Eine Nacht im Winter von Sharry ================================================================================ Kapitel 1: Eine Nacht im Winter ------------------------------- Eine Nacht im Winter   „Urgh, ich hasse Schnee! Und arschkalt ist es auch noch.“ „Was? Ich dachte, du magst dieses Wetter.“ „Wie zur Hölle kommst du denn auf die Idee?!“ Sie sahen einander an. „Dein Schiff heißt Polar Tang, dein Navigator ist ein Eisbär und du hast freiwillig auf Punk Hazard abgehangen.“ Er merkte, wie seine Schläfe zu pulsieren anfing. „Wie blöd bist du eigentlich? Antworte nicht, das war eine rhetorische Frage. Also nein, ich hasse Schnee und ich hasse die Kälte. Du etwa nicht?“ Sein Gegenüber zuckte mit den Schultern. „Nö, eigentlich nicht.“ Noch einen Moment sahen sie einander abschätzig an, dann seufzte Law auf und schnipste einmal. Im nächsten Moment hatte er die Position mit dem schreienden Angreifer hinter sich getauscht und Zorro kümmerte sich um den Rest. „Wieso musste ich ausgerechnet mit dir hier landen?“, knurrte Law, schwang sein Schwert über Zorros Kopf hinweg, während dieser sich duckte, und schaltete zwei weitere aus. „Und wer sind diese Typen, die es auf dich abgesehen haben?“ „Auf mich? Der Kerl dahinten hat deinen Namen gebrüllt. Ich wurde nur als erstes angegriffen.“ Die offensichtlichen Feinde um sie herum stellten kaum eine Gefahr dar, doch ihre schiere Anzahl war nervig. „Und warum mischst du dich dann ein? Die Allianz ist Geschichte.“ Der Rücken des anderen knallte gegen Laws. „Weil ich hier mit dir gelandet bin und als erstes angegriffen wurde“, entgegnete Zorro mit leicht bissigem Unterton. „Ach so, ohne mich findest du mit deinem nicht vorhandenen Orientierungssinn nicht mehr zu deiner Crew zurück.“ „Halt die…“ „Trafalgar Law!“ Im letzten Moment sprang eine von Zorros Klingen in sein Blickfeld und wehrte einen blitzschnellen Pfeil ab, der sonst glatt Laws Hals getroffen hätte. Augenblicklich zersplitterte der Pfeil in tausende Teile, die sich einfach in Luft auflösten, anstatt zu Boden zu fallen. „Siehst du? Der meint dich“, murrte Zorro und sah zu ihm mit diesem leichten Schmunzeln auf, welches Law gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte. Wie viel Pech konnte man haben? Fast gleichzeitig waren sie mit den Strohhüten in den Hafen dieser Winterinsel eingelaufen – obwohl sie doch bewusst nach Wa No Kuni unterschiedliche Kurse eingeschlagen hatten – und plötzlich war da ein Orkan gewesen. Tja und jetzt war Law hier, wo auch immer hier war, mit dem Schwertkämpfer der Strohhüte, hatte keine Ahnung, wo seine Crewmitglieder waren. Aber dafür stand auf einem Berg vor ihm nun irgendein Kerl mit goldenen Flügeln, brüllte seinen Namen, während er Pfeil und Bogen erneut auf ihn richtete. „Wer zur Hölle ist der Kerl?“, murrte der Schwertkämpfer neben ihm. „Keine Ahnung. Aber wir sollten vorsichtig sein. Er scheint Teufelskräfte zu besitzen; dieser Pfeil war kein gewöhnliches Exemplar.“ „Ach, diese Pfeile sind nicht besonders stark. Meinen Schwertern können sie nichts anhaben.“ Law rollte mit den Augen. Doch bevor er auch nur irgendetwas entgegnen konnte, griffen die Fußsoldaten wieder an. „Goldpfeil!" „Achtung, er greift… was?" Mehrere Pfeile trafen verschiedene Angreifer nahe Zorro. Der Feind, der ihm am nächsten war, lachte laut auf und dann spannte sich sein Hemd, riss unter immer größer werdenden Muskeln. „Ach du Scheiße!" Zorro konnte den Angriff gerade so abwehren und im nächsten Moment wuchs neben dem Muskelberg noch ein weiterer Kerl um einen halben Meter, der ebenfalls von einem Pfeil getroffen worden war. „Was zur Hölle geht hier vor?!" Zorro streckte den Ersten nieder, Law den Zweiten, doch in der Zwischenzeit hatten sich fünf weitere zu gedopten Bodybuildern verwandelt. „Scheiße, sobald sie von den Pfeilen getroffen werden, werden die ja richtig stark", doch trotz des Fluchens, grinste der Schwertkämpfer, als hätte er den Spaß seines Lebens. „Wird ja doch noch spannend." Aber Law war mit seinen Gedanken woanders. Er erinnerte sich an die goldenen Flügel und ein unruhiges Gefühl krabbelte in seine Magengegend. „Ich glaube, ich hab den Kerl schonmal gesehen", murmelte er, doch ehe er weitersprechen konnte, ging es plötzlich ganz schnell. Der Flügelmann brüllte irgendetwas, Zorro wehrte drei Angreifer gleichzeitig ab, ein Pfeil zischte geradewegs auf seine Schulterblätter zu. Wie in Zeitlupe schnipste Law, doch nichts passierte und dann setzten sich einfach seine Beine in Bewegung. „Urgh", grunzte er auf, als sich der schwarze Pfeil genau in seine Brust bohrte. Hätte er schneller reagiert, hätte er sein Schwert ziehen können. Was für ein Anfängerfehler. Hätte er klüger reagiert, hätte er Zorro aus dem Weg stoßen können. Was für ein idiotischer Fehler. „Trafo!", hörte er Zorro hinter sich, doch er starrte nur auf seine Brust, wo der Pfeil verschwunden war. „Oh, Mist", murmelte er und dann merkte er es. Eine Kälte, die sich ausbreitete und in sein Fleisch, seine Knochen, grub. Er krümmte sich unter dieser schneidenden Kälte, hörte Zorro nach ihm rufen, hörte Metall auf Metall, Keuchen und Ächzen, und dann ebbte der Schmerz ab, doch die Kälte blieb. Ihm war kalt. Auf eine Art, wie er es für Jahre nicht mehr gespürt hatte und doch sofort wiedererkannte. Er zitterte am ganzen Körper. Dann fiel sein Blick auf seine Hände. Nein! Das kann doch nicht… das darf doch nicht… Die Welt um ihn herum erstarrte und er starrte auf diese Hände, seine Haut teilweise so weiß wie der Schnee, der auf sie fiel. Er hatte Schwierigkeiten zu atmen, seine Brust zog sich zusammen und ihm war kalt, so kalt, so eisig ka… „Hey, Trafo!", hörte er es irgendwo hinter sich. „Lass diesen Mist. Für deine Zaubertricks haben wir jetzt echt keine Zeit!" Wie bitte?! Er wirbelte herum, verhedderte sich in seiner eigenen Kleidung. „Wie kommst du Idiot nur auf die Idee, dass ich das war?! Das war offensichtlich die Teufelskraft dieses Mistkerls!", fauchte er und deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Hügel, wo der Bogenschütze stand. „Er hat von der Pfeilfrucht gegessen und kann…" Er musste sich unterbrechen, um nach Luft zu schnappen, doch das endete nur in einem Hustenanfall. „Seine Pfeile machen… dich stark oder schwach… je nachdem, welcher Pfeil… dich trifft", erklärte er unter Husten, kaum in der Lage, sich auf seinen Beinen zu halten, während über ihm Metall klirrte. Wo war sein Schwert? Immer noch am Husten, immer noch am Zittern, sah Law sich um, sah es direkt hinter sich im Schnee liegen; er musste es losgelassen haben. Da wurde es ihm bewusst, erst da wurde es ihm bewusst, als er nach seinem Schwert greifen wollte. Ganz natürlich hatte er zu Zorro aufgesehen, als er ihn angeschnauzt hatte, zu Zorro, der doch eigentlich kleiner als er sein sollte. Aber jetzt verstand Law es. Es war nicht nur seine Haut, es war nicht nur seine Brust. Es war sein ganzer Körper. Der Körper eines Kindes. Sein Kinderkörper. Verdammt, er musste sich konzentrieren. Sie waren mitten im Kampf, er deutlich geschwächt. Aber das hier war nicht die Vergangenheit, nicht die… Ein Schuss fiel. „Scheiße!