Pet von Maginisha ================================================================================ Kapitel 14: ------------ Makoto erwachte. Greller Sonnenschein flutete das Zimmer und trieb scharfe, spitze Nägel in seinen pochenden Schädel. Gleichzeitig kamen das schlechte Gewissen und die Erkenntnis darüber, was heute Nacht geschehen war. Makoto stöhnte.   Was hab ich getan?   Natürlich wusste er, dass das alles nur ein Traum gewesen war. Ein Hirngespinst. Diese Erkenntnis war ihm bereits in dem Moment gekommen, als er zum ersten Mal aus dem Schlaf geschreckt war. Früh am Morgen war es gewesen, die Zeit des Zwielichts. Die Augen noch dick geschwollen hatte er sich aus dem Bett gequält und seine besudelte Kleidung tief im Bauch der Waschmaschine versteckt. Danach hatte er sich gesäubert und umgezogen, bevor er, immer noch vollkommen erschlagen, zum Sofa zurückgewankt war, um den Rest seines Rausches auszuschlafen. Jetzt jedoch war er wach und konnte sich fragen, wie es so weit hatte kommen können.   Es ist meine Schuld.   Das ungute Gefühl – einen Gedanken wollte er es nicht einmal nennen – dass das Ganze etwas mit Aki zu tun haben könnte, schob er weit von sich weg. Er begehrte den Jungen nicht. Es war wahrscheinlich einfach nur zu lange her, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war. Kein Wunder also, dass sich seine Manneskraft da einen Weg gebahnt hatte. Er war schließlich noch nicht alt. Gerade richtig, um Kinder zu zeugen.   Und doch hast du ihn gewählt. Der Gedanke kam, während er sich seine Hose anzog. Sicher war sicher. Wozu er diese Sicherheit brauchte? Makoto wusste es nicht und wollte es auch nicht wissen. Seine Fantasie hatte ihm einen Streich gespielt und ihm etwas vorgegaukelt, das es nicht gab. Nicht geben konnte und niemals geben würde. Also Schluss damit.   Er darf es nie erfahren.   Mit diesem letzten Versprechen an sich selbst, machte Makoto sich auf, um den Jungen zu wecken. Ein neuer Tag begann.     Langsam schob Makoto die Tür des Schlafzimmers zur Seite. Drinnen war es dunkel. Nur ein schmaler Lichtstreifen erhellte den Raum. Es gab keine Fenster. Eine Tatsache, die sich vielleicht nutzen ließ, wenn er es schaffte, die Öffnung zu verbarrikadieren. Dann müsste er Aki nicht mehr fesseln.   Und er könnte vielleicht etwas lesen. So wie heute Nacht.   Makotos Fingernägel kratzten über das dunkle Holz. Er musste sich endlich zusammenreißen. Aki durfte nicht wissen, was er getan hatte. Auch wenn es nur ein Traum gewesen war.   Abstand. Ich brauche Abstand. Der Einsicht zum Trotz schob Makoto die Tür noch weiter auf. Er musste Aki losmachen, für sein Frühstück sorgen und dafür, dass er das Bad benutzen konnte. Dafür jedoch würde er mit dem Jungen interagieren müssen. Und sich dabei normal verhalten. Normal!   Mit einem letzten, tiefen Atemzug trat Makoto ein. Er ging um das Bett herum, wie schon die Nacht zuvor. Nur, dass er dieses mal vollständig bekleidet war. Und darauf vorbereitet war, dass Aki ihn wach und aufmerksam anblickte, als er schließlich vor ihn stand. Stumm blickte Makoto auf ihn herab.   Ich sollte etwas sagen.   Doch selbst ein einfaches „Guten Morgen“ wollte ihm nicht gelingen. Zu frisch waren noch die Erinnerungen, zu tief saß die Scham über das, was er getan hatte. Oder vielmehr … geträumt. Wenn er sich das oft genug sagte, würde er es vielleicht irgendwann selber glauben. So wie alles andere.   „Ich mache dich los.“   Kaum hatte er das gesagt, hätte Makoto sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Er redete Schwachsinn. Plapperte, nur um etwas von sich zu geben. Dabei wäre es ihm am liebsten gewesen, von jetzt an nur noch zu schweigen. Alles, um nicht die Flut loszutreten, die in seinem Inneren lauerte. Es ging niemanden etwas an.   „Ich hoffe, du kamst zurecht.“ Wieder ein sinnloser Satz, wieder erneutes Geplapper. Man hätte meinen können, er legte es darauf an, mit Aki zu reden. Dabei beobachtete der Junge ihn doch eh schon die ganze Zeit. Was wollte er denn noch?   „Danke, ich … habe geschlafen.“   Da war etwas in Akis Stimme, das Makoto beinahe aufblicken ließ. Ihn den Blick von den Knoten heben, die sich mehr als störrisch erwiesen, um in diese großen, gelben Augen zu schauen, die ihn gerade so prüfend anschauten.   Ich würde es ihm so gerne erklären.   Aber das ging nicht. Der Junge durfte nicht wissen, was passiert war. Niemals.   „Gut.“   Makoto nickte knapp, um zu signalisieren, dass er verstanden hatte. Mehr konnte er Aki nicht geben. Er durfte nicht. Ansonsten würde er vielleicht … „Du musst noch die Fußfesseln lösen.