Kopfsprung von Runaan (SasuSaku | Modern | Fluff) ================================================================================ Kapitel 1: One-Shot ------------------- In Tagen der bösartigsten Hitze war die Dunkelheit der beste Freund. Innerhalb des letzten Monats hatte er es daher perfektioniert, sich optimal den Schatten anzupassen. Der Ventilator war in Position gebracht ,sodass er ihm nicht direkt ins Gesicht blies aber die kühlende oder zumindest sich bewegende Luft seinen Nacken streifte. Das Fliegengitter hielt zusätzliche Besucher ab, die Lampe war so niedrig wie möglich eingestellt, um bloß nicht zu viel Wärme aber gerade genug Licht zu generieren und der Stapel Bücher auf seinem Nachttisch hatte sich beinahe aufgelöst. Während die Sonne unaufhörlich gegen die geschlossenen Rollläden seines Fensters schien, und sich nur gelegentlich von einem Sommergewitter vertreiben ließ, hatte Sasuke in diesen Sommerferien ein Paradies erschaffen. Doch man schaffte es nie völlig, die Sonne auszusperren, insbesondere, wenn man eine Person mit sonnigem Gemüt als seinen besten Freund mehr oder minder bezeichnete, lernte man irgendwann damit weiterzuleben. Der Juli war dann wohl die Ruhe vor dem Sturm gewesen. „Sag nicht ernsthaft, dass du hier drin versifft bist, Sasuke. Sag mir bitte nicht, dass du deinen Sommer im Bett mit Tolkien verbracht hast.“ „Lass mich raten“, grummelte Sasuke und zog sich die Decke über den Kopf, „Mein Bruder hat dich reingelassen.“ „Er hat mich sogar angerufen, weil er sich ernsthafte Sorgen um dein Sozialleben macht. Wenn die Mädels das wüssten, wärst du vielleicht nicht mehr Schulschwarm Nummer 1.“ Als ob das seine Priorität war. Er konnte nichts dafür, dass er seit der Grundschule gefühlt jedes Mädchen anzog. Er hatte nicht darum gebeten. Freundschaften aufzubauen war schier unmöglich weil er entweder schmachtend oder wütend angestarrt wurde. Daran hatte sich in den letzten zehn Jahren nicht wirklich viel daran geändert. „Jedenfalls ist dein Exil jetzt beendet. Du brauchst frische Luft. Wir gehen schwimmen, Sasuke. Heute.“ „Warst du nicht gerade mit deinen Eltern im Strandurlaub?“ „Deswegen weiß ich, dass du das brauchst. Ich bin Strandexperte. Also komm – Arsch hoch“, auf die unbarmherzigste Art und Weise begann Naruto an seiner Decke zu ziehen. Sasuke gab einen genervten Laut von sich, „Wag es nicht.“ Augenblicklich lies Naruto von der Decke ab. Zumindest das hatte sich über die Jahre bei ihnen eingepegelt – wenn eine Grenze signalisiert war, wurde diese respektiert. Meistens jedenfalls. Die blauen Augen seines besten Freundes schienen noch einen Ticken intensiver als sonst, das blonde Haar beinahe sonnengleich. Die schattigen Wände, die Sasuke so viel Schutz geschenkt hatten, wirkten mit Naruto in ihnen wie ein Käfig. Was könnte schon passieren? Sasuke setzte sich vorsichtig auf, um seinen besten Freund zumindest anzusehen, wenn dieser mit ihm sprach: „Wer kommt noch mit?“ Beiläufig griff Naruto nach seinem Handy. Das Licht des Smartphones blendete Sasuke auch vom Rande seines Bettes. Er schnitt eine Grimasse und hüllte sich mittels Decke erneut in Dunkelheit. „Shikamaru und Chouji…“ Gut. Beide waren ruhig und in der Regel diskret und nicht zu aufgedreht. Shikamaru würde sowieso den halben Tag verschlafen und Chouji war überraschend gut darin, Zusammenkünfte unter ihnen zu planen. „Sai…“ „Warum?