“ Plötzlich war ein riesiger Schatten vor ihm, die Arme gekreuzt und dennoch spritzte Blut. Zorro war fast zu spät gewesen, aber er hatte sich vor Law geschmissen. Law sah zu ihm auf, sah die Bluttropfen im Wind, wie die Kugel die Schulter des anderen streifte, alles war langsam, während die ersten Schneeflocken fielen. Law hasste die Kälte. Im nächsten Moment waren die Angreifer da und Zorro wehrte sie ab. Weitere Schüsse fielen und Law konnte sich in seinen viel zu großen Klamotten kaum bewegen, seine Knie gaben nach und dann hockte er dort im Schnee, der Schwertkämpfer der Strohhüte über ihm. Blut spritzte zu Boden. Law hasste den Schnee. „Wir müssen hier weg“, flüsterte er, hörte das Grunzen des anderen, der nun im Alleingang sich gegen Schüsse, Angreifer und Pfeile wehrte. Sollte Zorro auch getroffen werden, war es aus mit ihnen. Law konnte in seiner jetzigen Verfassung nichts tun, sein Körper war schwach und die Kontrolle über seine Kräfte war bestenfalls mangelhaft. Wenn er sie denn überhaupt schon hatte, wenn er überhaupt schon… Er musste sich zusammenreißen! Gerade war nicht der Moment, um sich von der Vergangenheit einholen zu lassen! Zorro war stark, aber er war nicht gerade gerissen. Das hieß, Law musste einen kühlen Kopf bewahren und sich einen Weg überlegen. Aber was gab es hier für einen Weg? Er konnte nicht wirklich helfen. Im Gegenteil, durch die Teufelskraft des Flügelmannes hatte er nicht nur seine Angriffsstärke verloren, sondern war auch noch ein Nachteil für Zorro, der ihn nun beschützen musste. Wobei, er musste es nicht. Sie waren keine Freunde, die Allianz bestand nicht mehr, und trotzdem stand er breitbeinig vor Law, der auf dem Boden kniete. „Du weißt, wie diese Teufelskraft funktioniert?“, presste Zorro hervor und sah aus dem Augenwinkel zu Law hinab. „Wie lange hält das an?“ „Ich weiß nicht genau“, entgegnete Law, während Zorro weitere Gegner abwehrte. Mittlerweile waren sie alle durch die goldenen Pfeile verstärkt worden. Mittlerweile stellten sie eine Gefahr dar. „Wenn ich mich richtig erinnere, dann zumindest ein paar Stunden, eher länger.“ „Verstehe“, grummelte der Schwertkämpfer und wahrscheinlich kam er in diesem Moment zum gleichen Schluss wie Law, denn mitten in der Bewegung ging er tief in die Knie und wirbelte mit einem gewaltigen Stoß den Schnee um sie auf. Dann packte er Law und sein Schwert, warf ihn sich über die Schulter und rannte los. „Hey!“ „Beschwer dich nicht! Mit dir als laufendem Meter sind wir gerade eindeutig im Nachteil, solange dieser Typ alle seine Freunde künstlich verstärkt. Ich kann nicht richtig kämpfen, wenn ich die ganze Zeit auf dich drauftreten könnte.“ „Von wegen und jetzt lass mich…“ „Außerdem hörst du dich so an, als würdest du nen Arzt brauchen! Ich bring dich zu Chopper.“ Law erstarrte, sah den Hinterkopf des anderen an. Einzelne Schneeflocken glitzerten in grünem Haar, als wären sie auf taufrisches Gras gefallen. Er hatte für einen Moment ganz vergessen, wie kalt ihm war. Für einen ganz kurzen Moment war ihn warm gewesen. Aus dem Augenwinkel konnte er plötzlich etwas schnelles Schwarzes sehen, während sie die Feinde hinter sich ließen. „Pass auf! Du…“ „Urgh!“ Ein schwarzer Pfeil bohrte sich geradewegs in Zorros Rücken, genau zwischen die Schulterblätter. Doch er blieb nicht stehen, rannte weiter und nichts passierte. Fünf Schritte weiter schnellte Zorro nochmal um die eigene Achse herum und wirbelte erneut Schnee auf, um ihre Spuren zu verdecken. Dann rannte er weiter, in einen schneeverhangenen Wald hinein. Wurde keine Sekunde langsamer. Konnte es sein, dass dieser Pfeil ihm nichts ausmachte? Wie war das möglich? Law war gerade wieder in seinem dreizehnjährigen Körper gefangen und bei Zorro passierte gar nichts? Das konnte nicht sein! Die Kraft der Pfeilfrucht konnte einen entweder in den Moment höchster Stärke oder tiefster Schwäche zurückversetzen, je nach Pfeil, und davon sollte niemand… vielleicht hatte Zorro nie einen Moment erlebt, den er als Schwäche empfunden hatte. Anders konnte Law es sich nicht erklären. Oder vielleicht hatte sein Moment der Schwäche nichts mit einer körperlichen Situation zu tun, vielleicht hatte er einen Streit gegen Schwarzfuß verloren oder war von jemanden in einer peinlichen Situation gesehen worden. Was auch immer es war, sie konnten sich glücklich schätzen, dass es bei Zorro nicht auch etwas so Extremes wie bei Law war. Für den Moment mochten sie ihre Verfolger aus den Augen verloren haben, aber sie mussten kampfbereit bleiben und Law war tatsächlich nicht in der Lage, sich selbständig in Sicherheit zu bringen. Der einsetzende Schneesturm brachte ihnen den Vorteil, ihre Spuren zu verdecken, aber dadurch wurde es auch einfach arschkalt. Die herannahende Nacht machte die Situation nicht besser. Lange würde Law es so nicht aushalten, nicht in seinem derzeitigen Zustand, daher konnte er gar nicht anders, als sich jetzt darauf zu verlassen, dass Zorro… „Hey, was machst du da?“, fauchte er. Gerade riss Zorro die Türe zu irgendeiner gottverlassenen Jagdhütte auf und stolperte hinein. „Dir ist aber schon bewusst, dass wir hier wie auf dem Präsentierteller sind? Wir müssen schnell weg und zuAah!“ Zorro war auf ein Knie geknallt. Law mit ihm gestürzt. Erst jetzt konnte er den harschen Atem hören, als seine Mütze zu Boden plumpste. „Gl… gleich“, kam es von Zorro heiser und er ließ Law los. „Ich muss mich… nur kurz… ausruhen…“ Geschockt stand Law vor ihm. Er hatte sich geirrt. Zorro hockte vor ihm auf dem Boden, in diesem dunklen Flur, hinter ihm knallte die Tür durch den Wind zu, mit beiden Händen stützte er sich ab, atmete schwer, teils bereits vereistes Blut lief seine Stirn und Schläfen hinab, sein strubbeliges, grünes Haar stand in alle Richtungen ab und dann blitzen seine Augen in der Dunkelheit auf, als er zu Law aufsah. „Siehst… scheiße aus…, Mini-Trafo.“ Ein schwaches Grinsen legte sich auf die bleichen Züge des anderen, der sich dann zurückfallen ließ und gegen die Wand lehnte. Blut sickerte durch seinen Mantel hindurch. Law hatte sich geirrt, es hatte auch ihn erwischt, und wie es ihn erwischt hatte. „Keine Sorge… nur’n paar Minuten…dann bring ich… dich zu Chopper.“ „Ich mache mir deutlich mehr Sorgen um dich!“ Wie, um sich selbst zu widersprechen, musste Law husten. Ihm war wirklich eiskalt. „Du brauchst einen Arzt.“ Leise lachte Zorro auf, verzog dabei aber das Gesicht, weil es offensichtlich schmerzte. „Das… sagt Chopper auch immer.“ Law fällte eine Entscheidung. In diesem Zustand war Zorro auf keinen Fall in der Lage zu kämpfen, verdammt, vielleicht würde er sogar draufgehen, bevor er sich zurückverwandeln würde, bei der Kälte und ohne Versorgung. Es war richtig gewesen, hier Schutz zu suchen, auch wenn sie so leichte Beute sein würden. „Komm, wir müssen dich weg vom kalten Boden bringen“, sagte er, versuchte Zorro auf die Beine zu ziehen, aber sein eigener Körper zitterte vor Kälte und Erschöpfung. Er stolperte nach hinten und wäre hingefallen, wenn da nicht die Wand gewesen wäre. Genervt beugte er sich nach seiner Mütze und zog sie sich wieder über, ignorierte, wie tief sie rutschte. „Ich muss dich untersuchen. Keine Ahnung, ob ich derzeit Teufelskräfte habe – und wenn, werde ich sie nur schlecht kontrollieren können – aber du musst zügig versorgt werden.“ „Nah, tut’s schon.“ Zorro sah ihn aus schweren Augen an. „Was ist… mit dir?“ „Mir geht es gut. Das hier wird nur ein paar Stunden anhalten, nicht lange genug, um mich dahinzuraffen, aber für dich könnte es…“ Wieder unterbrach ihn ein Hustenanfall. Was hasste er die Kälte. Nein, egal, wie er es drehen und wenden wollte. Sie brauchten Wärme, sie beide, sie brauchten Versorgung, aber zuallererst brauchten sie „Feuer. Ich mach uns jetzt ein Feuer.