Die Frage, die ich dir nie gestellt habe von Evilsmile ================================================================================ Kapitel 1: ----------- ~ Samstag, 08. April, Friedhof Laubheim ~ Ist das wirklich… Er? Warum jetzt, nach so langer Funkstille? Ausgerechnet heute? Wie hat er davon erfahren? Und was zum Teufel will er von mir? Nachdem er mich zuvor so billig losgeworden war? Ich halte den Atem an, schiele zu Martha neben mir, die ebenfalls überrascht scheint. Also ist sie nicht diejenige, die ihn kontaktiert und zum Kommen überredet hat. Plötzlich klingelt ihr Handy, sie entschuldigt sich und entfernt sich und nimmt den Anruf entgegen. So ist es immer mit ihr. Sie ist eine wunderbare Tante und Gesprächspartner, aber die Zeit mit ihr ist immer viel zu kurz und meistens ruft die Pflicht immer dann, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann. „Dominique“, begrüße ich im Näherkommen meinen Ex, der an der Pforte steht, schnippe meinen Zigarettenstummel weg und richte meinen Blick auf den leger gekleideten jungen Mann, der mir einst so vertraut war. Sein Kleidungsstil hat sich nicht verändert, aber ich sehe ihm seine Bemühungen an, sich von Kopf bis Fuß in Schwarz zu hüllen. So wie ich normalerweise gekleidet bin, nur an einem Tag wie heute etwas förmlicher, denn zur Beerdigung meines Vaters kann ich schlecht in den löchrigen Jeans aufkreuzen, die ich bevorzuge. „Hallo Sandro“, begrüßt er mich, als wäre nie irgendetwas vorgefallen. „Ich dachte, ich komme auch zur Beerdigung. Ich kannte Siegfried ja auch.“ „Mhh“, mache ich nur. Ob er ahnt, dass ich am liebsten gar nicht erschienen wäre? Und Martha auch eher spontan einen Last-Minute-Flug gebucht hat? „Wenn auch nicht gut so wie du“, nimmt er mir die Worte aus den Mund. Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit ich Dominique das letzte Mal gesehen habe. Ich weiß nicht mal mehr, wer von uns beiden Schluss gemacht hat. Wobei es weniger Schlussmachen im eigentlichen Sinne, sondern ein stilles, leises Ausklingen gewesen war zwischen uns, wie der letzte verhallende Ton einer Gitarre, der irgendwann nicht mehr hörbar ist. Mir wäre es lieber, er würde einfach wieder dorthin verschwinden, wo er hergekommen war, nach Berlin, oder auch nach Paris, ganz egal, nur weit weg von hier, diesem Friedhof, dieser Stadt! Ich hatte nämlich keine Lust auf Erklärungen meiner Familie gegenüber, die gleich aufkreuzen würden. „Ich glaube kaum, dass Vater auf deine Anwesenheit Wert gelegt hätte“, sage ich ehrlich. Die beiden waren nie ganz warm miteinander geworden. Zwar hatte ich mich letztendlich vor ihm geoutet, aber dass ich mit Dominique zusammen war, das hatte ich nicht erwähnt, sollte er es sich eben zusammenreimen. Als ob ich ihm da ein Mitspracherecht eingeräumt hätte oder gar um seinen Segen gebeten hätte! „Eigentlich wollte ich auch nur wissen, wie es dir geht, Sandro.“ Weiße Blütenblätter des Kirschbaumes rieseln, von einer Windbö erfasst, wie Schnee über unsere Köpfe hinweg. Jetzt bloß nicht sentimental werden. „Ha. Da musstest du dir ausgerechnet diesen Tag aussuchen?“ „Ich habe mich bei dir gemeldet…“ Ja. Zu meinem Dreißigsten. Eine lausige SMS! Ich schnaube hörbar. Er verzieht das Gesicht, sein attraktives Gesicht, die Frisur steht ihm gut. „Vielleicht nicht unbedingt der beste Tag…aber der, an dem du mich bestimmt brauchst, Sandro.“ Ach ja? Ich – ihn brauchen? Nimmt er das tatsächlich an? Ich komme ganz gut ohne ihn klar, doch ich habe nicht die geringste Lust, das jetzt mit ihm auszudiskutieren, weil das jedes Mal ausufert. Er konnte sich sowieso nie kurz fassen... Stattdessen öffne ich einfach das gusseiserne Friedhofstor mit einem Quietschen und er folgt mir hindurch. Vor vier Jahren waren wir erste Mal gemeinsm auf diesem Friedhof gewesen, weil ich ihm etwas zeigen wollte. Das Grab meines Bruders. Um ihm zu demonstrieren, wie kaputt ich innerlich war. Mich öffnen, wie man doch so schön sagt. Damit er die Chance bekam, es zu beenden, bevor es richtig begann mit uns. Aber ich bewirkte damit das genaue Gegenteil. Kein Wunder: neunzehn Jahre alt, geboren mit einem Helfersyndrom, als Zivi in einem Altenheim tätig, und irgendwie das gewisse Etwas, das mich gegen meinen Willen zu ihm hinzog, trotz aller Bedenken … ~ Das Leben ist wie eine Wurst, von der man sich jeden Tag eine Scheibe abschneidet. Diesen Spruch hat Vater mal losgelassen. Dieser Tag, diese Beerdigung, das ist wie ein verdammtes Déja-vu… Fast der gleiche schwarz lackierte Eichensarg – der Deckel zum Glück geschlossen – die gleichen traurigen Blumen und die gleichen nichtssagenden Gesichtsausdrücke. Nur, dass viel weniger Leute erschienen sind als damals bei Mario, wo es nach der Zeremonie einen unangenehmen, und sehr emotionalen Zickenkrieg zweier Verflossener von ihm gegeben hatte. Heute aber waren nur ich, Dominique, Jessy und ihr Verlobter da; Kevin, ihr zehnjähriger Sohn und mein Neffe; Vaters uralte Nachbarin, und ein Schulfreund von ihm, der einzige, den er nicht vergrault hat. Tante Martha natürlich auch, sie war schließlich seine Schwester. Und nicht zu vergessen: meine Mutter, diese schon seit langem gebrochene, zurückgezogen lebende Frau, nur ein Schatten ihrer selbst, ihre Haare nicht einmal versucht in Form zu bringen. Anders waren bloß meine gemischten Gefühle. Und Dominiques Anwesenheit. Wie ein Elefant im Raum. Die anderen haben es registriert, aber nichts gesagt. Er sitzt neben mir, als wäre er nie woanders gewesen. Als wären wir immer noch das Vorzeigepärchen, die zwei Verliebten, deren Liebe sogar ein Auslandssemester überlebt hatte. Als würde er zur Familie gehören…! Andächtig sitzt er neben mir auf der Kirchbank und lauscht tapfer der Traurede des Priesters mit seiner einschläfernden Stimme. Seine Hand ruht neben seinem Bein auf der Bank, falls ich denn das Verlangen hätte, sie zu ergreifen. Auf meiner anderen Seite sitzt seufzend Martha; und dieses Seufzen kenne ich nur zu gut, immer dann wenn sie etwas ertragen muss, wovor sie sich am liebsten drücken würde. Jetzt checkt sie unauffällig ihr Smartphone unter der Kirchenbank wie eine aufmüpfige Schülerin. Unverbesserlich. Neben ihr meine Mutter, die Finger so fest ineinander verschränkt, dass die Knöchel weiß werden. Dass ausgerechnet diese beiden nebeneinander sitzen, die sich am wenigsten zu sagen haben und unterschiedlicher nicht sein könnten… Dominique zieht Aufmerksamkeit auf sich, ob er will oder nicht. Ich spüre Jessys Blick schon die ganze Zeit auf meinem Hinterkopf und drehe mich zu ihr um, frage mich ob sie mehr weiß als ich. Doch sie und Dominique haben sich nur selten getroffen und ganz sicher keinen Kontakt zueinander. Sie hat zur Zeit kaum etwas anders als die Hochzeit im Kopf und ihren unübersehbaren Kugelbauch. Mir hat sie verraten, es würde dieses Mal ein Mädchen werden. Ausbildung beendet, Hochzeit im Juni, schwanger. Jessy ist das Paradebeispiel davon, dass das Leben nach dem Tod weitergeht. Hochzeit... Alles schwappt wieder hoch. Wie war eigentlich alles soweit gekommen, wie es jetzt ist? Meine Gedanken schweifen ab, in die Vergangenheit, ich nehme die Worte des Redners am Altar nur noch am Rande wahr, während ich Dominiques Gesicht im Seitenprofil betrachte. ~ Ich hatte gehofft, der Tag seiner Abreise würde niemals kommen. Doch sein Auslandssemester in Paris stand fest, noch ehe er sich an der Uni eingeschrieben hatte. „Weihnachten kommst du mich besuchen, dann feiern wir wieder bei Martha, ja?