte sie schelmisch und lehnte ihren Kopf leicht an ihre Schulter. »Die einzige Nacht im Jahr, in der dich Minusgrade nach draußen treiben.« Nami lachte leicht und winkte ab. »Mit der richtigen Gesellschaft geht alles.« Robin drückte sie etwas fester an sich. »Irgendwelche Vorsätze?« Da überlegte sie einen Moment, während sie ihren Blick über das verschneite Tal schweifen ließ. Dann hob sie den Kopf und schaute Robin an. »Du weißt, ich bin nicht so der Fan von Vorsätzen. Aber wenn ich etwas ändern möchte …« Sie zögerte kurz, bevor sie fortfuhr. »Ich wünsche mir mehr Zeit miteinander. Dass wir wieder ein Gleichgewicht finden. Und meine verbockte Urlaubsreise nachholen.« »Klingt nach einem Plan.« »Und ich warne dich. Noch so ein einmonatiges Verschwinden und es setzt was.« Robin seufzte und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Darüber hatten sie gestern erst gesprochen. In erster Linie ging es Nami um die Art und Weise. »Solange du dir nicht wieder eine Wohnung suchst.« Die Zweisamkeit wurde von den fröhlichen Geräuschen der Familie durchdrungen, sowie die Türe aufschwang. Ace und Kuzan lachten miteinander, während sie mit einer großen Musikbox, die eindeutig Ace gehörte, nach draußen traten. Dicht gefolgt von Nojiko. Vollgepackt mit Gläsern, aber ausgelassener Stimmung. Robin und Nami konnten sehen, wie ihre Mütter, Olvia und Bellemere, sie wissend angrinsten. Es schien, als ob sie die gemeinsamen Momente ihrer Töchter genau verstanden. Nami schüttelte lächelnd den Kopf, während Robin seufzte. »Mütter«, murmelten sie zusammen. Die klare, kalte Luft fühlte sich erfrischend an, während sie das bunte Treiben der Familie beobachteten. Robin legte das Kinn auf Namis Schulter, die den Kopf gegen ihren lehnte. Gemeinsam genossen sie die fröhlichen Klänge und das Lachen, das die winterliche Nacht erfüllte. Der Countdown näherte sich dem Nullpunkt, während die festliche Stimmung des Silvesterabends die Umgebung erfüllte. Die Kälte des Winterabends wurde von den herzlichen Lichtern und dem Jubel der Menschen um sie herum aufgehoben. Nami und Robin standen eng aneinander geschmiegt, ihre Blicke voller Erwartung auf den letzten Augenblicken des Jahres. Die letzten Sekunden verstrichen. »Zehn, neun, acht«, zählte Kuzan aufgeregt. Es war der Moment, in dem Nami ihren Blick zu Robin wandte. Da war mehr als nur die Vorfreude auf das neue Jahr. Und ohne ein weiteres Wort zog Nami sanft an Robins Schal, brachte sie näher. »Sieben, sechs, fünf ...« Die Welt um sie herum schien zu verblassen, als sich ihre Lippen in einem leidenschaftlichen Kuss trafen. Der Moment, in dem das Alte endete und das Neue begann, wurde durch ihre Liebe für einen kostbaren Augenblick eingefangen. »Vier, drei, zwei, eins... Frohes neues Jahr!« Die Neujahrsfeuerwerke explodierten über ihnen, und Robin spürte die Wärme und Nähe von Nami in ihren Armen. Der Kuss war nicht nur ein symbolischer Übergang; er war ein Versprechen, dass sie gemeinsam durch das kommende Jahr gehen würden. In diesen Sekunden schien die Zeit stillzustehen, und alle Unsicherheiten des vergangenen Jahres verschwanden im Licht der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Der Beginn des neuen Jahres war nicht nur ein äußerlicher Wandel, sondern auch eine innere Veränderung, die sie beide mit Zuversicht erfüllte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)