“ „Dann sind wir… gefundenes Fressen“, kam es von Zorro und seine Worte machten es offensichtlich. Er verheimlichte noch nicht mal, dass es ihm dreckig ging, dass er nicht kämpfen konnte. „Sind wir so oder so, wenn jemand hier die Hütte sieht. Aber… mir ist kalt und du bist am Erfrieren – und am Verbluten“, entschied er mit heiserer Stimme. Zorro hatte nicht Unrecht. Sobald die Sonne untergegangen war, würde der kleinste Funken Licht sie verraten. Aber Law hatte auch Recht, ohne ein wärmendes Feuer würden sie die Nacht nicht überstehen. Einen Moment beobachtete der andere ihn noch, seine Atmung wurde langsam ruhiger. „Okay“, gab er dann nach, packte Laws Schwert und zog sich damit mühsam auf die Beine. Law versuchte, seinen eigenen Körper zu ignorieren, während er seinen Mantel hochhob und sich aus seiner Hose kämpfte. „Siehst echt putzig aus“, neckte der andere ihn. „Halt die Klappe“, grummelte er nur, packte seine Hose und zog sie hinter sich in den angrenzenden kleinen Raum. „Leg dich da aufs Sofa, ich mach uns ein Feuer und dann guck ich mir deine Verletzungen an.“ Es beunruhigte ihn, dass der andere nicht widersprach. Die Holzscheite in seinen Armen waren schwer, glücklicherweise lagen sie direkt neben der Feuerstelle. „Also was ist das… für eine Kraft?“, fragte Zorro. „Die Pfeile machen einen ja nicht einfach schwächer, was?“ „Die Attacke heißt Cupid’s Arrow oder so“, murmelte Law, während er sich ums Feuer kümmerte. „Wenn du mit den goldenen Pfeilen getroffen wirst, kehrt dein Körper zurück zu dessen Zustand deines größten Erfolges, und wenn du mit den bleiernen Pfeilen getroffen wirst, dann deines…“ „…größten Versagens“, beendete Zorro seinen Satz. „Genau.“ „Na, was für eine Scheiße.“ „Das kannst du laut sagen.“ Law versuchte mehrmals das Feuer anzuzünden, doch seine Hände zitterten zu sehr. Er hatte vergessen, wie hilflos er damals gewesen war, wie verletzlich, wie kalt. Er versuchte, einen Room zu erschaffen, um seine zitternden Finger zu entlasten, aber das schwächliche Gebilde zerbrach; na immerhin hatte er seine Kräfte, aber sie brachten ihm in diesem Zustand nichts. „Lass mich.“ Aus dem Nichts griff eine grobe Hand über seine Schulter hinweg und nahm ihm die Streichhölzer ab. „Sonst wird das ja nie was.“ „Du sollst doch liegen bleiben.“ Er sah zu dem anderen auf, welcher aus seiner Position und durch Laws geschrumpften Körpergröße riesig wirkte, wie er halb über Law gebeugt die Holzwolle entzündete. Das Feuer breitete sich innerhalb von Sekunden auf Hackschnitzel und Rindenstücke aus. „Zumindest scheint es trockenes Holz zu sein.“ Schwerfällig richtete Zorro sich wieder auf und hinkte zurück zum Sofa. Dort, wo er gekniet hatte, blieb eine kleine dunkelrote Lache, an der Streichholzpackung klebte Blut. „Wie lange sagst du, hält das an? Stunden?“ „Ich glaube schon“, entgegnete er, blieb an der Feuerstelle sitzen, wartete darauf, dass das Feuer auf die Holzscheite übergreifen würde. „Wie lange es anhält, ist unterschiedlich, aber ich weiß nicht, wovon die Dauer abhängig ist.“ „Wann hast du gegen ihn gekämpft?“ „Nie.“ „Warum dann das eben?“ Er sah vom Feuer auf und Zorro an, der sich schwerfällig auf das alte Leder niederließ und dabei leise grunzte. Verdammt, was sah er jung und verletzlich aus – nicht, dass Law gerade in einer Situation war, darüber zu urteilen – und er fragte sich, in welchen Moment die Teufelskraft den Körper des anderen zurückgeworfen hatte. Bei sich selbst wusste er es zu gut, aber wollte nicht drüber nachdenken. „Ich vermute, ich habe ein paar seiner Freunde… die Herzen gestohlen und zur Weltregierung gebracht“, murrte er und erhob sich, als das Feuer über die Scheite leckte. „Oh, um Samurai zu werden? Ich erinnere mich.“ Leise lachte Zorro auf, hustete dabei. „Nächstes Mal, sammle alle ein, okay? Und lass nicht irgendwelche Idioten mit beschissenen Teufelskräften zurück.“ „Lass mich deine Wunden sehen.“ „Nein, tut’s…“ „Das war kein Vorschlag.“ Er riss den grünen Mantel des anderen zur Seite und bereute es fast schon. Der Bauchwickel war komplett durchnässt und Blut tropfte regelrecht aufs Leder. „Was zur…?“ Er zog den Bauchwickel runter. Der ganzen Abdomen war übersät mit Wunden und Blutergüssen. Einige offensichtlich schon älter, manche frisch. Damals – wann auch immer damals gewesen war – waren die älteren Verletzungen mit Sicherheit versorgt worden, aber nur der Körper war zurückversetzt. Nähte und Verbände waren nicht wieder mit aufgetaucht. „Ja, das Gesicht hat Chopper auch immer gemacht.“ Zorro lehnte sich leicht zurück und schloss die Augen. Ein Wunder, dass er vor Schmerzen noch nicht ohnmächtig war. „Ich kann die Wunden nicht nähen“, murmelte Law nachdenklich. „Sobald dieser Fluch nachlässt, verschwinden die Verletzungen, aber die Nähte würden bleiben. Also ist alles, was ich tun kann, sie so gut es geht zusammenschnüren. Das Gute ist, wir müssen uns auch über Entzündungen keine Gedanken machen. Hauptsache da bleibt genug Blut in deinem Körper, dass du die nächsten Stunden nicht draufgehst.“ „Hört sich doch nach einem guten Plan an“, lachte der andere leichtfertig, dann atmete er scharf ein. „Gut, ich such mir mal das Nötigste.“ Es wäre einfacher, den Mantel auszuziehen, aber Law war auch arschkalt, daher wickelte er ihn noch mehr um sich und schlurfte dann durch den Raum, stolperte immer wieder über den Saum und seine Socken rutschten nach und nach ab. „Wo sind eigentlich meine Stiefel? Sag bloß, du hast sie zurückgelassen?“ „Hatte andere Probleme“, knurrte der andere vom Sofa. Law fand tatsächlich einen verstaubten Verbandskasten. Er schnaubte leise auf, er hatte die Stiefel gemocht, sie waren sehr bequem gewesen. Zurück am Sofa versuchte er, die Ärmel hochzukrempeln, musste dann jedoch einsehen, dass es nichts brachte. Vor sich hingrummelnd zog er den Mantel aus. Sein viel zu großes T-Shirt hing wie ein Kleid an ihm hinab. Immerhin brannte das Feuer mittlerweile so stark, dass seine Finger nicht mehr ganz so nervig zitterten, während er den Kasten durchwühlte. Aber er sollte sich beeilen. Der Schneesturm ließ immer weniger Licht des sterbenden Tages durch und beim unsteten Licht von Flammen Wunden versorgen zu wollen, war alles andere als ideal. „Du bist echt winzig. Wie alt bist du? Sechs?“, unterbrach Zorro seine Gedanken. Wütend starrte er den anderen nieder. „Ich bin immer noch 26, daran ändert sich auch nichts, nur weil ich mich gerade in meinem Kinderkörper befinde. Und dieser ist nicht sechs, sondern dreizehn.“ „Oh Gott, bist du winzig für dreizehn!“ „Mein Wachstumsschub kam halt was später!“, fauchte er den anderen an und zog die Bandagen raus. „Und wie wir beide wissen, bin ich deutlich größer als du!“ Er hasste dieses böse Grinsen, das Zorro ihm schenkte, Blut tropfte aus seinem Mundwinkel, verdient! „Aber gerade bist du wirklich winzig. Insbesondere für 26.“ „Leck mich doch!“ Unter leisen Flüchen versorgte er Zorro, der die meiste Zeit stillhielt. Doch trotz seiner neckenden Kommentare und seines dreisten Grinsens, wann immer Law zu ihm aufsah, war es offensichtlich, wie schlecht es ihm ging. Law selbst merkte, wie die Wärme des Feuers seinen Zustand erträglicher machte - und immer wieder rief er sich in Erinnerung, dass dies nur vorübergehend war, in wenigen Stunden wäre er wieder in seinem gesunden, erwachsenen Körper! - aber während Law arbeitete, hatte Zorro den Kopf in den Nacken gelehnt, die Augen geschlossen, bemühte sich offensichtlich ruhig und gegen die Schmerzen anzuatmen. „Und was ist mit dir?", fragte Law nach, als diese Stille unangenehm wurde. „Wie alt ist dieser Körper? Wovon hast du solche Wunden davongetragen?" „Muss wohl 20 sein", stöhnte der andere leise, „ist was länger als zwei Jahre her." Eine Gänsehaut glitt über Laws Ärmchen. Mit 20 hatte er schon solche… „Warte was!