“, erwähnte er meine Tante, die wir vor vier Jahren dort besucht hatten – als es noch ganz frisch war mit uns beiden – ich hatte ihn nicht drängen wollen, aber es mir so sehr gewünscht… Hals über Kopf war er zum Zug gerannt in letzter Sekunde, und mein Herz hatte sich überschlagen vor Glücksgefühl, bei unserer Umarmung am Gleis. Bevor ich Dominique kennenlernte, fühlte ich mich wie von der Dunkelheit umarmt. Eine ziemlich lange Zeit meines Lebens sogar, die ihren Ursprung aber schon lange vor dem tödlichen Unfall meines Bruders hatte. Nicht umsonst hatte ich mir in einem Musikforum den Nicknamen EmbracedByDarkness verpasst… was meinen ersten Ex auf mich aufmerksam werden ließ, mit dem ich später eine Fernbeziehung führte. Ein anderer Verdammter. Lang war es her. Dominiques allererste Umarmung damals brachte das Licht in mein Leben zurück und damit die Hoffnung. Als er sich ganz unbedarft selbst zu mir nach Hause eingeladen hatte, den ersten Schwulen, den er jemals besuchte, und im Laufe des Abends dann irgendwann in meinem Schlafzimmer stand. Diese Umarmung, diesen Kuss den ich nie vergessen werde, während sein Herz flatterte wie ein panischer Vogel. Ich hatte vergessen, wie es sich anfühlte, sich auf morgen zu freuen. Doch er gab mir diese Freude zurück. Ich wurde regelrecht süchtig nach seiner Gesellschaft. Weihnachten wollte ich nicht unbedingt alleine mit Tante Martha in Paris verbringen, nicht solange der Hauch einer Chance bestand, dass Dominique mich begleitete! Tat er dann, und wir blieben bis Neujahr, das bot sich einfach an. Nicht, dass das Weihnachtsfest der ursprüngliche Anlass gewesen wäre oder wir drei viel von solchen Bräuchen halten würden… Es wurde trotzdem das beste Weihnachten seit sehr langer Zeit. Auch für ihn. Martha nahm ihn unter ihre Fittiche und gab ihm einen Schubs in die richtige Richtung, denn er war nach dem Abi etwas orientierungslos und ohne Ehrgeiz oder Überblick bei all den Möglichkeiten, die ihn überforderten. Kaum wieder zu Hause, begann sein Aktionismus quasi über Nacht, jeder Tag zählte, er wollte sich bereits für das Sommersemester an der Uni einschreiben und sein FSJ früher als geplant beenden. Diese Tage in Paris hatten seinem Leben endlich einen Sinn verliehen, erklärte er mir. Etwas werden, genau wie seine Kumpels, die bereits studierten. Er wisse nun endlich, wo es für ihn hingehen sollte. Nichts Geringeres als Psychologie sollte es sein! Alles lief soweit gut, in seinem Studium und mit uns. Er blieb erstmal in der Stadt, studierte und jobbte. Und war mit mir zusammen. Ihm war es von Anfang an ein Anliegen, dass wir immer über unsere Gefühle sprachen und nichts in uns hineinfraßen. Das hatte ich ihm versprochen. Für mich eine ganz neue Erfahrung, da musste ich erst hineinwachsen, das kannte icch nicht. Um darüber zu sprechen, musste man sich ihnen erst einmal bewusst sein, das war leichter gesagt als getan. Es fiel mir leichter, sie in Musik zu packen oder in einen Songtext. Doch Dominique blieb geduldig mit mir. Wir erarbeiteten uns eine Strategie, einen Kompromiss… entwickelten unsere eigenen Rituale. Wir verbrachten viel Zeit miteinander, erlebten so vieles zusammen. Das Leben war endlich mal wieder schön und wertvoll. Dann kam diese Zäsur: das verfluchte Auslandssemester in Paris, an das zu denken mir Magenschmerzen bereitete. Das war das Einzige, das ich nicht ansprach. Denn ich wollte ihn nicht mal auf den Gedanken bringen, es meinetwegen abzublasen. Der Tag des Abschieds kam dann auch gnadenlos schnell. Statt die Wochenenden bei mir zu verbringen, oder auch unter der Woche mal spontan vorbeizuschneien, war er von heute auf morgen in einem anderen Land. Eine Fernbeziehung! Schon wieder. Die mit Frank damals war schlimm für mich gewesen, scheiße ausgegangen, und ich hatte mir geschworen, nie wieder. Selber schuld. Für Dominique, einen jungen Mann zwischen allen Stühlen, war es nur eine Frage der Zeit, bis er der Stadt den Rücken kehrte. Und trotzdem hatte ich mich auf ihn eingelassen. Da musste ich nun durch. Es war ja bloß für ein Semester, das würde schnell herumgehen… sagten sie alle. Die Videochats waren unsere Rituale, trösteten über die Entfernung hinweg, Internet sei Dank. Aber eine Umarmung oder einen Kuss ersetzten sie natürlich nicht. Er erzählte mir von seinem Tag. Schickte mir Selfies von seinen Lieblingsecken in der Stadt. Erzählte mir von seinen Kommilitonen, seinen Dozenten und seinen Mitbewohnern, zeigte mir Fotos. Aber das mulmige Gefühl blieb bestehen. Er, der junge, bisexuelle Mann in grenzenloser Freiheit in einem fremden Land, das für seine Verlockungen berühmt ist… und ich, zurückgelassen in meinem Leben, meiner leeren Wohnung, jetzt, da mein Mitbewohner Tilmann für einen Job nach Bremen umgezogen war. Es war nicht so, dass ich so naiv war, an Monogamie festzuhalten. Oder ihm irgendetwas verboten hätte. Im Gegenteil! Ergibt sich mal eine Gelegenheit, dann nutze sie. Lieber das, als der verpassten Chance nachzutrauern. Man ist nur einmal jung und in Paris, kümmere dich nicht um mich. Sag es mir einfach nur, hinterher. Er lehnte ab, nein, so nötig hätte er es bestimmt nicht! Trotzdem schickte ich ihm eine Postkarte mit einem dazu passenden Zitat von Oscar Wilde. Ausgerechnet beim Geburtstag von Tante Martha im November, mit Wein, Skat und ihren Professoren-Freunden, den Gelehrten der schönen Künste, Literaturwissenschaftlern, Kunsthistorikern und Philosophen; Existenzialisten und Metaphysikern… passierte etwas. Betrat jener Frédéric aus Marseille die Bühne, der das Blatt wenden sollte. Ein neuer Arbeitskollege von Martha, sein Fachgebiet ebenfalls die Philosophie. Knappe zwanzig Jahre älter als Dominique. Ihre Anziehung war nicht körperlicher Art, sondern rein geistiger. Platonisch. Was mich fast noch mehr beunruhigte. Jemand, der, wie er es mir schilderte, seinen Horizont erweitern würde wie sonst niemand zuvor. Ich erinnere mich noch genau an einen Videocall mit ihm, bei dem er konfuse Sachen redete. Dass da etwas existierte, von dessen Existenz er nie etwas geahnt hätte. So in etwa, als läge da neben Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid noch ein unbekanntes, von keinem Forscher jemals erforschtes Teilchen in der Luft... doch Frédéric aus Marseille nahm plötzlich ein Messgerät aus der Tasche und bewies damit deren Existenz. So versuchte er es mir zu erklären, und ich war verwirrt. Redest du von Liebe?, hakte ich nach, doch er beschwichtigte mich. Nein, Sandro, etwas viel größeres, umfassenderes. Aha. Hast du also die Erleuchtung gefunden, oder was? Ich konnte ihm nicht folgen, konnte nicht der Aufforderung nachkommen, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen, weil es diesen überstieg. Ich war kein Akademiker; hatte mein Philosophie-Studium nach zwei Semestern hingeschmissen und eine Ausbildung als Physiotherapeut begonnen. Vom Geist zum Körper, von den Theorien in die Praxis. Aber Dominique studierte nicht Philosophie, sondern Psychologie! Wieso also philosophierte er mit diesem älteren Frédéric aus Marseille über Gott und die Welt? Ich fühlte mich von ihm verraten und entfremdet. Nicht nur räumlich entfernt, sondern auch geistig. Statt Erklärungen erntete ich immer öfter Lachen. Ob er gay war, dieser Frédéric? Was für eine Frage! Das ist doch überhaupt nicht von Belang, Sandro, er ist von seiner Frau geschieden, aber es geht um etwas völlig anderes. Dieser verdammte Frédéric aus Marseille wurde zu einem geflügelten Wort und zur Gestalt meiner Alpträume, ein Arschloch mit zwei accent aigu, der mir Dominique ausspannte, rein platonisch. Ich googelte ihn, fand sein Foto auf der Website der Sorbonne. Eine graue Maus mit schlechtem Modegeschmack. Heute Abend hab ich keine Zeit, ich treffe Frédéric, wir hören uns morgen! Diese Nachrichten häuften sich immer mehr. Das Rennen um seine Aufmerksamkeit gegen einen Mittvierziger zu verlieren, tat meinem Ego alles andere als gut. Dominique und Frédéric, das reimte sich… das passte bereits vom Klang so gut zusammen. Wie konnte man es so nötig haben, einem zwanzig Jahre Jüngerem etwas beweisen zu wollen? Midlifecrisis? Meine Eifersucht überspielte ich mit Spötteleien und vulgären Witzen. Ganz klar die falsche Taktik. Wohingegen Frédéric ihn dort abholte, wo er stand, nämlich zwischen allen Stühlen, verlassen und orientierungslos, und sich alle Zeit der Welt nahm, sich auf ihn einzulassen und ihm etwas beizubringen über die Welt und alles zwischen Himmel und Erde, ach, verdammt, hör auf. Der fickte ihn, fickte seinen Verstand und Dominique bemerkte es noch nicht mal! Heute glaube ich, dass es dieser Zwist war, die ihn in die Pariser Nachtclubs trieb. Wo er zum ersten Mal LSD ausprobierte. Angeblich ohne Frédéric. Neue Erkenntnisse gewinnen; transzendente Erfahrungen machen, sich selbst noch besser kennenzulernen und… um irgendwo auf seinem Trip, die Lösung für die Probleme der