“, zischte Sasuke sofort, „Weil er neu ist?“ „Yep. Und hey, er ist echt lustig, wenn man mal gelernt hat, nur jedes zweite Wort von ihm ernst zunehmen. Er hat außerdem kein social media, also wenn du dir Sorgen machst ,dass er ausplaudert wo du bist, kann das über Instagram nicht passieren.“ Ertappt. Sasuke musste genau wissen, wer mit ihm unterwegs war. Wenn er sich schon zum See schleppen ließ, dann nur in einer diskreten Runde. „Kiba wird nicht dabei sein“, setzte er kühl an, „Schreib ihm nicht.“ „Kiba wird dabei sein aber nicht weil ich ihn eingeladen habe, sondern weil sowieso jeder mit einem Funken Hirn außer dir am See ist. Hey! Hör auf, setzt dich wieder hin!“ „Ich hab keinen Bock darauf, den letzten Sommer zu wiederholen“, Sasuke ließ sich tiefer in die Matratze sinken und ignorierte das unwohle Gefühl in seiner Brust, dass er spürte, wann immer ihm die Blicke etwas zu viel wurden, „Wenn Kiba da ist, bin ich raus.“ Anstatt ihm gut zuzureden, plauderte Naruto weiter, „Jedenfalls wird Kiba nicht mit uns da sein, sondern eh schon irgendwo dort herumhängen. Die letzten drei unserer Gruppe sind Neji und-“ „Lee und Tenten. Geht klar.“ Ursprünglich hieß es mal „keine Mädels“ wenn sich Sasuke dazu herablies etwas in einer Gruppenkonstellation zu erleben, doch, nachdem sie auf Narutos Drängen Neji in ihren Freundeskreis aufgenommen hatte, waren Lee und Tenten irgendwie hereingerutscht. Lee war Sasuke meistens zu aufgedreht, aber er und Naruto waren wie zwei Hunde, die man in den Garten lies, um sich auszutoben und glichen sich dadurch erschreckend aus. Und Tenten? Tenten war ein Ehrenmann – kein Drama, kein Gerede über Make-Up und tatsächliche Gespräche, die sich zwischen ihnen ergaben, ohne, dass er Angst hatte, ihr gleich erklären zu müssen ,dass er nicht interessiert war. „Gib mir fünf Minuten“, murmelte er leise und erhob sich das erste Mal für den heutigen Tag aus seinem Bett. Sasuke beschloss, den Kopfsprung ins soziale Leben für heute irgendwie zu meistern. * „Mann bist du blass, warst du überhaupt diesen Sommer draußen?“, begrüßte ihn Shikamaru, der erstaunlicher Weise sogar ziemlich braun aussah. Lee, der mit dem Sonnenschirm kämpfte, winkte ihm kurz enthusiastisch zu, was Sasuke half, die hautenge quietschgrüne Badehose zu ignorieren, die dieser trug. „Hn“, antwortete Sasuke. Shikamaru ließ sich wieder auf das Badehandtuch fallen und machte keine Anstalten, Lee und Chouji zu helfen. „Sasuke ist halt ohne mich hoffnungslos verloren“, lachte Naruto und befreite sich von seinem T-shirt, „Hat wer Lust auf Wasserball?“ Oh Gott, nein. „Oh Gott, ja!“, grinste Lee, „Zwei gegen zwei? Sasuke, Neji?“ Neji setzte wortlos die Kühltasche ab. Ebenso wie Sasuke war er noch auffallend blass. Wie er es schaffte mit seinen langen Haaren überhaupt diese Hitze auszuhalten war ein Rätsel. Seine silbergrauen Augen suchten die kohlefarbenen von Sasuke für einen Moment. Ihre Rivalität hatte, anders als Sasukes und Narutos, sich nie völlig in eine Freundschaft entwickelt. Wenn eine Klassenarbeit geschrieben wurde, galt es sich bis auf die Stellen hinter das Komma ihrer Punktzahl zu vergleichen. Wenn