“ Er starrte Zorro an. „Zwei Jahre? Du bist… 22?" Zorro nickte nur, die Augen immer noch geschlossen, und plötzlich wirkte er noch so viel jünger als zuvor. „Ich dachte, du wärest so alt wie ich", murmelte Law und bedeutete dem anderen, die Hose runterzuziehen, damit er sich auch um die Wunden kümmern konnte. Zorro zuckte mit den Schultern und tat wie ihm geheißen. „Keine Ahnung wie alt du bist." „26, das habe ich dir gerade…" Law erstarrte, abgelenkt durch die tiefe Fleischwunde quer über den Oberschenkel. Nur eine Handbreit darunter war eine bereits verheilende Wunde, die fast so aussah, als wäre die Haut von innen aufgeplatzt. Er erinnerte sich. Damals im Auktionshaus, sein Blick war nur kurz über den Schwertkämpfer der Strohhüte gehuscht, hatte ihn sofort als eine der Gefährlicheren identifiziert, ehe seine Aufmerksamkeit weiter geglitten war. Aber er hatte noch das Bild im Kopf, das offene Hemd, das bei leichter Bewegung die verfärbte und blutunterlaufene Seite zeigte. Fast schon vernarbte Wunden auf Brust und Armen. In jenem Moment hatte er sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht. „Vor zwei Jahren also." Er sah Zorro an, der seinem Blick nicht mal auswich. „Die Vernichtung der Strohhutbande." Nur das Feuer war zu hören. Dann lehnte Zorro wieder den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. „Du hast es doch selbst gesagt", murrte er unbeeindruckt. „Der Zeitpunkt des größten Versagens." „Aber du warst bereits von einem vorangegangenen Kampf verletzt." Law wusste nicht mal, warum er das sagte, ob es nur eine schlichte Beobachtung war, aber warum klang es fast schon nach einer Rechtfertigung für den anderen? „Ich war schwach!", verurteile Zorro sich selbst. „Und deshalb haben wir verloren. Wäre ich stärker gewesen, hätte ich meine Freunde beschützen können." Hart hallten diese Worte zwischen ihnen nach. „Es gibt kein größeres Versagen, als jemanden nicht beschützen zu können", murrte Zorro mit einem Kopfschütteln. Law musste schlucken, seine Hände zitterten. „Du hast es zumindest versucht. Ist das nicht wenigstens etwas? Immerhin besser, als wenn du gar nichts hättest tun können." Er wünschte, er hätte damals etwas tun können. Aber er war hilflos gewesen, dumm und naiv gewesen, verdammt dazu, nichts zu tun. Er war nicht in der Lage gewesen, irgendwen zu beschützen, nicht mal sich selbst, und deshalb hatte jemand anderes sein Leben für ihn lassen müssen. „Nein." Law starrte den anderen an, doch Zorro sah zur Decke auf. „Wenn du nichts tun kannst, dann ist das so. Ist auch beschissen, keine Frage, aber du hättest eh nichts ändern können." Hart atmete er ein und Law war sich nicht sicher, ob es wegen der Schmerzen war. „Aber wenn du was tun kannst und es einfach nicht genug ist… na, was auch immer." Dann fiel sein Blick auf Law. „Aber ein krankes Kind sollte sich um so etwas keine Gedanken machen müssen." Er wusste nicht, ob es an der Kälte lag, aber unter diesem Blick bekam er eine Gänsehaut. „Ach, halt die Klappe!", knurrte er dann. „Und noch einmal, ich bin kein Kind! Ich bin immer noch 26!" „Sicher", grinste Zorro zurück, machte sich offensichtlich über ihn lustig, und die Schwere der letzten Minuten verging etwas; die Anspannung blieb jedoch. „Zeig mir deinen Arm", forderte Law dann auf, merkte, wie seine Wangen warm wurden. Zorro gehorchte, offenbarte eine weitere hässliche Schnittwunde. „Wir sollten das schienen", murrte Law leise. „War der Arm gebrochen?" Der andere zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung, kann schon sein. Erinnere mich nicht mehr." Leise aufschnaubend fuhr Law mit seiner Arbeit fort. Eine tiefergehende Untersuchung wollte er bei der Wunde vermeiden - insbesondere, weil der Arm in ein paar Stunden so oder so wieder verheilt sein würde - aber sie brauchten ja nichts riskieren. Während er in Stille arbeitete, bemerkte er, wie bleich seine Kinderhaut im Verhältnis zu Zorros war. Die weißen Flecken machten es noch schlimmer. Er konnte sie sehen, diese Blicke, hörte diese Worte, erinnerte sich, wie Menschen vor ihm zurückgeschreckt waren. Doch die Haut unter seinen winzigen Fingern war warm. „Hast du kein Problem damit, dass ich dich anfassen?", murmelte er und sah zu Zorro auf. „Was? Warum sollte ich?" Law zögerte. „Weil ich krank bin?" „Ist es ansteckend?", fragte Zorro, ohne auch nur die geringsten Anstalten zu machen, seinen Arm wegzuziehen. „Nein, aber viele Menschen glaubten, es wäre ansteckend." „Hä? Versteh ich nicht? Warum sollte ich dann ein Problem damit haben, nur weil ein paar Idioten Angst vor ein bisschen Husten haben?" „Warte, was?" Law sah den anderen an, der ähnlich verwirrt zurückguckte. „Nein… nicht wegen des… des Hustens, sondern…" Er hob seine Hände hoch. „Hm?" Zorro richtete sich was mehr auf und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Keine Ahnung was du meinst?" „Die Flecken!", knurrte Law, wurde langsam genervt. So dumm konnte man doch gar nicht sein. „Ach so, ne, keine Ahnung. Hab doch auch kein Problem damit, 'ne Kuh zu streicheln", murmelte der andere und lehnte sich wieder zurück. „Wobei man bei den Biestern echt aufpassen muss. Können schon ordentlich zubeißen." War er am Fiebern? Anders konnte Law sich seine Dummheit nicht erklären. Noch einen Moment starrte er diesen Idioten an, dann schüttelte er nur den Kopf. Es hatte keinen Sinn, versuchen zu wollen, diesen Kerl zu verstehen. „Wir sollten die nächsten Stunden hierbleiben", entschied er. „In diesem Schneesturm kommen wir eh nicht weit, außerdem ist es stockfinster." Er packte die Verbandsmaterialien weg und zog sich schnell den Mantel wieder an. „Ich denke, wir sollten eine Arbeitsteilung machen." „Hm?", machte Zorro nur und sah ihn aus halbgeöffneten Augen an. „Von uns beiden kannst du derzeit am Ehesten kämpfen - was bei deinem Zustand wirklich traurig ist - daher solltest du dich jetzt ausruhen und deine Kräfte sammeln. Ich halte währenddessen Wache und sobald sich der Sturm gelegt hat, machen wir uns auf die Suche nach den anderen." Einen langen Atemzug sah Zorro ihn an, ehe er schließlich nickte. „Deal", murrte er und es schien noch nicht mal eine Sekunde zu dauern, da war er bereits eingeschlafen. Law begutachtete ihn aus dem Augenwinkel, während er sich auf einen Schemel nahe des Fensters setzte und seinen Mantel noch enger um sich schlang. Zorro war so liegen geblieben, wie Law ihn gelassen hatte. Den Mantel aufgerissen, den einen Arm herausgezogen. Tief atmete er ein und aus, fast schon entspannt, insbesondere wenn man an ihre prekäre Lage dachte. Vielleicht war es ein Glück, dass er ausgerechnet mit Zorro diesem Feind begegnet war. Denn trotz seiner schlechten Verfassung hatte der Schwertkämpfer es immer noch geschafft, sie beide in Sicherheit zu bringen und bei all seinen nervigen Eigenschaften war er zumindest kein Tratschmaul, und Law wäre es lieber, wenn nicht jeder hiervon wusste. Gleichzeitig merkte er die Anspannung, die Zorro anscheinend einfach ignorieren konnte. Diese Wunden waren schon übel und wer wusste schon, wie lange der andere in diesem Zustand bleiben würde. Law mochte diese Situation wirklich nicht. Er in diesem schwächlichen, kranken Kinderkörper, eingepfercht in irgendeiner Hütte während eines Schneesturms, zusammen mit einem schwerverletzten Kerl, der es als dessen größte Schande ansah, dass er seine Crew nicht hatte beschützen