Menschheit finden würde. Oder speziell, wie er und ich wieder zueinander finden konnten, damit es wieder wie früher war zwischen uns. Hätte er es mir besser nie gebeichtet. Denn das entfernte uns noch mehr voneinander. Ich war tödlich sauer auf ihn, und verdammt enttäuscht. Er sollte mich eigentlich besser kennen! Ich musste wieder an all die Scheiße denken, die ich mit Flo durchgemacht hatte, mit seinen Drogenexzessen, die ihn letztendlich in die Entzugsklinik gebracht hatten. Von einem Partner, der Substanzen missbrauchte, war ich für mein Leben bedient! Wenn einem selbst nichts anderes übrig blieb, als hilflos zuzuschauen wie der geliebte Mensch sich selbst kaputt machte… Paris tat Dominique eindeutig nicht gut! Umso besser, dass Weihnachten vor der Tür stand, und ich ihn besuchen würde, und wir bei Martha eine nette Zeit verbringen würden. Es wurde auch wirklich eine schöne Zeit, Dominique war so liebenswürdig, fürsorglich, zugänglich, es war wie früher. Nein, sogar besser. Ein Ruhepol. Er war in sich selbst zuhause. War erwachsen geworde. Ssogar sein Körper etwas kantiger, denn er hatte in Paris das Fitnessstudio entdeckt, was ich ihm nie hatte schmackhaft machen können, seine Pariser Studienfreunde dafür umso mehr. Ich hatte wirklich befürchtet, dass wir nur am Streiten sein würden, aber dem war nicht so. Vordergründig zumindest. Falls er wütend auf mich war, so ließ er es sich nicht anmerken, wahrscheinlich brodelten da ein paar Schichten tiefer die Emotionen, denke ich heute, im Nachhinein. Aber da er immer derjenige war, der alles von sich aus ansprach, über Gefühle sprach und sich mitteilte; die Kommunikation in Person war, dachte ich noch nicht einmal eine Sekunde daran, dass da etwas sein könnte, was er lieber für sich behielt. Und ich wollte keinen Streit, sondern Frieden und Harmonie diese wenigen Tage lang. Keinen Streit provozieren und Zeit vergeuden, sondern jede Sekunde genießen, weil sie zu kostbar dafür waren. Ihn nicht zu sehr mit meinen Problemen nerven, organisatorischen Kram. Zum Beispiel, dass meine Untermieterin bald ausziehen würde, eine etwas zu anhängliche Erstsemester-Studentin, die ich mir nach Tilmanns Auszug gesucht hatte, eine reine Zweck-WG um Miete zu sparen. Dann wäre die Wohnung frei für ihn. Für uns als Paar. Eines Abends ergab sich doch die Gelegenheit ihn zu fragen: Möchtest du nach deinem Auslandssemester bei mir einziehen? Und Dominique willigte ein, er freute sich über dieses Angebot fast mehr als über sein Weihnachtsgeschenk, er lag in meinen Armen, und nie ging mir ein Liebesgeständnis leichter über die Lippen. Ein schöner Moment in unserer Beziehung. Ich reiste mit gemischten Gefühlen ab. Zwar hatte er mir geschworen, von Drogen die Finger zu lassen. Aber Paris war groß und voller Verlockungen… ich konnte es kaum erwarten, dass dieses verdammte Semester endlich zu Ende war, doch ich musste mich noch fast drei Monate gedulden… und in drei Monaten konnte viel passieren. Weil ich so misstrauisch war, erkundigte ich mich öfters bei Martha, ob sie wusste, was er so trieb abends. Schließlich war sie seine selbsternannte Mentorin. Das bekam er natürlich mit. Er war gekränkt, dass ich ihm hinterher schnüffelte, aber er musste jetzt auch viel für die Uni tun und versprochene Telefonate wurden kurzfristig abgesagt. Geduld. Ich brauchte nur Geduld. Vertrauen in ihn. Etwas Ablenkung. Unsere Zeit würde kommen. Schon bald würden wir zusammen wohnen! Meine neue Arbeitsstelle in der Praxis sollte im neuen Jahr eine Überraschung und Ablenkung für mich bereithalten. Eines Montags im Januar war er da, ein neuer Patient bei uns, gab mir einen Händedruck mit Nachdruck, stellte sich dabei als Adrial vor. Achtunddreißig war er, wie ich alsbald erfuhr, er sah jedoch deutlich jünger aus. So viel Charism! Er besaß Augen, die sich erst vorsichtig vorantasteten, und meine alsbald vereinnahmten. Die mich, was selten vorkam, überhaupt erst so richtig als Mensch wahrnahmen und nicht nur auf gute Beobachtungsgabe und ein gutes Gespür für Ästhetik schließen ließen, sondern ebenso auf einen scharfen Intellekt. Mein Gaydar schlug aus. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- 2 Adrial äußerte beim zweiten Termin seine Vermutung, seine immer wiederkehrenden Bandscheibenvorfälle hätten sicher psychische Ursachen. Er hätte kürzlich eine Psychotherapie begonnen, um alles aufzuarbeiten, was ihn seit der Kindheit nicht losließ und immer noch Auswirkungen auf sein Leben hätte. In Form von Komplexen; Gefühle für sich behalten, einfach nicht weinen können; der starke Mann sein müssen. Ich weiß noch, wie ich die Stirn dabei runzelte und mich in seinen Worten wiedererkannte. Meine zustimmenden Worte, dass solche Zusammenhänge durchaus existierten, schienen einen inneren Staudamm in ihm zu brechen. Schon sprudelte er los, machte Andeutungen, dass er zu sehr für seinen Beruf gebrannt hatte, sich nach dem Abi mit vollem Herzen ins Studium gestürzt, mit riesigen Selbstvertrauen und der Gewissheit, dass ihm die ganze Welt offenstand. Sehr zügig seine Karriere und ein Netzwerk aufgebaut und sich einen Namen in der Verlagswelt gemacht. Irgendwann war aber die Bruchlandung gekommen, ein fettes Stoppschild in Form eines komplizierten Bandscheibenvorfalls und Burnout, nein nennen wir das Kind beim Namen: einer Depression. Weil er sich viel zu wenig um sich selbst gekümmert und bloß für seine Karriere, seinen Verlag gelebt hatte, so seine Vermutung. Das würde er heute anders machen. Irgendwas rührte er in mir. Dieser Satz. Meine eigene Biografie, in der vieles nicht so verlaufen war, wie ich es geplant hatte. Was ich etwas in meiner Vergangenheit ändern könnte, was wäre es? Wer kennt dieses Dilemma nicht? Diese acht Jahre, die ich Dominique an Lebenserfahrung voraushabe, bestehen leider nicht nur aus Erfolgserlebnissen, Liebe und geilem Leben. Sondern aus vielen Enttäuschungen, Frustration, Trauer und Selbsthass, doch das verdrängt er gut. Eines Tages rückte Adrial ganz nonchalant damit heraus, dass er immer darauf hingearbeitet hatte, so auszusehen wie ich. Für wen denn?, versuchte ich ihn aus der Reserve zu locken, geschmeichelt über das verpackte Kompliment, doch erntete ein Achselzucken. Dieser Körper wäre doch das Idealselbst eines jeden jungen Mannes, schon seit der Antike. Gut aussehen, sich geil fühlen und alles anpacken, was man nur wollte. Durch seinen Bandscheibenvorfall war er aber gezwungen, jeglichen Kraftsport einzustellen und sich stattdessen Sportarten zu widmen, mit denen er seinen Körper nicht übermäßig belastete. Die ihm ein jungenhaftes Aussehen verliehen, mit dem man ihn niemals auf Ende Dreißig schätzen würde. Für mich besaß er den perfekten Körper. Von Natur aus ein schmales Kreuz, zierlichen Körperbau bei über eins achtzig Größe; diese verdammt ausdrucksstarke Augen, und er hatte dazu auch schon die Schattenseiten des Lebens kennengelernt… Scheiße, er war total mein Typ! Aber den Gedanken schob ich weit von mir, das war absolut nicht in Ordnung. Erstens war es hochgradig unprofessionell, zumal er sich ja immer noch in Physiotherapie befand, er auf meine Hilfestellung bei den Übungen angewiesen war, denn sein Körper war eine Baustelle. Außerdem, hell no! Ich war vergeben, an den schärfsten Austauschstudenten von ganz Paris! Adrials Genesung machte zügig Fortschritte, es war schön mitzuerleben, wie er sich Woche um Woche mehr bewegen konnte und seine Lebensfreude und sein Optimismus zurückkam, wie eine alte Haut, die er abstreifte und sein neues, schmerzfreies Ich zum Vorschein kam. Genau aus diesem Grund hatte ich mich für diesen Beruf entschieden. Den Flirt nahm er nicht mehr auf, Flirt wäre auch schon übertrieben, ich hatte wohl zu viel hineininterpretiert. Er war nett zu mir, ohne Hintergedanken. Fand mich einfach sympathisch, nicht mehr und nicht weniger, und das tat sehr gut. Bei seinem letzten Termin erwähnte er fast schon zu beiläufig seine Lieblingskneipe, einen Irish Pub in der Innenstadt, wo er gerne Samstagabend zum Fußballschauen hinging. Immer noch dieser einladende Blick, ein betontes Abwarten auf seine unausgesprochene Einladung. Dieses Lächeln dazu, verdammt! Klar, sagte ich