“   Makoto erstarrte. Er wusste, dass er etwas vergessen hatte. Das Gefühl, auf gezuckerten Glasscherben zu gehen, stieg, als Aki sich bewegte. Er streckte die Füße unter der Decke hervor. Die gefesselten Füße in den langen, weißen Katzensocken. Die, die Makoto letzte Nacht … Er unterbrach den Gedanken. Es war nicht real. Nichts davon! „Mach es selbst.“   Ohne sich weiter zu erklären, griff Makoto nach Akis Händen. Er löste die Schnallen der einen Fessel. Danach ließ er sie wieder los. Akis Hand fiel zurück auf das Bett. Makoto konnte die roten Ringe daran erkennen.   „Den Rest schaffst du allein. Beeil dich damit. Wir wollen frühstücken.“   Damit drehte er sich um und verließ den Raum. Er konnte fühlen, dass Aki ihm nachsah, aber er verschloss sein Gesicht und sein Herz. Er durfte nicht nachgeben.     Aki brauchte lange. Mehr als einmal war Makoto kurz davor nachzusehen, ob er überhaupt noch im Schlafzimmer war. Verstört auf der Bettkante saß und darauf wartete, dass Makoto zurückkam. Aber er beherrschte sich. Knetete stattdessen seine Handflächen und ließ seine Knöchel knacken. Irgendwann öffnete sich die Tür und Aki trat heraus. Ohne Fesseln.   „Ich bin fertig.“ Während er das sagte, hielt er den Kopf gesenkt. Makoto atmete ein und wieder aus.   „Gut. Dann geh jetzt ins Bad. Wasch dich und erledige deine Dinge. Ich werde draußen warten.“   Aki nickte leicht. Für einen Moment streifte sein Blick Makoto. Der Ausdruck, der darin lag, war eigenartig, doch noch bevor Makoto dazu kam, sich darüber Gedanken zu machen, war Aki auch schon verschwunden.   Du siehst Dinge, schalt Makoto sich und war sich sicher, dass all dies nur an seinem Traum lag. Dementsprechend freundlich begrüßte er Aki auch, als dieser nach einer Weile zurückkam. Er hielt zwei Becher hoch.   „Ich habe leider nur Nudeln zum Frühstück. Welche möchtest du?“   Aki, dessen Blick immer noch undurchdringlich war, deutete auf eine der Suppen. Makoto nickte, bevor er sich eilig umdrehte, um sich am Herd zu schaffen zu machen. Er brachte das Wasser zum Kochen, goss es in die Becher, verschloss sie, um die Hitze im Inneren zu halten und die Nudeln schneller zum Garen zu bringen. Als er fertig war, griff er nach den Stäbchen. „Es ist …“   'Angerichtet', hatte er noch sagen wollen, aber die Worte blieben ihm im Halse stecken. Der Stuhl, auf dem Aki gesessen hatte, war leer. Der Junge war weg.   Die Becher mit Instant-Ramen entglitten seinen Händen. Suppe spritze zur Seite, an die Wände, auf Makotos Füße. Makoto beachtete es nicht. Er stürzte aus der Küche. Ein Blick rundherum enthüllte ihm jedoch nur gähnende Leere. Keine kleine Gestalt in einer Yukata. Makoto begann zu rufen. „Aki? AKI!“   Aus dem Schlafzimmer kam ein Geräusch. Im nächsten Augenblick erschien der Junge an der Tür. In den Händen hielt er die Hand- und Fußschellen. Seine Augen waren weit aufgerissen. „Aki.“   Makoto starrte den Jungen an, als hätte er einen Geist vor sich. Sein Herz hämmerte gegen seine Rippen und ihm wurde klar, dass er wirklich und wahrhaftig riskiert hatte, dass sein Gefangener ihm auskam. Was, wenn er statt ins Schlafzimmer einfach nach draußen gegangen wäre? Womöglich im Wald verschwunden. Oder mit dem Auto weggefahren.   Ich muss die Schlüssel verstecken.   Eines von vielen Versäumnissen. Makoto versuchte zu atmen. „Was fällt dir ein?“, herrschte er Aki an, der immer noch wie erstarrt in der Tür stand. „Wer hat dir erlaubt aufzustehen?“   „Es tut mir leid.“   Schneller, als Makoto gucken konnte, war Aki vor ihm auf die Knie gesunken. Die Fesseln hatte er fallen lassen. Stattdessen legte er die Hände dicht vor sich auf den Boden und berührte sie mit seiner Stirn. Seine Stimme klang undeutlich zwischen seinen Armen hervor.   „Es tut mir Leid, ich hätte um Erlaubnis fragen sollen. Aber ich wollte doch nur …“   Makoto knurrte. Er wollte keine Ausflüchte hören, warum Aki sich unerlaubt von seinem Platz entfernt hatte. Gleichzeitig machte es ihn halb wahnsinnig, dass er nicht selbst daran gedacht hatte, die Fesseln zu benutzen. Er war nachlässig gewesen und das nur wegen eines verdammten Traumes.   Scheiße!   Immer noch schlug sein Herz viel zu schnell, das Frühstück war ruiniert und er hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Für einen Moment schloss Makoto die Augen. „Geh!“, sagte er und konnte förmlich hören, wie Aki den Kopf hob und ihn fragend ansah.   „Du wirst zuerst die Schweinerei in der Küche aufräumen. Dann wirst du neues Frühstück machen. Ich erwarte meine Suppe heiß und in der kürzestmöglichen Zeit. Haben wir uns verstanden?“   Makoto öffnete die Augen. Ganz so, wie er gedacht hatte, sah Aki ihn von unten herauf an. Doch wo Makoto Schrecken und Furcht, vielleicht sogar Verwirrung erwartet hatte, fand er etwas völlig anderes. Genugtuung. Makoto wusste nicht, was er davon halten sollte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)