können, obwohl er beinahe dabei draufgegangen war. Nein, Law mochte die Situation überhaupt nicht, während er die Sekunden und Minuten zählte, die Dunkelheit hinter dem Fenster im Blick, aus dem Augenwinkel jedoch immer überprüfend, dass die Brust des anderen sich noch hob und senkte. Irgendwann zwischendurch erhob er sich, um Holz nachzulegen, wusste aber genau, dass die Kälte, die er jetzt fühlte, von innen kam und nicht durch Wärme gelindert werden konnte. Er hatte wirklich vergessen, wie schwach er gewesen war, wie kalt ihm immer gewesen war, wie hilflos er gewesen war. Ohne Zorro hätte er es vielleicht nicht geschafft, das Feuer zu entzünden, hätte es wahrscheinlich nicht bis zur Hütte geschafft, wäre ihren Verfolgern nicht entkommen. Er war wirklich nutzlos in dieser Gestalt, konnte absolut nichts tun. Kopfschüttelnd verbannte er diese Gedanken. Selbstmitleid brachte ihn auch nicht weiter. Außerdem stimmte es nicht, damals vielleicht, aber dieses Mal nicht. Er hatte Zorro versorgt, der sonst mittlerweile wahrscheinlich schon verblutet wäre, und nun übernahm er die Wache, damit der andere sich so gut erholen konnte wie möglich. Aber vielleicht war das auch gar nicht notwendig. Wenn sie Glück hatten, würden sie sich zurückverwandeln, ehe der Sturm sich gelegt hatte.   Sie hatten kein Glück. Der Schwertkämpfer der Strohhüte war immer noch friedlich am Schlafen, während Law das Unvermeidbare beobachtete. Während der Sturm so langsam nachließ und Schnee weiter zu Boden rieselte, konnte er die ersten schemenhaften Baumstämme ausmachen; die Morgendämmerung war nahe. „Wir sollten bald aufbrechen." Er wandte sich um. Zorro, der bis gerade noch tief und fest geschlafen hatte, beugte sich nun nach vorne und zog seinen dreckigen Mantel zu, durch manche Bandagen schimmerte bereits Blut hindurch. „Du bist wach", stellte Law unnötigerweise fest. „Und du immer noch winzig, Mini-Trafo", entgegnete er, ohne ihn auch nur anzusehen. „Wenn der Typ immer noch deinen Kopf will, werden seine Schergen uns suchen, spätestens sobald die Sonne aufgegangen ist." Ernst sah er Law an, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt. Er musste es nicht laut sagen, sie wussten es beide. Solange sich nicht mindestens einer von ihnen zurückverwandelte, war ihre Situation mehr als schwierig. „Heißt, wir müssen die anderen finden, bevor wir gefunden werden", schlussfolgerte Law, woraufhin Zorro nickte. „Bist du sicher, dass du das packst?" Zorro winkte ab. „Nah, mach dir nicht so einen Kopf. Hab gefühlt zwei Tage geschlafen und bin wieder fit." „Sicher", meinte Law nur wenig überzeugt und hob eine Augenbraue an. „Es war eine Nacht, keine zwei Tage, du kannst unmöglich bereits wieder fit sein." „Du bist echt ein Pessimist, Mini-Trafo. Apropos, müsste das hier nicht irgendwann aufhören?" Ohne auf eine Antwort zu warten, richtete er sich auf, schwankte leicht, als würde er jeden Moment wieder umkippen, aber er blieb stehen. „Du bist nicht wirklich zu was gebrauchen, solange du so klein bist, oder?" „Was fällt dir ein, du…" „Also muss ich dich tragen, sonst sind wir zu langsam. Aber dein Schwert ist so lang, ich werde es auf dem Rücken schnallen müssen. Kämpfen wird also schwierig." Er zuckte mit den Schultern. „Aber naja, so könnte ich Enma eh nicht ziehen und so beschissen es ist, klüger wäre es wohl, Kämpfen aus dem Weg zu gehen." Law schwieg einen Moment. Zorro hatte Recht, mit allem, was er sagte. Änderte aber nichts daran, dass es Law anpisste, So richtig anpisste. „Kannst du derzeit Haki anwenden?" Leise lachte Zorro auf: „Würde es nicht auf einen Versuch ankommen lassen." „Was ist mit deinem Arm? Kannst du damit überhaupt etwas tragen?" „Mich stört eher, dass ich keine Hand zum Kämpfen frei hätte." „Mit einem gebrochenen Arm solltest du nicht kämpfen", bemerkte Law. „Das sagt Chopper auch immer", entgegnete Zorro mit einem leichten Schulterzucken, während er Laws Schwert griff und sich um den Rücken schnallte. Es versetzte ihm schon einen Stich, dass ein Fremder sein Kikoku trug, aber immerhin war es kein Fei… was dachte er da? Die Allianz war Geschichte und sie arbeiteten gerade zusammen, weil es am sinnvollsten war. Der Schwertkämpfer der Strohhutbande mochte sich durch irgendwelche sentimentalen Gefühle verleiten lassen, aber das galt nicht für Law. Er würde nicht den Fehler machen, den anderen als Freund anzusehen, nur weil sie gemeinsam in der Patsche saßen und aufeinander angewiesen waren. Er vertraute Zorro keineswegs, weder mit seinem Schwert noch mit seinem Leben. „Wir sollten langsam los", murrte er, ehe er zum Kamin herüberging und mit dem Eimer voller Sand für Notfälle die letzten Flammen auslöschte; sofort wurde es dunkel im Raum und die Kälte schien sich bereits wieder hereinzufressen. Zorro stimmte ihm wortlos zu, packte Laws Hose und band sie sich um die Taille. Mal sehen, ob Shachi die Blutflecken wieder rauskriegen würde. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du meine Stiefel einfach zurückgelassen hast", beschwerte Law sich. „Wäre dir dein Schwert lieber gewesen?", kam es von Zorro ebenso schroff und er folgte Law in den kalten und zugigen Flur. „Hab nicht drüber nachgedacht, okay? Ich hab dich einfach gegriffen und bin los. Deine Stiefel sind halt im Schnee stecken geblieben." An der Türe angekommen wurde ihm mulmig zumute. Es behagte ihm schlicht nicht, getragen zu werden, in diesem Körper, von einem verletzten Zorro, wahrscheinlich verfolgt. „Hey, warte! Warte! Lass mich runter!" „Stell dich nicht so an, Mini-Trafo - und hör auf mir in den Bauch zu treten - die Sonne wird jeden Moment aufgehen, wir müssen los. Halt einfach still, ja?" Er erstarrte. Als Zorro ihn gepackt hatte, war ihm seine Mütze ins Gesicht gerutscht, nun hatte Zorro sie mit einer Hand hochgeschoben und sie starrten einander an. Mit der anderen Hand hatte Zorro ihn an seinen Körper gepresst. Selbst durch ihre Kleidung konnte Law die Hitze spüren, die der andere ausstrahlte, während sein Gesicht nur eine Handlänge entfernt von seinem war, absolut ernst, überall die kleinen und großen Schrammen. „Solange du so bist, ist das der beste Weg, also mach es uns beiden nicht noch schwerer. Und halt dich gut fest, ja? Nicht, dass du mir runterfällst." Noch einen Moment sah Zorro ihn so intensiv an. Ganz langsam nickte Law, senkte den Blick und grub seine kleinen Hände, die in den Ärmeln seines Mantels untergingen, in Zorros Mantel. „Wir sollten Richtung Süden, irgendwo dort müsste der Hafen sein." „Okay, dann mal los", kam es von Zorro, aber der so oft anwesende Schalk, der leise Witz, all das fehlte. Kaum, dass er die Türe öffnete, wurde es eisig kalt und fast automatisch drückte Law sich noch etwas mehr gegen diesen warmen Körper. Ihm war eiskalt, und die Schmerzen, welche die letzten Stunden fast vergessen gewesen waren, schürften sich wieder durch seine Knochen. Er merkte, wie Zorro ihn fester packte, ihn an sich drückte, eine Pranke um seinen Oberkörper, und dann rannte er los. „Andere Richtung, du Vollidiot. Siehst du nicht das Licht? Da ist Osten. Nein, Norden, wieder Osten, Westen… willst du mich eigentlich verarschen?! Da lang!" Er zeigte mit zitterndem Arm auf zwei Bäume und gnädiger Weise, lief Zorro dann auch endlich in die richtige Richtung. „Hier sieht auch alles gleich aus", murrte er. „Nein, tut es… was machst du da? Da lang! Du rennst schon wieder Richtung Norden!" Es sollte anstrengend werden. Zorro mochte zwar derjenige sein, der lief, aber Law musste immer aufpassen, denn der andere