unverbindlich, könnte man mal machen. Wenn es dir wieder besser geht, wobei Sitzen ja ziemlich Gift für den Rücken ist. Januar. Draußen war es dunkel, kalt und ungemütlich, aber ich dachte tatsächlich darüber nach, hinzugehen. Zum Fußball schauen. Aber mit welchen Konsequenzen? Er war höchstwahrscheinlich hetero, aber sollte ich Dominique nicht zumindest Bescheid sagen? Am Abend hatten wir unseren Videocall. Ich hörte mir seine Sorgen an, nahm ihm ein bisschen den Stress; etwas Beef in der WG; seine Schwester, sein Studium hier, seine Kommilitonen da…und ganz ehrlich? Ich sprach es nicht aus, aber der Gedanke drängte sich auf, dass er gar nicht wusste, wie gut er es hatte! Ich würde sofort mit ihm das Leben tauschen! Und was machst du heute noch?, kam dann am Ende die Frage, vor der ich mich ein bisschen gefürchtet hatte. Mal schauen. Noch nichts Bestimmtes vor, vielleicht Gitarre… Da war ein Kloß in meinem Hals und plötzlich der Widerwille, Adrials Namen auch nur zu erwähnen, es würde ihn hellhörig werden lassen, würde nachfragen, wer das war. Dass er bloß ein Patient von mir gewesen war, hetero dazu und wir bloß in einem Pub Fußball anschauen wollten, würde er mir niemals abkaufen. Ich hörte seine Fragen bereits im Kopf: Warum denn Fußball, das hätte mich doch nie interessiert, warum jetzt auf einmal? Und auch noch Bier, auf das ich doch sonst dankend verzichtete? Denn mir hatte er keine Erlaubnis gegeben, durch fremde Betten zu steigen… ich hatte aber auch nie danach gefragt und auch nicht das Verlangen danach. Ich müsste ihm dann erklären, was genau es war, wieso ich Adrial unbedingt wiedersehen wollte, außerhalb der Praxis und nicht als Patient. Was an ihm so besonders war, dass ich das erste Mal eine Ausnahme machte, denn es hatten bereits einige Patienten derartige Einladungen ausgesprochen, mal mehr, mal weniger ernst gemeint und nie war ich angesprungen. Bereits beim Versuch dieser Erklärung hatte ich mich dabei ertappt, wie es sich nach Rechtfertigen anhörte. Was es ja eigentlich nicht war, und darum würde ich es am besten verschweigen. Warum ihn auf diesen Gedanken bringen? Es war nicht der Rede wert. Diese Saat wollte ich erst gar nicht pflanzen. So verabschiedeten wir uns, ohne dass ich ihm mein Vorhaben verriet. Am Abend stand ich tatsächlich auf der Schwelle des Pubs und sah Adrial lässig in der Ecke sitzen, Pulli und Jogginghose an, als säße er in seinem Wohnzimmer. Just in diesem Moment entdeckte er mich, und von da gab es kein Zurück mehr. Er freute sich sehr, hätte wohl nicht mit meinem Erscheinen gerechnet und ich war in diesem Moment sehr froh, doch über meinen Schatten gesprungen zu sein. Auf dem großen Bildschirm lief bereits das Länderspiel kurz nach dem Anpfiff. Wie es seinem Rücken gehe? Nun, mittlerweile konnte er schon wieder einigermaßen sitzen, das würde schon, war er zuversichtlich. Nach dem ersten Guinness begann er, aus dem Nähkästchen zu plaudern, und wie ich vermutet hatte, war er hetero…ein klein wenig schade war das ja schon. So allgemein für die schwule Welt. Er erwähnte, dass es in seiner Ehe schlecht lief – ein Ehering, derartig rustikal, dass man ihn auf den ersten Blick gar nicht als solchen erkannte, und er trug ihn auch noch an der falschen Hand. Mit Ende Zwanzig schon Ja gesagt, der Erste im Freundeskreis. Unkonventionell auf so viele Arten! Mit mir könne man gut reden, sagte er in der Halbzeit. Ob er ganz offen zu mir sein dürfe? Viele Freundschaften aus alten Zeiten wären ihm nicht geblieben. Das gab mir zu denken. Der Abend verging im Flug. Mit ihm waren Bier und Fußball gar nicht so übel, da machte ich gern mal für ihn eine Ausnahme. Er strömte etwas Positives aus, das ansteckte. Wir verließen gemeinsam den Pub, bis zur Straßenecke, wo wir uns trennten. Ob ich auch liiert wäre, das fragte er die Woche darauf, in der wir wieder nebeneinander im Pub saßen und ein Spiel anschauten. Abermals ohne Dominiques Wissen. Ich bejahte ohne zu zögern. Seit mehr als zwei Jahren glücklich mit meinem Partner. Anders als andere Hetero-Männer, die verstummt wären und diskret und verschämt das Thema gewechselt hätten, als befänden sie sich auf offenem Meer auf einer Eisscholle, die ganz sicher irgendwo einbrechen würde, fragte er sogar nach. Fragte weiter, aus Interesse, sogar sehr private Fragen, entschuldigte sich dafür, doch warum? Ich erzählte ihm von der Fernbeziehung nach Paris, und dass ich Dominique bald besuchen wollte. Es wurde ein ganz amüsanter Abend. Zum Abschied wünschte er mir eine gute Zeit in Paris. Zu Dominiques Geburtstag hatte ich eine Überraschung geplant: Ich buchte eine Bootsfahrt auf der Seine, wo eine Band Chanson spielte. Und kaufte ein ganz besonderes Geschenk. Fragte ihn am Flughafen, wo er heute Abend feiern würde. Er nannte mir den Namen einer Fastfood-Kette, ohne zu wissen, dass ich unterwegs zu ihm war. In jenem Restaurant angekommen, das die Bezeichnung gar nicht verdiente, erwartete mich an seinem Tisch ein buntes Bouquet von Twens, wie vom Cover eines Französisch-Schulbuches entsprungen, alle Typen waren vertreten. Bloß dass die mit dem Spagettiträger-Top kein Mädchen war, sondern ein Typ mit Lidschatten, der sich bedenklich nah an Dominique schmiegte, sogar an seinem Glas nippen durfte. Blondierte Haare, Smoky Eyes und Make-up, das die Augenringe aber kaum verdeckten. Unterernährt und übernächtigt aussehend, als warte er nur auf seine nächste Dosis, diesen Blick kannte ich nur zu gut. Ob da etwas zwischen ihnen lief? War Dominique mit dieser Person in dem Club gewesen, und hatte das LSD von ihm bekommen? Ton petit-ami, fragte er ihn mit vor Ironie triefender, gepresster Stimme und da erst bemerkte mich Dominique, seine Stimme klang erfreut: Oui, mon petit-ami d´almagne. Très almond! Boah, konnte dieser Drogi einfach die Klappe halten, am besten für immer? Sehr ungern sprang er von seinem Schoß, damit Dominique aufstehen und mich mit ausgebreiteten Armen begrüßen konnte. Ein Kuss reichte nicht und zwei erst recht nicht. Ich wollte ihm nah sein, ganz nah, am liebsten bis zur Verschmelzung unserer Atomkerne. Er roch so gut, aber es war ein anderes Parfüm, als das, welches er normalerweise benutzte. Ich habe heute Abend was geplant für uns, Süßer. Kommst du mit?, flüsterte ich ihm zu. Da kann ich wohl nicht Nein sagen! Er zögerte keine Sekunde, verabschiedete sich herzlich und aufwändig und vor allem sehr französisch von all seinen Freunden; Küsschen hier, Küsschen da, sich schon richtig hier eingelebt, um sich mir anzuschließen. Seinem Freund. Der acht Jahre älter war, müde vom Flug und morgen eigentlich wieder zurückfliegen und arbeiten musste. Ich kam mir vor wie sein Trostpreis heute. Fehl am Platz. Zu uncool, zu alt und zu unfranzösisch. Er hing für meinen Geschmack viel zu lange an seinem Handy. Mit diesem Emmanuelle schreiben, der vorhin an ihm geklebt hatte und ich seufzte entnervt auf, mehr musste ich gar nicht sagen, er konnte schon immer jede Lautäußerung von mir interpretieren, jedes Schnauben, jede gezogene Braue, jedes Kräuseln der Mundwinkel, was mir anfangs imponierte. Ich sollte mich nicht lächerlich machen, es bestand überhaupt kein Grund zur Eifersucht, Emma war total harmlos und stand nur auf Kerle, die genau das Gegenteil von Dominique waren. Aha. Wie beruhigend, denn mein Süßer war das genaue Gegenteil von diesem Emma-Typen. Ein Glas Wein und ein Appetithappen dazu, den wir auf dem Boot auf der Seine einnahmen, untermalt von der Band, die gar nicht übel war (aber den ein oder anderen Ton danebengriffen, meinem Gehör entging das nicht) Das war ja wohl mal viel romantischer als diese profane Fastfood-Kette, wo er sich mit seiner Clique verabredet hatte… Trotzdem schien er mir nicht so begeistert, wie ich es erwartet hatte. Sie hatten vorgehabt, heute noch in ihrem Lieblingsclub abzuhängen, auch wenn morgen Uni war. Aber dann urplötzlich verschwand das Missfallen aus seinem Gesicht, er zog mich näher zu sich. Dass ich heute extra seinetwegen hergeflogen wäre, das würde ihm sehr viel bedeuten, sagte er ganz aufrichtig und ich verlor mich in seinem Blick. Jetzt, sagte eine innere Stimme, jetzt wäre der perfekte Moment…! Doch ich ließ ihn ungenutzt