es darum ging, eine Wahl zu gewinnen, endete es im Gleichstand. Selbst wenn es um Aufmerksamkeit ging, hielt Neji ohne Weiteres mit. Auch jetzt sah es stark nach Gleichstand aus – beide totenblass und offensichtlich nicht ganz aus eigenem Willen Teilnehmer des heutigen Events. „Meinetwegen“, kam es von ihnen gleichzeitig. Während er und Neji sich seelenruhig Richtung Wasser aufmachten, sah Sasuke aus den Augenwinkeln wie Tenten mit den Augen rollte, den Sonnenschirm Chouji abnahm und eigenhändig aufstellte. Das Wasser war überraschend kühl. Sasuke hatte befürchtet, dass der See sich eher wie Badewasser anfühlen würde, aber die nächtlichen Gewitter brachten genug Abkühlung, sodass sich der Gedanke, länger im Wasser zu bleiben, beinahe schon gut anfühlte. „Guter Sommer?“, fragte Neji was so viel bedeutete wie Tolerierst du das hier gerade auch so sehr wie ich? „Guter Sommer“, antwortete Sasuke, was so viel bedeutete wie Wenn ich könnte würde ich per Kopfsprung ins Wasser hechten und nie wieder auftauchen. In einvernehmlichen Schweigen nahmen sie neben ihren extrovertierten Freunden Platz und spielten bis sich der Wettkampf in einem Unentschieden verankerte. Aber die Hitze war nicht länger so drückend – sie war Teil des Spiels als Naruto nach vorne hechtete und ihm den Ball zuwarf. Als Sasuke untertauchte und Neji ihm den Ball abnahm grüßte sie ihn fast schon aufmunternd, als er wieder an die Oberfläche schwamm. Sie machte sogar das Unentschieden beinahe annehmbar. „Super Jungs, das war großartig!“ Und schlagartig verwandelte sich die Luft wieder in die grauenhafteste Personifikation des Sommers als Sasuke, Neji, Lee und Naruto Richtung Ufer blickten und erkannten, dass sich an ihr Handtuch eine weitere Gruppe gesellt hatte. Die Stimme, die mühelos zu ihnen herüberschallte, gehörte Ino Yamanaka, die gerade ihr Smartphone nach oben hielt und filmte. Sasukes Position korrigierte sich sofort – der Rücken gerade, die Brust herausgestreckt. Er hasste sich dafür. Genau deshalb war er nicht rausgegangen. Neben ihm wrang Neji seine langen Haare aus. Das Lächeln war ebenso schnell von seinen Lippen verschwunden. Hinter Ino erkannte Sasuke Hinata, die unter ihrem Sonnenhut trotzdem mit hochrotem Kopf zu ihnen sah. Eigentlich mochte Sasuke sie ganz gerne, aber Neji wurde immer etwas ekelhaft, sobald sie dabei war. Sasuke musste sich nicht umdrehen, um zu sehen, wie Neji Naruto bereits einen genervten Blick zuwarf. „Sakura! Hast du uns angefeuert?“, rief Lee fröhlich und begann zu winken. Damit war die letzte Person auch bereits identifiziert. Sakura Haruno hatte einen neuen Haarschnitt und winkte ihnen höflich zu. Sasuke rollte leicht mit den Augen – selten hatte ihn jemand so angeschmachtet wie sie, und selten war es ihm so unter die Haut gegangen, dass er am liebsten das Weite gesucht hätte. „Hat Tenten das ausgeplappert oder was?“, zischte Sasuke zu Neji, während Naruto und Lee den Mädels bereits entgegen gingen, „Ich dachte wir hatten eine Abmachung.“ „Haben wir auch“, zischte Neji und warf sein langes Haar zurück, „Außerdem hat Naruto den Seeausflug angekurbelt – also ist das hier auch auf seinem Mist gewachsen. Ich hab ebenso wenig Lust wie du mich mit denen abzugeben.