konnte jederzeit unvorhergesehen die Richtung ändern, manchmal innerhalb von Sekunden. Was flehte er seinen Körper an, sich doch endlich zurückzuverwandeln. Das alles wäre so viel einfacher, wenn der Fluch der Teufelsfrucht sie nicht weiter behindern würde. Aber nichts passierte. Law war immer noch in diesem schwächlichen Körper, ihm tat immer noch das reine Atmen weh und ihm war immer noch… Nein, das stimmte nicht. Ja, es war kalt, eisig kalt, aber Laws Körper war gegen Zorros Brust gedrückt, seine Hände in dessen Mantel vergraben. Ihm war kalt, aber ihm war auch warm. In der Stille des Schnees konnte er nur Zorros Atem hören, sein leises Schnaufen, seinen Herzschlag, während er durch den Wald rannte, Law sicher in seinen Armen. Zorros Griff lockerte sich nicht eine Sekunde, obwohl seine Finger im Wind doch erfrieren mussten, sie waren warm, selbst jetzt noch. Zorro war warm, selbst durch Laws viel zu großen Mantel hindurch war er warm, wie eine Heizung aus Fleisch und Blut. Im Gleichklang zu seinem Herzschlag stampften seine Füße durch den Schnee, während er tief atmete. Law riss die Augen auf. Er war eingenickt! Wie lange konnte er nicht sagen, aber immer noch kämpfte Zorro sich durch den Wald, doch es hatte aufgehört zu schneien. Ein Blick zum diesigen Himmel über ihnen zeigte ihm, dass sie überraschenderweise immer noch - oder vielleicht wieder, so oft wie Zorro einfach grundlos abdrehte - in die richtige Richtung liefen und er nicht lange geschlafen haben konnte. Zorro lief immer noch, hielt ihn immer noch, aber jetzt wusste Law, was ihn aufgeweckt hatte. Zorro hatte sein Tempo beschleunigt, atmete härter, und dafür konnte es nur einen Grund geben. „Sie durchkämmen den Wald", kam es von Zorro, als hätte er Laws Gedanken gehört. „Verstecken ist sinnlos. Es sind so viele, dass man uns schnell finden würde und sobald sie die Spuren im Schnee entdeckt haben, werden sie uns verfolgen. Verdammt, jetzt wäre ein kleiner Schneesturm echt hilfreich." „Weißt du, wie viele es sind?", murmelte Law. „Nicht wirklich. Ich kann mich nicht lange genug konzentrieren, mein Observationshaki klappt nicht so richtig. Müssten mindestens 20 sein, eher 30, so oder so zu viele. Es sei denn zumindest einer von uns verwandelt sich irgendwann mal zurück. Wird langsam echt nervig." Dem konnte Law nur zustimmen. Es musste schon ein halber Tag vergangen sein und dennoch passierte nichts. Law hätte nicht gedacht, dass der Fluch so lange anhalten würde. Hoffentlich hatten Zorros Wunden sich nicht doch zwischenzeitlich entzündet. Er hätte sie vor ihrem Aufbruch nochmal überprüfen müssen. Aber nun gut, dafür war es wohl zu spät. „Wie viel Abstand haben wir?", fragte er nach, seine schwachen Sinne kaum in der Lage irgendetwas außer seinem schmerzenden Körper, der beißenden Kälte und Zorros Wärme wahrzunehmen. „Wenn ich schneller laufen könnte, würde ich es tun", kam die Antwort, die mehr als nur Laws Frage beantwortete. Er biss sich auf die Zunge, anstatt zu fragen, was er nicht fragen durfte. Wie lange würde Zorro noch durchhalten? Wie weit würde er noch…? Laws linker Ärmel war feucht und er wusste, dass es nicht der Schnee war, der ihn durchnässt hatte. Er hatte seine Antwort. Langsam sah Law auf, sah diesen ernsten Blick, der stur geradeaus starrte. Schweiß lief Zorros gerötete Schläfen hinab, seine Lippen rissig von der kalten Winterluft. Wenn er sich nicht bald verwandeln würde, dann… „Lass mich runter", flüsterte Law, hatte sich entschieden. „Was?" „Ich hab gesagt, du sollst mich runter…" „Erzähl keinen Mist!" Zorros Finger gruben sich noch tiefer in sein Fleisch. „So hast du keine Chance gegen die! Wir müssen erstmal weg." Law starrte die Brust des anderen an. „Es gibt kein wir", entgegnete er, so hart es seine kindliche Stimme erlaubte, während seine Hände zitterten. „Wann begreifst du endlich, dass wir keine Freunde sind?! Ich bin nur unnötiger Ballast, den du schnell loswerden solltest, bevor sie dich… Urgh!" Zorro war mitten in der Bewegung angehalten und einmal um die eigene Achse gewirbelt, ein Schwert in der Hand. Wie von einem Wirbelsturm wurde der Schnee um sie herum weggefegt so weit Law gucken konnte. Dann rannte Zorro weiter, nun noch härter am Atmen. „Das sollte uns ein paar Minuten Zeit verschaffen", knurrte er. „Du bist so ein verdammter Sturkopf!", fluchte Law. „Und du bist echt dumm. Egal, was du denkst, und egal, wie oft du so einen Mist sagst, ich mach da nicht mit, also lass es einfach bleiben und halt dich fest. Entweder wir beide packen's oder ich habe es zumindest versucht." „Du läufst in die falsche Richtung, da runter!" Er biss sich auf die Lippen, während Zorro weiterrannte, der Boden zu seinen Füßen immer steiler. Er wollte das nicht, nicht so, nicht schon wieder, nicht schon wieder. Plötzlich konnten sie Rufe hören, Verfolger, die seinen Namen brüllten. „Verdammt! Ich dachte, wir hätten noch was mehr Zeit!" Fluchend beschleunigte Zorro sein Tempo, rutschte im Schnee hinab, suchte mit der Schulter Halt an Bäumen, keuchend, doch irgendwann gab es keinen Halt mehr. „Scheiße!" Law spürte, wie er noch fester gegen diesen Körper gedrückt wurde, als Zorro zu Boden krachte und sie den Abhang runterpolterten. Irgendwann waren sie unten angekommen, wo auch immer das war, Law immer noch sicher in den Armen des anderen, der sich schützend um ihn gerollt hatte. Nicht so, nicht schon wieder, nicht schon wieder. „Hey Zorro, lebst du noch?!" Einen Moment passierte gar nichts, während Law versuchte, sich aus diesem steifen Griff zu kämpfen, dann hustete der andere und ließ von ihm ab. „Verdammt!", fluchte Zorro zwischen dem Husten, Blut tropfte seinen Mundwinkel hinab, einzelne Tupfer färbten den Schnee rot. „Alles okay, Trafo?" „Mir geht's gut!", log er, während er sich aufrappelte, die Socken im Schnee, und die Kälte über ihn hereinbrach. „Was ist mit dir? Kannst du stehen? Kannst du laufen?" Die Rufe kamen näher, sie hatten nicht mehr viel Zeit. Zorro hockte vor ihm auf dem Boden, stützte sich auf einem Unterarm ab, keuchte vor Schmerzen, die andere Hand auf den Abdomen gepresst. Leise lachte er - warum zur Hölle lachte er?! - und stöhnte dann vor Schmerz. „Oh, nicht gut, echt nicht so gut." Mühevoll hievte er sich auf ein Knie, aber er zitterte am ganzen Körper, würde vermutlich jeden Moment zusammenklappen, doch dann sah er auf und Law erkannte diesen Blick, erkannte ihn sofort. Nicht schon wieder! „Du kannst noch laufen, oder? Das ist gut." Zorro grinste ihn an. „Einen Moment kann ich dir noch verschaffen. Also versteck dich irgendwo und warte ab, so lange kann es ja nicht mehr dauern." „Und jetzt redest du Mist!", knurrte Law und packt ihn an der Schulter. „Komm schon, steh auf, noch können wir weglaufen." „Nah", lachte der andere heiser. „Ich lauf nirgendwo mehr hin, Knie ist durch." Er grinste Law an und zuckte mit den Schultern. „Das hier war's für mich, Mini-Trafo, also hau ab, wir müssen hier ja nicht beide draufgehen." Er konnte es in diesen Augen sehen, den Schmerz, die Schuld und vielleicht auch so etwas wie Angst. Zorro wollte lieber sterben, als nochmal jemanden nicht beschützen zu können, selbst wenn dieser jemand nur Law war. „Nein", widersprach er ruhig, während seine Verfolger immer näher kamen, „du hast es doch selbst gesagt. Entweder beide oder keiner. Ich lasse niemanden mehr zurück." Zorros Grinsen erfror, doch dann wich es einem sanften Lächeln und zum allerersten Mal hatte Law das Gefühl, dass Zorro sich nicht über ihn lustig machte. „Okay, dann lass