verstreichen. Irgendetwas ließ mich zögern. Vielleicht, weil mir an diesem Abend der Altersunterschied zwischen uns ganz besonders bewusst geworden war, als ich ihn, den ich so reif und besonnen kannte, mit seinen kindischen Peers erlebt hatte. Nur so ein Bauchgefühl. An diesem Abend landeten wir in seinem winzigen, aber geschmacklich eingerichteten Zimmer in seinem Appartement unterm Dachboden, das er mit drei anderen internationalen Studenten teilte. Er ließ sich von mir rücklings auf die Matratze legen, zog mich zu sich. Ich senkte den Kopf auf seinen Schritt, wo seine Lust pochte, bis er sie heiß ausspie. Mit einer geschmeidigen Bewegung drehte er sich um und ließ sich, noch immer vor Ekstase zuckend, von mir ficken. Unsere gut eingeübte Choreographie beherrschten wir noch immer. Körpergedächtnis. Fast wie ein Automatismus. Wir waren immer noch ein Paar, wir beide. Glückliche, monogam liierte, geoutete, leicht untervögelte Kerle im saftigsten Alter, auf freiwilliger Enthaltsamkeit während ihrer halbjährigen Zwangs-Fernbeziehung. Nur dass heute etwas anders war als sonst. Ob es die Eifersucht war oder die Sehnsucht oder das zweite Glas Wein auf dem Boot… Das Gummi jedenfalls hatte ich total vergessen im Eifer des Gefechts. Seine heiße Enge fühlte sich verlockend an, so pur, so richtig. Es war so intensiv wie noch nie. Nach wenigen Minuten explodierte bereits mein Unterleib. Das hatten wir noch nie, ohne Gummi, in der Hinsicht hatte er mir immer vertraut, weil wir es am Anfang besprochen hatten und mir das ebenso wichtig war. Er bemerkte es und stellte mich zur Rede. Ich murmelte etwas von, hast schon schlimmeres in dieser Stadt angestellt, oder nicht? und drehte mich erschöpft und verschwitzt zur Seite, wo mich die Müdigkeit überfiel. Dabei hatte ich doch ursprünglich etwas ganz anderes gewollt... Ich hörte nur sein verächtliches Schnauben, und wie er aufstand und das Zimmer verließ. Kurz darauf brauste die Dusche im Nebenzimmer los. Ich wollte mich bei ihm entschuldigen, doch ich war schon eingeschlafen. Am nächsten Tag ging verdammt früh mein Flug zurück nach Deutschland, in den grauen Alltag ohne ihn. Viel zu früh für mich, ich hätte einfach wachbleiben können. Ich wollte ihn nicht wecken und stahl mich aus dem Bett, was nicht schwer war. Denn es mussten keine Arme oder Beine von ihm, die sich im Schlaf um meine geschlungen hatten, behutsam gelöst werden. Dieses viel zu breite Bett demonstrierte die Distanz zwischen uns; Zeit und Raum hatte uns bereits so entzweit, dass wir uns an ein einsames Bett gewöhnt hatten, in dem man sich an niemanden anschmiegen konnte. An der Türschwelle ein letzter müder Blick zu ihm: Ruhig atmend lag er da, den Kopf in meine Richtung. Aber, war da eine Reflexion in seinen Augen vom Lichtschein im Flur? Oder bildete ich mir das bloß ein? Ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Ob er schlief, oder nicht doch wach war und nach mir schielte und nur deswegen nichts sagte, weil er wegen der Aktion gestern sauer auf mich war. Völlig zu Recht. Oder aber, er hatte in meiner Jackentasche etwas entdeckt, schließlich war ich vor ihm eingeschlafen... Mit einer gemurmelten Entschuldigung zog ich die Schlafzimmertür zu und machte mich auf den Rückweg. In dem Wissen, einen Augenblick, eine Chance verpasst zu haben, die nie mehr wiederkam. Gegen Mittag eine SMS von ihm: Du bist schon abgereist?! Wie stellst du dir das vor, antwortete ich in meiner Mittagspause, traumwandlerisch übermüdet, schlecht gelaunt und unkonzentriert, nur noch den Feierabend ersehnend, nicht mal Kaffee zeigte Wirkung. Ich kriege momentan keinen Urlaub, mir geht es nicht wie dir, der du das Studentenleben genießen darfst. Erst viel zu spät realisierte ich, dass ich ihm damit auf die Füße getreten war, denn seine Antwort lautete: So redest du nicht mit mir, und im Übrigen habe ich keinen Bock mehr, bei dir einzuziehen. Das schmerzte wie ein Dolch in die Brust… Ich rief ihn an, um das richtig zu stellen, um mich zu entschuldigen, doch kam nicht durch. Obendrein hatte er mich blockiert, wie es schien, so bockig kannte ich ihn gar nicht. Also löschte ich meine Nachricht, die ich zuletzt geschrieben hatte, bevor sie ihn erreichte. Ich konnte nicht fassen, dass ich es tatsächlich geschrieben hatte, schwarz auf weiß. Was ich für ihn in Wahrheit geplant hatte. Der Gedanke, der aus dem Nichts gekommen war, kurz bevor ich die Zugfahrt und das Restaurant gebucht hatte. Die verwegene Idee…der kitschigste Einfall, den ich je im Leben hatte… Etwas, das so untypisch für mich war, dass ich es niemals für möglich gehalten hätte, darüber jemals einen Gedanken zu verschwenden. Ich weiß auch nicht, warum ich es nicht fertig gebracht hatte. Nicht der Partner sein konnte, den er sich wünschte und den er verdiente und ihm das geben konnte, was er brauchte. Das hatte er mich deutlich spüren lassen in Paris. War er nicht die ganze Zeit über geistig abwesend gewesen? Hatte er mich im Bett nicht lustlos an sich herangelassen, nach dem Motto, wenn es sein muss, wenn du drauf bestehst, schließlich hast du so viel Geld heute für mich ausgegeben, dann nimm, als Gegenleistung, wir tun es eh nie so oft wie du gerne würdest. Als hätte er auf jemand anderen viel mehr Bock gehabt. Hatte er sich überhaupt gefreut mich zu sehen, oder war es reine Maskerade gewesen vor seinen Freunden? Jetzt im Nachhinein... Klar, eine Überraschung, ich durchkreuzte seine Pläne. Doch bis jetzt hatte ich angenommen, jemand zu sein, der ihm sehr wichtig war. Ich wollte nur noch schlafen, aber der pochende Schmerz hielt mich die ganze Nacht wach. Ich wollte pinkeln, doch Gott verdammt, es brannte wie Säure und trieb mir Tränen in die Augen. Das war wirklich die Höchststrafe. Mich bei ihm mit irgendetwas angesteckt zu haben, weil er doch nicht so treu gewesen war, wie er mich hatte glauben lassen. Die Woche verging, ohne dass ich noch etwas von ihm hörte, und ich saß im Wartezimmer des Arztes, zu dem ich mich geschleppt hatte und malte mir dabei schlimmste exotische Geschlechtskrankheiten tief aus der Pariser Drogenszene aus. Das hatte ich nun davon. Am Ende war es bloß eine Blasenentzündung. Ein paar Tage Antibiotika schlucken und es ertragen wie ein Mann. Und Dominique? Keine Reaktion auf meine Nachricht. Würde er am Wochenende endlich nach Hause kommen, weil die Vorlesungen vorbei waren, oder blieb er noch eine Weile dort? Auf diese Frage bekam ich ebenfalls keine Antwort von ihm. Er las die Nachrichten noch nicht mal. An einem Samstag kam eine Nachricht, aber nicht von ihm, sondern von Adrial. Ob ich wieder Lust auf Fußball mit Guinness hätte. Erst da realisierte ich, dass wir uns länger nicht gesehen hatten, und sagte zu. Es war eine willkommene Abwechslung. Und, wie war Paris?, begrüßte er mich in unserer Stammkneipe. Als er aber meinen Gesichtsausdruck bemerkte, wechselte er subtil das Thema, wofür ich dankbar war. Entschuldigte sich, sich nicht gemeldet zu haben, denn ihn hatte etwas beschäftigt. Die Art, wie er es sagte, ließ mich nachhaken. Irgendetwas war anders an ihm… Nicht nur die Augenringe. Lässt du dir einen Bart wachsen? Steht dir! Er strich gedankenverloren über sein Kinn. Eigentlich nicht, das wäre bloß Nachlässigkeit, ihm wäre im Moment so vieles egal, weil ihn so vieles beschäftigte. Daraufhin wollte ich wissen, was ihn denn so sehr beschäftigte, und es dauerte bis zur Halbzeit, bis er endlich damit herausrückte. Bei seiner Frau war Krebs festgestellt worden, sie, die immer so gesund und sportlich gelebt hatte! Eierstockkrebs. Glücklicherweise in einem sehr frühen Stadium. Sie müsste entscheiden, Bestrahlung oder Entfernen. Aber mit dem Kinderwunsch hätte es sich erledigt, und im Job musste sie jetzt auch kürzertreten, wo sie doch kurz vor einer Beförderung gestanden hatte. Wollte er denn Kinder, fragte ich vorsichtig. Nein, SIE wollte immer welche, irgendwann, aber er dachte, es bliebe noch Zeit dafür. Zeit, um das Leben zu genießen, bis die lästige Pflicht schrie, im wahrsten Sinne des Wortes. Viel zu viel Verantwortung. Und er hätte sich ohnehin nie als Vater gesehen, wenn er ehrlich war. Ich verriet ihm, dass mein Zwillingsbruder mit neunzehn Jahren