“ „Naruto kann dicht halten“, knurrte Sasuke zurück und machte sich nun ebenfalls Richtung Ufer auf. Der Widerstand des Wassers gegen seine Beine war schwer zu ignorieren, doch er lief unbeirrt weiter. „Jetzt mach doch mal das Handy aus, Ino, das nervt", forderte Shikamaru. Die Augen hatte er weiterhin geschlossen, aber da Ino eh ständig am Handy klebte, brauchte er sie wahrscheinlich gar nicht erst zu öffnen. „Unser erster Klassentrip an den See und ich soll das nicht dokumentieren?“ „Es ist kein Klassentrip“, korrigierte Choji und strich die Decke glatt, damit kein Sand auf sie kam, „Die Hälfte fehlt und ihr habt euch selbst eingeladen.“ „Das stimmt doch überhaupt nicht! Und dann filme ich das eben für private Zwecke!“ „Wenn wir euch Mädels beim Schwimmen für private Zwecke filmen würden, wärst du die Erste, die sich aufregen würde. Leg es einfach weg“, Shikamaru machte keine Anstalten sich zu bewegen, doch schaffte es so wie immer, Ino ein wenig zur Einsicht zu bringen. Sasuke war mehr als glücklich, dass er dabei war. Ino rollte mit den Augen, aber ließ tatsächlich das Handy sinken. Für eine Sekunde kehrte wundervolle Harmonie ein, als sie sich mit den anderen Mädchen auf dem Handtuch neben ihnen fallen ließ. „Ich dachte ihr wolltet ins Kino“, Nejis Stimme war kalt wie Eis. Mit frostigem Blick setzte er sich in den Schatten, „Am anderen Ende der Stadt, Hinata. Du lagst mir seit Tagen damit in den Ohren.“ „Ä..ähm, a-a..a-also…” Super. Das würde jetzt noch mindestens eine halbe Stunde dauern. “Ich habe sie gefragt. Ist doch okay, oder?“ Sasuke hatte Sai nicht einmal wahrgenommen, ehe er gesprochen hatte. Es war als wäre er quasi aus dem nichts auf ihrem Badehandtuch manifestiert Während Sasuke und Neji blass waren, wirkte Sai fast wie ein Geist. Sasuke war nicht wirklich ein Fan von Sai – das Lächeln war so dermaßen falsch, dass es selbst ihm zu viel war. Aber warum zum Teufel hatte er die Mädels denn eingeladen? „Klar ist das okay, ist doch super“, grinste Lee, „Je mehr, desto besser!“ Sasuke verstand einmal mehr, dass Traum und Alptraum sehr nah beieinander waren und häufiger ineinander übergingen. * „Jetzt guck doch mal hin.“ „Ich guck ja.“ „Nein, du guckst überhaupt nicht, Shikamaru. Du sollst mal richtig gucken! Der Bikini steht mir doch super oder?“, „Ja! Ich schau doch hin!“ „Ich finde, dass du zauberhaft aussiehst, Ino.“ „Danke, Sai. Wenigstens einer hat Geschmack.“ Sasuke hatte das Gefühl binnen Sekunden mehrere Jahrhunderte gealtert zu sein. Er hatte sich an den Rand der Decke gelegt und zeigten den anderen bewusst den Rücken. Sie ließen ihn gott sei Dank in Ruhe. Aber die Lautstärke? Die konnte er nicht ausblenden. Wenigstens hatte sich für ihn inzwischen erklärt, warum Sai Ino und die anderen eingeladen hatte. Er stimmte ihr ständig zu. Er sagte ihr, wie toll sie aussah. Er hatte sich von ihr den gesamten Plot der letzten Riverdale Staffel erzählen lassen. Es war zum Kotzen. Etwas weiter abwärts vom Ufer hatten Naruto und Lee ein Volleyball-Netz aufgespannt. Tenten zeigte Hinata gerade, wie man einen Aufschlag richtig ansetzte. Neji starrte fernab von einer Bank weiterhin wütend vor sich hin. Chouji saß neben ihm und hielt ihm ein Stück Wassermelone entgegen. Zu Sasukes Überraschung nahm Neji es an und blieb, wenn auch