uns dafür sorgen, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholt." Im nächsten Moment sprang er auf, Schnee stob um ihn herum in die Luft, und wehrte mehrere Geschosse ab. Schwer atmend stand er da, sein ganzes Gewicht auf sein linkes Bein gestützt, hielt eines seiner Schwerter mit beiden Händen, zitterte am ganzen Körper, Blut tropfte zu Boden. Kikoku fiel in den Schnee, als Zorro einen weiteren Angriff abwehrte. Verzweifelt versuchte Law einen Room zu erschaffen, aber er zerbrach immer wieder, während er immer mehr Husten musste. „Urgh!" Dieses leise Aufstöhnen, ließ ihn aufschauen, sah die blutige Klinge, die aus dem Rücken des anderen herausragte und dann mit einem ekligen Schmatzen zurückgezogen wurde. „Ah…" „Zorro", flüsterte er. Zorro wankte, streckte den Angreifer nieder, und dann fiel auch er. Vor Law lag er mit dem Gesicht voran im Schnee, sein flacher Atem einziges Zeichen, dass er noch lebte. Ein halbgeöffnetes Auge sah ihn an und tonlos flüsterte er Lauf, ehe sich ein Schatten über ihn beugte. Nein, nicht so, nicht schon wieder, nicht schon wieder! „Mann, dieser Typ will wohl einfach nicht sterben, was? Zeit, das zu ändern." Nein! „ROOM!" Er griff nach Kikoku, sprang nach vorne und wehrte das Schwert des Angreifers ab. „Ich werde ihm nicht beim Sterben zusehen!", brüllte er, löste seine rechte Hand und schnipste einmal. „Tact!" „Woah!" Sämtliche Angreifer um ihn herum wurden kopfüber in die Luft gewirbelt. „Nie wieder wird jemand für mich sterben!" Er riss Kikoku einmal zügig herum. „Amputate!" Körperteile prasselten zu Boden, als er den Room auflöste, doch er ignorierte die erschrockenen Rufe der Angreifer, als er zu Zorro herumwirbelte und sich neben ihn kniete, seine Schulter rüttelte. „Hey, Hey! Lebst du noch?! Hey, Zorro?!" Ein abgehackter Laut, halb Lachen, halb Husten, kam als Antwort, während ihn dieses halbgeöffnete Auge so ansah. „Hast dir ja ganz schön lange Zeit gelassen, Trafo." Erst da wurde es ihm bewusst. Wieder mal hatte er es gar nicht bemerkt. Die Flecken auf seiner Hand waren fort, sein Körper schmerzte nicht mehr. Es war vorbei, er war nicht mehr hilflos! „Trafalgar!" „Curtain!" Gerade noch rechtzeitig hatte er seinen Room erschaffen, als ein schwarzer Pfeil an seinem Curtain abprallte. „Ich hab jetzt echt keine Zeit für dich, Armor!", brüllte er, sprang auf den geflügelten Mann zu und legte den kleinen Finger an. „Mes!" Im nächsten Moment kollabierte der Mann, wenige Meter hinter ihm lag ein faustgroßer Würfel und darin schlug ein einsames Herz. Ohne zu zögern, durchstach Law es, sah wie es schlug, einmal, zweimal, dreimal, und dann nicht mehr, während die Gefolgschaft noch über ihre Körper wimmerte. Doch das war ihm egal. Er eilte zurück zum Schwertkämpfer, der im roten Schnee lag, immer noch flach atmete. „Aber ich habe ihn besiegt…", flüsterte Law. „Er ist tot… sein Fluch müsste sich auflösen…" Doch immer noch lag Zorro da, während sein Blut in den Schnee sickerte, offensichtlich noch sein junges, verletztes Selbst. „Scheiße!" Law packte ihn, drehte ihn zur Seite und tat das Nötigste, was getan werden musste. Dann hob er den anderen hoch und rannte los. Warum verwandelte Zorro sich nicht zurück? Er war doch nur kurz nach Law getroffen worden, warum also hatte er sich immer noch nicht zurückverwandelt? „Wehe du stirbst, verstanden? Du müsstest dich bald zurückverwandeln, also gib mir jetzt nicht den Löffel ab." Leise lachte Zorro, musste dabei Husten. „Was ist so komisch?", knurrte Law. „Du… trägst keine Hose." Einen Moment blieb er fast im Laufen stehen, als ihm auffiel, dass Zorro immer noch seine Hose um die Hüfte gebunden hatte und Law nur in Mantel und auf Socken durch die Gegend lief. „Ja und? Ist das gerade wirklich dein Hauptproblem?!", fauchte er den anderen an, während seine Wangen kochendheiß wurden. „Bist du am Fiebern oder was soll dieser Scheiß?" Der andere nuschelte etwas, aber Law konnte ihn nicht verstehen. Alles, was er wusste, war, dass er Zorro irgendwohin bringen musste, wo es warm war, wo es vielleicht Blutkonserven gab, und weg von den Verfolgern, nur für den Fall, dass er nicht alle getroffen hatte. „Hey! Hey! Das ist Trafo!" Er hätte nie gedacht, dass der Klang dieses Spitznamens ihn mal mit solcher Erleichterung füllen würde, als er in der Ferne plötzlich Schwarzfuß sah, der ihm eilig zuwinkte. „Mann, du willst nicht wissen, was deine Crew sich für Sorgen gemacht hat, als Bepo mit deinen… was zur…?" Mitten in der Bewegung war er stehen geblieben, den Arm noch erhoben, als Law immer näherkam. „Was zur Hölle ist passiert?!" „Ist Chopper bei dir? Zorro braucht sofort eine Bluttransfusion. Welche Blutgruppe hat er? Weißt du das? Ist jemand bei dir, der als Spender in Frage kommt?" Law blieb nicht mal stehen, als er den anderen erreicht hatte, rannte weiter, und nach einem Moment folgte Schwarzfuß. „Ja, Chopper… Chopper ist auch da, aber was ist…?" „Ich werde gleich alles erklären. Zunächst aber braucht Zorro Hilfe." „Okay, hier lang!" Nur kurze Zeit später erreichten sie ein winziges Dorf, was kaum so genannt werden durfte, da es eigentlich nur ein paar Hütten waren, die eine verschneite Straße säumten. Aber Law war das gleich. Hauptsache ein warmer Ort, an dem es frisches Blut gab. Eine dieser Hütten hatten sie als Zentrale ausgewählt und dort warteten Chopper und Uni, während die anderen ausgeschwärmt waren, um die verstreuten Freunde zu suchen, wie Schwarzfuß ihm erklärte, da Teleschnecken auf dieser Insel keinen Empfang hatten. In der Hütte angekommen, war das Geschrei natürlich erstmal groß, aber schnell konnte Law sich Verhör verschaffen und die nötigsten Dinge erklären. Eilig stellten sie fest, dass Zorro und Uni dieselbe Blutgruppe hatten und auch Law ihm Blut spenden konnte. Wenig später taten sie also genau das, während sie die Wunden so gut es ging, versorgten. Entgegen Laws Befürchtung waren sie noch nicht entzündet. Dennoch sah Zorro alles andere als gut aus. „Und du sagst, man weiß nicht genau, wie lange es dauert?", murrte Schwarzfuß und stellte sich neben ihn. „Nein, er wurde nur wenige Minuten nach mir getroffen und hätte sich ansonsten längst zurückverwandeln müssen. Es wird wohl noch etwas dauern und solange muss er durchhalten", bestätigte Law mit geschlossenen Augen, merkte, wie das Blut aus seinem Arm floss. „Unglaublich, dass er in diesem Zustand überhaupt noch stehen konnte." Schwarzfuß schnaubte leise auf, ehe er seufzte. „Was für eine beschissene Teufelskraft. Ihn noch mal so zu sehen…" Law entgegnete nichts. Er hatte erklärt, wie die Teufelskraft funktionierte, aber nicht in welche Zeit Zorro und sein Körper zurückgeworfen worden waren. Doch es schien auch gar nicht nötig zu sein. Sowohl Schwarzfuß als auch Chopper wirkten so, als wüssten sie genau, welcher Zeitpunkt es sein musste. „Wer fehlt sonst noch?", fragte er nach. „Die Frage ist eher, wer nicht fehlt. Bepo und Franky sind zum Hafen, um nach den Schiffen zu gucken und ansonsten sind es neben Chopper, Uni und mir nur Namilein, Penguin und diese Kleine. Der Rest wurde über die ganze Insel verteilt und hat hoffentlich während des Schneesturms Unterschlupf gefunden." Erneut seufzte Schwarzfuß auf. „Naja, wie auch immer. Ihr seid ja jetzt versorgt. Ich geh also nochmal nach den anderen suchen." In Stille saß Law da. Dann glitt sein Blick auf seinen Unterarm und die daran hängende Maschine, von der aus kostbares Blut in Zorro floss. Jetzt, da Laws Körper wieder normal war, konnte er problemlos Blut spenden, aber Chopper