Vater geworden war. Neunzehn!, rief Adrial aus, geschockt. Halb so alt wie er selbst jetzt war! Wie das für ihn gewesen war? Tja. Mario war gestorben, bevor sein Sohn das Licht der Welt erblickte. Das zu hören, ließ ihn schlucken. Wir waren Gefährten in unserem Kummer, und ich fühlte mich von ihm wertgeschätzt und wahrgenommen. Endlich mal jemand, der nicht mit dem Hintergedanken mit mir Zeit verbrachte, weil er mit mir ins Bett wollte. Oder weil wir uns eine Wohnung teilten oder in derselben Band spielten. Meine allererste, aufrichtige Männerfreundschaft. Man kann eben nie von außen erkennen, welches Päckchen ein Mensch mit sich herumträgt, sagte Adrial kurz darauf und ich stimmte ihm zu. Seit Paris war ein Päckchen mehr auf meinen Schultern abgeladen worden. Aber wenn ich ihn so anschaute – an diesem Abend schaute ich öfter ihn an als den Fernseher – ihn umgab ein rätselhafter Mix aus Ehrlichkeit, Melancholie und Verlebtheit. Wer hatte in seinem Alter schon vieles, auf das er zurückblicken konnte? Eine verwandte Seele. Kameraden im Schmerz. Just in diesem Moment erhielt ich eine Nachricht von Dominique, die mich fast vom Stuhl fallen ließ: Ich habe jemanden kennengelernt und werde mit ihm schlafen. Das riss mir den Boden unter den Füßen weg. Es schwarz auf weiß zu lesen, war etwas anderes, als ihm zum wiederholten Male zu garantieren, dass ich nicht sauer wäre, wenn er sich in Paris so richtig austobte. Nein, wollte ich im ersten Moment schreiben, denke noch nicht mal daran! Das Angebot gilt nicht mehr, du bist nicht mehr in Paris und ich ziehe es hiermit zurück! Doch das schrieb ich nicht, sondern gar nichts, denn es kam mir nach der Funkstille heuchlerisch vor. Ich war wütend auf mich selbst. Wo hatte er diesen Jemand kennengelernt? Und wann? Hatte er etwa mit ihm die ganze Zeit getextet, als ich bei ihm gewesen war? Da er ihn erst kennengelernt hatte, war es immerhin nicht dieser Emmanuelle. Adrial sah mir an, dass mich etwas zu bewegen schien. Ich muss los, verkündete ich. Erst, als ich vor Dominiques Wohnungstür stand, erfuhr ich, dass er umgezogen war. Die Uni gewechselt hatte, zum Sommersemester in Berlin weiterstudieren würde. Berlin?! Das alles teilte mir seine ältere Schwester mit, bei der er zuletzt gewohnt hatte, mit ihrem kühlen Blick, als hielte sie mich für den größten Trottel unter der Sonne. Wir waren nie so richtig warm geworden. Eine Männerstimme rief aus dem Wohnzimmer nach ihr und da schlug sie mir die Tür vor der Nase zu. Er war weg. Hatte mir nichts von seinen Plänen erzählt, nicht mal in Andeutungen. Still und heimlich hatte er sich aus seinem Leben geschlichen und seinen Platz hier mit Berlin getauscht. Und dort hatte er nun jemanden gefunden. Das war ein neuer Tiefpunkt in meinem Leben. Es ging mir scheiße. Jetzt im Nachhinein, kann ich dunkel erahnen, wie scheiße. Die Gedanken, die Karussell fuhren. Das Stück, das aus meinem Herzen gerissen und in den Müll geschmissen worden war. Nächsten Samstag war Adrial wieder im Pub. Ich erschien, ohne dass er mich einladen musste, und er war nicht überrascht. Und wie geht es dir, euch?, fragte ich vorsichtig, denn Adrial war sehr nachdenklich heute. Seine Frau hatte ihm heute eröffnet, nach der Krebsgeschichte ihr Sabbatjahr in Marseille zu machen. Marseille. Das Reizwort, das mich fast kotzen ließ. Adrial vertraute mir an, dass er sich veräppelt fühlte von ihr. Benutzt. So viel für sie tat, tagein, tagaus und Samstagabend seine einzige freie Zeit in der Woche war, an dem er nur an sich selbst dachte. Nur diesen einen Abend – und er hatte doch so schmerzhaft erst lernen müssen, auch mal an sich selbst zu denken. Niemals ein Dankeschön für all die Wärmflaschen, die er ihr kochte oder das Essen. Den Haushalt, den er alleine schmiss. Oder sie selbstverständlich zu ihren Untersuchungen fuhr, im Wartezimmer auf sie wartete. In die Apotheke ging und ihren Eltern eine Stütze war, die sich bei ihm ausheulten über das Schicksal ihrer einzigen Tochter. Kein fucking Dankeschön jemals, nie. Er fühlte sich hin- und hergerissen von dem Wunsch, sie loszuwerden, und dem Schuldgefühl, falls sie die Krankheit doch nicht überstehen würde… Exakt das waren meine Gefühle meinem Vater gegenüber, als ich ihn damals gepflegt hatte, bis endlich ein Platz im Altenheim frei wurde. Wo er merklich abgebaut hatte, obwohl er auf eigenen Wunsch dorthin gegangen war. Allzu lang würde das nicht mehr dauern, schätzte ich. Wollte sie schon immer nach Marseille? Und hat erst jetzt durch diese Krankheit den Mut dazu? Nein, nie hätte sie es ihm gegenüber erwähnt. Sie war nicht mehr dieselbe. Dominique war auch nicht mehr derselbe wie vorher… Er stimmt mir zu, so ein Auslandssemester konnte einen ganz anderen Blick auf die Welt vermitteln, das prägte sehr… Er erzählte mir von seinem Auslandssemester Dublin, wo er Guinness lieben gelernt hatte. Ich hörte nur halb zu. Ich war ganz klar derjenige, der stehen geblieben war. Der sich nicht weiterentwickelt hatte. Ich konnte einfach nicht mehr mit Dominique mithalten, das war alles, ein kleines, aber bedeutsames Detail. Ich stand still und er zog weiter. Keine meiner Beziehungen hatte länger gedauert als vier Jahre. Wir hatten unser Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, uns auseinandergelebt, uns in verschiedene Richtungen entwickelt. Er wollte Paris; wollte Berlin, wollte Partys, Drogen, Psychologie und Philosophie und Transzendenz. Und ich all das nicht. Aber was wollte ich? Das Beisammensein mit Adrial tat mir so gut. Weil er mich mochte und akzeptierte, so wie ich war, auf rein platonischer Basis, und ich nichts beweisen musste, ihn nicht beeindrucken musste. Was so viel wert war. Umso mehr verwunderte mich sein Vorschlag, nachdem das Spiel zu Ende war. Ich fragte nach, glaubte erst, mich verhört zu haben. Aber nein, das stand tatsächlich auf seiner Bucket List: Ein Mal in eine Gaybar gehen. Ob ich heute Abend Lust drauf hätte? Ich kenne doch sicher die ein oder andere. Könnte ihn in meine Welt ausführen. Es war zwar nicht meine Welt, und stellte das auch klar, aber Bock hätte ich irgendwie schon. Wir zahlten und brachen auf. Kapitel 3: ----------- Adrial und ich verließen also den Pub, um ein paar Straßenzüge weiter die mannbar zu besuchen, eine Schwulenkneipe, in der es locker zuging. Heute war jedoch Schlagerabend. Grauenhafte Musik, aber ausgelassene Stimmung. Wir verbrachten einen netten Abend dort, fast nur ältere Herrschaften und Tunten da, das sollte mir aber ganz recht sein. Wir bekamen Komplimente, was für ein schönes Paar wir doch wären... Adrial kam aus dem Lachen nicht mehr heraus, lag wohl auch daran, was er intus hatte, aber wir klärten das Missverständnis nicht auf. Ich weiß nicht recht, ob es bloß als Scherz gemeint war, als er mich fragte: Wär ich eigentlich dein Typ? Nur ein kleines bisschen, log ich, gezielt nicht den Blick auf seine Vorzüge gerichtet. Er war schon verdammt attraktiv... aber das stand nichtbzur Diskussion. Wobei ich mir wegen Dominique nun keine Gedanken mehr machen musste. Zeit war vergangen, doch abgeschlossen hatte ich natürlich noch nicht mit ihm. Es machte mich sogar traurig, an ihn zu denken. Ob er in die Stadt zurück kam, wenn sein Studium beendet wäre? Die war aber eigentlich gar nicht sein Zuhause. Wo würde es ihn hin ziehen? Ich fragte Adrial nach der Bucket List, was da noch so alles drauf stand. Nach kurzem Zögern erwähnte er den Pacific Crest Trail, eine Wanderroute entlang der Ostküste der USA, von der mexikanischen Grenze bis hoch an die kanadische. Den würde er gerne mal für mehrere Monate wandern, dieser Gedanke hatte ihn nach einer Doku nicht mehr losgelassen. Ich bestärkte ihn darin, diesen Traum weiter zu verfolgen. Warauf warten? Auf die Rente? Das Leben immer weiter aufschieben? Da gab er mir das Versprechen, loszuziehen, sobald seine Frau unterwegs nach Marseille war. Es wurde sehr spät in der Bar. Doch seit langem hatte Adrial sich nicht mehr so amüsiert. Seine Wut auf seine Frau, die krank zuhause saß, war verraucht. Er bedankte sich bei mir dafür, umarmte mich herzlich. Zum Abschied gab er mir den Rat, lieber schnell etwas zu unternehmen, wenn mir Dominique wichtig