weiterhin starrend, sitzen. Sasuke schloss die Augen erneut und versuchte, den Lärm auszublenden. Seine Gedanken wanderten fort von den melodramatischen Beziehungsdramen und konzentrierten sich auf den Sommerwind, den Duft von frischem Wasser in der Luft. Das Sonnenlicht fühlte sich wie eine wohltuende Decke an. Mit genug Fantasie konnte Sasuke weiterhin versuchen so zu tun, als sei er zu Hause. Vor seinem inneren Augen erschienen bereits die Mauern von Helms Klamm. Er führte gedanklich den Handlungsstrang weiter. Er hatte die Bücher inzwischen so oft gelesen, dass er dieses Jahr zum Spaß versucht hatte, bestimmte Passagen auswendig zu lernen. „Sasuke?“ Eine weiche Hand griff an seine Schulter und riss ihn aus Mittelerde in die Realität zurück. Sasuke spürte ein leichtes Brennen, dass schnell schlimmer wurde. Er riss die Augen auf und setzte sich mit wütendem Blick auf, „Lass das.“ Ausdrucksstarte grüne Augen sahen ihn so erschrocken an ,sodass er seinen Tonfall sofort bereute. Sakura zog ihre Hand zurück, aber blieb neben ihm sitzen. Er folgte ihrem Blick auf seine Schulter und verzog das Gesicht. Scheiße. Sonnenbrand. „Ich dachte, wenn ich dich nicht wecke, dann bekommst du einen Sonnenstich. Sorry.“ Früher hätte sie sich wahrscheinlich fünf Mal entschuldigt. Und dann hätte sie ihn immer wieder angestarrt. Doch an Sakura war wohl einiges anders – nicht nur der Haarschnitt. Sasuke folgte ihr mit seinem Blick, während sie zu ihrem Platz zurückkehrte und ein Buch umdrehte, dass mit dem Rücken nach oben lag. Tolkien.Die Rückkehr des Königs. Sakura sah ihn gar nicht mehr an. Es war ungewohnt und angenehm. Erst jetzt bemerkte Sasuke, dass die Decke sich komplett geleert hatte. Die Gruppe stand um das Volleyball-Netz versammelt und war weit genug weg, dass er sie kaum noch hören konnte. „Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte er versöhnlich. Sakura blickte von ihrem Buch auf und zuckte mit den Schultern, „Als ich vom schwimmen zurückkam warst du hier und die anderen alle drüben. Ich bin nicht so wirklich gut im Volleyball und der Schirm war frei ,also bin ich hier geblieben. In der Sonne schlafen ist wirklich riskant, weißt du?“ Sasuke trauerte seiner Haut hinterher und bewegte sich Richtung Kühltasche. Sakura lies ihr Buch neben sich senken, „Warte. Ich hab was dabei. Aloe hilft besser als ein Kühlpad“, mit ruhiger Hand griff sie erneut in ihre Tasche und hielt ihm eine kleine grüne Tube entgegen, „Ich sag nächstes Mal Naruto Bescheid.“ „Ist schon okay“, Sasuke ignorierte den bitteren Geschmack auf seiner Zunge. Tatsächlich hatte sie es ja nur gut gemeint und er hatte leider die Tendenz etwas schneller bissig zu werden, wenn man ihn plötzlich ansprach. Woher hätte sie es wissen sollen? Vorsichtig rieb er seine Schulter ein und sprach weiter, „Liest du das das erste Mal?“ „Den Herrn der Ringe? Ich bitte dich“, sie schenkte ihm den Hauch eines Grinsens, „Ich lese die Reihe jedes Mal in den Sommerferien. Eigentlich wollte ich erst auf dem Heimweg weitermachen aber die Stelle ist gerade so spannend.