war sehr deutlich gewesen, dass er nicht mehr geben durfte als nötig. Natürlich wusste er das selbst. Als würde er auf so eine hirnrissige Idee kommen, irgendeinem Kerl mehr Blut zu geben, als… Er biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. „Du bist so ein Vollidiot." Aber niemand antwortete ihn. Verdammt! Der Fluch der Teufelskraft musste ihn ganz schön durcheinandergebracht haben. Dazu noch die Nacht ohne Schlaf, die Schmerzen. Er konnte es sich kaum erklären, aber da am Feuer, aber auch im Schnee, auch im Wald, die ganze Zeit hatte er sich… geborgen gefühlt. Aber er hatte auch Angst gehabt, doch nicht um sein eigenes Leben. „Was schauste denn so… mürrisch drein, Trafo? Ist doch… alles gutgegangen." „Zorro!" Überrascht schaute er aufs Bett. Der andere sah ihn aus halbgeöffneten Augen an, seine Stimme gebrochen, doch er grinste, wie so oft die letzten Stunden. „Du bist wach." „Offensichtlich." Einen Moment sahen sie einander ruhig an, doch wieder mal war es Law, der die Stille durchbrach, konnte selbst diesem erschöpften Blick kaum standhalten. „Ich habe übrigens eine Vermutung, wovon die Dauer des Fluches abhängig ist, und zwar…" „Das Alter", beendete Zorro seinen Satz, schloss seine Augen und atmete tief. „Wir sind im frühen Abend angekommen…, kurz bevor du getroffen wurdest. Zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang lagen etwas mehr als… neun Stunden und du warst dreizehn. Je älter man war, desto länger… dauert es an." „Genau", bemerkte Law, mehr als überrascht, dass Zorro es auch bemerkt hatte. „Ich wusste, dass die positive Dauer der Teufelskraft davon abhängig ist, wie viel Zeit zwischen Gegenwart und dem stärksten Moment der Vergangenheit liegt, daher denke ich, dass auch hier die Stunden den Jahren entsprechen und ich habe nachgezählt, bei mir hat es wirklich genau dreizehn Stunden gedauert." Er zögerte einen Moment, aber sprach dann weiter: „Das bedeutet, du wirst jetzt noch circa sechs durchhalten müssen. Schaffst du das?" „Wie oft willst du mich das noch fragen?", lachte Zorro leise. „Sag mir lieber, wo wir sind." Mit leiser Stimme erklärte Law, was passiert war, da Zorro wohl das Bewusstsein verloren hatte, noch bevor sie Schwarzfuß erreicht hatten. Irgendwann kam Chopper herein, schalt Zorro wie immer für dessen Leichtsinn, verdrückte dabei ein paar Tränchen, während Zorro ihm gut zuredete, obwohl die Schmerzen ihm ins Gesicht geschrieben standen. Law hielt sich zurück, nachdem Chopper ihm die Nadel gezogen hatte, und beobachtete die zwei, bemerkte die Tonlage des Schwertkämpfers, den Blick. Deswegen also, deswegen hatte er dieses Gefühl in Zorros Nähe gehabt. Er hatte es damals bei diesem Gör auf Wa No Kuni gesehen und auch jetzt hier mit Chopper, deshalb also. Law wusste weder, warum er es getan, noch, wie er es angestellt hatte, aber er hatte Chopper überzeugt, dass er auf Zorro aufpassen würde; der Schwertkämpfer hatte nicht widersprochen. Ob es ihm so lieber war, damit Chopper seine Schmerzen nicht sehen musste, sein schwaches Selbst von damals nicht sehen musste? Also saß er hier, die meiste Zeit schwiegen sie, Law die Arme verschränkt, Zorro immer wieder am Schlafen. Hier und jetzt sah er noch jünger aus, vielleicht aber auch nur, weil Law wieder in seinem erwachsenen Körper war. Er konnte immer noch nicht glauben, dass Zorro tatsächlich jünger als er selbst war, es erklärte vielleicht seine leichtfertige Art. Aber es machte diese Wunden auch schlimmer und Law wünschte sich, Zorro wäre nicht noch schlimmer verletzt worden, nur um ihn zu beschützen. Immer wieder nickte er ein, schreckte immer wieder hoch, nur nach Sekunden hoffte er, und prüfte den Puls des anderen, immer diese stete Sorge, diese Angst um jemanden, dem er doch nicht mal freundlich gesinnt war. Leise seufzte er, wusste doch selbst, dass dies nicht so ganz stimmte. Er würde nicht so weit gehen, Lorenor Zorro einen Freund zu nennen, aber er gestand sich ein, dass er ihn für einen Strohhut ganz gut leiden konnte und er dessen nerviges Gehabe besser ertragen konnte als dessen Tod. Verdammt! So hatte sich all das nicht entwickeln sollen. Es war nur eine verdammte Allianz gewesen, hätte nie mehr sein sollen als ein Mittel zum Zweck und nun hockte er hier, an diesem Bett und wartete. Vor seinem inneren Auge sah er immer wieder roten Schnee, hörte die Rufe, fühlte die Wärme, sah dieses Lächeln, sah dieses Grinsen. Zitternd holte er Luft, seine Hände bebten. Er versuchte seinen Atem zu beruhigen, aber es gelang ihm nicht wirklich. Hatte er eine Panikattacke? Ausgerechnet jetzt, wo doch schon alles vorbei war und sie nur noch darauf warten mussten, dass auch Zorros Fluch sich auflösen würde, und dann in Ruhe die restlichen Crewmitglieder suchen konnten? Wie unnötig. „Was schaust du denn schon wieder so?" Überrascht sah er auf. Ihm gegenüber saß Zorro, riss sich gerade den Zugang aus dem Unterarm. Dann grinste er Law an. Die Zeit war um. Wo war sie hin? Er hatte das Gefühl, dass es kaum Minuten gewesen waren. „Solltest du nicht eigentlich besser gelaunt sein?“ Zorro erhob sich, wieder ganz der Alte, absolut unversehrt, selbst die Wunden des vergangenen Kampfes verschwunden, während Law ihn fassungslos anstarrte, erst nicht verstand, was er meinte, und dann verstand. „Schließlich bin ich nicht gestorben, Mini-Trafo." Law senkte den Blick, sein Unterkiefer zitterte. Es stimmte. Zorro war nicht gestorben. Dieses Mal war es nicht passiert, nicht nochmal. Plötzlich spürte er die starke Hand des anderen auf seiner Mütze. „Danke für deine Hilfe übrigens. Denn ohne dich wäre ich sicherlich draufgegangen." Er konnte es nicht verhindern, nicht aufhalten, während er sein Gesicht hinter einer Hand verbarg. Zorro schwieg, seine Hand immer noch an Ort und Stelle. Wie bei diesem Gör von Wa No Kuni. Wie bei Chopper. „Egal, was damals passiert ist", sprach Zorro mit ruhiger Stimme, als wüsste er genau, was in Law vor sich ging, „dieses Mal haben wir nicht versagt." Wortlos stimmte Law ihm zu, während die Tränen sich weiterhin ihren Weg bahnten. „Wehe, du erzählst das hier irgendjemandem", drohte er, seine brüchige Stimme wenig überzeugend, obwohl er es besser wusste, während er da auf diesem Stuhl saß, Zorros Hand immer noch auf seinem Kopf. „Aber danke." Leise lachte Zorro, doch was auch immer er sagen wollte, geriet in Vergessenheit, als ein Tumult vom angrenzenden Zimmer zu ihnen herüberwehte. Anscheinend hatte jemand den Strohhut gefunden. Zorro ließ Law los und ging Richtung Türe. „Zorro." Law erhob sich und sah den anderen an, konnte sehen, wie der andere sein verweintes Gesicht musterte. „Auch du hast mir das Leben gerettet. Heute haben wir gut zusammengearbeitet." Noch einen Moment musterte der andere ihn, dann nickte er langsam, als wüsste er nicht genau, worauf Law hinauswollte. „Dennoch solltest du dir merken, dass sich nichts verändert hat", mahnte Law, woraufhin Zorro fast schon missbilligend eine Augenbraue hochzog. „Ich mag den Schnee immer noch nicht." Die Missbilligung des anderen wandelte sich in Überraschung, dann grinste er. Dieses Grinsen, welches Law nicht mögen wollte. „Aber kalt ist dir nicht mehr, oder?" Diese Frage überraschte nun wiederum Law und er war sich nicht sicher, was Zorro damit andeuten wollte. „Nein", entgegnete er stirnrunzelnd, „mir ist nicht mehr kalt." „Das ist gut", bemerkte Zorro, ehe er mit einem Schulterzucken zur Tür ging. „Du hast nämlich immer noch keine Hose an."           Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)