war. Ich zuckte nur die Achseln, wie sollte ich das denn forcieren? Und unternahm erstmal nichts - ich liebte ihn, aber ich besaß auch meinen Stolz... Dass ich mit Adrial in der mannbar gewesen war, hatte ungeahnte Folgen für mich. Ich hatte Gefallen daran gefunden, von fremden Männern mit Blicken ausgezogen und angeflirtet zu werden. In die Szene, die ich früher verabscheut hatte, flüchtete ich mich nun an den darauf folgenden Wochenenden. Bars, Kneipen, Discos, Saunas, das FASS mit seinem berüchtigtem Darkroom; alles was es in der Stadt gab - und es gab vieles - manche Leute erinnerten sich an meine Auftritte als Gitarrist mit meiner alten Band Gitarrhö, schade dass es sie nun nicht mehr gab. Ja, fand ich auch, es fuckte mich insgeheim richtig ab, keine neue Bandbesetzung mehr zusammen zu bringen und aufzutreten. Notdürftig flickte ich mit fremder Haut und dem Geruch frischen Männerschweißes mein angekratztes Ego zusammen. Dominique und ich waren kein Paar mehr; er wollte nicht bei mir wohnen und wohnte in einer anderen Stadt und vögelte einen anderen. Ich durfte also Sex haben, mit wem ich wollte, war meine logische Schlussfolgerung. Tagsüber mein Job, abends Training, und Samstagabend die Sau rauslassen. Geregelte Zeiten mit viel Abwechslung. Die einzigen beiden Dinge, die ich tunlichst unterließ, war eine neue Beziehung zu starten, und brach damit so manches Herz. Und in den letzten Winkel meines Nachtschrankes nach jenem schwarzen Kästchen zu schauen, das seit der Rückkehr aus Paris immer noch an Ort und Stelle lag, denn das würde mir das Herz brechen. Im Sommer fand der Gay-Pride statt, eine wahre Fundgrube. Mein Selfie vor den Regenbogenfahnen in der Innenstadt postete ich als Status, und erschrak später, als ich sah, dass Dominique ihn gesehen hatte. Erst zu meinem Geburtstag traf ich Adrial wieder. Ich verlor kein Wort darüber, wie ich meine Wochenenden verbracht hatte, wonach er zum Glück auch nicht fragte, und verriet ihm auch nicht, dass ich Geburtstag hatte. Das war bis heute kein Tag zum Feiern für mich, ein Tag mit fahlem Beigeschmack, denn es war auch Marios Geburtstag. Und der könnte ihn nie wieder feiern. Wir schauten Public Viewing draußen vor dem Pub, das Finale der Weltmeisterschaft. Eine ausgelassene Stimmung, obwohl wir bereits ausgeschieden waren - Frankreich und Spanien kämpften um den Pokal. Gottverdammt, ich wurde heute Nacht wirklich Dreißig! Fuck! Um Punkt Mitternacht vibrierte mein Handy los. Ein paar Glückwünsche von guten Freunden, Und auch…von Dominique. Mir stockte der Atem, als ich seine Nachricht öffnete. ♥lichen Glückwunsch! Das schwarze Herz schockierte mich, machte mich ganz kribbelig. Was sollte das? Warum meldete er sich jetzt plötzlich? Hatte er sich selbst daran erinnert, oder seine Kalender-App? War es ein Glückwunsch aus Pflichtgefühl, oder erhoffte er sich damit, wieder Kontakt zu mir aufzunehmen? Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Schrieb erst mal nur Danke. Dann fiel mir nichts mehr ein, und ich packte das Handy weg, total durcheinander. Irgendwo wollte ich ja schon wissen, wie es ihm ging, was er machte. Aber da ich mich in den letzten Monaten wirklich nicht mit Ruhm bekleckert hatte, wollte ich darüber kein Wort verlieren. Und nur ihn zu fragen und selbst etwas zu verheimlichen, kam mir nicht fair vor… Was hatte ich auch schon zu erzählen? In diesem halben Jahr hatte ich mich kaum weiterentwickelt. Konnte ihm nichts stolz berichten. Ich hatte mich einfach nur gehen lassen und war meinen Trieben gefolgt. Mir fiel dieses Bootcamp ein, für das noch ein Trainer gesucht wurde, die Bewerbungsfrist würde in wenigen Tagen verstreichen… und hatte ich nicht im Herbst vorgehabt, eine weitere berufliche Qualifikation zu erwerben, die ich schon lange in Angriff nehmen wollte? Und überhaupt... Seine Gratulation war wie ein Weckruf. Dass ich die falsche Abzweigung genommen hatte. * Die einsetzende Musik in der Kirche holt mich schlagartig wieder in die Gegenwart zurück. Dominique erhebt sich von der Bank, wie alle anderen, und ich tu es ihnen gleich. Zumindest so tun, als würde ich beten. Er bemerkt es, schielt zu mir, ein Grinsen auf dem Gesicht. Unsere Kommunikation ohne Worte funktioniert noch immer. Ich sehe seine Schultern beben. Er würde doch jetzt nicht lachen?! Das kann er nicht bringen! Ihn lachen zu sehen, verdammt noch mal, steckt mich an. Jetzt musste ich mir es ebenfalls verkneifen, auf die Zunge beißen. Was auch immer der Grund für sein Lachen ist. Unter der Bank trete ich ihm ans Schienbein. Er dreht sofort den Kopf zu mir her, eine entschuldigende Miene aufgesetzt. Bald darauf tragen wir den verdammt schweren Sarg zu Grabe. Vaters allerletzte Reise. Abschied nehmen. Noch ein paar Worte des Priesters am Grab. Wir stehen drum herum. Kirschblütenblätter rieseln von einem Baum in der Nähe, hinab in die Erde, schmücken den schwarzen Lack auf makabere Art, als würden sie ihm die letzte Ehre erweisen wollen. Mir wird fast schwindlig, als ich die symbolische Schippe mit der Erde darauf schütte und ins kalte Erdreich herabblicke. Dieses gähnende Loch zieht jegliche Kraft aus mir heraus. Zurück bleibt das bittere, allzu vertraute Gefühl der Einsamkeit. Dass dieses Grab so schnell wieder aufgerissen worden war… viel zu stark die Erinnerungen an die letzte Beerdigung. Eines Tages würde ich auch in einem solchen Loch enden. Da spüre ich einen Arm, der meinen umschlingt. Dominique. Ich bin… mit einem Mal so dankbar, dass er da ist. * „Bist du in Ordnung?“, fragt mich Martha leise, als es vorbei ist, als alle noch ein paar Worze mit mir gewechselt haben und ich nicke. Dieses Mal wirklich. Es war kein Vergleich zu Marios Tod, an dem ich mich lange schuldig gefühlt hatte. „Kommst du mit ins Café?“, frage ich und kenne die Antwort eh schon. „Leider nicht, mein Flieger geht bald…Dominique, ma cher!“ Sie hakt sich bei ihm unter, sie unterhalten sich bis vor die Friedhofsmauer, zwei gute Freunde, obwohl Jahrzehnte zwischen ihnen liegen, aber Martha ist jung geblieben. Während alle anderen schon auf dem Weg ins Café um die Ecke sind. Leichenschmaus. Der ungeselligste Zeitgenosse aller Zeiten ist heute Anlass für Geselligkeit, wie paradox. Ich will noch nicht gehen, rauche in Ruhe meine Zigarette, die mich beruhigt, schnappe ein paar Fetzen von ihrem Gespräch auf, dann verabschiedet sich Martha in einer herzlichen Umarmung von ihm, und geht auf mich zu, um sich von mir zu verabschieden, ihr obligatorisches „Melde dich, falls etwas ist.“ Dann waren nur noch wir beide hier, er und ich. Ich räuspere mich, gehe in die Vollen. „Warum bist du wirklich da, Dominique? Was willst du von mir? Ich weiß gar nichts mehr über dich und das leben das du jetzt führst. Du wohnst doch jetzt in Berlin, wahrscheinlich glücklich mit deinem Lover.“ „Hä? Welcher Lover?“, lacht er. „Und ich wohne auch gar nicht mehr in Berlin.“ „Seit wann nicht mehr?“ „War nur für ein Semester. Und außerdem habe ich die Nase voll. Das ist die verrückteste Stadt, die es gibt. Zuviel gesehen, zu viel getan… Verdammt, ich bin durch zwei Prüfungen gerasselt und muss die wiederholen! Berlin hat mir echt nicht gut getan.“ „Verrückter als Paris? Was hast du denn alles erlebt, in diesem Semester?“, frage ich aus purer Neugier. Er winkt bloß ab, genervt, fast angeekelt. „Frage nicht, und ich stell auch keine Fragen, Sandro. Oben ohne beim Pride...bestimmt den Fotocontest gewonnen, was?“ „Vierter Platz", kontere ich die spitze Bemerkung. „Du warst aber nicht im Berghain, oder?“ Seine Unterlippe verzieht sich, er schaut weg. War immer noch so ein schlechter Lügner. „Wie oft?“ „Nur zweimal. Muss ich nicht noch mal haben.“ „Verdammt, Dominique, wie bist du da überhaupt reingekommen!“ „Es ist Vergangenheit, okay“, entgegnet er. „Dieser Typ bin ich nicht mehr. Ich hatte Zeit, mir Gedanken zu machen.“ Ich holte Luft, um etwas zu sagen, doch er fährt fort: „Gedanken, was wirklich zählt im Leben. Ich werde mein Praktikum in einer Suchtklinik machen, ich habe schon die Zusage.“ „Wow. Stark. Ich habe im Herbst ein Bootcamp geleitet.“ „Aha“, sagt er nur, holt Luft um etwas zu sagen, aber ich komme ihm zuvor: „Es tut mir so Leid! Ich muss mich bei dir entschuldigen, ich hätte es viel früher tun sollen, aber...