“ Sasuke ignorierte den fröhlichen Hüpfer, den sein Herz machte. Den anderen Jungs war Tolkien zu langatmig und Neji war, natürlich, ein C.S. Lewis Verfechter. Er hätte nie gedacht, dass er und Sakura einmal etwas gemeinsam haben würden – und dann noch etwas, worüber man Stunden reden konnte. Jetzt, wo sich diese Möglichkeit jedoch ergab, merkte Sasuke, dass sein Mund sich etwas trocken anfühlte. Er runzelte die Stirn, räusperte sich, griff in die Kühltasche und nahm einen Schluck. Schließlich entschied Sasuke sich für eine einfachere Bemerkung: „Cool.“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem zögerlichen Lächeln, „Echt?“ „Echt.“ Beinahe zufällig beugte er sich herüber um einen Blick auf die Zeilen erhaschen zu können, als ein lautes Kreischen ihn zurückweichen ließ. Wasser spritzte von der Seite des Ufers auf die Handtücher. Sasuke verzog das Gesicht. Er musste nicht einmal hinschauen, um zu wissen ,wer gerade das aufkommende Gespräch gestört hatte. Der Hund, der dem Kreischen und Lachen folgte, identifizierte den Störenfried sofort. „Wasserschlacht, Zweier-Teams, Junge und Mädchen, los geht's!“ Es war nicht so, dass Sasuke Kiba hasste. Er hasste nur, dass gefühlt alles in Chaos endete, wenn Kiba auftauchte. So wie jetzt als er nach Sakura griff und sie somit von ihrem Buch und, viel wichtiger, von ihrem gemeinsamen Gespräch trennte, in dem er sie ins Wasser zog. Sakura starrte ihn verdattert an, während Sasuke vorsichtig ihr Buch unter ihre Tasche legte. * „Schmollst du oder ist das nur der normale Gesichtsausdruck?“, fragt Naruto und ließ sich neben ihm nieder, während die Wasserschlacht in vollem Gange war. Kibas ursprüngliche Regel schien vergessen. Hinata wurde von Neji erfolgreich davon abgehalten in die Mitte des Gefechts zu gelangen. Lee saß auf Tentens Schultern und lieferte sich einen überraschend harten Kampf mit Shino, der es schaffte, trotz seiner Position auf Kibas Schultern seine Sonnebrille auf der Nase zu behalten. Ino, Shikamaru und Chouji dominierten das Schlachtfeld , während Sakura Sai dabei half, sich die Augen auszuwaschen. „Ich schmolle nie.“ „Sasuke ,ich kenn dich seit dem Sandkasten. Niemand schmollt so sehr wie du“, feixte Naruto, „Also – bist du sauer, weil Kiba da ist, oder weil er dir Sakura weggeschnappt hat?“ Früher hatte Sasuke gedacht, Naruto wäre dumm. Leider hatte sich dies als falsch herausgestellt. Naruto war treudoof. Schulische Leistungen lagen ihm nicht – aber auf emotionaler Ebene war er ihm doch um einiges Voraus. Sasuke wusste selbst nicht genau, warum er wütend war. Der letzte Satz ließ ihn jedoch eine Grimasse schneiden. Eine klare Antwort für sie beide. „Bingo“, kicherte Naruto, „Süß, ehrlich. Ich fand sie auch mal toll. Lee findet sie glaube ich immer noch gut.“ „Das verstehst du falsch. Sie liest auch Herr der Ringe. Ich wollte mich mit ihr austauschen. Das ist alles.“ Er hatte sich noch nie mit jemanden über seinen Büchergeschmack austauschen können. Er hatte demnach ein Recht darauf. Ein Recht, dass Kiba ihm gerade versaute! Natürlich war er sauer – das war kein Schmollen, das war ein berechtigtes Ärgernis. „Tja, da kann ich dir nicht helfen. Aber“, mit einem teuflischen Lächeln lehnte Naruto sich etwas mehr zu ihm, „Ich kann das hier zumindest beenden. Meinst du, du fühlst dich bereit für die Klippe?“ Sasuke liebte und hasste die Klippe. Sie war ein noch größerer Ort des sommerlichen See-Spektakels. Ein Sprung von der Klippe gehörte zu jedem Seebesuch – doch man stand so lange an, dass es sich meistens nur einmal lohnte. Gerade jetzt, wo der Tag sich bereits dem Ende neigte, und die ersten Leute heimwärts gingen, würde die Schlange enorm sein. Schließlich war diese Einmaligkeit das perfekte Ende zu einem Sommertag. Kiba würde hundertprozentig darauf anspringen. Aber die Art, wie Naruto fragte lies ihn aufhorchen. Normalerweise wäre Naruto doch auch der Erste, der zur Klippe springen würde. „Seit wann fragst du mich sowas“, hakte Sasuke misstrauisch nach, „Natürlich gehen wir zur Klippe. Wir gehen immer zur Klippe.“ „Du und Sakura gehen zur Klippe. Ich bleibe hier“, Narutos Blick schweifte zurück Richtung Wasser, „Die arme Hinata hatte Neji die ganze Zeit an der Backe. Wenn du gehst, dann kann Neji keinen Rückzieher machen. Tenten und ich schnappen uns Hinata und schauen euch von unten zu.“ Sasuke hob überrascht eine Augenbraue an. Daran hatte er gar nicht gedacht. Aber so war Naruto halt einfach – er hatte ein gutes Herz, wo bei Sasuke meistens nur Dunkelheit herrschte. Und eben ein bisschen Platz für Tolkien. „Es gibt nur einen Nachteil“, grinste der Blondschopf neben ihm, „Du musst es vorschlagen. Wenn ich es vorschlage und dann einen Rückzieher mache, wirkt das dämlich. Also, Sasuke Uchiha – Arsch hoch.“ Sasuke Uchiha hätte die Augen verdreht, wenn jemand ihm gesagt hätte, dass er für die Chance eines weiteren Gespräches mit Sakura aufstehen und die Stimme erheben würde: „Hat wer Bock auf Klippenspringen?“ „Oh gott ja!“, grinste Lee. Naruto schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter – das Brennen war beinahe angenehm. * Das Problem an einem Plan war, dass er nur eine Hypothese war. Versuchte man ihn in die Tat umzusetzen, erkannte man eine Menge an Hindernissen, die man vorher nicht bedacht hatte. Die gute Nachricht war, dass Naruto Hinata wirklich aus dem Verkehr gezogen hatte. Tenten hatte Neji mit einem kühlen Blick den Beschützerinstinkt ausgetrieben. Shikamaru war von Ino zum Fotografen ernannt worden. Kiba hatte großzügig entschieden als Erster zu springen. Die schlechte Nachricht war, dass Ino Sakura komplett in Beschlag genommen hatte. Sie standen ganz hinten und klammerten sich beinahe aneinander. Sai, der zwischen Lee und Chouji stand, schaute immer wieder zu ihnen wie ein getretener Hund. Sasuke fühlte sich, schrecklicherweise, ebenfalls miserabel. „Du oder ich zuerst?“, fragte Neji, der neben ihm stand beiläufig, was so viel bedeute wie Ich werde dich im heutigen Kampf fertig machen und für den Rest des Sommers darfst du meine Füße küssen. „Mir egal. Du stehst eh weiter vorne“, antwortete Sasuke, was so viel bedeutete wie Komm von deinem hohen Ross runter und lass mich doch einfach mal ein Gespräch führen. Während seine Schultern und sein Rücken brannten wie Feuer, war seine Brust kalt. Es wurde langsam kühler und Sasuke fühlte, wie der Tag am See bereits sich in seinen Knochen festsetzte. Er würde wunderbar schlafen können, wenn er wieder zu Hause war. „Du musst auch wirklich nicht, Sakura. Hier ist keiner da, dem du was beweisen musst.