“ Ich zucke die Schultern. „Ich habe Mist gebaut.“ „Entschuldigung angenommen“, sagt er. „Und jetzt verrate mir bitte mal den Grund, wieso du mich verlassen hast!“ „Ich soll Dich verlassen haben?!“ „Warum hast du nicht um mich gekämpft, Sandro?“, bohrte sich der Vorwurf wie eine Speerspitze in meine Brust. „Warum hast du den Kontakt lieber einschlafen lassen?“ „Dominique, das ist lächerlich. Unterlass die Anschuldigungen; du hast dir mindestens genau so viel geleistet. Du hast dir einfach nur jemand Neuen geangelt, und fragst mich noch um Erlaubnis, als hätte es etwas geändert.“ Er seufzt und massiert sich die Schläfen. „Das war doch nur ein Test, Sandro.“ Das hebt meine Laune überhaupt nicht. Im Gegenteil. „Ein Psycho-Test? Ein ziemlich dämlicher! Solltest gerade du besser wissen.“ „Okay…jetzt wären wir also wieder da. Dass du es mir nicht gönnst, wenn ich es weiter schaffe als du. Weil du nur eine Ausbildung gemacht hast… Du hast schon viel von deinem Vater, Sandro!“ Dieses Thema hatten wir mehr als einmal durchgekaut. Und immer hatte ich beteuert, dass ich seine Ambitionen gut fand. Wieso nahm er das nicht einfach mal so hin? „Ich habe nicht nur eine Ausbildung gemacht, sondern auch Weiterbildungen gemacht und Trainerlizenzen erworben. Nur eben keinen akademischen Titel erreicht. Es ist peinlich, dass du mich nicht besser kennst. Als wäre ich neidisch auf Akademiker!“ Ich sehe eine Bank und lasse mich dort erschöpft nieder. Die Erinnerung bricht aus mir hervor wie Geröll aus einem lange schlummernden Vulkan. Er setzt sich mit etwas mehr Abstand als in der Kirche neben mich. „Und…sag jetzt endlich, was du in deiner gelöschten Nachricht damals geschrieben hast, das lässt mir keine Ruhe! Wenn du es noch weißt. Ist dir da eine Beleidigung rausgerutscht?“ Ich wusste sofort, welche Nachricht er meinte und musste schmunzeln. „Beleidigt? Nein…“ Ich beginne damit, dass es mir so unendlich leid tut, welches Ende mein Besuch in Paris genommen hat. Dass ich etwas ganz anderes vorgehabt hatte. Endlich, endlich gestehe ich es ihm, worüber ich so lange eisern geschwiegen hatte – es war jetzt ohnehin egal, und Zeit, dass die Wahrheit heraus kam: „Zu deinem Geburtstag, bin ich nicht mit leeren Händen nach Paris gekommen, Dominique…“ Und ich gestehe ihm, was meine Absicht gewesen war. Er ist sprachlos, sein Mund steht offen, er schaut mich nur an wie ein Fisch, ihm fehlen die Worte, was nicht oft vorkommt. Jetzt ist es endlich heraus. Das Geheimnis, das ich vor ihm bewahrt hatte bis zum heutigen Tag. Die Frage, die ich ihm nie gestellt hatte. Auf dem Heimweg vom Irish Pub war ich spätabends an einem Juweliergeschäft vorbeigekommen. Adrials Worte hingen mir noch nach: Nach zwei Jahren habe ich ihr dann einen Antrag gemacht, auf ganz romantische Art, und sie hat Ja gesagt. Der zweitbeste Tag in unserer Beziehung. Nach nur zwei Jahren! Dominique und ich waren jetzt auch zwei Jahre und zwei Monate zusammen… Erst schaute ich nur flüchtig hin, dann noch einmal, und dann trat ich näher an das Schaufenster. Ich konnte meinen Blick nicht mehr vom Schaufenster lösen, am liebsten würde ich den Laden betreten, aber er war geschlossen bis Montagvormittag. Niemals hatte ich einen Juwelier mit Verlobungs- und Eheringen für gleichgeschlechtliche Paare werben sehen, das hatte was! Das war doch… ein Zeichen, oder nicht? Das wäre das Happy End, das unsere Lovestory so dringend brauchte. Das wäre das Zugeständnis, auf das er sich insgeheim von mir sehnte. Deutlicher könnte ich ihm meine Liebe nicht zeigen. Wenn ich sie ihm schon nicht in Worte fassen konnte…das hatte er immer kritisiert: Nie sagst du, dass du mich liebst! Dieser eine Ring mit den schwarzen und weißen Elementen übte eine Anziehungskraft auf mich aus. Ich stellte mir diesen Ring an seinem Finger vor. Wie er ihn stolz allen präsentieren würde. Das wäre kitschig, oder? Aber irgendwie auch romantisch. „Jetzt ergibt alles irgendwie Sinn!" Dominique schreit regelrecht. Wie hätt ich das ahnen sollen, verdammt? Du bist nicht mal der Typ für sowas… Du und Heiraten?! Du machst dich in Songs über dieses Lebensmodell lustig!" Ich lächele ertappt, das stimmt schon. „Hättest du meinen Antrag denn angenommen?“ Er atmet tief durch, scheint plötzlich in Gedanken weit weg zu sein, zeitlich und räumlich. Auf einem Boot auf der Seine. Mitten im Auslandssemester, dem ganzen Trubel, mit dem er sich herumschlug, und ich neben ihm, der seine Abendplanung durcheinander gebracht hatte. „Die Frage ist doch viel eher, warum du mich gar nicht erst gefragt hast, Sandro!" Die Frage auf die ich selbst keine Antwort finde, auch mit meinem Therapeuten nicht, den ich seit ein paar Wochen besuche. Warm und weich liegt sein Blick auf mir. Alles an ihm ist so warm, immerzu. Von ihm geht ein ganz bestimmtes Leuchten aus, wie Herbstsonne, wie die Hoffnung höchstpersönlich. „Ist es nicht, weil ich noch ein paar Jahre studieren muss?" Ich schüttele den Kopf. „Darf ich?" Er nimmt meine Hand, drückt sie fest, verschränkt die Finger ineinander. Ob für ihn auch jetzt gerade die Welt stehen bleibt, weil sich unsere Hände berühren? Ich habe ihn so brutal vermisst... Ich bemerke jetzt, es ist dieselbe Bank, auf der wir vor ein paar Jahren gesessen und ein ernstes Gespräch geführt haben. Doch heute ist kein kalter Wintertag, sondern lauer Frühling, der nach Leben und Liebe duftet, und ich habe schon fast vergessen, dass Vater jetzt auch unter der Erde liegt. Nur Hände halten. Mehr braucht es nicht in diesem Moment, und mein Herz ist plötzlich so leicht. Wie ich seinen Händedruck vermisst habe…seine Haut, seinen Duft, ich liebe ihn immer noch… Habe ihn immer geliebt. Sonst hätte ich doch niemals den Ring gekauft. „Geht es dir gut?“, fragt er nach einer ganzen Weile, in der wir uns nicht gerührt hatten, nur die Gegenwart des anderen genießen. Er ist wirklich etwas Besonderes für mich. „Ich muss dir noch was anderes sagen“, gestehe ich ihm, schaue ihn an. „Hm?“ Es ist an der Zeit, es ihm zu gestehen. Ihm von Adrials Rolle in meinem Leben zu erzählen. „Es gibt da jemanden in meinem Leben, schon länger“, hole ich aus. „Einen Mann Ende Dreißig. Mit dem ich mich sehr stark verbunden fühle. Nichts Sexuelles. Eine gar nicht so leicht zu beschreibende Beziehung. So ähnlich wie dein Frédéric. Auf jeden Fall ein sehr wichtiger Mensch für mich, der in einer taffen Zeit für mich da war.“ Dominiqies Blick spricht Bände. „Wir waren oft ein Bier zusammen trinken, aber in diesem Moment dürfte er auf dem Weg nach Kanada sein.“ Seine besorgte Miene war einem zufriedenen Lächeln gewichen. „Das ist doch wunderschön, Freundschaften sind so wichtig. Und irgendwie schade, dass du so vieles immer für dich behältst.“ „Ja… ich habe dir damals versprochen, über meine Gefühle zu reden. Leider konnte ich dieses Versprechen nicht immer halten.“ „Hmm. Es war einfach zu viel verlangt. Ich kannte dich noch nicht gut genug, um dir so etwas abzuverlangen“, sinniert er. Noch etwas muss ich loswerden: „Ich bin wirklich unglaublich stolz auf dich, dass du das Auslandssemester durchgezogen hast, trotz allem! Komm mit, ins Café zu meiner Familie! Und erzähle uns von Paris! Sonst wird das ja eine richtige Trauerveranstaltung heute.“ Doch er schüttelt den Kopf, lächelt entschuldigend. „Ich muss ablehnen. Aber ich treffe dich am Freitag Abend im Quake, ja?“ „Quake?" Dort alles begonnen hatte zwischen uns, als ich mit Gitarrhö aufgetreten war, mit einer blutigen Nase... Gute alte Zeiten. Ich halte Blickkontakt mit ihm, bewundere seine Disziplin und seine Ausdauer, und dass er es schon wieder schafft, mich so in seinen Bann zu ziehen. Ich werde ihm für alle Ewigkeiten verfallen sein, das weiß ich genau, und ganz egal wie es mit uns ausgeht – wenn er auf meiner Beerdigung erscheint, wenn eines Tages meine Urne auf diesem Friedhof hier beigesetzt würde, dann werde ich in Frieden ruhen können. „Gut. Dann bis bald im Quake! Ach und Sandro?“, fragt er im Gehen. „Darf ich den Ring trotzdem mal sehen?“ Ich ziehe eine Grimasse. „Vielleicht irgendwann mal...“ E N D E Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)