“ Auch, wenn er nur mit halben Ohr hinhörte, war Sasuke aufmerksam genug um den Kern zwischen Inos und Sakuras Gespräch mitzubekommen. Jetzt sah sie schon fast etwas mehr aus, so wie er sie in Erinnerung hatte. Ein Lehrerliebling, ein wenig zurückhaltend, wenn auch zielstrebig. Niemand, der freiwillig von einer Klippe springen würde. „G-..geht schon“, stotterte Sakura und umarmte ihre Schultern, „Kein Thema.“ Kiba war bereits an der Klippe angelangt und nahm großen Anlauf. Mit einem Wolfsgeheul landete er im Wasser. Sakura wurde deutlich blasser. „Bist du dir sicher? Hör mal, ich kann auch dich erstmal zu den adenren und bring dich erstmal zurück. Sai, du bist doch so lieb und hälst mir einen Platz frei, oder?“ Sai horchte sofort auf. Das Lächeln auf seinen Lippen war erschreckend echt. Sasuke sehnte sich nach dem falschen Grinsen, dass ihm inzwischen so bekannt war. „Natürlich, Ino!“ Nein. Nein, nein, nein. Wenn Sai ihm diese Sache eingebrockt hatte, dann würde er sie auch ausbaden müssen. „Du springst vor mir“, zischte Sasuke zu Neji, „Tausch mit Sakura?“ Er ignorierte den belustigten Ausdruck auf Nejis Gesicht, als dieser an Sakura Platz schritt. Er ignorierte ebenfalls Inos breites Grinsen als Sakura mit hochrotem Kopf zu ihm ging. „Womit hab ich das jetzt verdient?“, fragte sie ihn leise, während Lee und Chouji gemeinsam sprangen. Neji streckte sich vorsichtig und band seine Haare in einen Pferdeschwanz. Es kostete Sasuke all seine Willenskraft dem herausfordernen Blick nicht mit einer herausgestreckten Zunge zu kontern. Würde eh dämlich aussehen. „Was?“ „Dass du mir hier gut zuredest“, sie verschränkte ihre Arme, „Du behandelst mich sonst wie Luft, Sasuke. Hast du schon immer.“ Neji sprang mit dem Kopf voran von der Klippe. Jubel etönte sowohl aus der Schlange als auch vom Seeufer. Sakura biss auf ihre Unterlippe und wandte sich leicht von ihm ab. Ihre Brust bewegte sich schnell auf und nieder. Sie hatte Angst, das wusste er bereits, doch nun konnte er es sehen. Leider hatte sie zusätzlich Recht. Er war nicht sonderlich nett. Auch das wusste er. „Da kannte ich dich halt auch nicht. Ich sag ja jetzt nicht ,dass wir beste Freunde werden sollen…“, Ino sprang als nächste. Sai folgte ihr ohne einen Hauch von Zweifel. Jetzt waren es nur noch sie beide. Während der Himmel sich tiefstes Rot tauchte, war das Wasser beinahe Schwarz. Sasuke glaubte die anderen alle am Ufer erkennen zu können. Hinata, deren Schulter fast Narutos berührte. Tenten, die einen Arm um Lee und Neji gelegt hatte. Shikamaru, der sich von Ino bereits belehren ließ, warum er sie im Hochformat hatte filmen sollen. Chouji, der Kibas Hund einen Leckerbissen zusteckte. Kiba, der Sai aus dem Wasser half. Naruto, der ihnen lachend winkte. „Aber ich glaube, wir beide könnten uns gut unterhalten.“ „Und das sagst du mir hier? Auf einer verdammten Klippe?“ Sasuke spürte wie das Lächeln sich auf seine Lippen schlich, „Das war das Nächste am Schicksalsberg, das ich finden könnte.“ „Statt einem Ring im Feuer also ein Sprung ins kalte Wasser?“, lachte sie und sah etwas skeptisch Richtung Dunkelheit. „Es muss ja kein Kopfsprung sein“, grinste Sasuke und bot ihr seine Hand an. Als Sakura seine Hand nahm und sie einen Moment später gemeinsam fielen, fühlte es sich verdächtig nach fliegen an. Naruto würde ihm Jahre damit in den Ohren liegen, Recht gehabt zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)